Diakonie Zeitung - Diakonie Dresden
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An die Luft gesetzt<br />
„Was soll der Scheiß hier? Ich will nach<br />
Hause.“ „Kann ich auch länger bleiben?<br />
Hier gefällt es mir.“ Je nach Zugang waren<br />
das die Wahrnehmungen der Jungen,<br />
als sie eine Stunde allein im Wald sein<br />
sollten um zwei Fragen für sich zu beantworten:<br />
„Was will ich zurücklassen? Was<br />
will ich als nächstes erreichen?“<br />
Das Leben in der Stadt ist rasant und<br />
eindrucksvoll. Neue Wege, neue Lebensabschnitte<br />
und neue Sichtweisen entstehen<br />
oftmals nebenbei und unbewusst.<br />
Der Einzug in den ersten eigenen<br />
Wohnraum stellt im Leben eines jungen<br />
Menschen einen gewaltigen Entwicklungssprung<br />
dar. Für die Jungen und<br />
die Pädagogen war dies das Thema des<br />
diesjährigen Wintercamps. Der dreitägige<br />
Rückzug in die Sächsische Schweiz<br />
war der Versuch, diesen Schritt bewusst<br />
zu setzen.<br />
Für die Jungen ist der Auszug besetzt mit<br />
einem Gewinn an Eigenständigkeit, Freiheit<br />
und privatem Rückzugsraum. Aber<br />
auch Unsicherheiten, Ängste und viele<br />
Fragezeichen sind mit diesem behaftet.<br />
Die drei Tage unter „Männern“ in einer<br />
Bergsteigerhütte auf der Ostrauer<br />
Scheibe sollte eine Brücke bauen zwischen<br />
dem Gefühl der neuen Freiheit<br />
und den Unsicherheiten, die ein neuer<br />
Lebensabschnitt beinhaltet.<br />
Sehr hilfreich war ein ritualisierter Ablauf<br />
der Tage, wobei drauf geachtet wurde,<br />
dass ein ausgeglichenes Verhältnis<br />
zwischen notwendigem Tagesablauf,<br />
Arbeit und Entspannung vorhanden<br />
war. Je nach eigener Empfindung und<br />
Verfassung definierte jeder die Tätigkeiten<br />
individuell. Bei allen entstand ein<br />
Gefühl des gegenseitigen Respekts und<br />
der Achtung der Privatsphäre. Themen<br />
der eigenen Ernährung, Freundschaften<br />
oder Umgang mit Suchtmitteln wurden<br />
angesprochen. Die Jungen hörten<br />
voneinander wann „Mann“ mutig und<br />
„Mann“ mutlos war. Gerade im Umgang<br />
mit Mädchen und Frauen war dies ein<br />
zentrales Thema. Konnten wir auch nicht<br />
abschließend alle Fragen und Unsicherheiten<br />
aus dem Weg räumen, die Jungen<br />
haben für sich eine Idee bekommen, welchen<br />
Gewinn der eigene Wohnraum für<br />
sie bedeuten kann und an welchen Stellen<br />
Stolpersteine liegen. Martin Lembcke<br />
Das Baby verstehen<br />
Ein beweglicher Elternkurs<br />
Nach der umfangreichen Vorbereitungs- und<br />
Konzeptionsphase, fand in der Ev. Beratungsstelle<br />
Schneeberstraße der über „die-<br />
Gesellschafter.de“ geförderte erste Teil des<br />
Projektes Elternkurs: „Das Baby verstehen“<br />
statt. 7 Frauen und 2 Männer fanden sich<br />
an zwei Samstagen während der Schwangerschaft<br />
zum Hören, Reden, Fühlen in<br />
einer sehr heterogenen Gruppe zusammen.<br />
Informationen z. B. über die Entwicklung<br />
und die Fähigkeiten des Ungeborenen/<br />
des Babys und die Bindungsentwicklung<br />
wurden sehr interessiert aufgenommen<br />
und diskutiert. Sehr berührend, aber auch<br />
spannend waren die Reflexionsrunden zur<br />
eigenen Bindungsgeschichte und den Veränderungen<br />
innerhalb der Partnerschaft.<br />
Zum nachgeburtlichen Kurstag wurden die<br />
Babys vorgestellt und es gab eine lebendige<br />
Runde zu ersten Erfahrungen. Wie die<br />
Beruhigung eines Babys gelingen kann und<br />
was beim Wickeln zu beachten ist, wurde<br />
aus gegebenem Anlass von der Hebamme<br />
gezeigt. Drei Mütter entschieden sich für<br />
das Feinfühligkeitstraining, welches individuell<br />
