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Ohne Handeln keine Trendwende D

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Aktuell<br />

UNDP-Fortschrittsbericht zu MDGs in Mosambik veröffentlicht<br />

<strong>Ohne</strong> <strong>Handeln</strong> <strong>keine</strong><br />

<strong>Trendwende</strong><br />

Der UN-Gipfel im September 2010 in New York brachte für kurze Zeit die Millenniumsentwicklungsziele<br />

(Millennium Development Goals, MDGs) erneut ins Zentrum der medialen Berichterstattung. Das Schlussdokument<br />

ist ein ausgefeilter Kompromiss, aus dem jedoch nicht deutlich wird, ob es einen ausreichenden<br />

politischen Willen gibt, um die MDGs weltweit bis 2015 zu erreichen. Die Zwischenbilanzen und Fortschrittsberichte<br />

geben ein gemischtes Bild. Dies gilt auch für Mosambik. Nach einem positiven Auftakt in<br />

der Arbeit zur Erreichung der MDGs sind die letzten Jahre eher von Stagnation geprägt.<br />

Von Anne Merklein<br />

Die Millenniumsentwicklungsziele wurden<br />

im Jahr 2001 mit Unterstützung fast aller<br />

Länder von den Vereinten Nationen vereinbart.<br />

Erstmals gab es konkrete Ziel- und Zeitvorgaben,<br />

wie die weltweite Armut halbiert werden<br />

soll. Als Vergleichsjahr gilt das Jahr 1990. Acht<br />

Oberziele und zahlreiche Unterziele wurden definiert.<br />

Zahlreiche Faktoren werden einbezogen,<br />

um damit die komplexen Herausforderungen der<br />

heutigen Zeit anzugehen. Bei der Zwischenbilanz<br />

2010 fallen die Fortschritte besonders bei Ziel<br />

Nummer Acht unrühmlich aus. Es ist das einzige<br />

Ziel, das direkt an die so genannten „Industrie-<br />

Foto: KKM Archiv<br />

länder“ gerichtet ist. Es verlangt den Aufbau einer<br />

globalen Entwicklungspartnerschaft anhand<br />

eines gerechteren Handels- und Finanzsystems<br />

sowie der Erhöhung der Entwicklungshilfe. Es<br />

zeigt nochmals deutlich, dass die „Industrieländer“<br />

bereit sind Milliarden auszugeben bei dem<br />

Versuch die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu<br />

minimieren – aber nur mäßig bereit sind ihre<br />

Verantwortung gegenüber der Weltbevölkerung<br />

zu übernehmen.<br />

4<br />

Vor 10 Jahren:<br />

Vielversprechender Auftakt<br />

Als im Jahr 2001 die MDGs festgelegt wurden,<br />

war die Resonanz weltweit größtenteils positiv.<br />

Gleichwohl gab es auch von Beginn an harsche<br />

Kritik – einige Punkte sollen hier genannt werden:<br />

Zwar wird alles daran gesetzt, Armut zu<br />

reduzieren, die Ursachen von Armut werden<br />

jedoch weitgehend ausgeblendet. So spielen die<br />

größeren wirtschaftlichen und strukturellen Zusammenhänge<br />

