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„Don Karlos“ von Friedrich Schiller

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„Don Karlos“ <strong>von</strong> <strong>Friedrich</strong> <strong>Schiller</strong><br />

Regie: Christian Stückl<br />

Bühne : Marlene Poley<br />

Zusatzmaterial für Lehrkräfte<br />

<strong>von</strong> Katja Frierich, Dramaturgin<br />

- Entstehung, Quelle und Inhalt<br />

- Figurenkonstellation<br />

- Aufbau und Handlung des Dramas<br />

- Auseinandersetzung mit der Inszenierung<br />

1


Don Karlos. Infant <strong>von</strong> Spanien. Ein dramatisches Gedicht<br />

zur Entstehung, den Quellen und Inhalt<br />

Die Entstehung des Stückes <strong>von</strong> 1782 bis 1787 erlebte mehrere Wandlungen. Es liegt in<br />

veschiedenen Fassungen vor. Die erste Fassung erschien 1787 und die letzte Fassung 1805,<br />

die zur ästhetisch sanktionierten Fassung erklärt wurde. <strong>Schiller</strong> hatte darin im Verhältnis zur<br />

ersten Fassung ca. 1000 Verse herausgekürzt, die Handlung wurde dadurch gestrafft.<br />

Dazwischen liegen mehrere Bühnenfassungen, die sich formal, bühnenpraktisch und in<br />

gewisser Hinsicht auch inhaltlich unterscheiden, denn <strong>Schiller</strong> hat den Theatern sowohl Vers-<br />

als auch Prosafassungen angeboten und dabei wiederum – je nach Auflage der Zensur – den<br />

Großinquisitor gestrichen und Domingo in einen Staatssekretär namens Perez verwandelt.<br />

Die Uraufführung des Don Karlos fand am 29. 8. 1787 in Hamburg statt.<br />

<strong>Schiller</strong>s Quellen sind lückenlos bekannt. Die wichtigste Quelle war Abbé de Saint-Réals<br />

Histoire de Dom Carlos, Fils de Philippe II. <strong>Schiller</strong> hatte Jean Louis Sébastian de Merciers<br />

aufklärerische Szenenfolge Portrait de Philippe II., Roi d’Espagne gelesen und Thomas<br />

Otways Don Carlos <strong>von</strong> 1676.<br />

Andere literarische Vorbilder für <strong>Schiller</strong> waren u.a.: Shakespeares Hamlet (um 1603),<br />

Lessings Nathan der Weise (1779), Leisewitz Julius <strong>von</strong> Tarent (1776), Lenz Die Freunde<br />

machen den Philosophen (1776)<br />

Thematik in Kürze<br />

„Don Karlos“ ist nicht nur ein politisches Ideendrama, sondern zugleich ein Familiendrama<br />

und auch ein Freundschafts- und Liebesdrama. Es bringt hoffnungslose Liebe, den Untergang<br />

einer Dynastie sowei den Opfermut eines Freundes auf die Bühne. Es wird geliebt, gehasst,<br />

gestohlen, intrigiert und gemordet.<br />

Das private vermischt sich in Don Karlos mit dem politischen. Das private wird politisch, das<br />

politische wird privat. Beides durchdringt einander.<br />

Das Stück wird als Ausdruck des modernen Freiheitsstrebens und Dokument rebellischer<br />

Gesinnung rezipiert. Gleichzeitig verweist der fortschrittlich, revolutionäre Text auf die<br />

Gefahr der politischen Verblendung und <strong>Schiller</strong> sieht den kommenden Terror der<br />

französischen Revolutionäre um Robesspierre voraus. Der Revolutionärsgedanke und der<br />

damit verbundenen Rigorismus wird <strong>von</strong> <strong>Schiller</strong> kritisch im Stück verhandelt.<br />

<strong>Schiller</strong>s „Don Karlos“ nimmt in mehrfacher Hinsicht eine Zwischenstellung im Gesamtwerk<br />

ein. Es steht zwischen dem Sturm und Drang und der Klassik, es steht zwischen privater<br />

bürgerlicher Familiendramatik und weltbürgerlichem Politikverständnis. In seiner ideellen<br />

Anlage ist das Stück ein Stück der Aufklärung.<br />

„Don Karlos“ spielt 1568 in Zeiten der Spanischen Inquistion. Am Hofe König Philipp des II.<br />

herschen Strenge und Ordnung und die Intrige. Philipps Sohn Don Karlos ist heimlich verliebt<br />

in seine Stiefmutter Elisabeth <strong>von</strong> Valois, die ihm einst versprochen war, schließlich aus<br />