bei ihnen zu Hause stattfand. Mit Hilfe<br />
von Videotechnik wurde das Miteinander<br />
von Mutter und Kind aufgenommen und in<br />
einem 2. Termin gemeinsam ressourcenorientiert<br />
ausgewertet.<br />
Im Rahmen der szenespezifischen Straßensozialarbeit<br />
zur Suchtprävention<br />
waren wir Anfang des Jahres in verschiedenen<br />
Jugendhäusern der Stadt <strong>Dresden</strong><br />
unterwegs, um gemeinsam mit den<br />
Jugendlichen vor Ort bei Spiel, Spaß und<br />
Wissensvermittlung das Thema Drogen<br />
und ihre Wirkungsweise hinsichtlich von<br />
Suchtgefährdung sowie gesundheitlichen<br />
Gefahren zu bearbeiten.<br />
Im „Brainstorming“ neue Wege finden<br />
Unser Anliegen, auch werdende Eltern aus<br />
sogenannten Risikogruppen in den Kurs<br />
zu integrieren, funktioniert(e) gut – gegenseitiges<br />
Lernen und Profitieren von unterschiedlichen<br />
Lebenserfahrungen wurde von<br />
den Teilnehmenden als bereichernd empfunden.<br />
Der größte Teil der Gruppe wird<br />
sich weiterhin regelmäßig in unserer Beratungsstelle<br />
treffen, um sich über Fragen,<br />
Probleme, Erfahrungen auszutauschen. Der<br />
nächste Elternkurs beginnt im Juni 2008.<br />
Martina Kleppisch<br />
Dabei gab es viel neues für die Jugendlichen:<br />
• eine Rausch-Rallye mit sogenannten<br />
Rausch-Brillen (diese simulieren einen<br />
Alkoholrausch von 1,5 Promille)<br />
• einen Erste-Hilfe-Kurs für den Drogennotfall<br />
• Flyer und Infomaterial<br />
• unsere Saftbar mit vielen verschiedenen<br />
alkoholfreien Cocktails<br />
• diverse Spiele zur Wissensvermittlung<br />
und Einschätzung der eigenen Suchtgefährdung<br />
Im Nachgang kann gesagt werden, dass<br />
wir über 300 Jugendliche in diesen Wochen<br />
erreicht haben und bei den Jugendlichen<br />
den einen oder anderen Denkanstoß hinterließen.<br />
Seit März sind wir mit diesem Angebot<br />
wieder stadtweit auf den Straßen und<br />
Plätzen unterwegs, also an Orten, an<br />
denen sich die Jugendlichen in ihrer Freizeit<br />
treffen.<br />
Martin Lembcke<br />
1. Ausgabe Juni 2008 12 13<br />
Besser mit<br />
Nächstenliebe<br />
Gedanken zum Leitspruch -<br />
5 Jahre danach.<br />
Die Zeit vergeht – der Leitspruch bleibt.<br />
Bleibt er auch gültig oder nur auf dem<br />
Schlüsselanhänger?<br />
Bleibt er von Bedeutung oder bleibt er nur<br />
zurück – irgendwo?<br />
Immerhin, eine Gruppe von ca. 20<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat über<br />
viele Monate bis Ende 2003 viel Kraft und<br />
Zeit investiert, um ein geeignetes Leitbild<br />
für die <strong>Diakonie</strong> - Stadtmission <strong>Dresden</strong><br />
zu entwickeln. Zwischendurch wurde die<br />
Belegschaft auf dem Laufenden gehalten und<br />
um Rückmeldung gebeten. Am 18.12.2003<br />
dann wurde das Leitbild im gottesdienstlichen<br />
Rahmen offiziell für alle Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der <strong>Diakonie</strong> - Stadtmission<br />
<strong>Dresden</strong> eingeführt und der Leitspruch veröffentlicht.<br />
„Besser mit Nächstenliebe“<br />
Nun gab es von Anfang an 2 Grundrichtungen<br />
im Verständnis des Leitspruches. Sie wurden<br />
damals diskutiert, aber sie bleiben bis heute<br />
beide erhalten.<br />
Zum einen im Sinne von: Wir sind „Besser,<br />
weil wir mit Nächstenliebe“ arbeiten,<br />
Rausch im Jugendhaus „No Addiction“<br />
... ich bin der Saftladen der<br />
Szenespezifischen Straßensozialarbeit<br />
zur Suchtprävention<br />
und ich habe im<br />
Mai meinen 1. Geburtstag.<br />
Meine ErfinderInnen hatten sich vor meiner<br />
Geburt gedacht, dass ich für die Jugendlichen<br />
der Stadt <strong>Dresden</strong> da sein soll.<br />
