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SchwerPUNkT<br />

<strong>einleitung</strong> <strong>Schwerpunkt</strong><br />

Von Tabea Behnisch<br />

Jede und jeder, der einmal in Mosambik<br />

war, wird sie gesehen haben: Kinder und<br />

Jugendliche, die auf einem Sandfeld einem<br />

– teilweise auf kreativste Weise zusammengebastelten<br />

– Ball hinterherjagen, Männer,<br />

die am Straßenrand in einer Flinkheit und<br />

Geschicklichkeit Mühle oder Dame mit<br />

Kronkorkendeckeln spielen, dass das europäische<br />

Auge, geschweige denn der Geist,<br />

kaum hinterher kommt.<br />

Tatsächlich sind Sport und Spiele wichtige<br />

Bestandteile des Alltags von Mosambikanerinnen<br />

und Mosambikanern. Es lässt<br />

sich sogar feststellen, dass die institutionelle<br />

Verankerung des Sports in Mosambik<br />

immer mehr voranschreitet. Sei es in den<br />

Schulen, die ihre Sportangebote mehr und<br />

mehr ausdehnen oder aber in den Sportvereinen,<br />

die sich in den größeren Städten<br />

gründen.<br />

Außerhalb der Landesgrenzen ist der<br />

mosambikanische Sport dagegen nur wenig<br />

präsent. Was beim Nachdenken über international<br />

bekannte Sportler in den Kopf kommen<br />

könnte, sind meist lediglich die beiden<br />

Nationalhelden Eusébio und Lurdes Mutola<br />

– und auch dies ist schon ein paar Jahre her.<br />

Eusébio, der im Trikot der portugiesischen<br />

Nationalmannschaft zum Torschützenkönig<br />

der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 1966<br />

gekürt wurde und sich mit zahlreichen weiteren<br />

Auszeichnungen und Titeln schmücken<br />

kann, wird in Mosambik noch heute<br />

gefeiert. Die Heldin des unabhängigen<br />

Mosambiks dagegen ist Lurdes Mutola. Sie<br />

gewann in ihrer Glanzzeit zwischen 1999<br />

und 2005 drei Mal die Leichtathletik-Weltmeisterschaft<br />

im 800-Meter-Lauf, verhalf<br />

Mosambik auf diesem Wege zu sportlichem<br />

Ruhm und setzte sich nach ihrem Abschied<br />

aus dem internationalen Sport 2008 als<br />

Athletenbotschafterin der Entwicklungshilfeorganisation<br />

„Right to Play“ für Spiel- und<br />

Sportprogramme ein, mit denen von Krieg,<br />

Armut und Krankheit betroffene Kinder<br />

gefördert und ihre Lebensqualität verbessert<br />

wird. Ferner gründete sie die „Lurdes<br />

Mutola Foundation“, die Jugendliche durch<br />

Sport- und Bildungsangebote fördert.<br />

Und sonst? Sonst war uns, dem Rundbriefteam,<br />

ziemlich wenig über Sport in<br />

Mosambik bekannt. Fragen, die uns durch<br />

den Kopf gingen, waren: Welche Sportarten<br />

werden eigentlich in Mosambik praktiziert<br />

und welche Bedeutung hat der Sport für<br />

Mosambikanerinnen und Mosambikaner<br />

tatsächlich? Wie wird die sich nähernde<br />

Weltmeisterschaft in Südafrika wahrgenommen?<br />

Und: Hat sie irgendeinen positiven<br />

oder negativen Einfluss auf das Nachbarland<br />

Mosambik? Mit diesen Fragen möchte sich<br />

der <strong>Schwerpunkt</strong> dieser Nummer in verschiedener<br />

Form beschäftigen.<br />

Das erste Mal findet die Fußballweltmeisterschaft<br />

auf afrikanischem Boden statt.<br />

Wie sehr die Mosambikaner dem Ereignis<br />

entgegeneifern und sich darauf vorbereiten,<br />

schildert Nito Armando Joaquim, ein Pastor<br />

und Trainer einer Fußballmannschaft in<br />

Cambine.<br />

Die Emotionalität von Fußball wird auch<br />

in der Geschichte von Thilo Thielke deutlich,<br />

in der er die kleinen und großen Träume<br />

der Kinder und Jugendlichen eines Straßenfußballprojektes<br />

in Maputo beschreibt.<br />

Aber „Fair Play“ geht es im Fußball<br />

durchaus nicht zu. Schon an den Grundvoraussetzungen<br />

der Fairness scheitert es im<br />

internationalen Sport – warum, schildert<br />

Elisio Macamo.<br />

Faire Bedingungen herrschen in Mosambik<br />

auch nicht für Menschen mit Behinderungen.<br />

Wie diese durch sportliche Aktivitäten<br />

im Rahmen eines Projektes von „Licht<br />

für die Welt“ in die Gesellschaft integriert<br />

werden sollen, schildern Irmgard Neuper<br />

und Barbara Hager in ihrem Artikel Sport<br />

für alle.<br />

Etwas mystischer geht es in dem Beitrag<br />

von Matthias Grünewald zu – er beleuchtet<br />

den meist etwas einseitig betrachteten Zusammenhang<br />

zwischen Fußball und Magie.<br />

Sind womöglich auch außerhalb Afrikas geheimnisvolle<br />

Kräfte am Werk …?<br />

Sport beinhaltet nicht nur eine psychomotorische<br />

Komponente, sondern durch Sport<br />

werden auch wichtige soziale Kompetenzen<br />

vermittelt. So können beispielsweise Tech-<br />

niken und Strategien der friedlichen Auseinandersetzung<br />

und des Teamgeists geschult<br />

werden, die dann auch außerhalb der Sportstätten<br />

gesellschaftlich wirken. Hier setzt<br />

das von Hannes Bickel beschriebene Projekt<br />

„Youth Development through Football“ an,<br />

das seit 2009 in Manica umgesetzt wird.<br />

Wie Sport auch dazu genutzt werden<br />

kann, interkulturelles Lernen zu fördern,<br />

veranschaulichen gleich zwei Artikel. Im<br />

Rahmen der von Evelyn Vollbrecht beschriebenen<br />

Begegnungsreisen deutscher Schülerinnen<br />

und Schüler nach Mosambik steht<br />

der für beide Seiten fruchtbare sportliche<br />

Austausch im Mittelpunkt der Aktivitäten.<br />

Seit 2005 existiert zudem ein Kooperationsprojekt<br />

zwischen dem Bayrischen Fußballverbund<br />

und den Mambas, der mosambikanischen<br />

Nationalmannschaft. Die Ideen des<br />

Projektes beschreiben Thomas Müther und<br />

Tobias Günther in ihrem Beitrag Fußball<br />

verbindet.<br />

Mit dem Thema WM in Südafrika beschäftigen<br />

sich die nächsten beiden Artikel.<br />

Eine nicht untypische Nebenerscheinung<br />

von Fußballweltmeisterschaften ist die<br />

Prostitution. Tabea Behnisch analysiert die<br />

Zusammenhänge zwischen der anstehenden<br />

Weltmeisterschaft und dem Menschenhandel<br />

zum Zweck der sexuellen Ausbeutung<br />

aus Mosambik.<br />

Mit einer oft bei Fußballweltmeisterschaften,<br />

Olympiaden und anderen internationalen<br />

Großveranstaltungen verbreiteten<br />

Meinung beschäftigt sich der anschließende<br />

Bericht von Dieter Simon. Von der WM in<br />

Südafrika sollen ja angeblich alle profitieren<br />

– so das Versprechen der offiziellen Veranstalter.<br />

Wer aber profitiert wirklich – hierzu<br />

einige interessante Beobachtungen.<br />

Wie die Anzahl der Artikel über Fußball<br />

verdeutlicht, ist Fußball eine der beliebtesten<br />

Sportarten in Mosambik. Aber es gibt auch<br />

noch andere. So erfreut sich der Tauchsport<br />

einer immer größeren Beliebtheit. Christine<br />

Wiid geht zum Abschluss unseres <strong>Schwerpunkt</strong>s<br />

der Frage nach, wer eigentlich wirklich<br />

aus dem Boom Vorteile zieht.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 15


SchwerPUNkT<br />

Fußball in Mosambik – Einige Eindrücke<br />

eine der wichtigsten<br />

Neben sachen der welt<br />

Wie funktioniert der Fußball in Mosambik und welche Bedeutung kommt ihm zu? Nito Armando Joaquim,<br />

Pastor und Trainer einer kleinen Fußballmannschaft in Cambine, schildert die globale, nationale und lokale<br />

Bedeutung des Breitensports.<br />

Von Nito Armando Joaquim, übersetzt von Petra Aschoff<br />

Fußball ist eine der wichtigsten Nebensachen<br />

in der Welt. Auch in Mosambik. Die<br />

mosambikanische Fußballmeisterschaft ist<br />

der wichtigste, sportliche Wettbewerb des<br />

Landes. Sie wird bereits seit 1976 ausgetragen,<br />

begann also kurz nach Erreichung<br />

der nationalen Unabhängigkeit. Die Nationalmannschaft,<br />

die den populären Namen<br />

Mambas trägt, wird aus den Größen des<br />

mosambikanischen Fußballs ausgewählt,<br />

kontrolliert durch den mosambikanischen<br />

Fußballverband (Federaçao Mocambicana<br />

de Futebol) und durch die mosambikanische<br />

Fußballliga (Taça de Mocambique<br />

de Futebol). Der mosambikanische Fußballverband<br />

ist Mitglied der Afrikanischen<br />

Fußball-Vereinigung (Confederação Africana<br />

de Futebol) und trat 1978 der FIFA bei.<br />

Die mosambikanische Nationalmannschaft<br />

nahm im Jahre 2010 an den Spielen der<br />

Afrikanischen Fußball-Vereinigung teil,<br />

schied aber bereits nach der ersten Runde<br />

aus.<br />

Ich bin zwar kein Sportexperte, werde<br />

aber im Folgenden versuchen, eine Beschreibung,<br />

oder besser gesagt, eine Vision<br />

des Fußballs in Mosambik zu entwerfen.<br />

Ohne dabei die Emotionen zu verschweigen,<br />

die die Mosambikaner mit der Fußballweltmeisterschaft<br />

verbinden, die im<br />

Nachbarland Südafrika ausgetragen wird.<br />

16<br />

Die Omnipräsenz<br />

des Fußballs<br />

Die Bedeutung des Fußballs in Mosambik<br />

wird überall deutlich. So findet man ihn<br />

auf allen Ebenen bis in die Peripherien des<br />

Landes als „unorganisierten“ Freizeitsport,<br />

aber auch als Ausscheidungswettbewerb auf<br />

den Ebenen Distrikt, Provinz, Region und<br />

Nation. Die nationale Liga wird Moçambola<br />

genannt. Aus diesen Mannschaften sowie<br />

aus Spielern, die im Ausland spielen wird<br />

die Nationalelf der Mambas zusammengestellt.<br />

Der Fußball, der in den Stadtteilen,<br />

den Dörfern und in Schulen gespielt wird,<br />

hat, abgesehen davon, dass manchmal<br />

Preisgelder ausgesetzt werden, um den<br />

Anreiz zu erhöhen, immer den Charakter<br />

von Freizeitaktivität. Anders ist es bei den<br />

Wettkämpfen auf Distriktebene – bei ihnen<br />

geht es darum, in die nächste Klasse, auf<br />

die Provinzebene aufzusteigen. Von dort<br />

geht es in die Divisão de Honra (Liga der<br />

Ehre), die in drei Regionen (Süd, Mitte,<br />

Nord) ausgetragen wird, und dann in die<br />

Moçambola, die mosambikanische Bundesliga.<br />

Dort spielen 14 Mannschaften um den<br />

Pokal und um den Titel „Landesmeister“,<br />

der später Mosambik beim Wettkampf um<br />

den Afrikanischen Fußball-Cup präsentiert.<br />

Moçambola berührt alle: die auf dem Spielfeld,<br />

die Zuschauer im Stadion, die vor dem<br />

Fernseher und die vielen, vielen Menschen<br />

im Lande verstreut, die die Spiele am Radio<br />

verfolgen.<br />

Die Mambas als<br />

Vertreter Mosambiks<br />

Die Nationalmannschaft, die Mambas,<br />

repräsentieren Mosambik und damit alle<br />

Mosambikaner bei internationalen Wettbewerben.<br />

Seit ihrer Gründung konnten sie<br />

sich zwar noch nie für eine Fußballwelt-<br />

meisterschaft qualifizieren, aber immerhin<br />

reichte es für den Cup um die Afrikanische<br />

Meisterschaft. Sie kämpften und gaben ihr<br />

Bestes, aber es reichte trotz allem Einsatz<br />

nicht, ihr Ziel, die Teilnahme an der ersten<br />

Fußballweltmeisterschaft auf dem afrikanischen<br />

Kontinent, zu erreichen. Es wäre<br />

für Mosambik eine Möglichkeit gewesen,<br />

auf den Fußballfeldern Südafrikas zu spielen<br />

und zu glänzen, aber das Glück begleitete<br />

die mosambikanische Auswahl nicht.<br />

Die Weltmeisterschaft<br />

in Afrika<br />

Doch obwohl Mosambik nun nicht an der<br />

Fußballweltmeisterschaft teilnehmen wird<br />

und auch nicht Ausrichter der Spiele ist,<br />

sind die Emotionen der Fußballfans geschürt.<br />

Nicht nur, weil Südafrika ihr Nachbarland<br />

ist, sondern, weil die Spiele auf<br />

dem afrikanischen Kontinent stattfinden.<br />

Alle afrikaner sind stolz darauf. Auch wenn<br />

nicht viele Mosambikaner als Zuschauer<br />

der Spiele in den Stadien Südafrikas präsent<br />

sein werden, weil sie sich die Reise und die<br />

Eintrittsgelder nicht leisten können, werden<br />

sie alles daran setzen, nicht ein Spiel<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010<br />