Gründen der Staatsraison den König heiraten musste. Vom Vater ungeliebt und <strong>von</strong> den<br />

Intriganten am Hofe möglichst kleingehalten, hat Karlos eine Außenseiterposition inne. Sein<br />

Freund, der Maquis <strong>von</strong> Posa, erscheint mit einem dringlichen Auftrag: Es gilt im<br />

Freiheitskampf Flandern zu eretten. Dafür will er Karlos mobilisieren. Philipp, an der Spitze<br />

der Macht einsam und allein, sieht in Posa einen Vertrauten und einen Ersatzsohn. Er<br />

beauftragt Posa, Karlos zu überwachen. Spätestens hier wird die Familientragödie zum<br />

spannenden Politthriller. Im idealistischen Kampf gegen die katholische Macht beginnt sich<br />

Posa im Gestrüpp der Intrigen zu verstricken. Er setzt selbst korrupte Mittel ein, die ihn und<br />

Karlos schließlich zu Fall bringen.<br />

2


Figurenkonstellation<br />

Philipp II. <strong>von</strong> Spanien<br />

Sexuelle Vater- Intrigen um Gunst<br />

Begierde Sohn- und Macht<br />

Konflikt<br />

Vertrauen<br />

Prinzessin Eboli Bündnis gegen Karlos Alba, Domingo<br />

Private ideologische<br />

Misstrauen Gegensätze Gegensätze Misstrauen<br />

Marquis Posa Bündnis für Karlos Elisabeth<br />

Unerfüllte Liebe Politische Rivalität<br />

Freundschaft Liebe<br />

Don Karlos<br />

3


Philipp II. <strong>von</strong> Spanien.<br />

<strong>Schiller</strong>s Philipp II. hat weniger mit dem historischen Philipp zu tun als mit der<br />

Legendenbildung um seine Person.<br />

Philipp II. war der Sohn <strong>von</strong> Kaiser Karl V. und Isabella <strong>von</strong> Portugal. Er hatte ein riesiges<br />

Territorium unter sich, das es zu verwalten und zu beherrschen galt. Tatsächlich war das<br />

Imperium Philipp II. das bis dahin größte und ausgedehnteste in der Geschichte der<br />

Menschheit. Der König regierte nicht nur die iberische Halbinsel, sondern als Herzog <strong>von</strong><br />

Burgund auch das heutige Niederlande, Belgien, Luxemburg und den Nordosten <strong>von</strong><br />

Frankreich. Dazu kamen die Kolonien in Südamerika, Philippinen und weitere Länder in<br />

Afrika, Indien und dem heutigen Indonesien. Wie eine Spinne in ihrem Netz habe er all seine<br />

Monarchien kontrolliert, nicht die geringste Kleinigkeit sei ihm entgangen – so lautet das<br />

Urteil mancher Zeitgenossen, aber auch vieler Historiker. Die Arbeits- und Kontrollwut des<br />

Herrschers trugen dazu bei, dass Philipp als strenger, tyranischer und unbeugsamer Bürokrat<br />

dargestellt wird. Argwohn und Misstrauen, Freude an der Hinrichtung und Leidenschaft für<br />

Autodafés, Eifersucht und Unbarmherzigkeit seien seine entscheidenden Eigenschaften<br />

gewesen, sein Verständnis <strong>von</strong> Macht sei auf die unantastbare absolutistische Macht gerichtet<br />

gewesen.<br />

Briefe an seine Töchter beweisen jedoch, dass er ein liebender und sorgender Vater gewesen<br />

ist. Er selbst sah sich als Diener seines Gottes, der ihm die Geschicke der Menschheit<br />

anvertraut hatte, dem er getreu unter größter Anstrengung aller Kräfte dienen wollte.<br />

<strong>Schiller</strong>s Bild <strong>von</strong> Philipp schwankte. Im „Don Karlos“ hatte er ihn zur tragischen Gestalt<br />

werden lassen. Hin- und Hergerissen zwischen seinen Höflingen Alba und Domingo, der<br />

Intrige der Eboli, seiner Frau Elisabeth und seinem Sohn Karlos. Philipp hat menschliche<br />

