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Buchbeitrag Qualitative MaFo_Auto.pdf - Spiegel Institut Mannheim

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Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

Die <strong>Auto</strong>mobilbranche<br />

Produktinnovationen am Kunden orientiert<br />

entwickeln<br />

1 Einführung...................................................................................................................... 571<br />

2 Dem subjektiven Produkterlebnis qualitativ auf der Spur....................................... 573<br />

3 Die Rolle des Marktforschers: Experten‐ und Konsumentensicht vereinen .......... 574<br />

4 Das Methoden‐Portfolio: auf ein hochkomplexes Produkt zugeschnitten............. 575<br />

5 <strong>Auto</strong>fahrer ist nicht gleich <strong>Auto</strong>fahrer: die Zielgruppen ......................................... 578<br />

6 Fazit ................................................................................................................................. 580


Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

570


1 Einführung<br />

Die <strong>Auto</strong>mobilbranche<br />

Ob Carl Benz bei seiner ersten Fahrt mit dem „pferdelosen Wagen“ gegen Ende des<br />

19. Jahrhunderts ahnte, wie dynamisch sich sein Patent Nummer 37435 entwickeln<br />

würde? Wurden vom ersten Massen‐<strong>Auto</strong>mobil gerade einmal 1.200 Stück produziert,<br />

so sind in Deutschland mittlerweile über 45 Millionen Pkw zugelassen. Im Laufe von<br />

über 100 Jahren veränderte das <strong>Auto</strong>mobil konsequent und kontinuierlich den Alltag<br />

und die Lebensumstände des Menschen – positiv wie negativ.<br />

Stets im Dienste der individuellen Mobilität ist das <strong>Auto</strong>mobil heute eines der attrak‐<br />

tivsten und begehrenswertesten, wenn nicht gar das attraktivste und begehrenswertes‐<br />

te High‐Involvement‐Produkt. Es ist teuer, wird für längere Zeit angeschafft und der<br />

Käufer identifiziert sich in hohem Maße damit. Rein pragmatisch gesehen ist das <strong>Auto</strong><br />

natürlich in erster Linie ein Gebrauchsgegenstand, der uns auf relativ bequeme Art<br />

und Weise von A nach B bringt. Doch ungeachtet der praktischen Vorzüge leistet es<br />

weit mehr als den reinen Transport, denn neben den ästhetischen und funktionalen<br />

Eigenschaften hat es ein weiteres, wesentlich reizvolleres Merkmal: Es besitzt Symbol‐<br />

charakter. Das <strong>Auto</strong> ist Symbol für Status und Prestige, Freiheit und Unabhängigkeit,<br />

Modernität und Fortschritt – und eignet sich hervorragend zum Ausdruck der eigenen<br />

Persönlichkeit. Es ist Projektionsfläche eigener Wünsche, Träume und Ideale. So über‐<br />

rascht es nicht, dass der größte Teil der <strong>Auto</strong>mobilwerbung kaum auf den objektiven<br />

Nutzen setzt, sondern vorrangig über die psychologischen Aspekte des Produkts ar‐<br />

gumentiert, frei nach dem Motto: „Unsere <strong>Auto</strong>mobilmarke macht aus jedem noch so<br />

unscheinbaren Frosch einen Prinzen“.<br />

Dem begehrenswerten Endprodukt geht ein ausgesprochen komplexer Entwicklungs‐<br />

prozess voraus. Die Fahrzeugproduktion ist sowohl zeitlich als auch finanziell extrem<br />

aufwendig. Die Entwicklung eines neuen Modells dauert bei deutschen <strong>Auto</strong>mobil‐<br />

herstellern vom ersten Konzept bis zur Markteinführung im Durchschnitt fünf bis<br />

sieben Jahre und kostet mehrere Hundert Millionen Euro. Der Wettlauf der deutschen<br />

<strong>Auto</strong>mobilhersteller – insbesondere gegen japanische Wettbewerber – um immer kür‐<br />

zere Produktentwicklungszyklen ist in vollem Gange.<br />

Auch am Markt herrscht ein harter Wettbewerb, hier um die Gunst des Kunden. Denn<br />

der <strong>Auto</strong>mobilmarkt ist einerseits bereits sehr weit entwickelt, andererseits aber auch<br />

einem schnellen Veränderungsprozess ausgesetzt. Eine Differenzierung der Produkte<br />

wird immer schwieriger, da sich die Fahrzeuge aus technisch‐funktionaler Sicht immer<br />

ähnlicher werden. Für die <strong>Auto</strong>mobilhersteller ist es also zunehmend eine herausfor‐<br />

dernde Aufgabe, ihr Fahrzeug auf dem Markt so zu positionieren, dass es sich von<br />

denen der Wettbewerber unterscheidet. Und diese Abgrenzung funktioniert nicht<br />

mehr nur über objektiv‐funktionale Eigenschaften oder stilistische Merkmale, sondern<br />

in erster Linie über die immateriellen Werte, die mit dem Produkt kommuniziert wer‐<br />

den. Das Markenmanagement spielt im Hinblick auf Differenzierung und Alleinstel‐<br />

