Huf-Ansichten - EBETA. Schule für Hufpflege und Huftechnik
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freizeit im sattel 11-2003<br />
<strong>Huf</strong>-<strong>Ansichten</strong><br />
Schauen Sie sich die <strong>Huf</strong>e mal von der Seite an: Stimmen<br />
Form <strong>und</strong> Winkelung? So schulen Sie Ihren Blick.<br />
Die Betrachtung der <strong>Huf</strong>form von der Seite scheint eine einfache Angelegenheit<br />
zu sein – doch gerade hier ist genaues Hinsehen wichtig. Denn Ungenauigkeiten<br />
in der Bearbeitung <strong>und</strong> Asymmetrien führen zu Problemen<br />
im Bewegungsablauf <strong>und</strong> zu einer Verformung der Hornkapsel. Deshalb ist<br />
ein genauer Blick auf die Form des <strong>Huf</strong>es von der Seite gesehen notwendig.<br />
Dabei darf man den <strong>Huf</strong> nicht isoliert betrachten, denn dieser ist das Endorgan<br />
der Gliedmaße des Lauftiers Pferd: An dieser Stelle wirken sich auch<br />
alle vorhandenen oder entstehenden Unregelmäßigkeiten aus.<br />
Die Hornkapsel ist verformbar <strong>und</strong> zeigt bei Fehlbelastungen Abweichungen<br />
von der regelmässigen Form. Außerdem hat der <strong>Huf</strong>bearbeitende Einfluss<br />
auf die Form <strong>und</strong> verstärkt bei falscher Bearbeitung die Asymmetrien.<br />
Passt der <strong>Huf</strong> zum Fesselstand?<br />
Die wichtigste Gr<strong>und</strong>regel <strong>für</strong> die seitliche Betrachtung ist, ob der <strong>Huf</strong> zum<br />
Fesselstand passt. Das bedeutet, dass die gedachte Linie durch die Mitte der<br />
Zehenknochen <strong>und</strong> -gelenke ungebrochen verläuft (siehe Zeichnung).<br />
Dies ist eine an sich einfache Regel, vor allem, wenn man die dazu passenden<br />
Abbildungen aus dem Lehrbuch betrachtet. Steht man jedoch am Pferd,<br />
kann die Kontrolle durchaus Schwierigkeiten bereiten: Gekrümmte Wandverläufe,<br />
starke Behaarung im Fesselbereich, eine vorder- oder rückbiegige<br />
Stellung der Gliedmaßen oder eine schlechte Aufstellung des Pferdes können<br />
eine Beurteilung erschweren oder zu fehlerhaften Ergebnissen führen.<br />
Parallele Linien?<br />
Die zweite Regel <strong>für</strong> den <strong>Huf</strong>experten, die unmittelbar mit der ersten<br />
zusammenhängt, ist das Beachten der Parallelität von Zehen-, Fessel- <strong>und</strong><br />
Trachtenlinie (siehe Zeichnung). Gerade hier zeigen sich häufig Abweichungen:<br />
Typisch ist zum Beispiel die flachere Trachtenlinie bei untergeschobenen<br />
Trachten <strong>und</strong> ein paralleler, flacherer Verlauf von Zehen- <strong>und</strong> Trachtenlinie<br />
gegenüber der Fessellinie bei einem spitzen <strong>Huf</strong>.<br />
Winkel zum Boden?<br />
Eine dritte Orientierung ist der Winkel, den die Zehenwand mit der Bodenfläche<br />
bildet. Dieser Winkel bietet immer wieder Anlass zu Diskussionen,<br />
weil in den Lehrbüchern fast durchgängig von einem Winkel zwischen 45<br />
<strong>und</strong> 50 Grad <strong>für</strong> den Vorderhuf <strong>und</strong> 50 bis 55 Grad <strong>für</strong> den Hinterhuf die<br />
Rede ist. Bei vielen Pferden sind diese Werte jedoch nicht nachzuvollziehen:<br />
An den Vorderhufen liegt eine gute Winkelung bei 52 bis 56 Grad, an den<br />
Hinterhufen zwischen 54 <strong>und</strong> 58 Grad.<br />
Der <strong>Huf</strong>winkel ergibt sich letzten Endes aus den ersten beiden Regeln. Sind<br />
diese erfüllt, ist auch der Zehenwandwinkel <strong>für</strong> dieses Pferd der richtige,<br />
auch wenn dieser knapp unter- oder oberhalb des angegebenen Bereichs<br />
von Dipl. Ing. Boris Eberhard, <strong>Huf</strong>techniker GdHK<br />
Fessellinie<br />
Zehenlinie<br />
Trachtenlinie<br />
Die drei Orientierungslinien <strong>für</strong> die<br />
•<br />
<strong>Huf</strong>bearbeitung:<br />
Die Zehenlinie verläuft entlang<br />
•<br />
der Zehenwand,<br />
die Fessellinie durch Fessel-,<br />
•<br />
Kron- <strong>und</strong> <strong>Huf</strong>bein,<br />
die Trachtenlinie entlang der<br />
Trachtenwand.<br />
Alle drei Linien sollen parallel verlaufen,<br />
damit Zehen- <strong>und</strong> Trachtenbereich<br />
gleichmäßig belastet werden. Dieses<br />
Ideal dient zur Orientierung <strong>für</strong> eine<br />
korrekte <strong>Huf</strong>bearbeitung.<br />
Bei diesem linken Vorderhuf verlaufen die<br />
gedachten Orientierungslinien in idealer<br />
Weise parallel. Dadurch sind die Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> eine gleichmässige<br />
Verteilung der Belastung von Zehen- <strong>und</strong><br />
Trachtenbereich optimal. Damit dieser<br />
gute Zustand dauerhaft erhalten bleibt,<br />
sollte der (Alu)Beschlag nach etwa sechs<br />
Wochen gewechselt wird.
