DEINE BAHN-Artikel - Deutsche Bahn AG
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Ausbildung, Prüfung & Beruf<br />
Eisenbahnbetriebsfeld Darmstadt<br />
Die große <strong>Bahn</strong>welt im<br />
Modellmaßstab trainieren<br />
Sylke Schmidt, DB Training, Learning & Consulting,<br />
Programm-Managerin <strong>Bahn</strong>betrieb, Leipzig<br />
Fahrstraßen stellen und Signale bedienen, Personal<br />
disponieren und Züge koordinieren – im Eisenbahnbetriebsfeld<br />
Darmstadt (EBD) können im Maßstab 1:87 alle<br />
betrieblichen Situationen des Schienenverkehrs realitätsnah<br />
simuliert werden. Auf 500 Quadratmetern ist ein<br />
komplettes Streckennetz von 85 Kilometern nachgebildet.<br />
900 Meter Gleise, 360 Weichen und Gleissperren sowie<br />
18 Betriebsstellen wie <strong>Bahn</strong>höfe oder Verladestationen<br />
sind originalgetreu aufgebaut. Diese können in Echtzeit<br />
von Stellwerken aus verschiedenen Epochen bedient<br />
werden: vom 100 Jahre alten mechanischen bis zum<br />
hochmodernen Elektronischen Stellwerk (ESTW). In<br />
diesem einzigartigen Simulationsfeld führt DB Training<br />
praxisorientierte Seminare für Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen<br />
durch. Der folgende Beitrag beleuchtet<br />
das Eisenbahnbetriebsfeld Darmstadt und gibt Einblicke<br />
in das Schulungsprogramm von DB Training.<br />
56 Deine <strong>Bahn</strong> 9/2011<br />
Das Eisenbahnbetriebsfeld Darmstadt (EBD) ist ein Gemeinschaftsprojekt<br />
vom Akademischen Arbeitskreis Schienenverkehr<br />
e.V. (AKA <strong>Bahn</strong>), der Technischen Universität Darmstadt (TUD)<br />
und von DB Training. Es bietet die Möglichkeit, in Echtzeit<br />
alle Betriebsabläufe des Eisenbahnverkehrs zu simulieren.<br />
Unter realistischen Bedingungen können Mitarbeiter von<br />
Verkehrsunternehmen optimal auf betriebliche und dispositive<br />
Situationen vorbereitet werden. Sie lernen, Stresssituationen der<br />
täglichen Arbeit zu beherrschen und ihre Handlungssicherheit<br />
auszubauen.<br />
Ideales Trainingsterrain<br />
Alle Rechte vorbehalten • <strong>Bahn</strong> Fachverlag GmbH<br />
Kern des EBD ist eine Modellbahnplatte, die auf 500 Quadratmetern<br />
ein komplettes Schienenstreckennetz mit einer umgerechneten<br />
Länge von 85 Kilometern abbildet. In das Streckennetz<br />
mit 160 Hauptgleisen sind alle relevanten Betriebsstellen<br />
eingebaut. Dazu gehören <strong>Bahn</strong>höfe und Haltepunkte, Block- und<br />
Abzweigstellen, Überleit- und Ausweichanschlussstellen. Die<br />
<strong>Bahn</strong>höfe sind mit alternativen Gleisführungen so gestaltet, dass<br />
sie verschiedene Varianten der Gleisbelegung und -nutzung<br />
ermöglichen. Ablaufberge zur Güterzugbildung und Fähranleger<br />
ergänzen das Simulationsspektrum.<br />
An einem Auslandsabschnitt „Frankreich“ können grenzüberschreitende<br />
Unterschiede von Betriebsabläufen, Signalbegriffen<br />
und Stellwerkstechniken erlernt und durchgespielt werden. Ein<br />
integrierter Straßenbahnabschnitt ermöglicht es, den auch in der<br />
