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MOD70 European Tour Die Förde fliegt | Dominikanische Republik Zwischen Atlantik und Karibik | Logbücher Die Bibel der Seefahrt<br />

MOD70 European Tour<br />

Dominikanische Republik<br />

Logbücher<br />

52 • Ausgabe 05/2012 • D 5,80 € • A 5,80 € • CH 10 SFR<br />

Benelux/E/I 6,50 € • www.sailing-journal.de<br />

Kiel macht den Auftakt. Die<br />

erste Etappe einer neuen<br />

europaweiten Tour. Die Nachfolger<br />

der legendären Orma-<br />

60-Trimarane, die baugleichen<br />

MOD70, stellen das neueste<br />

Spektakel im internationalen<br />

Regattazirkus dar. 2013 ist<br />

ähnlich dem<br />

Volvo Ocean<br />

Wer<br />

Race eine<br />

teWahr<br />

nehmen<br />

WorteWis<br />

senWege<br />

WerkeWas<br />

serWeite<br />

Weltumsegelung geplant, für<br />

2014 dann eine Atlantiküberquerung<br />

von Europa in die<br />

USA. Nicht ohne Grund, denn<br />

USA und Asien sind die beiden<br />

wichtigsten Märkte, die es zu<br />

erschließen gilt.


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Herman Melville, Redburn. Seine erste Reise, 1849. In: Nathalie Couilloud, Poesie des Meeres, Edition Maritim<br />

Als ich so dastand und um mich sah, kam der<br />

Obermaat wegen irgend etwas in großer Eile<br />

an, und <strong>als</strong> er sah, dass ich ihm im Wege stand,<br />

schrie er: An Land mit dir, du Bummler! Hier gibt’s<br />

nichts zu klauen! Dreh ab, sage ich dir, mit deiner<br />

Jagdjoppe.“ Ich erwiderte, ich führe mit dem Schiff<br />

zur See. „Als Matrose?“, rief er. „In dieser Jacke? Der<br />

Teufel soll dich holen. Aber so geht das heutzutage.<br />

Wie heißt du denn?“ „Redburn“, antwortete ich.<br />

288 Seiten, Preis: 19,90 €,<br />

ISBN: 978-3-7688-2479-8<br />

3<br />

[Worte Teil 1]


[Willkommen]<br />

TOM KÖRBER // CHEFREDAKTEUR<br />

Parabel.<br />

Schwimmen zwei junge Fische des Weges und<br />

treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die<br />

Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu<br />

und fragt: " Wie ist das Wasser?" Die zwei jun-<br />

gen Fische schwimmen eine Weile weiter und<br />

schließlich wirft der eine dem anderen einen<br />

Blick zu und fragt: " Was zum Teufel ist Wasser?"<br />

Nachdenken darüber, dass die naheliegendsten<br />

Tatsachen <strong>als</strong> solche kaum zu erkennen sind.


[Was]<br />

Seite 14<br />

Logbücher<br />

Die Bibel der Seefahrt<br />

Seite 36<br />

Dominikanische<br />

Republik<br />

Zwischen Atlantik und Karibik<br />

Seite 52<br />

MOD70<br />

Die Förde fliegt<br />

Willkommen Seite 4 Wahrheit? Seite 8<br />

Warum? Seite 10 Wunderbar Seite 30<br />

Werte Seite 72 Wettkampf Seite 74<br />

Verlag Delius Klasing Verlag GmbH, Siekerwall 21, 33602 Bielefeld, Postfach 101671, 33615 Bielefeld, Tel. +49 (0) 521-559 0, Fax +49 (0) 521-559 113, info@delius-klasing.de, www.delius-klasing.de,<br />

Commerzbank Bielefeld, Kto.-Nr. 208394200, BLZ 48080020 Herausgeber Matthias J. Müncheberg Chefredakteur Tom Körber, Esmarchstraße. 61, 24105 Kiel, t.koerber@sailing-journal.de, Tel. +49 (0)<br />

431-888 67 79 Grafik Jan Weisner, Outline-Graphix, Klausdorfer Weg 167, 24148 Kiel, info@o-graphix.de, www.outline-graphix.de, Tel. +49 (0) 431- 64 73 173 Ständige Mitarbeiter Michael Walther,<br />

m.walther@sailing-journal.de, Willii Gohl williigo@gmx.net, Bendix Hügelmann, b.huegelmann@sailing-journal.de, Kirsa Stoltenburg Autoren & Fotografen Hans Mühlbauer, Gerlinde Neuhierl,<br />

Matthias Müncheberg, Christian Bährmann, B. Scheurer, B. Andersch, N. Krauss, M.-S. Kreplin Abonnements Tel. +49 (0) 521-559 911, Fax +49 (0) 521-559 114. Das SAILING JOURNAL erscheint<br />

6-mal jährlich. Einzelheftpreis Deutschland 5,80 €, Jahres abonne ment Deutschland 32,00 €, Jahresabonnement Ausland 48,00 €, jeweils inkl. Versandkosten. Das SAILING JOURNAL ist nach<br />

Ablauf des Mindestbestelljahres (6 Ausgaben) jederzeit kündbar. Verlagsleitung Markus Gries Anzeigenleitung Wassersport Ingo van Holt, Tel. +49 (0) 521-559 276, Fax +49 (0) 521-559 88 276,<br />

i.vanholt@delius-klasing.de, Disposition Monika Grell, Tel. +49 (0) 521-559 264, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 1, anzeigen@delius-klasing.de Produktionsleitung Olaf Klinger Druck NEEF + STUMME<br />

premium printing, GmbH & Co. KG, Schillerstraße 2, 29378 Wittingen<br />

Modellbau Seite 78<br />

Klein. Kleiner. Am größten.<br />

Santa Maria Seite 86<br />

Segeln wie zu Kolumbus Zeiten<br />

Titelfoto Tom Körber<br />

Kiel. Erster Stopp der MOD70 European Tour<br />

<strong>Sailing</strong> <strong>Journal</strong> - IMPRESSUM<br />

Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung des Verlages. Durch Annahme eines<br />

Manuskriptes erwirbt der Verlag das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Das SAILING JOURNAL wird ganz oder in Teilen im Print und digital vertrieben.<br />

Ausgabe 53 erscheint am 06.12.2012<br />

7


[Wahrheit?]<br />

S eit<br />

Der Mond<br />

jeher glaubt der Seemann, dass der Mond den Wind frisst. Schon zu Zei-<br />

ten der Römer war dieser Glaube existent. Plinius (23 bis 79 nach Christus)<br />

berichtet von einer Art Wetter-Mond-Skala. Nach ihr bedeutet ein neuer<br />

Mond mit aufrecht stehenden Hörnern (Enden der Mondsichel) am vierten<br />

Tag nach Vollmond starke Stürme auf See. Wenn der Mond das obere Horn verdunkelt<br />

zeigt, dann gibt es schlechtes Wetter. Wenn sich bei abnehmendem Mond das untere<br />

Horn verdunkelt, gibt es Regen bei Vollmond. Ist der Mond (während einer windreichen<br />

Phase) erst am vierten Tag sichtbar, dauern die Stürme an.<br />

Aristoteles erklärte die Mondflecken <strong>als</strong> Spiegelungen der Meere auf der blanken<br />

Fläche des Mondes. Lucullus, der Feinschmecker, war der Erste, der herausfand,<br />

dass Delikatessen (in jedweder Form) bei zunehmendem Mond größer werden und<br />

bei abnehmendem kleiner. Nach Marryat (ein englischer Offizier, der die Flaggensi-<br />

gnale einführte) glaubten englische Fischer, dass Fische, die bei Vollmond aus dem<br />

Wasser geholt wurden, bald faulen. Eine große Rolle spielt der Hof um den Mond. Je<br />

kleiner der Ring, desto eher regnet es – und von der Seite, die am hellsten ist, wird<br />

Wind kommen.<br />

Natürlich sind diese „Vorhersagen“ umstritten. An der englischen Küste bedeutet es<br />

Regen, wenn die beiden Hörner nach oben stehen. In Mecklenburg dagegen wird es gut,<br />

wenn man „Sattel und Zaum“ an die Hörner hängen kann. Nur bei einem Punkt sind<br />

sich alle einig: Mondregenbögen (Zusammentreffen von Regentropfen und Mondlicht<br />

bei Nacht) verheißen nie etwas Gutes.<br />

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Inspiriert durchs Leben


[Warum?]<br />

Bis zu welcher Tiefe des Meeres können Tiere leben?<br />

B<br />

is ganz unten in den Tiefseegräben, <strong>als</strong>o einer Tiefe von fast elf Kilometern,<br />

und im Bereich der ganzen Wassersäule von der Oberfläche bis auf<br />

den Meeresgrund. Das wissen wir zum einen, weil bis hinunter zum Meeresgrund<br />

Fische gesichtet wurden. Zum anderen, weil Tiere aller Hauptgruppen,<br />

von Protozoen bis zu Wirbeltieren, vom Grund der Tiefsee mit Schleppnetzen<br />

und Kernbohrern heraufgebracht und aus dem uferfernen Freiwasser mit Plankton-<br />

netzen gefischt wurden.<br />

Doch zweifelsohne wird die Menge an tierischem Leben geringer, je tiefer man in den<br />

Ozean vordringt. Ursache dafür ist die Nahrung. Das Leben in allen Meeren hängt da-<br />

von ab, dass Pflanzen in oberen Schichten wachsen, wo Fotosynthese möglich ist. Ein<br />

Teil davon sinkt in tiefere Schichten ab. Dieses sinkende Material muss jedoch den Fän-<br />

gen der hungrigen, im Freiwasser lebenden Tiere entkommen. Als Folge erreicht immer<br />

weniger Futter die tiefen Schichten.<br />

Wenn es auch nur die geringste Chance zum Überleben in einem ganz spezifischen Le-<br />

bensraum gibt, dann kann man seinen Kopf darauf verwetten, dass sich die ein oder<br />

andere Kreatur erfolgreich entwickelt hat. Dies trifft unbedingt auf die Tiefsee zu.<br />

Haben Fliegende Fische Flügel?<br />

Tony Rice, Delius Klasing Verlag. 16,90 €.<br />

LUXUS UNTER SEGELN.<br />

Marcus Krall / Martin Hager<br />

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Die Welt der großen Segelyachten hat in den letzten zehn Jahren eine dramatische Entwicklung genommen.<br />

Nach dem Motto „größer, schneller, luxuriöser” gelten heute 100 Fuß (30 Meter) Länge fast schon <strong>als</strong><br />

Standardmaß. „Superyachten Sail“ stellt die 15 spannendsten Yachten in einem opulenten Bildband der weltbesten<br />

Fotografen und Autoren der Szene vor. Im Anhang werden die derzeit 100 größten Segelyachten der<br />

Welt mit allen wichtigen Daten aufgeführt.<br />

© Carlo Borlenghi


[Logbücher]<br />

die<br />

der<br />

Bibel<br />

Seefahrt<br />

FOTO // YACHT/B. SCHEURER<br />

Logbücher sind viel mehr <strong>als</strong> nur behördliche Dokumente: eine Fundgrube für<br />

die Wissenschaft und ein Spiegel ihrer Zeit. Beim Deutschen Wetterdienst in<br />

Hamburg St. Pauli lagern Schätze aus 150 Jahren Seefahrtsgeschichte.<br />

15<br />

Schrift Svante Domizlaff


FOTO // ARCHIV EDITION MARITIM<br />

m Abend des 9. Dezember 1898<br />

geriet der kleine Kieler Dampfer<br />

ADELE (273 Bruttoregisterton-<br />

nen) in der Ostsee vor Hela in<br />

einen Nordweststurm. Als die<br />

See die Luken einschlug und das Schiff zu sinken<br />

begann, trug Kapitän Ernst Krützfeld seine letzte<br />

Position ins Logbuch ein. Im Angesicht des Todes<br />

beschrieb er die Umstände des Scheiterns, füg-<br />

te seine letzte Schiffsabrechnung bei sowie einen<br />

Gruß an seine Frau und vertraute die Papiere einer<br />

Flaschenpost an. In jener Nacht sank die ADELE,<br />

ihre Besatzung kam ums Leben. Die Flaschenpost<br />

aber trieb an den Strand und wurde gefunden. Sie<br />

gab ein letztes Zeugnis und trug damit zur Auf-<br />

klärung des Unglücks bei. So erzählt es die Chro-<br />

nik der Reederei Sartori & Berger. Diese Notizen<br />

waren alles, was von der ADELE blieb. Sie sind<br />

zweifellos von noch größerem Wert, <strong>als</strong> ihn solche<br />

Dokumente ohnehin besitzen.<br />

Rudergänger auf einem<br />

Großsegler vor Kap Hoorn<br />

17


Ein Logbuch hat amtlichen Charakter, auch das,<br />

aber es gibt viele Gründe, weshalb es neben der<br />

Bibel stets das wichtigste Buch in der christlichen<br />

Seefahrt war. Geschrieben wurde immer, mit halb<br />

erfrorenen Händen und in akuter Lebensgefahr.<br />

Und geschrieben wurde über alles, nicht nur über<br />

Kurs und Wind. Sorgsam mit Feder<br />

und Tinte, in zierlicher Schrift, zu-<br />

meist in Sütterlin, führten etwa die<br />

Kap-Hoorn-Kapitäne ihr Buch, alle<br />

vier Stunden, wie es üblich war.<br />

Keine Rubrik wurde vergessen: Tag<br />

und Stunde, Breite und Länge, Kurs,<br />

Missweisung, Abdrift, Windrichtung und -stärke,<br />

Barometerstand, Temperatur, Bewölkung, See-<br />

gang und Wassertemperatur – und dazu allgemei-<br />

ne Bemerkungen, die aufs Eindrücklichste den je-<br />

weiligen Geist und die Umstände der Zeit spiegeln.<br />

Logbücher regen immer auch die Fantasie an.<br />

Etwa die wie von einem Automaten produzierte,<br />

gestochen scharfe Handschrift von Kapitän Chris-<br />

tian Jürgens. Dabei steht diese Akkuratesse in<br />

seltsamem Widerspruch zu dem Geschehen, das<br />

Jürgens beschreibt, einen 99 Tage dauernden<br />

Kampf vor Kap Hoorn, Tag für Tag, Seite für Seite<br />

das gleiche Schreckensszenario: „Heftiger Sturm<br />

mit orkanartigen Böen. Desgl. Schneegestöber.<br />

Schiff schlingert stark. Gewaltige Wassermassen<br />

übernommen.“ Verfasst am 30. September 1906<br />

an Bord des Vollschiffs SUSANNA, auf 59° 20’ Süd.<br />

Geschrieben wurde immer, mit<br />

halb erfrorenen Händen und<br />

in akuter Lebensgefahr.<br />

Die Logbücher aus der Segelschiffzeit glichen in<br />

Form und Aufmachung den Rechnungsbüchern<br />

eines Buchhalters: links Soll, rechts Haben. Das<br />

war für den Reeder entscheidend. Tatsächlich ist<br />

das Führen eines Logbuchs nach § 519 ff. des<br />

Handelsgesetzbuchs vorgeschrieben. Ein Schiffs-<br />

journal kann aber viel mehr sein. Wir verdanken<br />

ihm authentische Berichte über die Entdeckung<br />

der Welt, eine Fülle wissenschaftlicher Erkennt-<br />

nisse und einige zentrale Werke der Literatur. In<br />

Logbücher wurden Geschichten geschrieben, und<br />

manche von ihnen schrieben selbst Geschichte.<br />

„Als dann die ganze Mannschaft das ‚Salve Regi-<br />

na‘ betete und darauf schweigend verharrte, gab<br />

ich meinen Leuten den Rat, auf dem Vorschiffe<br />

gute Wache zu halten und aufzupassen, ob Land in<br />

Sicht komme. Wer <strong>als</strong> erster melden würde, Land<br />

zu sehen, bekäme sofort eine seidene Jacke zum<br />

Geschenk … Um zwei Uhr morgens kam das Land<br />

in Sicht, von dem wir etwa acht Seemeilen ent-<br />

fernt waren.“ So steht es Donnerstag, 12. Oktober<br />

1492, im Tagebuch des Christoph Kolumbus. Es<br />

war die bedeutendste Eintragung der Seefahrts-<br />

geschichte, denn sie dokumentiert die Entdeckung<br />

der Neuen Welt.<br />

REPROFOTOS // YACHT/B. ANDERSCH<br />

William<br />

Blighs<br />

epische<br />

Reise<br />

mit der Bounty-Barkasse<br />

Am 28. April 1798 war BOUN-<br />

TY-Kapitän William Bligh mit<br />

18 seiner Getreuen von den<br />

Meuterern auf der nur sieben Meter<br />

langen Barkasse seines Schiffs ausge-<br />

setzt worden. Für die Navigation auf<br />

der 3.600-Meilen-Reise nach Timor<br />

standen ihm ein Kompass, Log, Ok-<br />

tant und eine Taschenuhr zur Verfü-<br />

gung. Um seinen geringen Proviant zu<br />

ergänzen, steuerte er die Insel Tofua<br />

an, deren Bewohner sich aber feind-<br />

lich zeigten, weil sie keine Tauschware<br />

erhielten. In einer Tagebucheintra-<br />

gung vom 3. und 4. Mai berichtet<br />

Bligh von stürmischen ESE-Winden<br />

und der Flucht auf See nach einem<br />

Angriff der Eingeborenen, bei dem<br />

der Matrose Norton getötet wurde.<br />

Die Notizen auf dieser Seite beschrei-<br />

ben die folgenden Ereignisse.<br />

Zur Erinnerung an die Meuterei legte<br />

Französisch-Polynesien 200 Jahre<br />

später eine „Bounty“-Briefmarke auf.<br />

Bligh notierte an diesem<br />

Sonntag, wie er nach<br />

Gebeten Kurs auf die<br />

Insel Timor nimmt. Er<br />

führt den wenigen Provi-<br />

ant auf, 150 Pfund Brot,<br />

28 Gallonen Wasser, 20<br />

Pfund Schweinefleisch,<br />

drei Flaschen Wein und<br />

fünf Portionen Rum;<br />

einige Kokosnüsse und<br />

Brotfrüchte waren ver-<br />

loren gegangen. Bligh<br />

teilte seine Mannschaft<br />

in drei Wachen auf und<br />

ließ ein gerefftes Spriet-<br />

segel setzen.<br />

„Um 8 Uhr blies ein<br />

schwerer Sturm & wir wa-<br />

ren in äußerster Gefahr<br />

– schöpften in einer furchtbaren Lage.<br />

Gab einen Teelöffel Rum für jeden aus,<br />

denn wir waren nass & kalt.“ Auch am<br />

Montag, dem 4. Mai – sie passieren<br />

eine kleine Fidschi-Insel –, befand sich<br />

das Boot „in großer Not & in größter<br />

Gefahr zu sinken“.<br />

Auf dem<br />

Papier im<br />

Hintergrund<br />

listet der Kapitän „unsere drei Wachen“<br />

auf, die Reihe der Namen wird angeführt<br />

von Mr. Fryer. Am Mittag passierte die<br />

Barkasse eine kleine Insel. Der Kapitän<br />

verteilte etwas Kokosnussfleisch, zur<br />

Freude der Mannschaft: „Jeder zeigte<br />

sich zufrieden.“<br />

19


Der Schatz im<br />

Im „Tiefkeller 2“ der 1905 erbau-<br />

ten ehemaligen Navigations-<br />

schule in Hamburg, heute Sitze<br />

des Bundesamts für Seeschifffahrt<br />

und Hydrographie (BSH) sowie des<br />

Deutschen Wetterdienstes (DWD),<br />

werden 37.000 säuberlich von Hand<br />

geschriebene Folianten aufbewahrt,<br />

verborgen hinter Stahltüren und<br />

Maschendraht. Es sind Logbücher und<br />

Wetterjournale aus der Zeit von 1845<br />

bis 1930, aus der Ära der kommerziel-<br />

len Segelschifffahrt.<br />

„Für die Meteorologie ist das ein<br />

Schatz“, sagt Wolfgang Gloeden, 62,<br />

seit 15 Jahren Projektleiter für die<br />

historische Aufarbeitung der <strong>Journal</strong>e.<br />

„Sechs Leute sind mit dem Projekt be-<br />

schäftigt, die Daten aufzuarbeiten, die<br />

uns Einblick in die klimatischen Wet-<br />

terbedingungen der Segelschiffzeit<br />

geben. Wir haben extra einen Kursus<br />

gemacht, um die Sütterlinschrift zu<br />

lernen, denn die meisten Bücher aus<br />

der Zeit wären sonst nicht zu entzif-<br />

fern. Die Epoche der Windjammer ist<br />

bei uns auferstanden.“<br />

Keller<br />

Wolfgang Gloeden in den Kasematten des<br />

Archivs. Hier lagern 37.000 Logbücher aus<br />

150 Jahren Seefahrt.<br />

Gloeden, der auf 45 Jahre Erfahrung<br />

beim Wetterdienst zurückblicken<br />

kann, erklärt: „Mit Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts begann man, sich für die<br />