kaum eine Rolle. Zudem bleiben<br />

die MDGs deutlich hinter der im Jahr 2000 ver-<br />

abschiedeten Millenniumserklärung zurück. Es<br />

fehlt die Einforderung von Menschen- und auch<br />

Frauenrechten. Sie wurden bei einer Revision<br />

2008 aufgenommen. Als Indikatoren für die Erfolgsmessung<br />

werden meist solche genommen,<br />

die quantitative Vergleiche ermöglichen. So wird<br />

für z.B. Armut ein Indikator gewählt, der die<br />

Schwelle bei 1,25 US$ pro Person und Tag setzt.<br />

Dieser rein auf Einkommen basierende Zugang<br />

wird dem multidimensionalen Phänomen der Ar-<br />

mut allerdings nicht gerecht. Nicht zuletzt wird<br />

v.a. bei den Zwischenbilanzen deutlich, dass es<br />

an der politischen Umsetzung, sowohl in den<br />

Ländern des Nordens wie des Südens, mangelt.<br />

Strategien der Armutsreduzierung<br />

in Mosambik<br />

In Mosambik sind die Objectivos de Desenvolvimento<br />

do Milénio, wie die MDGs auf Portugiesisch<br />

heißen, in der politischen Agenda<br />

ein zentraler Punkt. In Strategiepapieren wird<br />

ausdrücklich auf die MDGs verwiesen und die<br />

Qualität von Strategien werden an ihrem Beitrag<br />

zur Verwirklichung der MDGs gemessen. Von<br />

ganz besonderer Bedeutung war die Einführung<br />

von inzwischen zwei aufeinander folgenden nationalen<br />

Armutsreduzierungsstrategien (Poverty<br />

Reduction Strategy Papers). Die Fertigstellung<br />

dieser Programas de Accão de Redução da Pobreza<br />

Absoluta (kurz PARPA) und deren Umsetzung<br />

galten als Voraussetzung für die Schuldenerlasse<br />

von IWF und Weltbank sowie der Vergabe von<br />

weiteren internationalen Entwicklungsgeldern.<br />

Sie gelten seit 2001 als Grundlage für jedwede<br />

Politik, mit dem übergeordneten Ziel, die extreme<br />

Armut zu reduzieren. Sie stehen in engem<br />

Zusammenhang mit den MDGs, da im PARPA<br />

jene Sektoren fokussiert werden, die zur Erreichung<br />

der MDGs beitragen sollen. Die wichtigsten<br />

und am stärksten finanzierten Sektoren<br />

sind Bildung (21,8%), Gesundheit (12,0%) und<br />

Infrastruktur (15,1%), bezogen auf den mosambikanischen<br />

Staatshaushalt. Insgesamt sind in den<br />

letzten Jahren jeweils ca. 65 % des mosambikanischen<br />

Haushaltes in die armutsreduzierenden<br />

Sektoren geflossen.<br />

Der vom Entwicklungsprogramm der Vereinten<br />

Nationen (UNDP) 2010 veröffentlichte Fortschrittsbericht<br />

liefert detaillierte Informationen<br />

zu allen Handlungsfeldern. In den folgenden<br />

Abschnitten werden zentrale Aussagen vorgestellt.<br />

Die Graphik gibt einen Überblick über die<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 81 • Dezember 2010