Züge und <strong>Schiller</strong> hat den Despoten in ihm zurückgedrängt, jedoch nicht völlig<br />

ausgeschieden.<br />

Gleich in der ersten Szene verbannt er die Marquisin <strong>von</strong> Mondekar für zehn Jahre, da sie für<br />

einen Moment die Königin unbeaufsichtigt lies. Herzog Karl Eugen <strong>von</strong> Württemberg, der für<br />

<strong>Schiller</strong> Varterfigur und Despot zugleich war, hat sicherlich zur Charakterisierung des<br />

Philipps beigetragen.<br />

Don Karlos<br />

Der historische Don Karlos wurde am 8. Juli 1545 geboren. Seine Mutter war Maria <strong>von</strong><br />

Portugal, die kurz nach seiner Geburt an deren Folgen starb. Die ersten 14 Lebensjahre wuchs<br />

Karlos beinahe ohne jeden Kontakt zu seinem Vater auf. Karlos war ein sehr eigensinniger,<br />

empfinsamer und leicht erregbarer Mensch, dessen Leidenschaften pathologische Züge hatte.<br />

Nach einem Unfall 1564, bei dem er sich schwere Kopfverletzungen zuzog, zeigte er Zeichen<br />

der Verwirrung. Er war berüchtigt für seine unberechenbaren Ausbrüche. Karlos wollte den<br />

Einfluss <strong>von</strong> Adel und Städten gegenüber dem absolutistisch regierenden König heben. Er<br />

forderte das Kommando in Flandern, das aber Alba erhielt. Die <strong>von</strong> Karlos geplante Flucht<br />

wurde verraten und Philipp ließ ihn verhaften und einsperren. In der Haft starb Karlos an<br />

einer Darminfektion, um die sich viele Gerüchte, der Vater hätte seinen Sohn vergiften lassen,<br />

ranken, die jeder historischen Grundlage entbehren.<br />

<strong>Schiller</strong> schreibt über seinen Karlos: „Karlos hat, wenn ich mich des Maßes bedienen darf,<br />

<strong>von</strong> Shakespeares Hamlet die Seele – Blut und Nerven <strong>von</strong> Leisewitz Julius, und den Puls<br />

<strong>von</strong> mir.“ (Brief an seinen Freund Reinwald <strong>von</strong> 1783).<br />

Karlos ist Gegenbild zu seinem Vater, aber auch zu Posa. Mit Posa teilt er zwar seine<br />

politische Gesinnung, aber er ist kein Stratege. Karlos ist jugendlich unbeherrscht und zeigt<br />

impulsives gefühlsbetontes Verhalten und neigt zu Stimmungsumschwüngen. Sein Vater<br />

beschreibt ihn als zu weich und deshalb für die Politik ungeeignet.<br />

4


Elisabeth <strong>von</strong> Valois<br />

War die Tochter <strong>von</strong> Katharina <strong>von</strong> Medici und Heinrich II., König <strong>von</strong> Frankreich.<br />

Ursprünglich sollte sie aus politischen Beweggründen mit dem Infanten Karlos verheiratet<br />

werden. Sie heiratete jedoch später den 32jährigen Philipp im Alter <strong>von</strong> gerademal 15 Jahren.<br />

Mit Karlos soll sie sich sehr gut verstanden haben. Historiker halten eine Liebesbeziehung der<br />

beiden für abwegig. Elisabeth fühlte sich angeblich an der Seite <strong>von</strong> Philipp wohl und schrieb<br />

an ihre Mutter: „Je yous direai comment je suis la plus heureuse femme du monde.“ Sie gebar<br />

zwei Töchter und stirbt 1568 bei der Geburt der zweiten Tochter.<br />

<strong>Schiller</strong>s Elisabeth ist politisch interessiert und lässt sich <strong>von</strong> Posa für seinen<br />

Befreiungskampf einspannen. Sie ist gegen die Inquisition und scheint am Hofe Philipps in<br />

Madrid sehr zu leiden. Ihr Gemahl, Philipp ist im Stück 60 Jahre alt, was eine<br />

leidenschaftliche Liebesbeziehung allein durch den Altersunterschied schon sehr<br />

unwahrscheinlich werden lässt.<br />

Marquis Posa<br />

In <strong>Schiller</strong>s Hauptquelle der „Histoire de Don Carlos“ wird zwar <strong>von</strong> einem Marquis Posa<br />

berichtet, ein Günstling des Prinzen. Viel erfährt man jedoch nicht <strong>von</strong> ihm, sodass man Posa<br />

als ureigenste Erfindung des Dichters bezeichnen kann.<br />

Posa steht für den aufklärerischen, revolutionären Geist. Er vertritt republikanische<br />

