1 Zur Glasherstellung in frühbyzantinischer Zeit und den ...
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Handwerk, Werkstätten, Handel <strong>und</strong> neue siedlungsarchäologische Forschungen im Byzant<strong>in</strong>ischen Reich<br />
Abstracts des Workshops der Byzant<strong>in</strong>ischen Archäologie Ma<strong>in</strong>z, 19./20.10.2006<br />
<strong>Zur</strong> <strong>Glasherstellung</strong> <strong>in</strong> frühbyzant<strong>in</strong>ischer <strong>Zeit</strong> <strong>und</strong> <strong>den</strong> Anwendungsmöglichkeiten<br />
naturwissenschaftlicher Analyseverfahren<br />
von Jörg Drauschke <strong>und</strong> Susanne Greiff<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der Fertigung von Gläsern der Römischen Kaiserzeit stehen sich zwei Produktionsmodelle<br />
gegenüber: Aufgr<strong>und</strong> der relativ e<strong>in</strong>heitlichen chemischen Zusammensetzung<br />
wird besonders von naturwissenschaftlicher Seite die Existenz von e<strong>in</strong>zelnen primären Glaswerkstätten<br />
<strong>in</strong> <strong>den</strong> Prov<strong>in</strong>zen Ägyptens, Syriens <strong>und</strong> Paläst<strong>in</strong>as postuliert, die die übrigen, im<br />
gesamten Reich verbreiteten sek<strong>und</strong>ären Glaswerkstätten mit Rohglas versorgt hätten. Andererseits<br />
wird die homogene Struktur der Gläser jedoch auch mit e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong> verbreiteten<br />
Glasrezeptur erklärt <strong>und</strong> von e<strong>in</strong>er Rohglasproduktion <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Umfang <strong>in</strong> mehreren Regionen<br />
des Römischen Reiches ausgegangen.<br />
Für die frühbyzant<strong>in</strong>ische <strong>Zeit</strong><br />
bis <strong>in</strong> das 7. Jh. ist e<strong>in</strong>e<br />
ähnliche Konstellation mit<br />
wenigen primären <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />
größeren Anzahl sek<strong>und</strong>ärer<br />
Glaswerkstätten <strong>den</strong>kbar.<br />
Archäologisch ist die Rohglasproduktion<br />
dieser Epoche<br />
im östlichen Mittelmeerraum<br />
jedoch nur selten zweifelsfrei<br />
zu belegen. Neben <strong>den</strong> Resten<br />
von zwei wohl frühislamischen<br />
Glasöfen konnte<br />
im Jahr 2002 <strong>in</strong> Apollonia/<br />
Arsuf (Israel) e<strong>in</strong> Glasofen des<br />
6./7. Jhs. aufgedeckt wer<strong>den</strong><br />
Abb. 1: Glasofen aus Apollonia/Arsuf (Tal u.a. 2004, 57 Abb. 6).<br />
(Abb. 1). Er bestand aus e<strong>in</strong>er rechteckigen Schmelzkammer mit e<strong>in</strong>er Größe von 5 x 3,8 m,<br />
der e<strong>in</strong>e 3,8 m breite <strong>und</strong> 1,6 m lange Feuerungskammer vorgelagert war. Diese öffnete sich<br />
<strong>in</strong> zwei Feuerungs- bzw. Schürkanälen zur Schmelzkammer h<strong>in</strong>, die z. T. noch mit e<strong>in</strong>er 10 cm<br />
hohen Glasschmelze bedeckt war.<br />
Vergleichbare technische E<strong>in</strong>richtungen, die man auch als Wannenöfen bezeichnet, sche<strong>in</strong>en<br />
typisch für die Rohglasproduktion <strong>in</strong> der Levante zu se<strong>in</strong>. Belege, die allerd<strong>in</strong>gs teilweise oder<br />
vollständig <strong>in</strong> frühislamische <strong>Zeit</strong> datieren, fan<strong>den</strong> sich <strong>in</strong> Bet Eli’ezer bei Hadera (Israel), Bet<br />
She’arim (Israel), Tyros (Libanon) <strong>und</strong> al-Raqqa (Syrien). Weitere e<strong>in</strong>deutige Bef<strong>und</strong>e von Orten<br />
mit Rohglasproduktion frühbyzant<strong>in</strong>ischer <strong>Zeit</strong> haben sich <strong>in</strong> Syrien <strong>und</strong> Jordanien sowie <strong>in</strong><br />
Ägypten trotz <strong>in</strong>tensivierter Forschung nicht ergeben.<br />
