LBO 2010: Neuerungen im Abstandsflächenrecht Erfahrungen aus ...
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<strong>LBO</strong> <strong>2010</strong>: <strong>Neuerungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Abstandsflächenrecht</strong><br />
<strong>Erfahrungen</strong> <strong>aus</strong> der Praxis<br />
Dipl.-Ing. (FH) Stefan Reinhart<br />
Vermessungsbüro Hils<br />
Lazarettstraße 10<br />
70180 Stuttgart<br />
Telefon 07 11-2 10 01-0<br />
reinhart@hils.net<br />
Zusammenfassung<br />
Die Novellierung der Landesbauordnung vom<br />
08.08.1995 trat am 01.03.<strong>2010</strong> in Kraft.<br />
Für Vermessungsingenieure sind besonders<br />
die Änderungen in folgenden Paragraphen<br />
von Interesse: §§ 5 – 7 Abstandsflächen, § 8<br />
Teilung von Grundstücken sowie <strong>im</strong> § 55 die<br />
Benachrichtigung der angrenzenden Eigentümer.<br />
Gliederung<br />
I. § 5 Abstandsflächen<br />
II. § 6 Abstandsflächen in Sonderfällen<br />
III. § 7 Übernahme von Abständen und<br />
Abstandsflächen auf Nachbargrundstücke<br />
IV. § 8 Teilung von Grundstücken<br />
V. § 55 Nachbarbeteiligung<br />
Änderungen <strong>im</strong> <strong>Abstandsflächenrecht</strong><br />
Die für den Vermessungsingenieur bedeutendste<br />
Änderung betrifft das <strong>Abstandsflächenrecht</strong>.<br />
Vereinfacht <strong>aus</strong>gedrückt bedeutet dies: Es<br />
gibt nur noch den nachbarschützenden Teil.<br />
Die Abstandsfläche der Giebelfläche, bei<br />
einer größeren Dachneigung als 45°, berechnet<br />
sich durch das Verhältnis von Giebelfläche<br />
zur gedachten Gesamtfläche und anschließender<br />
Multiplikation mit der halben<br />
Höhe des Giebels. Zusätzlich muss die Höhe<br />
des Gebäudes bis zum Traufpunkt und der<br />
Faktor der Abstandsfläche berücksichtigt<br />
werden.<br />
8 - 1<br />
Im Folgenden werden die einzelnen Paragraphen<br />
erläutert und analog zum Vortrag mit<br />
Beispielen interpretiert.<br />
I. § 5 Abstandsflächen<br />
(1) Vor den Außenwänden von baulichen Anlagen<br />
müssen Abstandsflächen liegen, die<br />
von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten<br />
sind. Eine Abstandsfläche ist<br />
nicht erforderlich vor Außenwänden an<br />
Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen<br />
Vorschriften<br />
1. an die Grenze gebaut werden muss,<br />
es sei denn, die vorhandene Bebauung<br />
erfordert eine Abstandsfläche,<br />
oder<br />
2. an die Grenze gebaut werden darf<br />
und öffentlich-rechtlich gesichert ist,<br />
dass auf dem Nachbargrundstück<br />
ebenfalls an die Grenze gebaut wird.<br />
Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist<br />
nicht erforderlich, wenn nach den<br />
Festsetzungen einer abweichenden<br />
Bauweise unabhängig von der Bebauung<br />
auf dem Nachbargrundstück<br />
an die Grenze gebaut werden darf.<br />
(2) Die Abstandsflächen müssen auf dem<br />
Grundstück selbst liegen. Sie dürfen auch<br />
auf öffentlichen Verkehrsflächen, öffentlichen<br />
Grünflächen und öffentlichen Wasserflächen<br />
liegen, bei beidseitig anbaubaren<br />
Flächen jedoch nur bis zu deren Mitte.