Wahrscheinlichkeit, die festgelegten Ziele bis<br />

2015 zu erreichen.<br />

Armut nimmt zu<br />

Die statistischen Daten zur Messung der Armut<br />

in Mosambik stammen aus Haushaltsbefragungen<br />

(Inquérito ao Orçamento Familar). Die neuesten<br />

Ergebnisse aus dem Jahr 2007/08 sind erst 2010<br />

veröffentlicht worden. Gerüchte verbreiteten,<br />

dass die Verzögerung bei der Veröffentlichung<br />

mit den schlechten Ergebnissen zusammenhängen<br />

könnte. Ob dies stimmt, lässt sich nicht<br />

klären. Fakt ist allerdings, dass die Ergebnisse tatsächlich<br />

wenig erfreulich sind. Die angestrebte<br />

Minderung der absoluten Armut bis zum Jahr<br />

2009 von 54,1% auf 45% wurde nicht erreicht,<br />

sondern vielmehr ist der Anteil auf 54,7% der<br />

Bevölkerung angestiegen. Da die Bevölkerung<br />

gewachsen ist, bedeutet das, dass die Zahl der<br />

Menschen, die unterhalb der Armutslinie leben,<br />

von 9,9 Millionen Menschen auf 11,7 Millionen<br />

angestiegen ist. Die Proteste im September 2010<br />

aufgrund der gestiegenen Preise für Brot und<br />

weitere Produkte verdeutlichen den Ernst der<br />

Situation für einen Großteil der Bevölkerung<br />

(vgl. hierzu den Artikel bei „Aktuell“).<br />

Im aktuellen Human Development Report verwendet<br />

UNDP einen Multidimensional Poverty<br />

Index (MPI). Dies ist ein multidimensionaler und<br />

nichtmonetärer Ansatz der Armutsmessung. Der<br />

Index untersucht die Benachteiligung der Individuen<br />

in den Bereichen Bildung, Gesundheit<br />

und Lebensstandard. Die Anwendung des MPI<br />

in Mosambik ergibt eine Armutsquote von 80 %.<br />

Die Lage für die Menschen im ländlichen Raum<br />

ist im Vergleich zu jenen, die in Städten leben,<br />

deutlich schlechter.<br />

Qualität der Schulbildung<br />

bleibt niedrig<br />

Bei den MDGs geht es oftmals darum, die<br />

quantitativen Indikatoren und Erwartungen zu<br />

erfüllen und weniger um eine qualitative und<br />

tiefgreifende Veränderung der Lebensbedingungen.<br />

Ein anschauliches Beispiel ist die allgemeine<br />

Grundschulbildung. Mit der Abschaffung der<br />

Schulgebühren, der Verteilung von Schulmaterialien<br />

sowie durch den Bau von mehr Schulen<br />

und Klassenräumen konnte eine höhere Einschulungsrate<br />

erreicht werden. Für die Familien bestehen<br />

weiterhin zusätzliche Kosten etwa durch<br />

die Vorschrift, eine Schuluniform zu tragen.<br />

Auch die Schulhefte müssen selbst gekauft werden.<br />

Außerdem gibt es eine verbreitete illegale<br />

Praxis, dass ein Platz in der Schule „erkauft“<br />

werden muss.<br />

Die Anstellung von neuen Lehrkräften hält<br />

kaum Schritt mit dem Ausbau der Schulen. Das<br />

Verhältnis von Schüler_innen zu Lehrer_innen<br />

ist weiterhin hoch bzw. ist sogar gestiegen. Die<br />

Foto: KKM Archiv<br />

Qualität des Unterrichts hat sich dadurch nicht<br />

verbessert, eine gezielte Förderung findet nicht<br />

statt. Regelungen, wie beispielsweise dass ein<br />

vorgeschriebener Anteil an Schüler_innen das<br />

Schuljahr bestehen muss, und Korruptionsvorfälle<br />

wirken sich zusätzlich negativ auf die Qualität<br />

der Schulbildung aus. Die Geschlechterungleichheit<br />

verminderte sich in den letzten Jahren, denn<br />

annähernd gleich viele Mädchen wie Jungen profitierten<br />

vom dichteren Netz an Grundschulen.<br />

Für alle bleibt allerdings die Unsicherheit, ob sie<br />

eine weiterführende Schule besuchen können,<br />

da diese deutlich geringere Aufnahmekapazitäten<br />

haben und außerdem nicht mehr kostenfrei<br />

sind.<br />

Leichte Verbesserungen<br />

bei Gesundheit<br />

Im Bereich der Gesundheit fokussieren die MDGs<br />

vor allem auf die Reduktion der Kindersterblich-<br />

keit, die Verbesserung der Gesundheit für Mütter<br />

und die Bekämpfung von HIV/Aids und anderen<br />

Krankheiten. Grundsätzlich hat es in Mosambik<br />

leichte Verbesserungen gegeben, die jedoch tendenziell<br />

in den letzten Jahren wieder stagnieren.<br />

Ob die Verringerung der Müttersterblichkeit gelingt,<br />

ist eher fraglich. Bei HIV/Aids gibt es kleine<br />

Erfolge. Die Zahl der Infizierten nimmt nicht<br />

mehr zu, sondern stagniert. Allerdings ist der Zugang<br />

zur Behandlung weiterhin unzureichend.<br />

Bei den Gesundheitsdienstleistungen sieht der<br />

Report ein starkes Ungleichverhältnis – regional<br />

zu Gunsten der südlichen Provinzen und strukturell<br />

zu Gunsten der Städte.<br />

Ein Schlusswort<br />

Bei all der Diskussion um die Erreichung der<br />

MDGs ist es immer wieder erstaunlich, wenn<br />

nicht gar erschreckend, wie technokratisch diskutiert<br />

wird. Der Fortschrittsbericht von UN-<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 81 • Dezember 2010 5