Prinzipien, wie sie zu <strong>Schiller</strong>s Zeit im amerikanischen Unabhängigkeitskampf zu erleben<br />

waren. Die Reden Posas (in der Audienzszene) beziehen sich mehr auf <strong>Schiller</strong>s Gegenwart,<br />

in der aufklärerische Positionen die Voraussetzungen für die Französische Revolution <strong>von</strong><br />

1789 schufen, als auf Spaniens Gegenwart <strong>von</strong> 1568. Von Gedankenfreiheit konnte zu Zeiten<br />

der Inquisition in Spanien wenig die Rede sein. Der König lässt sich <strong>von</strong> Posa in der<br />

Audienzszene verführen, obwohl er in seinen Augen vielmehr den Ketzer darstellt.<br />

Posa, der Global Player, ist der Fädenzieher im Stück. Er wirbt für den Freiheitskampf der<br />

Niederländer und ist der Stratege des Aufstands und bereitet Karlos’ Rebellion vor. Posa ist<br />

der Träger des <strong>Schiller</strong>’schen Idealismus. Schlussendlich verheddert sich Posa jedoch selbst<br />

in seinen eigenen Plänen. <strong>Schiller</strong> stellt den Revolutionär sehr kritisch dar, da er selbst<br />

unlautere Mittel und Intrigen benutzt, um ans Ziel zu kommen. Er verliert an moralischer<br />

Vorbildlichkeit und <strong>Schiller</strong> prophezeit in ihm vorausschauend den Schrecken und Terror der<br />

französischen Revolutionäre.<br />

Posa imponiert und beeindruckt Philipp in der Audienzszene. Er wird ihm zum Ersatzsohn,<br />

denn in ihm findet Philipp das, was er an seinem leiblichen Sohn vermisst.<br />

Prinzessin Eboli macht sich zum Werkzeug der ideologischen Gegner <strong>von</strong> Karlos. Sie<br />

beherrscht die Regeln der höfischen Intrige. Sie weiß ihren Charme einzusetzen. Der König<br />

begehrt sie und möchte sie als königliche Mätresse halten. Ihr Handeln ist bestimmt <strong>von</strong><br />

Rachsucht. Später tut ihr ihr Handeln leid.<br />

Herzog <strong>von</strong> Alba, spannischer Feldherr und Staatsmann, er war aufgrund seiner Strenge und<br />

seinem Fanatismus für die katholische Kirche der gefürchteste General Europas. Besonders<br />

blutig verlief seine Statthalterschaft in den Niederlanden.<br />

Im Stück ist Alba der ideologische Gegenspieler <strong>von</strong> Karlos. Zusammen mit Domingo<br />

intrigiert er gegen den Infanten.<br />

Domingo ist der Beichtvater des Köngis, ein Dominikanermönch. Domingo steht im Dienst<br />

der Inquisition. Zusammen mit Alba verschwört er sich gegen Karlos und Posa. Er lenkt und<br />

leitet die Intrigen, instrumentalisiert die Eboli zu seinen Zwecken. Er ist der Repräsentant der<br />

Inquisition. Auch das Beichtgeheimnis ist ihm nicht heilig.<br />

5


Graf <strong>von</strong> Lerma ist Oberster der Leibwache des Königs. Er dient dem König als enger<br />

Vertrauter. Er hat große Sympathien für Karlos und warnt ihn vor dem vermeintlichen Verrat<br />

<strong>von</strong> Posa. Dadurch verschlimmert er unwissentlich die Situation. In unserer Inszenierung<br />