571


Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

lung eine entscheidende Rolle, es liefert dem Kunden die notwendigen Orientierungs‐<br />

hilfen (vgl. <strong>Spiegel</strong>/<strong>Spiegel</strong> 2001, S. 73 ff.).<br />

Die mit der Marke kommunizierten Werte stimmen bei einer kundenorientierten Pro‐<br />

duktentwicklung idealerweise mit den automobilen Wünschen, Bedürfnissen und<br />

Werthaltungen der Kunden überein. Nach diesen wird eine große Fülle an vermeint‐<br />

lich bedürfnisadäquaten Fahrzeugkonzepten und auch ‐segmenten entwickelt. Grund‐<br />

sätzlich erfolgt die Segmentierung des Pkw‐Marktes nach Karosserietypen und Grö‐<br />

ßenklassen. Typische Beispiele sind ein Stufenheck, Kombi oder Cabriolet in der<br />

Kleinwagen‐ oder Kompaktklasse. Im Zuge der fortschreitenden Unterteilung des<br />

Marktes entstehen neue Segmente: So gibt es beispielsweise für pragmatische Famili‐<br />

en, die Wert auf ein ausreichendes Raumangebot legen, den MPV (Multi Purpose<br />

Vehicle) in jeder Größenordnung; freizeit‐ und lifestyle‐orientierte Städter dürfen ihr<br />

gehobenes Fahrgefühl in einem – nicht selten allradgetriebenen – SUV (Sports Utility<br />

Vehicle) genießen, und für die Kombination aus beiden Kundentypen (lifestyle‐<br />

orientierte und kinderreiche Städter‐Familien, die noch dazu einen größeren Geldbeu‐<br />

tel besitzen) steht dann ein Crossover aus MPV und SUV zur Verfügung. Diese Ent‐<br />

wicklung der Fahrzeugsegmente schreitet stetig fort. Gab es Ende der 1980er Jahre nur<br />

etwa neun Fahrzeugsegmente, so hat sich die Anzahl bis zum heutigen Tag mehr als<br />

verdreifacht (vgl. auch Büchelhofer 2005, S. 527).<br />

In diesem Zusammenhang kommt auch in der <strong>Auto</strong>mobilindustrie der allgegenwärti‐<br />

ge gesellschaftliche Trend zur Individualisierung zum Tragen. Die Wortschöpfung<br />

„Egonomics“ aus den Begriffen „Ego“ und „Economics“ steht für das Bedürfnis der<br />

Konsumenten nach der Berücksichtigung der eigenen Persönlichkeit im wirtschaftli‐<br />

chen Kontext. Der heutige Kunde und <strong>Auto</strong>fahrer hat das Bedürfnis nach einem hohen<br />

Maß an Individualität und auf ihn zugeschnittenen Produkten, um seiner „einzigarti‐<br />

gen“ Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen und sich vom Mainstream abzuheben.<br />

Die <strong>Auto</strong>mobilhersteller greifen diesen Trend weitsichtig auf und versuchen, die inter‐<br />

individuell unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden bei der<br />

Konzeption eines Fahrzeugs, beim Design und auch beim Service umzusetzen. Das<br />

Konzept heißt „Mass Customization“, die kundenindividuelle Massenproduktion.<br />

Dabei geht es darum, sich so weit wie möglich auf den Kunden einzustellen und be‐<br />

dürfnisadäquate Lösungen anzubieten, ohne die Effizienz der Massenproduktion aus<br />

den Augen zu verlieren (vgl. auch Piller/Stotko 2003, S. 51–70). So gibt es den Smart in<br />

unzähligen Designvariationen, der Opel Meriva verfügt über schier grenzenlose Vari‐<br />

abilität im Innenraum, die bunte Zubehörpalette des Mini lässt keine Wünsche offen –<br />

die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Diese Art der Produktpolitik setzt natürlich vor‐<br />

aus, die Antwort auf die Frage „Welche Individualisierungsbedürfnisse besitzen die<br />

Kunden?“ zu kennen.<br />

Ein weiteres Merkmal der Fahrzeugentwicklung ist die immer stärker werdende In‐<br />

tegration elektronischer Features, mit der sich ungeahnte Möglichkeiten auftun. Unter<br />

Komfort‐ und Sicherheitsaspekten wird dem Fahrer eine Reihe von elektronischen<br />

572


Die <strong>Auto</strong>mobilbranche<br />

Helfern an die Seite gestellt: automatische Distanzregelung, Einparkhilfe, Bremsassis‐<br />

tent, Spurerkennung, adaptives Kurvenlicht etc. Zahlreiche solcher Fahrerassistenzsys‐<br />

teme sollen das <strong>Auto</strong>fahren komfortabler und sicherer machen. Doch wird es auch<br />

vom Kunden tatsächlich so erlebt, oder hat er womöglich den Eindruck, nicht mehr<br />

das Sagen im eigenen <strong>Auto</strong> zu haben, und fühlt sich zum Instrument einer undurch‐<br />

schaubaren Steuertechnik degradiert (vgl. Bubb 2003, S. 25ff.)?<br />

Nicht zuletzt wird der <strong>Auto</strong>mobilmarkt – wie viele andere Wirtschaftszweige auch –<br />

durch die Globalisierung geprägt. Im Zuge der hochkomplexen und weltweit vernetz‐<br />

ten Märkte und der sich ausweitenden Absatzchancen stehen zunehmend weitgehend<br />

unbekannte Zielgruppen der sogenannten Emerging Markets im Fokus des automobi‐<br />

len Interesses. Das explosionsartige wirtschaftliche Wachstum der Märkte China,<br />

