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Vertrauensarbeitszeit

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<strong>Vertrauensarbeitszeit</strong><br />

Referat von Barbara Gutzwiller<br />

lic.iur. Direktorin<br />

Arbeitgeberverband Basel<br />

Anlass vom 12. März 2012


Einige Begriffe<br />

Die Arbeitszeit<br />

ist die konkrete zeitliche Beanspruchung des Arbeitnehmers.<br />

Die Dokumentationspflicht (Art. 73 Abs. 1 ArGV 1)<br />

verpflichtet den Arbeitgeber, Verzeichnisse und andere Unterlagen<br />

zu führen, die folgende Angaben ersichtlich machen:<br />

- die geleistete tägliche und wöchentliche Arbeitszeit inkl.<br />

Ausgleichs- und Überzeitarbeit sowie ihre Lage ,<br />

- die gewährten wöchentlichen Ruhe- oder Ersatzruhetage, (…)<br />

- die Lage und Dauer der Pausen von einer halben Stunde und mehr.


Einige Begriffe<br />

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit (Art. 9 Abs. 1 ArG)<br />

beträgt<br />

a)45 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für<br />

Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des<br />

Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels;<br />

b)50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer.


Praktisches Beispiel<br />

Herr Müller,<br />

•1 von 8 Abteilungsleitern bei der Moser AG mit 120 MA<br />

•Zuständig für Finanzen/IT mit 7 MA, rapportiert an CEO<br />

•Die Moser AG hat 40 Wochenstunden betriebliche Arbeitszeit.<br />

•Im Arbeitsvertrag steht, dass Herr Müller nicht der Pflicht zur<br />

Zeiterfassung untersteht und keine Mehrarbeitsstunden ausbezahlt<br />

erhält, da er eine zusätzliche Ferienwoche erhalte.<br />

•Nach 2 Jahren verlässt Herr Müller die Moser AG im Streit und<br />

verlangt dabei die Bezahlung von 850 Mehrstunden.<br />

•Die Moser AG lehnt dies aufgrund der vertraglichen Regelung ab.


Die entscheidende Frage<br />

• Kadermitarbeitende werden oft der Arbeitszeiterfassung nicht<br />

unterstellt.<br />

• Vereinbart werden nicht Präsenzzeiten, sondern Ziele.<br />

• Eigenverantwortung und Ergebnisorientierung stehen im Zentrum.<br />

• Diese sog. <strong>Vertrauensarbeitszeit</strong> hält den rechtlichen<br />

Erfordernissen nicht stand.<br />

• Nur bei MA, die dem ArG nicht unterstehen, kann auf die Arbeitszeitkontrolle<br />

verzichtet werden.<br />

Entscheidende Frage: Welche MA sind nicht dem ArG unterstellt?


Unterstellung unter das Arbeitsgesetz<br />

Ausnahmen vom persönlichen Geltungsbereich (Art. 3 lit. d ArG)<br />

Das Gesetz ist, … , ferner nicht anwendbar:<br />

auf Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine<br />

wissenschaftliche oder selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben.


Die höhere leitende Tätigkeit (Art. 9 ArGV 1)<br />

Eine höhere leitende Tätigkeit übt aus, wer auf Grund seiner Stellung<br />

und Verantwortung sowie in Abhängigkeit von der Grösse des<br />

Betriebes über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügt oder<br />

Entscheide von grosser Tragweite massgeblich beeinflussen und<br />

dadurch auf die Struktur, den Geschäftsgang und die Entwicklung<br />

eines Betriebes oder Betriebsteils einen nachhaltigen Einfluss nehmen<br />

kann.


Die gerichtliche Praxis dazu<br />

Eine höhere leitende Tätigkeit ist gegeben, wenn ein MA<br />

•weitreichende Entscheidungsbefugnisse hat, bspw. Personal<br />

einstellen oder entlassen kann, über Ein- und Verkauf selbständig<br />

disponieren kann oder den CEO mit Entscheidkompetenz vertreten<br />

kann und/oder<br />

•massgeblichen Einfluss auf Entscheide von grosser Tragweite mit<br />

nachhaltiger Wirkung auf Struktur, Geschäftsgang und Entwicklung<br />

eines Betriebs oder Betriebsteils hat.<br />

Ratschlag: im Zweifel ist davon auszugehen, dass alle MA mit<br />

Ausnahme des obersten Kaders dem ArG unterstellt sind.