nimmt er sich das Leben, als er seinen Irrtum erkennt.<br />

6


Aufbau und Handlung des Dramas<br />

Posas Befreiungs- Karlos uner- Intrigen <strong>von</strong> Vater-und<br />

Kampf widerte Liebe Alba, Domingo Sohn-Konflikt<br />

und Eboli<br />

1. Akt Posa versucht Karlos für Karlos beschliesst,<br />

seinen Freiheitskampf zu den Vater um das<br />

mobilisieren. Er idealisiert Kommando des<br />

Karlos’ Liebe zur Königin Heeres in Flandern<br />

und gewinnt diese für seine zu bitten.<br />

Pläne.<br />

2. Akt Karlos glaubt, durch den Nach dem missglückten<br />

Brief des Königs an die Rendezvous schliest sich Eboli<br />

Eboli, die Königin frei- aus Rache den Gegnern <strong>von</strong><br />

kaufen zu können. Karlos an. Sie will die ver-<br />

meintliche Untreue der Königin<br />

entlarven.<br />

Posa bringt Karlos Die Audienz beim<br />

wieder auf den Weg des Vater bleibt ohne<br />

Idealismus. Erfolg.<br />

3. Akt Eboli stiehlt Liebesbriefe<br />

<strong>von</strong> Karlos an Elisabeth und<br />

bringt sie dem König.<br />

Der König ist verunsichert. Wem soll er<br />

glauben. Betrügt die Königin ihn mit<br />

Karlos?<br />

Audienzszene: Posa ver-<br />

kündet vor Philipp sein<br />

Freiheitsideal und wird zum<br />

Vertrauten des Königs.<br />

4. Akt Posas eigenmächtiges Handeln Eboli gesteht Elisabeth<br />

sorgt für unauflösbare Verwick- ihre Schuld.<br />

lungen. Karlos misstraut ihm.<br />

Posa lässt Karlos verhaften, da er<br />

glaubt, Karlos vertraut sich der<br />

Eboli an. Dann lenkt er den Ver-<br />

dacht um auf sich selbst.<br />

5. Akt Karlos stößt den<br />

den Vater an der<br />

Leiche Posas zu-<br />

rück.<br />

Posas Scheitern: Sein Plan geht nicht<br />

auf. Er selbst wird ermordet und Karlos,<br />

der sein Plan weiterführen soll, wird<br />

verhaftet.<br />

Philipp übergibt<br />

seinen Sohn der<br />

Inquisition.<br />

7


Die Handlungsstränge<br />

<strong>Schiller</strong> hat viele der Motive, die ihn bei seinen ersten Stücken schon gefesselt hatten, den<br />

Vater-Sohn-Konflikt, Verschwörung und Intrige, eine tödliche Liebesgeschichte, in „Don<br />

Karlos“ verarbeitet und weiter geführt. Zudem ließ sich hier auch ein Thema abhandeln, das<br />

er in den „Räubern“ nur gestreift hatte: die Inquisition. Sie galt als Inbegriff der<br />

Ruchlosigkeit, die vom aufklärerischen Geist der Zeit angeprangert wurde. Man pflegte die<br />

Erinnerung an die Inquisition, die es ja nicht mehr gab, um das Kontrastbild zu finsteren<br />

Zeiten, die man inzwischen überwunden zu haben glaubte, mahnend ins Gedächtnis zu rufen.<br />

Der Freiheitskampf der Niederlande und die Inquisition<br />

Nach seinem Tod (1558) ermahnte Karl V. seinen Sohn Philipp, rücksichtslos gegen alle<br />

Protestanten vorzugehen. Spanien war die stärkste katholische Macht Europas und<br />

kontrollierte u.a. auch die protestantischen Niederlande, ein wirtschaftlich wichtiges Gebiet.<br />

1568 verurteilte Philipp II. alle Niederländer wegen Ketzerei zum Tode – ein auf beiden<br />

Seiten grausam geführter Kampf begann, der erst nach 80 Jahren mit der Unabhängigkeit der<br />

Niederländer endete: der längste Freiheitskampf der Geschichte.<br />

Die Inquisition war eine kirchliche Institution, die seit dem späten 15. Jahrhundert für die<br />

Erhaltung der reinen katholischen Lehre zu sorgen und religiöse Abweichler aufzuspüren<br />

hatte.<br />

Die spanische Inquisition lag als Sonderform der Inquisition und im Unterschied zu anderen<br />

Regionen beinahe vollständig in der Hand der Monarchen. Das Verfahren war standadisiert.<br />

Angeklagte wurden erst einmal verwarnt und nur verhört, wenn sie solche Warnungen nicht<br />

beachteten. Die ersten Verhöre fanden durch Theologieprofessoren und Rechtsgelehrte statt.<br />

Als Beweise gab es Zeugenaussagen bezüglich Beobachtungen und Charakter, öffentliche<br />

Aussagen und den Grad der Frömmigkeit des Beschuldigten – großzügige Spenden an die<br />

Kirche waren dabei ein bewährter Weg, um Frömmigkeit zu beweisen. Die spanische<br />