liegt. In erster Linie dient das Messen des Zehenwandwinkels der Kontrolle: Ein sorgfältiger <strong>Huf</strong>experte wird<br />
seine Arbeit immer wieder mit dem Winkelmesser überprüfen, auch wenn oft behauptet wird, dass ein Experte<br />
die Gleichmäßigkeit auch so sieht.<br />
Gerader Verlauf der Zehen- <strong>und</strong> Trachtenwand<br />
In der praktischen Arbeit spielt also die Orientierung an den oben angegebenen Linien die entscheidende Rolle.<br />
Zehen- <strong>und</strong> Trachtenwand müssen dabei einen geraden Verlauf zeigen: Zeigt zum Beispiel die Zehenwand eine<br />
Krümmung oder einen Knick, so muss dies durch Beraspeln von außen begradigt werden (strecken der Wand<br />
Auch nach der Bearbeitung laufen nicht<br />
alle drei Linien parallel: Die Zehenlinie<br />
verläuft nach dem Strecken der Wand<br />
zwar parallel zur Fessellinie; die Trachtenlinie<br />
jedoch flacher, was eine Überbelastung<br />
der Trachten zur Folge hat. Gerade<br />
wenn ein Pferd im Laufe von Jahren<br />
durch Versäumnisse in der <strong>Huf</strong>pflege<br />
untergeschobene Trachten entwickelt<br />
hat, kann eine Bearbeitung diese nicht<br />
ausgleichen.<br />
Auch nach der Bearbeitung laufen nicht<br />
alle drei Linien parallel: Die Zehenlinie<br />
verläuft nach dem Strecken der Wand<br />
zwar parallel zur FesselliniExtrem verformter<br />
<strong>Huf</strong> bei einem Pony aufgr<strong>und</strong> von<br />
<strong>Huf</strong>rehe <strong>und</strong> zusätzlich starker vernachlässigter<br />
<strong>Huf</strong>behandlung. Dieser <strong>Huf</strong> ist<br />
insgesamt deutlich zu lang <strong>und</strong> kann<br />
stark gekürzt werden. Sowohl Zehen- als<br />
auch Trachtenwand verlaufen in einem<br />
deutlichen Bogen nach vorne. Die Zehenwand<br />
kann durch strecken begradigt<br />
werden, die Trachtenwand durch kürzen:<br />
Dann erhält man wieder eine regelmäßigere<br />
<strong>Huf</strong>form <strong>und</strong> optimiert damit auch<br />
wieder die Lage des <strong>Huf</strong>beins zum Boden<br />
(Röntgenkontrolle notwendig).<br />
Hier verläuft die Zehenlinie zu spitz<br />
gegenüber dem Fesselstand, die Trachtenlinie<br />
indes verläuft noch flacher,<br />
was durch den sehr knappen Beschlag<br />
(er endet mit der Trachtenwand) noch<br />
gefördert wird. Durch diese <strong>Huf</strong>form wird<br />
der Sehnenapparat im hinteren Bereich<br />
der Gliedmaße <strong>und</strong> der Bereich des<br />
Strahlbeins stark überbeansprucht. Abhilfe<br />
kann dadurch geschaffen werden,<br />
dass man einen Beschlag mit größerer<br />
Trachtenunterstützung (etwa geschlossener<br />
Beschlag) anbringt. Zusätzlich muss<br />
hier die Zehe gekürzt <strong>und</strong> der Beschlag<br />
mit einer starken Zehenrichtung (eventuell<br />
Natural Balance Shoe-Beschlag mit<br />
geradem Zehenteil) versehen werden.<br />
Trachten- <strong>und</strong> Zehenlinie verlaufen bei<br />
diesem Pferd parallel, doch leider ist die<br />
Fessellinie flacher als diese beiden. Daher<br />
verfügt der <strong>Huf</strong> über eine stumpfe, aber<br />
dennoch sehr regelmässige Form von der<br />
Seite. Solche <strong>Huf</strong>e können eine Trachtenfußung<br />
zeigen. Ist dies der Fall, sollte der<br />
<strong>Huf</strong>experte die Trachtenwände in kurzen<br />