Russland und Indien beispielsweise ist verheißungsvolle Chance und harte Heraus‐<br />

forderung zugleich. China ist auf dem Weg, größter <strong>Auto</strong>mobilmarkt der Welt zu<br />

werden, der russische <strong>Auto</strong>mobilmarkt ist mit dem politischen und ökonomischen<br />

Wandel des Landes stark aufstrebend, und Indien wird es innerhalb der nächsten fünf<br />

Jahre unter die Top 5 der wichtigsten <strong>Auto</strong>mobilmärkte schaffen. In diesen Märkten<br />

wartet großer automobiler Bedarf, gespeist allerdings von fremden, (noch) unbekann‐<br />

ten Bedürfnissen. Hier treffen Hersteller aus hoch entwickelten Industrienationen auf<br />

sogenannte Schwellenländer. Der potenzielle Kunde in dem aufstrebenden Markt ist<br />

häufig noch ein nahezu unbeschriebenes Blatt, dessen Wünsche und Werte es kennen<br />

zu lernen gilt und dessen Konsumverhalten vor dem Hintergrund der kulturellen<br />

Gegebenheiten verstanden werden muss.<br />

Die geschilderten Rahmenbedingungen der <strong>Auto</strong>mobilbranche machen deutlich, dass<br />

die (Primär‐)Marktforschung im <strong>Auto</strong>mobilbereich die größte Relevanz im Rahmen<br />

der Konsumentenforschung besitzt. Untersuchungsgegenstände dort sind in erster<br />

Linie das Produkt und die Marke. Sprechen wir also hier von qualitativer <strong>Auto</strong>mobil‐<br />

marktforschung, so meinen wir Forschung für den Kunden und potenziellen Kunden.<br />

2 Dem subjektiven Produkterlebnis<br />

qualitativ auf der Spur<br />

Die <strong>Auto</strong>mobilmarktforschung ist an sich sehr quantitativ orientiert. Aufgrund des<br />

extremen Erfolgsdrucks und der immensen Folgekosten von Fehlentscheidungen<br />

spielt die Belastbarkeit der Ergebnisse von Marktforschungsstudien eine entscheiden‐<br />

de Rolle. Um diesen hohen Grad an Absicherung der Befunde zu gewährleisten, wird<br />

den Studien eine möglichst große, genau definierte Stichprobe zugrunde gelegt und<br />

eine Verallgemeinerbarkeit der Aussagen auf die Grundgesamtheit der Zielgruppe<br />

angestrebt. Hinzu kommt die aus der obligatorischen Forderung nach Schnelligkeit<br />

573


Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

und internationaler Vergleichbarkeit resultierende Notwendigkeit einer voll standar‐<br />

disierten Erhebung.<br />

Ungeachtet dieser starken Verankerung der quantitativen Forschung in der <strong>Auto</strong>mo‐<br />

bilindustrie besitzt die qualitative Marktforschung ihren angestammten und berechtig‐<br />

ten Platz in jeder einzelnen Phase des Produktentwicklungsprozesses. Denn das sich<br />

aktuell wandelnde bzw. diversifizierende Konsumverhalten macht den Einsatz quali‐<br />

tativer Methoden unentbehrlich, um einen Einblick in die sich verändernden Motive<br />

und Bedürfnisse der Kunden zu erhalten und die Subjektivität des Produkterlebnisses<br />

einzufangen. „Nicht die objektive Beschaffenheit eines Produkts ist die Realität in der<br />

Marktpsychologie, sondern einzig die Verbraucher‐vorstellung“ (vgl. <strong>Spiegel</strong>/Nowak<br />

1952, S. 966). Was Bernt <strong>Spiegel</strong> (der Begründer der Marktpsychologie) und Horst<br />

Nowak schon damals so treffend formulierten, gilt heute mehr denn je: Welches ist der<br />

persönliche Benefit und psychologische Nutzen, den ein <strong>Auto</strong>fahrer mit seinem Fahr‐<br />

zeug verbindet? Welches Selbstbild projiziert er auf das Fahrzeug? Für die Hersteller<br />

geht es darum, die Interpretation des Produktes im Kopf des Konsumenten zu antizi‐<br />

pieren und dort Alleinstellung zu erreichen. Dazu ist es notwendig, dem Konsumen‐<br />

ten auf der psychologisch‐emotionalen Ebene zu begegnen und seine (zum Teil gut<br />

versteckten) Bedürfnisse aufzuspüren. Nur über die subjektive Produktwelt in den<br />