(3) Die Abstandsflächen dürfen sich nicht<br />
überdecken. Dies gilt nicht für Abstandsflächen<br />
von Außenwänden, die in einem<br />
Winkel von mehr als 75° zueinander stehen.<br />
(4) Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich<br />
nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht<br />
zur jeweiligen Wand gemessen. Als<br />
Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt<br />
der Wand mit der Geländeoberfläche bis<br />
zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut<br />
oder bis zum oberen Abschluss der<br />
Wand. Ergeben sich bei einer Wand durch<br />
die Geländeoberfläche unterschiedliche<br />
Höhen, ist die <strong>im</strong> Mittel gemessene<br />
Wandhöhe maßgebend. Sie ergibt sich<br />
<strong>aus</strong> dem arithmetischen Mittel der Höhenlage<br />
an den Eckpunkten der baulichen Anlage;<br />
liegen bei einer Wand die Schnittpunkte<br />
mit der Dachhaut oder die oberen<br />
Abschlüsse verschieden hoch, gilt dies für<br />
den jeweiligen Wandabschnitt.<br />
(5) Auf die Wandhöhe werden angerechnet<br />
1. die Höhe von Dächern oder Dachaufbauten<br />
mit einer Neigung von mehr<br />
als 70° voll und von mehr als 45° zu<br />
einem Viertel,<br />
2. die Höhe einer Giebelfläche gar nicht,<br />
soweit kein Teil der Dachfläche eine<br />
größere Neigung als 45° aufweist, <strong>im</strong><br />
Übrigen zur Hälfte des Verhältnisses,<br />
in dem ihre tatsächliche Fläche zur<br />
gedachten Gesamtfläche einer rechteckigen<br />
Wand mit denselben Max<strong>im</strong>alabmessungen<br />
steht; die Giebelfläche<br />
beginnt an der Horizontalen<br />
durch den untersten Schnittpunkt der<br />
Wand mit der Dachhaut,<br />
3. bei Windenergieanlagen nur die Höhe<br />
bis zur Rotorachse, wobei die Tiefe<br />
der Abstandsfläche mindestens der<br />
Länge des Rotorradius entsprechen<br />
muss.<br />
8 - 2<br />
Vermessungsingenieurtag <strong>2010</strong><br />
Landmanagement<br />
(6) Bei der Bemessung der Abstandsfläche<br />
bleiben außer Betracht<br />
1. untergeordnete Bauteile wie Ges<strong>im</strong>se,<br />
Dachvorsprünge, Eingangs- und Terrassenüberdachungen,<br />
wenn sie nicht<br />
mehr als 1,5 m vor die Außenwand<br />
vortreten,<br />
2. Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone,<br />
Tür- und Fenstervorbauten, wenn<br />
sie nicht breiter als 5 m sind, nicht<br />
mehr als 1,5 m vortreten und von<br />
Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt<br />
bleiben.<br />
(7) Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt<br />
1. allgemein 0,4 der Wandhöhe,<br />
2. in Kerngebieten, Dorfgebieten und in<br />
besonderen Wohngebieten 0,2 der<br />
Wandhöhe,<br />
3. in Gewerbegebieten und in Industriegebieten,<br />
sowie in Sondergebieten,<br />
die nicht der Erholung dienen, 0,125<br />
der Wandhöhe. Sie darf jedoch 2,5 m,<br />
bei Wänden bis 5 m Breite 2 m nicht<br />
unterschreiten.<br />
In den Absätzen 1-4 des Paragraphen 5 wurden<br />
die abstandsrelevanten baulichen Anlagen<br />
neu zusammengefasst. Das Wort Gebäude<br />
wurde durch den Begriff „bauliche Anlage“<br />
ersetzt. Damit konnte der bisherige Absatz<br />
9 des Paragraphen 5 entfallen, der bisher<br />
Abstandsflächen für bauliche Anlagen<br />
(z. B. Wände) vorsah, wenn diese die vorgegebenen<br />
D<strong>im</strong>ensionen überschritten.<br />
§ 5 Absatz 5 beschreibt in erster Linie die<br />
Anrechnung von Dächern auf die Wandhöhe<br />
und wurde komplett geändert. Es ist zu unterscheiden<br />
zwischen Giebel und Dach. Ein<br />
Walmdach hat keine Giebelseite, deshalb ist<br />
für die Berechnung der Abstandsfläche nur<br />
§ 5 Absatz 5, Nr. 1 anzuwenden. Dachflächen<br />
werden voll angerechnet bei einer<br />
Dachneigung > 70°. Bei Dachneigungen zwischen<br />
45° und 70° wird die Höhe des Daches<br />
zu einem Viertel angerechnet. Die Höhe des<br />
Daches bezeichnet den senkrechten Abstand<br />
des Firstes oder der obersten Begrenzung
<strong>LBO</strong> <strong>2010</strong>: <strong>Neuerungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Abstandsflächenrecht</strong><br />
<strong>Erfahrungen</strong> <strong>aus</strong> der Praxis<br />