Sek<strong>und</strong>äre Glaswerkstätten lassen sich anhand der Überreste von Öfen, der F<strong>und</strong>e von Glashafen<br />
<strong>und</strong> Rohglas oder der Rückstände der Glasschmelze selbst (wie Schmelztropfen oder<br />
angeschmolzene Fragmente) nachweisen, außerdem über Produktionsabfälle <strong>und</strong> Fehlprodukte.<br />
Die typologische Ausprägung der Fertigprodukte <strong>und</strong> ihre regionalen Konzentrationen<br />
lassen bisweilen ebenfalls auf die Existenz e<strong>in</strong>er Werkstatt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Region schließen.<br />
Nachweise dieser sek<strong>und</strong>ären Werkstätten s<strong>in</strong>d für die Spätantike <strong>und</strong> die frühbyzant<strong>in</strong>ische<br />
<strong>Zeit</strong> im gesamten Byzant<strong>in</strong>ischen Reich <strong>und</strong> darüber h<strong>in</strong>aus vorhan<strong>den</strong>. Sehr bekannt s<strong>in</strong>d die<br />
Werkstatt von Jalame (Israel) aus der zweiten Hälfte des 4. Jhs. <strong>und</strong> der „glass-workshop“ aus<br />
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Handwerk, Werkstätten, Handel <strong>und</strong> neue siedlungsarchäologische Forschungen im Byzant<strong>in</strong>ischen Reich<br />
Abstracts des Workshops der Byzant<strong>in</strong>ischen Archäologie Ma<strong>in</strong>z, 19./20.10.2006<br />
Sardis (Türkei) des 6./7. Jhs. Erst <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren konnte außerdem e<strong>in</strong> Glasofen derselben<br />
<strong>Zeit</strong>stellung im Bereich der Tetragonos-Agora <strong>in</strong> Ephesos (Türkei) entdeckt wer<strong>den</strong>. Gerade<br />
die Bef<strong>und</strong>e aus Ephesos verdeutlichen, dass Werkstätten nicht immer deutliche Spuren<br />
h<strong>in</strong>terlassen müssen, da auch relativ kle<strong>in</strong>e Ofenkonstruktionen für die Glasschmelze <strong>und</strong> Gefäßherstellung<br />
ausgereicht haben. Insgesamt s<strong>in</strong>d die sek<strong>und</strong>ären Werkstätten aber weitaus<br />
häufiger über <strong>in</strong>direkte Spuren als über Öfen <strong>und</strong> Schmelztiegel nachgewiesen. Sie sche<strong>in</strong>en<br />
vergleichsweise weit verbreitet gewesen zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> lagen nicht selten <strong>in</strong> enger Nachbarschaft<br />
zue<strong>in</strong>ander.<br />
Aus der chemisch-analytischen Perspektive gesehen stellt byzant<strong>in</strong>isches Glas e<strong>in</strong>e noch wenig<br />
bekannte Materialgruppe dar. Erst <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren wur<strong>den</strong> vermehrt Analysen angefertigt,<br />
die es gestatten, Glas dieser Periode <strong>in</strong> das Netzwerk möglicher Rohglasproduktionszentren<br />
des Altertums e<strong>in</strong>zuordnen (s. z. B. Mass u.a. 2001; Freestone u.a. 2002). Dazu können<br />
mit verschie<strong>den</strong>en analytischen Metho<strong>den</strong> wie Röntgenfluoreszenz (Mikro-RFA) <strong>und</strong> dem<br />
Plasma-Massenspektrometer (ICP-MS) die Haupt- <strong>und</strong> Nebenelemente, aber auch Spurenelemente<br />
untersucht wer<strong>den</strong>, um e<strong>in</strong> möglichst vollständiges Bild der chemischen Zusammensetzung<br />
zu erhalten.<br />
Über Haupt- <strong>und</strong> Nebenelemente lässt sich beispielsweise der Typ des Glasrohstoffs def<strong>in</strong>ieren,<br />
<strong>in</strong>dem man u.a. zwischen verschie<strong>den</strong>en Quellen des Natrons aus m<strong>in</strong>eralischen oder<br />
pflanzlichen Ressourcen zu unterschei<strong>den</strong> vermag. Darüber h<strong>in</strong>aus lassen sich auch Produktionszentren<br />
nach ihren etwas variieren<strong>den</strong> Rezepturen unterschei<strong>den</strong>. Nebenelemente wie<br />
Mangan, Eisen <strong>und</strong> Antimon helfen, über Traditionen des Entfärbens <strong>und</strong> die Qualität der<br />