Foto: Thomas Günther


zu verpassen. Viele sparen derzeit ihr Geld,<br />

um sich einen Fernseher oder ein Radio zu<br />

kaufen, um dennoch „live“ dabei sein zu<br />

können. Der große Wunsch der Mosambikaner<br />

ist es, dass der Pokal bei diesem<br />

Riesenereignis, der ersten Fußballweltmeisterschaft<br />

auf dem afrikanischen Kontinent,<br />

auch dort verbleibt. Das heißt auch, dass<br />

der Ansporn für die afrikanischen Mannschaften<br />

noch größer ist. Sie kämpfen für<br />

den ganzen Kontinent, und nicht nur für<br />

ihr Land. Sie kämpfen für die Anerkennung<br />

aller Afrikaner. Aber die Südafrikaner, die<br />

Nigerianer, die Mannschaften aus der Elfenbeinküste,<br />

den Kormoren, aus Algerien und<br />

aus Ghana werden nicht erlauben, dass die<br />

Taube in ihrer Hand zu einem anderen Kontinent<br />

entflieht. Mit allen Mitteln werden<br />

sie kämpfen, mit aller Energie, Intelligenz<br />

und Technik und mit dem Gebet an Gott,<br />

damit dieser große Segen sich auf afrikanischer<br />

Erde ergießt. Und so werden alle<br />

Mannschaften vorbereitet sein, um auf der<br />

Erde Südafrikas ihr fußballerisches Können,<br />

ihren Wert und ihr Potential zu zeigen. Den<br />

Pokal der Weltmeisterschaft für den afrikanischen<br />

Kontinent zu erkämpfen wird keine<br />

leichte Aufgabe, da alle sechs Mannschaften<br />

profilierten Gegnern gegenüberstehen. Sie<br />

werden den Verbleib des Pokals auf afrikanischer<br />

Erde mit Zähnen und Krallen verteidigen<br />

müssen. Die Mosambikaner werden<br />

nicht mit verschränkten Armen dastehen,<br />

Jugendliche aus dem Waisenhaus beim Spielen am Strand<br />

sie werden die afrikanischen Mannschaften<br />

mit aller Kraft emotional unterstützen, direkt<br />

und indirekt.<br />

Fußball in Cambine<br />

Abgesehen von den Vorbereitungen der<br />

Mosambikaner in Bezug auf die Weltmeisterschaft<br />

ist der Fußball auch auf lokaler<br />

Ebene fest verankert. So zum Beispiel in<br />

Cambine, einem Ort im Distrikt Morrumbene,<br />

in der Provinz Inhambane. In Cambine<br />

befindet sich ein Ausbildungszentrum<br />

der Vereinten Methodistischen Kirche, die<br />

den Namen des Ortes auch außerhalb der<br />

engen Distriktgrenzen bekannt gemacht<br />

hat. In der früheren christlichen Mission<br />

befindet sich heute ein Theologisches Seminar,<br />

in dem Pastoren ausgebildet werden,<br />

eine Sekundarschule, ein angegliedertes<br />

Internat, eine berufsbildende Schule, ein<br />

Waisenhaus, eine Gesundheitsstation und<br />

auch einige Fußballfelder. Mittlerweile gibt<br />

es an diesem kleinen Ort mehrere Fußballmannschaften:<br />

Wir sehen die Mannschaft<br />

des theologischen Instituts, die der Sekundarschule,<br />

die des Waisenhauses und<br />

weitere Mannschaften verschiedener Ortsteile.<br />

Sie alle wollen spielen und sie spielen<br />

gegeneinander, manchmal auf Einladung<br />

einer Mannschaft aus der Umgebung und<br />

manchmal sammeln alle Geld, um einen<br />

Pokal zu kaufen, um den dann gespielt<br />

wird. Aber die Spiele werden als Freizeitspaß<br />

ausgetragen und die, die nicht spielen,<br />

kommen als Zuschauer zum Platz, unterstützen<br />

ihre Mannschaft durch lautes Rufen<br />

und Applaudieren, durch Tanzen und<br />

Johlen. Sie erst machen das Spiel zu einem<br />

richtigen Ereignis. Das Spiel schweißt die<br />

Gemeinschaft zusammen. Alle profitieren,<br />

alle haben ihren Spaß. Auf dem Fußballfeld<br />

und am Spielfeldrand. Es mangelt nicht an<br />

der Begeisterung für das Spiel, aber an der<br />

Ausstattung. So konnte die Mannschaft des<br />

Theologischen Seminars letztes Jahr – trotz<br />

vorheriger Qualifikation – leider nicht an<br />

der Distriktmeisterschaft teilnehmen. Die<br />

Spieler konnten das Geld für Bälle, Trikots,<br />

Schuhe sowie die Transportkosten nach<br />

Morrumbene nicht aufbringen. Aber die<br />

Freude am Spiel ist größer als die Schwierigkeiten<br />

und jeder Spieler versucht, noch vom<br />

letzten Geld ein Trikot zu erstehen, um die<br />

Minimalkonditionen einzuhalten und bekleidet<br />

auf dem Fußballfeld zu erscheinen.<br />

Sie spielen für die Liebe zum Trikot und so<br />

tragen sie dazu bei, dass das Fußballspiel<br />

nicht aus Cambine verschwindet.<br />

Nito Armando Joaquim ist Pastor der<br />

Evangelisch-methodistischen Kirche in Mosambik<br />

und unterrichtet am Theologischen<br />

Seminar in Cambine. Nebenher betreut er<br />

die Fußballmannschaft des Theologischen<br />

Seminars.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 17<br />

Foto: Thomas Günther


SchwerPUNkT<br />

Streetfußballprojekt in Maputo<br />

auferstanden aus ruinen<br />

Von Thilo Thielke<br />

Betinho, vielleicht wird das ja einmal ein<br />

Star. Sein Trainer jedenfalls meint, das wäre<br />

gut möglich. Dabei ist sein Schützling erst<br />

elf Jahre alt. Aber wie er dribbelt, welchen<br />

Blick er für den Raum hat! Der rennt nicht<br />

einfach blind hinter dem Ball her, wie es andere<br />

in seinem Alter tun. Der guckt genau<br />

hin, wie die Großen. Betinho ist vielleicht<br />

ein schmächtiges Kerlchen, aber er ist einer,<br />

der seine Kräfte sehr rational einteilen kann,<br />

der eine phänomenale Übersicht hat und eine<br />

Technik, was für eine Technik! Betinho<br />

beherrscht das Spiel mit sparsamen Bewegungen.<br />

Als zöge er an unsichtbaren Strippen.<br />

Er, der rechte Verteidiger von Sonefe,<br />

einer Jugendmannschaft aus Maputo.<br />

„Das kann mal einer werden“, sagt Fabio<br />

Jacon. Und der sollte es eigentlich wissen.<br />

Jacon ist schließlich Brasilianer, Fußballer,<br />

Mittelfeld, Ex-Profi von Sociedade Esportiva<br />

Palmeiras, dem berühmten Klub aus seiner<br />

Heimatstadt São Paulo. Aber jetzt steht er<br />

am anderen Ende der Welt, in einem Fußballentwicklungsland,<br />

in Mosambik, und<br />

schwärmt von den Fußballkünsten der<br />

Straßenkinder. „Einmal einen Weltklassespieler<br />

hervorzubringen, das wäre natürlich<br />

ein Traum.“ Um einem Missverständnis<br />

gleich vorzubeugen: Jacon ist nicht hier,<br />

um Talente zu sichten und sie dann profitabel<br />

weiterzuverhökern: an die begüterten<br />

Vereine in Südafrika, die reichen in seiner<br />

südamerikanischen Heimat oder die steinreichen<br />

in Europa. Er ist keiner dieser windigen<br />

Geschäftemacher, keiner der modernen<br />

Sklavenhändler – obwohl das Bild vom<br />

modernen Sklavenhändler sowieso eher<br />

einer dieser unausrottbaren Mythen ist, die<br />

eine unbefangene Auseinandersetzung mit<br />

Afrika oft so schwer machen, von irgendwelchen<br />

progressiven Wohlstandsbürgern<br />

ersonnen und von Afrikanern, die ja nicht<br />

dumm sind, nun auf ewige Zeiten kolportiert.<br />

Nein, Fabio Jacon will Gutes tun. Und<br />

er tut es. Er ist selber in einer Favela in Sao<br />

Paulo groß geworden, er kennt die Armut<br />

und den Hunger ganz gut. Der Fußball und<br />

18<br />

der Glaube halfen ihm, dem Elend zu entrinnen.<br />

Und nun will er selber helfen. In<br />

seiner Heimat Brasilien baute der ehemalige<br />

Profi ein Hilfsprojekt für Jugendliche in<br />

den Elendsvierteln auf. Es hieß „Futebol de<br />

Futuro“ und sollte helfen, Kinder von der<br />

Straße zu holen, ihnen soziale Kontakte zu<br />

vermitteln, ihnen zu essen zu geben, aber<br />

auch Disziplin zu vermitteln: Und was<br />

war dafür besser geeignet als der Sport?<br />

Herbert Geissbauer, ein frommer Mensch<br />

aus Freiberg am Neckar, sah in Brasilien<br />

mit eigenen Augen, welchen Erfolg Fabio<br />

Jacon mit seiner Arbeit hatte. Als ehemaligen<br />

Fußballer respektierten ihn selbst die<br />

wüstesten Rabauken, und als Christen auch<br />

die eher zartbesaiteten Gemüter. In Novo<br />

Hamburgo und in Igrejinha hatte Jacon<br />

schnell zwanzig Jugendmannschaften unter<br />

seinem Kommando, Hunderte von Kindern<br />

erhielten auf diese Weise eine neue<br />

Perspektive. Wer weiß, wo viele von ihnen<br />

sonst gelandet wären? Viele Waisen müssen<br />

sich in den Favelas als Drogenkuriere,<br />

Prostituierte oder Schläger durchbeißen.<br />

Nun eröffnete sich ihnen dank Jacon ein<br />

Ausweg. „Er ist Vater, Pastor, Freund und<br />

Manager zugleich“, sagt Geissbauer, „einfach<br />

ein wundervoller Mensch.“ Als die<br />

„Volksmission“, in der sich Geissbauer engagierte,<br />

kurze Zeit darauf ein Waisenhaus-<br />

Projekt in Mosambik aufbauen wollte und<br />

dafür jemanden suchte, der portugiesisch<br />

Foto: Peter Steudtner / panphotos.org<br />

sprach, Fußball mochte, wenn nicht sogar<br />

selbst spielte, und nach Möglichkeit Brasilianer<br />

war – da schienen die Würfel gefallen.<br />

Schließlich wollte auch Fabio Jacon seinen<br />

Wirkungsbereich gerne ausdehnen. 2002<br />

ging es endlich los; ein Jahr verbrachte Jacon<br />

bei seinen Finanziers in Deutschland,<br />

dann zog er mit seiner Frau Vera und den<br />

Kindern Mateus und Igor in Mosambiks<br />

Hauptstadt Maputo.<br />

Mosambik,<br />

Heimat Eusébios<br />

Was wusste er schon über das südostafrikanische<br />

Land? Klar, als Fußballer weiß man,<br />

dass Mosambik die Heimat Eusébios ist, jenes<br />

genialen Stürmers von Benfica Lissabon,<br />

der spätestens während der Weltmeister-<br />

schaft 1966 die Herzen aller Fußballfreunde<br />

im Sturm erobert hatte – dummerweise im<br />

Trikot der ehemaligen Kolonialmacht Portugal.<br />

Da wurde er Torschützenkönig der<br />

WM, und unvergessen bleibt sein Einsatz<br />

gegen den vermeintlichen Fußballzwerg<br />

Nordkorea. 0:3 lag sein Team zurück, und<br />

dann schoss er noch vier Tore und bereitete<br />

das fünfte vor. Welch ein Triumph für<br />

Portugal, aber auch welch ein Diebstahl.<br />

Mosambik war damals noch portugiesische<br />

Kolonie. Erst 1975 wurde das Land in die<br />

Unabhängigkeit entlassen.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010<br />

Foto: Peter Steudtner / panphotos.org


Eusébio da Silva Ferreira, Jahrgang 1942<br />

– das war Afrikas erster großer Fußballexport<br />

überhaupt gewesen, 1965 Europas<br />

Fußballer des Jahres, gleich zweimal Europas<br />

Top-Torjäger, Europapokalsieger der<br />

Landesmeister. „Schwarze Perle“ riefen<br />

sie ihn oder „Schwarzer Panther“ und verglichen<br />

ihn mit Pelé. Jenem Ballkünstler<br />

also, von dem Jorge Valdano schwärmt:<br />

„Sein Körper bewegte sich nach einem uralten<br />

schwarzen Rhythmus, der sich harmonisch<br />

an die launische Bewegung des Balles<br />

anglich.“ Auch dessen Vorfahren stammten<br />

von hier, zumindest aus der Nähe. Die portugiesischen<br />

Herren der Meere verschifften<br />

ja ihre Sklaven aus den afrikanischen Kolonien<br />

Angola und Mosambik direkt in ihre<br />

südamerikanische Kolonie Brasilien. Und<br />

das mehr als drei Jahrhunderte lang! Allein<br />

im Jahr 1828 wurden 30.000 Unglückliche<br />

aus Mosambik nach Amerika verschleppt.<br />

Und deshalb nur als Randnotiz, es ist ja<br />

nichts Neues, aber doch zur Erinnerung:<br />

Der brasilianische Traumfußball hat afrikanische<br />

Wurzeln.<br />

Was wusste Fabio Jacon noch über<br />

Mosambik? Das waren überwiegend er-<br />

schütternde Geschichten über einen sechzehnjährigen<br />

Bürgerkrieg zwischen der<br />

sozialistischen Frelimo-Regierung und den<br />

aus dem Ausland (Rhodesien, Südafrika) finanzierten<br />

Renamo-Rebellen, der erst 1992<br />

mit einem Waffenstillstand endete. Aber<br />

wie viel Leid hatte er über die Menschen<br />

gebracht, wie viele Tote! Kindersoldaten<br />

marodierten durch den Busch, und durch<br />

die Städte humpelten bettelnd die Opfer<br />

der überall ausgestreuten Landminen. Und<br />

was der Krieg nicht zerstörte, erledigten<br />

die Kommunisten. Seitdem freilich geht<br />

es aufwärts, ist Mosambik aus den sozialistischen<br />

Ruinen auferstanden. Langsam,<br />

aber Schritt für Schritt, mit einem durchschnittlichen<br />

Wirtschaftswachstum von<br />

etwas über acht Prozent. Gerade die 2.800<br />

Kilometer lange Küste eignet sich für den<br />

Tourismus. Dennoch rangiert das Land<br />

auf dem Human Development Index der<br />

Vereinten Nationen auf dem 172. von 177<br />

Plätzen. Ein Grund dafür ist die weitverbreitete<br />

Korruption. „Die Mosambikaner haben<br />

mehr Angst vor dem Polizisten als vor dem<br />

Dieb“, sagt die Mosambikanische Liga für<br />

Menschenrechte.<br />

Aber zum Schluss noch eine positive<br />

Nachricht. Kein anderes Team verbesserte<br />

sich 2007 in der Fußballweltrangliste der<br />

Fifa mehr als Mosambik, das noch nie an<br />

einer Fußballweltmeisterschaftsendrunde<br />

teilgenommen hat: Gleich dreiundfünfzig<br />

Plätze machten die vom Holländer Mart<br />

Nooij trainierten Mambas innerhalb eines<br />

Jahres gut und landeten auf dem fünfundsiebzigsten<br />

Rang. In solch einem Land wird<br />

Hilfe benötigt, wird jede Hand gebraucht.<br />

Fabio Jacon machte sich sofort an die Arbeit.<br />

Er baute an fünf verschiedenen Standorten<br />

Trainingsplätze, in Maxaquene im<br />

Osten der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt,<br />

im Slum von Nyagoya, in Sonefe im Zentrum,<br />

in Marracuene, etwas außerhalb. Er<br />

gründete Teams, er trommelte für sein Projekt.<br />

Es dauerte nicht lang, da waren nicht<br />

weniger als vierhundert Kinder organisiert.<br />

Damit sie nicht nur Fußball im Kopf haben,<br />

achtet der Coach darauf, dass sie auch die<br />

Schule besuchen. Lässt sich der Fußball in<br />

Mosambik nun mit dem in Brasilien vergleichen?<br />

„Die Rahmenbedingungen sind<br />

so unterschiedlich“, sagt Fabio Jacon, „natürlich<br />

ist Brasilien kein besonders reiches<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 19<br />