Entschädigung für Mehrarbeit<br />

Darf die Entschädigung für Mehrarbeit wegbedungen werden?<br />

Bei Überstunden: ja<br />

Bei Überzeitstunden: nein<br />

Überstunden entstehen in der Zeit zwischen der vertraglichen<br />

Arbeitszeit und der betrieblichen Höchstarbeitszeit (Privatrecht!).<br />

Überzeitstunden entstehen, wenn auch die betriebliche<br />

Höchstarbeitszeit überschritten wird (öffentliches Recht!).<br />

Nur MA, die nicht dem ArG unterstehen, d.h. höhere leitende<br />

Angestellte, erhalten ex lege auch keine Entschädigung für Überzeit.


Ausnahmen<br />

Sogar wenn die Überstundenentschädigung vertraglich explizit<br />

ausgeschlossen worden ist, kann sie dennoch geschuldet sein:<br />

-wenn zusätzliche Aufgaben, die über die vertraglich geschuldete<br />

Leistung hinausgeht, verlangt werden;<br />

-wenn während längerer Zeit in erheblichem Umfang Überstunden<br />

geleistet werden mussten;<br />

-wenn bei einem leitenden Angestellten der zeitliche Umfang seiner<br />

Arbeit vertraglich ausdrücklich vereinbart worden ist.


Beweislast, Berechnungsgrundlagen<br />

Herr Müller behauptet, Mehrarbeit geleistet zu haben, und leitet aus<br />

dieser Behauptung die Forderung auf Entschädigung ab.<br />

Er muss daher beweisen, dass er Mehrarbeit geleistet hat und diese<br />

Mehrarbeit angeordnet oder betrieblich notwendig war (Art. 8 ZGB).<br />

Herr Müller war nicht der Zeiterfassungspflicht unterstellt, daher<br />

kann die Moser AG die Behauptung nicht entkräften. Sie muss daher<br />

damit rechnen, entschädigungspflichtig zu werden im Rahmen der<br />

Überzeitstunden.<br />

Die Zusatzferienwoche wird als Kompensation für die Überstunden<br />

betrachtet und kann am Saldo der Überzeitstunden nicht abgezogen<br />

werden.


Konkrete Berechnung<br />

850 h in zwei Jahren, verteilt auf 2x47 Arbeitswochen (5 Wochen<br />

Ferien) ergeben 9 h pro Woche<br />

Davon abzuziehen: 5 Überstunden/Woche (vertraglich wegbedungen)<br />

Es verbleiben: 4 Überzeitstunden/Woche, die zu 125% zu<br />

entschädigen sind (Art. 13 ArG)<br />

Annahme: Jahreseinkommen von CHF 150’000.-, d.h. Stundenlohn<br />

von CHF 72.- (inkl. zwingendem Zuschlag: CHF 90.-)<br />

Bei vier entschädigungspflichtigen Überzeitstunden über zwei Jahre<br />

gerechnet, kann Herr Müller CHF 33’840.- fordern.


Schätzung, Fazit<br />

Mehrarbeit nicht bewiesen, aber glaubhaft gemacht:<br />

Das Gericht kann eine Schätzung vornehmen und eine bestimmte<br />

Anzahl zu entschädigende Überzeitstunden von sich aus festlegen!<br />

Unter dem geltenden Recht ist es also sinnvoll und empfehlenswert,<br />

auch bei Kaderangestellten ein Instrument zur Arbeitszeiterfassung<br />

bereit zu stellen und die erfassten Stunden regelmässig zu<br />

kontrollieren.


Ausblick<br />

Das Seco leitet eine paritätisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe.<br />

Die Gewerkschaften wehren sich vehement gegen jede Lockerung.<br />

Die Banken haben eine Vorreiterrolle übernommen und mit einem<br />

breit abgestützten Pilotversuch neue Möglichkeiten getestet. Die<br />

Evaluation ist zur Zeit im Gange.<br />

Wir rechnen damit, dass wir in absehbarer Zeit eine brauchbare<br />

Lösung finden werden.


Danke!<br />

Ich bin am Ende meiner Ausführungen angelangt und danke Ihnen<br />

herzlich für Ihr Interesse.<br />

Für Fragen stehe ich Ihnen im Anschluss gerne zur Verfügung.

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