des Daches von der Horizontalen durch den<br />
Traufpunkt. Als Traufpunkt ist der Schnitt der<br />
aufsteigenden Wand mit der Dachhaut definiert.<br />
Die Berechnung der Wandhöhe hat sich<br />
nicht geändert.<br />
Bei den in § 5 Absatz 5 erwähnten Dachaufbauten<br />
sind in erster Linie Dachgauben zu<br />
nennen. Dachgauben beginnen hinter einigen<br />
Reihen Ziegeln, eine Dachgaube die in der<br />
Flucht der Außenwand des Gebäudes beginnt,<br />
ist keine Dachgaube. Der Dachaufbau<br />
ist ebenso wie die Dachgaube bei der Ermittlung<br />
der Abstandsflächen zu berücksichtigen.<br />
Dachgauben können je nach Lage auf dem<br />
Dach auch seitliche Abstandsflächen erzeugen.<br />
Folgende Skizzen sollen die Berechnung der<br />
Abstandsfläche verdeutlichen.<br />
Abstandsfläche Satteldach<br />
Die neue Berechnung der Dachfläche unterscheidet<br />
sich nicht von der alten Berechnung.<br />
In diesem Beispiel errechnet sich die Abstandsfläche<br />
wie folgt:<br />
3,<br />
50 m<br />
<br />
4<br />
0,<br />
875<br />
m<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche<br />
Der Faktor ist vom <strong>aus</strong>gewiesenen Baugebiet<br />
abhängig.<br />
8 - 3<br />
Sollte die Dachneigung steiler als 70° sein,<br />
so wird die Höhe der Dachfläche komplett<br />
mitgerechnet.<br />
Abstandsfläche Walmdach:<br />
Für Walmdächer gibt es in § 5 keine besondere<br />
Regelung, da Walmdächer eine Kombination<br />
<strong>aus</strong> Dach- und Giebelflächen darstellen.<br />
Dementsprechend sind die Regelungen<br />
für Dach-, oder Giebelflächen anzuwenden.<br />
Im Beispiel ist die Berechnung für die Dachfläche<br />
erläutert.<br />
Berechnung alt:<br />
5,<br />
70 m<br />
<br />
4<br />
4<br />
0,<br />
36<br />
m<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche<br />
Berechnung neu:<br />
5,<br />
70 m<br />
<br />
4<br />
4<br />
0,<br />
36<br />
m<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche<br />
Es gibt auch weiterhin die Möglichkeit, die<br />
zweite Dachneigung mit einem zusätzlichen<br />
Viertel zu berücksichtigen.
Abstandsfläche Dachaufbauten<br />
Dieses Beispiel soll die Ermittlung der Abstandsfläche<br />
einer Gaube zeigen. Die Auskragung<br />
der Dachgaube bemisst sich senkrecht<br />
zur Dachfläche.<br />
Die Berechnung der Abstandsfläche bei<br />
Dachgauben ist unverändert. Die Gaube<br />
entwickelt Abstandsflächen in Richtung des<br />
Daches, aber auch in Giebelrichtung.<br />
Die Dachfläche der Dachgaube selbst entwickelt<br />
keine eigene Abstandsfläche, da die<br />
Dachneigung der Gaube < 45° beträgt. Für<br />
die Abstandsfläche des Daches ist nur die<br />
Wandhöhe bis zum Traufpunkt zu berücksichtigen.<br />
Die Abstandsfläche der Dachgaube<br />
berechnet sich senkrecht zur Wand des<br />
Dachaufb<strong>aus</strong>, nachfolgend ein Beispiel:<br />
Berechnung:<br />
Als Faktor für die Berechnung der Abstandsfläche<br />
ist ein Wert von 0,4 angesetzt.<br />
Abstandsfläche Wand (ohne Gaube):<br />
0,4 5,80 m = 2,32 m<br />
Die Mindestabstandsfläche von 2,50 m ist<br />
jedoch einzuhalten.<br />
Abstandsfläche Gaube (Wand mit Gaube):<br />
0,4 (5,80 m + 2,50 m)<br />
= 3,32 m – 0,80 m =2,52 m<br />
8 - 4<br />
Vermessungsingenieurtag <strong>2010</strong><br />
Landmanagement<br />
Im Bereich der Dachgaube ist die Höhe der<br />
Dachgaube für die Abstandsfläche maßgeblich.<br />
Im Bereich des Daches selbst die Mindestabstandsfläche<br />
von 2,50 m.<br />
Die Berechnung der Giebelfläche ist komplizierter.<br />
Keine Anrechnung erfolgt, wenn die Dachneigung<br />
der begrenzenden Dachflächen weniger<br />
als 45° beträgt. In diesem Fall ist nur<br />
die Wandhöhe für die Ermittlung der Abstandsfläche<br />
maßgeblich. Ist eine Dachfläche<br />
des Giebels > 45°, ist die Abstandsfläche<br />
nach § 5 Abs. 5 Nr. 2 zu best<strong>im</strong>men. Die zusätzliche<br />
Unterscheidung, ob das Dach mit<br />
einem Winkel zwischen 45° und 70° geneigt<br />
ist, entfällt.<br />
Folgendes Beispiel erläutert die Berechnung:<br />
Abstandsfläche Satteldach:<br />
Berechnung alt:<br />
5,<br />
00 m<br />
1,<br />
25 m<br />
4<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche.