Natur und die Meteorologie zu inter-<br />

BEIM DEUTSCHEN WETTERDIENST<br />

WERDEN DIE KAPITÄNSBERICHTE<br />

WISSENSCHAFTLICH AUSGEWERTET<br />

essieren. Wie es auf See aussah, das<br />

wusste aber niemand. Allein aus dem<br />

Studium der Schiffstagebücher ließen<br />

sich Rückschlüsse ziehen.“<br />

Von besonderem Wert sind die 800<br />

sogenannten Maury-<strong>Journal</strong>e, mit de-<br />

nen sich deutsche Kapitäne Mitte des<br />

19. Jahrhunderts an der Arbeit des<br />

US-Meteorologen Matthew F. Maury<br />

beteiligten. Maury hatte Wettertage-<br />

bücher mit genauen Rubriken entwi-<br />

ckelt, die von den Kapitänen auf ihren<br />

Reisen ausgefüllt und ihm zur Auswer-<br />

tung übersandt wurden. Die Seewarte<br />

in Hamburg erhielt die Bücher für die<br />

eigene Forschung.<br />

Über die wissenschaftliche Arbeit hi-<br />

naus wandelt Gloeden aber auch gern<br />

privat durch die Regale und nimmt<br />

dabei das eine oder andere <strong>Journal</strong><br />

zur Hand, aus reiner Neugier.<br />

Wer in diesen Folianten liest, ver-<br />

nimmt noch heute das Brechen von<br />

Rahen oder das Brüllen des Orkans<br />

bei Kap Hoorn. Es ist keine roman-<br />

tische Melodie, und ihre Partitur<br />

FOTOS // YACHT/B. SCHEURER<br />

besteht aus Ziffern und Kürzeln: „58°<br />

42’ S, 59° 12’ W, Kurs SW, WNW 10,<br />

775 mm, 2,8° C, Seegang W 8, Wasser<br />

0,5° C, stürmischer, puffiger Wind,<br />

sehr unstetig, grobe See.“ So ist es für<br />

den 7. September 1906 im Logbuch<br />

der SUSANNA verzeichnet. Segler<br />

verstehen diesen Code, und somit<br />

verstehen sie die ganze spannende<br />

Geschichte dahinter.<br />

Auch die Meuterei auf der BOUNTY ist heute im<br />

Detail bekannt, weil ihr Kommandant William Bligh<br />

peinlich genau Tagebuch führte, und zwar sogar<br />

noch unter den harschen Bedingungen im klei-<br />

nen Beiboot, in dem er<br />

mit ein paar Männern<br />

ausgesetzt wurde. Am<br />

28. April 1789 notierte<br />

Bligh: „Kurz vor Son-<br />

nenaufgangüberwäl- tigten mich die Meu-<br />

terer, während ich in<br />

der Kabine schlief, und<br />

banden mir die Hände<br />

hinter dem Rücken zu-<br />

sammen, schleppten mich im Hemd an Deck,<br />

schickten 18 Mann der Crew in das Beiboot &<br />

mich nach ihnen und stießen das Boot ab – Tofoa<br />

peilte NE etwa zehn Meilen – Schiff entfernte sich<br />

auf Kurs WNW.“<br />

Blighs Aufzeichnungen, geschrieben während sei-<br />

ner 3.600 Seemeilen langen Reise im offenen Boot<br />

in ein ledergebundenes Notizbuch, erheben den<br />

BOUNTY-Kapitän zu einem der großen Seeleute.<br />

Kurioserweise konnte das Tagebuch nicht verhin-<br />

dern, dass er vor der Geschichte nicht <strong>als</strong> bravou-<br />

Auch die Meuterei auf der<br />

BOUNTY ist heute im Detail<br />

bekannt, weil ihr Kommandant<br />

William Bligh peinlich genau<br />

Tagebuch führte.<br />

röser Seemann, sondern eher <strong>als</strong><br />

sadistischer Bösewicht dasteht.<br />

Fletcher Christian, den Anführer<br />

der Meuterei, beschreibt der ab-<br />

gesetzte Kapitän in seinem Buch<br />

wie folgt: „24 Jahre alt, 5 Fuß 9<br />

groß, schwärzliche Gesichtsfar-<br />

be, schwarzes Haar, kräftiger Körperbau, O-Beine,<br />

Stern-Tätowierung an Brust und Hinterteil, neigt<br />

zu Schweißausbrüchen mit nassen Händen.“<br />

Der Naturforscher Charles Darwin brachte von<br />

seiner Südamerikareise an Bord der BEAGLE<br />

nicht nur die Erkenntnis der bahnbrechenden Evo-<br />

lutionstheorie mit. Unter Kapitän Robert Fitz Roys<br />

Kommando notierte er: „25. Dezember 1831, Feu-<br />

erland. Das Klima ist ganz erbärmlich. Das Ther-<br />

mometer stand im Allgemeinen bei 7°, fiel nachts<br />

aber auf 3° oder 5°. Wegen des feuchten und auf-<br />

gewühlten Zustandes der Luft, die von keinem<br />

Sonnenstrahle aufgeheitert war, empfand ich das<br />

Klima noch schlimmer <strong>als</strong> es war.“<br />

21


In allen Logbüchern spielen solche Wetterbeob-<br />

achtungen eine zentrale Rolle, denn von Wind und<br />

Wetter waren die Schiffe abhängig. Der Welthan-<br />

del begann im 19. Jahrhundert globale Ausmaße<br />

anzunehmen, und zwar auf regelmäßig bedienten<br />

Schifffahrtsrouten. Für die Navigation standen den<br />

Kapitänen Karten und Segelanweisungen zur Ver-<br />

fügung, wissenschaftliche Grundlagen aber fehlten.<br />

Das änderte sich erst, <strong>als</strong> der US-Marineoffizier<br />

Matthew F. Maury aus der Postkutsche fiel und sich<br />

dabei so die Knochen brach, dass er für den See-<br />

dienst nicht mehr infrage kam. Die Navy beschäftig-<br />

te ihn fortan an Land. 1844 wurde er Direktor des<br />

Nautischen Observatoriums in Washington D. C.<br />

Für die Navigation standen den<br />

Kapitänen Karten und Segelanweisungen<br />

zur Verfügung, wissenschaftliche<br />

Grundlagen aber fehlten.<br />

In dessen Archiven entdeckte Maury Unmengen<br />

alter Logbücher und Karten mit ausführlichen<br />

Wetterbeobachtungen. Er begann, diese Infor-<br />

mationen konsequent auszuwerten und danach<br />

wissenschaftlich gestützte Segelanweisungen<br />

zu Winden und Strömungen zu schreiben, sogar<br />

zu Walwanderungen, die dam<strong>als</strong> im 19. Jahrhun-<br />

dert für die Amerikaner besondere Relevanz be-<br />

saßen – der Walfang boomte, und es ist kein Zufall,<br />

dass genau in jener Epoche der Klassiker „Moby<br />

Dick“ entstand. 1845 erschien Maurys Werk „Wind<br />

and Current Chart of the North Atlantic, <strong>Sailing</strong> Di-<br />

rections and Physical Geography<br />

of the Seas and Its Meteorology“.<br />

Wer sich daran hielt, konnte seine<br />

Seereisen drastisch verkürzen.<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts führ-<br />

ten die Deutschen die Segel-<br />

schifffahrt zu ihrer letzten gro-<br />

ßen Blüte. Maurys Arbeit war in<br />

Deutschland auf großes Inte-<br />

resse gestoßen. Der Elsflether Navigationslehrer<br />

Wilhelm von Freeden gründete 1847 die private<br />

Norddeutsche Seewarte, Vorläufer der 1875 in<br />

Hamburg eingerichteten Deutschen Seewarte.<br />

Freeden sammelte, nach Maurys Vorbild, Logbü-<br />

cher deutscher Kapitäne, die er zu allgemeinen<br />

Segelanweisungen verarbeitete.<br />

FOTOS // YACHT/B. ANDERSCH<br />

Mit der<br />

DIRK II<br />

zu den Fjorden<br />

Die DIRK II wurde 1921 auf der<br />

Werft Arp in Laboe gebaut,<br />

ein Seekreuzer mit 16-PS-<br />

Hilfsmotor, 12,70 Meter lang. Unter<br />

ihrem Eigner Hans Domizlaff segelte<br />

sie in den Jahren 1927 bis 1929 bis<br />

nach Nordnorwegen. Domizlaff führte<br />

das Logbuch ausführlich wie ein<br />

echter Kapitän. In den 1930er-Jahren<br />

erreichte er mit der 24 Meter langen<br />

Yawl DIRK III sogar das Nordkap. No-<br />

tiert wurden in seinem „Logg-Buch“<br />

die nautischen Daten, aber auch alles,<br />

was er in unbekannten Ländern be-<br />

merkenswert fand.<br />

Das Vorsatzblatt aus dem „Logg-Buch“<br />

der DIRK II von 1927. Die Sturmwarnung<br />

stammt von Bord der DIRK III. 1934 braute<br />

sich etwas zusammen.<br />

Skagen, 19. Juni 1929: „Herrliches<br />

Wetter. Wir waren auf der äußers-<br />

ten Spitze von Jütland und legten<br />

Blumen auf das Grab der deutschen<br />

gefallenen Matrosen in Skagen. Die<br />

Hauptmahlzeiten nahmen wir an<br />

jedem Tag im Hotel Royal, Besitzer<br />

Herr Laursen.“<br />

Südnorwegische Schären, 26. Juni<br />

1929: „Die Nächte sind so hell,<br />

dass man für Kompass und Karte<br />

kaum Licht gebraucht. Spiegel-<br />

glatte See, herrliche Himmel- und<br />

Seefärbungen.“<br />

Ebeltoft, 22. August 1927: „Die Zeit<br />

ist um. Der Eigner wird dringend ge-<br />

schäftlich zu Hause erwartet.“<br />

Danzig, 27. Juli 1934: „Der deutsche<br />

Generalkonsul von Radwitz aß mit<br />

uns an Bord zu Mittag. Er kam gerade<br />

aus einer S.A.-Versammlung, in der<br />

Streicher gesprochen hatte.“ Eintrag<br />

am selben Abend: „Nachdem Hinrich-<br />

sen u. Burg schon vorher Magenbe-<br />

schwerden und Übelkeit empfanden,<br />

wird Eigner nachts auch krank.“<br />

Domizlaff entwarf ein eigenes, für<br />

Segler geeignetes Format, das<br />

„Dirk-Yacht-Logbuch“.<br />

23<br />

FOTO // PRIVAT


POTOSI und<br />

SUSANNA und<br />

die Härten einer Kap-Hoorn-Fahrt<br />

Die Schiffsjournale von Ro-<br />

bert Hilgendorf (1852–1937)<br />

gehören zu den herausra-<br />

genden Logbüchern in der Samm-<br />

lung des Deutschen Wetterdienstes.<br />

Der große Kapitän, der wegen seiner<br />

schnellen Reisen auf den Flying<br />

P-Linern bei manchen Seeleuten im<br />

Ruf stand, mit dem Teufel verbündet<br />

zu sein, füllte auf der Fünfmastbark<br />

POTOSI mit schmaler Feder in zierli-<br />

cher Sütterlinschrift sorgfältig die vor-<br />

gesehenen Felder des Logbuchs aus.<br />

Am 16. Dezember 1896, vormittags,<br />

auf der Position 56° Süd, 64° West,<br />

<strong>als</strong>o vor Kap Hoorn, notierte er:<br />

„De Düwel von Hamborg“ nannten die Seeleute Robert Hilgendorf,<br />

den Kapitän der POTOSI. Sein Erfolg bestand in der konsequenten<br />

Auswertung der gesammelten Logbücher. Er selbst<br />

trug mit seinen Bord- und Wetterjournalen zur Sammlung bei.<br />

„Sehr hohe See mit<br />

orkanartigen Böen.<br />

Royal gerissen und<br />

2 Marssegel. Hohe<br />

wilde See. Die Mann-<br />

schaften sind meist<br />

in jämmerlichem Zustand. 1/3 liegt<br />

schon in der Koje.“ Etwas später,<br />

am selben Tag: „Seegang 9, WSW<br />

11, WSW See, extrem böig, Schnee,<br />

Barometer 734,5 mm. 8 sm in 4 Std.,<br />

Kurs S.“ Bei diesem Wetter machte<br />

selbst die große POTOSI kaum Fahrt,<br />

sie lag quasi beigedreht. Trotzdem<br />

gelang es mit dem Fünfmaster schon<br />

auf dieser Jungfernreise unter Hil-<br />

gendorf, die Strecke England–Chile<br />

FOTO // ARCHIV EDITION MARITIM<br />

FOTO // N. KRAUSS<br />

in 65 Tagen zurückzulegen. 80 bis<br />

90 Tage waren dam<strong>als</strong> gute Werte.<br />

Hilgendorf nutzte <strong>als</strong> einer der Ersten<br />

die von Maury angeregten Segelan-<br />

weisungen. Er wusste in etwa, wann<br />

und wo mit welchem Wetter zu<br />

rechnen und welches der beste Kurs<br />

zu einer bestimmten Jahreszeit war.<br />

Und er trug mit seinen eigenen Auf-<br />

zeichnungen zur wissenschaftlichen<br />

Auswertung bei. Bei Kap Hoorn nutzte<br />

dieses Wissen allerdings wenig: Dort<br />

war das Wetter durchge-<br />

hend unerfreulich.<br />

Wie hart die Kap-Hoorn-<br />

Fahrt westwärts dam<strong>als</strong><br />

war, davon geben die<br />

Daten des Hamburger<br />

Vollschiffs SUSANNA ei-<br />

nen kleinen Einblick. Das<br />

Logbuch führten, an drei<br />

aufeinanderfolgenden<br />

Tagen im August 1906,<br />

der Zweite Offizier A. Bansen und<br />

der Dritte, H. Schmülsch. „26. August,<br />

4 h, 54° S, Wind Südwest 6, unste-<br />

tiger Wind, 8 h, Südwest 6–9, böig,<br />

Staaten Island in Sicht, sehr unstetig,<br />

böig, Mittag Süd 9–3, abflauend, 4 h,<br />

West 5–10, Wind schnell zum hefti-<br />

gen Sturm, 8 h, West/Nordwest 5–11,<br />

böig, anhaltendes Schneegestöber,<br />

Mitternacht, Südwest 5–11, zeitweilig<br />

orkanartige Schneeböen.“<br />

FOTO // ARCHIV EDITION MARITIM<br />

FOTO // ARCHIV<br />

Die schnelle Fünfmastbark POTOSI (oben unter vollen Segeln) setzte<br />

Maßstäbe in Zuverlässigkeit. Das Vollschiff SUSANNA (unten)<br />

setzte sie in Zähigkeit – mit einer der bru t<strong>als</strong>ten Reisen überhaupt.<br />

„27. August, 4 h, West<br />

5–8, Wind an Stärke<br />

abnehmend, 8 h, desglei-<br />

chen, Mittag, West 5–6,<br />

böige, unstete Brise, 4<br />

h, West 3–2, flau und<br />

unstetig, 8 h, SSW 2–1,<br />

Wind südlich holend,<br />

Mitternacht Süd 1–3,<br />

desgleichen.“<br />

„28. August, 4 h, Nord-<br />

west 1–4, Mallung, 3 h<br />

westl. Zug, 8 h, Nordwest 4–8, Wind an Stärke beständig zuneh-<br />

mend, Mittag, West 8–11, schnell aufeinander folgende Schnee-<br />

und Hagelböen, Wind zu heftigem Sturm anwachsend, 4 h, West<br />

11–12, Orkan, südlich holend, 8 h, Südwest 12–6, Sturm, an Stärke<br />

abnehmend, Mitternacht, Südwest 4–9, zeitweise flau, dann hef-<br />

tige Hagelböen, sehr unstete Witterung.“<br />

„29. August, 4 h, West 6–9, sehr unbeständig, 8 h, Nordwest<br />

9–10. Grobe See, stürmischer Wind an Stärke beständig zuneh-<br />

mend, Mittag, Südwest 11–12, heftiger Sturm, aufgebrachte See,<br />

4 h, Südwest 11–8, Ende der Wache handlicher werdend, 8 h, Süd-<br />

west 8–10, Wind sehr unstetig in Richtung u. Stärke, Mitternacht,<br />

West 10–9, desgl., hohe SW-Dünung, grobe unregelmäßige See.“<br />

Mehr <strong>als</strong> drei Monate lang versuchte Kapitän Jürgens, sein Schiff<br />

um Kap Hoorn zu zwingen. Es war die schlimmste Reise, die<br />

jem<strong>als</strong> dokumentiert wurde.<br />

Ein Gesetz zum Führen eines Logbuchs gibt es in<br />

der Sportschifffahrt nicht. Als aber in den 1920er-<br />

Jahren das Fahrtensegeln auf Yachten begann,<br />

wurde selbstverständlich Fahrtenbuch geführt.<br />

Es war vor allem Ausweis für die sportliche Leis-<br />

tung einer Reise in andere Länder. Hans Domizlaff<br />

mit seiner Yawl DIRK II gehörte zu den Pionieren,<br />

führte überaus genau Logbuch, wusste aber auch<br />

Zeitgeschichtliches unterzubringen. Am 28. Juni<br />

1929 liegt die DIRK II in einem norwegischen Fjord:<br />

„Wir hörten nachts (bis 4.30 h) Kampfbericht<br />

Schmeling–Paolino aus New York. Glatter Sieg<br />

Schmelings 9:3. Herrliches Wetter.“<br />

25<br />

Als in den 1920er-<br />

Jahren das Fahrtensegeln<br />

auf Yachten begann,<br />

wurde selbstverständlich<br />

Fahrtenbuch geführt.


