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Beurteilung von Innenraumluftkontaminationen mittels Referenz

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4.1 Anforderungen an Richtwerte<br />

für die Innenraumluft<br />

Gesundheitlicher Bezug. Richtwerte<br />

werden auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse über die gesundheitlichen<br />

Wirkungen des betrachteten<br />

Stoffes/der Stoffgruppe abgeleitet. Auf<br />

der Basis geeigneter Tierstudien sowie<br />

Beobachtungen am Menschen werden für<br />

nicht kanzerogene Stoffe und nicht initiierend<br />

wirkende kanzerogene Stoffe (Stoffe<br />

mit nicht-stochastischen Wirkungen)<br />

zunächst die toxikologischen Basisdaten<br />

ermittelt. Zum einen die Konzentration,<br />

bis zu der noch keine gesundheitlich<br />

nachteilige (adverse) Wirkung beobachtet<br />

wurde (No Observed Adverse Effect<br />

Level – NOAEL) und zum anderen die<br />

Konzentration, ab der erste gesundheitlich<br />

schädigende Wirkungen gefunden<br />

wurden (Lowest Observed Adverse Effect<br />

Level – LOAEL). Je nach Umfang und Güte<br />

der toxikologischen Daten wird nach<br />

dem Basisschema der LOAEL-Wert mit<br />

(Un-)Sicherheits- und Extrapolationsfaktoren<br />

verknüpft, um Unsicherheiten in<br />

der Datenlage einerseits und spezifische<br />

physiologische Gegebenheiten und Risikogruppen<br />

(z. B. Kinder) andererseits<br />

zu berücksichtigen [11]. Die Richtwerte<br />

für die Innenraumluft werden unter der<br />

Bedingung einer kontinuierlichen und<br />

ganztägigen Nutzung eines Innenraumes<br />

durch empfindliche Personengruppen abgeleitet.<br />

In Ausnahmefällen wurden auch<br />

Richtwerte für unterschiedliche Zeiträume<br />

angegeben (CO und NO2), vgl. . Tabelle<br />

1.<br />

Bei Konzentrationen in der Raumluft<br />

oberhalb des Richtwertes II sind gesundheitliche<br />

Wirkungen bei empfindlichen<br />

Raumnutzern nicht mehr mit hinreichender<br />

Wahrscheinlichkeit auszuschließen.<br />

Dieser Richtwert II definiert somit<br />

eine Gefahrenschwelle [11], vgl. Abschnitt<br />

4, 4.2.<br />

Rechtlicher Bezug. Das allgemeine Polizeirecht<br />

versteht unter dem Begriff der Gefahr<br />

eine Sachlage, die bei ungehindertem,<br />

objektiv zu erwartendem Geschehensablauf<br />

in absehbarer Zeit mit hinreichender<br />

Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden<br />

für ein geschütztes Rechtsgut führt. Dabei<br />

sind die Anforderungen an die Wahr-<br />

Ta bel le 1<br />

Richtwerte der Ad-hoc-AG IRK/AOLG (Stand 2006)<br />

Verbindung RW II (mg/m3 ) RW I (mg/m3 ) Jahr der<br />

Festlegung<br />

Toluol 3 0,3 1996<br />

Dichlormethan 2 (24 h) 0,2 1997<br />

Kohlenmonoxid 60 (1/2 h) 6 (1/2 h) 1997<br />

15 (8 h) 1,5 (8 h)<br />

Pentachlorphenol 1 μg/m3 0,1 μg/m3 1997<br />

Stickstoffdioxid 0,35 (1/2 h) – 1998<br />

0,06 (eine Woche) –<br />

Styrol 0,3 0,03 1998<br />

Quecksilber 0,35 μg/m3 0,035 μg/m3 (als metallischer Dampf)<br />

1999<br />

Tris(2-chlorethyl)phosphat 0,05 0,005 2002<br />

Bicyclische Terpene<br />

(Leitsubstanz α-Pinen)<br />

2 0,2 2003<br />

Naphthalin 0,02 0,002 2004<br />

Aromatenarme Kohlenwasserstoffgemische<br />

(C9-C14)<br />

2 0,2 2005<br />

Maßgeblich ist die jeweils aktuelle Liste einschließlich weiterer Hinweise. Diese ist im Internet verfügbar<br />