Aktuell<br />

Foto: Anne Merklein<br />

DP sowie die zahlreichen Studien verbleiben<br />

in einer Sprache des Vergleichens von Zahlen,<br />

Indikatoren und Prozentwerten. Im Zentrum<br />

stehen Armuts- und Entwicklungsparameter,<br />

die in wissenschaftlichen Werkstätten definiert<br />

wurden und die es zu verbessern gilt. Auf welchen<br />

Prämissen diese beruhen und wie diese tatsächlich<br />

von einzelnen Individuen gesehen und<br />

gewünscht werden, wird kaum hinterfragt.<br />

Die Lebensgeschichten einzelner Menschen<br />

wie auch die Zusammenhänge zwischen den<br />

globalen Eliten und den als „arm“ definierten<br />

Menschen, die es sowohl im globalen Norden<br />

wie auch dem globalen Süden gibt, zählen eher<br />

wenig. Die Ansprüche und Ziele der MDGs als<br />

normatives Leitbild, lassen sich kaum nicht für<br />

schlecht befinden. Was jedoch bei der Konzentration<br />

auf quantitative Zielerreichung aus dem<br />

Blick gerät, sind individuell definierte Qualitätskriterien,<br />

vielfältige und unterschiedliche<br />

Lebenslagen sowie die Tendenz, dass global bestehende<br />

Abhängigkeitsverhältnisse sich weiter<br />

verfestigen. Die Berücksichtigung dieser Faktoren<br />

sollte jedoch zukünftig deutlicher angemahnt<br />

werden.<br />

Anne Merklein arbeitete an der Universität Innsbruck<br />

in einem Forschungsprojekt zu städtischer<br />

Armut im südlichen Afrika und forschte dabei<br />

für ihre Dissertation über politischen Strategien<br />

zur Armutsreduzierung in Maputo.<br />

Foto: Judith Christner<br />

6<br />

Ziele und Zielvorgaben Wird das Ziel / Werden die<br />

Zielvorgaben erreicht?<br />

Ziel 1:<br />

Beseitigung der extremen Armut und des Hungers<br />

Wahrscheinlich<br />

Extreme Armut halbieren x<br />

Möglich Unwahrscheinlich<br />

Produktive, menschenwürdige Beschäftigung x<br />

Hunger halbieren x<br />

Ziel 2:<br />

Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung<br />

Allgemeine Grundschulbildung x<br />

Ziel 3:<br />

Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Ermächtigung<br />

der Frauen<br />

Gleiche Einschulungsquote in Grund- und<br />

Sekundarschulbildung<br />

Ziel 4:<br />

Senkung der Kindersterblichkeit<br />

Sterblichkeit von Kindern unter 5 Jahren um zwei<br />

Drittel senken<br />

Ziel 5:<br />

Verbesserung der Gesundheit von Müttern<br />

Muttersterblichkeit um drei Viertel senken x<br />

Zugang zu Reproduktionsmedizin x<br />

Ziel 6:<br />

Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten<br />

Ausbreitung von HIV/Aids zum Stillstand bringen und umkehren<br />

Bis 2010 den allgemeinen Zugang zu HIV/Aids-Behandlung<br />

für alle, die sie benötigen, verwirklichen<br />

Bis 2015 die Ausbreitung von Malaria und anderen schweren<br />

Krankheiten zum Stillstand bringen und allmählich umkehren<br />

Ziel 7:<br />

Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit<br />

Die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung in einzelstaatliche<br />

Politiken und Programmen einbauen und den Verlust von<br />

Umweltressourcen umkehren<br />

Den Verlust an biologischer Vielfalt reduzieren, mit einer signifikanten<br />

Reduzierung der Verlustrate bis 2010<br />

Anteil der Menschen ohne Sanitärversorgung<br />

halbieren<br />

Lebensbedingungen von Slumbewohnern bis 2020 verbessern x<br />

Ziel 8:<br />

Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft<br />

Ein offenes, regelgestütztes, berechenbares und nichtdiskriminierendes<br />

Handels- uns Finanzsystem weiterentwickeln<br />

Den besonderen Bedürfnissen der wenigsten<br />

entwickelten Ländern Rechung tragen<br />

Die Verschuldung der Entwicklungsländern<br />

umfassend angehen<br />

In Zusammenarbeit mit den Pharmaunternehmen<br />

unentbehrliche Arzneimittel zu bezahlbaren Kosten<br />

in den Entwicklungsländern verfügbar machen<br />

In Zusammenarbeit mit dem Privatsektor dafür sorgen,<br />

dass die Vorteile der neuen Technologien, insbesondere der<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien, genutzt<br />

werden können<br />

Quelle: UNDP (2010)<br />

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Fehlende<br />

Daten<br />

Mosambik-Rundbrief Nr. 81 • Dezember 2010<br />

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