Zur gleichen Zeit war der Kutter KONG BELE<br />

von Erich M. Warburg in der Ostsee unterwegs,<br />

die Logbücher voller Lebensfreude und Übermut.<br />

„11. Mai 1935. Die Wismar Einfahrt, schwach an<br />

Feuern/ist nachts nicht einfach anzusteuern/so<br />

lang auf Dalben Köpfe stehn/ist alles noch mi-<br />

tanzusehn/doch später selbst die Alten stocken/<br />

ein Ruck: der Bele hoch und trocken! (11 p.m.<br />

Windstärke 5).“ An anderer Stelle liest man: „Als<br />

einer der größten Fehler hat sich immer das ‚sich<br />

verlieren im Detail’ erwiesen. Infolgedessen wur-<br />

de in diesem Jahr – selbst in den schwierigsten<br />

Schären-Gebieten – nicht nach Seekarten navi-<br />

giert, sondern nur nach Wetterkarten. Die Wind-<br />

richtungen sind praktisch eingezeichnet (3 Fahnen<br />

bedeutet Trysegel).“ Im Sommer 1938 wechseln die<br />

Eintragungen vom Deutschen ins Englische. Die jü-<br />

dische Familie Warburg hatte ihre Heimat verlassen<br />

müssen, die KONG BELE lag nun in Schweden.<br />

FOTO // YACHT/B. ANDERSCH<br />

FOTO // YACHT/B. ANDERSCH<br />

In den Logbüchern des Kutters, der bis 1938 den Namen KÖNIG BELE trug, finden<br />

sich neben den Reiseberichten humorvolle Kollagen und Zeichnungen. Mädchen<br />

und gutes Essen waren nicht weniger wichtig <strong>als</strong> gute Navigation.<br />

FOTO // YACHT/M.-S. KREPLIN<br />

KONG BELE ist der Name<br />

eines 1879 in Kopenhagen<br />

gebauten Zollkutters, der<br />

sich seit 1929 im Besitz der Hambur-<br />

ger Bankiersfamilie Warburg befin-<br />

det. Auf den Sommerreisen nach<br />

Skandinavien entstanden Logbücher<br />

ohne navigatorische Details, aber<br />

mit launigen Reisebeschreibungen<br />

und voller Humor.<br />

Am 8. August 1934 lautet der Ein-<br />

trag: „Der letzte Tag! Der Nachge-<br />

schmack + die Erinnerung soll nichts<br />

<strong>als</strong> Sonne sein, die tatsächlich schon<br />

um 5 h beim Pyjamastart wie ein<br />

feuerroter Ball am Himmel steht.“<br />

121 Jahre alt und in bester<br />

Verfassung: die KONG BELE<br />

8. Juni 1935, Fehmarnsund: „Ganz<br />

üble Hagel- und Gewitterböen bis<br />

Stärke 9 voraus. Lassen unsere üb-<br />

lichen Plätze Bagenkop und Marstal<br />

aus und laufen unter Motor schleu-<br />

nigst Ort auf Fehmarn an. Ohne<br />

Segel lag Bele fast mit der Reling im<br />

Wasser, ein gewaltiger Sturm. Ein<br />

Abendspaziergang im Regen, unter-<br />

brochen durch ein schwimmendes<br />

Mädchen, bei dem wir vergeblich<br />

liebreiche Züge mit dem Fernglas<br />

festzustellen suchten.“<br />

KONG BELE<br />

und die fröhlichen<br />

Reisebeschreibungen<br />

FOTO // YACHT/B. ANDERSCH<br />

1. Mai 1936, Travemünde: „Trink niem<strong>als</strong><br />

Wasser muss das Motto der Hinreise<br />

gewesen sein. Denn die Alkoholbestän-<br />

de waren geradezu trostlos. Z. B. 1 (in<br />

Worten: eine) Flasche Weißwein!“ So<br />

gesehen war das Logbuch der BELE<br />

sehr modern, denn so lebensfroh fah-<br />

ren viele Crews heute zur See.<br />

5. Mai 1935: „Ewig lebe/König Bele.“<br />

Der Wunsch ging in Erfüllung. Die<br />

KONG BELE segelt noch immer auf<br />

der Ostsee.<br />

27


Schlimbach-<br />

Preis für Peter von Danzig<br />

Kaum eine Yacht unter deut-<br />

scher Flagge hat eine so<br />

imposante Streckenleistung<br />

erbracht wie die Yawl PETER VON<br />

DANZIG. Als PETER VON SEESTER-<br />

MÜHE loggt sie noch heute Tausende<br />

Seemeilen im Jahr. Gebaut wurde das<br />

17,90-Meter-Schiff aus U-Boot-Stahl<br />

für den Akademischen Segler-Verein<br />

zu Danzig zur Transatlantik-Regatta<br />

1936 von Bermuda nach Cuxhaven.<br />

1962 führte Schiffer Peter Gottwald<br />

den PETER rund Island und wurde<br />

erstm<strong>als</strong> mit dem Schlimbach-Kro-<br />

nenkompass ausgezeichnet. Zwei<br />

weitere Schlimbach-Preise folgten.<br />

Nur noch lose Blätter: das Logbuch des PETER VON DANZIG 1936<br />

In Gottlobs Island-Bericht für die<br />

Schlimbach-Chronik heißt es: „Am 28.<br />

Juli ging ‚Peter von Danzig‘ nach ei-<br />

nem Schlepp durch den Nord-Ostsee-<br />

Kanal wohl ausgerüstet von Bruns-<br />

FOTO // YACHT-ARCHIV<br />

büttelkoog aus in See. Nach 10 Tagen<br />

kamen die Eisberge von Island in Sicht.<br />

Es dauerte aber noch zwei Tage, bis<br />

wir in Reykjavik, am 10. August, ein-<br />

laufen konnten. Am folgenden Tag lief<br />

das Fischereischutzboot ‚Poseidon‘ in<br />

Reykjavik ein und ‚Peter‘ ging sogleich<br />

längsseits. Am nächsten Tag liefen wir<br />

zur Umrundung der Insel aus.“<br />

Mit welchen Unbilden sich die Na-<br />

vigatoren seinerzeit plagten, davon<br />

gibt der Bericht ein beredtes Zeug-<br />

nis: „Die Navigation war schwierig,<br />

denn es herrschte unsichere Miss-<br />

weisung. Die wenigen Leuchtfeuer<br />

verschwanden im Nebel.“ Und mit<br />

welchem stolzen Gefühl die Segler<br />

dam<strong>als</strong> heimkehrten, lässt sich eben-<br />

falls leicht erahnen: „Am 3. Septem-<br />

ber, nach 32 Tagen auf See und sechs<br />

Hafentagen, waren wir froh, wieder<br />

zu Hause zu sein, und traurig, dass<br />

diese schöne Reise zu Ende war.“<br />

Was in den dürren Worten des Schif-<br />

fers erzählt wird, war eine bravourö-<br />

se Leistung, von denen der PETER<br />

noch eine ganze Reihe vollbringen<br />

sollte. 1973 etwa, <strong>als</strong> die Yawl an<br />

der ersten Whitbread-Weltregatta<br />

teilnahm. Unter dem heutigen Eigner<br />

Christoph von Reibnitz wird ihre Ge-<br />

schichte in den Logbüchern weiter-<br />

geschrieben.<br />

Nur noch lose Blätter:<br />

das Logbuch des PETER<br />

VON DANZIG 1936<br />

FOTO // N. KRAUSS<br />

Mit dem Abstand von<br />

Jahrzehnten werden<br />

aus Logbüchern<br />

Erinnerungsstücke.<br />

Mit dem Abstand von Jahrzehnten werden aus<br />

Logbüchern Erinnerungsstücke. Das Tagebuch<br />

des PETER VON DANZIG, geschrieben während<br />

der Transatlantik-Regatta 1936 von Bermuda nach<br />

Cuxhaven, besteht inzwischen nur noch aus losen,<br />

zerlesenen Blättern. Als die neunköpfige Crew<br />

noch lebte, wurde das Buch untereinander her-<br />

umgereicht und im Krieg zum Schutz vergraben.<br />

Als mit Günther Vettin der<br />

Letzte der PETER-Männer<br />

starb, ging das Vermächt-<br />

nis an den Kieler ASV-<br />

Vereinskameraden Hans<br />

Heinrich von Maydell. Er<br />

wacht über den Schatz<br />

wie Alberich über den Ni-<br />

belungenhort.<br />

Das Logbuch in seiner schönsten Form<br />

erzählt von Sturm und Wellen, von<br />

Pflicht und Freude, von Leben und Un-<br />

tergang – fast wie die Bibel selbst.<br />

Matthew<br />

F. Maury<br />

Der Vater<br />

aller<br />

Logbücher<br />

Der US-Seeoffizier<br />

Matthew Fontaine<br />

Maury (1806–1873)<br />

erkannte die Bedeu-<br />

tung von Schiffs-<br />

journalen <strong>als</strong> Erster. Als Folge einer<br />

Knieverletzung hatte er den Dienst<br />

an Bord quittieren müssen und wurde<br />

Leiter des Nautischen<br />

Observatoriums. Dort<br />

begann er, die im Archiv<br />

lagernden historischen<br />

Logbücher systema-<br />

tisch auszuwerten, um<br />

Wetter- und Strömungs-<br />

karten zu erstellen. Auch<br />

Beobachtungen über die<br />

bis dahin unbekannte<br />

Wanderung der Wale<br />

trug er in seine Karten ein. Als Erster<br />

fand Maury heraus, welche Wirkung<br />

der Golfstrom auf das Klima nimmt.<br />

FOTO // ARCHIV<br />

29<br />

[Logbücher]


[Wunderbar]<br />

1<br />

1 | WOOLPOWER<br />

Mit Merino-Frottee von Woolpower ist Frie-<br />

ren Schnee von gestern. Der perfekte Kälte-<br />

schutz: die Full Zip Jacket. Mit dem bewährten<br />

Wollfrottee aus zwei Drittel Merinowolle und<br />

einem Drittel Synthetikfasern schafft die Full<br />

Zip Jacket eine natürliche Wärme. Das Woll-<br />

frottee nimmt die Feuchtigkeit des Körpers<br />

auf und gibt sie nach außen ab. Die hoch-<br />

wertige Merinowolle ist selbstreinigend und<br />

kann bei Bedarf sogar bei 60 Grad gewaschen<br />

werden. Der Preis liegt bei 143,90 Euro.<br />

2 | SOUL YA 4<br />

Sex und Funky mit Mousse T: CD 1 trägt den<br />

Namen SEXY und kommt mit Songs von Grö-<br />

ßen wie Simply Red, Ziggy Marley, Aloe Blacc<br />

daher. Ein Album zum Chillen und Grooven. Die<br />

zweite CD FUNKY gibt Gas. Randy Crawford<br />

trifft auf Barry Manilows „Copacabana“ oder<br />

Quincy Jones' „Stomp“. Die Doppel-CD gibt es<br />

für 39,90 Euro auf www.wavemusic.de.<br />

3 | WESTE MUSTO HEATEX<br />

Wer bis dato Heizbeutel in seine Weste<br />

stopfte, wird seines Lebens wieder froh. Die<br />

2<br />

4 5 6<br />

Heatex-Weste von Musto sorgt mit beheiz-<br />

barem Rückenteil und beheizbaren Taschen<br />

für ein wohliges Gefühl. Über ein Bedienele-<br />

ment kann die Temperatur in vier Stufen<br />

eingeteilt werden. Einfach anschalten. Der<br />

Akku ist selbstverständlich wasserdicht. Der<br />

Preis liegt bei 199 Euro.<br />

4 | MAXI YACHT ROLEX CUP<br />

„GENTLEMEN-SEGELN“<br />

In einer Woche gegensätzlicher Bedingungen<br />

und Kurse, die von der Regattaleitung fest-<br />

gelegt wurden, gewannen die Mannschaften,<br />

die sich am besten auf die ständig wechseln-<br />

de Umgebung einstellen konnten. Das waren<br />

die beiden Teams von der RÁN 2 und der<br />

BELLA MENTE. Beide gewannen drei Rennen,<br />

nur lag BELLA MENTE in der Einzelplatz-<br />

wertung letztlich vor der RÁN 2. In der sehr<br />

heterogenen Maxi-Racing-Klasse lag Igor<br />

Simcics ESIMIT EUROPA 2 nach einer Woche<br />

auf Platz eins – mit an Bord: Jochen Schüman.<br />

Die Wally MAGIC CARPET 2 hatte vermutlich<br />

ihren letzten Auftritt auf dem Event, bevor<br />

der Eigner Owen-Jones mit einer neuen Wally<br />

Cento mit Namen MAGIC CARPET 3 wieder-<br />

kommt. Für ihn war es nach 2006 und 2008<br />

der dritte Gesamtsieg. Filip Balcaens 34,13<br />

Meter lange NILAYA hatte in der Supermaxi-<br />

Klasse für die größten Yachten kurzen<br />

Prozess gemacht.<br />

5 | GAASTRA GERMAN<br />

CLASSICS<br />

Bereits zum 24. Mal lud der Freundeskreis<br />

Klassischer Yachten mit Sponsor Gaastra in die<br />

Kieler Förde ein. 150 Yachten, vom stattlichen<br />

Zwölfer bis zur feinen Hansajolle, segelten bei<br />

Kaiserwetter um Ruhm und Ehre. Als besonde-<br />

res Highlight konnte die Regatta der „100-Jähri-<br />

gen“ gelten, an der, wie der Name es verrät, nur<br />

Yachten teilnehmen durften, die älter <strong>als</strong> 100<br />

Jahre sind. Als Hauptsponsor entwarf Gaastra<br />

wieder eine limitierte Polo-Edition.<br />

6 | PANERAI TRANSAT<br />

CLASSIQUE 2012<br />

Bei schwierigen Bedingungen mussten die<br />

Teilnehmer der Panerai Transat Classique ihr<br />

gesamtes Können aufbieten. Insbesondere<br />

galt es, das richtige Gleichgewicht zwischen<br />

kurzfristiger Geschwindigkeit und langfris-<br />

3 7<br />

tigem Durchhaltevermögen zu halten – eine<br />

besondere Herausforderung bei über 60<br />

Jahre alten Yachten. Am Ende sicherte sich die<br />

PERSEPHONE in korrigierter Zeit den Sieg. Der<br />

Startschuss zum zweiten Abschnitt fällt am<br />

25. Oktober 2012, wenn eine weitere Flottille<br />

klassischer Yachten von Saint-Tropez Kurs auf<br />

Cascais nimmt. Am 2. Dezember startet die ver-<br />

einigte Klassikerflotte dann zu ihrer Fahrt über<br />

den großen Teich. Ziel des transatlantischen<br />

Rennens ist Barbados, die Perle der Karibik.<br />

7 | NAUTISCHE INSTRUMENTE<br />

MÜHLE-GLASHÜTTE<br />

Zum zehnjährigen Jubiläum des S.A.R Rescue<br />

Timer kommt eine neues Modell: der S.A.R An-<br />

niversary Timer. Absolute Robustheit, höchste<br />

Präzision und beste Ablesbarkeit kennzeich-<br />

nen die Uhr. Bei zehn Windstärken und bis zu<br />

zehn Meter hohen Wellen sind das fast schon<br />

Grundvoraussetzungen. 44 Millimeter Durch-<br />

messer, verschraubtes Saphirglas sowie (auf<br />

Wunsch) eine stoßfeste DLC-Beschichtung,<br />

wasserdicht bis 100 Meter. Limitiert sind beide<br />

Auflagen auf 250 Stück. Die Preise liegen zwi-<br />

schen 1.790 und 1.890 Euro.<br />

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[Dominikanische Republik] 928<br />

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<strong>Sailing</strong>-<strong>Journal</strong>-Mitarbeiter <strong>als</strong> Model für die boot 2013 Zweiter Medien-Cup Berlin-Brandenburg<br />

„360°<br />

Wassersport erleben“ bekommt ein neues Gesicht.<br />

Frauen und Männer, die ihren Sport mit Leidenschaft<br />

und Können betreiben, stehen im Mittelpunkt der<br />

neuen Werbekampagne. Es sind keine Models, son-<br />

dern begeisterte Segler, Surfer, Taucher oder Motorbootfahrer, die im Alltag die unterschiedlichsten<br />

Berufe ausüben. So auch unser langjähriger Mitarbeiter Michael Walther, seines Zeichens kaufmänni-<br />

scher Angestellter und Profisegler – und ja, schreiben kann er auch. Und nun auch noch modeln. Für ihn<br />

keine große Herausforderung. Denn das Motto hieß beziehungsweise heißt: Authentizität. Das kann<br />

er. In der kommenden Ausgabe (Photo Issue) berichten wir ausführlich über die Fotoproduktion.<br />

TEAM SAILING JOURNAL BELEGTE ERSTEN PLATZ<br />

<strong>Journal</strong>isten segelten um Pokale – und für den guten Zweck<br />

28<br />

segelaffine <strong>Journal</strong>isten aus Berlin und Brandenburg, aufgeteilt in<br />

Vierercrews auf sieben Yachten, kämpften Anfang August bei dem<br />

zweiten Medien-Cup auf dem brandenburgischen Wolziger See um<br />

Plätze und Pokale. „Wir wollten nach dem guten Start im letzten Jahr<br />

noch mehr Medienvertreter auf das Wasser bringen“, sagen die Organisatoren Stefan<br />

Gerhard, Chefredakteur des Bootshandel-Magazins und Matt Müncheberg, Herausgeber<br />

des <strong>Sailing</strong> <strong>Journal</strong>. Bereits jetzt stehe fest, dass auch im nächsten Sommer wieder um<br />

den Medien-Cup Berlin-Brandenburg gesegelt werden wird, dann auf noch mehr Booten<br />

und mit noch mehr Teams aus weiteren Redaktionen.<br />

Mit zwei ersten Plätzen und einem zweiten Platz verwies das Team <strong>Sailing</strong> <strong>Journal</strong> unter<br />

Skipper Tino Laue aus Berlin nach drei Wettfahrten das Berliner Team <strong>Journal</strong>istenetage<br />

mit Skipperin Cornelia Gerlach und die Crew des Bootshandel-Magazins mit Skipper Mi-<br />

chael Krieg deutlich auf die Plätze. Gesegelt wurde auf Polyvalk-Kieljollen mit Gaffeltake-<br />

lung, die von der Kolberger Firma Teamgeist zur Verfügung gestellt wurden. Hauptpart-<br />

ner des Medien-Cups war erstm<strong>als</strong> die Hamburg Messe, Veranstalter der Internationalen<br />

Bootsmesse hanseboot vom 27. Oktober bis 4. November 2012. hanseboot-Projektleiterin<br />

Heike Schlimbach, die eigens für den Medien-Cup 2012 aus der Elbmetropole angereist<br />

war, zeigte sich beeindruckt von der Begeisterung der Hauptstadtjournalisten für den<br />

Segelsport – und vom Austragungsort in der brandenburgischen Seenlandschaft.<br />

Die Hälfte der Startgelder in Höhe von 20 Euro pro Segler geht <strong>als</strong> Spende an das Kinder-<br />

hospiz Sonnenhof, das von der Björn-Schulz-Stiftung für krebskranke und chronisch<br />

kranke sowie für schwerstkranke und unheilbar kranke Kinder, Jugendliche und junge<br />

Erwachsene und deren Familien unterhalten wird.<br />

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ZWISCHEN ATLANTIK<br />

UND KARIBIK<br />

Schrift & Bild Hans Mühlbauer & Gerlinde Neuhierl<br />

D ie Dominikanische Republik ist allgemein bekannt <strong>als</strong> die preiswerte<br />

All-inclusive-Karibik für sonnenhungrige Pauschalurlauber.<br />

Doch diese faszinierende Destination bietet weit mehr, besonders für Segler.<br />

37<br />

[Dominikanische Republik]