Köpfen der Kunden lassen sich Märkte in ihrer Ganzheit erkunden und Trends für die<br />

nahe Zukunft ableiten.<br />

Und genau an dieser Stelle kommt die qualitative Marktforschung wirksam zum Ein‐<br />

satz. Sie dient in der Regel der Vorbereitung oder der Ergänzung quantitativer Ergeb‐<br />

nisse. Ihr kommt weniger die Rolle eines Kontrollinstruments zu, sondern die der<br />

Exploration, der Optimierung und der zukunftsgerichteten Prognose.<br />

3 Die Rolle des Marktforschers: Experten-<br />

und Konsumentensicht vereinen<br />

Aufgrund der hohen und spezifischen Anforderungen der <strong>Auto</strong>mobilindustrie gibt es<br />

eine Reihe von Marktforschungsinstituten, die sich schwerpunktmäßig auf diese Bran‐<br />

che spezialisiert haben. <strong>Qualitative</strong> Forscher im automobilen Bereich sind in zweifa‐<br />

cher Weise gefordert, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. So werden ihnen auf‐<br />

grund der Komplexität und Techniklastigkeit des Produkts neben der Methodenkom‐<br />

petenz auch technisches Know‐how sowie fundierte Kenntnisse über die <strong>Auto</strong>mobil‐<br />

branche abverlangt. Denn auf der Auftraggeberseite finden sich nicht selten Menschen<br />

aus Produktentwicklungsabteilungen, die eine umfassende Detailkenntnis über Funk‐<br />

tionsweisen und Spezifikationen des jeweiligen Fahrzeugs haben. Um ein auf ihre<br />

Bedürfnisse zugeschnittenes Studiendesign entwickeln zu können, ist es hilfreich,<br />

574


Die <strong>Auto</strong>mobilbranche<br />

„ihre Sprache zu sprechen“. Eine solide Produktkenntnis trägt erheblich zur Glaub‐<br />

würdigkeit der qualitativen Forscher bei, denn oftmals herrscht beim Auftraggeber die<br />

berechtigte Skepsis: „Wie will ein <strong>Institut</strong> konsumenten‐psychologisch relevante Ablei‐<br />

tungen treffen, die eine Markteinführung erleichtern, wenn es nicht einmal die Funk‐<br />

tionsweise des Untersuchungsgegenstandes versteht?“ Erst durch eine sinnvolle Ver‐<br />

knüpfung von Produkt‐ und Methodenwissen gewinnt die Studie an Validität und<br />

besitzt ein entsprechendes argumentatives Gewicht im Hinblick auf getroffene Ablei‐<br />

tungen und Interpretationen. Die <strong>Institut</strong>s‐Marktforscher werden damit zu Beratern<br />

der Fachabteilungen, die relevante Handlungsempfehlungen geben sollen. Aber führt<br />

im qualitativen Studienprozess ein Zuviel an Produktkenntnis, somit ein Zuviel an<br />

Verständnis der Funktionsweise nicht genau zu der Voreingenommenheit und Be‐<br />

triebsblindheit, die möglicherweise in der Entwicklungsabteilung herrscht und wes‐<br />

halb überhaupt eine empirische Studie mit „laienhaften“ Kunden auf den Weg ge‐<br />

bracht wurde?<br />

Diese Frage weist auf ein grundsätzliches Dilemma hin. Der qualitativ auf dem <strong>Auto</strong>‐<br />

mobilmarkt Forschende muss in der Lage sein, zwei nahezu unvereinbare Sichtweisen<br />

auf den Untersuchungsgegenstand in sich zu vereinen: nämlich ein hohes Maß an<br />

produktspezifischem Wissen und Fachkenntnis auf der einen Seite und eine größt‐<br />

mögliche Neutralität gegenüber dem Untersuchungsgegenstand und Konsumenten‐<br />

nähe auf der anderen Seite. Will er ein Studiendesign entwickeln, das brauchbare<br />

Ergebnisse liefert, so muss er die Konsumentensicht antizipieren und Produktspezifi‐<br />

ka, mit denen der Konsument gar nicht in Berührung kommt, ausblenden können.<br />

Beide Sichtweisen sollten idealerweise im gesamten Studienablauf in Balance sein.<br />

Dabei ist die Selbstreflexion des <strong>Institut</strong>s‐Marktforschers entscheidend: kritisch und<br />

konstruktiv die eigene Rolle hinterfragen, bewusst mit der eigenen Subjektivität um‐<br />

gehen und sich über die Vorannahmen, die man getroffen hat, im Klaren sein.<br />

4 Das Methoden-Portfolio: auf ein<br />

hochkomplexes Produkt zugeschnitten<br />

Generell kommt in der <strong>Auto</strong>mobilindustrie das gesamte Portfolio an qualitativen Me‐<br />

thoden zum Einsatz. Denn die Phase der Produktideen und Konzeptentwicklung will<br />

ebenso marktforscherisch abgesichert sein wie die der Produktentwicklung und<br />