unter: http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/daten/gesundheit/irk.htm<br />

scheinlichkeit des Nicht-Auftretens eines<br />

Schadens umso höher, je höherrangig das<br />

Rechtsgut (z. B. Menschenleben) und je<br />

größer der zu erwartende Schaden (z.B.<br />

gesundheitliche Wirkungen) ist. Die Abwehr<br />

einer solchen Situation wird als Gefahrenabwehr<br />

bezeichnet.<br />

Rechtlich ist zwischen gesetzlich festgelegten<br />

Grenzwerten (z. B. BImSchV) und<br />

Richtwerten, die keine rechtliche Bindung<br />

besitzen, zu unterscheiden. Richtwerte<br />

können allerdings faktisch oder im Vollzug,<br />

wenn ein Bezug zu einer rechtlichen<br />

Regelung besteht (z. B. im Vollzug des<br />

Landesbaurechts), justiziable Verbindlichkeit<br />

erlangen. Die rechtliche Anwendbarkeit<br />

(z. B. in Verwaltungsverfahren) wird<br />

dadurch gewährleistet, dass im Zuge der<br />

wissenschaftlichen Ableitung <strong>von</strong> Richtwerten<br />

unter Bezug auf einen bestimmten<br />

Rechtsrahmen Gefahrenaspekte (z. B.<br />

durch Einbezug des LOAEL als Ausgangspunkt<br />

der Richtwertableitung des RW II)<br />

zur Geltung kommen (s. u. 4.2).<br />

4.2 Basisschema zur Ableitung <strong>von</strong><br />

Richtwerten für die Innenraumluft<br />

Mit der Veröffentlichung des so genannten<br />

Basisschemas der Ad-hoc-Arbeitsgruppe<br />

994 | Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 7 · 2007<br />

Bekanntmachung des Umweltbundesamtes<br />

IRK/AOLG haben das Umweltbundesamt<br />

und die Obersten Landesgesundheitsbehörden<br />

in Deutschland eine Leitlinie für<br />

die Abschätzung <strong>von</strong> Risiken durch Verunreinigungen<br />

der Innenraumluft vorgegeben<br />

[11]. Auf dieser Grundlage wurden<br />

zwischenzeitlich Richtwerte für eine Reihe<br />

<strong>von</strong> Substanzen in der Raumluft abgeleitet<br />

(http://www.umweltbundesamt.de/ubainfo-daten/daten/gesundheit/irk.htm).<br />

Der Richtwert II (RW II) ist ein wirkungsbezogener,<br />

begründeter Wert, der<br />

sich auf die gegenwärtigen toxikologischen<br />

und epidemiologischen Kenntnisse zur<br />

Wirkungsschwelle eines Stoffes unter Einführung<br />

<strong>von</strong> Unsicherheitsfaktoren stützt.<br />

Er stellt die Konzentration eines Stoffes<br />

dar, bei deren Erreichen bzw. Überschreiten<br />

unverzüglich Handlungsbedarf besteht,<br />

da diese Konzentration geeignet ist,<br />

insbesondere für empfindliche Personen<br />

bei Daueraufenthalt in den Räumen eine<br />

gesundheitliche Gefährdung darzustellen.<br />

Je nach Wirkungsweise des betrachteten<br />

Stoffes kann der Richtwert II als Kurzzeitwert<br />

(RW II K) oder Langzeitwert (RW II<br />

L) definiert sein.<br />

Der Handlungsbedarf ist als unverzüglicher<br />

Prüfbedarf zu verstehen, z. B.<br />

im Hinblick auf Sanierungsentschei-

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