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Anforderungen an den Vollzug stationärer Massnahmen ... - FOTRES

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T h o m a s N o l l / U e l i G r a f / M a t t h i a s S t ü r m / F r a n k U r b a n i o k<br />

rapeutische, dynamische Einflussnahme» 6 zur Verbesserung<br />

der Legalprognose zu erreichen. Mit der Milieutherapie wird<br />

genau dieser Schritt get<strong>an</strong>, indem deliktpräventive Inhalte,<br />

die in der Therapiestunde bearbeitet wur<strong>den</strong>, unter engmaschiger<br />

(milieu­)therapeutischer Kontrolle im Gruppensetting<br />

oder im <strong>an</strong>staltsinternen Gewerbe vertieft, praktisch umgesetzt<br />

und damit geübt wer<strong>den</strong> können.<br />

Aus formallogischer Perspektive spricht ein weiterer<br />

Punkt dafür, dass stationäre Beh<strong>an</strong>dlung zwingend milieutherapeutische<br />

Aspekte beinhalten muss. Generell ist laut<br />

der gesetzlichen Regelung die Unterbringung in einer geschlossenen<br />

Massnahmeeinrichtung nur d<strong>an</strong>n erforderlich<br />

und zulässig, wenn beim Täter eine relev<strong>an</strong>te Rückfall­ oder<br />

Fluchtgefahr vorliegt. Es ist also sinnvoll, <strong>den</strong> stationären<br />

Massnahmevollzug in einer geschlossenen Straf<strong>an</strong>stalt als<br />

ein Angebot im Gesamtspektrum <strong>an</strong>derer <strong>stationärer</strong> Beh<strong>an</strong>dlungs<strong>an</strong>gebote<br />

zu konzipieren. In diesem Spektrum würde<br />

die Beh<strong>an</strong>dlung in einem Massnahmezentrum als Folgeeinrichtung<br />

chronologisch auf die stationäre Therapie in einer<br />

geschlossenen Straf<strong>an</strong>stalt folgen. Die geschlossene Straf<strong>an</strong>stalt<br />

hat also dafür zu sorgen, dass die flucht­ und oder hoch<br />

rückfallgefährdeten Straftäter im Rahmen einer spezialisierten<br />

stationären Beh<strong>an</strong>dlung in die Lage versetzt wer<strong>den</strong>, die<br />

Abnahmebedingungen der (sich auf einem tieferen Sicherheitsniveau<br />

befin<strong>den</strong><strong>den</strong>) Massnahmezentren zu erfüllen. 7<br />

Für diese Tätergruppe muss der erste und wesentliche Teil<br />

der Beh<strong>an</strong>dlung in einer geschlossenen Straf<strong>an</strong>stalt erfolgen.<br />

Es ist daher logisch, dass die stationäre Massnahme in<br />

der geschlossenen Straf<strong>an</strong>stalt mindestens so intensiv – eher<br />

intensiver – ausgestaltet sein muss wie ihre Fortsetzung im<br />

Massnahmezentrum. Da die Massnahmezentren (wie etwa<br />

das Psychiatriezentrum Rheinau PZR) bereits nach milieutherapeutischen<br />

Grundsätzen arbeiten, müssen die Massnahmeklienten<br />

auch in <strong>den</strong> geschlossenen Straf<strong>an</strong>stalten in<br />

Wohngruppen zusammengefasst und nach einem milieutherapeutischen<br />

Ansatz beh<strong>an</strong>delt wer<strong>den</strong>.<br />

4. Milieutherapie<br />

4.1 Allgemeines<br />

Wie dargestellt unterscheidet sich das stationäre Beh<strong>an</strong>dlungs<strong>an</strong>gebot<br />

von der bisherigen Angebotspalette einer geschlossenen<br />

Straf<strong>an</strong>stalt mit intensiven deliktpräventiven<br />

Beh<strong>an</strong>dlungs<strong>an</strong>geboten lediglich durch ein milieutherapeutisches<br />

Interventionsspektrum als 3. Beh<strong>an</strong>dlungselement. Es<br />

wer<strong>den</strong> zum Teil zwar schon heute einzelne punktuell eingesetzte<br />

Interventionen mit milieutherapeutischem Charakter<br />

6 Vgl. Botschaft des Bundesrats zur StGB­Revision vom<br />

21.9.1998, S. 99.<br />

7 Das zentrale Abnahme­ bzw. Übertrittskriterium wird in der Regel<br />

eine bereits überprüfte unbegleitete Urlaubsfähigkeit sein.<br />

AJP/PJA 12/2008<br />

durchgeführt. 8 Da diese aber isoliert in sonst ambul<strong>an</strong>t ausgerichteten<br />

