Heft 4 (PDF, 4,39 MB) - Speyer
Heft 4 (PDF, 4,39 MB) - Speyer
Heft 4 (PDF, 4,39 MB) - Speyer
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kultur 37<br />
________________________________________________________________________________________________________________________________________________<br />
Eigene Einstellungen überprüfen<br />
Eine Gelegenheit, darüber nachzudenken,<br />
ob man von den Senioren erwarten<br />
kann, dass sie sich einer Gesellschaft anpassen,<br />
die immer schneller, immer lauter,<br />
immer oberflächlicher lebt. Oder<br />
könnte man von den jüngeren Leuten<br />
erwarten, dass sie sich auf die Besinnlichkeit,<br />
die Entspanntheit, die Genügsamkeit<br />
der älteren Generation einlässt,<br />
die durch ihre Lebenserfahrung nützliche<br />
und möglicherweise kreative Anregungen<br />
abseits der Hetze des modernen, technisierten,<br />
oft anonymen Lebensstils geben<br />
könnte?<br />
Wer soll sich wem anpassen? Das ist eigentlich<br />
eine ziemlich dumme Frage.<br />
Die vielen Bemühungen, generationsübergreifende<br />
Wohnsituationen zu schaffen,<br />
sind manchmal erfolgreich, oft aber<br />
recht mühsam. Sie scheitern leicht an<br />
den Vorurteilen der einen oder anderen<br />
Altersgruppe. Längst aber sind nicht alle<br />
alten Menschen intolerant, noch sind alle<br />
jüngeren Menschen rücksichtslos.<br />
Die Frage von eben müsste lauten: wie<br />
bringt man Leute aller Altersstufen auf<br />
einen Nenner, oder noch besser: wie<br />
bringt man sie an einen runden Tisch, wo<br />
die Bedürfnisse, Ängste, Wünsche, Träume<br />
etc. ohne Aggressionen verglichen<br />
und gewichtet werden können, um danach<br />
zu handeln?<br />
Die Antwort ist nicht von der Politik zu<br />
erwarten, noch von Institutionen, die<br />
elektronisch-überwachte Alterswohnungen<br />
entwickeln, noch in der Einrichtung<br />
hunderter von Kindertagesstätten.<br />
Wir selber, die Betroffenen, müssen alle in<br />
uns gehen und unsere eigene Einstellung<br />
zu der Situation überprüfen. In einer Gesellschaft,<br />
in der viele Menschen der unterschiedlichsten<br />
Herkünfte, der unterschiedlichsten<br />
Altersgruppen ziemlich dicht aufeinander<br />
leben, ist eine große Portion<br />
Egoismus nicht überraschend. Er darf aber<br />
den Weg zum offenen konstruktiven Austausch<br />
nicht versperren.<br />
Ein Umdenken tut Not und könnte Wunder<br />
wirken!<br />
Dawn Anne Dister<br />
Herbsttag<br />
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.<br />
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,<br />
und auf den Fluren lass die Winde los.<br />
Befiehl den letzten Früchten soll zu sein;<br />
Gib ihnen noch zwei südlichere Tage,<br />
dränge sie zur Vollendung hin und jage<br />
die letzten Süße in den schweren Wein.<br />
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines<br />
mehr.<br />
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,<br />
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben<br />
und wird in den Alleen hin und her<br />
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben<br />
Rainer Maria Rilke