Am Ende der Lobby wartet an der Bar bereits<br />

Santiago Matas, hier von allen Santi genannt.<br />

Er wird mit uns auf seiner Yacht EZARO in den<br />

kom menden zwölf Tagen den Golf von Samana,<br />

den Nordosten des Landes, besegeln.<br />

Es ist schon dunkel während des Transfers<br />

vom Airport zum Ausgangshafen des Törns<br />

im bisherigen Segel-Niemandsland. Schade,<br />

denn so kriegen wir leider nichts mehr mit<br />

von der vorbeihuschenden Landschaft. Nur<br />

Musikfetzen donnern beim Passieren kurz aus<br />

den Bars entlang der Straße: S<strong>als</strong>a, Merengue<br />

und Bachata, die Musik der DomRep. Die offe-<br />

ne Eingangshalle des noblen Hotels Bannister<br />

öffnet sich gen Süden zum geschützten Ha-<br />

fenbecken der Marina Puerto Bahia. Am Ende<br />

der Lobby wartet an der Bar bereits Santiago<br />

Matas, hier von allen Santi genannt. Er wird<br />

mit uns auf seiner Yacht EZARO in den kom-<br />

menden zwölf Tagen den Golf von Samana,<br />

den Nordosten des Landes, besegeln und uns<br />

seine verwunschenen Ankerplätze und span-<br />

nendsten Häfen und Anlegestellen zeigen.<br />

Santiago, Eigner und Skipper der EZARO, ist<br />

schlank und drahtig, nicht allzu groß, sein<br />

kräftiger Händedruck zeugt von Charakter. Er<br />

trinkt meist Wasser oder Tee. Santi hat seit<br />

18 Jahren in keinem festen Haus geschlafen.<br />

Sein Zuhause ist sein Boot. Die EZARO ist<br />

eine Segelyacht vom Typ Puma 37. Die Mit-<br />

telcockpityacht ist 11,80 Meter lang, verfügt<br />

somit über eine geräumige Achterkabine, eine<br />

breite Einzelkabine mittschiffs und über eine<br />

zweite Doppelkabine im Bug. Der Holzausbau<br />

aus dunklen Hölzern macht Salon und Kabi-<br />

nen warm und gemütlich. Durch die vielen<br />

großen Luken ist das Schiffsinnere gut durch-<br />

lüftet. Und unter der Salondecke hängen prak-<br />

tische grobmaschige Netze für frische Früch-<br />

te und Gemüse. Bald trinken wir unser erstes<br />

„Presidente“, das hiesige leckere Bier – eiskalt<br />

und mit ein paar Eiskristallen in der Flasche,<br />

so wie es hier Brauch ist. Santi erzählt, dass<br />

er vor etwa zwei Jahren hier „hängengeblie-<br />

ben“ sei, denn es sei einfach „the best place in<br />

the world“. Die Samana Bay, so erklärt unser<br />

Skipper, hat eine Ausdehnung von etwa 30<br />

mal zehn Seemeilen, mit weiteren lohnenden<br />

Törnzielen nördlich und südlich davon. Das ist<br />

scheinbar nicht viel für meilenhungrige Seg-<br />

lercrews, aber dieses Revier ist durch behut-<br />

sames Erforschen seiner Schätze zu ersegeln.<br />

Halbwegs ausgeschlafen legen wir am kom-<br />

menden Morgen schon zeitig ab und verlas-<br />

sen die neue und moderne Marina Puerto<br />

Bahia, denn viel umfangreicher und deut-<br />

lich preiswerter <strong>als</strong> im Marinaladen werden<br />

wir in einem der größeren Supermärkte im<br />

benachbarten Hafen von Santa Barbara de<br />

Samana einkaufen. Östlich des vorgelager-<br />

ten Inselchens Cayo Vigia liegt die etwas ver-<br />

deckte Passage zu den Kaianlagen. Dort lie-<br />

gen allerdings Fischerboote, die Coast Guard<br />

EZARO Sanchez<br />

und Fähren, sodass Yachten nicht anlegen<br />

können. Diese legen sich karibik- und fahr-<br />

tenseglerüblich auf Reede, ankern dort und<br />

fahren mit dem Dingi an Land – wir auch.<br />

Santa Barbara ist ein schmuckes Städtchen<br />

mit vielerlei Einkaufsmöglichkeiten, dessen<br />

bunte Häuser und saubere Straßen vom<br />

guten Aus- und Einkommen der meisten<br />

Bewohner zeugen. Es gibt aber auch Armut.<br />

Nicht nur die oft illegal eingewanderten Hai-<br />

tianer haben kein ausreichendes Einkommen,<br />

auch so mancher Dominikaner verdient keine<br />

150 Dollar im Monat in den Plantagen oder Fa-<br />

briken. Und so kommt, was kommen muss: Am<br />

Parkplatz vor dem Supermarkt reißt urplötzlich<br />

ein Halbwüchsiger am H<strong>als</strong>kettchen und ent-<br />

schwindet samt goldenem Anhänger auf dem<br />

schon brummenden Moped seines Kumpanen.<br />

39


Die Reaktion der umstehenden einheimischen<br />

Passanten und Fahrer der Motoconchos ist<br />

imponierend: Sofort nehmen etwa zehn Leu-<br />

te laut schreiend die Verfol gung auf! Die bei-<br />

den Gauner allerdings sind samt Beute in der<br />

Menge verschwunden. Lektion (leider) gelernt:<br />

Keinen Schmuck tragen auf der Straße! Als<br />

Trostpflaster kaufen wir einige Tage später<br />

einen prächtigen Bernstein-Anhänger, Blue<br />

Amber, den es nur hier gibt und der hier in<br />

tiefen Grubenschächten geschürft wird.<br />

Das Motoconcho, das Motorrad-Taxi, ist das<br />

beliebteste Fortbewegungsmittel im Land. Für<br />

nur einen US-Dollar bringt der Fahrer den<br />

Fahrgast – es können auch mal zwei oder<br />

Sabana<br />

gar drei sein – zu einem beliebigen Ziel im<br />

Stadtgebiet. Die Motoconchos warten an jeder<br />

Straßenkreuzung auf Kundschaft. Jedenfalls<br />

sind nun Vorräte gebunkert und jetzt kann es<br />

richtig losgehen! Zur Einstimmung gönnen wir<br />

uns einen 20 Meilen langen Raumschotgang<br />

bis in die Nordwestecke der Samana Bay. Wir<br />

segeln mit dem leichten Passatwind zum Fi-<br />

scherdorf Sanchez, vor dessen für uns zu fla-<br />

chem Holzsteg wir dann vor Anker gehen. Wir<br />

genießen unseren Sundowner am Tresen eines<br />

Colmadon. So wird ein Laden genannt, der ne-<br />

ben Grundnahrungsmitteln und viel Getränken<br />

auch Musik (aus echt fetten Boxen) anbietet.<br />

In einem Colamado ohne „n“ gibt es zwar die-<br />

selben Waren, aber ohne Musik. Im Colmadon<br />

treffen sich gegen Abend die Männer zum Bier<br />

und die Frauen flanieren „rein zufällig“ öfter<br />

mal vorbei. Die Leute sind offen, nett und neu-<br />

gierig und sie fragen uns nach dem Woher und<br />

Wohin. Die Unterhaltung gestaltet sich etwas<br />

schwierig – die mitpeitschende S<strong>als</strong>amusik ist<br />

einfach zu laut für Tiefsinniges. Dafür geht sie<br />

in die Beine und so manches Tanzbein wird<br />

spontan und halb auf der Straße geschwun-<br />

gen. Nach leckerem Frischfisch mit Shrimps<br />

zum Dinner endet der erste Segeltag. San-<br />

ti bevorzugt übrigens das Colmadon mit „n“.<br />

Früh starten wir unseren ersten Ausflug<br />

ins Hinterland! Santi bleibt zurück an Bord,<br />

nachdem er uns zu einem Wagen samt Fah-<br />

rer verholfen hat. Überhaupt: So ein Insider<br />

an Bord ist äußerst praktisch! Er kennt die<br />

besten Plätze, weiß, wo gut gekocht wird, er<br />

kauft Lebensmittel nicht zu überhöhten Tou-<br />

ristenpreisen und er bleibt auch mal an Bord,<br />

wenn der Ankerplatz ein wenig unsicher ist.<br />

Der Straßenverkehr ist ... „ein wenig anders“<br />

<strong>als</strong> bei uns: Geschwindigkeitsbegrenzung gibt<br />

es nicht! Verkehrsregeln sind nicht zu erken-<br />

Bootstour zweier Fischer<br />

So ein Insider an Bord ist äußerst praktisch!<br />

Er kennt die bes ten Plätze, weiß, wo gut<br />

gekocht wird, und er kauft Lebensmittel nicht<br />

zu überhöhten Touristen preisen ...<br />

nen, gefahren wird meist auf der linken Spur, überholt wird links oder<br />

rechts, wie es gerade so passt, und Ampeln scheinen lediglich der Ver-<br />

schönerung der Kreuzungen zu dienen ... Wir fahren zum Wasserfall<br />

von El Limon, der inmitten der Berge liegt. Er befindet sich fernab aller<br />

Straßen in einer Schlucht, die nur über einen steinigen Weg auf dem<br />

Rücken von Pferden und Mulis zu erreichen ist. Ramona und Basilio<br />

warten schon auf uns mit ihren Tieren. Unsere beiden Guides tänzeln<br />

neben ihren unbeschlagenen Pferden ebenso trittsicher wie diese auf<br />

dem unglaublich felsigen Hohlweg durch den dichten Regenwald. Zu-<br />

vor muss ein Gebirgsbach mehrm<strong>als</strong> gequert werden. Schließlich führt<br />

ein rutschig-nasser Pfad hinunter zum Wasserfall, den die Besucher<br />

dann zu Fuß bezwingen müssen.<br />

Gut 50 Meter tief platscht<br />

das Wasser senkrecht hin-<br />

unter in ein fast kreisrun-<br />

des Naturbecken, in dem<br />

die Touristen nur zu gern<br />

ihre schweißverklebten<br />

Kör per kühlen. 15 US-<br />

Dollar für das Pferd, zehn<br />

Marlin<br />

US-Dollar für den Guide und 50 Pesos, <strong>als</strong>o etwa ein US-Dollar, für die<br />

Nationalparkgebühr sind nicht zu viel für das eindrucksvolle, zwei- bis<br />

dreistündige Erlebnis. Wer dann noch bei Ramona und Basilio lecker<br />

essen möchte, ist mit lediglich acht US-Dollar umfassend mit dabei.<br />

41


Wir fahren zum Wasserfall von El Limon, der<br />

inmitten der Berge liegt. Er befindet sich<br />

fernab aller Straßen in einer Schlucht, die nur<br />

über einen steinigen Weg auf dem Rücken<br />

von Pferden und Mulis zu erreichen ist.<br />

Unsere Ausflugsfahrt geht weiter zur Nord-<br />

küste der Insel, nach Las Terrenas. Dieser Ort<br />

wird sowohl von ausländischen Touristen <strong>als</strong><br />

auch von Hauptstadtbewohnern <strong>als</strong> Wochen-<br />

enddomizil vermehrt besucht. Trotzdem hat er<br />

sich seinen fast dörflichen Charme bewahrt,<br />

bietet aber von einfacher Küche bis hin zum<br />

Gourmetrestaurant jede Preisklasse, auch bei<br />

den Unterkünften. Unsere Restaurantempfeh-<br />

lung in einem schicken Haus im Koloni<strong>als</strong>til im<br />

Stadtzentrum: „Mi Corazon“ – und das mon-<br />

däne „El Porto“, das <strong>als</strong> gänzlich offene und<br />

pompöse Holzkonstruktion direkt am Strand<br />

steht. Für Segler ist die gesamte Nordküste<br />

der Dominikanischen Republik allerdings we-<br />

nig geeignet: Der frische Nordostpassat weht<br />

ungebremst und auflandig an die Küste, was<br />

zu recht hohem Wellengang führt. Wir ma-<br />

chen einen Bootsausflug mit einem Power-<br />

boot. Durch einen fast nicht sichtbaren, aber<br />

wenigstens mit einem Holzstock markierten<br />

Pass durch das Riff fahren wir hinaus und be-<br />

kommen sofort den Ozeanschwell zu spüren.<br />

Kurz darauf sind wir schon an der Klippe Cayo<br />

Limon, wo uns die an den Felsen hochsprit-<br />

zenden Wogen eindrucksvoll die Wasserkräfte<br />

aufzeigen. Moron Beach, ein einmalig schöner<br />

und halbwegs geschützter Badestrand, liegt<br />

gleich dahinter. Wir klettern aus dem Motor-<br />

boot ins hüfttiefe, knapp 30 Grad warme Was-<br />

ser und waten zum Strand, wo der diensteif-<br />

rige Veranstalter des Bootstrips ein Barbecue<br />

samt Beilagen und Sonnendach aufgebaut<br />

hat. (Manchmal hat ein wenig Dekadenz auch<br />

was sehr Angenehmes …)<br />

Nahe der schützenden Felswand liegen klei-<br />

ne Fischerboote am Strand. Handgeschla-<br />

gene Einbäume sind dabei, mit denen die<br />

Fischer hinausfahren, um mit Handangeln<br />

zu fischen oder auch mit der Harpune, aber<br />

ohne Atemgerät. Für uns gibt es Frischfisch<br />

und Krustentiere satt! Abends fallen wir<br />

müde vom vielen Schwitzen in die Koje. Wenn<br />

die Abenddämmerung beginnt, dann regen<br />

sich auch die klitzekleinen Mücken, auf man-<br />

chen Karibikinseln „No-see-me“ genannt. Sie<br />

beginnen ihre Stechattacken unbemerkt an<br />

nackten Menschenwaden. Erst am folgenden<br />

Tag jucken sie kräftig, noch tagelang.<br />

Die kommenden Tage werden wir in der völli-<br />

gen Abgeschiedenheit des Parque Nacional Los<br />

Haitisses verbringen, weshalb wir noch einige<br />

Lebensmittel bunkern und dann mit halbem<br />

Wind Richtung Süden und in die Einsamkeit<br />

segeln. Fast wie der berühmte James-Bond-<br />

Felsen in Thailand ragen die baumbewachse-<br />

nen Felsgiganten in den Himmel, unten he-<br />

rum metertief ausgehöhlt vom Meerwasser,<br />

oben bewohnt von den eleganten Fregattvö-<br />

geln und den Pelikanen, die beide hier auch<br />

ihre Nistplätze haben und diese lautstark<br />

verteidigen. Das ganze Gebiet ist übersät mit<br />

diesen pittoresken Felsformationen, teils <strong>als</strong><br />

eigenständige Inselchen, teils <strong>als</strong> Halbinseln,<br />

sodass sich enge Durchfahrten und rundum<br />

geschützte Ankerplätze in langer Folge ab-<br />

wechseln – die Kalksteinfelsen in der Bucht<br />

von Phang Nga oder die verwunschenen<br />

Eilande Mikronesiens können nicht schöner<br />

sein! Die Piraten früherer Jahrhunderte ha-<br />

ben sich hier versteckt. Auch wir verstecken<br />

uns für einige Tage vor der Zivilisation – mit<br />

allem Komfort einer gut ausgerüsteten Yacht.<br />

Wir beschäftigen uns mit Baden, Entspannen,<br />

Schnorcheln, Angeln und mit der Erkundung<br />

der Umgebung per Dingi. Eine Angelerlaubnis<br />

ist nicht nötig, wohl aber ein kleiner Betrag,<br />

quasi <strong>als</strong> Eintrittsgeld in den Nationalpark.<br />

Gastyachten sind selten in dieser Region.<br />

Rincon Beach<br />

Las Terrenas<br />

Nationalpark Los Haitisses, San Lorenzo<br />

El Limon<br />

Las Calderas<br />

43


Im östlichen Teil des Nationalparks, in der wei-<br />

ten, aber flachen Baia de San Lorenzo, erkun-<br />

den wir die vom Meer ausgewaschenen Höh-<br />

len, deren bekannteste die Höhle Cave of the<br />

Lion (Cueva de la Linea) mit alten Zeichnungen<br />

der Tainos, der indianischen Ureinwohner, ist.<br />

In dieser Bucht ist das Wasser sehr trübe, denn<br />

hier mündet der Rio Cayondo. Zwischen sei-<br />

nen mit Mangroven dicht bewachsenen Ufern<br />

fahren wir stromauf und kommen zu einer<br />

Bootsanlegestelle. Wir legen hier an und ge-<br />

hen, vorbei an ausgedehnten Reisfeldern, zur<br />

Ecolodge „Cano Hondo“. Hier können wir uns<br />

am kleinen Badeweiher, direkt unterhalb eines<br />

Wasserfalls, im frischen Süßwasser räkeln und<br />

im angrenzenden Restaurant „Don Clemente“<br />

wunderbar zu Mittag essen. Wir verholen uns<br />

die wenigen Meilen bis nach Sabana de la Mar,<br />

einem Dorf an der Südküste der Samana Bay,<br />

von dessen flachem Anleger täglich eine Per-<br />

sonenfähre nach Santa Barbara am Nordufer<br />

der Bucht ablegt. Von hier starten wir unse-<br />

ren zweiten Ausflug – diesmal zur Ost- und<br />

Südküste. Punta Cana ist wohl die bekannteste<br />

Region der Dominikanischen Republik – be-<br />

kannt durch die vielen All-inclusive-Resorts.<br />

Das neueste und zugleich größte Projekt heißt<br />

Cap Cana, benannt nach der dort wachsenden<br />

Canapalme. Hier gibt es Golfplätze, Ferien-<br />

wohnungen und millionenschwere Privatvillen,<br />

Hotels aller Kategorien, Restaurants, Einkaufs-<br />

zentren und: eine nagelneue Marina inmitten<br />

der „Fishing Lodge“, die einem mediterranen<br />

Hafenörtchen gleicht. Die Marina Cap Cana<br />

ist weitgehend fertiggestellt und verfügt über<br />

1.000 Liegeplätze für Yachten bis zu 55 Meter,<br />

teilweise direkt vor den zugehörigen Häusern.<br />

Ein- und Ausklarieren ist möglich. Der Ein-<br />

fahrtskanal durch das vorgelagerte Riff ist mit<br />

roten und grünen Tonnen gut bezeichnet. Aber<br />

Achtung! Hier, wie in der gesamten Karibik,<br />

liegen die Tonnen nach dem amerikanischen<br />

Betonnungssystem: Einlaufend liegt ROT an<br />

Steuerbord!!! Auch die Ostküste ist wegen der<br />

schon für die Nordküste genannten Argumente<br />

nur für geübte Segelcrews zu empfehlen.<br />

Boca Chica<br />

An der Playa Bavaro, die vor der Laguna Bavaro liegt, stellt das Ma-<br />

rinarium ein ökologisch eingebundenes Schnorchelprojekt dar, quasi<br />

ein Open-Air- und Swim-in-Aquarium: Schwimmen mit Ammenhai-<br />

en und Stachelrochen! Segler können ihr Boot in der Nähe ankern<br />

und ihr Ticket für den Bootsausflug (89 Dollar pro Person, von denen<br />

die Hälfte für Umweltschutz und Ausbildungsaktivitäten verwendet<br />

wird) am Strand holen. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn die<br />