<strong>LBO</strong> <strong>2010</strong>: <strong>Neuerungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Abstandsflächenrecht</strong><br />
<strong>Erfahrungen</strong> <strong>aus</strong> der Praxis<br />
Berechnung neu:<br />
1 Giebelfläche<br />
Höhe Giebel<br />
2 Gesamtfläche<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche<br />
1<br />
2<br />
5,<br />
00 m<br />
9,<br />
50 m<br />
<br />
2 5,<br />
00 m 1,<br />
25 m<br />
9,<br />
50 m<br />
5,<br />
00 m<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche<br />
Der Zwischenwert, der für das Ergebnis der<br />
Abstandsfläche relevant ist, ist von gleich<br />
geneigten Satteldächern somit unverändert.<br />
Für die Berechnung der Abstandsfläche ist<br />
weiterhin noch die Höhe des Traufpunktes<br />
und der Faktor des Baugebietes zu berücksichtigen.<br />
Abstandsfläche eines ungleich geneigten<br />
Satteldach:<br />
Das folgende Beispiel zeigt den Unterschied<br />
bei ungleich geneigten Dächern mit unterschiedlicher<br />
Traufhöhe.<br />
Berechnung alt:<br />
Oberer Giebelteil nicht, unterer Giebelteil voll<br />
berechnet, da eine Dachneigung von > 70°<br />
vorliegt:<br />
1,<br />
00m<br />
4<br />
<br />
0,<br />
25<br />
m<br />
+ die Höhe der Wand bis zum untersten<br />
Traufpunkt Faktor der Abstandsfläche<br />
8 - 5<br />
Berechnung neu:<br />
Die Giebelfläche ist komplett anzurechnen,<br />
da ein Teil des Giebels eine Neigung größer<br />
45° aufweist.<br />
Giebelfläche:<br />
8,<br />
00m<br />
6,<br />
00m<br />
1,<br />
00m<br />
2<br />
1,<br />
50m<br />
6, 00m<br />
11,<br />
42<br />
2<br />
Gesamtfläche:<br />
8,00 m 2,50 m =<br />
1<br />
<br />
2<br />
11,<br />
42<br />
20,<br />
00<br />
m<br />
m<br />
2<br />
2<br />
2<br />
m<br />
20 , 00<br />
2<br />
m<br />
2,<br />
50 m 0,<br />
71m<br />
+ die Höhe der Wand bis zum untersten<br />
Traufpunkt Faktor der Abstandsfläche<br />
Das Dach erzeugt somit eine größere Abstandsfläche.<br />
Abstandsfläche Tonnendach:<br />
Als letztes Beispiel zur Berechnung der Abstandsflächen<br />
möchte ich die Berechnung<br />
anhand eines Tonnendaches erläutern.<br />
Berechnung alt:<br />
2,<br />
50 m<br />
<br />
4<br />
0,<br />
625<br />
m<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche
Berechnung neu:<br />
1 Giebelfläche<br />
Höhe Giebel<br />
2 Gesamtfläche<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche<br />
1<br />
2<br />
2<br />
20,<br />
00m<br />
<br />
3,<br />
00 m 1,<br />
05m<br />
9,<br />
50 m<br />
3,<br />
00m<br />
+ die Höhe der Wand Faktor der Abstandsfläche<br />
Das Ergebnis der Abstandsfläche verschlechtert<br />
sich für den Bauherrn ebenfalls, da das<br />
Dach nun bis zu seinem Giebelpunkt angerechnet<br />
werden muss und die Möglichkeit die<br />
Höhe des Daches nur bis zu seinem Schnittpunkt<br />
mit der fiktiven 45° Linie nicht mehr<br />
anzuwenden ist.<br />
Dieses Beispiel zeigt außerdem einen weiteren<br />
Nachteil der neuen Regelung auf, da die<br />
Ermittlung von Giebelflächen mathematisch<br />
nicht <strong>im</strong>mer einfach ist.<br />
Neu aufgenommen wurde die Berechnung<br />
bei Windrädern. In § 5 Absatz 5 Nr. 3 ist die<br />
Ermittlung der Abstandsfläche beschrieben.<br />
Die Abstandsfläche berechnet sich <strong>aus</strong> der<br />
