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Die Widersacher hofften vergeblich sowohl auf einen kapitalen Fehler der Franzosen <strong>als</strong> auch<br />
auf Schützenhilfe der beiden abgeschlagenen Teams: ABU DHABI mit Skipper Ian Walker und<br />
der chinesischen SANYA unter dem zweimaligen Gesamtsieger Mike Sanderson, die 30 See-<br />
meilen zurücklagen. Walker hatte immerhin überraschend die Transatlantiketappe nach Lissa-<br />
bon gewonnen, kämpfte aber trotz des größten Entwicklungsaufwands mit dem mangelnden<br />
Geschwindigkeitspotenzial des Bootes. Die SANYA stand <strong>als</strong> einziges Schiff aus dem vorigen<br />
Rennen (ehem<strong>als</strong> TELEFONICA BLUE) von vornherein auf verlorenem Posten. Ähnlich erging<br />
es der PUMA, doch die fehlenden Punkte nach einem Mastbruch in der Auftaktetappe holte sie<br />
am Ende nicht mehr auf. Zu keiner Zeit hatten Read & Co. die Gesamtführung inne, aber im<br />
Finale immerhin lange Zeit „Silber“ fest im Visier. Doch die entscheidende H<strong>als</strong>e in die Bucht<br />
von Galway hinein kam etwas zu spät. Die CAMPER nutzte die Gunst der Stunde zum ersten<br />
Etappensieg überhaupt. Entsprechend verhalten war die Stimmung an Bord. „Wir haben alles<br />
gegeben und uns nichts vorzuwerfen“, meinte „Michi“ Müller nach dem Rennen etwas ent-<br />
täuscht, „auch wenn vielleicht nicht alle Entscheidungen ganz glücklich waren. Hinterher sind<br />
immer alle schlauer.“ Den steilsten Absturz musste die spanische TELEFONICA mit dem 49er-<br />
Goldmedaillengewinner von 2004 in Athen, Iker Martínez, verkraften. Seit Kapstadt in Südaf-<br />
rika Ende November bis nach Miami/USA hatten sie ein halbes Jahr Platz eins beansprucht.<br />
Sehr schlechte Hafenrennen und ein doppelter Ruderbruch auf der Transatlantiketappe mach-<br />
ten jedoch alle Hoffnungen zunichte. Auch die Top-Favoriten führten das letzte Teilstück einige<br />
Stunden an, wurden am Ende aber vom Spitzentrio abgehängt.<br />
Beim letzten In-Port-Rennen in Galway, in dem noch die In-Port-Trophäe ausgesegelt wur-<br />
de, geht die Ära der Volvo Open 70 zu Ende. Jene 21,5 Meter langen Rennziegen halten den<br />
24-Stunden-Weltrekord (Torben Grael/ERICSSON 4/2008/596,6 Seemeilen) und den Stre-<br />
ckenrekord beim Rolex Fastnet Race (Ian Walker/ABU DHABI/2011). Ab 2014/15 wird das Volvo<br />
Ocean Race jedoch in einer Einheitsklasse gesegelt, die nicht nur zuverlässiger und sicherer,<br />
sondern auch noch etwas schneller sein soll. Im laufenden Rennen hatte es zahlreiche Aus-<br />
fälle durch Mastbrüche und schwere Rumpfschäden gegeben. Die neuen Boote heißen Volvo<br />
65 und werden im Auftrag der Veranstalter gebaut, der sie an die Syndikate weiterverkauft.<br />
Außerdem sind nur noch acht Crewmitglieder und sieben verschiedene Segel erlaubt. Das soll<br />
die Kosten für eine Kampagne auf zwölf bis 15 Millionen Euro senken und nach diesmal sechs<br />
zukünftig wieder mindestens acht bis zehn Teilnehmer anziehen. Die neue Route um die Welt<br />
wird im Dezember bekannt gegeben.<br />
„ „<br />
THIS RACE IS THE<br />
EASIEST RACE IN THE<br />
WORLD TO LOSE.<br />
CHRIS NICHOLSON/CAMPER<br />
Den einen oder anderen Beobachter mag es<br />