Sandrohstoffe zu urteilen etc. Die fe<strong>in</strong>eren Differenzierungen über Spurenelemente oder gar<br />
Isotope lassen z.B. Vergleiche zwischen lokalen San<strong>den</strong> <strong>und</strong> Glasf<strong>und</strong>en zu. So wur<strong>den</strong> von<br />
Freestone u.a. über die Hauptelementchemie zwei levant<strong>in</strong>ische <strong>und</strong> zwei ägyptische Rezepturfamilien<br />
differenziert, die sich wiederum von der mittleren römischen Glaszusammensetzung,<br />
wie sie Wedepohl (2003) aus 781 Analysen berechnete, unterschei<strong>den</strong>.<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>es Projekts <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Institut <strong>in</strong> Belgrad<br />
bietet sich die Möglichkeit, aus dem umfangreichen Glasmaterial des 6. <strong>und</strong> beg<strong>in</strong>nen<strong>den</strong> 7.<br />
Jhs. aus dem serbischen Carič<strong>in</strong> Grad/Iust<strong>in</strong>iana Prima <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em statistisch relevanten Umfang<br />
Analysen zu erarbeiten. Besonders <strong>in</strong>teressant ist der Vergleich mit römischen Rezepturen, um<br />
zu erkennen, <strong>in</strong> welcher Traditionsfolge frühbyzant<strong>in</strong>isches Glas dieser Region hergestellt<br />
wor<strong>den</strong> ist. Aus dem Gefäßglas von Carič<strong>in</strong> Grad wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt sieben willkürlich<br />
ausgewählte Fragmente auf ihre Haupt- <strong>und</strong> Nebenelemente überprüft <strong>und</strong> mit <strong>den</strong><br />
erwähnten Rezepturfamilien verglichen. Die ersten, wenn auch aufgr<strong>und</strong> der ger<strong>in</strong>gen Datenmenge<br />
als vorläufig zu bezeichnen<strong>den</strong> Untersuchungen weisen auf e<strong>in</strong>e noch römisch geprägte<br />
Tradition h<strong>in</strong>. Weitere Analysen wer<strong>den</strong> das Bild vervollständigen.<br />
Literatur<br />
D. Foy / M.-D. Nenna (Hrsg.), Échanges et commerce du verre dans le monde antique.<br />
Kolloquium Aix-en-Provence, Marseille 2001. Monogr. Instrumentum 24 (Montagnac 2003).<br />
I. C. Freestone / M. Pont<strong>in</strong>g / M. J. Hughes, The orig<strong>in</strong>s of Byzant<strong>in</strong>e glass from Maroni<br />
Petrera, Cyprus. Archaeometry 44, 2002, 257–272.<br />
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Handwerk, Werkstätten, Handel <strong>und</strong> neue siedlungsarchäologische Forschungen im Byzant<strong>in</strong>ischen Reich<br />
Abstracts des Workshops der Byzant<strong>in</strong>ischen Archäologie Ma<strong>in</strong>z, 19./20.10.2006<br />
I. Mass / A. Ammerman / A. J. Hunt, Archaeological exploration with the electron microprobe:<br />
The early history of glassmak<strong>in</strong>g <strong>in</strong> the Venetian lagoon. American Laboratory April 2001, 52–<br />
55 (http://www.americanlaboratory.com/articles/al/a0104mas.pdf).<br />
M.-D. Nenna (Hrsg.), La route du verre. Travaux de la Maison de l’Orient Méditerranéen 33<br />
(Lyon 2000).<br />
O. Tal / R. E. Jackson-Tal / I. C. Freestone, New evi<strong>den</strong>ce of the production of raw glass at Late<br />
Byzant<strong>in</strong>e Apollonia-Arsuf, Israel. Journal of Glass Studies 46, 2004, 51–66.<br />
K. H. Wedepohl, Glas <strong>in</strong> Antike <strong>und</strong> Mittelalter. Geschichte e<strong>in</strong>es Werkstoffes (Stuttgart<br />
2003).<br />
Dr. Jörg Drauschke<br />
Dr. Susanne Greiff<br />
Römisch-Germanisches Zentralmuseum<br />
Forschungs<strong>in</strong>stitut für Vor- <strong>und</strong> Frühgeschichte<br />
Ernst-Ludwig-Platz 2<br />
55116 Ma<strong>in</strong>z<br />
drauschke@rgzm.de<br />
greiff@rgzm.de<br />
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