Foto: Peter Steudtner / panphotos.org


SchwerPUNkT<br />

Land, natürlich sind dort die sozialen Unterschiede<br />

groß – aber verglichen mit Mosambik<br />

ist das harmlos. Hier herrscht ein<br />

sozialer Rassismus. Und das wirkt sich auch<br />

auf das Vereinsleben aus. Da werden mosambikanische<br />

Fußballer oft wie der letzte<br />

Dreck behandelt und haben kaum Zeit, sich<br />

zu entwickeln. Sie müssen auf dem Boden<br />

schlafen und hungern. Kein Wunder, dass<br />

daraus oft der pure Egoismus resultiert, ein<br />

Hauen und Stechen. Dagegen herrscht in<br />

Brasilien geradezu soziale Gerechtigkeit.“<br />

Auf dem Rasen kommt es derweil zum<br />

Duell der beiden Talente Betinho gegen<br />

Felipe Maveze, beide gleichaltrig, beide<br />

klein gewachsen, wie es typisch ist für Mosambiks<br />

Stadtkinder (jedenfalls behauptet<br />

Jacon, die „Kinder aus dem Busch“ seien<br />

im Durchschnitt größer), beides Straßenkinder.<br />

Betinho in blauem Dress, Felipe in<br />

rotem, der eine rechter Verteidiger, der andere<br />

rechtes Mittelfeld, der eine bei Sonefe,<br />

der andere bei Nyagoya. Ihre Geschichten<br />

ähneln sich. Betinho lebt bei seiner Großmutter,<br />

seine Mutter arbeitet in Südafrika,<br />

seinen Vater hat er nie kennen gelernt.<br />

Felipe hat fünf Geschwister und wird von<br />

seinem Onkel Alberto Cossa großgezogen.<br />

Der Vater muss in einem Molkereibetrieb<br />

arbeiten, die Mutter ist fortgezogen. Beide<br />

haben den gleichen Traum: später in Europa<br />

spielen. Der eine will zu Barcelona, der<br />

andere nach Manchester. Es ist der Traum<br />

vieler Kinder in Mosambik. Das Duell auf<br />

Maputos Rasen endet zwischen den beiden<br />

an diesem Tag unentschieden. Aber noch<br />

hat sich kein Europäer zur Talentsichtung<br />

bei Jacon blicken lassen, nur einheimische<br />

Vereine. Und die kämpfen selber ums<br />

Überleben. Der Clube Ferroviário da Beira,<br />

der Eisenbahnerverein aus der Hafenstadt<br />

Beira, in Zentral-Mosambik, fast neunhundert<br />

Kilometer nördlich von Maputo,<br />

ist so ein Beispiel. Die Stadt war 1887 als<br />

portugiesischer Militärstützpunkt errichtet<br />

worden; 1924 gründeten die Portugiesen<br />

den Fußballclub; später, während des Bürgerkriegs,<br />

war die Stadt Heimat der Renamo.<br />

Noch immer erinnern Granatsplitter in<br />

den Plattenbauten an das Gemetzel. „Der<br />

Fußball in Mosambik wird gerade erst wiederbelebt“,<br />

sagt Victor Matine, ehemaliger<br />

Spieler und jetzt Manager der Fußballabteilung<br />

von Ferroviário, „während des Kriegs<br />

konnte hier nicht gespielt werden, nach<br />

dem Krieg hauten alle ab, die noch zwei<br />

20<br />

Beine hatten, und erst jetzt geht es langsam<br />

wieder los.“<br />

160 Euro Monatsgehalt<br />

Der ganze Stolz sei derzeit die erfolgreiche<br />

Nationalmannschaft, die Klubs hingegen<br />

fristeten ein klägliches Dasein, noch immer<br />

zöge es die meisten mosambikanischen<br />

Talente nach Südafrika, zu den großen<br />

Klubs „Kaizer Chiefs“, „Orlando Pirates“<br />

oder „Ajax Cape Town“. „Was ein Spieler<br />

in Europa verdient, bekommt einer hier in<br />

zehn Jahren. Und selbst in Südafrika sind<br />

die Gehälter noch dreimal so hoch wie in<br />

Mosambik.“ Das Monatseinkommen eines<br />

Beira-Kickers betrage gerade einmal 160 Euro.<br />

Davon bekommt man eine mehrköpfige<br />

Familie selbst in Mosambik kaum durch.<br />

Dafür bekommt das Küstenland derzeit<br />

Nachwuchs aus dem darbenden Simbabwe.<br />

Diese einstige Kornkammer des südlichen<br />

Afrika wird gegenwärtig nämlich<br />

von dem Sozialisten und Weißenhasser<br />

Robert Mugabe ruiniert, und deshalb hat in<br />

dem Nachbarland eine Massenflucht nach<br />

Osten eingesetzt. Dennoch kommt der Vereinsfußball<br />

in Mosambik nur mühsam auf<br />

die Beine. Das Estádio do Ferroviário, mit<br />

seinem Fassungsvermögen von 7.000 Zuschauern<br />

ohnehin schon mickrig, sei selten<br />

ausverkauft – kein Wunder bei der Qualität.<br />

Die wenigsten Mannschaften haben einen<br />

eigenen Sponsor, immerhin steht hinter<br />

Ferroviário die Eisenbahn. Und immerhin<br />

soll die Fußballbegeisterung hier, in der Provinz,<br />

noch größer sein als in der Hauptstadt.<br />

Dort sei die Ablenkung mit Beach-Partys<br />

und Discos zu groß, meint Victor Matine:<br />

„Hier gibt es doch nichts als Fußball für einen<br />

jungen Mann. Und alle träumen davon,<br />

so gut wie ihr Vorbild Eusébio zu werden.“<br />

Der lebe zwar in Portugal, doch komme er<br />

regelmäßig seine Verwandten und Freunde<br />

in Maputo besuchen, und jedes Kind in Mosambik<br />

kenne seine Geschichte. Rachid Sogolane,<br />

der achtzehnjährige Mittelstürmer<br />

des Teams, ist auch so jemand, der Eusébios<br />

Geschichte auswendig kennt. Sogolane<br />

trägt den Dress der globalen Jugend: Bluejeans,<br />

weißes T-Shirt, Baseballmütze und<br />

am Arm ein Band mit dem Zeichen seines<br />

Lieblingsklubs Liverpool FC. Er kommt aus<br />

der Kleinstadt Tete, „mindestens fünf Autostunden<br />

von Beira entfernt – Richtung<br />

malawische Grenze“, wie er sagt, und spielt<br />

seit einem Monat bei dem Klub. Sogolane<br />

hat siebzehn Geschwister; seine Mutter<br />

ist Hausfrau, aber immerhin hat der Vater<br />

Arbeit. Früher war er als Anwalt für die sozialistische<br />

Regierung tätig, aber jetzt, seit<br />

er pensioniert ist, verdingt er sich nebenbei<br />

in der Privatwirtschaft. Beim Clube Ferroviário<br />

da Beira fand Sogolane seinen ersten<br />

Job als Profifußballer, nun verdient er rund<br />

vierzig Euro monatlich, und das ist natürlich<br />

auch für einen Fußballer in Afrika nicht<br />

viel Geld. Aber er steht ja erst am Anfang<br />

seiner Karriere. Und er macht sich keine Illusionen.<br />

Als Profifußballer schaffen es nur<br />

die wenigsten nach Europa (seine Traumarbeitgeber<br />

sind der Reihe nach: Manchester<br />

United, FC Barcelona, Liverpool), in<br />

Mosambik würde er als Profi nie besonders<br />

viel verdienen, und deshalb studiert Sogolane<br />

noch nebenbei Recht und Ökonomie.<br />

„Ich bleibe Realist“, sagt er, „man kann ja<br />

nie wissen.“<br />

Die mosambikanischen Mambas sackten in<br />

der Fifa-Wertung wieder ab und schieden in<br />

der Vorrunde für die WM in Südafrika aus.<br />

Momentan rangieren sie aber noch auf Platz<br />

72. Der holländische Trainer Mart Nooij<br />

wurde im Januar dieses Jahres entlassen,<br />

nachdem die Mambas beim African Cup<br />

of Nations in der Vorrunde ohne Sieg und<br />

mit nur einem Unentschieden ausschieden.<br />

Aktueller Trainer ist Miguel Chau, ein Mosambikaner,<br />

und damit weitaus günstiger<br />

als sein Vorgänger, der 15.000 $ bekam.<br />

Das ungewöhnliche Sozialprojekt in Maputo<br />

gibt es immer noch, und auch Fabio Jacon ist<br />

immer noch dabei. Für das Projekt »Anstoß<br />

zur Hoffnung« hat er in Deutschland prominente<br />

Mitstreiter als Schirmherren finden<br />

können: Marcelo Bordon (Schalke 04), Guy<br />

Demel (Hamburger SV) und Markus Miller<br />

(Karlsruher SC).<br />

Thilo Thielke lebt als Journalist in Hamburg.<br />

Für den Spiegel berichtete er bis zum Sommer<br />

2008 aus Afrika. Der<br />

Text ist ein Auszug aus seinem<br />

Buch „Traumfußball<br />

– Geschichten aus Afrika“,<br />

ISBN 978-3-89533-641-<br />

6, Verlag Die Werkstatt,<br />

24,90 Euro.<br />

Weitere Infos unter:<br />

www.anstoss-zur-hoffnung.de<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


Sport und Spiel in messano<br />

Sport und Spiele sind wichtige Bestandteile des Alltags der Menschen in Mosambik. Das konnten<br />

wir bei unseren Besuchen in Mosambik immer wieder erleben. Wir wollten wissen, w a s gespielt<br />

wird und w i e das mit dem Sport in der Schule ist. Katrin Schneider fragte bei ihren Kolleginnen<br />

und Kollegen in Messano nach. Messano ist ein Dorf in der Provinz Gaza, die Schule ist eine Escola<br />

Primaria Completa.<br />

Von Katrin Schneider<br />

Für die Lehrkräfte von „A luta continua“<br />

spielt im Sport neben der psychomotorischen<br />

Entwicklung der Kinder<br />

die Vermittlung von Werten wie<br />

Toleranz und Respekt für andere eine<br />

wichtige Rolle- nicht zu vergessen die<br />

Stärkung des „espirito entreajuda“.<br />

Im ländlichen Raum, berichten die<br />

Lehrkräfte, herrscht noch die Vorstellung,<br />

dass es unterschiedliche Sportarten<br />

für Jungen und Mädchen geben<br />

müsse: Fußball für die Jungen, „Himmel<br />

und Hölle“, Springseil und Volleyball<br />

für die Mädchen.<br />

Die LehrerInnen in Messano wollen<br />

das ändern. So stehen im Sportunterricht<br />

für Jungen und Mädchen Volleyball,<br />

Leichtathletik und Fußball auf dem<br />

Plan. Fußball für Mädchen, man höre<br />

und staune. In den drei erwähnten<br />

Auch die Lehrkräfte vertreiben sich die Pausen mit N´chuva<br />

Sportarten finden Wettbewerbe zwischen<br />

den Schulen statt. Die LehrerInnen<br />

würden auch gerne Handball<br />

und Basketball anbieten. Dafür fehlt<br />

ihnen eine Sporthalle. Die steht auf der<br />

Wunschliste an ihre Partnerschule in<br />

Lübeck ganz weit oben.<br />

Das mit Abstand beliebteste Spiel im<br />

Dorf ist N’chuva. Es ist als Kalaha oder<br />

Oware oder Bao auch in vielen anderen<br />

Ländern Afrikas bekannt.<br />

In der Mittagspause oder nach Schulschluss<br />

finden sich in Messano Kinder<br />

und Erwachsene am riesigen Spielbrett<br />

aus Stein ein, der auf dem Schulhof im<br />

Schatten eines Baumes liegt.<br />

In Mosambik besteht eine Mannschaft<br />

aus 1 bis 3 Spielern … Bei Wettbewerben<br />

gibt es einen Schiedsrichter,<br />

der über die Einhaltung der Regeln<br />

wacht. Die LehrerInnen in Messano<br />

spielen gern die Variante „Xivangueli“.<br />

Ihr Spielbrett hat mehr als 64 Mulden.<br />

Die Spieler sitzen sich gegenüber.<br />

Sie haben die gleiche Anzahl von Mulden.<br />

In jeder Mulde liegen zu Anfang<br />

zwei Steine.<br />

Bei Xivangueli nimmt der Spieler<br />

die Steine des Gegners und füllt seine<br />

Mulden, bis alle Steine seines Gegners<br />

aufgebraucht sind.<br />

Leider wird der Spielverlauf von<br />

den Kolleginnen in Messano nicht genauer<br />

beschrieben. Im Internet finden<br />

Interessierte unter dem Stichwort Afrikanische<br />

Spiele Hinweise zum Spielverlauf<br />

von Kalaha / Oware und Bao.<br />

In Spiele- oder Weltläden kann Kalaha<br />

auch hier erworben werden.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 21<br />

Foto: aus Messano


SchwerPUNkT<br />

Fußball und Chancengleichheit ist wie Demokratie durch<br />

Handelsbeziehungen<br />

Von wegen Fair Play, oder: die<br />

Ungerechtigkeit des Fußballs<br />

„Die großartige ‚Gleichheit vor dem Gesetz‘ verbietet den Reichen wie den Armen, unter Brücken zu<br />

schlafen, auf den Straßen zu betteln oder Brot zu stehlen“, schrieb Anatole France 1894 in seinem Roman<br />

„Le lys rouge“. Aber wie kommt es, dass es im Sport und damit auch im Fußball zwar heißt „Der Bessere soll<br />

gewinnen“, dies jedoch bezeichnenderweise meistens immer die Gleichen sind … nämlich die europäischen<br />

und südamerikanischen Mannschaften. Mögen da nicht noch andere Gründe als pure Unfähigkeit eine Rolle<br />

spielen …?<br />

Von Elísio Macamo<br />

Sport soll fair sein. Das ist das A und O des<br />

sportlichen Geistes. Fairness. Dabei sein<br />

ist alles. Dass dabei jemand zum Meister<br />

gekürt wird, ist nebensächlich. Kein Glaubenssatz<br />

des Sports ist so hartnäckig wie<br />

dieser. Auch wenn vieles dagegen spricht.<br />

Und der Fußball liefert gute Beispiele dafür.<br />

Afrikaner gelten zwar als Naturtalente, als<br />

ballgewandt und technisch versiert, aber<br />

das Fußballspiel ist nicht für sie gemacht<br />

worden. Oder noch besser: Das Fußballspiel<br />

spiegelt die Ungerechtigkeit der Welt<br />

wider. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe<br />

in Mosambik Fußball gespielt. Ich war Kapitän<br />

der Jugendmannschaft von Clube de<br />

Gaza, die Mitte der 1980er Jahre als A-Team<br />

den mosambikanischen Pokal nach Xai-Xai<br />

holte, in meine Heimatstadt. Zu diesem<br />

Zeitpunkt war ich zwar bereits nicht mehr<br />

dabei, aber die Siegermentalität habe ich<br />

den Jungs eingeimpft. In den afrikanischen<br />

Wettbewerben hat es die Mannschaft dann<br />

nicht mehr besonders weit gebracht, aber<br />

sei’s drum ...<br />

Zwei Beispiele für diese Ungerechtigkeit<br />

werden genügen. Sie werden zeigen, dass<br />

die Wahrheit nicht auf dem Fußballplatz<br />

liegt - das ist nur eine Phrase.<br />

22<br />

Am Anfang war ...<br />

der Rasen<br />

Beginnen wir mit dem Spielfeld. Fußball ist<br />

in England erfunden worden. In England<br />

regnet es ständig. Deswegen ist dort alles<br />

so schön grün. Die Bezeichnung „englischer<br />

Rasen“ ist ein eingeführter Begriff.<br />

Fast überall in Europa wird Fußball auf<br />

Rasenplätzen gespielt. Selbst Bolzplätze<br />

haben einen Rasen, spärlich zwar, aber<br />

immerhin. In Mosambik dagegen ist der<br />

Rasen eine Ausnahme. Noch präziser: eine<br />

seltene Ausnahme. So viel regnet es bei uns<br />

nämlich nicht. Und selbst dort, wo es viel<br />

regnet, hat der Boden so viel Durst, dass er<br />

das Wasser lieber selbst schluckt als es den<br />

Pflanzen zu geben.<br />

Deshalb lernt man das Fußballspielen in<br />

Mosambik (und in Afrika im Allgemeinen)<br />

auf dem nackten Boden. Ohne Schuhe,<br />

denn mit Schuhen profitiert man nicht von<br />

der Möglichkeit, im Kampf mit den Millionen<br />

von Sandkörnern, die einen ständig<br />

bremsen, seine Zehen als Krallen zu verwenden.<br />

Der Leser darf hier die Schlüsse<br />

ziehen, die er will. Zum Beispiel, dass uns<br />

deswegen der Begriff „Laufbereitschaft“ so<br />

fremd ist; oder dass unsere Ballgewandtheit<br />

daher kommt, dass der Boden so heiß ist,<br />

und man deshalb versuchen muss, durch<br />

technische Raffinesse stets in Bewegung zu<br />

sein. Es ist nicht an mir, solche Schlüsse zu<br />

ziehen.<br />

Was aber ersichtlich wird, ist die erste<br />

Ungerechtigkeit des Fußballs. Jeder, der einmal<br />

barfuß Fußball gespielt hat und irgendwann<br />

dazu übergeht, ihn mit Schuhen zu<br />

spielen, wird mich auf Anhieb verstehen. Es<br />

ist ein Jammer. Man muss das Fußballspielen<br />

noch einmal von vorne lernen. In Mosambik<br />

aber ist man bereits erwachsen, bis<br />

es soweit ist, dass man Fußball mit Schuhen<br />

spielt, d.h. die Motorik hat sich verfestigt<br />

und da kann man nicht mehr viel ändern.<br />

Will sagen: Das Klima behindert uns, es<br />

wirkt wettbewerbsverzerrend. Deswegen,<br />

übrigens, ist es so unpassend, von Naturtalent<br />

zu sprechen, wenn wir die Drogbas<br />

(aus der Cotê d’Ivoire, der Elfenbeinküste,<br />

stammender Spieler von Chelsea London)<br />

und Et’os (Kamerun, Inter Mailand) dieser<br />

Welt bewundern. Nein, sie sind keine<br />

Naturtalente. Sie haben hart an sich selbst<br />

gearbeitet. Ich hätte mir eigentlich gewünscht,<br />

dass die erste Weltmeisterschaft,<br />

die in Afrika stattfindet, nicht auf Rasen<br />

gespielt wird, sondern auf dem nackten Boden.<br />

Ob die bewährte deutsche Grätsche<br />

noch funktionieren könnte? Allein die Vorstellung<br />

auf Kunstrasen zu spielen versetzt<br />

Westeuropäer in Angst, geschweige denn<br />

auf nacktem Boden …<br />

Doping = Leistungsfördernde<br />

Substanzen<br />

Der Rasen ist nicht die einzige Ungerechtigkeit.<br />

Doping ist die andere. Ja, alle europäischen<br />

Mannschaften sind gedopt. Ich<br />

meine natürlich nicht die formell unerlaubten<br />

chemischen Mittel, die vor allem<br />

bei Radfahrern und Laufathleten besonders<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