Höhe der Rotorachse mal dem Faktor des<br />
Baugebietes, wobei als Mindestabstandsfläche<br />
das Maß des Rotorradius definiert ist.<br />
Im Allgemeinen stehen Windräder nicht in<br />
Baugebieten.<br />
Die Berechnung wird in folgendem Beispiel<br />
dargestellt. Als Faktor für die Berechnung der<br />
Abstandsfläche ist ein Wert von 0,4 angesetzt,<br />
da die Tiefe der Abstandsfläche allgemein<br />
0,4 beträgt.<br />
74,00 m 0,4 = 29,60 m<br />
und damit größer als die Mindestabstandsfläche<br />
von 26,00 m (Rotorradius).<br />
Somit beträgt die notwendige Abstandsfläche<br />
29,60 m.<br />
8 - 6<br />
Vermessungsingenieurtag <strong>2010</strong><br />
Landmanagement<br />
Die Änderung in § 5 Absatz 6 schafft die Privilegierung<br />
von Wintergärten ab. Nach wie<br />
vor bleiben sämtliche Vorbauten außer Betracht,<br />
wenn diese kleiner als 1,50 m <br />
5,00 m und von der Grenze mindestens 2 m<br />
entfernt sind.<br />
§ 5 Absatz 7 regelt den Faktor der Abstandsfläche<br />
neu. Es wird nun nicht mehr zwischen<br />
nachbarschützenden und allgemeinem Teil<br />
der Abstandsflächen unterschieden. Jetzt<br />
wird nur noch der bisher nachbarschützende<br />
Teil angesetzt. Diese Vereinfachung ist zu<br />
begrüßen, denn die Grundstückseigentümer<br />
der Nachbargrundstücke konnten rechtlich<br />
nicht gegen eine Überschreitung der allgemeinen<br />
Abstandfläche vorgehen, wenn der<br />
nachbarschützende Teil der Abstandsfläche<br />
eingehalten war. Der allgemeine Teil der Abstandsfläche<br />
kam bei kleineren Bauvorhaben<br />
wie z. B. Einfamilienh<strong>aus</strong>bau fast nie zur Anwendung.<br />
Durch die Reduzierung der Ab-
<strong>LBO</strong> <strong>2010</strong>: <strong>Neuerungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Abstandsflächenrecht</strong><br />
<strong>Erfahrungen</strong> <strong>aus</strong> der Praxis<br />
standsfläche auf den nachbarschützenden<br />
Teil entfällt auch das sogenannte Schmalseitenprivileg<br />
für Wände mit einer Länge bis<br />
zu 16 m.<br />
II. § 6 Abstandsflächen in Sonderfällen<br />
§ 6 wurde neu formuliert, bleibt aber inhaltlich<br />
weitestgehend unverändert.<br />
(1) In den Abstandsflächen baulicher Anlagen<br />
sowie ohne eigene Abstandsflächen sind<br />
zulässig:<br />
1. Gebäude oder Gebäudeteile, die eine<br />
Wandhöhe von nicht mehr als 1 m<br />
haben.<br />
2. Garagen, Gewächshäuser und Gebäude<br />
ohne Aufenthaltsräume mit einer<br />
Wandhöhe bis 3 m und einer<br />
Wandfläche bis 25 m².<br />
3. bauliche Anlagen, die keine Gebäude<br />
sind, soweit sie nicht höher als 2,5 m<br />
sind oder ihre Wandfläche nicht mehr<br />
als 25 m² beträgt.<br />
4. landwirtschaftliche Gewächshäuser,<br />
die nicht unter Nummer 2 fallen, soweit<br />
sie mindestens 1 m Abstand zu<br />
Nachbargrenzen einhalten.<br />
Für die Ermittlung der Wandhöhe nach<br />
Satz 1 Nr 2 ist der höchste Punkt der Geländeoberfläche<br />
zugrunde zu legen. Die<br />
Grenzbebauung <strong>im</strong> Falle des Satzes 1 Nr. 1<br />
und 2 darf entlang den einzelnen Nachbargrenzen<br />
9 m und insgesamt 15 m nicht überschreiten.<br />
(2) Werden mit Gebäuden oder Gebäudeteilen<br />
nach Absatz 1 dennoch Abstandsflächen<br />
eingehalten, so müssen sie gegenüber<br />
