Web 2.0 Neue Kommunikations - Netzwerk Medienethik
Web 2.0 Neue Kommunikations - Netzwerk Medienethik
Web 2.0 Neue Kommunikations - Netzwerk Medienethik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
18 |<br />
Inhalt Editorial Schwerpunkt Perspektiven Tagungen Rezensionen Impressum<br />
Kerstin Blumberg, Wiebke Möhring & Beate Schneider<br />
Risiko und Nutzen der Informationspreisgabe in Sozialen <strong>Netzwerk</strong>en<br />
1 Einleitung<br />
Soziale <strong>Netzwerk</strong>e konnten seit ihrer Gründung Millionen<br />
von Nutzern für sich gewinnen. Dieser enorme<br />
Zuspruch geht mit einer zunehmenden Verlagerung<br />
der interpersonalen Kommunikation in das Internet<br />
einher. Dabei geben die Nutzer eine Vielzahl privater<br />
Informationen über sich preis und machen diese somit<br />
zu einem »allgegenwärtigen Bestandteil des <strong>Web</strong> <strong>2.0</strong>«<br />
(Reinecke & Trepte, 2008, S. 205). Dieser bisher ungekannte<br />
Grad an freiwilliger Selbstoffenbarung gibt<br />
Sozialen <strong>Netzwerk</strong>en Raum für die Entwicklung neuer<br />
Geschäftsmodelle wie z. B. personalisierte Werbung auf<br />
Basis der Nutzerprofile. Dadurch entsteht ein medienethisches<br />
Spannungsfeld zwischen ökonomischer und<br />
gesellschaftlicher Perspektive. Ökonomisch, da für Betreiber<br />
ein florierendes <strong>Netzwerk</strong> – welches sich vor<br />
allem durch die Anzahl seiner Mitglieder, dem regen<br />
Informationsaustausch und der Veröffentlichung einer<br />
Vielzahl personenbezogener Daten auszeichnet – die<br />
Basis für weitere wirtschaftliche Aktivitäten ist: Sie sind<br />
das Kapital der sozialen <strong>Netzwerk</strong>e und bestimmen die<br />
Wertigkeit der Werbekontakte. Gesellschaftlich hingegen<br />
kann die Informationspreisgabe für Mitglieder<br />
Gefahren mit sich bringen. Nicht immer ist transparent<br />
nachvollziehbar, wie die Betreiber der <strong>Netzwerk</strong>e<br />
mit den hinterlegten Daten verfahren, ob sie diese beispielsweise<br />
an Dritte weitergeben. Auch die Sicherheit<br />
der Daten ist in Sozialen <strong>Netzwerk</strong>en nicht gegeben,<br />
Unbefugte können sich einen illegalen Zugang (z. B.<br />
durch Hacken) zu nicht öffentlich hinterlegten Daten<br />
verschaffen. Und auch die Mitglieder selbst können die<br />
Privatsphäre anderer Mitglieder verletzen, z. B. durch erleichtertes<br />
Cyberstalking oder Cyberbullying. Trotz dieser<br />
Gefahren und obwohl zumindest einige Nutzer sehr um<br />
ihre Privatsphäre besorgt sind, veröffentlichen sie unzählige<br />
private Informationen auf ihren Profilen, was deswegen<br />
als »Privatsphäreparadoxon« charakterisiert wird (vgl.<br />
Acquisti & Gross, 2006; Dwyer, Hiltz & Passerini,<br />
2007).<br />
Diese Studie widmet sich daher der Frage, was Mitglieder<br />
dazu bewegt, private Daten über sich in Sozialen<br />
<strong>Netzwerk</strong>en preiszugeben. Diese Frage wird aus der<br />
Perspektive der Risiko-Nutzen-Abwägung gestellt und<br />
beantwortet.<br />
2 Theoretischer Bezugsrahmen<br />
Sich anderen selbst zu offenbaren und beispielsweise<br />
während eines Gesprächs Informationen über sich preiszugeben,<br />
ist eines der zentralen Elemente interpersonaler<br />
Kommunikation. Selbstoffenbarung (self-disclosure) wird<br />
von Archer (1980) als »act of revealing personal information<br />
to others« definiert (S. 183). Empirische Untersuchungen<br />
legen nahe, dass sich die computervermittelte<br />
Kommunikation und das generelle Verhalten im Internet<br />
durch einen hohen Grad an Selbstoffenbarung charakterisieren<br />
lassen, weil hier oftmals sogar mehr Informationen<br />
als bei der Face-to-Face-Kommunikation ausgetauscht<br />
werden ( Joinson, 2001, S. 178; vgl. Joinson & Paine,<br />
2007). Dabei variiert der Grad an Privatheit und Vertraulichkeit<br />
preisgegebener Informationen: Hochsensible<br />
Informationen können ein Individuum möglicherweise<br />
verwundbar oder angreifbar machen, so beispielsweise<br />
die Bekanntgabe von identifizierenden Informationen<br />
wie der Handynummer, persönlichen Unzulänglichkeiten<br />
oder sexuellen Vorlieben. Als weniger riskant können<br />
dagegen Informationen gelten, die nicht so intim sind,<br />
wie z. B. die Preisgabe des Heimatlandes.<br />
Privatsphäre und die Preisgabe von personenbezogenen<br />
Informationen stehen dabei in einem paradoxen Abhängigkeitsverhältnis<br />
zueinander. Denn Privatsphäre ist die<br />
Voraussetzung für den Preisgabeprozess: Gäbe es keine<br />
Privatsphäre, so wären alle Informationen über Personen<br />
bekannt und leicht zugänglich und bräuchten daher<br />
nicht mehr offenbart werden. Aber durch die Preisgabe<br />
von Informationen nähern sich Menschen dieser Situation<br />
an: Denn das Ausmaß der eigenen Privatsphäre<br />
nimmt mit der Offenbarung von Informationen ab.<br />
Folgerichtig ist im Internet die »Sorge um die Sicherung<br />
der eigenen Privatsphäre und den Umgang mit<br />
personenbezogenen Daten [...] für viele Menschen besonders<br />
relevant« (Reinecke & Trepte, 2008, S. 205).<br />
Und dennoch werden von den Nutzern Sozialer <strong>Netzwerk</strong>e<br />
private Informationen weitgehend unkontrolliert<br />
verbreitet, die sogar intime Einblicke in das Nutzerleben<br />
ermöglichen.