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JAHRESBERICHT 2010 KORNHAUS - Kornhaus Vogelsang

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Erfahung<br />

Victor, der sein Leben in die Hände nimmt<br />

Seit 2008 ist Victor im <strong>Kornhaus</strong>, genauer, er arbeitet als Lernender in der Schreinerei, steht kurz vor<br />

der Teilprüfung, die bereits Teil der LAP ist.<br />

Wenn ich mich an unsere ersten Gespräche in der Somosa in Winterthur zurück erinnere,<br />

so staune ich heute über den jungen Mann, der offen, interessiert und in sehr liebenswerter Art auf<br />

mich zugeht und sich unterhalten will. Wie verhalten er doch damals war, traute kaum den Blick zu<br />

heben oder einen längeren Satz zu sagen; davon ist nichts mehr zu spüren. Gott sei Dank, denn mit<br />

diesen erworbenen Fähigkeiten können wir ‹die Reise› in seine Geschichte vertrauensvoll<br />

beginnen.<br />

Victor holt tief aus und erzählt mir, wie es gekommen ist, dass er seine Lehre im <strong>Kornhaus</strong> machen<br />

wollte.<br />

Gut behütet erlebte er sich in seiner Herkunftsfamilie, obwohl die Eltern sehr oft gezügelt sind und<br />

handwerkliche<br />

Victor in jeder Schule ‹ein Neuer› war. Schlechte Noten waren häufig die Folge, genauso stiess sein<br />

Verhalten, das u.a. zwischen bewusster und echter Vergesslichkeit hin- und herpendelte, bei der<br />

Lehrerschaft wohl nur auf wenig Verständnis. In der Oberstufe verbesserten sich die schulischen<br />

Leistungen zwar, aber sein seelischer Zustand verschlechterte sich zunehmend.<br />

Nicht wenige Male entdeckte er, wie ‹Etwas› in ihm nach Ausstieg verlangte, wie er Gedanken<br />

nachhing, dass ihn doch auf der Stelle ein Auto überfahren möge …!<br />

Weiter erinnert er sich, wie er oft mit einem Messer in der Hand auf dem Bettrand sass und schneiden<br />

wollte – es dann doch nicht tat - aus Angst und Rücksicht um seine Eltern, die sein Tun schnell entdeckt<br />

und sich grosse Sorgen gemacht hätten.<br />

So war er lange alleine mit sich und seiner Not – bis ihm, kurz vor Schulabschluss, nach<br />

einem missglückten Suizidversuch nur noch der Weg in eine Klinik blieb. Dieser Aufenthalt öffnete<br />

schliesslich auch noch die letzten Schleusen, denn die Eltern waren ja weit weg: Er fing an, sich<br />

selber zu verletzen. Ihm sei eh alles Wurscht gewesen, betont er mit Stirnrunzeln.<br />

Die nachfolgenden Jahre waren geprägt durch stationäre Aufenthalte, Rückfälle, JUGA- Massnahmen<br />

und schliesslich der Wende in der Modellstation Somosa. So wie er die damalige Situation<br />

beurteilt, half ihm das Bonus-Malus-System, das Arbeit einerseits nicht vorschrieb, andererseits<br />

das Sackgeld klar an Arbeit koppelte. Er wollte das Rauchen nicht aufgeben, deshalb arbeitete er.<br />

Mit der Zeit entdeckte er aber auch mehr Sinn in der Arbeit; u.a. brachte er bereits aus<br />

einer Vorgänger-Einrichtung eine handwerkliche Erfahrung mit, die ihm zu Herzen ging. Er entdeckte<br />

das Holz als ganz besonderen Werkstoff und Ausdrucksmittel. Ein CD-Ständer, den er schon<br />

Jahre zuvor in dieser Einrichtung anfertigte, stehe noch heute in seinem Zimmer.<br />

Erfüllt von dieser Erfahrung arbeitete er in der Holzwerkstatt und später, bis zum Austritt, in einem<br />

Baugeschäft als ‹Bursche für alles›. Von anfänglichen Handlanger-Jobs mauserte er sich nach und<br />

nach in verantwortungsvollere Tätigkeiten: Er verlegte Parkettböden und half mit bei Küchenmonta-<br />

eine<br />

gen etc.<br />

Victor beschreibt diese ‹Lehrzeit› als ‹Super-Erfahrung›, die ihm auch seinen Entschluss,<br />

Schreiner zu werden, bekräftigte.<br />

Trotzdem könne er nachvollziehen, warum sein Helfernetz ziemlich skeptisch war und ihm eine Voll-<br />

Lehre nicht zutraute.<br />

‹Seine Geschichte› habe halt Bände gesprochen, sagt er ohne Umschweife.<br />

31<br />

die zu Herzen geht

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