Nachbargrenzen eine Tiefe von<br />
mindestens 0,5 m haben.<br />
(3) Geringere Tiefen der Abstandsflächen<br />
sind zuzulassen, wenn<br />
1. in überwiegend bebauten Gebieten<br />
die Gestaltung des Straßenbildes oder<br />
besondere örtliche Verhältnisse<br />
dies erfordern,<br />
8 - 7<br />
2. Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung<br />
in <strong>aus</strong>reichendem Maße gewährleistet<br />
bleiben, Gründe des<br />
Brandschutzes nicht entgegenstehen<br />
und nachbarliche Belange nicht erheblich<br />
beeinträchtigt werden oder<br />
3. es sich um nachträgliche Maßnahmen<br />
zur Verbesserung der Wärmedämmung<br />
eines bestehenden Gebäudes<br />
handelt.<br />
In den Fällen der Nummer 1 können geringere<br />
Tiefen der Abstandsflächen auch verlangt<br />
werden.<br />
Absatz 1 Nr. 1 des Paragraphen besagt, dass<br />
keine Abstandsflächen bei Gebäuden oder<br />
Gebäudeteilen mit einer Wandhöhe < 1 m<br />
erforderlich sind. Die Wandhöhe bemisst sich<br />
vom höchsten Punkt der Geländeoberfläche.<br />
In Nr. 2 desselben Absatzes wird die alte<br />
Regelung der Abstandsfläche übernommen.<br />
Es gilt weiterhin, dass keine Abstandsflächen<br />
erforderlich sind, wenn die Wandhöhe < 3 m<br />
und die Wandfläche < 25 m² beträgt.<br />
Folgende Skizze erläutert die Best<strong>im</strong>mung<br />
der beiden Größen bei einer Hanglage.<br />
§ 6 Absatz 1 Nr. 3 erläutert die Abstandsfläche<br />
bei baulichen Anlagen, die keine Gebäude<br />
sind (z. B. Stützwände). Eine Abstandsfläche<br />
ist nicht erforderlich bei einer<br />
Höhe < 2,5 m oder < 25 m² Wandfläche. Im<br />
Gegensatz zu Nr. 2 ist es bei Nr. 3 <strong>aus</strong>reichend,<br />
wenn eine der beiden Bedingungen<br />
erfüllt ist. Baurechtlich ist dies somit zu ge-
nehmigen, jedoch können Regelungen <strong>aus</strong><br />
dem Nachbarrecht dem Bauvorhaben entgegenstehen.<br />
In § 6 Absatz 1 Nr. 4 sind die Abstandsflächen<br />
von Gewächshäusern geregelt, solange<br />
sie nicht unter Nr. 2 fallen, d.h. keine<br />
Aufenthaltsräume haben und die Festlegung<br />
über Wandhöhe und Wandfläche einhalten.<br />
Außerdem wird die Grenzbebauung definiert,<br />
sie ist erlaubt, wenn an allen Nachbargrenzen<br />
< 15 m und gegenüber einer einzelnen<br />
Grenze < 9 m eingehalten sind.<br />
§ 6 Absatz 3 regelt Ausnahmen für geringere<br />
Abstandsflächen. Neu hinzugekommen ist in<br />
Nr. 3 die explizite Nennung der Wärmedämmung<br />
resultierend <strong>aus</strong> der Energieeinsparverordnung.<br />
Für den Fall, dass an der<br />
Gebäudeseite, die gedämmt werden soll,<br />
direkt eine Freihaltebaulast anschließt, können<br />
die Betroffenen ihre Zust<strong>im</strong>mung verweigern.<br />
III. § 7 Übernahme von Abständen<br />
und Abstandsflächen auf Nachbargrundstücke<br />
Soweit nach diesem Gesetz oder nach Vorschriften<br />
auf Grund dieses Gesetzes Abstände<br />
und Abstandsflächen auf dem Grundstück<br />
selbst liegen müssen, dürfen sie sich ganz<br />
oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken,<br />
wenn durch Baulast gesichert ist,<br />
dass sie nicht überbaut werden und auf die<br />
auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen<br />
nicht angerechnet werden.<br />