riesigen Tiere auf Armlänge herankommen, aber sich dann unbeein-<br />

druckt trollen. Nun aber weiter über Land nach Süden. Unterwegs<br />

stoppen wir an der größten Zigarrenfabrik des Landes. Die kurze<br />

Führung durch die Hallen zeigt auf, mit wie viel Handarbeit jede ein-<br />

zelne Zigarre von den vielen Frauen und Mädchen kunstvoll in ihre<br />

endgültige Form gebracht wird. Hier werden edle Zigarren bekannter<br />

Marken hergestellt und in alle Welt verschifft.<br />

Geschützt vom Festland und von der wunderschönen Naturparkin-<br />

sel Saona gibt sich der Küstenort Bayahibe betont touristisch, denn<br />

von hier aus starten viele Segelkatamarane zu ihren Tagestörns. Hier<br />

beginnt auch das zweite lohnende Segelrevier der Dominikanischen<br />

Republik: die gut 250 geschützten Seemeilen der Südküste mit ih-<br />

ren vorgelagerten Inseln. Von der Marina von Casa de Campo aus,<br />

die erst kürzlich die Zahl der Liegeplätze hinter dem neuen Wellen-<br />

brecher um das Doppelte auf nunmehr 350 vergrößert hat, starten<br />

die meisten der Charter- und Mitsegeltörns. Hier finden inzwischen<br />

auch internationale Regattaereignisse statt. Jose Gonzalvo, der Ge-<br />

neraldirektor der Anlage und Frank Castillo, der sympathische Hafen-<br />

meister, helfen gern bei Versorgung, Papieren und der Bewältigung<br />

der sonstigen Regularien. Weiter westlich reihen sich lohnenswerte<br />

Ankerplätze und auch noch einige Marinas entlang der Küstenlinie.<br />

Unterwegs stoppen wir an der<br />

größten Zigarrenfabrik des Landes.<br />

45


Zigarrenfabrik in La Romana.<br />

47


[Dominikanische Republik]<br />

Casa di Campo<br />

Die Marina Zar Par bei Boca Chica ist der<br />

einzige reine Yachthafen, der sich nur um<br />

die Vermietung der Liegeplätze und nicht<br />

um die Vermarktung von rundum gelegenen<br />

Appartements und Villen bemüht. Frank Vir-<br />

gintino, der Autor des bislang einzigen und<br />

kostenlosen(!) Cruising-Guides über die Do-<br />

minikanische Republik, hat sie gegründet und<br />

arbeitet immer noch hier. Gleich nebenan liegt<br />

der elitäre Club Nautico de Santo Domingo,<br />

der im Juli 2012 die Weltmeisterschaft der<br />

Optimisten austrägt, aber Gastseglern kei-<br />

ne Liegeplätze gibt. Die rundum geschützte<br />

Las Calderas Bay, gut 100 Meilen westlich<br />

der Hauptstadt, bietet dem Fahrtensegler ei-<br />

nen geschützten Ankerplatz über glasklarem<br />

Wasser. Und vor dem kleinen Hotel „Salinas“<br />

verfügt die Steganlage über Strom- und Was-<br />

seranschlüsse. Hier lässt es sich abseits der<br />

Touristen sehr gut aushalten.<br />

Wir können an der Südküste leider nicht se-<br />

geln, denn es ist zu wenig Zeit, um gleich zwei<br />

Segelreviere bei einem einzigen Törn zu er-<br />

leben. Deshalb geht es mit dem Auto zurück<br />

zu unserer EZARO. Denn ein Highlight steht<br />

noch an: Rincon Beach – dem Vernehmen<br />

nach einer der fünf schönsten Strände der<br />

Welt! Der Passat spült uns um das hohe Cap<br />

Samana herum, hinein in die Rincon Bay. Wir<br />

lassen die Playa Colorado, einen vom vorgela-<br />

gerten Riff recht geschützten, aber nur tricky<br />

zu erreichenden Ankerplatz, an Backbord lie-<br />

gen und fädeln uns höchst langsam zwischen<br />

dem in der Karte eingezeichneten Riff und<br />

dem Festland hindurch zum Ankerplatz. Die-<br />

ser Pass ist nicht in den Karten verzeichnet,<br />

aber vorsichtig und per „Augapfelnavigation“<br />

gut passierbar. Wir ankern auf gut zwei Me-<br />

ter Wassertiefe vor einem der Traumstrände<br />

der Welt! Natürlich schwimmen wir ans Ufer<br />

hinüber und trinken an der Strandbar einen<br />

kräftigen Coco Loco, eine verrückte Kokos-<br />

nuss, die mit Kokoswasser, Würfeleis, Frucht-<br />

saft und natürlich mit heimischem braunem<br />

Rum angerührt wird. Wir gehen abschließend<br />

unseren letzten Segelschlag an: zurück zum<br />

Ausgangshafen – leider.<br />

Raumschots lassen wir die kleinen Buchten<br />

und Ankerplätze unbesucht an uns vorbeizie-<br />

hen. Einer geht noch: ein Badestopp vor dem<br />

wunderschönen Strand an der Westseite des<br />

Inselchens Cayo Levantado, wo schon der Pirat<br />

Bannister badete (angeblich). Warm ist das<br />

Wasser, heiß brennt die Sonne, eiskalt ist das<br />

Presidente ... wie praktisch jeden Tag. An die<br />

tropischen Temperaturen und an die hohe<br />

Luftfeuchtigkeit haben wir uns gerade ge-<br />

wöhnt, da müssen wir nach Hause. Die letzten<br />

vier unserer zurückgelegten 240 Seemeilen,<br />

bis zur Marina Puerto Bahia, verrinnen viel zu<br />

schnell. Ein letzter Manöverschluck noch an<br />

Bord, dann folgt der Abschied von Santi und<br />

unser Transfer zum Airport.<br />

FAZIT: Das Segeln in der Dominikanischen<br />

Republik birgt tatsächlich Suchtgefahr, wie<br />

Santi eingangs schon sagte. Allein der rie-<br />

sige Nationalpark mit seinen Buchten. Die<br />

Nord- und Ostküste sind für Charterer we-<br />

gen der rauen See nur mit Mühe zu er-<br />

schließen. Aber die Samana Bay sowie die<br />

Südküste eignen sich prima für kürzere<br />

und längere Törns. Ein ortskundiger Skip-<br />

per ist ideal beim Auffinden versteckter<br />

Orte, beim kostengünstigen Einkaufen in<br />

lokalen Geschäften und einfach <strong>als</strong> Beruhi-<br />

gung bei Landausflügen und bei kniffeligen<br />

und ungewohnten Riffpassagen.


[MOD70 European Tour]<br />

DIE FÖRDE<br />

FLIEGT. EIN BLICK AUFS<br />

BODENPERSONAL.<br />

Durch die höhere Platzierung der Querträger wird das Eintauchverhalten der Rümpfe verbessert, was bei<br />

Flachwasser wie hier in Kiel keine sonderlich große Rolle spielt. Bei 14 Knoten Wind kommt der Mittelrumpf<br />

aus dem Wasser, bei 25 Knoten soll man sich angeblich immer noch recht wohl an Bord fühlen.<br />

Wie las ich unlängst in einer renommierten<br />

Sonntagszeitung? „Kiel kann sich auf etwas<br />

gefasst machen.“ Von Flugtagen war da<br />

überschwänglich die Rede. Was ist <strong>als</strong>o dran<br />

an den knapp 22 Meter langen fliegenden<br />

Booten? An seglerischem Übermut wie<br />

dem MOD70 Cup? An einem Event, dessen<br />

Anfänge mehr <strong>als</strong> Jahr zurückliegen.<br />

Viel. Und vor allem geduldige Monate,<br />

Wochen, Tage für die Veranstalter. Nach<br />

Nokia Oops Cup (Orma-60-Fuß-Tris) sowie<br />

Extreme-40-Veranstaltungen (40-Fuß-Kats)<br />

in den vergangenen Jahren folgen nun die<br />

70-Fuß-Trimarane. Allen gemeinsam ist der<br />

Veranstalter, die Kiel Marketing GmbH – eine<br />

100-prozentige Tochter der Landeshauptstadt<br />

Kiel. Kleiner Exkurs: Hier in Kiel wird Segeln<br />

jedem Schulkind ins Erziehungsstammbuch<br />

geschrieben. Am liebsten in Großbuchstaben.<br />

Mit Erfolg. Jedes Jahr segeln den Sommer<br />

über im Camp 24/7 an der Kiellinie (ja,<br />

genau da, wo der MOD70 Cup stattfindet)<br />

rund 6.000 Kinder in ihr maritimes Glück.<br />

Für seglerischen Nachwuchs ist man an der<br />

Kieler Förde <strong>als</strong>o bestens gerüstet.<br />

Schrift & Bild Tom Körber<br />

53


Der Schwimmponton wiegt rund 1.000 Tonnen. Er besteht aus<br />

hohlen Betonkammern, die durch Holzbohlen verstärkt sind.<br />

Er muss vom Seefischmarkt im Ostuferhafen per Schlepper<br />

mit 1.700 PS herübergebracht werden. Dafür bedarf es einer<br />

Sondergenehmigung vom Schifffahrtsamt.<br />

F<br />

ür alle anderen (sprich: Erwachsene und/oder Nichtsegler) gibt es Regatten von Welt. In<br />

diesem Jahr machte die Klasse der MOD70 (Multi One Design) ihre sportliche Aufwartung,<br />

gleichfalls <strong>als</strong> Auftaktveranstaltung für ihre Europatour, auf der Dublin, Cascais, Marseille<br />

und Genua folgen. Zurück zum Auftakt. Kiel sollte es <strong>als</strong>o nach den Wünschen der Schweizer<br />

sein. Nicht ohne Grund. Gilt Kiel doch <strong>als</strong> zuverlässiger Partner, was solche seglerischen<br />

Großbaustellen angeht. Die erste Kontaktaufnahme fand kurz vor der Kieler Woche 2011 statt,<br />

<strong>als</strong>o ein gutes Jahr vorher. Axel Bauerdorf (verantwortlicher Leiter) bekam die Anfrage, ob<br />

der MOD70-Tri RACE FOR WATER in die Kieler Woche eingebunden werden könne. Schnell<br />

wurde im ersten Gespräch deutlich, dass eine eigene Veranstaltung effektiver wäre <strong>als</strong> ein Einbinden<br />

in die Kieler Woche. Aber wann? Bald waren sich Kieler und Lausanner einig: Die Auftaktveranstaltung<br />

sollte es sein. Viel Aufmerksamkeit für die Stadt und großes Medienecho für die Schweizer.<br />

Nach der Kieler Woche 2011 begannen die Vertragsverhandlungen. Genügend Zeit ist essenziell<br />

bei solchen Großprojekten. Beide Seiten haben Wünsche, Vorstellungen, Forderungen, die sie<br />

durchgesetzt wissen möchten. Aber ohne das Gesicht zu verlieren beziehungsweise zu viele<br />

Kompromisse machen zu müssen. Darauf läuft es jedoch hinaus. Kompromisse. Erinnert an poli-<br />

tische Koalitionsverhandlungen. Die mögen vielleicht weitreichender sein, aber keinesfalls spekta-<br />

kulärer. Die Verhandlungsdelegation unter der Führung von Axel Bauerdorf verhandelte aufgrund<br />

jahrelanger Erfahrung vorangegangener Events hart, aber fair und konnte letztlich viele ihrer<br />

Forderungen durchsetzen. Was, bleibt selbstverständlich geheim. Nicht aber das Wie.<br />

Zwischen 200 und 250 Gerichte verkauft Carlos Franco pro Tag.<br />

Von Gemüsepfannen über Scampi bis zur Pasta – alles frisch und<br />

mediterran. Den passenden Wein gibt es gleich dazu. Insgesamt<br />

sind 15 verschiedene Cateringfirmen auf dem Event präsent.<br />

Wasserwacht und DLRG sind mit circa 20 Rettungskräften<br />

den ganzen Tag vor Ort. In jeweils<br />

zwei Booten sitzen drei Mann. An Land ist das DRK<br />

(Deutsche Rote Kreuz) mit 13 Helfern vertreten.<br />

55<br />

Sicherheitsmeeting mit allen Beteiligten. Skipper, Crew, freiwillige<br />

Helfer, Orga-Team, Race Director, Pressesprecher, Veranstalter und<br />

Sicherheitskräfte besprechen den gesamten Ablauf, den ausgelegten<br />

Kurs, wer für wen bei welchen Problemen Ansprechpartner ist.


AXEL<br />

INTER<br />

BAUER-<br />

DORF IM<br />

Wie laufen solche Verhandlungen ab? Grund-<br />

sätzlich wird erst einmal die Idee dahinter vorge-<br />

stellt, in dem Fall die European Tour. Sie führt von<br />

Nord nach Süd (von der Ost- und Nordsee ins Mittelmeer). Als wir vor der Kieler Woche 2011<br />

mit MOD sprachen, liefen zu diesem Zeitpunkt noch Gespräche mit skandinavischen Städten.<br />

Nach dem ersten Kennenlernen wurde uns allen relativ schnell klar, dass es auf Kiel hinausläuft<br />

und wir einen idealen Standort für den Auftakt der Tour anbieten können. Das ist die eigentliche<br />

Grundlage für die anschließenden Verhandlungen. Es gibt Wünsche seitens des Veranstalters,<br />

es gibt Wünsche seitens der Stadt Kiel. Gemeinsam muss man am Ende einen Nenner finden,<br />

mit dem beiden Vertragsparteien gut leben können und der auch gemeinsam finanziert werden<br />

kann. Schließlich muss am Ende des Tages der Event bezahlt werden und alle sollen zufrieden<br />

sein. Das fängt bei kleinen Dingen an, wie viele Mitsegelmöglichkeiten zum Beispiel den Partnern<br />

für Sponsoren und Freunde bereitstehen. Und geht weiter damit, wie viel Werbefläche jeder<br />

Partner oder wir für die Marke KIEL.SAILNG CITY bekommen. Gibt es Namensrechte (in diesem<br />

Fall Betfair City Race), darf ich andere Sponsoren mit einbringen? Welche Kosten sind durch den<br />

Hauptveranstalter abgedeckt? Wo haben sie ihre Hauptpräsenz? Wie kann ich auf den Schiffen<br />

vertreten sein? Dürfen wir das Catering selbst vergeben? Das Ganze ist ein Geben und Nehmen.<br />

Letztlich freuen sich dann alle, wenn man sich geeinigt hat und am Ende alle glücklich sind. Al-<br />

lerdings dauern die Verhandlungen eigentlich bis zum letzten Tag der Veranstaltung oder sogar<br />

darüber hinaus. Obwohl alles im Vertrag geregelt ist, werden dann immer wieder einige Punkte<br />

unterschiedlich ausgelegt. Flexibilität ist hier das Stichwort.<br />

Sind solche Verträge notariell beglaubigt? Verträge müssen sein, damit überhaupt eine<br />

Grundlage vorhanden ist. Beglaubigt sind sie aber nicht. Allerdings sollte man immer flexi-<br />

bel sein, weil sich unter Umständen die Gegebenheiten verändern. Vielleicht ist aufseiten der<br />

Schweizer ein neuer Partner hinzugekommen, der eine Präsentationsfläche haben will? Oder<br />

das Sultanat Oman möchte auf einmal ein eigenes Zelt aufbauen? Muss alles neu verhandelt<br />

werden. Hier ist eine Offenheit für Veränderungen zwingend erforderlich, auch wenn es ver-<br />

traglich nicht vereinbart ist. Wir schaffen dann eine Fläche, die im eigentlichen Budget gar nicht<br />

vorgesehen war. Dafür möchten wir vielleicht mehr Banner aufhängen oder einem eigenen<br />

Partner mehr Platz verschaffen.<br />

VIEW.<br />

Für die finale Entscheidung war es in diesem Fall glücklicherweise so, dass wir den Vertrag mit<br />

MOD70 quasi zeitgleich mit dem des Hauptsponsors Betfair unterschrieben haben. Das war opti-<br />

mal. Wir haben Zug um Zug gearbeitet, um kein unnötiges Risiko einzugehen. So mussten wir keine<br />

Verpflichtungen mit einem Veranstalter eingehen, ohne einen Hauptsponsor zu haben, oder – noch<br />

schlechter – mit einem Hauptsponsor unterzeichnen, ohne eine Veranstaltung mit MOD zu haben.<br />

Mehrere 100 Meter Zaun werden bei einem großen Event wie diesem<br />

aufgestellt. Auch hier folgt der Aufbau einem genau festgelegten Aufbauplan.<br />

Fußgänger, Radfahrer und Besucher sollen sicher durch die<br />

Gasse geleitet werden, Fluchtwege müssen gekennzeichnet werden.<br />

Axel Bauerdorf<br />

Kiellinie im<br />

Bereich des<br />

VIP-Zeltes:<br />

1. vor dem Event,<br />

2. während<br />

des Aufbaus,<br />

3. während des<br />

Events<br />

Durch das asymmetrische Design des Oman-Zeltes ist schon bei der anfänglichen<br />

Planlage genaueste Ausrichtung geboten. Nach dem Aufblasen kann es<br />

nicht mehr bewegt werden. Ein Fehler hätte <strong>als</strong>o weitreichende Folgen. Zum<br />

Glück spielt das Wetter mit. Der Aufbau bei viel Wind wäre durchaus gefährlich.<br />

Zelt aufbauen, Böden einlegen, allein diese Arbeit nimmt mehrere Tage in<br />

Anspruch. Vor allem im VIP-Zelt gelten hohe Anforderungen. Die Sponsoren<br />

und ihre Gäste sollen sich wohlfühlen, und das fängt beim Teppich an und<br />

hört beim Essen auf. Aber dafür sind dann andere zuständig ...<br />

57<br />

„ICH WILL GAR NICHT WISSEN, WIE VIELE<br />

KABELBINDER WIR VERBRATEN HABEN.“


Für die Startschiffcrew heißt es indes: Business as usual. Startsequenzen<br />

runterzählen und starten. Da die knapp 22 Meter langen<br />

Monstertrimarane keine hautengen Manöver an der Starlinie fahren,<br />

sondern in respektvollem Abstand zueinander agieren, fallen Frühstartdisqualifizierungen<br />

und „Startnummernsuchaktionen“ weg.<br />

59


„ZUSCHAUER ZUFRIEDEN. STADT<br />

ZUFRIEDEN. SPONSOR ZUFRIEDEN.“<br />

Obwohl die Kiellinie <strong>als</strong> natürliche Tribüne perfekt ist,<br />

hat man auf der gebauten Tribüne einen außerordentlich<br />

guten Blick aufs Geschehen. An Land und aufs Wasser.<br />

Auch wenn die oberen Reihen mit fünf Euro kostenpflichtig<br />

sind, lohnt es sich. Ist nicht so voll wie unten.<br />

61


Wird <strong>als</strong>o um jede Fahne gekämpft? Grundsätzlich schon. Der Hauptsponsor Betfair erhält<br />

zum Beispiel zehn Banner à 2,50 Meter plus acht Flaggen, ein kleiner Partner dementsprechend<br />

weniger. Wir gehen dann zusammen über das Gelände und legen fest, wer wo wie viele Banner<br />

und/oder Flaggen aufhängen darf. Dafür gibt es einen Bannerplan, in dem alles genau einge-<br />

zeichnet ist. Da muss man schon ein bisschen „kämpfen“. Wer beispielsweise den Brückenkopf<br />

bekommt – eine prägnante Position, weil dort Startkomitee und Jury sitzen und dieser Ort<br />

dementsprechend im Mittelpunkt steht. Wenn ich den Veranstaltern diesen neuralgischen Punkt<br />

zugestehe, habe ich wiederum gute Karten, wenn es um meine Wünsche geht. Meistens habe<br />

ich immer noch einige Flächen in der Hinterhand, die zuvor nicht vorgesehen waren und die<br />

Entscheidungen bei anderen Anliegen wieder erleichtern.<br />

Es ist <strong>als</strong>o von Vorteil, sein Gelände zu kennen. Definitiv. Das ist wie beim Pokern.<br />

Man darf eben nie alle seine Karten auf einmal ausspielen. So weiß ich zum Beispiel,<br />

wie ich an der Kiellinie die Kaimauern branden kann, ohne dass es gegen den Vertrag<br />

verstößt. Aber das wird bei anderen lokalen Veranstaltern genauso sein. Das wissen<br />

auch die Veranstalter. Die haben dafür ihre eigenen Trümpfe.<br />

Wie ist das Team zusammengesetzt? Wir arbeiten mit einem sehr kleinen Team, das sind nur<br />

sechs Leute. Um es so effektiv wie möglich zu gestalten, ist eine genaue Struktur sehr wichtig.<br />

Geht es in die direkte Umsetzung vor Ort, kommen natürlich noch viele weitere Helfer dazu wie<br />

Zeltbauer, Zaunaufbauer und andere Dienstleister. Das können wir nicht alles allein machen.<br />

So kommen wir wohl auf über 100 Personen, die miteingebunden sind. Wir brauchen die frei-<br />

willigen Helfer an Land und auf dem Wasser gleichermaßen. Pro Tag (ohne Auf- und Abbau)<br />

brauchen wir circa 40 Leute. Plus etwa 20 aus dem Team von MOD70.<br />

Rund 60.000 Zuschauer fanden ihren<br />

Weg an die Kieler Förde. Nach anfänglich<br />

leichten bis mäßigen Winden am Freitag<br />

hatte es am Samstag aufgefrischt. Bei<br />

frischen, aber böigen Winden aus Süd<br />

schnalzten Segelkenner mit der Zunge.<br />

Bei uns im Team gibt es eine genaue Aufteilung. Neben den Verantwortlichen für Buchhaltung<br />

und Internet waren beispielsweise Christian und Jonathan stark involviert. Es gibt einen (in<br />

diesem Fall ich), der die Hauptverantwortung tragen muss, das entlastet zwar die anderen,<br />

aber ausfallen sollte der Kopf natürlich nicht unbedingt. Das alles kann nur erfolgreich sein,<br />

wenn man sich innerhalb des Teams zu 100 Prozent aufeinander verlassen kann und wir uns<br />

jederzeit gegenseitig helfen. Zudem ist für mich die Rückendeckung der Geschäftsführung<br />

unheimlich wichtig, die mir den Spielraum gewährt, der notwendig ist, um eine Veranstaltung<br />

dieser Art zum Erfolg zu bringen. Hier kann ich mich nur für das Vertrauen bedanken, dieser<br />

Freiraum ist sicherlich nicht in jedem Unternehmen selbstverständlich. Während der Veranstal-<br />

tung war Christian für den Landbereich zuständig und Jonathan bildete die Schnittstelle zum<br />

Race Officer. Zum Aufbau gab es an Land<br />

eine Unterteilung in Nord und Süd. So<br />

wusste jeder, was zu tun ist und wer für<br />

was verantwortlich ist. Ich kann nicht an<br />

allen Orten gleichzeitig sein, kann nicht<br />

alles jederzeit überwachen. Jeden Mor-<br />

gen gab es ein Briefing mit MOD, danach<br />

hatten wir unser internes Meeting, Chris-<br />

tian und Jonathan haben sich gemeinsam<br />

mit Ron wieder mit den freiwilligen Hel-<br />

fern zusammengesetzt. Ron ist zusätzlich<br />

auf dem Wasser für die Betonnung der<br />

Regatta zuständig. Die Belastung ist für<br />

alle enorm. Das schafften wir im Grunde<br />

nur, weil wir einen starken persönlichen<br />

Ehrgeiz haben und viel Herzblut reinste-<br />

cken. Klingt abgedroschen, aber es ist<br />

tatsächlich so: Wir identifizieren uns mit<br />

solchen Projekten besonders. Es ist nicht<br />

nur einfach ein Job.<br />

63<br />

Kiel ist eine ganz besondere<br />

Herausforderung, denn die Kurse<br />

auf der Innenförde sind für<br />

die Manöver der MOD70 sehr<br />

eng gelegt. Viel lieber lassen<br />

diese ihre guten sechs Tonnen<br />

Gewicht geradeaus laufen.


