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Vortrag - Deutsch Polnische Gesellschaft in Franken

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Ich komme nochmals zurück auf me<strong>in</strong>e persönlichen Bezüge und<br />

Impulse.<br />

III<br />

E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Bezugspunkt war die Literatur. Auch Begegnungen<br />

mit der Literatur s<strong>in</strong>d Begegnungen mit dem Nachbarn.<br />

Czesław Miłosz, Leszek Kołakowski, Jerzy Lec, Tadeusz Różewicz,<br />

Jerzy Andrzejewski. E<strong>in</strong> Gedicht, das ich ausgerechnet während me<strong>in</strong>er<br />

Arbeitszeit im Irak 1981 von Różewicz aus e<strong>in</strong>er deutschen<br />

Tageszeitung ausschnitt, trage ich bis heute bei mir im Geldbeutel. Von<br />

Andrzejewski bee<strong>in</strong>druckte mich besonders neben se<strong>in</strong>em Roman<br />

„Karwoche“ se<strong>in</strong>e großartige Erzählung „Die Söhne“ von 1946, die alles<br />

be<strong>in</strong>haltet, was man als <strong>Deutsch</strong>er wissen sollte. Persönliches Schicksal<br />

und Geschichte auf wenigen Seiten ausgebreitet. Zur Handlung: E<strong>in</strong><br />

nicht mehr junges Ehepaar, er Gymnasiallehrer, kehren aus<br />

Zwangsarbeiterschaft und Lagerhaft <strong>in</strong> das zerstörte Warschau zurück,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zerstörte Wohnung, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> zerstörtes Haus, nur notdürftig<br />

e<strong>in</strong>gerichtet. Ihr e<strong>in</strong>ziger Sohn ist im Aufstand <strong>in</strong> dem legendären Kampf<br />

um das Fernmeldehochhaus gefallen. Als die Frau wieder aus der<br />

Ru<strong>in</strong>enwohnung aufbricht, um das Grab zu suchen, sagt der Mann: „Geh<br />

schon - immer wolltest du ihn nur für dich haben, das war schon immer<br />

so“ Vom Vorwurf des Mannes getroffen, antwortet sie nicht und macht<br />

sich wortlos auf die Suche. Diese Suche wird zum Fiasko, sie sucht <strong>in</strong><br />

Innenhöfen Soldatenfriedhöfe ab, f<strong>in</strong>det oft nur Zerstörung. Endlich muss<br />

sie feststellen, dass ausgerechnet das Grab des Sohnes im<br />

vollgelaufenen Krater e<strong>in</strong>es Bombentrichters untergegangen ist. Sie<br />

schleppt sich zurück und berichtet ihrem Mann. Der erwidert, „ich hätte<br />

das heute morgen nicht zu dir sagen dürfen, Helenka..“ Weiter heißt es<br />

im Text: Sie stellte den Teller beiseite. Dann trat sie zu ihm. Neben der<br />

Matratze stand e<strong>in</strong> Stuhl. Sie setzte sich auf den Rand. „Es war me<strong>in</strong>e<br />

Schuld“ sagte sie halblaut. Er hob die Lider und machte e<strong>in</strong>e Bewegung,<br />

als wollte er sich aufrichten. Aber sie beugte sich im selben Augenblick<br />

über ihn und streichelte se<strong>in</strong>e abgemagerte Hand. „Wir sollten jetzt gut<br />

zue<strong>in</strong>ander se<strong>in</strong>, me<strong>in</strong> Adam“ sagte sie sanft.<br />

Diese beiden Ebenen der Geschichte, die e<strong>in</strong>e dem Krieg geschuldet,<br />

die andere auf ganz privater zwischenmenschlicher Ebene angesiedelt,<br />

verschmelzen bei Andrzejewski zu e<strong>in</strong>em Schicksal und ich spürte: Das<br />

ist große Literatur.<br />

E<strong>in</strong> weiteres kle<strong>in</strong>es Buch ist die Novelle „Höhenflug“ von Jarosław<br />

Iwaszkiewicz. Die Erlebnisse e<strong>in</strong>es Mannes, der rückblickend das Jahr<br />

1942 als zehnjähriger Waisenjunge erleben muss. Er wird Augenzeuge<br />

an e<strong>in</strong>em Mord von deutschen Polizisten an zwei Jüd<strong>in</strong>nen auf e<strong>in</strong>em<br />

Bahnsteig. Sie werden „e<strong>in</strong>fach so“ erschossen. Der Junge, jetzt als

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