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pdf download - Maxim Gorki Theater

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<strong>Gorki</strong> Planet<br />

Exklusiv<br />

Ökonomie des Lebens mit: Selma Serman • Ludwig Haugk • Kamal Khalladi • Rainald Grebe • Massud • Laura Fernandez • Marion Aubert • Jonathan Garfinkel • Poster •<br />

Ewald Palmetshofer • Zainabu Jallo • Helena Tornero Brugués • Jonas Hassan Khemiri • Robert Thalheim • Carolina Adamovsky • PeterLicht • Philipp Löhle • Maria Kilpi • Nick Yu<br />

Illustrierte des <strong>Maxim</strong> <strong>Gorki</strong> <strong>Theater</strong>s Berlin, Ausgabe 3/2009. Gratis! Karten: 030.20221-115, www.gorki.de


Spielzeit 2009/2010, Herausgeber: <strong>Maxim</strong> <strong>Gorki</strong> <strong>Theater</strong> Berlin, Intendant: Armin Petras, Redaktion: Ludwig Haugk/Philipp Löhle, Titelbild: „Tag der Arbeit" Selma Serman, Gestaltung: Katja Strempel, Druck: Henke Pressedruck Berlin, <strong>Maxim</strong> <strong>Gorki</strong> <strong>Theater</strong> Berlin,<br />

Am Festungsgraben 2, 10117 Berlin, Karten: 030.20221-115, www.gorki.de / Übersetzungen: Cordula Brucker, Natalie Graf, Stephanie Frick, Philipp Löhle, Olivia Ronzani, Laila Soliman


ÖKoNoMiE dES LEBENS<br />

iN SCHEiBEN<br />

Den Denkraum 2 vergrößern! Die Komplexität erhöhen! Die<br />

Sprache des ökonomischen Denkens erweitern! Die ersten<br />

Schritte 3 aus der Krise sind Schritte in die Krise, in ein Bewusstsein<br />

für die Verarmung im Reichtum. Ökonomie muss<br />

wieder größer gedacht werden, sie muss den Tod und den Zufall,<br />

die Angst 1 und den Schmerz 6 auf ihre Rechnung setzen.<br />

ÖKonomie DeS LeBenS heißt die Spielzeit im maxim <strong>Gorki</strong><br />

<strong>Theater</strong> Berlin: eine <strong>Theater</strong>saison auf der Suche nach Spannungsfeldern<br />