Die MOD70-Tris sind schnell. Sehr schnell. Genau dafür wurden sie konstruiert. Bei der Atlantik-<br />

überquerung von Brest nach New York beim Krys Ocean Race wurden im Mittel 30 Knoten Speed<br />

gemacht. Genau wie bei der QUEEN MARY in seligen Zeiten. Zügig, könnte man sagen. Der<br />

Einrumpfrekord der „Volvo Ocean Race“-Yacht ERICSSON 4 liegt bei 596,6 Meilen in 24 Stunden.<br />

Die MOD70 hämmern in 24 Stunden mehr <strong>als</strong> 700 Meilen aufs brettharte Meer.<br />

Als Nachfolger der fast schon legendären Orma 60 sollen die 70-Füßer für mehr<br />

Stabilität sorgen. Traurig sind die Erinnerungen an die Route de Rhum im Jahre<br />

2002, <strong>als</strong> von 15 Trimaranen nur drei das sichere Ziel erreichten. Die restlichen<br />

zwölf überschlugen und zerlegten sich. Nun die MOD70, die <strong>als</strong> Serienkonstruktion<br />

sicherer und planbarer daherkommen <strong>als</strong> die zickigen Orma-Einzelanfertigungen.<br />

Überschaubare und vor allem kalkulierbare Kosten sollen die Klasse, die in den in-<br />

ternationalen Regattazirkus wie Volvo Ocean Race, Vendée Globe, America’s Cup,<br />

Extreme 40 eingebunden werden soll, attraktiv machen. Ein Schnäppchen ist das<br />

Engagement im Vergleich zu anderen Kampagnen: Drei Millionen pro Jahr kostet<br />

der Speedspaß. Noch sind die drei Rümpfe fest in französischer Hand: Der „Profes-<br />

sor“ Michel Desjoyeaux auf FONCIA, Yann Guichard auf SPINDRIFT RACING oder<br />

Sebastian Josse auf ROTHSCHILD. Bis dato sind ein Brite und ein Amerikaner<br />

eher die Ausnahme. Doch das soll sich ändern, wenn es nach dem Willen von Ste-<br />

phane Kandler geht. Der Leiter des deutsch-französischen Projektes ALL4ONE in-<br />

teressiert sich für die MOD70. Der deutsche Profisegler Michi Müller (zweimaliger<br />

Teilnehmer des Volvo Ocean Race) segelte auf der OMAN SAIL und verletzte sich gleich im ersten<br />

Rennen am Bein. Den Rest der Veranstaltung musste er <strong>als</strong> Landratte verbringen. Kumpel Holger<br />

Lehning (Kiel) sprang <strong>als</strong> Ersatzmann ein. Fünf Boote sind in Kiel, ein sechstes liegt momentan<br />

still und sucht nach einem Sponsor. Den hat der siebte Tri inzwischen gefunden – mit Jean-Pierre<br />

Dick <strong>als</strong> Skipper (eine weitere französische Legende).<br />

Wenn alle Tonnen liegen, fährt Ron Rademacher<br />

den Kurs noch einmal ab, kontrolliert die jeweilige<br />

Lage und gibt zum Schluss die Freigabe an die<br />

Wettfahrtleitung weiter. Der Sicherheitsbereich<br />

bleibt während der Regatta jeden Tag gleich. Für die<br />

Rennen liegt ein Nord-Süd-Kurs aus, der einfach<br />

der Förde folgt. Bei der Wettfahrtleiterbesprechung<br />

wird dann festgelegt, wie viele Runden gesegelt<br />

werden, das ändert sich je nach Windstärke.<br />

Rons Job ist es, den Sicherheitsbereich auf der Kieler<br />

Förde abzugrenzen. Die meisten Tonnen werden<br />

mittels vorher genau festgelegten GPS-Daten<br />

ausgelegt, andere in der Peilung von vorhandenen<br />

Seezeichen. Das sind feste Koordinaten, die von<br />

der Hafenbehörde vorgegeben sind.<br />

10 Boote mit jeweils zwei Leuten stehen Ron zur Verfügung.<br />

Eingeteilt werden die Teams nach Anforderungen<br />

und Können. Schließlich sind viele freiwillige Helfer<br />

dabei, die zwar einen Sportbootführerschein, aber vielleicht<br />

wenig Erfahrung mit solchen Events haben. Dafür<br />

sind dann erfahrene Regattasegler mit im Team.<br />

65


Kommen wir noch einmal auf den Zeitplan zu sprechen: Wie läuft die Organisation<br />

eines solchen Events übers Jahr gesehen ab? Im ersten Quartal 2012 gab es auf der<br />

boot Düsseldorf die Pressekonferenz mit Vorstellung der Veranstaltung und Präsentation des<br />

Hauptsponsors. Nachdem wir schon Ende 2011 die erste Pressekonferenz im Kieler Yacht<br />

Club hatten, um die Veranstaltung und den neuen Hauptsponsor Betfair vorzustellen. Zurück<br />

in Kiel begannen im Februar die weiteren Schritte: Wir sprachen mit den Vereinen, deren In-<br />

frastrukturen wir nutzen wollten. Beispielsweise sollte im Ruderclub das Media Center und in<br />

der Marinejugend Platz fürs Race Office geschaffen werden. Es liefen die ersten Gespräche mit<br />

Wasserschutzpolizei, Hafenamt und Wasserschifffahrtsdirektion, um zu prüfen, unter welchen<br />

Auflagen diese Veranstaltung überhaupt durchführbar ist. Eine Regatta mit 70-Fuß -Tri maranen<br />

gab es zuvor noch nie auf der Kieler Förde. Nicht, dass wir am Ende einen Event an Land<br />

gezogen haben, der technisch gar nicht durchführbar ist. Natürlich hatten wir das vorher<br />

schon mal angesprochen und wussten, dass wir keinen größeren Probleme haben werden.<br />

Die Wasserschutzpolizei gibt ihr Statement ab, ob so was umsetzbar ist, ob das Regattagebiet<br />

abzusichern ist oder welche Anforderungen dafür nötig sind. Die Genehmigung kommt dann<br />

letztlich vom Hafenamt der Landeshauptstadt und dem Wasserschifffahrtsamt Nord in Lübeck.<br />

Die beiden genehmigen eine Regatta oder eben nicht.<br />

Zurück ins erste Quartal: Wir prüfen zu diesem Zeitpunkt beispielsweise, ob sich noch weite-<br />

re Sponsoren einbinden lassen. In diesem Fall war es so, dass sich das Format der Serie erst<br />

einmal weiterentwickeln musste. MOD (Multi One Design) stand noch am Anfang der Europa-<br />

tour. Alle wussten daher relativ wenig beziehungsweise es änderte sich einiges. Keiner wusste<br />

so richtig, was auf einen zukommt. Nicht unbedingt schlecht, denn so konnten wir noch ein<br />

bisschen Einfluss auf vieles nehmen, unsere Forderungen leichter durchsetzen. Bei einer fest-<br />

stehenden etablierten Tour ist das sicherlich schwieriger. Da heißt es oftm<strong>als</strong>: Friss oder stirb.<br />

Wir wissen genau, was den Standort Kiel ausmacht und was wir brauchen, um das Publikum an<br />

die Kiellinie zu locken. Im Grunde wird in dieser Zeit die Grundlage für den späteren Event ge-<br />

schaffen. Wir müssen bis dahin zum Beispiel 80 bis 90 Prozent der Sponsorensumme akquiriert<br />

haben, auf der wir aufbauen können.<br />

Was würde beziehungsweise müsste geschehen, damit eine Regatta nicht zugelassen<br />

würde? Als Erstes müsste zum selben Zeitpunkt auf dem Wasser eine andere Regatta oder<br />

an Land eine andere Veranstaltung stattfinden (das haben wir natürlich frühzeitig geklärt). Im<br />

Grunde hatten wir schon vor Vertragsunterzeichnung alles geklärt oder die Reservierungen<br />

gemacht. Ansonsten wäre das fatal, wenn man Verträge unterschreibt, bevor man die Flächen<br />

zur Verfügung gestellt bekommt. Dabei ist die jahrelange Erfahrung sicherlich hilfreich. Die<br />

genehmigenden Behörden wissen, dass sie sich auf uns verlassen können. Allerdings müssen<br />

wir uns gegenüber der kommerziellen Schifffahrt flexibel zeigen, Fähren und Kreuzfahrer haben<br />

<strong>als</strong>o Vorrang vor der Regatta. Mit den kleinen Fördefähren der SFK haben wir eine Vereinbarung,<br />

dass wir uns aufeinander abstimmen. Die warten sicherlich auch mal ein, zwei Minuten, wenn<br />

das Feld gerade durchrauscht, aber sie wollen ungern auf ihren Fahrplan verzichten. In der<br />

Regel klappt das aber hervorragend.<br />

69<br />

20 Absicherungstonnen umschließen das Regattagebiet. Andere Boote sollen so außerhalb<br />

des Kurses bleiben. Nur auf der Westseite (<strong>als</strong>o an der Kiellinie) ist ein Korridor frei<br />

geblieben, in dem sich andere Boote bewegen dürfen. Das ist vor allem vor dem ersten<br />

Start wichtig, während sich noch alle sortieren. Wenn die 70-Füßer dichtholen, sollte kein<br />

anderes Boot – im wahrsten Sinne – im Weg stehen. Der ein oder andere Segler muss<br />

dann schon mal aus dem Startgebiet begleitet werden, bevor der Startschuss fallen kann.


Zweites Quartal 2012: Erstmalig waren wir auch für den VIP-Bereich zuständig. Der Deal<br />

war, dass wir für einen Großteil der Kosten aufkommen, im Gegenzug die Ausgestaltung stark<br />

mitbestimmen konnten. Von der Inneneinrichtung bis zum Essen. Nicht unwichtig, wie wir fin-<br />

den, denn Sponsoren und deren Gäste müssen sich wohlfühlen. Es ist auch die Zeit, in der die<br />

Verträge abgeschlossen werden, alle wichtigen Sachen bestellt werden, Beschallung, Technik,<br />

Kommentatoren. Wir fangen an, Anzeigen zu schalten, Kommunikationsmittel zu erstellen und<br />

auch zu nutzen. Aber es geht auch um solch profane Fragen wie: Welche Teams kommen über-<br />

haupt? Die Regattakurse müssen besprochen und festgelegt werden. Der Zeitplan des Aufbaus<br />

wird mit MOD <strong>als</strong> Veranstalter der Serie besprochen (Wo kommt was hin? Wie werden die Zelte<br />

positioniert?). Die Projektmanager kommen um diese Zeit (Ende Mai) noch einmal in die Stadt,<br />

sodass alles detailliert durchgesprochen werden kann. Zudem ist das die Zeit, zu der der Vertrag<br />

im Einzelnen durchgearbeitet wird. Sind alle Vertragsinhalte bisher beachtet worden, welche<br />

Punkte müssen noch einmal besprochen werden? Die Kieler Woche ist dann der Startpunkt, ab<br />

dem wir den Event stärker bewerben.<br />

Drittes Quartal 2012: Zu diesem Zeitpunkt beginnt die heiße<br />

Phase. Die geht ungefähr vier Wochen vorher los. Alles, was<br />

vorher theoretisch vor einem lag, muss nun praktisch umge-<br />

setzt werden. Hier heißt es in erste Linie den Zeitplan einhalten<br />

und auf den Punkt liefern. Wie ist der Strombedarf? Wo müs-<br />

sen Wasseranschlüsse gesetzt werden? Was brauchen die Ca-<br />

terer? Klappt der Zeltaufbau? Ist das Zelt ausreichend für die<br />

Windlastzone? Denn die Küste ist in Windlastzonen eingeteilt<br />

und je nachdem, in welcher Lastzone man sich befindet, muss das Zelt mit<br />

Gewichten beschwert werden. Zusätzlich wird eine Gefahrenanalyse von der<br />

Feuerwehr erstellt, die besagt: Es werden soundsoviele Zuschauer erwartet,<br />

man muss soundsoviele Rettungskräfte bereithalten. Danach werden die Auf-<br />

träge ans Rote Kreuz, die Wasserwacht und DLRG vergeben. Weitere Abspra-<br />

chen mit dem Ordnungsamt (Strom, Zeltbau etc.), der Feuerwehr (Fluchtwege)<br />

müssen getroffen werden. Da der Fußweg im VIP-Bereich mit Platten verlegt<br />

wurde, muss er abgenommen werden. All das muss spätestens vier Wochen<br />

vorher penibel geplant werden. Für den Zeitraum der Veranstaltung wird zum<br />

Beispiel die Kiellinie mit einem separaten Weg um den VIP-Bereich umgeleitet.<br />

„AM ENDE OPTIMAL<br />

UND DAMIT IDEAL.“<br />

Hier greift ein Rad in das andere. Die Toiletten müssen stehen, bevor die ersten Teams an-<br />

kommen. Der Schwimmponton muss aus dem Seefischmarkt herübergebracht werden. Der<br />

Hafenbereich vor dem Geomar muss eingerichtet werden. Ein Team ist überraschenderweise<br />

schon früher dagewesen – dafür brauchten wir noch schnell einen Liegeplatz. Wann werden<br />

welche Banner wo in der Stadt aufgehängt? Aufsteller müssen platziert werden. Bringen die<br />

Veranstalter ihre eigenen Banner mit? Falls nicht, müssen wir uns darum auch noch kümmern.<br />

Ein Wort zu den Kosten? Wir können glücklicherweise auf unseren Partner Betfair zurück-<br />

greifen, der die Hauptlast trägt, sodass es kaum eine direkte Belastung für die Stadt gibt.<br />

RANKING BETFAIR CITY RACE:<br />

1. FONCIA<br />

2. SPINDRIFT RACING<br />

3. GROUPE EDMOND DE ROTHSCHILD<br />

71<br />

[MOD70 European Tour]


[Werte]<br />

D es<br />

Der Seacart 26 ist ein extrem schnelles und manchmal sehr<br />

nasses Boot. Sogar der Mittelrumpf kommt aus dem Was-<br />

ser und bei 20 Knoten Bootsgeschwindigkeit fliegt die Gischt<br />

übers Boot wie aus Feuerwehrschläuchen. Da die Ostsee auch<br />

im Sommer nicht so richtig warm wird, ist es häufig auch ein<br />

echt kaltes Vergnügen. Wir navigieren durch die schwedischen<br />

Schären mit einem Handkartenplotter, den unser Navigator<br />

in seiner wasserdichten Ölzeughose mit sich trägt. Wir haben<br />

auch Velociteks an Bord, um permanent den Speed im Auge zu<br />

behalten. Positionslichter sowie die gesamte Elektronik wer-<br />

den von einer extrem leichten Batterie gespeist. Aber um unser<br />

momentanes Lieblingsschiff geht es hier gar nicht. Trotz all die-<br />

ser spannenden Dinge hat ein Ausrüstungsgegenstand in den<br />

vergangenen Monaten unsere Herzen besonders erobert:<br />

Wir segeln definitiv nur noch mit unseren Dubarry-Stiefeln mit<br />

dem legendären Namen „Shamrock“. Dieser Name leitet sich<br />

nur indirekt von dem irischen Wahrzeichen, dem dreiblättrigen<br />

Kleeblatt, ab. Dieses unauffällige Gewächs stand Pate bei der<br />

Mein Lieblingsstück<br />

Seglers Glück liegt so oft im Kleinen. Groß dagegen die Emotionen, groß die Erwartungen. Ans Boot, an die<br />

Technik und an die Klamotte. Es sind – wie immer – zwei Paar Schuhe, wie ein Produkt im Katalog präsentiert<br />

wird und wie es sich im Alltag schlägt beziehungsweise wie es nach Jahren ebendieses Alltages aussieht. Bei<br />

Segelbekleidung von Alltag zu sprechen, bedarf sicher der einen oder anderen Erklärung, um darzulegen,<br />

wie die Bekleidung strapaziert wurde. So manches Ölzeug bekommt vermutlich eher Mottenlöcher <strong>als</strong> Salzwasserfle-<br />

cken. Nicht so unser folgendes Lieblingsteil. Geschunden, beansprucht, kaputt, repariert – geschleppt bis zum Abwinken.<br />

Namensgebung der J-Klasse-Yacht SHAMROCK V und natür-<br />

lich ihren gleichnamigen Vorgängern des Eigners Sir Thomas<br />

Lipton. Was haben nun diese Stiefel mit diesen legendären<br />

Yachten gemeinsam?! Die J-Klasse-Yachten wurden für den<br />

America‘s Cup konstruiert, der heute nur noch wenig mit har-<br />

ter Offshore-Segelei zu tun hat. 1929 mussten die Yachten den<br />

Austragungsort noch auf eigenem Kiel erreichen und so wur-<br />

de die SHAMROCK über den Atlantik gesegelt. Und für genau<br />

diese Offshoretouren scheinen auch die heutigen Stiefel noch<br />

wie gemacht zu sein. Keiner von uns hatte bisher Feuchtigkeit<br />

in den Stiefeln, weder Ostseewasser noch größere Mengen<br />

Schweiß. Der große Glattlederanteil dieser Stiefel scheint in<br />

Kombination mit GoreTex und Verstärkungen durch Condura<br />

eine perfekte Kombination zu sein. Condura ist sehr strapa-<br />

zierfähig und nach dieser sehr harten Saison sehen die Stie-<br />

fel noch hervorragend aus. Durch die Gummizüge am Rand<br />

lassen sie sich, trotz meines hohen Spanns, verhältnismäßig<br />

leicht ausziehen. Halbschuhe lassen sich natürlich dennoch<br />

schneller an- und ausziehen – es bleiben eben Stiefel. Den-<br />

noch haben wir bei anderen Modellen zum Teil deutlich mehr<br />

Probleme gehabt. Neben der Passform ist natürlich der Halt<br />

der Schuhe an Bord extrem<br />

wichtig. Die Sohle der Du-<br />

barry Shamrock hat Wasser<br />

ableitende Riefen und bietet<br />

damit perfekten Halt.<br />

Für uns steht nach der Sai-<br />

son auf jeden Fall fest, dass<br />

wir mit diesen Stiefeln auch<br />

in die Wintersaison starten.<br />

WER SIND WIR?<br />

CALLE HENNIX (GRÜNDER DER SEACART-KLASSE, WHITBREAD-TEILNEHMER 1988/1989 UND AMERICA’S-<br />

CUP-TEILNEHMER 1992. GEWINNER DES ARCHIPELAGO RAID 2003 UND REKORDHALTER DER RUND<br />

GOTLAND MIDWINTER CHALLENGE 2006, 2007 UND 2008) SOWIE MARTIN STRÖMBERG (STEUERMANN<br />

GROUPAMA BEIM VOLVO OCEAN RACE 2011/2012).<br />

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[Wettkampf]<br />

Wie nah ist „zu nah“?<br />

Willii Gohl ist langjähriger internationaler Schiedsrichter des Weltseglerverbandes ISAF. Bei den 8mR-Yachten ist er genauso zu Hause<br />

wie bei den J 24 und den 420/470ern sowie im ISAF <strong>Sailing</strong> World Cup. Er ist Mitinhaber von <strong>Sailing</strong> Media, einem Unternehmen, das<br />