Realität vorkommenden Systemwechsel Eisenbahn-Straßenbahn<br />
darzustellen. An einem Fährbahnhof mit beweglichem Schiffsmodell<br />
lassen sich Betriebsabläufe, die beim Übergang Land-<br />
Wasser relevant sind, demonstrieren.<br />
Praxisnah schulen und lernen<br />
Wie in der Realität lassen sich im EBD alle betrieblichen Situationen<br />
praxisbezogen durchspielen. An bis zu zehn Arbeitsplätzen<br />
können Eingriffe in den <strong>Bahn</strong>betrieb über hierarchische Befehlsketten<br />
durchgeführt werden. Eine innovative Fahrsteuerung<br />
ermöglicht die automatische Fahrt von Zügen entsprechend<br />
eingespielter Fahrpläne. Um Stresssituationen zu üben, lassen<br />
sich vorprogrammierte Störszenarien abgerufen und einspielen.<br />
Da alle von den Teilnehmern erarbeiteten Lösungen direkt auf<br />
der Anlage umgesetzt und verfolgt werden können, können
Fotos: DB Training<br />
die Trainer jederzeit anschaulich erläutern, welche Handlungen<br />
sinnvoll und richtig sind oder nicht.<br />
Realistisch steuern<br />
Alle Betriebsabläufe werden von einem Stellwerk aus gesteuert.<br />
Aufgrund einer einzigartigen Steuerungstechnik können im EBD<br />
Stellwerke aller Generationen aufgeschaltet werden. So lässt<br />
sich etwa ein <strong>Bahn</strong>hof von einer vorhandenen älteren Stellwerkstechnik<br />
per Knopfdruck in ein Elektronisches Stellwerk (ESTW)<br />
umschalten. Dadurch kann die Anlage je nach Schulungsbedarf<br />
mit einer unterschiedlich großen Teilnehmeranzahl betrieben<br />
werden. Ältere Stellwerke können mit mehreren Fahrdienstleitern<br />
örtlich besetzt werden, die Anlage kann aber auch via ESTW<br />
von zwei Fahrdienstleitern gesteuert werden. Durch die variable<br />
Zuordnung kann neben der Anpassung an die Kursgröße auch<br />
anschaulich gezeigt werden, welche Arbeitsbelastung je nach<br />
Größe des Stellbezirks für einen einzelnen Fahrdienstleiter<br />
erforderlich ist.<br />
Was in der Realität viele Kilometer auseinander liegt, ist im EBD<br />
nur wenige Meter entfernt. Aufgrund der räumlichen Nähe können<br />
Bedienhandlungen und deren Auswirkungen auf Nachbarstellwerke<br />
unmittelbar dargestellt werden. Auch die Funktionsweise<br />
verschiedener Stellwerkstypen lässt sich anschaulich erläutern.<br />
Bis zu 14 Betriebsstellen können durch Fahrdienstleiter oder<br />
Weichenwärter besetzt werden. Diese bedienen dann unterschiedlichste<br />
Stellwerksbauarten wie:<br />
Ausbildung, Prüfung & Beruf<br />
n Mechanisches Stellwerk,<br />
n Elektromechanisches Stellwerk,<br />
n Elektrisches Stellwerk (Drucktastenstellwerk),<br />
n ESTW (Elektronisches Stellwerk).<br />
Von älteren Techniken lernen<br />
Auch wenn ältere Stellwerksbauformen zu den Auslaufmodellen<br />
gehören, sind sie im EBD in der Anlage integriert. Das<br />
Verständnis für Sicherungstechnik und das Zusammenspiel<br />
der Komponenten kann an den alten Techniken besonders<br />
anschaulich gezeigt werden.<br />
Sicher disponieren<br />
Alle Rechte vorbehalten • <strong>Bahn</strong> Fachverlag GmbH<br />
Das EBD hat den Vorteil, dass das Betriebsgeschehen unabhängig<br />