eliebt sind, bei Letzteren sogar als Zahnpasta.<br />

Doping hat man im Fußball gut im<br />

Griff. Nein, ich meine die weiter gefasste<br />

Definition von Doping als Wettbewerbsverzerrung.<br />

Nun, wie wir alle wissen, braucht<br />

ein Leistungssportler eine gute Ernährung<br />

und dies am besten von Anfang an, d.h.<br />

von Kindheit an. In Mosambik wäre dies<br />

wünschenswert. Die Realität lässt das aber<br />

nicht zu. Selbst heute gibt es Mannschaften<br />

im Leistungssport, die sich schlecht und<br />

unprofessionell ernähren. Hierzulande<br />

würde man der Vereinsführung solcher<br />

Mannschaften den Prozess wegen Körperverletzung<br />

machen. Sie tun dies aber nicht<br />

deshalb, weil sie böse sind. Sie tun es, weil<br />

es ihnen an Mitteln fehlt. Bei der letzten<br />

Afrika-Meisterschaft in Angola gab es einige<br />

Teams, die es sich nicht leisten konnten, im<br />

Hotel zu essen, in dem sie untergebracht<br />

waren. Es war schlichtweg zu teuer für sie.<br />

Auch hier mag der Leser sich dazu aufgefordert<br />

fühlen, interessante Theorien über<br />

den Zusammenhang von Fußball und Afrikanern<br />

aufzustellen, aber nicht, weil ich es<br />

gesagt habe. Kondition, Beständigkeit, Ausdauer<br />

– ob es an der Nahrungsknappheit<br />

liegt, dass kein afrikanischer Fußballtrainer<br />

eine unglückliche Niederlage mit der Phrase<br />

„Mund abwischen und weitermachen“<br />

kommentiert? Wer weiß!<br />

Was dies jedoch im Klartext bedeutet, ist<br />

nämlich, dass ein Spiel zwischen einer afrikanischen<br />

und einer europäischen Mannschaft,<br />

d.h. zwischen afrikanischen und<br />

europäischen Sportlern, kein faires Spiel ist.<br />

Es ist ein Spiel mit gezinkten Karten, ein<br />

abgekartetes Spiel sozusagen. Die Fitness<br />

der Europäer beruht auf der jahrelangen<br />

Zufuhr körperaufbauender Substanzen in<br />

Form von Proteinen und Kalorien. Auf gut<br />

Deutsch: Sie sind gedopt. An dieser Stelle<br />

wird schnell klar, und hoffentlich auch entsprechend<br />

honoriert, welche Leistung afrikanische<br />

Sportler an den Tag legen, wenn<br />

sie sich irgendwo durchsetzen. Und dies<br />

ohne Doping, wohlgemerkt.<br />

Zur Kontinuität des<br />

Kolonialismus ...<br />

mit anderen Mitteln<br />

Fußball ist Politik. Das Spiel ist die Fortsetzung<br />

des Krieges gegen Afrika mit anderen<br />

Mitteln, ein ungleicher Zweikampf. Das ist<br />

vielleicht zu hart und zu drastisch formuliert,<br />

vielleicht sogar dreist, aber da ist schon<br />

was dran. Dabei geht es nicht unbedingt<br />

darum, bei den Europäern ein schlechtes<br />

Gewissen zu erzeugen, da sie vielleicht mit<br />

einem moralischen „Handicap“ spielen,<br />

wenn sie gegen afrikanische Teams antreten.<br />

Eine solche Schützenhilfe brauchen<br />

die flinken, quirligen afrikanischen Spieler<br />

nicht. Sie werden es auch so schon richten.<br />

Es geht vielmehr darum, das Bewusstsein<br />

dafür zu schärfen, dass auch in der Struktur<br />

des Fußballs grundsätzliche Nachteile abgelesen<br />

werden können, die das Heldentum<br />

der Afrikaner dokumentieren.<br />

Es ist wirklich erstaunlich, dass es afrikanische<br />

Mannschaften überhaupt mit anderen<br />

aufnehmen können. Dass sich deutsche<br />

Spieler und ihre Fans Gedanken darüber<br />

machen, ob sie gegen Ghana bestehen werden,<br />

spricht nicht nur für die Deutschen als<br />

fairen und wohlerzogenen Gegner, sondern<br />

auch und vor allem für Afrika als einen von<br />

der Geschichte stiefmütterlich behandelten<br />

Kontinent, der jedoch immer wieder aufsteht.<br />

Aber der Ball wird flach gehalten. Die<br />

afrikanischen Spieler werden mit ihren Kabinettstückchen<br />

brillieren und die biederen<br />

Kommentatoren werden mit der Miene des<br />

Besserwissers „Brotlose Kunst!“ schreien.<br />

Für die afrikanischen Fans allerdings wird<br />

nicht das zählen, was unter dem Strich dabei<br />

herauskommt. Für sie gilt der Spruch<br />

„Dabei sein ist alles“, und zwar wortwörtlich.<br />

Es kann losgehen!<br />

Elisio Macamo ist Soziologe und Dozent im<br />

Fachbereich African Studies an der Universität<br />

Basel.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 23<br />

Foto: Peter Steudtner


SchwerPUNkT<br />

Mosambik auf dem Weg zu den Paralympics<br />

Sport für alle!<br />

Die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist in Mosambik immer noch eine Seltenheit.<br />

Das Projekt Associação Desportiva para Pessoas portadores de Deficiência de Sofala (ADPPDS), welche von<br />

LICHT FÜR DIE WELT unterstützt wird, versucht dem entgegen zu wirken, in dem es verschiedenste Angebote<br />

im sportlichen Bereich schafft. Irmgard Neuper und Barbara Hager berichten über Ansätze und Erfahrungen<br />

mit ADPPDS.<br />

Von Irmgard Neuper und Barbara Hager<br />

Beinahe zwei Jahrzehnte nach Unterzeichnung<br />

des Friedensvertrags sind Menschen<br />

mit Behinderung in Mosambik noch<br />

immer weitgehend von der Gesellschaft<br />

ausgeschlossen und erleben tagtäglich Stigmatisierung<br />

und Diskriminierung. Infektionskrankheiten<br />

wie Meningitis und Polio,<br />

sowie Mangel- und Unterernährung sind in<br />

Ländern wie Mosambik häufige Ursachen<br />

für Behinderungen. Dazu kommen die langen<br />

Jahre des Krieges, die hohe Zahl an Verkehrsunfällen<br />

und ein leider immer noch<br />

mangelhaftes Gesundheitssystem. Behinderung<br />

wird oft als angeboren angesehen,<br />

nicht selten auch als Strafe Gottes. Vorurteile<br />

und Missverständnisse sind daher oft<br />

große Barrieren in der Integration und Förderung<br />

von Menschen mit Behinderung.<br />

Eltern, die in Mosambik ein behindertes<br />

Kind auf die Welt bringen, empfinden die<br />

Behinderung ihres Kindes leider allzu oft<br />

als „Fluch“ und vermeiden, das Kind in der<br />

Öffentlichkeit zu zeigen. Menschen mit Behinderung<br />

wird daher von ihrem unmittel-<br />

24<br />

Foto: LICHT FÜR DIE WELT<br />

baren Umfeld oft die Teilnahme an sozialen<br />

Aktivitäten verwehrt.<br />

Hier setzt die von LICHT FÜR DIE WELT<br />

unterstützte Associação Desportiva para<br />

Pessoas Portadores de Deficiência de Sofala<br />

(ADPPDS) an: Menschen mit Behinderung<br />

in Sofala sollen in die Gesellschaft eingegliedert<br />

werden und wie alle anderen am<br />

sozialen Leben teilhaben. Im Jahr 2003 aus<br />

einer Initiative eines lokalen Behindertenverbandes<br />

gegründet, veranstaltet ADPPDS<br />

Sportaktivitäten für Menschen mit und ohne<br />

Behinderung.<br />

Ein Sportler mit Herz<br />

Kopf des Vereins ist der ehemalige<br />

Spitzensportler Domingos Langa. Der liebevoll<br />

„Tio Langa“ genannte Sportler sollte<br />

1980 als erster Mosambikaner sein Land<br />

bei den Olympischen Spielen in Moskau<br />

vertreten und wurde damals nur aus bürokratischen<br />

Gründen kurzfristig von den<br />

Wettbewerben ausgeschlossen. Der ehemalige<br />

800-Meter-Champion trainierte im<br />

Rahmen der Kooperation zwischen dem<br />

jungen unabhängigen Staat Mosambik und<br />

der Sowjetunion in den 1970er Jahren einige<br />

Jahre lang in der DDR. Heute lebt er in<br />

Beira und kämpft dort für die Rechte von<br />

Menschen mit Behinderung in Mosambik.<br />

Als Sportler mit Herz und Seele versteht<br />

Tio Langa die vielseitigen Bedeutungen,<br />

die Sport für einen Menschen haben können.<br />

Die sportliche Betätigung trägt nicht<br />

nur zur körperlichen Rehabilitation bei,<br />

sondern auch zur sozialen Integration. Die<br />

Teilnehmer messen sich in Wettbewerben,<br />

beweisen ihre Fähigkeiten und treten so<br />

mit einem neuen Selbstbewusstsein in ihrer<br />

Gesellschaft auf. Im Oktober 2008 sind<br />

Tio Langa und der Läufer Escrivato Joanota<br />

sogar als Botschafter von LICHT FÜR WELT<br />

beim Vienna Night Run und beim Graz Marathon<br />

mitgelaufen.<br />

Sport und Bewusstseinsbildung<br />

ADPPDS hat als kleine Initiative mit eher<br />

sporadisch organisierten Trainings begonnen.<br />

Anfänglich unterstützt von Handicap<br />

International, arbeitet der Verein seit 2006<br />

mit der österreichischen Nichtregierungsorganisation<br />

LICHT FÜR DIE WELT zusammen.<br />

Heute sind fünf Angestellte und 20<br />

Freiwillige für ADPPDS tätig, der Verein<br />

verfügt über professionelle Trainer und<br />

Sportausrüstung und zählt inzwischen<br />

stolze 100 SportlerInnen mit Behinderung<br />

zu seinen Mitgliedern.<br />

Die Provinzregierung stellt die einzige<br />

große Sporthalle in Beira, den Pavilhão<br />

dos Desportes, für die Trainings kostenlos<br />

zur Verfügung. Dienstags und donnerstags<br />

trainieren die RollstuhlfahrerInnen Basketball<br />

und Boccia, Menschen mit Sehbehinderung<br />

Fußball. Montags, mittwochs<br />

und freitags spielt eine gemischte Gruppe<br />

aus Menschen mit Sehbehinderung und<br />

Hörgeschädigten Fußball und Badminton.<br />

Neben Neben den Gruppensportarten wird<br />

auch großer Wert auf Leichtathletik gelegt,<br />

beliebt sind etwa Laufen oder Speerwurf.<br />

Doch der Verein engagiert sich auch über<br />

die reine sportliche Förderung hinaus.<br />

Eltern von hörbehinderten Kindern und<br />

Interessierte konnten Kurse besuchen, um<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


die mosambikanische Gebärdensprache zu<br />

lernen. An einem zweiwöchigen Kurs im<br />

Jahr 2009 nahmen insgesamt 45 Personen<br />

teil, darunter Eltern, LehrerInnen, Journalisten,<br />

Krankenschwestern und Polizisten.<br />

Zu wichtigen Feiertagen beteiligen sich<br />

die Mitglieder von ADPPDS auch an öffentlichen<br />

Veranstaltungen, zum Beispiel am<br />

20. August, dem Tag der Stadt Beira, am<br />

7. April, dem Tag der mosambikanischen<br />

Frau oder am 1. Juni, dem Internationalen<br />

Tag der Kinder. Bei diesen Veranstaltungen<br />

macht ADPPDS auf die Situation der Men-<br />

schen mit Behinderung in der Region aufmerksam<br />

und trägt so einen wichtigen Beitrag<br />

zur Sensibilisierung der Bevölkerung<br />

in Sofala für die Rechte von Menschen mit<br />

Behinderung.<br />

In den letzen Jahren hat ADPPDS viel<br />

erreicht und die ständig steigende Zahl an<br />

Mitgliedern zeugt von der Dynamik und<br />

Begeisterung, die Tio Langa und sein Team<br />

versprühen. Das nächste große Ziel ist auch<br />

schon gesteckt: SportlerInnen von ADPPDS<br />

wollen ihr Land bei den Paralympics 2012<br />

in London vertreten.<br />

Irmgard Neuper ist Projektreferentin für<br />

Mosambik und Ostafrika bei LICHT FÜR<br />

DIE WELT. Sie war 2009 für den Deutschen<br />

Entwicklungsdienst in Maputo tätig.<br />

Barbara Hager ist Praktikantin bei LICHT<br />

FÜR DIE WELT und arbeitet dort im Team<br />

„Afrika“ mit.<br />

Weitere Infos unter:<br />

www.licht-fuer-die-welt.at<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 25<br />

Foto: LICHT FÜR DIE WELT


SchwerPUNkT<br />

Einige Gedanken zur Magie des Fußballs<br />

zauberhafter Fußball –<br />

all over the world!<br />

Afrika, Afrika – wie viele Bilder sausen durch den Kopf. Die aufgeblähten Kinderbäuche, Fliegenschwärme,<br />

die sich auf Wunden setzen, staubige Straßen, bis an den Horizont reichende Wellblechsiedlungen, bunte<br />

Märkte, tanzende Menschen, Gewehre tragende Milizen und Kinder auf Pickups, wunderbare Natur, beeindruckende<br />