Markteinführung und die sich anschließende, nicht weniger wichtige After‐Sales‐<br />

Phase.<br />

Die meisten Methoden sollen die Sicht des Kunden auf das Produkt ermitteln und<br />

sind demnach in ihrer Erkenntnisfunktion stark am Produktentwicklungsprozess<br />

ausgerichtet. Während einige Tools z. B. die Bedürfnisse für mögliche neue Karosserie‐<br />

575


Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

varianten aufdecken sollen, dienen andere methodische Ansätze dazu, bei bestehen‐<br />

den Modellen Stärken und Schwächen zu identifizieren und das Optimierungspoten‐<br />

zial herauszuarbeiten. Das Spektrum der Methoden umfasst Befragungs‐ wie Beobach‐<br />

tungsverfahren. Es reicht von qualitativen Interviews, Gruppendiskussionen über<br />

Kreativ‐ und Innovationsworkshops sowie Delphi‐Befragungen bis zu Handhabungs‐<br />

tests am und im Fahrzeug. Im Folgenden werden lediglich solche Methoden darge‐<br />

stellt, die charakteristisch für die <strong>Auto</strong>mobilmarktforschung sind und sich daher im<br />

Gros der qualitativen Methoden als branchenspezifisch hervortun.<br />

<strong>Qualitative</strong> Car Clinics: Der Begriff „Klinik“ resultiert aus dem spezifischen Untersu‐<br />

chungsdesign. Denn anders als z. B. bei qualitativen Interviews, die meist im Studio<br />

oder beim Befragten zu Hause erfolgen, finden statische Clinics an einem hersteller‐<br />

neutralen Ort wie z. B. in einem Hotel oder in einer Messehalle statt. Die Befragten<br />

werden dorthin eingeladen, vor Ort mit dem Untersuchungsobjekt zusammengebracht<br />

und quasi „stationär behandelt“. Untersucht werden meist Prototypen oder Vorserien‐<br />

fahrzeuge, in der Regel ergänzt um die jeweils bereits am Markt befindlichen Wettbe‐<br />

werbsmodelle.<br />

Eine häufig eingesetzte qualitative Technik ist die Methode des lauten Denkens. Der<br />

Teilnehmer wird mit dem Konzeptfahrzeug konfrontiert, er testet den Innenraum und<br />

führt verschiedene typische Nutzungsszenarien durch. Während der gesamten Inter‐<br />

aktion soll er seine Gedanken, Gefühle und Meinungen verbal äußern. Durch die Me‐<br />

thode wird offen gelegt, wie der Teilnehmer das prototypische Modell beurteilt, wie er<br />

damit umgeht und welche Überlegungen er bei der Benutzung anstellt. Das heißt, es<br />

findet ein unmittelbarer und zudem offener Abgleich mit seinen Erwartungen und<br />

Vorerfahrungen statt. Und dieser liefert wertvolle Hinweise für die Akzeptanzprüfung<br />

und Optimierung.<br />

Eine Variation der statischen Clinic, die am unbewegten Fahrzeug in einer Halle statt‐<br />

findet, ist die dynamische Clinic. Hier werden Fahrzeuge bzw. ihre Features unter<br />

realitätsnahen Bedingungen beim Fahren untersucht, um Ableitungen für die weitere<br />

Produktentwicklung treffen zu können. Während der Fahrt bzw. im „natürlichen“<br />

Umgang mit dem Fahrzeug erschließen sich unter qualitativen Gesichtspunkten für<br />

die Produktentwicklung (‐optimierung) ganz wesentliche Aspekte des Lebens‐ und<br />

Verhaltensraums „Fahrzeug“, die in einem statischen Ansatz (oder gar mit quantitati‐<br />

ver Forschung) im Verborgenen blieben. Zentral hierbei ist die Verhaltensbeobachtung<br />

von Probanden durch Versuchsleiter oder entsprechendes technisches Equipment (vgl.<br />

auch Winner et al. 2003, S 2ff.). Als <strong>Auto</strong>fahrer hat man sich in der Regel derart an die<br />

Nutzung des eigenen Fahrzeugs gewöhnt, dass einem beispielsweise Bedienprobleme<br />

gar nicht mehr auffallen. Die Fragestellungen der qualitativen Forschung beziehen<br />

sich daher häufig auf die Verwendungsmuster oder auf habitualisierte Handlungen im<br />

Fahrzeug, derer sich der Proband nicht bewusst ist und die sich daher einer Befragung<br />

entziehen. Zumeist werden bei solchen Clinics auch quantitative Ergebnisse generiert,<br />

576


Die <strong>Auto</strong>mobilbranche<br />

die idealerweise mithilfe der qualitativen Ergebnisse vertiefend interpretiert werden<br />

können.<br />

Wie in allen Studien, die sich mit Prototypen und Vorserienfahrzeugen befassen, be‐<br />

stehen hier hohe Anforderungen an die Geheimhaltung, indem die gesamte Durchfüh‐<br />

rungs‐ wie auch die Analysephase strengsten Sicherheitsbestimmungen unterliegt.<br />