Gemeinsam im Gottesdienst am Gründonnerstag 2008 in der Dreikönigskirche<br />
zum anderen im Sinne von: Wir sind „Besser,<br />
wenn wir mit Nächstenliebe“ arbeiten.<br />
Die Kritik, die wir nach dem Verständnis<br />
der Variante 1 ernteten, ist logisch. Denn so<br />
verstanden ist es eher ein Werbeslogan, der<br />
Kunden bringen soll. Er könnte vorgaukeln,<br />
als bestünde die ganze Stadtmission nur<br />
aus Nächstenliebe. Dabei weiß jeder, dass<br />
Aushängeschilder noch nicht das sind, was<br />
drin ist.<br />
Das Verständnis nach Variante 2 ist ganz<br />
anders. Hier geht es um eine Zielvorstellung.<br />
Ja nun ... wie jetzt ... für die Jugendlichen<br />
der Stadt? Was habe ich denn für Möglichkeiten,<br />
wenn ich ein Laden für Säfte bin???<br />
Welcher Jugendliche interessiert sich für<br />
gesunde, einfache Säfte? Die Leute sagen<br />
doch alle, dass Jugendliche immer nur<br />
Mixery und Alkopops trinken. Da kann ich<br />
doch nicht mithalten.<br />
Außer ... ich biete meine Säfte als leckere,<br />
bunte und preiswerte Cocktails an ... natürlich<br />
alkoholfrei, weil die ja schließlich für die<br />
Jugendlichen sein sollen.<br />
Dazu frisches Obst, Trinkhalm und ein fetziges<br />
Schirmchen am Becherrand ... das<br />
muss die Jugendlichen doch ansprechen.<br />
Dazu stehen dann meine ErfinderInnen mit<br />
mir herum, die mit den Jugendlichen über<br />
Suchtgefahren und so`n Zeugs reden.<br />
Das war die Idee!<br />
Und jetzt habe ich schon einige Einsätze<br />
innerhalb des letzten Jahres mitgemacht<br />
und stelle fest – die Jugendlichen mögen<br />
mich! Und besonders auf Festen, wo gerne<br />
Alkohol getrunken wird, kam ich bisher<br />
erstaunlich gut an. Und darauf bin ich<br />
stolz!!!<br />
Martin Lembcke<br />
„So wollen wir arbeiten“. Der Vorteil<br />
dieses Verständnisses ist, dass das<br />
ganze Leitbild damit auch dann gültig<br />
bleibt, wenn wir es nicht schaffen, ihm<br />
gerecht zu werden. Es ist eben Leitbild,<br />
ein Bild, was uns leiten soll.<br />
Mit diesem Verständnis bleiben wir<br />
herausgefordert, uns damit zu beschäftigen,<br />
was Nächstenliebe ist, woher sie<br />
kommt und wie sie erlebbar gemacht<br />
werden kann.<br />
Und dass die Erscheinungsformen<br />
der Nächstenliebe in den unterschiedlichen<br />
Bereichen wie Beratung,<br />
Pädagogik, Pflege, Therapie, Begleitung,<br />
Verwaltung oder Leitungsverantwortung<br />
entsprechend anders<br />
konkret werden müssen, ist, so glaube<br />
ich, einleuchtend. Und dennoch,<br />
Nächstenliebe ist nicht eine Frage der<br />
Methode, sondern der persönlichen<br />
Haltung. Sie lässt sich nicht einbauen,<br />
einschalten oder verordnen. Sie kann<br />
sogar missverstanden werden. Darum<br />
bleibt der Leitspruch von Bedeutung,<br />
zunächst im Sinne des Zieles, dass wir<br />
Nächstenliebe praktizieren wollen, …in<br />
Gedanken, Worten und Werken. Und<br />
beginnen muss damit jeder selbst.<br />
Erst dann, …wenn irgendwann…,<br />
unsere Klienten sagen: „Eure Arbeit ist<br />
besser. Da erlebe ich Nächstenliebe“,<br />
dann wäre es kein Aushängeschild<br />
ohne Inhalt mehr, sondern die beste<br />
Form aller Werbung überhaupt. Auch<br />
das Verständnis nach Variante 1 wäre<br />
dann gerechtfertigt. Ich denke, nur<br />
so funktioniert es und macht es Sinn.<br />
Oder sollte alle Arbeit am Leitbild von<br />
Anfang an so gedacht gewesen sein?<br />
Ihr/Euer Rolf Thielemann<br />
P.S. Wenn uns das Leitbild weiter<br />
bewegen soll, dann ist die DIAKONIE<br />
<strong>Zeitung</strong> die Chance, etwas zu schreiben,<br />
natürlich nur, ...was uns bewegt.<br />
Wir bitten um weitere Beiträge zum<br />
Thema Leitbild.