Seminare im Bereich Wettfahrtregeln und Taktik anbietet. Die deutschsprachige Ausgabe des Standardwerks „Wettfahrtregeln in der<br />

Praxis“ von Bryan Willis wurde von ihm bearbeitet, ebenso der „Regelbegleiter 2009-2012“!<br />

Unter diesem Titel haben vor einiger Zeit mein Freund Dick Rose (USA) und ich<br />

diskutiert, wann ein Boot eigentlich zu nah an einem anderen Boot ist. Einer<br />

der Hauptgründe, warum es Wettfahrtregeln gibt, ist darin zu suchen, dass das<br />

Risiko von Kollisionen und Schäden möglichst klein gehalten werden soll. Immer wieder<br />

werden Schiedsgerichte und Segler mit der Frage konfrontiert, ob genügend Raum gege-<br />

ben wurde oder ob sich ein Boot freigehalten hat, <strong>als</strong>o nicht „zu nah“ war.<br />

Wir wollen hier einmal die Frage „wie nah ist<br />

zu nah“ untersuchen, indem wir in spezifischen<br />

Situationen fragen, ob sich ein Boot freigehal-<br />

ten hat. Freihalten ist in den Wettfahrtregeln de-<br />

finiert und die Definition enthält zwei Kriterien:<br />

Das erste Kriterium gilt immer und besagt, dass<br />

sich ein Boot dann von einem anderen Boot<br />

freihält, wenn dieses seinen Kurs segeln kann,<br />

ohne Ausweichmaßnahmen ergreifen zu müs-<br />

sen; das zweite Kriterium gilt für Boote, die den<br />

Wind von der gleichen Seite haben und über-<br />

lappen. In diesem Fall muss das Leeboot seinen<br />

Kurs jederzeit in beide Richtungen ändern kön-<br />

nen, ohne dass es sofort zu einer Berührung<br />

der Boote kommt. Das erste Kriterium trifft<br />

auf viele Situationen zu, in denen ein Boot mit<br />

Wind von Steuerbord auf ein Boot mit Wind von<br />

Backbord trifft. Hier muss sich nach der Regel<br />

10 das Boot mit Wind von Backbord freihalten,<br />

es darf dem Boot mit Wind von Steuerbord<br />

nicht „zu nah“ kommen. In unserem Diagramm<br />

ist eine solche Situation dargestellt.<br />

Die hier dargestellte Situation hat sich bei ei-<br />

ner Regatta genauso zugetragen und später<br />

zu dem ISAF Case 88 geführt. Cases sind ver-<br />

bindliche Regelinterpretationen und müssen<br />

beachtet werden, gleichsam höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung. Folgendes passierte: Zwei<br />

24-Fuß-Kielboote (Blau und Gelb) segelten in<br />

einer Brise von zwölf bis 15 Knoten, es gab<br />

kaum Wellen. Gelb, das Wegerechtsboot, rief<br />

zweimal „Raum“, ein Mal <strong>als</strong> Blau noch etwa<br />

drei Längen entfernt war und ein zweites<br />

Mal, <strong>als</strong> die Entfernung noch etwa zwei Län-<br />

gen betrug. Blau reagierte zunächst nicht und<br />

Gelb befürchtete eine erhebliche Kollision. Es<br />

entschloss sich, zu luven. In diesem Moment<br />

legte Blau die Pinne hart nach Luv und begann<br />

abzufallen. Gelb bemerkte dies, legte eben-<br />

falls die Pinne nach Luv, um sein Heck vom<br />

Bug des blauen Bootes wegzudrehen und um<br />

nicht direkt vor Blau zu wenden. Eine Kollision<br />

wurde knapp vermieden. Als Blau hinter dem<br />

Heck von Gelb passierte, betrug der Abstand<br />

zwischen den Booten nicht mehr <strong>als</strong> etwa ei-<br />

nen halben Meter. Gelb protestierte gegen Blau<br />

nach Regel 10, weil sich Blau nicht freigehalten<br />

habe. Das Schiedsgericht verhandelte den Fall,<br />

stellte fest, dass es keine Berührung gab und<br />

wies den Protest ab. Begründung: „keine Re-<br />

gel verletzt“. Mit dieser Entscheidung war Gelb<br />

nicht einverstanden und legte Berufung ein. Die<br />

Entscheidung der (US-)Berufungskommission<br />

Schrift & Grafik Willii Gohl<br />

ist später der Case 88 geworden. Der Beru-<br />

fung wurde stattgegeben und Blau nachträglich<br />

disqualifiziert, weil die Berufungskommission,<br />

anders <strong>als</strong> das Schiedsgericht, zu dem Schluss<br />

kam, dass sich Blau nicht freigehalten hat, <strong>als</strong>o<br />

„zu nah“ war. Folgende Überlegungen führten<br />

die Kommission zu ihrem Urteil:<br />

1. Der Kollisionskurs der beiden Boote, weshalb<br />

mindestens eines seinen Kurs ändern musste.<br />

2. Die Entfernung zwischen den Booten, <strong>als</strong><br />

beide den Kurs änderten.<br />

3. Die verbleibende Zeit, bis es zu einer Be-<br />

rührung gekommen wäre. Im vorliegenden Fall<br />

wären es noch 1,5 bis 1,9 Sekunden gewesen.<br />

4. Die Größe der notwendigen Kursänderung<br />

und der Abstand, in dem das ausweichpflichtige<br />

Boot am Heck des Wegerechtsbootes passierte.<br />

5. Die Zeit, die jedes Boot für eine Kursände-<br />

rung benötigt.<br />

Wir können zwei Dinge festhalten: Die Aussage<br />

„nicht berührt, <strong>als</strong>o freigehalten, <strong>als</strong>o nicht zu<br />

nah“ stimmt nicht und eine feste Größe etwa<br />

in Zentimetern oder Sekunden gibt es auch<br />

nicht. Eines können wir aber festhalten: Immer<br />

wenn der Skipper des Wegerechtsbootes zu<br />

der Überzeugung gelangt, dass er jetzt etwas<br />

tun muss, um eine Kollision zu vermeiden, dann<br />

war das andere Boot „zu nah“.<br />

Wenden wir uns dem zweiten Kriterium zu, das<br />

weniger häufig auf der Regattabahn zu beob-<br />

achten ist. Es kommt dann zum Tragen, wenn<br />

zwei Boote mit dem Wind von der gleichen<br />

Seite segeln und nur ein sehr geringer seitli-<br />

cher Abstand zwischen ihnen ist. Diese Situ-<br />

ation entsteht hauptsächlich beim Start, wenn<br />

fast alle Boote mit Wind von Steuerbord sich<br />

an der Startlinie drängeln und das luvwärtige<br />

Boot dem leewärtigen sehr nahe kommt. Das Luvboot verletzt<br />

dann die Regel 11 (Lee vor Luv), wenn der Abstand zwischen<br />

den Booten so klein wird, dass jede Kursänderung des Leebootes,<br />

entweder nach Luv oder nach Lee zu einer sofortigen Berührung<br />

des Bootes in Luv führen wird. Das Luvboot hat sich dann nicht<br />

freigehalten, war <strong>als</strong>o „zu nah“.<br />

Wir sehen, dass Blau nicht abfallen kann, ohne sofort Gelb zu<br />

berühren, und Grün nicht luven kann, ohne eine Kollision mit<br />

Grau herbeizuführen. Das zweite Kriterium der Definition von<br />

Freihalten nutzt das Wort „sofort“, dies bedeutet „ohne jegliche<br />

Verzögerung“, „im gleichen Augenblick“. Das bedeutet anders<br />

herum, dass die Boote vor einer Kursänderung einander so nah<br />

sein müssen, dass sie sich fast schon berühren. Natürlich wird<br />

diese Entfernung, und auch alle beim ersten Kriterium erwähnten<br />

Entfernungen, abhängig sein von den Wetter- und Seegangsver-<br />

hältnissen, der Größe der Boote und ihrer aktuellen Geschwin-<br />

digkeit. So wird US <strong>Sailing</strong> in Kürze eine Berufungsentscheidung<br />

veröffentlichen, in der sich zwei 44-Fuß-Kielboote überlappt mit<br />

Wind von Steuerbord langsam der Startlinie näherten. Der Wind<br />

war sehr leicht und die See glatt. Als das Leeboot protestierte,<br />

war sein Bug etwa drei Meter vorlicher <strong>als</strong> das Heck des Luv-<br />

bootes und der Seitenabstand betrug etwa einen Meter. In dieser<br />

Situation hat die Berufungskommission von US <strong>Sailing</strong> entschie-<br />

den, dass sich das Luvboot freigehalten hat, <strong>als</strong>o nicht „zu nah“<br />

war, weil es bei einer Kursänderung keine sofortige Berührung<br />

gegeben hätte. Bei einer Wellenhöhe von einem Meter, 15 Knoten<br />

Wind und einer höheren Bootsgeschwindigkeit wäre die Situation<br />

mit Sicherheit anders zu beurteilen, denn der Skipper des Lee-<br />

bootes hätte dann keine Kursänderung veranlassen können, ohne<br />

eine sofortige Berührung zu riskieren.


SEMINAR: Neue Wettfahrtregeln<br />

Am 1. Januar 2013 treten wieder neue Wettfahrtregeln in Kraft. Jeweils<br />

nach Olympischen Spielen werden neue, geänderte „Racing Rules of<br />

<strong>Sailing</strong>“ (RRS) veröffentlicht. Die Änderungen berücksichtigen die<br />

Erfahrungen, die mit den jeweiligen Vorgängerregeln gemacht wurden.<br />

<strong>Sailing</strong> Media aus Lindau am Bodensee<br />

wird am 17. November 2012 in Schleswig-<br />

Holstein das erste Regelkunde- und<br />

Taktik-Seminar anbieten, das sich auch<br />

mit den zukünftigen Regeln beschäftigt.<br />

Hinter <strong>Sailing</strong> Media stehen die beiden<br />

langjährigen ISAF-Schiedsrichter Muf-<br />

ti Kling und Willii Gohl, zusammen mit<br />

Felix Kling, einem aktiven Regattasegler,<br />

Schiedsrichter und Grafikspezialisten. Willii<br />

Gohl ist unseren Lesern auch <strong>als</strong> ständiger<br />

Mitarbeiter durch seine Fachaufsätze im<br />

<strong>Sailing</strong> <strong>Journal</strong> bekannt. Er ist auch ver-<br />

antwortlich für die deutschen Ausgaben<br />

des „Regelbegleiter“, einer kurzen Zusam-<br />

menfassung der für den Segler wichtigen<br />

Regatta-Regeln und des Standardwerkes<br />

„Wettfahrtregeln in der Praxis“. Die eng-<br />

lischen Ausgaben dieser Titel werden von<br />

dem internationalen „Regel-Guru“ Bryan<br />

Willis geschrieben, der ebenfalls Mitglied<br />

das <strong>Sailing</strong>-Media-Teams ist.<br />

Die <strong>Sailing</strong>-Media-Seminare zeichnen<br />

sich durch die hohe Fachkompetenz der<br />

Referenten und die lebhafte und humor-<br />

volle Präsentation der Themen aus. So<br />

werden immer die beiden Referenten<br />

gleichzeitig die Themen darstellen und mit<br />

den Teilnehmern diskutieren. Das Seminar<br />

findet am 17. November 2012 von 09.30<br />

Uhr bis 17.30 Uhr im Hotel Strengliner<br />

Mühle in 23820 Strenglin-Pronstorf (zwi-<br />

schen Bad Segeberg und Lübeck) statt.<br />

Kosten: 90 Euro inklusive Kaffeepausen,<br />

Mittagessen und Tagungsgetränken<br />

Anmeldungen über www.sailing-media.com.<br />

Die Teilnehmerzahl ist auf 25 bis 30<br />

Personen begrenzt.<br />

DAS NEUE<br />

REGATTA . REISE<br />

MENSCHEN . MEER<br />

KUNST . KULTUR


[Modellbau]<br />

klein. kleiner.<br />

Schrift & Bild Christian Bährmann<br />

a m g r ö ß t e n .<br />

Die Tücke steckt im Detail, heißt es. Doch genau da fängt der Spaß für Robert Eddy erst an. Es sind die Details, die<br />

seine Arbeit so besonders machen. Seit nunmehr 30 Jahren baut der Amerikaner filigrane Modelle von Yachten und<br />

anderen Schiffen – Unikate, dreidimensionale Kunstwerke. „In unseren Modellen steckt vermutlich genauso viel Hingabe<br />

für Details und Materialien wie in den Originalyachten“, sagt Eddy und hält zum Beweis eine Miniaturwinde zwischen<br />

Daumen und Zeigefinger, in deren Öffnung ein Diamant zu sehen ist. Eine Art Markenzeichen, erklärt er. Die Winde<br />

selbst ist aus Gold gefertigt – nicht, um den ohnehin schon hohen Preis für einen „echten Eddy“ in die Höhe zu treiben,<br />

sondern weil Silber oxidieren würde und das Modell nach einer gewissen Zeit nachbearbeitet werden müsste, betont der<br />

gelernte Goldschmied bei einer Führung durch seine Werkstatt in Camden, Maine. „Die Beziehung meiner Kunden zu<br />

ihren Booten geht über das normale Maß hinaus“, glaubt Eddy, „sie sind wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Die meisten<br />

Auftraggeber kommen zu mir, weil sie die Erinnerung an ihr Boot über Generationen in Ehren halten wollen.“ Die Ex-<br />

ponate zieren Arbeitszimmer, Wohnräume, private Kunstsammlungen oder Kajüten. Nur selten kommt die Öffentlichkeit<br />

in den Genuss der bis ins kleinste Detail atemberaubend realistischen Miniaturen, die Eddy seit sechs Jahren mit seinem<br />

ehemaligen Schüler Reuben Brown, ausschließlich für den privaten Gebrauch der Auftraggeber, fertigt.<br />

79


und ein Jahr arbeiten die beiden Perfektionisten mit „den<br />

Fähigkeiten eines Bootsbauers und der Geduld eines<br />

Goldschmieds“ (so ein Auftraggeber) im Durchschnitt<br />

an einem Modell, das auf einem Foto kaum vom Original<br />

zu unterscheiden ist und am Ende bis zu 200.000 US-Dollar kosten<br />

kann. „Einzigartige Kunstwerke“, so bezeichnet der zurückhaltende<br />

59-Jährige die Reproduktionen und vergleicht seine Auftraggeber mit<br />

den reichen Kunstmäzenen, die im Laufe der Geschichte „viele großen<br />

Kunststücke erst möglich gemacht haben“. Robert Eddys bester<br />

Kunde ist Tom Perkins. Der Mann, der Firmen wie AOL, Amazon und<br />

Google das Startkapital bereitstellte und von US-Medien den Spitzna-<br />

men „Captain des Risikokapit<strong>als</strong>“ erhielt, ist leidenschaftlicher Segler<br />

und Eigentümer von mittlerweile fünf Robert-Eddy-Modellen. Unter<br />

ihnen auch seine (nunmehr ehemalige) Megayacht MALTESE FALCON<br />

„Ein Schiff von den Ausmaßen<br />

eines Footballfeldes in der Größe<br />

eines Footballs zu bauen – das<br />

hatten selbst wir bis dahin noch<br />

nicht gemacht.“ Reuben Brown<br />

deren Miniaturversion 2007 fertiggestellt wurde. Als Rob Eddy diesen<br />

Auftrag erhielt, musste selbst er „zunächst ein paar Mal schlucken“.<br />

Zum einen, weil das Original zu diesem Zeitpunkt von Perini Navi<br />

noch in der Türkei gebaut wurde. Zum anderen, weil die Vorstellung,<br />

die knapp 90 Meter lange Segelyacht auf etwa 45 Zentimeter zu<br />

skalieren, selbst für einen Künstler wie Eddy jede Menge Herausfor-<br />

derungen barg. „Ein Schiff von den Ausmaßen eines Footballfeldes<br />

in der Größe eines Footballs zu bauen – das hatten selbst wir bis<br />

dahin noch nicht gemacht“, berichtet Reuben Brown. Zunächst<br />

flog Robert Eddy in die Türkei, um vor Ort – wie bei jedem anderen<br />

Auftrag auch – Hunderte Fotos zu machen und die Yacht bis hin zu<br />

den Schrauben auszumessen. Anhand der Originalpläne der italie-<br />

nischen Werft Perini Navi erstellten Eddy und Brown anschließend<br />

den Bauplan für die Miniaturversion. Der Schiffsrumpf unterhalb der<br />

Wasserlinie wurde, wie bei all seinen Modellen, aus dem Holz der ame-<br />

rikanischen Linde geschnitzt, die im Nordosten der USA zu Hause ist.<br />

81


Brown: „Dieses Holz ist eine gute Mischung aus weichem und hartem<br />

Holz, mit einer geraden Faser, die sich hervorragend schnitzen lässt<br />

und das Herausarbeiten von Kurven ermöglicht.“ Oberhalb der Was-<br />

serlinie komme stets Mahagoni zum Einsatz, da es Details besonders<br />

gut festhalten könne. Als Tom Perkins nach 2.100 Stunden Handarbeit<br />

die MALTESE FALCON in Empfang nahm, habe er das Modell <strong>als</strong><br />

Mit den ersten spektakulären<br />

Modellen wuchs Eddys<br />

Reputation, neue Aufträge<br />

bescheren ihm bis heute vor<br />

allem glückliche Kunden, die<br />

in ihren Freundeskreisen von<br />

seinen Künsten schwärmen.<br />

„Mi kro klon“ des Origin<strong>als</strong> bezeichnet, erzählt Robert Eddy und lächelt stolz. Robert Eddy ist in Camden aufgewachsen und 1984 nach seiner<br />

Ausbildung mit seiner Frau hierher zurückgekehrt. Der wohlhabende<br />

kleine Küstenort liegt knapp fünf Stunden nördlich von Boston und<br />

erfüllt mit seinen pittoresken Häusern, Segel- und Fischerbooten<br />

sowie den Hummerfangkörben am Hafen das klassische neuengli-<br />

sche Postkartenidyll. Neben der hohen Lebensqualität schätzt Eddy<br />

aber vor allem die Dichte an kreativen und künstlerischen Men-<br />

schen. „Irgendwo gibt es hier immer jemanden, der in einer kleinen<br />

Scheune irgendeinem obskuren Handwerk nachgeht und genau das<br />

Werkzeug oder genau die Maschine hat, die man gerade benötigt.“<br />

Das sei schon zu seiner Kindheit so gewesen, <strong>als</strong> er entdeckte, dass<br />

er mit dem Bauen von Schiffsmodellen sein Taschengeld aufbessern<br />

konnte. Bereits mit zehn Jahren nahm er die ersten Aufträge an,<br />

und mit jedem neuen Auftrag erweiterte er seine Werkzeugsamm-<br />

lung. Jedes Modell wurde besser <strong>als</strong> das davor, sodass Eddy in den<br />

Sommerferien seiner Highschoolzeit damit mehr Geld verdienen<br />

konnte, <strong>als</strong> wenn er in einer lokalen Schiffswerft gejobbt hätte.<br />

Robert Eddy mit Reuben Brown<br />

83


„Seit dieser Zeit war mir klar, dass ich nur damit Geld verdie-<br />

nen wollte“, sagt der Vater zweier Töchter, der nach seinem<br />

Schulabschluss zunächst bei einem Juwelier das Goldschmie-<br />

dehandwerk erlernte, für einen Schiffsarchitekten arbeitete und<br />

anschließend in Boston Architekturmodelle baute. Nach seiner<br />

Rückkehr nach Camden richtete er sich seine eigene Werkstatt<br />

ein und arbeitete für lokale Juweliere, um seinen Lebensun-<br />

Bereits mit zehn Jahren nahm Robert Eddy<br />

die ersten Aufträge an, und mit jedem neuen<br />

Auftrag erweiterte er seine Werkzeugsamm lung.<br />

terhalt zu bestreiten und sein eigentliches Ziel, das Bauen von<br />

Schiffsmodellen <strong>als</strong> selbstständiger Unternehmer, angehen zu<br />

können. Mit den ersten spektakulären Modellen wuchs Eddys<br />

Reputation, neue Aufträge bescheren ihm bis heute vor allem<br />

glückliche Kunden, die in ihren Freundeskreisen von seinen<br />

Künsten schwärmen. 35 Eddy-Modelle stehen bislang irg endwo<br />

auf der Welt in eigens dafür gebauten Vitrinen.<br />

Da in Zeiten der Rezession selbst den wohlhabendsten Yachtbesit-<br />

zern das Geld nicht mehr so locker sitzt, versucht Rob Eddy derzeit,<br />

ein neues Standbein zu etablieren, das sein bisheriges Geschäftsmo-<br />

dell umkehrt. Gemeinsam mit Reuben Brown und einem Schiffsar-<br />

chitekten baut er ein Modell nach eigenen Plänen und Designvorstel-<br />

lungen, um diesen Prototyp <strong>als</strong> Vorlage für den Bau einer „richtigen“<br />

Segelyacht anzubieten. „Ich habe mich gefragt, was ich für ein<br />

Boot bauen würde, wenn ich das Geld dafür hätte“, erklärt Eddy mit<br />

Blick auf das halb fertige Yachtmodell in seiner Werkstatt, für das er<br />

aktuell auf der Suche nach einem besonders innovativen Anker ist.<br />

Eines von vielen Details, dass auch diesen Prototyp zu einem „echten<br />

Eddy“ machen wird. www.yachtmodels.com, info@yachtmodels.com<br />

85<br />

[Modellbau]


[Santa Maria]<br />

Modell der SANTA MARIA im Casa Colombo auf Porto Santo<br />

dwarsdriewer anno 2012<br />

SEGELN WIE ZU KOLUMBUS ZEITEN<br />

87<br />

Der Nachbau der Entdecker-Karacke unter Maschine vor Canico de Baixo an der Südküste Madeiras<br />

Schrift & Bild Matthias Müncheberg<br />

Wer wissen will, wie es sich anfühlt, auf einer Karacke aus dem 15. Jahrhundert zu segeln,<br />

ist auf dem Original-Nachbau der SANTA MARIA in Funchal richtig. Einmal im Jahr wird das<br />

Schiff sogar zum Star: beim Kolumbus-Festival auf der kleinen Atlantikinsel Porto Santo.