von planmäßigen Zugfahrten individuell für den jeweiligen<br />
Zweck disponiert werden kann. Die aktuelle Betriebslage ist<br />
jederzeit schnell und einfach von allen Betriebsstellen aus zu<br />
überblicken.<br />
Mit speziellen Dispositionssimulationen werden im realitätsnahen<br />
Umfeld betriebliche Situationen dargestellt, die eine exakte<br />
Kommunikationskette unter den Teilnehmern erfordern. In<br />
einzelnen Sequenzen, die dem üblichen Umfeld des Teilnehmers<br />
angepasst werden können, wird das Arbeitsaufkommen stetig<br />
angehoben. Unter zunehmendem Aufwand und Zeitdruck wird<br />
Deine <strong>Bahn</strong> 9/2011 57
Ausbildung, Prüfung & Beruf<br />
58 Deine <strong>Bahn</strong> 9/2011<br />
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die Bedeutung sauberer und schneller Meldewege vermittelt.<br />
Bei Problemen werden im Team Lösungen erarbeitet.<br />
Im EBD sind drei Räume mit insgesamt neun Disponentenarbeitsplätzen<br />
eingerichtet. Die Arbeitsplätze sind mit je vier<br />
Monitoren und VoiceOverIP-Telefonen ausgestattet. Sämtliche<br />
Arbeitsplätze sind miteinander vernetzt, so dass Disponenten<br />
jederzeit untereinander und mit den Fahrdienstleitern kommunizieren<br />
können. Zusätzlich sind die Räume mit Netzwerkdruckern<br />
ausgerüstet. Damit ist es möglich, Faxmitteilungen zu erhalten<br />
oder auch zu versenden.<br />
Originalgetreue Dispositionssoftware kann eingespielt werden<br />
und bildet die Basis für das praxisnahe Simulationstraining.<br />
Hand in Hand<br />
In Zusammenarbeit mit Fachtrainern von DB Regio, DB Fernverkehr<br />
und DB Schenker Rail Deutschland hat DB Training<br />
Schulungen für Disponenten entwickelt. Anhand typischer<br />
Fahrpläne mit Besonderheiten können Disponenten aus den<br />
Bereichen Transportleitung, Leitstelle, Transportmanagement<br />
und Cargozentrum geschult werden.<br />
Das Ganze mit Ansage<br />
Das Eisenbahnbetriebsfeld bietet auch Platz für Ansager von<br />
DB Station&Service. Vier Arbeitsplätze stehen zur Verfügung<br />
– inklusive Software, die sie aus ihrer täglichen Arbeit kennen.<br />
Sie informieren „die Kunden“ über die geplanten Dispositionen,<br />
wie Sonderzüge bei hohem Verkehrsaufkommen, Umleitungen<br />
über andere Strecken, Verspätungen und deren Auswirkungen<br />
auf Zuganschlüsse.<br />
Alles unter Kontrolle<br />
Drei Arbeitsplätze dienen den Spielleitern (Operator), um die<br />
Simulationssequenzen im EBD zu steuern und zu lenken. Auch<br />
hier befindet sich ein Netzwerkdrucker, um beispielsweise<br />
Fahrplanbestellungen oder andere Mitteilungen zu senden.<br />
Fehler ohne Folgen<br />
Im EBD können sogar die Folgen von unsachgemäßer Bedienung<br />
der Stellwerksanlagen und vorschriftswidrigen Handlungen<br />
dargestellt werden – bis hin zur Simulation von Unfällen – ohne<br />
dass dies zu katastrophalen Auswirkungen wie in der Realität<br />
führt.<br />
Abläufe und Kosten im Blick<br />
Bei der Konstruktion der Anlage wurde darauf geachtet, möglichst<br />
viele Vorbildsituationen beispielhaft umzusetzen. So finden<br />