Inquisition wandte Folter an, aber normalerweise erst, wenn deutliche Hinweise auf die<br />

„Schuld“ eines nicht geständigen Beschuldigten vorlagen. Es fanden regelmäßig Autodafés<br />

statt, bei denen Ketzer öffentlich hingerichtet wurden.<br />

In „Don Karlos“ ist Posas großer Gegenspieler die Inquistion, die bis in die privatesten<br />

Winkel der Menschheit eindringt, kontrolliert, überwacht und das Gewissen formiert.<br />

Domingo ist der Repräsentant der Inquisition. Am Ende richtet Domingo über Karlos.<br />

Macht und Intrige<br />

Am spanischen Hofe ist jeder bedacht, seine eigene Position zu stärken. Ein Mittel hierzu ist<br />

neben der Intrige die Überwachung. Schon zu Beginn des Stückes sieht man, wie Karlos <strong>von</strong><br />

Domingo ausspioniert wird. Auch Elisabeth leidet unter der strengen Etikette, die der<br />

despotischen Monarchie ebenso dazu dient, die Macht am Hofe zu stabilisieren. Alles Tun<br />

am Hof war an das Hofzeremoniell gebunden. Das königliche Familienleben stand unter<br />

einem öffentlichen Aspekt. Die Königin durfte nie allein ohne ihre Hofdamen sein. Die Pflege<br />

der Kinder lag in den Händen der Amme.<br />

8


Die Audienzszene<br />

Der König spürt, dass er auf dem Thron allein ist, dass er den Höflingen um sich herum nicht<br />

trauen kann. Er braucht jemand neutrales. Er lässt den Marquis Posa rufen, um ihn für seine<br />

Wahrheitsfindung einzuspannen. Der Marquis hat mit dieser Zusammenkunft nicht gerechnet,<br />

aber der Politiker in ihm spürt sofort die Gelegenheit, diesen Augenblick beim Monarchen<br />

strategisch zu nutzen. Der Malteserritter hat die Schule Montesquieus durchlaufen, wie man<br />

seiner Argumentation in der Audienzszene anmerkt. Montesquieu ordnet in seiner<br />

Verfassungslehre der Monarchie das Prinzip der Ehre (honneur), der Despotie das Prinzip der<br />

Furcht (crainte) und der Demokratie die Tugend (vertu) zu. Posas Argumentation umkreist<br />

den Gegensatz der Prinzipien Tugend und Ehre. Ehre soll gegen Tugend ausgewecheselt<br />

werden. Montesquieus Begirff der Tugend wird umgemünzt in den Inbegriff der<br />

Menschenrechte und der Autonomie. „Ich kann nicht Fürstendiener sein“, so lehnt Posa das<br />

Angebot des Königs ab, in seine Dienste zu treten. Dieser Satz besteht auf der logischen<br />

Unmöglichkeit, die sich zwangsläufig aus dem Zusammenstoß <strong>von</strong> monarchischer Ordnung<br />

und autonomer Subjektivität ergibt. Bereits Domingo fasst an anderer Stelle zusammen, was<br />

es mit der Monarchie auf sich hat: „Der Wille des Monarchen verleiht die Tugend wie das<br />

Glück“. Ähnliches ist bei Montesquieu über die Ehre zu lesen. Posa ist über solche<br />

Auszeichnungen, die der König vergibt, erhaben. Posa geht es um den eigenen Willen und um<br />

das „selbstgeschaffene Glück“. Doch in der Monarchie kann der Mensch nicht selbstbestimmt<br />

leben. Strategisch klug unterbreitet Posa Philipp, dass es ihm doch auch nicht darum gehen<br />

kann, ein Nero oder Busiris zu sein. Posa wird sehr persönlich, indem er ihm vor Augen führt,<br />

was der König selbst zu gut spürt, dass er auf seinem Thron einsam und allein regiert. Denn<br />

einem König, der gottesgleich regiert, kann nur geopfert und zu ihm gebetet werden. Einen<br />

Freund wird er nicht finden. Diese Bemerkung <strong>von</strong> Posa trifft den König bis aufs Mark. Der<br />

„sonderbare Schwärmer“ fängt an, ihm zu gefallen, da er ihm nicht schmeichelt und nichts für<br />

sich verlangt und seinen innersten Wunsch nach einem Freund und seiner Suche nach der<br />