Ethnographische Interviews: Gemäß dem allgemeinen Trend ist auch die Marktfor‐<br />

schung auf dem <strong>Auto</strong>mobilmarkt immer mehr darum bemüht, den Konsumenten<br />

nicht isoliert für sich zu betrachten, sondern ihn in seinem sinnstiftenden Kontext und<br />

als Teil eines Ganzen zu behandeln. Im Forschungsmittelpunkt der ethnographischen<br />

Interviews stehen demnach sogenannte kontextuale Erkenntnisse, welche die ermittel‐<br />

ten Meinungen zum individuellen Nutzungskontext und zu den jeweiligen gesell‐<br />

schaftlich‐kulturellen Eigenheiten in Beziehung setzen (vgl. Stagl 1995). Zu diesem<br />

Zweck besucht ein Moderator‐Kameramann‐Team die <strong>Auto</strong>fahrer in ihrem unmittel‐<br />

baren Wohn‐ und Personenumfeld, beobachtet und filmt sie dort, befragt sie zu ihren<br />

Einstellungen. Ein wesentlicher Teil des Interviews findet am und im Fahrzeug statt. Je<br />

nach Bedarf wird zusätzlich die Methode des Shadowing eingesetzt: Man fährt ge‐<br />

meinsam zu Terminen, zum Einkaufen, holt die Kinder von der Schule ab u. Ä. Eine<br />

weitere Ergänzung stellen Konsumenten‐Tagebücher (Driver’s Diary) dar.<br />

Innovations‐Workshops: Die <strong>Auto</strong>mobilhersteller stehen unter hohem Innovations‐<br />

druck, da Innovationen wegen ihres positiven Einflusses auf den Unternehmenserfolg<br />

als markenwertsteigernd angesehen werden. Also wird im Zeichen des technologi‐<br />

schen Vorsprungs hoher Entwicklungsaufwand für innovative Features betrieben.<br />

Doch angesichts der enormen Bandbreite des technisch Machbaren stellt sich sehr<br />

schnell die Frage: Was davon ist kundengerecht? Welche Features erleben die <strong>Auto</strong>fah‐<br />

rer als Unterstützung und Entlastung und wo liegen die Grenzen zur Belastung? Um<br />

an den Konsumentenbedürfnissen nicht „vorbeizuentwickeln“, geht man mehr und<br />

mehr zur Strategie über, die definierte Zielgruppe des Produktes zur Erfassung der<br />

Bedürfnislage in die Forschung mit einzubeziehen. Das Stichwort heißt „kundennahe<br />

Produktentwicklung“. In diesem Zusammenhang haben sich Innovations‐Workshops<br />

bewährt, da sie durch ihren integrativen Ansatz Erkenntnisse liefern können, welche<br />

den <strong>Auto</strong>mobilherstellern den entscheidenden Vorsprung bezüglich Kundenakzep‐<br />

tanz bescheren können. Der Fokus der Methode liegt auf dem innovativ‐kreativen<br />

Schaffen vor dem Erfahrungshintergrund der Kunden – und nicht der Entwickler! Das<br />

erklärte Ziel dabei ist, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt (und dadurch noch relativ<br />

kostengünstig) entscheidende Hinweise für Innovationen oder Richtungsänderungen<br />

bei der Produktentwicklung zu erhalten. Die Workshop‐Ergebnisse dienen im Pro‐<br />

duktentwicklungsprozess zunächst der Ideengenerierung, dann der Optimierung von<br />

Konzepten bis hin zur Absicherung bestehender Entwürfe.<br />

Als maßgeblich für das Gelingen solcher Innovations‐Workshops erweist sich u. a. die<br />

Auswahl der geeigneten Teilnehmer. Es ist nicht selten der Fall, dass trotz des Einsat‐<br />

zes geeigneter Methoden häufig enttäuschende Ergebnisse resultieren. Das Untersu‐<br />

577


Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

chungsobjekt <strong>Auto</strong> ist nun mal ein sehr technisches und komplexes Produkt. Und<br />

gerade bei diesem Ansatz stößt man angesichts des sehr frühen (und damit unreifen)<br />

Entwicklungsstadiums und der hohen Anforderungen rasch an die Leistungsgrenzen<br />

der Workshop‐Teilnehmer. Um dieses Problem zu umgehen, werden zu solchen<br />

Workshops je nach Problemkomplexität Teilnehmer mit besonderen Eignungen einge‐<br />

laden, wie beispielsweise „Heavy User“, „Early Adopter“ oder gar „Lead User“. Hea‐<br />

vy User zeichnen sich durch Intensivnutzung von bestimmten Fahrzeug‐Features aus<br />

und besitzen diesbezüglich einen reichen Erfahrungsschatz. Sie sind z. B. dann zu<br />

befragen, wenn es darum geht, bei einem bereits vorhandenen Navigationssystem<br />

latente Stärken oder Schwächen aufzuspüren. Die Early Adopter bilden diejenige<br />

Kundengruppe, die als erste eine neue Technologie kauft und einsetzt; diese Kunden<br />

befinden sich somit stets auf dem aktuellsten Stand. Daher sind sie bezüglich ihrer<br />