vielleicht an den Formel-1-Zirkus erinnern. Dort<br />
stehen Marketinginteressen vor umwelttechni-<br />
schen Fragen. Ein Fakt, der im Segelsport eine<br />
nach außen hin gänzlich untergeordnete Rol-<br />
le spielt. Diese „Vermarketingisierung“ kann<br />
man mögen oder auch nicht. Fakt ist, dass<br />
kein Unternehmen von Weltrang sich heut-<br />
zutage den Luxus leisten kann (oder auch<br />
will), solch ein gewaltiges Spektakel zu re-<br />
alisieren, ohne die eigenen Märkte im Auge<br />
zu haben. Das wäre vermessen. Schon im-<br />
mer haben Medien auf Personifizierungen in<br />
ihrer Berichterstattung zurückgegriffen. Je<br />
näher am Probanten – desto näher am Kon-<br />
sumenten. Eine alte Regel, die nicht zwangs-<br />
läufig perfide sein muss. Die Geschichte am<br />
Menschen (in diesem Fall: Segler) entlang er-<br />
zählt schafft Emotionen, die über alle Maßen<br />
verheißungsvollen Emotionen. Segelfläche,<br />
Bootslänge, Gewicht und all das technische<br />
Gedöns interessieren höchstens noch ein paar<br />
Technikfreaks, die in den 1990er-Jahren ste-<br />
hengeblieben sind, <strong>als</strong> sich selbst noch fahrbare<br />
blecherne Untersätze nach PS-Zahlen verkau-<br />
fen ließen. Marketingtechnisch eine verlocken-<br />
de Zeit. Emotionen dagegen sind komplizierter,<br />
verzwickter und heterogener. Wenig Tatsachen,<br />
viel Gefühl. Kein Wunder, dass Jon Bramley,<br />
der Kommunikationsdirektor des Volvo Ocean<br />
Race genau diesen Part auf seinem persönli-<br />
chen Wunschzettel für das kommende Rennen<br />
2014 ganz oben stehen hat. Ein Mitschnitt:<br />
Jon Bramley/Kommunikationsdirektor VOR<br />
Eines der Hauptanliegen war es, das Rennen<br />
einem größeren Publikum zugänglich zu ma-<br />
chen. Genauer gesagt: Wir wollten den medi-<br />
alen Output verdoppeln – auf allen Kanälen.<br />
Das haben wir erreicht. Es war ein hartes<br />
Rennen, weil wir von Anfang nur sechs Boo-<br />
te hatten. Das wird eine der Hauptaufgaben<br />
für das nächste Rennen sein – die Anzahl zu<br />
erhöhen. Ich denke, es wird auch ein Ren-<br />
nen um die Top-Segler der Welt werden, die<br />
oft genug im America’s Cup segeln. Leider<br />
ging das Rennen schon sehr schwierig los,<br />
<strong>als</strong> die Boote mit Fullspeed am Limit gesegelt<br />
wurden und wir schon am ersten Tag einen<br />
Anruf bekamen: ABU DHABI hat seinen Mast<br />
verloren. Wir riefen sofort eine Krisensitzung<br />
zusammen und versuchten, alles zu mana-<br />
gen. Als das Boot aus der Reparatur kam und<br />
das Rennen wieder aufgenommen hatte, kam<br />
zwölf Stunden später die nächste Hiobsbot-<br />
schaft: SANYA hatte ein schwerwiegendes<br />
Problem am Rumpf. Es stellte sich heraus,<br />
dass es sehr schwerwiegend war, so sehr,<br />
dass sie zu sinken drohten. Plötzlich hat-<br />
ten wir von sechs Booten nur noch vier im<br />
Rennen. Noch auf demselben Rennabschnitt<br />
brach plötzlich auch PUMAs Mast. Da waren<br />
es nur noch drei.<br />
Spätestens da dachten wir, dass es ein echt hartes Rennen werden würde. Wir waren froh, <strong>als</strong><br />
alle Boote endlich in Kapstadt ankamen. Dann kam die Herausforderung, nach Abu Dhabi zu<br />