Tierwelt, aber auch Gefahr, Irrationalität – und Magie …<br />

Von Matthias Grünewald<br />

Magie, Magie – Medizinmänner, die das<br />

Schicksal beschwören, traditionelle Heilerinnen,<br />

die geheime Mächte der Natur<br />

heraufbeschwören, die guten wie die bösen<br />

… denn waren es nicht böse Geister,<br />

die zum Tod dieses oder jenes eigentlich<br />

kerngesunden Menschen geführt haben,<br />

den Brunnen vergiftet haben, die Felder trocken<br />

bleiben lassen? „In allen afrikanischen<br />

Völkern, Kulturen, Schichten und Milieus<br />

ist der Aberglaube weit verbreitet,“ schreibt<br />

der Afrikakenner Bartholomäus Grill in seinem<br />

lesenswerten Buch ‚Laduuuuma! Wie<br />

der Fußball Afrika verzaubert’ über das<br />

Phänomen ‚Fußball’ in Afrika, „vielerorts<br />

steigert er sich zum Hexenglauben. (…).<br />

Der Hexenglaube ist keine abstruse Randerscheinung,<br />

die moderne, aufgeklärte Afrikaner<br />

gern bagatellisieren oder verleugnen,<br />

sondern ein weit verbreitetes Phänomen.“<br />

Und das nicht nur, wenn es um die Frage<br />

geht, warum man trotz bester Vorbereitung<br />

durch die Prüfung geflogen ist, das Auto aus<br />

der Kurve getragen wurde, ein Kind plötzlich<br />

stirbt. Nein, auch den nicht zu erklärenden<br />

Weg, den der gegnerische Ball gegen<br />

alle physikalischen Gesetze ins eigene<br />

Tor genommen hat, die Tatsache, dass ein<br />

unhaltbarer Schuss doch noch vom Torwart<br />

um den Pfosten gelenkt wurde – das konnte<br />

nicht mit rechten Dingen zugegangen sein,<br />

nein, hier musste ein Muti, ein Zaubermittel,<br />

im Spiel sein!<br />

„Für afrikanische Fußballanhänger“, so<br />

Grill, „ ist es die natürlichste Sache, dass<br />

26<br />

magische Mächte die Linien verbiegen,<br />

die Flugbahn von Bällen verändern, den<br />

Schiedsrichter benebeln oder den Torhüter<br />

lähmen.“ So passiert in den 1990er Jahren<br />

bei einer Begegnung, die in Mosambik oder<br />

Uganda – hier streiten sich die Gelehrten –<br />

stattgefunden haben soll: Bei einem Match<br />

der afrikanischen Champions League – das<br />

Hinspiel war 1:1 ausgegangen – stand alles<br />

auf dem Spiel. Nach dem Schlusspfiff war<br />

die Heimmannschaft perplex: Neunzig<br />

Minuten hatten sie das Tor der Gegner<br />

berannt, doch das Tor schien wie von Geisterhand<br />

vernagelt. Am Ende stand es 1:0<br />

für die Gäste, und die Heimmannschaft<br />

flog achtkantig aus dem Wettbewerb. Die<br />

erzürnten Fans zettelten eine Massenschlägerei<br />

an, denn es konnte nicht mit rechten<br />

Dingen zugegangen sein. Hatte nicht der<br />

Torwart der Gäste ein paar Handschuhe<br />

direkt neben den linken Pfosten gelegt?<br />

Ein eindeutiger Fall von Hexerei! Möglich<br />

aber auch, dass bei diesem Ereignis eine<br />

nationalistisch-kriegerische Auseinandersetzung<br />

und dahinter wiederum ein sozialer<br />

Konflikt die Ursache oder zumindest der<br />

Katalysator war …<br />

Doch nicht nur in der Erklärung meist<br />

negativer unerklärlicher Vorgänge spielt<br />

Zauberei eine Rolle, nein, auch zur positiven<br />

Beeinflussung eigener Stärken wird<br />

alles eingesetzt, was übernatürliche Kräfte<br />

zu besitzen scheint. Affenschädel, Krötenherzen,<br />

Urin vom Pavian, Drüsensekrete,<br />

besondere Knochen und vieles mehr soll<br />

unbesiegbar machen – und gibt es nicht<br />

immer wieder Beweise für die Wirksamkeit<br />

solcher Mittel? Die eigentlich recht<br />

schwachen Togolesen hatten doch mit<br />

besonders wirksamem Muti die WM-<br />

Qualifikation geschafft und ist nicht die<br />

Elfenbeinküste mit hocheffektivem Voodoo-<br />

Zauber 1992 Afrika-Champion geworden?<br />

So oder so: Ebenso wichtig wie der Trainer,<br />

ja vielleicht noch wichtiger, ist der Inyanga<br />

oder Sangoma, der Kräuterdoktor, der die<br />

einzusetzenden Mittel auswählt, mischt,<br />

vorbereitet und zur richtigen Zeit verabreicht,<br />

damit sich der erhoffte Erfolg einstellt.<br />

Was für ein Hokuspokus und Abrakadabra!<br />

So ein irrationaler Glaube lädt im<br />

zivilisierten, hochentwickelten Norden<br />

natürlich nur zu einem Lächeln über die<br />

naturverbundenen, ja naturgläubigen Afrikaner<br />

ein. Über diesen Entwicklungsstand<br />

ist man doch weit hinausgewachsen und ist<br />

dies nicht auch der Grund für den unübersehbaren<br />

Unterschied in Allem? Hat man<br />

sich nicht nur von den naturreligiösen und<br />

schließlich sogar von den persönlichkeitsreligiösen<br />

Mächten der monotheistischen<br />

Glaubensformen weitgehend losgesagt,<br />

sich verweltlicht und stattdessen dem<br />

Objektiven, Rationalen, Erklärbaren zugewandt<br />

und damit ein weitaus höheres<br />

Entwicklungsniveau erreicht? Unterliegt<br />

nicht, so der an der Universität Basel tätige<br />

Soziologe Elisio Macamo, die gesamte<br />

‚Fach’welt dem Irrglauben, dass Faktoren<br />

wie Ballbesitz, Zweikampfbilanz und Lauf-<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


ereitschaft über ein Spiel – und damit<br />

über Spielerkarrieren, Trainerentlassungen<br />

und Vereinsbilanzen – entscheiden? Und<br />

doch: Wie lassen sich bestimmte Niederlagen<br />

nach drückender Überlegenheit über<br />

die gesamte Spielzeit erklären, wie Verluste<br />

trotz weitaus teurerer und professionellerer<br />

Teams, trotz zwei- oder dreiklassiger Unterschiede<br />

und Lichtjahre entfernter Vereins-<br />

vermögen? Was ist mit den eigenen Pokalgesetzen,<br />

den Turniermannschaften, die<br />

trotz schlechtester Vorbereitungsspiele und<br />

Prognosen plötzlich „da sind“?<br />

So geschieht es, dass … ja, dass die Irrationalität<br />

ihre Wiedergeburt erlebt, und das<br />

in höchst unterschiedlichen Formen, wie<br />

Macamo mit einem Schmunzeln feststellt<br />

– letztlich mit dem Ziel, der Komplexität<br />

der spielbeeinflussenden Faktoren eine<br />

neue Verständlichkeit zu geben, sozusagen<br />

eine Rationalität höherer Ordnung. Hierbei<br />

lassen sich nach Macamo zwei unterschiedliche<br />

Strategien, eine individuelle<br />

und eine kollektiv-statistische, beobachten:<br />

Auf der individuellen Ebene sind es etwa<br />

das Kreuz, das beim Einlaufen oder nach<br />

dem Torschuss gemacht wird, die bei einer<br />

Siegesserie nicht gewechselten Hemden,<br />

Stirnbänder, Socken – erstaunlicherweise<br />

wird nie von den doch so entscheidenden<br />

Schuhen gesprochen! – der Bart, den man<br />

bis zur nächsten Niederlage nicht mehr<br />

rasiert, die Stadienreihen, die von den<br />

wahren Fans bevorzugt werden … all dies<br />

nicht so sehr, weil dadurch der Sieg mit an<br />

Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

garantiert wird, sondern eher, um nicht bei<br />

Verletzung dieser Maßnahmen womöglich<br />

die Niederlage heraufzubeschwören, da un-<br />

bestimmte Kräfte durch solch eine Handlung<br />

gestört sein könnten. Es ist in etwa wie<br />

bei den Agnostikern: Man glaubt nicht an<br />

Gott, aber es könnte ja doch sein, dass … –<br />

also lieber nichts riskieren!<br />

Die andere Strategie, die der harten<br />

Fakten, geht hier noch einen Schritt weiter:<br />

Hier scheint es klar, dass das Team<br />

A natürlich viel bessere Siegchancen hat,<br />

„Cambiasso dachte, nach Lehmanns Zettel könnte es nicht schlimmer kommen“<br />

weil es in den Begegnungen der letzten 35<br />

Jahre neben 13 Unentschieden 45mal gegen<br />

Team B gewonnen hat bei nur 12 Niederlagen.<br />

Und nach eigener Führung hat<br />

Mannschaft C nur in 17 % der Spiele den<br />

Sieg noch abgegeben, während Mannschaft<br />

D bei 2-Tore-Rückstand nach der Pause immerhin<br />

noch in 31 % aller Begegnungen den<br />

Sieg davon getragen hat. Auch wenn Spieler<br />

X zwar nicht von Beginn an gespielt, aber<br />

doch eher in der ersten Hälfte der zweiten<br />

Halbzeit als in der zweiten eingewechselt<br />

wurde, konnte seine Equipe in mehr als der<br />

Hälfte der Spiele erfolgreich nach Hause fahren.<br />

Natürlich nur bei Auswärtsspielen,<br />

bei Heimspielen dagegen … Und hat nicht<br />

der Schiedsrichter auch in dem Pokalendspiel<br />

vor 8 Jahren schon in dem Stadion<br />

einen Elfmeter gegeben, sogar ebenfalls in<br />

den ersten 10 Minuten!!! Usw. usw. …<br />

Um hieraus jedoch tatsächlich wissenschaftlich<br />

fundierte Serien herauslesen<br />

zu können, müssten nach Macamo die<br />

gleichen Mannschaften mit den gleichen<br />

Trainern auf dem gleichen Platz … vielleicht<br />

100mal gegeneinander antreten, um<br />

die Irrtumswahrscheinlichkeit unter die<br />

akzeptable Grenze zu bringen und eben<br />

nicht … der Irrationalität zu verfallen! Was<br />

man also hat, ist höchstens „Aberglaube<br />

auf höchstem Niveau“, sozusagen, so Macamo,<br />

„erleuchtete Irrationalität, maskiert<br />

als wissenschaftliche Rationalität“. Oder,<br />

mit anderen Worten: „Während Afrikaner<br />

das Vokabular der Hexerei verwenden,<br />

um das Spiel transzendent fassbar zu machen,<br />

vollziehen Europäer [und alle deren<br />

Denktradition entstammenden Nationen<br />

sowie andere Industrienationen, denke ich.<br />

M.G.] im Grunde das Gleiche, indem sie<br />

einen übertriebenen Gebrauch von Statistiken<br />

und Zahlen machen, um Begriffe wie<br />

Gerechtigkeit, Fairness, Kontinuität und<br />

Ausgleich ins Spiel zu bringen“, deren vermeintliche<br />

Berechtigung sich so – jedoch zu<br />

Unrecht! – belegen ließe. So bleibt es also<br />

letztlich doch bei den Faktoren der leicht<br />

modernisierten Weisheit Sepp Herbergers,<br />

die das Spielgeschehen nach wie vor im Wesentlichen<br />

bestimmen: „Der Ball ist rund<br />

und das Spiel dauert 90 Minuten“ … plus<br />

im Display angezeigter Nachspielzeit!<br />

P.S.: Einen bemerkenswert aufgeklärten<br />

Charakter bewies kürzlich Bayer Leverkusens<br />

Trainer Jupp Heynkes: In einem Interview<br />

mit dem FOKUS antwortete er auf die<br />

Frage des Journalisten, ob die Mannschaft<br />

von Leverkusen am Ende der Saison wieder<br />

die ihr nachgesagte Nervenschwäche<br />

zeige: Ach wissen Sie, Sie sind doch ein<br />

intelligenter Journalist eines angesehenen<br />

Magazins, und dann müssten Sie doch wissen,<br />

dass die Mannschaft heute eine völlig<br />

andere ist als die von 2002, als dieses Bild<br />

entstand, und ich war damals auch noch<br />

nicht Trainer – können Sie mir also sagen,<br />

wo da der Zusammenhang ist? Well done,<br />

Jupp!<br />

Matthias Grünewald ist Soziologe und<br />

Fremdsprachenwissenschaftler und seit<br />

Herbst 2009 im Redaktionsteam.<br />

Quellen:<br />

Barholomäus Grill: Laduuuuuma! Wie der<br />

Fußball Afrika verzaubert. Hoffmann und<br />

Campe. 2009. Kapitel: Die vergessene Pavianpfote.<br />

Auf den Fußballfeldern Afrikas spielen<br />

Geiste und magische Mächte mit.<br />

Elisio Macama: The Order of the Game –<br />

Chance and Irrationality in Professional<br />

Soccer. 2010. Vortrag auf der Konferenz<br />

‘Visualising the Game. Global Perspectives<br />

on Football in Africa, Basel 2010. (Eigene<br />

Übersetzung)<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 27<br />

Zeichnung: Willi Capsa / www.willi-capsa.de


Thema<br />

Durch Sport das Leben selbst in die Hand nehmen<br />

Starke Jugend, starkes afrika<br />

Youth Development through Football (YDF) nennt sich ein Konzept, mit dem benachteiligte Jungen und<br />

Mädchen unterstützt werden sollen, ihr eigenes Leben initiativ und positiv zu gestalten. Es wird in zahlreichen<br />

afrikanischen Ländern im Rahmen von Kooperationen der Entwicklungszusammenarbeit umgesetzt.<br />

Auch in Mosambik gibt es diverse Aktivitäten, die die GTZ in ausgewählten Distrikten in Manica unterstützt.<br />

Hannes Bickel vom GTZ-Büro Südafrika berichtet über Ansätze und Erfahrungen mit YDF.<br />

Von Hannes Bickel<br />

Bei Youth Development through Football<br />

(YDF) werden Ansätze des Empowerments<br />

von Jugendlichen mit der Sportförderung<br />

verbunden. Das YDF-Projekt der GTZ unterstützt<br />

in zehn afrikanischen Ländern<br />

Nichtregierungsorganisationen und Regierungsinstitutionen,<br />

Projekte zur Jugendförderung<br />

umzusetzen, und soll bis Mitte<br />

2012 laufen. Es geht konkret um sportliche<br />

Aktivitäten auf lokaler, regionaler und landesweiter<br />

Ebene. Die YDF-Projekte möchten<br />

dazu beitragen, dass sozial benachteiligte<br />

Jungen und Mädchen darin gefördert<br />

werden, ihr Leben selbst ‚in die Hand‘ zu<br />

nehmen und ihren Lebensweg positiv zu<br />

gestalten. In den Projekten werden neben<br />

dem Sport auch entwicklungsrelevante<br />

Themen behandelt, die für die Jugendlichen<br />

von Bedeutung sind, wie z.B. Konflikt- und<br />

Gewaltprävention, gesundheitliche Aufklärung<br />

und Möglichkeiten der politischen<br />

und gesellschaftlichen Partizipation. Auch<br />

Jahre nach Ende des Bürgerkriegs 1992 sind<br />

viele Jugendliche in Mosambik mit Gewalt<br />

konfrontiert, kämpfen um gute schulische<br />

und berufliche Chancen und versuchen,<br />

ihren Platz in der mosambikanischen Gesellschaft<br />

zu finden.<br />

Seit Juli 2009 wird das YDF-Konzept in<br />

ausgewählten Distrikten der Provinz Manica<br />

umgesetzt. Die Manica-Provinz ist eine<br />

der drei Provinzen, in denen die deutsche<br />

Entwicklungszusammenarbeit in Mosambik<br />

vorrangig aktiv ist. Das Jugendfußballprojekt<br />

in Mosambik ist von der GTZ Südafrika<br />

initiiert. Partner in Mosambik sind<br />

neben dem GTZ-Kooperationsvorhaben<br />

„Multisektorale HIV/Aids-Bekämpfung“<br />

die Lurdes Mutola Foundation. Die Stif-<br />

28<br />

tung wurde von der berühmten mosambikanischen<br />

Mittelstreckenläuferin und<br />

Olympiasiegerin Lurdes Mutola gegründet.<br />

Seit 2001 liegen die <strong>Schwerpunkt</strong>e der Stiftung<br />

in der sportorientierten Jugend- und<br />

Bildungsarbeit. Dabei geht es auch um die<br />

Stärkung unternehmerischen Handelns von<br />

jungen Menschen und die Förderung von<br />

Jugendinitiativen. Das YDF-Projekt wird<br />

vom Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(BMZ) und der Europäischen Union (EU)<br />

finanziert. Es soll in bis zu zehn weiteren<br />

afrikanischen Ländern etabliert werden.<br />

Lurdes Mutola Stiftung –<br />

Partner in Mosambik<br />

In Mosambik, wie in den anderen afrikanischen<br />

Partnerländern auch, wird das<br />

YDF-Konzept gemeinsam mit Partnern<br />

aus dem staatlichen und nicht-staatlichen<br />

Sektor an die jeweiligen Gegebenheiten im<br />

Land angepasst. Wichtig ist die Kooperation<br />

mit lokalen Partnern, wie z. B. der Lurdes<br />

Mutola Foundation, die sich im Land auskennen<br />

und respektiert sind. Entsprechend<br />

unterschiedlich sind die Kernthemen in den<br />

YDF-Partnerländern. In Mosambik geht es<br />

primär um die Stärkung institutioneller<br />

Kapazitäten von Jugendförderung durch<br />

Sportinitiativen. Durch entsprechende<br />

Trainingsangebote soll die Leistungsfähigkeit<br />

kleinerer Initiativen vor Ort gestärkt<br />

werden. Insgesamt 10 Jugendorganisationen<br />

in Manica erhalten unter dem Dach<br />

der Lurdes Mutola Foundation im Rahmen<br />

des Projekts finanzielle oder technische<br />

Unterstützung. Im Mittelpunkt aller Ak-<br />

tivitäten steht der Fußballsport, über den<br />

die jungen Leute erreicht und in ihrer Entwicklung<br />

gefördert werden. Im Mittelpunkt<br />

aller Aktivitäten steht der Fußballsport über<br />

den die jungen Leute erreicht und in ihrer<br />

Entwicklung gefördert werden. Sport lehrt<br />

Strategien der friedlichen Auseinandersetzung,<br />

schult die Fähigkeit mit Niederlagen<br />

umzugehen und formt die Persönlichkeit.<br />

Im YDF-Projekt lernen die Jugendlichen,<br />

Konflikte mit anderen Mitteln zu lösen als<br />

mit Gewalt. Fairness und Teamgeist werden<br />

gefördert und in vielen Mannschaften<br />

spielen Jungen und Mädchen gemeinsam.<br />

Bis Ende 2009 wurden insgesamt 51<br />

Trainer, darunter 12 Frauen, von der Lurdes<br />

Mutola Stiftung geschult. Dafür wurde ein<br />

eigenes Trainingsmanual entwickelt. Bis zu<br />

700 Kinder werden durch die regelmäßig<br />

stattfindenden Trainings in der Manica-Provinz<br />

erreicht. Der Leitfaden für die Trainer-<br />

Ausbildung versucht sinnvoll und effektiv<br />

das sportliche Fußballtraining mit der Vermittlung<br />

von ‚Life Skills’ zu verbinden. Bei<br />

diesem Ansatz geht es darum, Werte und<br />

Inhalte zu Themenfeldern, wie Integration<br />

und Gewaltprävention, spielerisch zu vermittlen<br />

und in die sportlichen Aktivitäten<br />

zu integrieren. Somit hat ‚simples‘ sport zu<br />

integrieren. Somit hat ‚simples‘ sportliches<br />

Training immer auch eine bildungs relevante<br />

Komponente. Fußballtraining wird dazu<br />

eingesetzt das Selbstbewusstsein der Jugendlichen<br />

zu stärken und ihr Führungsverhalten<br />

zu trainieren. Auch die Aufklärungs-<br />

und Bildungsarbeit im Bereich HIV /<br />

AIDS eignet sich gut für eine Kombination<br />

mit dem Sport. Das Programm angebot der<br />

Lurdes Mutola Foundation wird abgerundet<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