Beh<strong>an</strong>dlungskonzepten praktiziert wer<strong>den</strong>, k<strong>an</strong>n<br />

bisher in geschlossenen Straf<strong>an</strong>stalten nicht von Milieutherapie<br />

und somit nicht von <strong>stationärer</strong> Therapie gesprochen<br />

wer<strong>den</strong>. 9 Ergänzend zu <strong>den</strong> delikt­ (1. Beh<strong>an</strong>dlungselement)<br />

und persönlichkeitsbezogenen (2. Beh<strong>an</strong>dlungselement) Interventionen<br />

fokussiert die milieutherapeutische Arbeitsweise<br />

auf die folgen<strong>den</strong> Zielsetzungen:<br />

1. Allgemein <strong>den</strong> Veränderungsprozess und die Veränderungsbereitschaft<br />

durch ein veränderungsförderndes Umfeld<br />

unterstützen.<br />

2. Inhalte aus der externen deliktorientierten und persönlichkeitsbezogenen<br />

Arbeit durch Nachbearbeitung und<br />

gezielte Interventionen im Alltag vertiefen.<br />

3. Kontinuierlich reflektierende und korrigierende verhaltensbezogene<br />

Interventionen zur Verfügung stellen, die<br />

insbesondere auf das spezifische Problemprofil des Massnahmeklienten<br />

fokussiert sind.<br />

4. Allgemeines Training sozialer Kompetenzen, Anleitung<br />

und Unterstützung in Alltagsfragen.<br />

5. Vermittlung emotional korrigierender Erfahrung (z.B.<br />

im übertragenen Sinne «Elterneinheitlichkeit», Fürsorge,<br />

Wertschätzung, Orientierung, Akzept<strong>an</strong>z von Grenzen etc).<br />

6. Einübung von Risikom<strong>an</strong>agement und allgemeinen Copingstrategien<br />

im Alltag.<br />

7. Informationsvermittlung zu therapierelev<strong>an</strong>ten Themen<br />

(z.B. Medikamentenwirkungen, Beh<strong>an</strong>dlungsvertrag,<br />

Funktionsweise und Ziele von Gruppentherapien, Wirkungen<br />

und Folgen von Suchtmittelkonsum, Folgen bei<br />

Opfern von Sexualstraftaten etc).<br />

Aus einer milieutherapeutischen Perspektive heraus wird<br />

die soziale Wirklichkeit der Klienten, also der Alltag innerhalb<br />

der Massnahmestation, bewusst für therapeutische<br />

Veränderungprozesse genutzt. In einer soweit als möglich<br />

«normalen» und therapiefördern<strong>den</strong> Umgebung erwerben<br />

oder vertiefen Klienten soziale Regeln, Umg<strong>an</strong>gsformen und<br />

Alltagskompetenzen. Dabei geht es um die gezielte Ausein<strong>an</strong>dersetzung<br />

mit dem Normalen, um die Beschäftigung mit<br />

alltäglichen Bedürfnissen, Regeln und Notwendigkeiten,<br />

Möglichkeiten und Einschränkungen.<br />

Von zentraler Bedeutung – gewissermassen begriffsnotwendig<br />

– bei der Milieutherapie sind drei Aspekte: die therapeutische<br />

Arbeit auf der Wohngruppe, die Therapie durch<br />

das gesamte Team und die spezifischen milieutherapeutischen<br />

Gruppen<strong>an</strong>gebote.<br />

8 Zum Beispiel die «Sozialkompetenz­ und Kreativgruppen» des<br />

PPD in der Straf<strong>an</strong>stalt Pöschwies.<br />

9 In der Straf<strong>an</strong>stalt Pöschwies wurde <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs 2008 eine sogen<strong>an</strong>nte<br />

«Überg<strong>an</strong>gslösung» eingeführt. Ein «Überg<strong>an</strong>gsteam» –<br />

bestehend aus zwei Betreuern und einer Sozialarbeiterin der<br />

Straf<strong>an</strong>stalt Pöschwies und drei Therapeuten des PPD – sucht<br />

die <strong>Massnahmen</strong>klienten am Arbeitsplatz innerhalb der Straf<strong>an</strong>stalt<br />

und in <strong>den</strong> Wohngruppen auf, wo mit ihnen im «Spitex­<br />

Stil» gearbeitet wird.

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