Wahrheit erkennt. Monarchische Vergötterung ziehe zwangsläufig menschliche<br />

Vereinsamung nach sich.<br />

Weiter argumentiert Posa für Menschenwürde und Menschenrechte. Der König glaubt, einen<br />

Protestanten vor sich stehen zu sehen. „Ihr Glaube ist auch der meinige.“, antwortet Posa. Er<br />

bekennt sich jedoch nur nominell zum Glauben des Königs. Die christlichen Konfessionen<br />

sind seine Sache nicht. Er redet wie ein Philosoph der Aufklärung: „Das Jahrhundert ist<br />

meinem Ideal nicht reif. Ich lebe ein Bürger derer, welche kommen werden.“<br />

Posa fühlt sich nun sicher und hat das Vertrauen des Königs, so dass er sich traut mit seinen<br />

Forderungen herauszurücken. Er spricht <strong>von</strong> der Befreiung <strong>von</strong> Flandern und Brabant. Er<br />

entwirft eine Utopie: „Werden Sie <strong>von</strong> Millionen König ein König [...] Geben Sie<br />

Gedankenfreiheit.“ Posa meint damit das „Ideal republikanischer Freiheit“. Republikanisch<br />

beeutet im Sprachgebrauch der Zeit jede auf einer geschriebenen Verfassung beruhende<br />

Rechtsstaatlichkeit, kann also nicht nur eine Demokratie oder Aristokratie, sondern auch die<br />

Monarchie bezeichnen – sofern sie gesetzmäßig organisiert ist, dem Gemeinwillen gehorcht,<br />

Sachverwalter der Regierung ist. Doch Posas Philosphie lässt auch die Umrisse einer<br />

demokratischen Staatsform erahnen. Die Audienzszene ist für Posa der Versuch, eine<br />

„Revolution <strong>von</strong> oben“ durchzuführen, indem er den Monarchen <strong>von</strong> seinen Ideen und<br />

Philosophien überzeugen möchte.<br />

Auch wenn Posa betont, dass es ihm nicht um seine eigenen Rechte, sondern um die Rechte<br />

der Menschheit geht, schwingt doch auch in dieser Szene mit dem König, wenn er <strong>von</strong><br />

aufgeklärtem Republikanismus und Kosmopolitismus spricht, ein geheimer Herrschaftswillen<br />

mit. Von nun an begibt sich Posa in falsche Stellungen zum König wie zu Karlos, seinem<br />

Freund. Er fängt an sich zu verstricken. Dadurch dass er sich dem König zum Vertrauten<br />

macht und später sogar zum Minister ernannt wird, schürt er die Widersprüche um seine<br />

Person, indem er seine neue Stellung am Hofe dem Freund verheimlicht.<br />

9


Unsere Fassung<br />

Wir verwenden die letzte Fassung <strong>von</strong> 1805 mit Rückbezug auf die erste Fassung <strong>von</strong> 1787.<br />

Die Fassung ist stark eingestrichen und auf die wesentlichen Figuren reduziert. Ein<br />

Ausspielen der Originalfassung würde über fünf Stunden bedeuten.<br />

Einige Figuren übernehmen Repliken anderer Figuren – insbesondere im vierten und fünften<br />

Akt. Domingo und Großinquisitor wurden zusammengelegt.<br />

Auseinandersetzung mit der Inszenierung<br />

Mögliche Diskussionspunkte nach dem Vorstellungsbesuch<br />

Wie lässt sich die Inszenierung beschreiben. Wie sieht die Konzeption aus (Bühne, Kostüme,<br />

Spielweise der Schauspieler, Licht, Bühnenfassung).<br />

Was lässt sich über das Bühnenbild sagen? Warum ist es so gestaltet? Welche anderen<br />

Bühnenbilder könnten sich die Schüler vorstellen?<br />

Wie korrespondiert Bühnenbild, Kostüm und Spielweise der Schauspieler miteinander, wo<br />

gibt es möglicherweise Abweichungen?<br />

Figurencharakteristik erstellen. Wie werden die einzelnen Figuren in der Inszenierung<br />

dargestellt. Abweichungen zur eigenen Lesart der Schüler. Was sagen ihre Kostüme über die<br />

Figur aus?<br />

Zur Figurenkonstellation. Wer verhält sich wie, zu wem?<br />

Für was steht der Marquis <strong>von</strong> Posa? Um was geht es ihm?<br />

Kritische Auseinandersetzung mit der Freundschaft <strong>von</strong> Karlos und Posa.<br />

