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SO ZÄH WIE DER BERG - zai

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RETRON°35PUNKTMAGAZIN<br />

<strong>SO</strong> <strong>ZÄH</strong> <strong>WIE</strong> <strong>DER</strong> <strong>BERG</strong><br />

Zai bedeutet auf Rätoromanisch zäh. Zäh sind auch die Skier<br />

der gleichnamigen Manufaktur aus dem Bündner Bergdorf<br />

Disentis. Die von Hand gefertigten Hightech-Bretter vereinen<br />

traditionsreiche und hochmoderne Herstellkunst zugleich.<br />

Der Anspruch dabei ist die Erschaffung des perfekten Skis.<br />

WORTECLAUDIATHÖNY<br />

Disentis im Bündner Oberland. Mit mir verlassen lediglich<br />

ein Mann und eine Frau den Waggon der Rhätischen Bahn.<br />

Der Mann trägt einen Skisack, auf dem das Logo von Zai erkennbar<br />

ist. Ich hänge mich an seine Fersen und treffe kurz nach ihm<br />

in der Manufaktur ein, zusammen mit der jungen Frau aus dem Zug,<br />

die sich als Medienchefin Rachel Huber vorstellt. Es scheint, als pilgere<br />

man nicht nur des Klosters wegen nach Disentis.<br />

Die Räumlichkeiten von Zai sind bescheiden und unspektakulär.<br />

Spektakulär ist, was sich in ihnen befindet: Andeerer Granit, Eichenfurniere,<br />

Carbon, Naturkautschuk, Zedernholz, Nano-Highspeed-<br />

Renn beläge und vieles mehr, was dem Ski beste Eigenschaften verleihen<br />

soll. In der überschaubaren Werkstatt, die zugleich Hightechcenter ist,<br />

herrscht geschäftiges Treiben. Spektakulär sind aber nicht nur die Materialien,<br />

sondern vor allem die Art und Weise, wie dieses kleine Team<br />

passionierter, einheimischer Skikonstrukteure die Skier zusammenbaut.<br />

Die Lithographie im Ski Ich schaue den Männern über die Schultern.<br />

Beinahe andächtig sprechen sie über ihre Arbeit mit den «laisas»,<br />

«feffas», «spadas» und anderen Modellen, die unter ihren Hän-<br />

den Gestalt annehmen. Man spürt, dass hier<br />

nicht einfach irgendein beliebiges Alltagsgut<br />

entsteht, sondern ein hochfunktionales Meisterstück.<br />

Möglich macht dies das Zusammenspiel<br />

von skitechnischen Virtuosen, besten<br />

Rohstoffen und berglerischem Herzblut.<br />

In einem Metallgestell liegen die 74 zugeschnittenen<br />

Teile für das Modell «testa» zum<br />

Schichten bereit. «Ein Ski setzt sich aus 70 bis<br />

120 Einzelteilen zusammen», erklärt Produktionsleiter<br />

Marc Demont. Bei einem Massenski<br />

sind es lediglich rund 30 Teile. Während<br />

Demont mit dem Belag beginnt, arbeitet sich<br />

sein Kollege Dominik Lechmann Lage für Lage<br />

von der Oberfläche hinunter zum Kern des<br />

Skis. Jeder Handgriff sitzt. Nach rund 20 Minuten<br />

ist die erste Latte in Sandwichmanier<br />

geklebt und bereit für die Presse.<br />

Insgesamt arbeitet ein Skibauer sieben bis<br />

zehn Stunden an einem einzigen Paar. Ein<br />

Fabrikski beansprucht durchschnittlich nur<br />

etwa 45 Minuten vollmaschineller Produktionszeit.<br />

Die Ausschussquote liegt bei Zai unter<br />

einem Prozent. Bei einem jährlichen Absatz<br />

von rund 1000 Skipaaren – damit liegt<br />

man knapp über der Break-Even-Schwelle –<br />

darf die Toleranzgrenze kaum höher sein.