Bedürfnisse den herkömmlichen Kunden oft um einige Jahre voraus und eignen sich<br />

gut für Trendprognosen aus Kundensicht sowie für die Potenzialeinschätzung geplan‐<br />

ter Produkte. Die charakteristischen Merkmale der Lead User sind im Vergleich noch<br />

ambitionierter: Sie zeichnen sich aus durch Unzufriedenheit mit dem bisherigen<br />

Marktangebot, hohes Problemverständnis bezüglich des Themas, hohen eigenen Nut‐<br />

zen aus den Innovationen sowie selbstständige Eigenentwicklung von Produktverbes‐<br />

serungen. Lead User haben also eine hohe intrinsische Motivation, sich aktiv mit den<br />

Produktfeatures auseinanderzusetzen und selbst Optimierungen vorzunehmen. Des‐<br />

halb werden sie bevorzugt für Studien eingesetzt, welche die Entwicklung neuer Pro‐<br />

duktkonzepte als Ziel haben.<br />

Durch die Einbeziehung solcher spezifischer Kundengruppen in die Konzeptentwick‐<br />

lung können praktikable Ideen schnell generiert und die Akzeptanzchancen auf dem<br />

Markt beurteilt werden. Zudem können Entwicklungszeiten und damit ‐kosten redu‐<br />

ziert werden. Gleichzeitig findet ein wertvoller Wissenstransfer von der Kundenseite<br />

zur Forschungs‐ und Entwicklungsabteilung statt.<br />

5 <strong>Auto</strong>fahrer ist nicht gleich <strong>Auto</strong>fahrer:<br />

die Zielgruppen<br />

<strong>Qualitative</strong> <strong>Auto</strong>mobilmarktforschung ist im Wesentlichen Konsumentenforschung,<br />

den tatsächlichen oder potenziellen Kunden kommt die größte Bedeutung zu. Die<br />

Kernzielgruppe qualitativer Studien bilden in der Regel Neuwagenfahrer, die bereits<br />

ein Fahrzeug des zu untersuchenden Segments (Kleinwagen‐, Kompaktwagen‐, unte‐<br />

re/obere Mittelklasse, Oberklasse) oder ein nah an diesem Segment positioniertes<br />

Fahrzeug besitzen (potenzielle Auf‐/Um‐/Absteiger).<br />

578


Die <strong>Auto</strong>mobilbranche<br />

Angesichts der hohen und oftmals vielfältigen Screeningkriterien gestaltet sich die<br />

Rekrutierung im <strong>Auto</strong>mobilbereich sehr komplex. Die Hürden, die die Feldorganisati‐<br />

on bei ihrer Rekrutierungsarbeit zu meistern hat, werden immerhin teilweise dadurch<br />

gemildert, dass eine relativ große Aufgeschlossenheit der Bevölkerung gegenüber dem<br />

Befragungsgegenstand „<strong>Auto</strong>mobil“ besteht. Studien rund um das Thema <strong>Auto</strong> er‐<br />

freuen sich einer breiten Akzeptanz, da sie nicht nur die Neugier des technisch interes‐<br />

sierten <strong>Auto</strong>fahrers befriedigen, sondern ihm und seiner „Laien‐Expertise“ auch<br />

schmeicheln.<br />

Bezüglich der soziodemographischen Merkmale wird der Kunde bzw. <strong>Auto</strong>fahrer<br />

immer differenzierter beschrieben. Seit einigen Jahren richtet sich das Augenmerk im<br />

<strong>Auto</strong>mobilbereich immer gezielter auf die Anforderungen und Erwartungen bestimm‐<br />

ter Teilgruppen, wie Frauen, Kinder bzw. Jugendlicher und Senioren (gerne als Silver<br />

Market oder Best Ager bezeichnet). Diese Gruppen bringen – nicht zuletzt infolge ihrer<br />

wachsenden <strong>Auto</strong>nomie – ganz neue, spezifische Bedürfnisse an die Fahrzeuge mit<br />

und verfügen zudem auch noch über eine steigende Kaufkraft oder zumindest Ent‐<br />

scheidungsmacht.<br />

Im Rahmen unserer hochentwickelten Märkte reichen jedoch rein soziodemographi‐<br />

sche Merkmale nicht mehr aus, das Verhalten von Konsumenten zu erklären. Eine<br />

Zielgruppe zu verstehen bedeutet nicht, sie möglichst präzise hinsichtlich ihrer ge‐<br />

meinsamen demographischen Merkmale zu beschreiben, sondern vielmehr ihre<br />

grundsätzlichen Einstellungen und Werte zu kennen. Denn besonders diese haben<br />

einen Einfluss auf das individuelle Kaufverhalten. Daher werden im Rahmen des<br />