sich <strong>Bahn</strong>höfe mit Überholgleisen seitlich der durchgehenden<br />
Hauptgleise oder solche mit Mittelüberholungen. An anderen<br />
Stellen fädeln abzweigende Strecken einmal höhengleich und<br />
einmal kreuzungsfrei aus der jeweiligen Hauptbahn aus. Damit<br />
Ausbildung, Prüfung & Beruf<br />
können die Vor- und Nachteile bezüglich <strong>Bahn</strong>hofsbelegung,<br />
Fahrstraßenbildungszeiten und Baukosten für Brücken und<br />
Rampen verdeutlicht werden.<br />
Effizient simulieren<br />
Die Darstellung des Eisenbahnbetriebs mit allen Abweichungen<br />
vom Regelbetrieb und Folgen von Fehlhandlungen ist im EBD<br />
im Gegensatz zu einer reinen Computersimulation höherwertig<br />
und nachhaltiger. Bei Rechnersimulationen fehlen die Bedienelemente<br />
und damit die Möglichkeit, Handlungen originalgetreu<br />
durchzuführen.<br />
Lehre, Forschung, Entwicklung<br />
Die vom echten <strong>Bahn</strong>betrieb unabhängige und dennoch realistische<br />
Simulationsumgebung sowie die offenen Schnittstellen<br />
der Steuerungstechnik ermöglichen zahlreiche Anwendungen<br />
in der Forschung und Entwicklung. Insbesondere die Neu- und<br />
Weiterentwicklung von Betriebsverfahren, Stellwerkstechnologien<br />
sowie Dispositionstools und -regeln.<br />
Fazit<br />
Alle Rechte vorbehalten • <strong>Bahn</strong> Fachverlag GmbH<br />
Das große Simulationsfeld des Eisenbahnbetriebsfeldes Darmstadt<br />
bietet Verkehr- und Infrastrukturunternehmen die Möglichkeit,<br />
Mitarbeiter unter Praxisbedingungen in den Bereichen<br />
Betrieb, Disposition und Infrastruktur zu schulen. In Echtzeit, mit<br />
allem individuellen Gestaltungsspielraum der Eisenbahnwelt.<br />
Die Teilnehmer lernen, durch realistischen Simulationen in der<br />
Praxis sicherer zu handeln. n<br />
Die Technische Universität Darmstadt nutzt das EBD<br />
im Lehrbereich:<br />
n C-Übung <strong>Bahn</strong>systeme und <strong>Bahn</strong>technik (ehemals Eisenbahnbetriebliches<br />
Praktikum)<br />
n Schulung von Studenten verschiedener Studiengänge<br />
n Kleine Fahrdienstleiterausbildung (Bedienhandlungen an<br />
verschiedenen Stellwerken, Zugmeldungen, etc.)<br />
n Erweiterte Schulung, zum Beispiel besondere betriebliche Situationen<br />
(Praktikum II)<br />
in der Weiterbildung:<br />
n Schulungen für Ingenieurbüros<br />
n Veranschaulichung von Grundprinzipien des Eisenbahnwesens<br />
für Nicht-Eisenbahner<br />
in der Forschung:<br />
n Verschiedene Fachgebiete im Forschungsschwerpunkt integrierte<br />
Verkehrssysteme der TUD (zum Beispiel Arbeitswissenschaften,<br />
Geodäsie)<br />
n Zusammenspiel Infrastruktur, Betrieb, Disposition<br />
n Untersuchung neuer Betriebsweisen (ohne Probleme mit Sicherheitsfragen<br />
und Auswirkungen auf den <strong>Bahn</strong>betrieb)<br />
n Untersuchung arbeitswissenschaftlicher Fragen (zum Beispiel<br />
zur Gestaltung von Arbeitsplätzen oder Arbeitsbelastung von<br />
Mitarbeitern in Betriebszentralen)<br />
n Untersuchung von Ortungsverfahren (Nutzung des Außengeländes)<br />
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