Was ist Liebe im Stück und in der Inszenierung? Wer liebt wen, auf welche Art und Weise?<br />

Wird überhaupt geliebt?<br />

Wie, mit welchen Mitteln und durch wen wird die Kirche als Macht dargestellt?<br />

Wie und mit welchen Mitteln überwachen sich die Figuren gegenseitig?<br />

Worin zeigt sich die Ambilvalenz der Figuren Posa, Karlos und Philipp?<br />

Wie durchdringen das Politische und das Private sich gegenseitig im Stück und der<br />

Inszenierung.<br />

10


Der Zweck heiligt die Mittel?<br />

Kritische Auseinandersetzungen und weiterführende Anregungen<br />

- Die Figur des Marquis <strong>von</strong> Posa wirft viele Fragen auf. Verweis und Diskussion auf die<br />

jüngere deutsche Vergangenheit. Deutscher Herbst.<br />

- Die Frage nach Moral und Ethik. Parallelen zu Lessings „Nathan der Weise“.<br />

- Inwiefern ist das Drama aktuell? Beurteilung der Aktualität auch in Hinsicht auf die<br />

Inszenierung.<br />

- Idealismus heute. <strong>Schiller</strong>s Vernunftbegriff.<br />

- Freiheit heute. <strong>Schiller</strong>s Freiheitsbegriff.<br />

- Was ist Gedankenfreiheit heute? Wo fängt sie an, wo hört sie auf?<br />

- Thema Intrige und Briefe.<br />

- Kant „Was ist Aufklärung?“ und <strong>Schiller</strong>s Kant-Kritik.<br />

- Auseinandersetzung mit dem Schrecken und Terror der Französischen Revolution.<br />

Paralellen zu Georg Büchners „Dantons Tod“ und seinem „Hessischen Landboten“.<br />

Auseinandersetzung mit Hobbes und Rousseau – Audienzszene<br />

11


Literaturhinweise<br />

www.schillerjahr2005.de<br />

Assheuer, Thomas, Die Gewalt der Freiheit. In: Die Zeit. 4. 1. 2005.<br />

Dostojewski, Fjodor M.: Der Großinquisitor. In ders. Die Brüder Karamasow. München 1978.<br />

Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft. Berlin 1969.<br />

Ferdinandy, de Michael: Philipp II. Wiesbaden 1977.<br />

Guthke, Karl S., Don Carlos. Der Künstler Marquis Posa: Despot der Idee oder Idealist <strong>von</strong><br />

Welt?, in: <strong>Schiller</strong>s Dramen. Idealismus und Skepsis. Tübingen, Basel 1994. S. 133-164.<br />

Hofmann, Michael, Bürgerliche Aufklärung als Konditionierung der Gefühle in <strong>Schiller</strong>s Don<br />

Carlos. In: Jahrbuch der Deutschen <strong>Schiller</strong>gesellschaft. Band XLIV 2000. S. 95 – 117.<br />

Kamen, Henry: Die spanische Inquisition. München 1967.<br />

Kittler, <strong>Friedrich</strong> A., Carlos als Carlsschüler. In: Unser Commercium. Goethes und <strong>Schiller</strong>s<br />

Literaturpolitik. Veröffentlichungen der Deutschen <strong>Schiller</strong>gesellschaft. Band 42. S. 241-272.<br />

Matt, Peter <strong>von</strong>: Die Macht der Intrige. München 2006.<br />

Safranski, Rüdiger: <strong>Schiller</strong>. Oder die Erfindung des Deutschen Idealismus. München 2004.<br />

<strong>Schiller</strong>, <strong>Friedrich</strong>: Briefe über Don Karlos. In <strong>Schiller</strong>s Werke Nationalausgabe. Weimar<br />

1963.<br />

<strong>Schiller</strong>, <strong>Friedrich</strong>: Über das Erhabene. In <strong>Schiller</strong>s Werke Nationalausgabe. Ebd.<br />

Schings, Hans-Jürgen: Die Brüder des Marquis Posa. Tübingen 1996.<br />

Wertheimer, Jürgen: Mensch <strong>Schiller</strong>! In: Literaturen. Heft ½ 2005.<br />

Wilpert, Gero <strong>von</strong>: <strong>Schiller</strong>-Chronik. Sein Leben und Schaffen. Berlin 1959.<br />

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