Vorschriften, nach denen in den Abstandsflächen<br />
bauliche Anlagen zulässig sind oder<br />
<strong>aus</strong>nahmsweise zugelassen werden können,<br />
bleiben unberührt.<br />
Die Regelung von Baulasten bleibt unverändert,<br />
der bisherige Absatz 2 über die Einhaltung<br />
der Abstandsflächen bei Teilung von<br />
Grundstücken wurde gestrichen und in § 8<br />
neu gefasst.<br />
8 - 8<br />
Vermessungsingenieurtag <strong>2010</strong><br />
Landmanagement<br />
IV. § 8 Teilung von Grundstücken<br />
(1) Durch die Teilung eines Grundstücks, das<br />
bebaut oder dessen Bebauung genehmigt<br />
ist, dürfen keine Verhältnisse geschaffen<br />
werden, die Vorschriften dieses Gesetzes<br />
oder auf Grund dieses Gesetzes widersprechen.<br />
(2) Soll bei einer Teilung nach Absatz 1 von<br />
Vorschriften dieses Gesetzes oder auf<br />
Grund dieses Gesetzes abgewichen werden,<br />
ist § 56 entsprechend anzuwenden.<br />
Dieser Paragraph wurde wieder neu aufgenommen,<br />
dadurch kann die Baurechtsbehörde<br />
die Einhaltung des Baurechts durchsetzen.<br />
Der in der Novelle vom 19.12.2000<br />
gestrichene Paragraph über die Notwendigkeit<br />
einer Teilungsgenehmigung wurde nicht<br />
wieder eingeführt, jedoch weist der Gesetzgeber<br />
explizit darauf hin, dass bei einer<br />
Grundstücksteilung keine baurechtlichen<br />
Verstöße auftreten dürfen. Im Einzelfall ist bei<br />
einer Teilung ein Lageplan mit Flächenberechnung<br />
vor und nach der Teilung mit<br />
Darstellung der Abstandsflächen und Baulasten<br />
erforderlich. Die Verantwortung für die<br />
Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften<br />
trägt <strong>im</strong> Allgemeinen der Eigentümer. Die<br />
Baurechtsbehörde kann keine Grundstücksteilung<br />
verhindern, jedoch nach erfolgter Teilung<br />
veranlassen, dass die bauordnungsrechtswidrigen<br />
Zustände geheilt werden.<br />
Mögliche Verstöße bei einer Teilung können<br />
sein: Abstandsflächen, Überschreitung der<br />
zulässigen Bebauung, oder dass der notwendige<br />
Kinderspielplatz nicht mehr auf dem<br />
Baugrundstück liegt.<br />
V. § 55 Nachbarbeteiligung<br />
(1) Die Gemeinde benachrichtigt die Eigentümer<br />
angrenzender Grundstücke (Angrenzer)<br />
innerhalb von fünf Arbeitstagen<br />
ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen<br />
von dem Bauvorhaben. Die Benachrichtigung<br />
ist nicht erforderlich bei<br />
Angrenzern, die eine schriftliche Zust<strong>im</strong>mungserklärung<br />
abgegeben oder die Bau-
<strong>LBO</strong> <strong>2010</strong>: <strong>Neuerungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Abstandsflächenrecht</strong><br />
<strong>Erfahrungen</strong> <strong>aus</strong> der Praxis<br />
vorlagen unterschrieben haben oder<br />
2. durch das Vorhaben offensichtlich nicht<br />
berührt werden.<br />
Die Gemeinde kann auch sonstige Eigentümer<br />
benachbarter Grundstücke (sonstige<br />
Nachbarn), deren öffentlich-rechtlich<br />
geschützte nachbarliche Belange berührt<br />
sein können, innerhalb der Frist des Satzes<br />
1 benachrichtigen. Bei Eigentümergemeinschaften<br />
nach dem Wohnungseigentumsgesetz<br />
genügt die Benachrichtigung<br />
des Verwalters.<br />
(2) Einwendungen sind innerhalb von vier<br />
Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung<br />
bei der Gemeinde schriftlich oder<br />
zur Niederschrift vorzubringen. Die vom<br />
Bauantrag durch Zustellung benachrichtigten<br />
Angrenzer und sonstigen Nachbarn<br />
werden mit allen Einwendungen <strong>aus</strong>geschlossen,<br />
die <strong>im</strong> Rahmen der Beteiligung<br />
nicht fristgemäß geltend gemacht worden<br />
sind und sich auf von der Baurechtsbehörde<br />
zu prüfende öffentlich- rechtliche<br />
Vorschriften beziehen (materielle Präklusion).<br />
Auf diese Rechtsfolge ist in der<br />
Benachrichtigung hinzuweisen. Die Gemeinde<br />
leitet die bei ihr eingegangenen<br />
Einwendungen zusammen mit ihrer Stellungnahme<br />
innerhalb der Frist des § 54<br />
Abs. 3 an die Baurechtsbehörde weiter.<br />
(3) Bei Vorhaben <strong>im</strong> Kenntnisgabeverfahren<br />
gilt Absatz 1 entsprechend. Bedenken<br />
können innerhalb von zwei Wochen nach<br />
Zugang der Benachrichtigung bei der Gemeinde<br />
vorgebracht werden. Die Gemeinde<br />
hat sie unverzüglich an die Baurechtsbehörde<br />
weiterzuleiten. Für die Behandlung<br />
der Bedenken gilt § 47 Abs. 1.<br />
Die Angrenzer und sonstigen Nachbarn<br />
werden über das Ergebnis unterrichtet.<br />
Mit der Novellierung der <strong>LBO</strong> hat sich weiterhin<br />
der Umfang der zu benachrichtigenden<br />
Eigentümer der Nachbargrundstücke geändert.<br />
Als Nachbar können nun laut <strong>LBO</strong> <strong>aus</strong>drücklich<br />
nicht mehr nur die direkten Angren-<br />
8 - 9<br />
zer, sondern auch Nachbarn oder sonstige<br />
Betroffene beteiligt werden.<br />
Diese Einführung einer fakultativen Beteiligung<br />
mit materieller Präklusion schafft<br />
mehr Rechtssicherheit. Dies bedeutet, dass<br />
Einwendungen aufgrund des Fristversäumnisses<br />
weder <strong>im</strong> laufenden noch in künftigen<br />
Verfahren gehört werden.<br />
Neu in diesem Paragraphen ist, dass die<br />
Gemeinde bzw. Baurechtsbehörde die Eigentümer<br />
innerhalb von 5 Tagen nach Eingang<br />
der vollständigen Baugesuchsunterlagen benachrichtigen<br />
muss. Neu ist auch, hier wurde<br />
der § 4 Abs. 6 Nr. 2 der <strong>LBO</strong>VVO geändert,<br />
dass <strong>im</strong> schriftlichen Teil des Lageplans nur<br />
noch die Bezeichnungen der Nachbargrundstücke<br />
nach dem Liegenschaftskataster aufzuführen<br />
sind, ohne Eigentümer mit ihrer<br />
Anschrift.<br />
Wir bieten unseren Kunden jedoch die Erhebung<br />
der Eigentumsverhältnisse inkl. Anschrift<br />
an, um <strong>im</strong> Vorfeld Kontakt mit den Betroffenen<br />
aufzunehmen zu können.<br />
Literatur<br />
Landesbauordnung Baden-Württemberg<br />
Kohlhammer Kommentare 3. Auflage 34.<br />
Lieferung<br />
Sauter<br />
Die neue Landesbauordnung Baden-<br />
Württemberg (<strong>LBO</strong>)<br />
Einführung, Gesetzesmaterialien und Synopse<br />
Text<strong>aus</strong>gabe <strong>2010</strong><br />
Dr. Alfred Reutzsch<br />
SV Saxonia Verlag für Recht, Wirtschaft und<br />
Kultur GmbH<br />
Baugesetzbuch<br />
42. Auflage <strong>2010</strong><br />
Deutscher Taschenbuch Verlag<br />
Vortrag Novelle der Landesbauordnung <strong>2010</strong><br />
Dipl.-Ing. Frau Kristin Rickers<br />
25.02.<strong>2010</strong>