segeln, von wo wir wussten, dass einige Teile der Strecke aufgrund der Piraterie nicht sicher<br />
waren. Für den langen Weg durch den Indischen Ozean von Afrika in den Mittleren Osten gab<br />
es keine andere Alternative, so kamen die Malediven ins Spiel, die wir aus Sicherheitsgründen<br />
absolut geheim hielten. Wir verschifften die Boote von den Malediven nach Sharjah in den<br />
Vereinigten Arabischen Emiraten. Von dort segelten sie dann nach Abu Dhabi. Abu Dhabi war<br />
wirklich ein großer Erfolg. Danach wurden die Boote wieder nach Sharjah transportiert, sodass<br />
sie dann nach Sanya (chinesische Südküste) segeln konnten. Hier hatten wir ein unglaubliches<br />
Interesse der chinesischen Medien, plus geschätzte 400.000 Zuschauer. Das war Wahnsinn.<br />
Dann ging’s nach Auckland/Neuseeland. Auch hier hatten wir einen fantastischen Stop-over.<br />
Alle Boote kamen heil an. Es folgte die härteste Etappe durch den Southern Ocean. Und nur ein<br />
Boot musste aufgrund von Reparaturen keinen Hafen anlaufen, sodass PUMA dann auch das<br />
Leg gewann. Wir waren froh, <strong>als</strong> alle endlich in Brasilien waren. Auch hier war es großer Er-<br />
folg. Dann ging es nach Miami weiter. Das war in vielen Bereichen ein schwieriger Stop-over.<br />
Die Amerikaner haben jede Menge Sportarten und warten nicht gerade aufs Segeln, sodass es<br />
eher schlechter <strong>als</strong> erwartet lief. Wir taten, was wir konnten, und konzentrierten uns dann auf<br />
Lissabon. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir ein sehr enges Rennen.<br />
Ich muss sagen, aus meiner Sicht hätte es nicht besser sein können. Bei den anderen Rennen<br />
standen die Sieger schon drei, vier Abschnitten vor Zieleinlauf fest. Da kann man natürlich<br />
nicht so viele News rausschicken. Anders bei diesem Rennen. Bis kurz vor Schluss wusste<br />
niemand, wer gewinnen wird. Dann ging es nach Lorient weiter, auch ein Ort mit langer Segel-<br />
tradition, und schließlich das Finale im irischen Galway.<br />
FOTO // VOLVO OCEAN RACE<br />
Als die Boote wegen der Piraten verschifft werden mussten, empfanden wir es <strong>als</strong> einen sehr<br />
schwierigen Part innerhalb des Rennens. Ich konnte ja keine News rausgeben, wo sie gerade<br />
sind, was sie machen und wer gerade welche Probleme hat. Für mich <strong>als</strong> Kommunikations-<br />
mensch ein Horrorszenario. Wir bereiteten einige Interviews mit den Segeln vor, die wir raus-<br />
schicken konnten. Natürlich keine Live-Action. In Abu Dhabi merkten wir, dass wir unser Ziel,<br />
mehr Menschen anzusprechen, erreicht hatten. Wir hatten eine unglaubliche Berichterstattung<br />
und das Interesse am Segelsport war enorm. Allerdings nicht nur dort, auch in den anderen Län-<br />
dern bis auf wenige Ausnahmen wie Miami. Um ehrlich zu sein, müssen wir darüber nachden-<br />
ken, wie wir beides miteinander kombinieren können. Wir haben ein goldenes Dreieck aus einem<br />
Hafen, einem Team im Rennen und unsere eigene Marktposition (Volvo) im jeweiligen Land. Die<br />
Frage ist, wie können wir aus marketingtechnischen Gesichtspunkten das Beste herausholen.<br />
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