Malerei eines unbekannten Künstlers am westlichen<br />

Ende des Cais da Pontinha im Hafen von Funchal<br />

ünf Jahrhunderte lang galt die Karibikfahrt des Chris-<br />

toph Kolumbus <strong>als</strong> der historische Markstein für die<br />

Entdeckung Amerikas. Heute ist bekannt, dass schon<br />

vor 1492 Menschen Amerika mit einem Schiff erreich-<br />

ten: Anfang des elften Jahrhunderts segelte und ruderte der Wikinger<br />

Leif Eriksson bis nach Neufundland. Und in mindestens zehn alten<br />

Kulturen gibt es angeblich Erzählungen über lange Schiffsreisen –<br />

und die Landung an einer „großen Landmasse“, welche jeweils für die<br />

sogenannte „Neue Welt“ stehen könnte. Eines scheint heute jedoch<br />

festzustehen: Zumindest Chinesen und Polynesier gingen – neben<br />

den Wikingern – schon lange vor Kolumbus in Amerika an Land.<br />

Dennoch ist die Faszination insbesondere an der ersten Fahrt des<br />

Kolumbus bis heute ungebrochen. Spricht man in diesem Zusam-<br />

menhang von dem in spanischen Diensten stehenden Italiener, fällt<br />

noch immer das Wort „Entdecker“. Mehrere Städte beanspruchen<br />

wohl nicht zuletzt aus diesem Grunde aktuell das Recht, Geburtsort<br />

des umtriebigen Kaufmannes und Seefahrers zu sein. Zwar setzte<br />

Kolumbus seinen Fuß am 12. Oktober 1492 tatsächlich erst auf die<br />

Bahamas, später auf die Inseln Hispaniola und Kuba. Doch die Karibik,<br />

das ist eben nicht das amerikanische Festland, und schon gar nicht<br />

das eigentlich gesuchte Indien. Egal, Kolumbus-Fans scheint das nicht<br />

anzufechten. Sie huldigen ihrem historischen Übervater, sei es aus<br />

Nichtwissen, aus Marketing- oder anderen Zwecken.<br />

Unter Deck hat Eigner Rob Wijntje Devotionalien aus der " alten Zeit"<br />

angesammelt. Porzellan, Degen, Münzen, Kompanden und eine alte Bibel.<br />

Zumindest Chinesen und Polynesier<br />

gingen – neben den Wikingern – schon<br />

lange vor Kolumbus in Amerika an Land.<br />

89


Die Zona Velha, die Altstadt von Funchal, geht auf die Zeit der Entdeckungs fahrer<br />

im 15. Jahrhundert zurück. Moderne Installation an einer Tür in der Altstadt.<br />

Wie hat es sich wohl<br />

angefühlt, auf einer<br />

mittelalterlichen<br />

Karacke, die im<br />

Gegensatz zu den<br />

dam<strong>als</strong> bei der<br />

Seemacht Portugal<br />

üblichen Karavellen<br />

größer und schwerer<br />

war, zu segeln?<br />

Nur so ist es auch zu erklären, dass es<br />

1998, über fünfhundert Jahre, nachdem<br />

die originale SANTA MARIA im Jahr<br />

1492 vor Hispaniola auf eine Untiefe lief,<br />

sank und aufgegeben werden musste,<br />

zu einem Neubau des Schiffes kam,<br />

dessen verbliebene Teile der Errichtung<br />

der ersten spanischen Festung in der<br />

Neuen Welt dienten. Wie hat es sich<br />

wohl angefühlt, auf einer mittelalterlichen Karacke, die im Gegensatz zu den dam<strong>als</strong> bei der<br />

Seemacht Portugal üblichen Karavellen größer und schwerer war, zu segeln? Diese Frage ließ<br />

Rob Wijntje keine Ruhe. Jahrelang studierte der begeisterte Segler alte Risse und Bilder des<br />

Origin<strong>als</strong>chiffes. Schließlich erstellte der gebürtige Holländer zusammen mit Spezialisten einer<br />

auf Madeira ansässigen Werft einen Bauplan. Und dann, vor genau 15 Jahren, war es endlich<br />

so weit: Das Schiff wurde im nur wenige Kilometer westlich von Funchal gelegenen Fischerort<br />

Camara do Lobos auf Kiel gelegt. Viele Fischer und Handwerker aus der für den Holzschiffs-<br />

bau bekannten Gegend waren an der Herstellung beteiligt.<br />

Gesegelt wird, wenn der Wind passt,<br />

sprich wenn er raum-achterlich einfällt.<br />

Das große Rahsegel am Hauptmast<br />

wird von Deck aus bedient.<br />

Am liebsten steuert Kapitän João<br />

" seine" SANTA MARIA in eine Bucht<br />

vor dem weltweit zweithöchsten Kliff.<br />

Es heißt, der Entdecker Zarco habe<br />

1420 an dieser Stelle seine erste<br />

Erkundungsfahrt der Insel-Südküste<br />

per Schiff abgebrochen.<br />

Nach nur einem Jahr Bauzeit konnte<br />

das 22 Meter lange und sieben Meter<br />

breite Schiff feierlich auf den Namen des<br />

Kolumbus-Flaggschiffs getauft werden.<br />

Einzige Zugeständnisse an die Neuzeit<br />

sind beim Nachbau ordentlich funktio-<br />

nierende Toiletten und eine gemütliche<br />

Bar, die auf dem überdachten, hinteren<br />

Oberdeck, der „Hütte“, untergebracht ist.<br />

„Von so viel Luxus an Bord konnten die<br />

Segler dam<strong>als</strong> nur träumen“, sagt João. Der stämmige, bärtige Portugiese mit den gutmütigen<br />

Augen und den zupackenden Händen, der selbst ein kleines Boot im nicht weit entfernten Hafen<br />

von Ribeira Brava besitzt, darf seit sieben Jahren im Auftrage von Rob Wijntjen auf der SANTA<br />

MARIA das Kommando führen. Auch wenn seine Crew nur aus zwei Matrosen, zwei Papageien<br />

und einem kleinen Hund besteht, so erfüllt es ihn doch mit unendlichem Stolz, gerade dieses<br />

Schiff befehligen zu dürfen. Denn immerhin handele es sich bei der Wuchtbrumme aus mas-<br />

sivem Mahagoni um den einzigen unter Segeln stehenden Original-Nachbau des ehemaligen<br />

Flaggschiffes von Christoph Kolumbus bei dessen erster Schiffsreise.<br />

91


Auch für Kolumbus war die SANTA MARIA mit<br />

ihrem 26,6 Meter hohen Großmast einfach<br />

eine Nau, wie historische Quellen bezeugen.<br />

Zugeständnis an die Neuzeit: Bordbar im Bauch<br />

der SANTA MARIA. Hier gibt es lokales Coral-<br />

Bier in Flaschen oder Madeira-Wein. Wer will,<br />

lässt sich einen Poncha aus Zuckerrohrschnaps,<br />

Honig und Zitrone mixen.<br />

Dabei stört es ihn nicht im Geringsten, dass die Schiffsbauexperten<br />

heute darüber streiten, welchem Schiffstyp die SANTA MARIA nun<br />

genau zuzurechnen ist, dem einer Karavelle oder dem der etwas grö-<br />

ßeren Karacke. Für ihn ist die SANTA MARIA schlicht eine Nau, <strong>als</strong>o<br />

ein historisches Schiff, das ursprünglich aus dem Mittelmeerraum<br />

stammt, dann von portugiesischen Fischern an der Küste benutzt<br />

wurde und schließlich von Spaniern und Portugiesen für die Fahrt<br />

auf dem Atlantik weiterentwickelt wurde. Auch für Kolumbus war die<br />

SANTA MARIA mit ihrem 26,6 Meter hohen Großmast einfach eine<br />

Nau, wie historische Quellen bezeugen. Am Mast waren ein großes,<br />

mit einem roten Kreuz verziertes Haupt- und ein zusätzliches, oben<br />

im Mast angebrachtes Toppsegel befestigt. Der vordere Fockmast war<br />

mit einem Rahsegel ausgestattet, einem rechteckigen Tuch an einer<br />

horizontal ausgerichteten Spiere, und der hintere Besanmast trug<br />

ein schräg stehendes sogenanntes Lateinersegel. Zusätzlich konnten<br />

an der Rahe zwei Leesegel und am Bugspriet noch Bugsprietsegel<br />

gesetzt werden – ganz so wie beim Neubau.<br />

93


„Das Leben an Bord muss anstrengend und<br />

sehr entbehrungsreich gewesen sein“, das sei<br />

insbesondere nicht zu vergleichen mit heu-<br />

tigem Yachtsport, sagt Kapitän João. Insbe-<br />

sondere bei rauer See sei das Segeln mit der<br />

behäbigen SANTA MARIA sicher kein Zucker-<br />

schlecken gewesen. Schon von Kolumbus ist<br />

schließlich die Aussage überliefert, dass die<br />

SANTA MARIA trotz ihres Geschwindigkeits-<br />

potenzi<strong>als</strong> von angeblich neun Knoten (etwa<br />

16 Kilometer pro Stunde) sehr träge gewesen<br />

und eigentlich für eine transatlantische Expe-<br />

ditionsfahrt nicht geeignet gewesen sei.<br />

Was der 41-jährige Seemann damit meinte,<br />

wird an Bord der „neuen“ SANTA MARIA bei<br />

einem Testschlag vor der Südwestküste Ma-<br />

deiras schnell klar: „Das bauchige Schiff se-<br />

gelt erst ab etwa neunzig Grad Windeinfall“,<br />

sagt João, damit falle klassisches Segeln am<br />

Wind oder gar Kreuzen weg. Am besten für<br />

den Kurs sei es, wenn der Wind dwars, <strong>als</strong>o<br />

rechtwinklig zur Kielrichtung, oder besser<br />

noch ganz von achtern kommt. Denn: Die<br />

neue SANTA MARIA verfügt wie die alte<br />

nur über einen sehr flachen Kiel. So driftet<br />

der Schiffskörper seitlich stark ab, sobald<br />

der Wind nicht genau aus der gewünsch-<br />

ten Richtung einfällt. Heute würden Segler<br />

dieses Schiff wegen seines für neuzeitliche<br />

Verhältnisse zu kleinen Lateralplanes und<br />

seiner großen Aufbauten wohl scherzhaft<br />

<strong>als</strong> einen klassischen „Dwarsdriewer“, einen<br />

Quertreiber, bezeichnen.<br />

Aus diesem Grund, und um auch bei un-<br />

günstigen Winden den Kurs halten zu können,<br />

besitzt der Nachbau aus Camara do Lobos ein<br />

wirksames Hilfsmittel gegen die unerwünsch-<br />

te Abdrift – in Form eines 455 PS starken<br />

Caterpillar-V-Motors. Der gelbe, mächtige Ma-<br />

rinediesel leistet auch unentbehrliche Dienste<br />

beim Manövrieren im engen Hafenwasser,<br />

insbesondere beim An- und Ablegen, auch<br />

wenn sich Kapitän João statt des einen lieber<br />

zwei kleinere Motoren an Bord wünschen<br />

würde, „wegen der besseren Handhabung<br />

und der Sicherheit“, schließlich könne es ja<br />

einmal vorkommen, dass der Diesel streikt.<br />

Doch dann habe man schließlich immer noch<br />

die Segel. Generell sei es aber nur mit Motor<br />

überhaupt möglich, mit Gästen zu segeln, denn<br />

oft genug herrsche in den Sommermonaten<br />

Flaute, die Schiffsfans wollten aber trotzdem<br />

zu einer Spritztour hinaus aufs Meer. Das ist<br />

längst kein Geheimtipp mehr, täglich kommen<br />

Gäste in den Hafen, um einmal an Bord sein<br />

zu dürfen, wenn die salzige Atlantikbrise die<br />

fünf baumwollenen Segel füllt und die Dünung<br />

den Schiffskörper sanft wiegt.<br />

Kapitän João hätte gern zwei davon, der besseren Manövrierbarkeit und der Sicherheit wegen: ein mächtiger 455-PS-Caterpillar treibt das 200-Tonnen-Schiff bei Flaute an.<br />

Kolumbus auf der SANTA MARIA: Einmal im Jahr Mitte September wird die<br />

Landung des Genuesen auf Porto Santo beim Festival Colombo mit Schauspielern<br />

nachgestellt. Rechts ein liebevoll verzierter Handknauf an Bord.<br />

Heute würden Segler dieses<br />

Schiff wohl scherzhaft <strong>als</strong> einen<br />

klassischen „Dwarsdriewer“, einen<br />

Quertreiber, bezeichnen.<br />

95


Eine Heiligenfigur in der Messe<br />

des Schiffes sollte vor Unheil<br />

auf See bewahren.<br />

Traditioneller Umzug beim Festival Colombo in Vila Baleira auf Porto Santo, angeführt<br />

von Kolumbus, nachdem er von der SANTA MARIA ausgebootet wurde.<br />

Immer Mitte September feiern die<br />

Einheimischen auf der Nachbar insel<br />

Madeiras das Kolumbus-Festival.<br />

Heute ist jedoch ein ganz besonderer<br />

Tag für den bärtigen Portugiesen, der mit<br />

Strohhut, einem Fischerhemd und einer<br />

alten Leinenhose bekleidet ab und zu das<br />

Fernglas zur Hand nimmt, um nach Walen<br />

und Delfinen Ausschau zu halten. Heu-<br />

te werden ausnahmsweise einmal keine<br />

Gäste an Bord befördert, denn heute segelt<br />

die SANTA MARIA nach Porto Santo. Der<br />

Grund: Einmal im Jahr ist auf der kleinen<br />

Atlantikinsel, obschon touristische Nachsai-<br />

son, die Hölle los. Immer Mitte September<br />

feiern die Einheimischen auf der Nachbar-<br />

insel Madeiras das Kolumbus-Festival. Un-<br />

bestrittener Star des mehrere Tage laufen-<br />

den Spektakels zu Ehren ihres „Entdeckers“<br />

ist neben Turnieren, einem Mittelaltermarkt<br />

und einem Umzug durch Vila Baleiras Alt-<br />

stadt Joãos neues altes Schiff.<br />

So könnte es ausgesehen haben vor 520 Jahren – denkt man sich die Betonpier und das elektrische<br />

Licht einmal weg: Ankunft von Kolumbus am Strand von Porto Santo beim alljährlichen Festival Colombo.<br />

Wenn dann die SANTA MARIA zum Höhepunkt der drei Tage<br />

laufenden Feierlichkeiten am Festival-Freitag in der Dämmerung<br />

vor dem feinen Sandstrand Porto Santos bei Vila Baleira vor Anker<br />

geht und Schauspieler, die Kolumbus und sein Gefolge darstellen,<br />

ausgebootet werden, um vom historisch verbürgten „Notar Jo-<br />

hanns III. von Porto Santo“ empfangen zu werden, fühlt man sich<br />

schnell 500 Jahre in der Zeit zurückversetzt, <strong>als</strong> Segeln noch kein<br />

Zeitvertreib, sondern harte körperliche Arbeit bedeutete, die von<br />

Zeit zu Zeit auch ihre Opfer forderte.<br />

Nur die Hunderte von Schaulustigen auf der weit ins Meer hinausra-<br />

genden, mit elektrischem Licht illuminierten Betonpier – sommerlich-<br />

farbenfroh gekleidete Touristen und viele Einheimische mit Spiegelre-<br />

flexkameras, Foto-Smartphones und Videokameras – erinnern daran,<br />

dass wir uns nicht in der Mitte des 15. Jahrhundert befinden, sondern<br />

das Jahr 2012 schreiben. Doch so oder so ähnlich muss es sich wohl<br />

angefühlt haben vor 520 Jahren, <strong>als</strong> die ersten Versuche unternommen<br />

wurden, die Neue Welt nach den Wikingern, den Chinesen und den<br />

Polynesiern auf dem Seewege wiederzuentdecken. visitmadeira.pt<br />

97<br />

[Santa Maria]


[Worte Teil 2]<br />

Herman Melville, Redburn. Seine erste Reise, 1849. In: Nathalie Couilloud, Poesie des Meeres, Edition Maritim<br />

Ein feiner Name für einen Mann ist das.<br />

Verbrenn dir bloß nicht die Pfoten dran‚ ‘nen<br />

anderen hast du wohl nicht?“ „Wellingborough“,<br />

antwortete ich. „Noch schlimmer! Aber ich werde<br />

dich umtaufen. Hörst du, Mann, von jetzt ab heißt<br />

du Knopp. Und jetzt gehst du, Knopp, und macht<br />

den Schweinekoben im Langboot klar.“ Sollte ich<br />

so meine Seemannskarriere beginnen? Einen<br />

Schweinekoben klarmachen, das erste, was ich tat?<br />

Peter Neumann / Svante Domizlaff<br />

Yachtsport • Die schönsten Segelfotos<br />

224 Seiten • € 22,90 [D] • ISBN 978-3-7688-3553-4<br />

GANZ NAH DRAN.<br />

Erhältlich im Buch- und Fachhandel oder unter www.delius-klasing.de<br />

Bis heute bieten die anspruchsvollen Küsten- und Hochseereviere von Nord- und Ostsee hervorragende<br />

Bedingungen für den Regattasport – und wo die Dramatik am größten ist, findet man Peter Neumann auf<br />

seinem Motorboot. So wurde er nicht nur einer der bedeutendsten Yachtfotografen Deutschlands, sondern<br />

formte mit seinem Stil auch das Bild der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.<br />

© Peter Neumann


panerai.com<br />

historyandheroes.<br />

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