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Endstation Prenzlauer Berg? - orlandodesign.de

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Domblick<br />

Aus <strong>de</strong>r Ferne betrachtet, sieht man manchmal<br />

mehr. Der Kölner Autor kennt <strong>de</strong>n Kiez<br />

seit 15 Jahren, wohnt aber nach wie vor mit<br />

Aussicht auf <strong>de</strong>n Dom.<br />

Hier neben meinem Schreibtisch auf <strong>de</strong>m Bücherbord<br />

liegen einige bunt bekleckste Betonbrösel<br />

„Ma<strong>de</strong> in DDR“. Ja, ich gestehe es: In <strong>de</strong>n Wirren<br />

jener 12 schicksalhaften Monate <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Geschichte zwischen November 1989 und 1990<br />

war ich Mauerspecht!<br />

Am 11.11.1989 (Beginn <strong>de</strong>r Karnevalsession in<br />

Köln!) war es, als ich auf <strong>de</strong>r bemalten Seite <strong>de</strong>r<br />

Mauer staunend durch das erste handgemachte<br />

Loch auf ein Stück Stoppelwiese schaute,<br />

das <strong>de</strong>n Namen Potsdamer Platz trug. In<br />

<strong>de</strong>m Bewusstsein, womöglich einer<br />

historischen Stun<strong>de</strong> beizuwohnen,<br />

ließ ich die Mauerbrösel vorsorglich<br />

in meine Jackentasche gleiten.<br />

Seit<strong>de</strong>m kehre ich min<strong>de</strong>stens<br />

zweimal im Jahr hierher zurück.<br />

Selbstverständlich nicht zum Potsdamer<br />

Platz. (Wer wohnt da<br />

schon?!) Der <strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong> ist meine<br />

zweite Heimat gewor<strong>de</strong>n und da<br />

macht man sich im Laufe <strong>de</strong>r Jahre so seine<br />

Gedanken ...<br />

1. „Funkenmariechen im Prenzlberg“<br />

Ein echter Einwohner <strong>de</strong>s <strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong>s<br />

wohnt nicht „auf“, son<strong>de</strong>rn „im“ o<strong>de</strong>r bestenfalls<br />

„am“ <strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong>; soviel wusste ich, als ich<br />

kürzlich zurecht gewiesen wur<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>r echte<br />

Prenzlberger niemals Prenzlberg sagt, son<strong>de</strong>rn immer<br />

<strong>Prenzlauer</strong>!<br />

Fragt sich, wie sich ausgerechnet hier, im Herzen<br />

Preußens, alpenländisches Idiom etablieren<br />

konnte? „Prenzlberg“ klingt in <strong>de</strong>r Tat viel authentischer,<br />

wenn man es mit diesem ge<strong>de</strong>hnten Wiener<br />

„e“ näselt, also etwa: „Präeenzlberg“. Und da Immigrationsbewegungen<br />

größeren Ausmaßes innerhalb<br />

<strong>de</strong>r letzten 60 Jahre als Ursache ausschei<strong>de</strong>n,<br />

bleibt nur eine logische Antwort: In <strong>de</strong>n Jahren zwischen<br />

<strong>de</strong>n Kriegen hat es wohl mehr als einen erfolg-<br />

und talentlosen österreichischen Kunstmaler<br />

aus <strong>de</strong>r Alpenregion an die Spree getrieben. Wahrscheinlich<br />

zog ein endloser Treck kleinwüchsiger<br />

Männer mit gestutztem Oberlippenbart und Staffe-<br />

36 LSD<br />

lei unterm Arm von Sü<strong>de</strong>n herauf. Neben ihnen ein<br />

Ochsenkarren mit ihren Habseligkeiten, von stämmigen<br />

Blondinen im Dirndl gezogen, die alle auffallen<strong>de</strong><br />

Ähnlichkeit mit Eva Braun aufwiesen.<br />

Welcher Art auch immer die Wan<strong>de</strong>rungsbewegungen<br />

waren, die <strong>de</strong>n „Präeenzlberg“ auf <strong>de</strong>n<br />

<strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong> brachten, fest steht: Noch heute<br />

enttarnt sich <strong>de</strong>r Ortsfrem<strong>de</strong> durch die Verwendung<br />

<strong>de</strong>sselben. Und natürlich weisen die vermeintlichen<br />

Ureinwohner ihn nur zu gerne auf seinen<br />

Fauxpas hin. Diejenigen, die eben erst <strong>de</strong>n<br />

Aufstieg zum „Ureinwohner“ geschafft haben, sind<br />

am Schlimmsten. Die wahre Herkunft dieser<br />

<strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong>er entpuppt sich bei genauerem<br />

Hinhören ziemlich schnell: Senftenberg o<strong>de</strong>r Reit<br />

im Winkel.<br />

Der echte Ureinwohner, <strong>de</strong>r Gebürtige,<br />

legt daher meist großen Wert auf<br />

die Feststellung, es gebe Unterschie<strong>de</strong>,<br />

die selbst <strong>de</strong>m Lernwilligsten<br />

auf immer verschlossen bleiben.<br />

Das ist in Berlin nicht an<strong>de</strong>rs<br />

als in Köln. Vermutlich ist diese<br />

stolze Distinktion <strong>de</strong>r wahrhaft Gebürtigen<br />

auch dadurch erklärbar,<br />

dass sie an <strong>de</strong>r Spree wie am Rhein<br />

in <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rheit sind. Min<strong>de</strong>rheiten,<br />

beson<strong>de</strong>rs die ethnischen, stärken ihr<br />

Selbstbewusstsein nun mal gerne dadurch, dass<br />

sie alles, was auch nur ansatzweise als i<strong>de</strong>ntitätsstiftend<br />

durchgeht, exzessiv zelebrieren.<br />

Bleibt die Frage: Gibt es wirklich einen grundlegen<strong>de</strong>n<br />

Unterschied? Trägt <strong>de</strong>r Mensch vom<br />

<strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong> etwas im Herzen, dass <strong>de</strong>r<br />

Prenzlberger niemals fin<strong>de</strong>n wird?<br />

Was <strong>de</strong>n Kölner/die Kölnerin angeht, fällt die<br />

Antwort leicht: Je<strong>de</strong>s Kölner Mädchen möchte einmal<br />

im Leben Funkemariechen sein – und je<strong>de</strong>r<br />

Kölner möchte einmal im Leben mit einem echten<br />

Funkemariechen exzessiv ... ! Derlei Herzenswünsche<br />

sind für <strong>de</strong>n Auswärtigen kaum nachvollziehbar.<br />

Das liegt daran, dass diese in einer frühen Zeit<br />

<strong>de</strong>s sexuellen Erwachens geboren wer<strong>de</strong>n; und<br />

hat man die nicht in Köln verbracht – na ja!<br />

Gerne erkläre ich das Funkemariechen-Phänomen<br />

noch einmal genauer. Bis dahin mögen mir<br />

die im <strong>Prenzlauer</strong> <strong>Berg</strong> gebürtigen Berliner aber<br />

bitte mal verraten: Was unterschei<strong>de</strong>t sie tief im<br />

Herzen vom ganzen Rest?<br />

Max Peters

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