Zeig Gewalt die „rote Karte“: Teilnehmer der YDF Programme lernen, dass es andere Wege der Konfliktbewältigung gibt<br />

durch die Verbesserung unternehmerischer<br />

Fähigkeiten, die Vermittlung von Kenntnissen<br />

im Projekt- und Finanzmanagement,<br />

Kursen zur institutionellen und administrativen<br />

Stärkung von Organisationen und zu<br />

den Möglichkeiten des Fundraising.<br />

Den Schwung der<br />

Weltmeisterschaft nutzen<br />

Die Fußballbegeisterung der Menschen in<br />

Mosambik aufgrund der Weltmeisterschaft<br />

in Südafrika ist ein idealer Anknüpfungspunkt<br />

für das YDF-Projekt. Solche oder<br />

andere Sportereignisse, die eine gute Verbindung<br />

zur Jugendförderung haben und<br />

die Vorlieben der Jugendlichen ansprechen,<br />

eignen sich sehr gut, um den Projekt ansatz<br />

zu erklären und neue Ideen zu propagieren.<br />

Es wird in diesem Jahr wie schon 2009 eine<br />

Art ‚Friedenskarawane’ geben, die durch<br />

die Länder Ruanda, Sambia, Namibia, Bots-<br />

wana, Lesotho und Swaziland tourt. Ihr<br />

Endpunkt ist Mosambik. Die Karawane soll<br />

den Geist einer afrikanischen Fußball-Weltmeisterschaft<br />

fördern. Für Mitte Mai 2010<br />

ist geplant, gemeinsam mit den diversen<br />

Partnern von YDF die Projektideen im<br />

Rahmen eines Fußballturniers in Chimoio<br />

zu präsentieren. Das Motto lautet: “Strong<br />

Youth, Strong Africa!”<br />

Hannes Bickel ist Diplom-Politologe mit<br />

sportpolitischem <strong>Schwerpunkt</strong> und arbeitet<br />

seit Beginn 2008 von Südafrika aus als<br />

Project Officer Africa Team and Networks<br />

für das GTZ-Vorhaben Youth Develpment<br />

through Football (YDF). Zusätzlich zu der<br />

Koordinierung von regionalen Ansätzen<br />

und Aktivitäten von YDF in Mosambik, Ghana,<br />

Zambia und Südafrika (Westkap) ist er<br />

auch für die Weiterentwicklung der überregionalen<br />

Netzwerkkomponente von YDF<br />

verantwortlich.<br />

Hannes Bickel<br />

Youth Development through Football (YDF)<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit (GTZ) GmbH<br />

Pro Equity Court,W2 Office<br />

1250 Pretorius Street<br />

Hatfield 0028<br />

Pretoria<br />

South Africa<br />

Office: +27 (0)12 432 0103<br />

Mobile: +27 (0)82 880 1107<br />

Fax: +27 (0)12 423 0111<br />

E-mail: hannes.bickel@gtz.de<br />

Internet: www.gtz.de<br />

Internet: www.za-ydf.org<br />

Lurdes Mutola Fondation<br />

Internet: www.flmutola.org.mz<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 29<br />

Foto: GTZ / YDF


SchwerPUNkT<br />

Schulpartnerschaften der Sportschule Potsdam<br />

„Friedrich Ludwig Jahn“ mit Schulen in Mosambik<br />

Begegnungsreisen und<br />

Sport verbinden<br />

Seit 2000 gibt es Schulpartnerschaftsbeziehungen zwischen der Sportschule Potsdam „Friedrich Ludwig Jahn“<br />

und der Escola Secundária da Matola und seit 2005 mit der Escola Primaria Completa Josina Machel in Tofo.<br />

Der Wunsch der Schüler, Hilfe für Projekte in Afrika direkt und partnerschaftlich zu leisten, war der Ausgangspunkt.<br />

Seitdem hat es viele Begegnungsreisen gegeben, bei denen vor allem der Sport im Mittelpunkt<br />

stand und dazu beitrug, sich gegenseitig kennen zu lernen, unterschiedliche Kulturen und Traditionen zu<br />

akzeptieren und Projekte gemeinsam umzusetzen.<br />

Von Evelyn Vollbrecht<br />

Die Escola Secundária da Matola ist eine<br />

zum Abitur führende Schule in der Nähe<br />

der Hauptstadt Maputo mit ca. 7000 Schülern.<br />

Die Schule in Tofo (Provinz Inhambane)<br />

betreut mehr als 700 Kinder. In der<br />

Schulpartnerschaftsarbeit mit Mosambik<br />

sehen wir eine Chance, über persönliche<br />

Kontakte unsere Jugendlichen für globale<br />

Probleme zu sensibilisieren, und durch<br />

das interkulturelle Kennen zu lernen, die<br />

Akzeptanz für andere Kulturen und Traditionen<br />

zu erhöhen.<br />

Die Projektarbeit, die hauptsächlich<br />

durch die Schüler der Arbeitsgemeinschaft<br />

Mosambik organisiert und koordiniert<br />

wird, ist nicht auf ein Schuljahr begrenzt.<br />

Gemeinsam mit den Partnern aus Mosambik<br />

werden Projekte ausgewählt. Mit den<br />

beim jährlich stattfindenden „Running for<br />

Help“ erlaufenen Sponsorengeldern und<br />

bisher zweimaligen Zuwendungen von der<br />

Gesellschaft „Children for a better World“<br />

werden die Projekte finanziert.<br />

30<br />

Sport verbindet<br />

Sport stand bei allen Begegnungsreisen an<br />

oberster Stelle. Bei unseren beiden ersten<br />

Reisen wurden auf dem Gelände der Escola<br />

Secundária da Matola zwei Sportplätze<br />

in Angriff genommen. Der 2002 gebaute<br />

Hartplatz erfüllt heute noch seine Funktion.<br />

2003 haben wir einen Beachvolleyballplatz<br />

zu gestalten begonnen. Der Bau wurde<br />

während der Reise nicht beendet, aber<br />

ein halbes Jahr später wurde die gesamte<br />

Schule mit staatlichen Mitteln vollständig<br />

rekonstruiert. Während dieser Zeit fand der<br />

Unterricht für ein Jahr in Zelten statt. Die<br />

Schule hatte nach dem Umbau eine neue<br />

Sporthalle und eine kleine Außenanlage<br />

für die Leichtathletik. Damit änderten sich<br />

die Prioritäten bei unseren gemeinsamen<br />

Aktionen während der weiteren Begegnungsreisen.<br />

Seit 2005 finanzieren wir<br />

beispielsweise den Internetanschluss in der<br />

Schule in Matola, helfen beim Bau und der<br />

Ausstattung der Bibliothek und bei der Versorgung<br />

mit Sportgeräten. Bälle jeder Art<br />

stehen jedes Jahr ganz oben auf der Liste.<br />

Und natürlich werden diese bei gemeinsamen<br />

Wettkämpfen genutzt.<br />

In der Grundschule in Tofo ist die Situation<br />

vollständig anders, da die Ausstattung<br />

schlechter ist. Wir haben dort die Gelder<br />

genutzt, um Schulhäuser zu rekonstruieren<br />

und ein Schulhaus neu zu bauen. Bücher<br />

und andere Schulmaterialien, im letzten<br />

Jahr der erste Computer, wurden aus Maputo<br />

mitgenommen. Aber auch in Tofo läuft<br />

ohne Sport nichts. Jedes Mal bringen wir<br />

viele Bälle mit und versuchen unser Bestes<br />

bei den beliebten Fußballspielen. Das gemeinsame<br />

Spiel ist, vor allem auch wegen<br />

der Sprachbarrieren, eine unkomplizierte<br />

Chance des gemeinsamen Kennenlernens.<br />

Dank des Schulbusses der E.S. Matola und<br />

unseres treuen Begleiters Sebastian Matuss<br />

sind wir bei Reisen in Mosambik immer gut<br />

beweglich. Wir haben immer Bälle dabei.<br />

Freie Zeit am Strand, im Schwimmbad oder<br />

auf dem Schulhof wird immer mit Ballkontakt<br />

oder anderen Spielen überwunden.<br />

Ganz schnell ist die Gruppe umzingelt von<br />

den dortigen Kindern. Sport verbindet, egal<br />

auf welcher Ebene. Der olympische Gedanke<br />

begleitet uns auf der ganzen Welt und<br />

ist eine Chance für das Zusammenwachsen.<br />

Der Sport verbindet uns mit den Schulen<br />

in Mosambik auch auf einer anderen<br />

Ebene. Die Sportschule Potsdam „Friedrich<br />

Ludwig Jahn“ ist eine der erfolgreichsten<br />

der Bundesrepublik. Sie hat eine lange Geschichte.<br />

Seit 1952 werden an der Schule<br />

sportliche Talente gefördert. Mehr als fünfzig<br />

olympische Medaillen wurden durch<br />

Sportler gewonnen, die Absolventen unserer<br />

Schule sind. Wir hoffen, dass unsere<br />

Partnerschaftsarbeit auch zur Sportförderung<br />

beiträgt, und vielleicht die E. S. Matola<br />

bald ebenfalls auf die ersten Teilnehmer an<br />

Oympischen Spielen stolz sein kann. Die<br />

Schule hat schon sehr viele Regional- und<br />

Landespreise im Volley- und Basketball gewonnen.<br />

Aber auch im Fußball darf man sie<br />

nicht unterschätzen.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


Wir versuchen, gerade die Sportlehrer<br />

auf beiden Seiten stark in unsere gemeinsame<br />

Arbeit einzubeziehen. Gern würden<br />

wir ein oder zwei Lehrer der E.S. Matola für<br />

ein halbes Jahr in Potsdam begrüßen und<br />

sie in die Besonderheiten unserer Schule<br />

mit den speziellen Bedingungen für die<br />

Begabtenförderung Sport einweihen. Ein<br />

erster Schritt ist getan. Bereits zweimal hatten<br />

wir für zwei Wochen Besuch aus Matola.<br />

Sportschulen gibt es in Mosambik noch<br />

nicht, aber die Escola Secundária in Matola<br />

nimmt mit, was sie von der Begabtenförderung<br />

in Potsdam lernen kann. Die Besucher<br />

setzten sich mit modernen Methoden<br />

der Unterrichtstätigkeit bzw. des Trainings<br />

im Leistungssport auseinander. Ihre Erfahrungen<br />

werden sie in ihrer Schule einem<br />

größeren Kreis weiter vermitteln. Zum Programm<br />

gehörten auch ein Besuch des Bundeskanzleramtes<br />

und Gesprächsrunden im<br />

Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.<br />

Interkulturelles Lernern<br />

Der gemeinsame Sporttag in Matola während<br />

unserer letzten Begegnungsreise im<br />

Oktober 2009, es war bereits die siebente<br />

Schülerreise nach Mosambik, war für alle<br />

wieder ein Höhepunkt. Dieser regnerische<br />

Tag begann mit einer einstündigen Aerobic<br />

Aufwärmung. Es ist nicht leicht, bei einer<br />

extremen Luftfeuchtigkeit dem Rhythmus<br />

gerecht zu werden. Bei den sportlichen<br />

Wettkämpfen haben wir uns mächtig verausgabt<br />

und konnten sogar im Volleyballspiel<br />

gewinnen. Viel Spaß haben auch die<br />

Spiele im Mix gemacht. Neben den sportlichen<br />

Aktionen haben die Jugendlichen<br />

die Chance, in der Fremde die eigenen kulturellen<br />

Wurzeln zu reflektieren, andere<br />

Denk- und Lebensweisen kennen zu lernen<br />

sowie weltwirtschaftliche und Umweltbedingungen<br />

aus einer anderen Perspektive<br />

konkret zu erleben. Auch sollen Jugendli-<br />

che aus Matola in die Projektarbeit in Tofo<br />

einbebezogen werden, um sie zu sensibilisieren<br />

für Probleme im eigenen Land und<br />

die Möglichkeiten der Hilfe durch Selbsthilfe.<br />

Im September 2010 können wir auf<br />

zehn Jahre gemeinsame Arbeit zwischen<br />

Potsdam und Matola zurück blicken. Die<br />

Partnerschaft ist inzwischen aus dem Schulalltag<br />

hier und in Mosambik nicht mehr<br />

weg zu denken. Gemeinsam werden wir<br />

dieses Jubiläum begehen, in Potsdam und<br />

in Matola und Sport wird auch dann wieder<br />

eine wichtige Rolle spielen!<br />

Evelyn Vollbrecht ist Lehrerin der Sportschule<br />

Potsdam „Friedrich Ludwig Jahn“, hat mit<br />

ihrem Mann von 2005 bis 2007 in Mosambik<br />

gelebt und koordiniert die Schulpartnerschaften<br />

seit 2000.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 31<br />

Foto: Evelyn Vollbrecht


SchwerPUNkT<br />

Der Bayrische Fußball-Verband (BFV) engagiert<br />

sich in Mosambik<br />

Fußball verbindet!<br />

Mit dem Besuch von Horst Köhler in Mosambik im Jahr 2005 kam ein Kooperationsprojekt ins Rollen, welches<br />

mit dem Fußball im Zentrum bereits viele kleine und größere Aktivitäten und Beziehungen angestoßen hat.<br />

Im Februar diesen Jahres konnte die Auswahl U16 des Bayrischen Fußball-Verbandes (BFV) nach Mosambik<br />

reisen um die Kontakte weiter zu verstärken und natürlich gemeinsam Fußball zu spielen. Die Erlebnisse schildern<br />

