Heft 4 (PDF, 4,39 MB) - Speyer
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34 Kultur<br />
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rungsmittel gemausert und wird in abenteuerlichen<br />
Kombinationen mit den<br />
phantasievollsten Bezeichnungen angeboten<br />
und serviert. „Wachtelei auf Blutorangen-Mousse<br />
an Salat du Chef“ ist da<br />
noch eine der leichteren Übungen!<br />
Aber wie immer man ihn heutzutage zu<br />
sich nimmt, der separate Teller für den<br />
Salat ist ein unbedingtes Muss! Damals –<br />
lange vor der Spülmaschinenzeit – bediente<br />
man sich auch in gutbürgerlichen<br />
Kreisen mit dem Salatbesteck aus der<br />
großen Schüssel und platzierte die Salatbeilage<br />
auf dem Essteller zwischen Kartoffeln<br />
und Fleisch. Fast spüre ich es<br />
noch auf der Zunge, das in fette Bratensoße<br />
getunkte Salatblatt. Gourmet-Päpste<br />
bitte weghören: das war für mich allererste<br />
Sahne. Nun aber – wie gesagt –<br />
leben die Salatblätter getrennt von der<br />
Fleischsoße und diese Soße ist auch<br />
nicht mehr fett sondern “light“.<br />
In Zeiten gesunder, möglichst kalorienreduzierter<br />
Ernährung kommt der Rohkost<br />
besondere Bedeutung zu. Restaurantchefs<br />
und gesundheitsbewusste Kantinenköche<br />
können da sehr erfinderisch<br />
sein und eröffnen die angebotenen<br />
Mahlzeiten schon gerne mal mit einem<br />
dekorativ angerichteten Knabbber-<br />
Angebot an Gurkenscheiben, Karottenschnitzen<br />
und Paprikastreifen.<br />
Wenn man da ordentlich zugegriffen hat,<br />
fühlt man sich nicht nur gnadenlos gesund<br />
ernährt, sondern kann auch Minus-<br />
Kalorien verbuchen. Die Rechnung sieht<br />
etwa so aus: eine halbe Karotte: 10 kcal,<br />
Energieverbrauch beim Beißen und Kauen<br />
des knackigen Teils: 12 kcal. Schon<br />
hat man zwei Kilokalorien gutgemacht.<br />
Wenn Sie allerdings ganz ohne Kalorienzählen<br />
stattdessen als Vorspeise eine<br />
Creme-Suppe mit Sahnehäubchen bevorzugen,<br />
sei Ihnen das von Herzen gegönnt!<br />
Himbeeren im November, frische Kräuter<br />
aus der Provence das ganze Jahr über,<br />
Grapefruit aus Florida und Kiwi aus Neuseeland<br />
für die Vitamin-C-Versorgung im Winter<br />
– das alles schätzen und genießen wir.<br />
Die Generation meiner Enkel kennt es nicht<br />
anders, sie wächst mit exotischen Obst- und<br />
Gemüse-Sorten auf; dafür wissen manche<br />
wahrscheinlich nicht, wie gartenfrische Spinatblätter<br />
aussehen, denn Spinat kennen<br />
sie – mit oder ohne Blubb – oft nur tiefgefroren.<br />
Schön, dass es alles gibt was es gibt und<br />
doch habe ich ein nostalgisches Gefühl von<br />
Verlust, wenn ich zum Beispiel an die sonnengelben<br />
aromatischen Mirabellen denke,<br />
ohne Transport-Spielraum „just in time“ im<br />
Schrebergarten meiner Großeltern geerntet<br />
oder an die duftenden Grafensteiner Äpfel,<br />
damals in Frau Kopp’s Laden.<br />
Ein bisschen Verklärung darf da durchaus<br />
sein!<br />
Helga Weisse