Interview mit Tarek Abdelalem Bewusst spenden! Tarek Abdelalem, Geschäftsführer von <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> Deutschland, spricht über die Kultur der Organisation, das Gefühl der Machtlosigkeit nach Katastrophen und hat eine klare Botschaft an den skeptischen Spender von heute. Worüber hast du dich heute gefreut? Über die Aufnahme von <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> in das Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“, von der ich heute erfahren habe. Das zeigt mir, dass <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> auch innerhalb der deutschen Hilfsorganisationen große Anerkennung findet. Es gibt eine ganze Reihe von Hilfsorganisationen in Deutschland. Warum sollen die Menschen ausgerechnet an <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> Deutschland spenden? Es stimmt schon, dass viele Hilfsorganisationen in Deutschland tätig sind. Meiner Ansicht nach leisten sie sehr gute und wichtige Arbeit. Es gibt verschiedene Gründe an <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> Deutschland zu spenden: Wir haben mehr als 25 Jahre Erfahrung und eine direkte Präsenz vor Ort. Wir sind auch als islamische Hilfsorganisation in Europa verankert und verstehen die Werte verschiedener Kulturen. <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> greift außerdem sensible Themen auf wie Bildung und die Rolle der Frau in der Gesellschaft, zum Beispiel in Nordjemen oder Mali. Flutkatastrophe in Pakistan, Erdbeben auf Haiti, Weltarmut, Klimawandel. In einer Welt voller negativer Nachrichten stumpfen wir immer mehr ab, fühlen uns zum Teil machtlos. Wie schafft es <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong>, die Menschen von der Wichtigkeit ihrer Sache zu überzeugen? Die Antwort liegt gerade darin, dass die Menschen sich machtlos fühlen, weil sie nicht direkt helfen können. Katastrophen haben schlimme Auswirkungen und ich sehe <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> als Lösung für diese Machtlosigkeit. Wir arbeiten schnell, effektiv und programmatisch. Unsere Arbeit ist mehr als ein emotionaler Aufruf, eine momentane Hilfe. Die erste Phase bei einer Katastrophe ist die Nothilfe, die zweite die Wiederherstellung der Normalität und die „Die Menschen fühlen sich machtlos, weil sie nicht direkt helfen können. Katastrophen haben schlimme Auswirkungen und ich sehe <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> als Lösung für diese Machtlosigkeit“, erklärt Tarek Abdelalem. letzte dann die Rehabilitation. Für unsere Spender heißt das: „Ich habe mich aktiv mit beteiligt, damit diese Leute ihr Leben zurück haben können.“ Spender von heute sind oft kritische Menschen. Sie fragen sich, ob und wie ihr Geld ankommt. Wie beantwortest du skeptischen Spendern ihre Fragen? Skeptische Menschen gibt es immer und überall. Das ist auch gut so. Seit über 25 Jahren arbeiten wir in unserem Bereich und werden trotzdem immer wieder mit kritischen Fragen konfrontiert. Dem Spender rate ich, sich bewusst für eine Organisation zu entscheiden. Er sollte sich im Vorfeld gut über die Organisation informieren und dann erst bewusst und mit ruhigem Gewissen spenden und Kritik direkt ansprechen. Du bist nun seit 2004 Geschäftsführer von <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> Deutschland. Wie erlebst du die Entwicklung der Organisation und wie haben sich die Spender entwickelt? Ich sehe, dass <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> sich positiv entwickelt und das freut mich. Die Organisation wächst vergleichbar mit einem Menschen in unserem Bildungssystem. Zuerst besucht er die Grundschule, dann das Gymnasium, dann die Uni – das ist eine gesunde und stetige Entwicklung. Genauso die Spender: Die Spender von heute sind nicht mehr die Spender von vor 10 Jahren. Sie sind reifer geworden, haben Erfahrungen auf dem Spendenmarkt gemacht. Das merkt man im Kontakt und das nehmen wir ernst. Die Kultur der Spender hat sich von Katastrophenspendern zu Spendern entwickelt, die langfristige Entwicklungsarbeit unterstützen. Wir befinden uns mitten in der <strong>Kurban</strong>kampagne. Dieses Jahr änderte <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> ihr Angebot von länderbezogenen auf gruppenbezogene <strong>Kurban</strong>spenden. Spender können nun in Gruppen spenden, länderbezogene Spenden werden nur bedingt angenommen. Wie erklärst du diese Änderung? Die Kampagne zu <strong>Kurban</strong> ist ein Projekt, das wir mit 24 Jahren Erfahrung durchfüh- ren. Wir achten sehr darauf, die Wünsche der Spender zu realisieren. Und wir müssen auch die Bedürfnisse der Bedürftigen bedenken. Unserer Erfahrung nach gibt es viele Spenden an bestimmte Länder, in anderen Ländern fehlt es aber an Spenden. Da hilft es, wenn der Spender uns das Vertrauen gibt und uns die Spende zuordnen lässt. Denn das wichtigste Ziel dürfen wir nicht vergessen: Hilfe für die Armen und ihre gerechte Verteilung. Welche Botschaft hast du an einen skeptischen Spender? Und welche an einen Überzeugten? Meine Botschaft an den skeptischen Spender: „Sie haben recht mit Ihrer Skepsis. Mein Appell an Sie: Prüfen Sie die Organisation vor dem Spenden, nehmen Sie sich Zeit für ihre Entscheidung. Aber spenden Sie bewusst und mit Überzeugung, wenn Sie sich für eine Organisation entschieden haben. Dem überzeugten Spender möchte ich für sein Vertrauen da nken. Er stärkt uns, motiviert uns, noch mehr und langfristiger zu helfen. Gemeinsam mit ihm möchten wir <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> Deutschland langfristig stärken. Vielen Dank für das Gespräch! Interview: Johanna Wögerer-Atassi Tarek Abdelalem kam 1988 zum Studium der Biologie nach Deutschland. Seit den Anfängen arbeitete er bei <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> Deutschland: Er war Marketingleiter von 1996 bis 1999, danach stellvertretender Direktor der Hilfsorganisation. Seit 2004 ist er Geschäftsführer von <strong>Islamic</strong> <strong>Relief</strong> Deutschland. 6 7