Thomas Müther und Tobias Günther vom BFV.<br />

Von Thomas Müther und Tobias Günther<br />

Als Flug TAP 553 am 13. Februar um 6.25<br />

Uhr vom Münchner Flughafen abhebt,<br />

ahnt noch niemand der 18 bayerischen<br />

Auswahlfußballer, was sie gut 15 Flugstunden<br />

später wirklich erwartet. Eine Reise in<br />

eines der ärmsten Länder der Welt. Ein prägendes,<br />

bewegendes (Fußball)-Abenteuer.<br />

Es ist der zweite Besuch einer bayerischen<br />

Jugendauswahl beim Partnerverband in<br />

Mosambik, circa 8.500 Kilometer von München<br />

entfernt.<br />

32<br />

Hintergründe der<br />

Kooperation<br />

Die Eindrücke von der großen Armut und<br />

Bedürftigkeit prägen sich ein. Der BFV kooperiert<br />

seit 2005 mit dem Verband des<br />

südostafrikanischen Staates. Er hat sich<br />

gemeinsam mit dem Deutschen Fußball-<br />

Bund (DFB), dem Auswärtigen Amt und<br />

dem Deutschen Olympischen Sportbund<br />

(DOSB) zum Ziel gesetzt, im Sinn der sozialen<br />

und gesellschaftlichen Aufgaben eines<br />

der ärmsten Länder der Welt mit finanziellen<br />

und materiellen Hilfeleistungen beim<br />

Aufbau von grundlegenden Strukturen zu<br />

unterstützen. Viele Kinder und Jugendliche,<br />

die in Mosambik unter schlimmsten hygienischen<br />

Verhältnissen aufwachsen, haben<br />

dort kaum Chancen auf Bildung und ein<br />

besseres Leben. Der Fußball lässt sie den<br />

traurigen Alltag oft vergessen, gibt ihnen<br />

Kraft für den Alltag.<br />

Das kann Torsten Spittler bestätigen. Der<br />

ehemalige BFV-Verbandstrainer, der jetzt als<br />

Technischer Direktor für den Fußball-Ver-<br />

band von Mosambik arbeitet, lebt mit seiner<br />

Frau in der Hauptstadt Maputo und ist<br />

mit dem Ziel nach Mosambik gekom-men,<br />

Talente zu fördern und Trainer auszubilden.<br />

„Das Leben ist in vielen Bereichen natürlich<br />

schon anders als in Europa. Bei einem<br />

Termin um acht Uhr kommen die Leute oft<br />

erst um neun oder zehn Uhr. Der Ablauf<br />

verschiebt sich ständig. Andererseits ist das<br />

Leben in der Hauptstadt, was den Straßenverkehr<br />

zum Beispiel angeht, auch für mich<br />

überraschend gut organisiert. Die Menschen<br />

halten sich an die Regeln. Da habe<br />

ich schon ganz andere Sachen bei meinen<br />

Auslandsaufenthalten als Trainer im Jemen,<br />

Nepal oder Malaysia erlebt. Die Leute sind<br />

unheimlich freundlich. Man bekommt in<br />

der Hauptstadt nahezu alle Dinge für den<br />

täglichen Bedarf. Und wenn es um Fußball<br />

geht, sind alle total elektrisiert“, berichtet<br />

er nach nun fast vier Monaten. Eindrücke,<br />

die auch die BFV-Auswahl bestätigen kann.<br />

Fußball unter anderen<br />

Bedingungen<br />

Der Trainingsplatz liegt am Rand eines Armenviertels.<br />

Roter Sandboden, zwei Tore<br />

mit alten Netzen, mehr gibt es hier nicht.<br />

Aber das ist egal, sie wollen Fußball spielen.<br />

Schnell sammeln sich an der Seite gut<br />

20 mosambikanische Zuschauer. Schuhe,<br />

Trikots, Bälle – sie würden sich über jedes<br />

Geschenk riesig freuen. Doch erstmal wird<br />

trainiert. Nach einer Stunde ist Schluss.<br />

Fünf der Trainingsbälle verschenken sie an<br />

die mosambikanischen Straßenfußballer.<br />

Vor einem Tor wird ein Gruppenfoto mit<br />

allen Menschen gemacht, die am Platz waren.<br />

Fußball verbindet – auch oder eben<br />

gerade hier in Mosambik.<br />

Fußball spielen, Schulen mit tausenden<br />

von Kindern besuchen, in Klassenzimmern<br />

mit den Schülern singen, T-Shirts, Lollies<br />

und Schlüsselanhänger verschenken, die<br />

Menschen nicht alleine lassen. Herzlichkeit,<br />

Freude und strahlende Gesichter auf<br />

der einen, Armut, Angst und Ungewissheit<br />

auf der anderen Seite. Alles liegt hier so eng<br />

beieinander. Die Eindrücke überwältigen<br />

und prägen.<br />

Darüber hinaus …<br />

Im Sportzentrum von Namaacha, gut 80 Kilometer<br />

von Maputo entfernt Richtung Südafrika,<br />

gibt es einen großen, gut gepflegten<br />

Rasenplatz. In der Nähe steht ein Brunnen,<br />

den der Bayerische Fußball-Verband hier<br />

vor zwei Jahren gebaut hat. Aus der Erde<br />

kommt ein kleiner schwarzer Schlauch,<br />

der an den Wassertank ange-schlossen ist.<br />

Aus über 180 Meter Tiefe werden tausende<br />

Liter sauberes Grundwas-ser gepumpt, das<br />

in große Wassertonnen fließt, die überall<br />

auf dem Gelände verteilt sind und jeweils<br />

10.000 Liter fassen. 200 Menschen können<br />

damit versorgt werden, zusätzlich wird der<br />

Rasenplatz bewässert. Spendenaktionen<br />

des BFV haben dies ermöglicht, zuletzt bayernweit<br />

bei der Eröffnung von über 170<br />

DFB-Minispielfeldern. Für einige Mosambikaner<br />

ein kleiner Schritt zu einem besseren<br />

Leben.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


Bleibende Eindrücke<br />

Nach gut einer Woche ist das „Abenteuer<br />

Mosambik“ zu Ende, aber die Erinnerung<br />

an eine unvergessliche Reise lebt weiter. So<br />

richtig begreifen konnten alle Teilnehmer<br />

das, was sie in dieser Woche erlebt und gelernt<br />

haben, noch nicht. Zwei Länderspiel-<br />

Siege gegen die mosambikanische U 17-Nationalmannschaft,<br />

Arm in Arm die deutsche<br />

Nationalhymne singen – ein unglaubliches<br />

Gefühl. Auf diesen internationalen Erfolg<br />

sind alle stolz. Noch wichtiger ist, dass sie<br />

als Mannschaft zusammengewachsen sind.<br />

Sie sind ein echtes Team, einer kämpft für<br />

den anderen und jeder tut alles für die<br />

Mannschaft, um zu gewinnen – von der<br />

Nummer 1 bis zur Nummer 18, vom Trainergespann<br />

über den Physiotherapeuten bis<br />

zum Mannschaftsarzt, vom Delegationsleiter<br />

bis zu den Team-Assistenten.<br />

Darüber hinaus bleiben abseits des Fußballplatzes<br />

vor allem die vielen Begegnungen<br />

mit den mosambikanischen Kindern im<br />

Gedächtnis, die sie in ihr Herz geschlossen<br />

haben. Wie sie in den Schulen empfangen<br />

wurden, ist unbeschreiblich. Sie haben<br />

gelernt, dass die Menschen hier trotz der<br />

großen Armut ihre Herzlichkeit, Lebensfreude<br />

und auch ihre Hoffnung noch nicht<br />

verloren haben. Fußball verbindet auf der<br />

ganzen Welt, das ist allen klar geworden, als<br />

Flug LH 4541 wieder in München aufsetzt.<br />

Thomas Müther, Sportwissenschaftler, seit<br />

2008 Persönlicher Referent des Präsidenten<br />

beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV), begleitete<br />

im Februar 2010 als Teammanager<br />

die BFV U16-Auswahl nach Mosambik<br />

Tobias Günther, Sportwissenschaftler, seit<br />

Oktober 2009 Pressesprecher des Bayerischen<br />

Fußball-Verbandes (BFV), berichtet<br />

regelmäßig über soziale Projekte des BFV<br />

Weitere Informationen unter www.bfv.de in<br />

der Rubrik „Soziales“ unter „Partnerprojekt<br />

Mosambik“.<br />

Ausgewählte Aktivitäten seit 2005:<br />

• Symbolischer Anstoß der Kooperation durch Bundespräsident Horst Köhler<br />

in Maputo<br />

• Besuch der mosambikanischen Nationalmannschaft in der Sportschule<br />

Oberhaching<br />

• Reise der BFV U17-Auswahl nach Südafrika und Mosambik 2006<br />

• Bau eines Brunnens im Sportzentrum von Namaacha zur Bewässerung<br />

der Rasenplätze und Trinkwasserversorgung (2008)<br />

• Unterzeichnung des „Memorandum of Understanding“ durch BFV, DFB und<br />

FV Mosambik im Dez. 2008 (darin enthalten der sog Technische Direktor,<br />

der ab Okt./Nov. 09 für zwei Jahre nach Mosambik geht)<br />

• Projektwoche im Haus des Fußballs zum Thema „Spielerregistrierung/Softwarelösung<br />

Mosambik“ mit Vertretern des BFV, FV Mosambik, DFB und<br />

der FIFA<br />

• Renovierung der Schlafräume und Sanitäranlagen in der an das Sportzentrum<br />

von Naamacha angrenzenden Schule<br />

• Teilnahme eines mosambikanischen Trainers an einer DFB-Trainerfortbildung<br />

• Entsendung des Technischen Direktors Torsten Spittler nach Mosambik<br />

• Reise der BFV U16-Auswahl nach Mosambik (Feb. 2010)<br />

• Besuch der mosambikanischen U20-Auswahl in München (Juli 2010)<br />

• immer wieder Spenden- und Sammelaktionen für das Projekt<br />

• Mehrere Besuchsreisen von deutschen und mosambikanischen Funktionären<br />

Beteiligte Kooperationspartner:<br />

• Bayerischer Fußball-Verband<br />

• Deutscher Fußball-Bund<br />

• Fußballverband Mosambik<br />

• Auswärtiges Amt (Techn. Direktor)<br />

• Deutscher Olympischer Sportbund (Techn. Direktor)<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 33


SchwerPUNkT<br />

Wettkampf, Tanz und gute Stimmung<br />

motorsport in Beira<br />

Neben Veranstaltungen rund um das Thema Fußball gibt es auch noch weitere beliebte Sportevents in<br />

Mosambik. Gokart und Motocross sind zwei davon.<br />

Text und Fotos von Gerald Henzinger<br />

Kein Sport den die Massen ausüben, aber<br />

die Massen werden durch ihn bewegt.<br />

Zumindest beim Zuschauen. Man muss<br />

schon gut betucht sein, um da mitmischen<br />

zu können. In Beira gibt es vielleicht einen<br />

Kilometer Strasse, wo Gokart möglich ist.<br />

Bodenfreiheit von ein paar Zentimeter und<br />

Geschwindigkeiten von über 100 km/h lassen<br />

einfach keine Schlaglöcher zu. Dieser<br />

Kilometer erstreckt sich vom Praca de Independencia<br />

in Richtung Innenstadt bis kurz<br />

34<br />

vor dem ersten Schlagloch und zurück. Die<br />

Rennen werden begleitet von Tanz und<br />

Musik. Trotz Motorenlärm haben alle Beteiligten,<br />

sowohl Zuschauer, Veranstalter<br />

als auch Rennfahrer, einen kurzweiligen<br />

Nachmittag. Außerhalb Beiras hat der Motorsportclub<br />

eine Motocross Strecke. Rustikal,<br />

aber intakt. Hin und wieder finden<br />

dort Rennen statt, sogar mit internationaler<br />

Besetzung. Als Pausenfüller diente neben<br />

dem Auftanz der Klin-Mädchen – Klin ist<br />

der hiesige Waschmittelproduzent – der<br />

Fahrradwettbewerb. Die Jungs legten sich<br />

mächtig ins Zeug und am Schluss fehlte<br />

dem Sieger nicht viel auf seine motorisierten<br />

Kollegen.<br />

Gerald Henzinger ist Fotograf und lebt seit<br />

fast zwei Jahren in Beira. In dieser Zeit porträtiert<br />

er Mosambik mit seiner Kamera. Was<br />

dabei herausrauskommt, kann man unter<br />

www.enlumen.net betrachten.<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 35


SchwerPUNkT<br />

Der Handel mit Frauen und Kindern von<br />

Mosambik nach Südafrika<br />

die ware mensch<br />

Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gelangen jährlich mindestens 1.000 mosambikanische<br />

Frauen und Kinder durch kriminelle Schleppernetzwerke nach Südafrika. Die meisten von ihnen<br />

landen im Prostitutionsgewerbe. Frauen- und Menschenrechtsorganisationen befürchten eine Ausweitung<br />

des Phänomens im Zuge der WM.<br />

Von Tabea Behnisch<br />

Die Zahlen sind erschreckend: Nach Einschätzungen<br />

der ILO arbeiten gegenwärtig<br />

mindestens 12,3 Millionen Menschen weltweit<br />

unter Zwang oder sklavenähnlichen<br />

Bedingungen. Die erzielten Gewinne beziffert<br />

die ILO mit 32 Milliarden Dollar pro<br />

Jahr. Dabei werden die höchsten Profite<br />

durch den Handel mit Frauen und Kindern<br />

zum Zweck der sexuellen Ausbeutung erzielt.<br />

36<br />

Die WM als<br />

lukratives Geschäft<br />

Nur noch wenige Tage bis zum Beginn der<br />

WM in Südafrika. Nicht nur Fans überall<br />

auf der Welt sehen diesem Großereignis<br />

gespannt entgegen. Auch die Erwartungen<br />

der südafrikanischen Wirtschaft an die erste<br />

Fußballmeisterschaft auf dem afrikanischen<br />

Kontinent sind hoch. So rechnet auch das<br />

ohnehin schon florierende Gewerbe der<br />

Prostitution mit großen Gewinnen. Offiziell<br />

gilt in Südafrika ein Prostitutionsverbot,<br />

aber häufig werden die Bordelle von der<br />

Polizei toleriert und lediglich bei Drogenrazzien<br />

kontrolliert. Allerdings findet seit<br />

2007 eine kontroverse Diskussion darüber<br />

statt, ob Prostitution – zumindest während<br />

der WM – legalisiert werden soll. Während<br />

die Befürworter damit argumentieren, dass<br />

eine Legalisierung die rechtliche und soziale<br />

Situation der Prostituierten verbessert,<br />

lehnen die Gegner diese ab, da sie eine Förderung<br />

der kriminellen Netzwerke befürchten.<br />

Zudem löse die Legalisierung nicht die<br />

Grundproblematik der strukturell verankerten<br />

Gewaltverhältnisse. Vereint sind so-<br />

wohl die Befürworter als auch die Gegner<br />

allerdings durch ein Ziel: Dem Schutz vor<br />

sexueller Ausbeutung und Menschenhandel<br />

von Frauen und Kindern.<br />

Schleppernetzwerk in<br />

Mosambik aufgedeckt<br />

Es wird davon ausgegangen, dass im Zuge<br />

der WM zusätzlich 40.000 Personen in der<br />

der Prostitution arbeiten werden. Viele von<br />

ihnen in Formen der Zwangsprostitution.<br />

Wie akut die Bedrohung der Verschleppung<br />

auch von Mosambik nach Südafrika<br />

ist, verdeutlicht ein im März dieses Jahres<br />

aufgedeckter Fall von Menschenhandel. So<br />

wurden durch ein Schleppernetzwerk seit<br />

dem Jahr 2004 jeden Monat zwischen 30<br />

und 40 Frauen und Mädchen von Mosambik<br />

nach Südafrika geschleust. Angeworben<br />

wurden die Opfer mit dem Versprechen,<br />

dass ihnen in Südafrika eine Arbeit im Hotel-<br />

und Gastronomiegewerbe vermittelt<br />

würde.<br />

Armut als Nährboden<br />

Die internationale Migrationsbehörde<br />

(IOM) vermutet, dass auf diesem Weg<br />

jedes Jahr mindestens 1.000 Fauen und<br />

Kinder aus Mosambik nach Südafrika gelangen<br />

werden, um in der Zwangsarbeit<br />

eingesetzt zu werden. Die UNESCO identifiziert<br />

einige sozio-kulturelle Faktoren, die<br />

den Menschenhandel zwischen den beiden<br />

Ländern begünstigen. Zum einen sind da<br />

die seit Jahrzehnten bestehenden Migrationsbewegungen<br />

von Mosambikanern nach<br />

Südafrika, welche die Akzeptanz von Migration<br />

erhöhen. Zusammen mit der hohen<br />

Arbeitslosigkeit, der Armut und der damit<br />

einhergehenden Perspektivenlosigkeit sind<br />

viele MosambikanerInnen leichte Opfer für<br />

Schlepperbanden, die Erwerbstätigkeiten<br />

im Gastronomiebereich versprechen. Ferner<br />

führten auch Traditionen, wie das vor<br />

allem im ländlichen Raum verbreitete frühe<br />

Heiraten, gepaart mit der strukturellen Ungleichheit<br />

der Geschlechter, sowie die Gewohnheit,<br />

dass Kinder in die Obhut ökonomisch<br />

besser gestellter Familienangehöriger<br />

gegeben werden, zu erhöhter Vulnerabilität<br />

großer Bevölkerungsteile, insbesondere<br />

Frauen und Kindern. Besonders gefährdet<br />

seien auch die Waisenkinder, die ihre Eltern<br />

durch HIV/Aids verloren und eigene Wege<br />

zur Lebenssicherung finden müssen.<br />

Bekämpfungsstrategien<br />

Die Gefahr erkennend, initiierte die mosambikanische<br />

Regierung gemeinsam mit<br />

Bildung und Aufklärung als wichtige Instru-<br />

mente gegen den Menschenhandel<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010<br />

Foto: KKM-Archiv


Kinder, die auf der Straße leben, sind besonders der Gefahr ausgesetzt in die Hände von Menschenhändlern zu geraten<br />

zivilgesellschaftlichen Organisationen im<br />

Jahr 2000 die Nationale Kampagne gegen<br />

die Ausbeutung und den Handel von Kindern,<br />

die vor allem darauf angelegt ist, die<br />

mosambikanische Bevölkerung im Rahmen<br />

von Aktionen über die Gefahren der sexuellen<br />

Ausbeutung und des Menschenhandels<br />

aufzuklären. Zusätzlich unterzeichnete<br />

Mosambik verschiedene internationale<br />

Protokolle und schuf Gesetze, die einen<br />

juristischen Handlungsrahmen bieten, um<br />

gegen die Verbrechen des Menschenhandels<br />

vorzugehen. Bisher scheitert die Implementierung<br />

jener Gesetze jedoch zumeist<br />

an der Bestechlichkeit einzelner Polizisten<br />

bzw. der Gerichte.<br />

Länderübergreifende<br />

Kampagnen<br />

Vor dem Hintergrund der Fußballweltmeisterschaft<br />

vernetzen sich in den letzten<br />

Jahren vermehrt verschiedene Frauen- und<br />

Menschenrechtsnetzwerke in Mosambik<br />

und Südafrika, um auf die genannten<br />

Umstände hinzuweisen. Eigens dafür herausgebildet<br />

hat sich beispielsweise das<br />

Southern African Network against Trafficking<br />

and Abuse of Children (SANTAC)<br />

unter der Schirmherrschaft von Erzbischof<br />

Desmond Tutu und Graça Machel. Auch<br />

das regionale Netzwerk von Frauenrechtsexpertinnen<br />

Women and Law in Southern<br />

Africa Research and Educational Trust (WL-<br />

SA) startete Kampagnen zum Schutz vor<br />

Zwangsprostitution. Neben den wichtigen<br />

Aufklärungskampagnen vor Ort sind aber<br />

auch die ausländischen Fanclubs dazu angehalten<br />

ihre nach Südafrika reisenden Fans<br />

auf die Problematik der Zwangsprostitution<br />

hinzuweisen.<br />

Quellen:<br />

Schäfer, Rita (2009): „Rotlicht 2010 – Schutz<br />

vor Frauen und Kindern vor sexueller Ausbeutung“,<br />

in: afrika süd, Nr.2<br />

WSLA Moçambique (2009): „Tráfico de<br />

Mulheres & Mundial de Futebol 2010: risco<br />

de aumento da exploraçao sexual ligada ao<br />

tráfico” http://www.wlsa.org.mz<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 37<br />