Abständen vorsichtig kürzen.<br />
Auch bei diesem <strong>Huf</strong> ist die Zehenwand<br />
zu spitz gewinkelt infolge von Vernachlässigung.<br />
Die Zehenwand verläuft<br />
hier im konvexen Bogen <strong>und</strong> wird<br />
im unteren Bereich der Wand immer<br />
spitzer. Die Trachtenwand hingegen<br />
verläuft etwa parallel zum oberen Bereich<br />
der Zehenwand. Beide Linien sind<br />
deutlich flacher als die Fessellinie. Bei<br />
diesem Pferd lässt sich die geforderte<br />
Parallelität der Linien wiederherstellen,<br />
indem die Zehenwand stark von außen<br />
gestreckt <strong>und</strong> der Zehenbereich von<br />
unten stärker gekürzt wird. Um eine<br />
dauerhaft gute <strong>Huf</strong>form zu erhalten,<br />
ist eine regelmäßige Bearbeitung alle<br />
sechs bis acht Wochen notwendig.
durch Bearbeitung mit der <strong>Huf</strong>raspel: Legt man dann ein Lineal an die <strong>Huf</strong>wand, liegt es parallel zu dieser).<br />
Anders ist es, wenn die Trachtenwand gekrümmt nach vorne verläuft: Dieser Fall liegt beispielsweise bei untergeschobenen<br />
oder eingerollten Trachten vor. Hier führt nur ein Kürzen der Trachtenwand zu einem gestreckteren<br />
Verlauf. Nicht immer ist das in ausreichendem Maße möglich. Dann müssen die Bearbeitungsintervalle kurz<br />
gehalten werden (etwa vier Wochen), um wieder einen korrekten, geraden Verlauf der Trachtenlinie zu erzielen.<br />
Häufig ist in diesem Fall auch ein <strong>Huf</strong>schutz notwendig, weil die Pferde in der Regel fühlig laufen.<br />
Rehehuf korrigieren<br />
Ein anderes Beispiel hier<strong>für</strong> ist der typische chronische Reheknollhuf, bei dem die Zehenwand in der Regel einen<br />
deutlichen Knick in der oberen Hälfte der Hornkapsel zeigt, die Trachtenwand dagegen einen gekrümmten bis<br />
geraden Verlauf bei sehr stumpfer Winkelung zum Boden. Hier muss der <strong>Huf</strong> ebenfalls durch Strecken der Zehenwand<br />
<strong>und</strong> gleichzeitiges Kürzen der Trachtenwand allmählich in die korrekte Form zurückgeführt werden.<br />
Bei dieser <strong>Huf</strong>form beobachtet man zusätzlich eine Trachtenfußung; diese wird nach dem Rückführen der<br />
veränderten <strong>Huf</strong>form in die regelmäßige ebenfalls verschw<strong>und</strong>en sein. Ähnlich ist die Situation, wenn die Linien<br />
von Zehenwand <strong>und</strong> Trachten zwar gerade verlaufen, die Trachtenlinie aber flacher ist. Auch hier muss die<br />
Trachtenwand vorsichtig gekürzt werden. Häufig empfiehlt sich dann ein Kunsthornaufbau der Trachtenwand<br />
plus <strong>Huf</strong>schutz, um eine zu spitze Winkelung des <strong>Huf</strong>es zu vermeiden. Dabei kann sowohl ein geklebter als<br />
auch ein genagelter <strong>Huf</strong>schutz zum Einsatz kommen. Ein hinten geschlossener Beschlag (Stegbeziehungsweise<br />
Bar-Beschlag, umgekehrter Beschlag) empfiehlt sich, um den Trachtenbereich zu unterstützen. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ist anzumerken, dass ein gekrümmter Verlauf von Trachten- oder Zehenwand immer auf eine Vernachlässigung<br />
zurückzuführen ist, meist weil die <strong>Huf</strong>e nicht in korrekten Zeitintervallen bearbeitet werden. In manchen Fällen<br />
sind natürlich auch Bearbeitungsfehler die Ursache <strong>für</strong> ein solches Ergebnis.