Zielgruppenmanagements auch immer stärker psychosoziale Faktoren berücksichtigt,<br />

um das Konsumentenverhalten zu erklären. In solchen Typologien werden Zielgrup‐<br />

pen anhand ihres Lebensstils, ihrer Werthaltungen und ihres sozialen Status’ beschrie‐<br />

ben. Dies schlägt sich beispielsweise in der sogenannten Milieuforschung nieder, wel‐<br />

che die Gesellschaft in unterschiedliche Gruppen (Milieus) unterteilt (vgl. auch die<br />

kritische Diskussion der Lifestyle‐Typologien bei Koschnick 2006, S 43ff.). Diese<br />

Milieus fassen Personengruppen zusammen, deren Mitglieder sich in Alltagseinstel‐<br />

lungen und Werthaltungen zu Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum ähneln. Es<br />

ist nahe liegend, dass unterschiedliche Milieu‐Vertreter ganz unterschiedliche auto‐<br />

mobile Wünsche besitzen. Und gerade im <strong>Auto</strong>mobilbereich, wo das Produkt an sich<br />

ein großes Identifikationspotenzial bietet, ist es sinnvoll, die grundlegenden Einstel‐<br />

lungen und Bedürfnisse der <strong>Auto</strong>fahrer in die Waagschale zu legen, sowohl bei der<br />

Produktplanung als auch bei der strategischen Markenführung.<br />

Obwohl, wie eingangs erwähnt, die <strong>Auto</strong>mobilmarktforschung in erster Linie eine<br />

Konsumentenforschung ist, kommt einer zweiten Zielgruppe eine besondere Bedeu‐<br />

tung zu, nämlich den Experten. Aufgrund der dargestellten Marktbedingungen steigt<br />

der Bedarf an zuverlässigen Prognosen und hilfreichen Trendanalysen: Welche elek‐<br />

tronischen Ausstattungsfeatures werden in Zukunft die wichtigste Rolle spielen? Wel‐<br />

che Antriebsarten werden in zehn Jahren am meisten gefragt sein? Bei der Beantwor‐<br />

579


Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

tung solcher und ähnlicher Fragestellungen stößt der „Normalautofahrer“ rasch an<br />

seine Kompetenzgrenzen. Stattdessen werden Fachleute aus den betreffenden Wis‐<br />

sensgebieten zu Rate gezogen und im Rahmen von Experteninterviews befragt. Dieser<br />

Ansatz ist nicht nur ökonomischer, sondern im Hinblick auf die Ergebnisse auch deut‐<br />

lich elaborierter. (Eine Alternative zur freien Exploration stellt die bei Experteninter‐<br />

views gerne eingesetzte Delphi‐Methode dar, die eine stärkere Strukturierung mit sich<br />

bringt.) Die Experten stammen sowohl unmittelbar aus dem <strong>Auto</strong>mobilfach als auch<br />

aus verwandten Fachrichtungen. Durch die Bewertung zukünftiger Trends und tech‐<br />

nischer Entwicklungen liefern die Experten eine wichtige Informationsgrundlage für<br />

die Entscheidung, was heute zu tun oder zu lassen ist.<br />

6 Fazit<br />

Die permanente Weiterentwicklung des <strong>Auto</strong>mobils wird in Zukunft vermehrt quali‐<br />

tative Forschung erfordern. Denn die Innovationen im <strong>Auto</strong>mobilmarkt bringen auch<br />

eine Veränderung der Psychologie des <strong>Auto</strong>fahrens mit sich, die es zu beobachten und<br />

zu beschreiben gilt. Von einem wesentlichen automobilen Trend des 21. Jahrhunderts,<br />

der Integration der Informationselektronik, lässt sich beispielhaft ableiten, welche<br />

Rolle der qualitativen Forschung zukommen kann: Die stetig anwachsende Komplexi‐<br />

tät des Fahrzeugs, das technisch Machbare an Innovationen im Fahrzeug, allen voran<br />

die elektronischen Einrichtungen, die den <strong>Auto</strong>fahrer unterstützen sollen, bringen<br />

immer wieder die Frage des erlebten Nutzens und der Sinnhaftigkeit für den Konsu‐<br />

menten auf den Tisch. Denn entscheidend für den Erfolg einer jeden technischen In‐<br />

novation am Markt ist letztlich immer ihre Anpassung an Nutzungsformen der Kon‐<br />

sumenten bzw. ihre Fähigkeit, eine neue Kultur der Nutzung hervorzurufen. So wird<br />

auch der Mensch als <strong>Auto</strong>fahrer eine immer größere Rolle bei der Entwicklung techni‐<br />

scher Innovationen spielen. Seinen Erfahrungshorizont dem des Produktentwicklers<br />

gegenüberzustellen, öffnet auf Entwicklungsseite häufig die Augen: Die Sichtweise auf<br />

das gleiche Produkt unterscheidet sich massiv von der eigenen. Eine Innovation im<br />

<strong>Auto</strong>mobil mag aus funktionaler Sicht noch so gut funktionieren, wenn sie konsumen‐<br />

tenpsychologisch nicht funktioniert, wird sie kaum Durchsetzungskraft besitzen.<br />

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Literaturverzeichnis<br />

Die <strong>Auto</strong>mobilbranche<br />

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Uta <strong>Spiegel</strong>, Hanna Chytka<br />

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