Foto: KKM-Archiv


SchwerPUNkT<br />

Fußball WM in Südafrika<br />

wer profitiert?<br />

Von der WM in Südafrika sollen alle profitieren – so das Versprechen der offiziellen Veranstalter. Aber die<br />

Realität sieht anders aus, wie Nkosinathi Jikeka von der Organisation streetNet berichtet. Auf Einladung der<br />

KOSA (Koordination Südliches Afrika) und des Aktionsbündnisses „kick-for-one-world“ tourte der Gast aus<br />

Südafrika vom 15.– 23. März durch Deutschland.<br />

Von Dieter Simon<br />

„Straßenhändler und Straßenhändlerinnen<br />

sind ein zentraler Bestandteil südafrikanischer<br />

(Fußball) Kultur. Während der<br />

Fußballspiele verkaufen sie einheimisches<br />

Essen, Getränke und Fanartikel in und<br />

außerhalb der Stadien, auch während<br />

internationaler Turniere. Bisher war das<br />

kein Problem“ so Nkosinathi Jikeka. Die<br />

FIFA hat aber die Stadtverwaltungen<br />

der WM-Austragungsorte aufgefordert,<br />

sogenannte by-laws (städtische Verordnungen)<br />

zu erlassen. Sie gelten für drei<br />

Monate und regeln unter anderem die<br />

Verkaufsmöglichkeiten der Straßenhändlerinnen.<br />

In den meisten Austragungsstätten<br />

wird ihnen der Zugang in die Stadien<br />

und innerhalb einer Ausschlusszone von<br />

800 Meter um das Stadion herum untersagt.<br />

Hier können nur Händler und Händlerinnen<br />

hin, die entweder Lizenzen von<br />

der FIFA beantragt haben oder die von den<br />

großen Firmen und Sponsoren im Rahmen<br />

eines Franchise-Systems Rechte für den Verkauf<br />

erworben haben. Das kann sich allerdings<br />

nur eine sehr sehr kleine Minderheit<br />

leisten. Gewinner sind die FIFA, die bisher<br />

38<br />

bereits mit der Vermarktung von Fernseh-,<br />

Werbe- und Lizenzrechten ca. 3,2 Mrd.<br />

US$ eingenommen hat sowie MacDonalds<br />

und CocaCola, die die Verkaufsrechte für<br />

Getränke und Essen in und um die Stadien<br />

erworben haben. Den Südafrikanern<br />

wurde eine WM für alle versprochen. Die<br />

Straßenhändler/-innen, der informelle Sektor,<br />

scheinen die ersten Verlierer zu sein.<br />

Vielen wird das erst jetzt bewusst.<br />

Dabei stellt bei einer Arbeitslosigkeit<br />

von ca. 40 Prozent der informelle Sektor<br />

mit einem Anteil von ca. 10–20 Prozent an<br />

der gesamten Wirtschaftsleistung einen äußerst<br />

wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Man<br />

schätzt, dass in Südafrika ca. 2 Millionen<br />

Menschen in diesem Sektor tätig sind und<br />

damit bis zu 5 Millionen Menschen das<br />

alltägliche Überleben sichern. Tendenz<br />

steigend.<br />

Und so organisiert sich Widerstand.<br />

StreetNet mobilisert Straßenhändler in allen<br />

WM-Austragungsorten. Es werden Gespräche<br />

mit den Stadtverwaltungen geführt,<br />

Demonstrationen organisiert. In Anbetracht<br />

der knappen Zeit sind die Chancen auf eine<br />

Änderung der by-laws recht gering, aber es<br />

gibt Überlegungen, eine eigene Kampagne<br />

zu starten. Touristen sollen aufgefordert<br />

werden, bei Straßenhändlern zu kaufen,<br />

denn „die Gäste kommen schließlich nach<br />

Südafrika, um Fußball und südafrikanische<br />

Kultur zu erleben. Da gehört der Kauf einer<br />

Vuvuzela zur Unterstützung der Mannschaft<br />

und das Probieren eines lokalen Gerichtes,<br />

serviert von einer Straßenhändlerin<br />

einfach dazu. CocaCola und MacDonalds<br />

gibt es überall. Deswegen muss man nicht<br />

nach Südafrika kommen“.<br />

Nähere Informationen unter:<br />

www.kick-for-one-world.net<br />

Dieter Simon ist Bildungsreferent bei KOSA<br />

(Koordination Südliches Afrika).<br />

KOSA hat zur WM Unterrichtsmaterial<br />

herausgegeben:<br />

„Kick for one world – Anstoß für eine<br />

bessere Zukunft?“<br />

Unterrichtsmaterialien für die Sek. I<br />

zur Fußball-WM in Südafrika. 48 S.,<br />

vierfarb, Bielefeld 2010. 4 EUR zzgl.<br />

Versandkosten<br />

Heft für Schüler/-innen und Jugendliche:<br />

„Südafrika – mehr als Fußball“<br />

20 S., vierfarbig, Bielefeld 2010. Zielgruppe:<br />

Schülerinnen und Schüler ab<br />

Klasse 7. Klassensatz: 30 Exemplare<br />

für 8,30 Euro Versandpauschale.<br />

www.welthaus.de/publikationenshop/<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


Mit Deutsch<br />

zur WM 2010<br />

in Südafrika<br />

Von Christian Hoffmann<br />

Djibril aus Senegal, Meshud aus Kenia, Cathy aus Südafrika und Valquiria aus Mosambik;<br />

sie leben tausende Kilometer voneinander entfernt und sprechen vier verschiedene Muttersprachen<br />

– was sie verbindet, ist ihre Liebe zum Fußball und zur deutschen Sprache.<br />

Bald werden sie am Tag mit Michael Ballack dribbeln oder mit Birgit Prinz trainieren und<br />

am Abend auf Großbildleinwand mit ihrer Lieblingsmannschaft fiebern.<br />

Das Goethe-Institut lädt Deutschschüler aus ganz Subsahara-Afrika ein, die WM Tage<br />

gemeinsam in einem Internat bei Johannesburg zu verbringen. Dort werden die Jugendlichen<br />

Deutsch als Verständigungssprache erleben und praktizieren. Aber auch wenn<br />

nicht immer Deutsch gesprochen wird, die Schüler werden Erfahrungen gewinnen, sich<br />

in einem multilingualen Umfeld zu orientieren. Neben Fußballtraining mit prominenten<br />

deutschen Fußballern und Fußballerinnen stehen auch kulturelle Aktivitäten wie der Besuch des Apartheid-Museums und die Besichtigung<br />

des BMW-Werks in Pretoria auf dem Programm.<br />

Das Projekt zur WM ist Teil der PASCH-Initiative des Auswärtigen Amtes. Seit 2008 kreiert die Initiative ein Netz von weltweit ca.<br />

1500 Schulen an denen Deutsch gelehrt wird, mit dem Ziel, die deutsche Sprache attraktiv für junge Lernende zu machen und so mehr<br />

ausländische Studierende zu einem Studium in Deutschland bewegen zu können. Es werden Verbindungen der PASCH-Schulen mit<br />

Deutschland geknüpft, aber mindestens ebenso wichtig sind die Kontakte der Schüler aus den verschiedenen Ländern untereinander,<br />

wie auf dem PASCH-Erlebnis in Johannesburg.<br />

In Mosambik wird – ermöglicht durch die PASCH-Initiative – seit 2009 zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit wieder das Fach<br />

Deutsch an einer staatlichen Schule unterrichtet. Das „Instituto Comercial de Maputo“ wurde als Pilotschule für den Deutschunterricht<br />

von der mosambikanischen Regierung ausgewählt; ab 2011 soll in Beira das „Instituto Industrial“ als zweite Pilotschule folgen.<br />

Koordiniert wird der Deutschunterricht vom ICMA /Goethe-Zentrum Maputo; schließlich müssen Lehrer ausgebildet, Lehrmaterialen<br />

erstellt und ein Unterrichtscurriculum erarbeitet werden. Die Erfahrungen der nächsten Jahre werden zeigen, welche Zukunft das<br />

Fach Deutsch in Mosambik haben wird. Bestimmt tragen Ballack und Co dazu bei, dass Valquiria nicht ihren Spass an der deutschen<br />

Sprache verlieren wird.<br />

Mai 2010 39


SchwerPUNkT<br />

Tauchsport in Inhambane<br />

ein Sport nur für Touristen?<br />

„Three, two, one, go”! Der Divemaster gibt das Kommando, und bei „go” rollen alle Taucher gleichzeitig<br />

rückwärts vom Boot ins Wasser. Mit etwas Glück werden sie Mantarochen, Riffhaie oder Muränen sehen. Und<br />

vielleicht haben sie auf der Bootsfahrt zum Riff schon mit Walhaien geschnorchelt oder Buckelwale und Delfine<br />

beobachtet. Tauchen in Mosambik wird immer beliebter. Besonders die Küste von Inhambane im Süden<br />

des Landes, mit den Stränden in Tofo und Barra, zieht viele Tauchbegeisterte an. Einige Riffe, wie beispielsweise<br />

das Mantariff, sind unter Tauchern weltweit bekannt. Doch wer profitiert eigentlich von dem Boom?<br />

Von Christine Wiid<br />

Der Tauchtourismus ist für Inhambane ein<br />

wichtiger Wirtschaftszweig. Zahlreiche<br />

Tauchschulen bieten hier Tauchgänge,<br />

Schnorcheltrips und Lehrgänge an. Hunderte<br />

von Tauchern bestaunen täglich die<br />

Unterwasserwelt vor Inhambanes Küste.<br />

Die lokale Bevölkerung profitiert jedoch nur<br />

in geringem Ausmaß von dem Tauchboom.<br />

Die Besitzer der Tauschschulen in Inhambane<br />

sind Ausländer, sie kommen vor allem<br />

aus Südafrika. Auch das Management der<br />

Schulen und die Ausbildung neuer Taucher<br />

werden meist von Ausländern übernommen,<br />

die Umgangssprache ist fast immer<br />

Englisch. Wenige Mosambikaner arbeiten<br />

als gutbezahlte Skipper, die Mehrzahl ist<br />

bestenfalls als Helfer in den Tauchschulen<br />

beschäftigt und für das Auffüllen der Tauchflaschen<br />

und die Reinigung und Instand-<br />

Tauchern an Inhambanes Küsten<br />

40<br />

haltung der Ausrüstung sowie der Boote<br />

zuständig. Auch unter den Tauchern selbst<br />

gibt es nur sehr wenige Mosambikaner; der<br />

Großteil der Taucher kommt aus Europa,<br />

gefolgt von den Südafrikanern.<br />

Die Gründe für dieses Ungleichgewicht<br />

sind vielfältig. Die lokale Bevölkerung ist<br />

oftmals nur unzureichend ausgebildet und<br />

hat daher nur Zugang zu eher einfachen<br />

Tätigkeiten. Ihnen fehlt in der Regel auch<br />

das Geld für die Tauchausbildung und die<br />

Tauchgänge. So gibt nicht es viele Berührungspunkte<br />

zwischen der Tauchbranche<br />

und der lokalen Bevölkerung. Nicht selten<br />

kommt es sogar zu Konflikten zwischen beiden<br />

Seiten, etwa, wenn lokale Fischer auf<br />

den Riffen fischen und dabei seltene oder<br />

geschützte Tiere fangen.<br />

Ganz nah dran am Mantarochen – wegen dieser Momente kommen jährlich tausende von<br />

Foto: Christine Wiid<br />

Der erste<br />

mosambikanische<br />

Tauchinstruktor<br />

In den letzten Jahren wurden jedoch verstärkt<br />

Versuche unternommen, beide Seiten<br />

näher zusammenzubringen, mit dem Ziel,<br />

die Nachhaltigkeit des Tauchtourismus in<br />

Inhambane zu sichern und die lokale Bevölkerung<br />

besser einzubinden. Ein Beispiel<br />

dafür sind die Bitonga Divers. Bitonga ist<br />

die Lokalsprache in der Region Inhambane.<br />

Carlos Macuacua ist der erste und<br />

bisher einzige mosambikanische Tauchinstruktor<br />

- das heißt, er darf zukünftige<br />

Tauchleiter, die sogenannten Divemaster,<br />

ausbilden. Carlos ist der Leiter von Bitonga<br />

Divers. Ziel der Bitonga Divers ist es, der<br />

einheimischen Bevölkerung die besondere<br />

Meeresfauna und den Tauchsport - auch<br />

als Berufsoption - näher zu bringen. Dafür<br />

gehen Carlos und seine Kollegen regelmäßig<br />

in die Fischerdörfer und Gemeinden.<br />

„Viele Leute wissen gar nicht, was das<br />

Besondere an Inhambanes Küsten ist und<br />

wieso überhaupt so viele Touristen zu uns<br />

kommen“ sagt Carlos. „Ihnen erklären wir,<br />

warum der Schutz der Strände und der<br />

Riffe so wichtig ist und wie auch sie vom<br />

Tourismus und dem Tauchsport profitieren<br />

können.“ Carlos kann mosambikanische<br />

Tauchschüler sowohl auf Portugiesisch als<br />

auch auf Bitonga unterrichten und so die<br />

Sprachbarriere umgehen. Die mehrwöchige<br />

Ausbildung zum Tauchleiter kann er<br />

ebenfalls übernehmen, dafür stehen einige<br />

von den Tauchschulen oder von Bitonga<br />

Divers geförderte Ausbildungsplätze zur<br />

Verfügung. Die Bitonga Divers ermöglicht<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010


so zunehmend mehr Mosambikanern den<br />

Einstieg ins Tauchen. Auch die Tourismusfakultät<br />

der Universidade Eduardo Mondlane<br />

in Inhambane hat die Bedeutung der<br />

Tauchbranche für Inhambane erkannt und<br />

lädt die Bitonga Divers regelmäßig zu Gastvorträgen<br />

ein.<br />

Tag des Tauchens<br />

Eine weitere Initiative, um die einheimische<br />

Bevölkerung besser einzubinden, ist<br />

der jährlich stattfindende Dia de Mergulho,<br />

der „Tag des Tauchens“. Dieser Tag wird<br />

von AMAR, einer Vereinigung von Tauchschulen<br />

und anderen Tauchinteressierten in<br />

Inhambane, organisiert. Am Dia de Mergulho<br />

finden Vorträge zum Thema statt, außerdem<br />

bieten die Tauchschulen vergünstigte<br />

Schnorcheltrips für mosambikanische Interessierte<br />

an. Dabei versucht AMAR, auch<br />

lokale Entscheidungsträger aus den Nichtregierungsorganisationen<br />

oder der Provinzregierung<br />

ins Boot zu holen. Denn wer einen<br />

Walhai oder Mantarochen von Nahem gesehen<br />

hat oder sogar neben ihm im Wasser<br />

geschwommen ist, kann besser verstehen,<br />

warum sich täglich so viele Touristen in<br />

unbequeme Gummianzüge zwängen und<br />

auf Kommando ins tiefe Wasser springen.<br />

Christine Wiid ist Projektreferentin für Mosambik<br />

bei INKOTA. Von 2006 bis 2009 war<br />

sie Fachkraft des DED im Bereich ländliche<br />

Mosambikaner sind in der Tauchbranche vor allem als Skipper oder als Aushilfskräfte beschäftigt,<br />

die Taucher selbst kommen meist aus Europa<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 80 • Mai 2010 41<br />

Foto: Christine Wiid Foto: Christine Wiid

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