Anders als die andern Mit dem Ziel, den<br />

perfekten Ski herzustellen, gründete der Disentiser<br />

Skifanatiker Simon Jacomet vor acht<br />

Jahren die Zai-Manufaktur und holte erste<br />

Investoren an Bord. Heute hebt sich der Skihersteller<br />

nicht nur seiner Geschichte und<br />

der ungewohnten Materialien wegen von der<br />

Konkurrenz ab. «Um in unserer Marktnische<br />

erfolgreich zu sein, müssen wir uns differenzieren.<br />

Die Differenzierung macht allerdings<br />

immer nur dann Sinn, wenn der Käufer auch<br />

von einem wirklichen Mehrwert profitiert»,<br />

betont Jacomet, der früher technischer Berater<br />

des Schweizer Abfahrts-Nationalteams<br />

und Skientwickler bei Salomon war.<br />

Dieser Mehrwert hat seinen Preis. Allein<br />

die Skioberfläche aus Naturkautschuk, welche<br />

beispielsweise die Modelle «laisa» und<br />

«spada» ziert, kostet so viel wie das gesamte<br />

Material eines herkömmlichen Skis. Ist dieser<br />

Mehrwert tatsächlich spürbar? Sind Skier von<br />

Zai wirklich das Mehrfache eines guten Massenskis<br />

wert? Bei Preisen von 3800 bis hin zu<br />

10 000 Franken für die limitierten Bentley-<br />

oder Hublot-Editionen, ist die Frage durchaus<br />

berechtigt. «Wir produzieren Skier für<br />

leidenschaftliche Skifahrer, die eine besonders<br />

ausgereifte Technik wünschen», erklärt<br />

Jacomet den Zusatznutzen.<br />

Es sei eine Frage der Prioritäten. «Unser<br />

Anspruch ist es, kompromisslos das Beste aus<br />

einem Ski herauszuholen. Der Anspruch unserer<br />

Kunden ist es, einen solchen Ski zu fahren»,<br />

so Jacomet weiter. «Mit unseren Produkten<br />

wollen wir aber nicht den Millionär<br />

ansprechen, der des Prestiges wegen einen<br />

teuren Ski im Keller haben möchte.» Ihre<br />

Kunden entstammten den verschiedensten<br />

Gesellschaftsschichten. Sei es der einheimische<br />

Malermeister, der als Skifreak gleich vier<br />

Paar Zai-Skier besitze, der erfolgreiche Marketingchef<br />

oder die Lehrerin, die ihre Freizeit<br />

am liebsten auf der Piste verbringe – ihnen<br />

allen gemein sei die Liebe zum Berg und zum<br />

Skisport. Und zu den Skiern von Zai.<br />

Robust und beständig Die Langlebigkeit<br />

der Skier sei eines der kräftigsten Argumente,<br />

die für die Marke Zai sprechen. Doch stellt<br />

die Robustheit eines Erzeugnisses nicht zugleich<br />

ein Absatz-Dilemma dar? «Nein», widerspricht<br />

Jacomet entschieden, «unsere Produkte<br />

werden ja genau deswegen geschätzt.<br />

Ausserdem entspricht eine verminderte<br />

Qualität nicht unserer Philosophie.» Mit einem<br />

Weltmarktanteil von 0,3 Promille bewege<br />

man sich in einer kleinen Nische, die eine<br />

höhere Kompromisslosigkeit zulasse.<br />

Kompromisse geht man bei Zai dafür ein,<br />

wenn es darum geht, dem zyklischen Wintergeschäft<br />

mit zusätzlichen Erwerbszweigen<br />

finanziellen Aufwind zu verschaffen.<br />

Zum einen mit Bekleidung, zum anderen mit<br />

Events, die Zai organisiert. Und bald werden<br />

das «zähe» Material und die Technologien<br />

auch für die Produktion von Golfschlägern<br />

verwendet. «Deren gute Eigenschaften bewähren<br />

sich auch im Golfsport. Der Ski ist<br />

und bleibt aber unser Herzprodukt», stellt<br />

Jacomet klar.<br />

Am Herzen liegt ihm auch die kleine Auflagenzahl.<br />

Die müsse der Rentabilität wegen<br />

zwar noch etwas gesteigert werden. Im Idealfall<br />

auf 1500 bis maximal 2000 Paare pro<br />

Jahr, aber keinesfalls mehr. Der Firmengründer<br />

dazu: «Wir bleiben in unserer Nische. In<br />

dem Moment, wo wir expandieren und unsere<br />

Produktion nach China verlagern, suche<br />

ich augenblicklich das Weite.» Und mit ihm<br />

wohl auch seine Mitarbeiter und Kunden.<br />

ZAIWIRTSCHAFTLICHES<br />

PUNKTMAGAZINN°35RETRO<br />

35

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