5 zwischen ökonomisch-gesellschaftlicher Veranlagung<br />

und privat-biografischer Erfahrung. Wenn Gesellschaft<br />

Kommunikation ist und Ökonomie die Hausordnung, die sich<br />

eine Gesellschaft setzt, dann hängt viel von der Sprache 4 ab,<br />

in der wir uns miteinander verständigen. "Ökonomie des Lebens"<br />

ist die Suche in den poetischen und realen, historischen<br />

und gegenwärtigen Parallelräumen nach einer Sprache, die ein<br />

anderes Zusammendenken möglich macht. Philipp Löhle hat<br />

Autoren und Regisseure der ganzen Welt nach ihren Ideen zu<br />

einer ÖKonomie DeS LeBenS befragt.<br />

Dieser <strong>Gorki</strong> Planet bildet die Antworten ab:„


Kamal khalladi, Marocco: „<br />

"قالت زوجتي: ليس معقولا أن نشتري سمك السردين بثلاثين درهما في بلد<br />

تتعدى مساحة شواطئه 3500كلم. قال مالك الدار التي أسكن فيها: لقد ارتفع<br />

حجم الضرائب عن العقارات كما ارتفعت أسعار الكراء في المدينة، لهذا ألتمس<br />

منكم زيادة 300 درهم إذا رغبتم في متابعة استغلال المنزل-لقد قالها بأدب و<br />

تأثر بالغين حتى أنني أكاد أجزم أنه قال ذلك وهو يتحاشى النظر في وجهي-.<br />

قالت زوجتي وهي تضع آخر لمسات المكياج على وجهها: ربما سأوقف الذهاب إلى<br />

صالة الرياضة الشهر القادم.<br />

قال صديقي العائد من اسبانيا متذمرا: لم يعد هناك ما يستحق التضحية من<br />

أجله. قالت زوجتي و نحن نتفحص بطاقة المطعم: لا تقلق إذا قلت لك أن عليك<br />

أن تقبل بتلقين المسرح في تلك المدرسة، أعرف أن آخر ما يهمهم هناك هو<br />

المسرح, لكن لا بأس فليس كل ما نفعله نحبه.<br />

قال المذيع في التلفزة أن مدربا معروفا –لا أظنني سأفلح في تذكر اسمه<br />

ولكنه فرنسي على الأرجح- اضطر لتوقيع عقد لتدريب إحدى الأندية<br />

السعودية لأنه خسر كل مدخراته في عملية اقتصادية فاشلة.<br />

قال مدير دار النشر: آسف ربما عليك أن تتخلى عن حقوق التأليف إذا أردت أن<br />

نصدر الكتاب –أذكر أنه قالها بوقاحة و إصرار واضحين ,أذكر كذلك أنني تذكرت<br />

صاحب الدار الذي طلب ما أراده بلباقة و تأدب, كما أذكر جيدا أنني ضحكت رغم أن<br />

الموقف لم يكن يبعث على الضحك-.<br />

قال الغرباء الجالسون في مقهى لا أعرف اسمه: فريق ريال مدريد سيكتسح<br />

البطولات في الموسم المقبل لأنه اشترى لاعبا برتغاليا يدعى رونالدو<br />

بحوالي 90 مليون دولار كما وضع يده على لاعب برازيلي بنفس القيمة<br />

تقريبا. قال "ه" من داخل السيناريو الذي أكتبه -وهو يتنصل من الزواج من "س":<br />

لا أستطيع أن أفتح بيتا.<br />

لا أدري إن كان علي أن أجعل "س" تقول شيئا، لكنني جعلتها تأخذ حقيبة يدها<br />

وتنسحب دون أن تنبس ببنت شفة."<br />

Meine Frau sagte: Es ist unglaublich, dass wir Sardinen für 30 Dirhams<br />

kaufen, in einem Land, das mehr als 3500km Strand hat. Mein Hausbesitzer<br />

sagte: Die Immobieliensteuern sind höher geworden, außerdem<br />

sind die Mieten in der Stadt gestiegen, und deswegen will ich 300 Dirhams<br />

mehr von Euch, wenn ihr das Haus weiter mieten wollt. Er sagte<br />

es höflich und betroffen, vermied dabei Augenkontakt. Meine Frau sagte,<br />

während sie ihrem Make-up den letzten Schliff gab: Vielleicht werde<br />

ich im nächsten Monat nicht mehr ins Fitness Studio gehen. Mein<br />

Freund, der gerade aus Spanien zurückgekehrt ist, beschwert sich:<br />

Nichts ist noch der Aufopferung wert. Meine Frau sagte während sie<br />

das Restaurantmenü betrachtete: Nimm es nicht so schwer, wenn ich<br />

Dir sage, dass Du den Job als Dramalehrer in dieser Schule annehmen<br />

sollst, auch wenn <strong>Theater</strong> dort wahrscheinlich das Letzte ist wofür sie<br />

sich interessieren. Wir mögen nicht immer alles, was wir machen.<br />

Der Fernsehmoderator sagte: Ein berühmter Trainer - es gelingt mir<br />

nicht, mich an seinem Namen zu erinnern, aber er ist wahrscheinlich<br />

Franzose - musste einen Vertrag unterschreiben eine Saudi-Mannschaft<br />

zu trainieren, weil er bei einem schlechten ökonomischen Unterfangen<br />

pleite gegangen ist. Der Leiter eines Verlags sagte: Es tut mir leid, aber<br />

sie müssen all ihre Urheberrechte an uns abtreten, wenn sie wollen,<br />

dass wir ihr Buch publizieren. Er sagte es sehr unfreundlich und entschlossen.<br />

Ich erinnerte mich an den Hausbesitzer, der alles auf eine<br />

höfliche und geschickte Art und Weise verlangt hat, und ich lachte,<br />

obwohl nichts an der Situation lustig war. Fremde, in einem Café, an<br />

dessen Name ich mich nicht erinnern kann sagten: Real Madrid wird<br />

in der nächsten Saison alles gewinnen, weil sie einen portugiesischen<br />

Spieler namens Ronaldo für 90 Millionen Dollar gekauft haben, und einen<br />

anderen brasilianischen Spieler für denselben Preis. „H” aus dem<br />

Skript, das ich grade schreibe, sagt - während er versucht sich der Ehe<br />

mit “S” entziehen: „Ich kann kein Haus finanzieren.” Ich weiß nicht, ob<br />

ich schreiben soll, dass “S” etwas sagt, aber ich ließ sie ihre Handtasche<br />

nehmen und weggehen. Ohne ein Wort.


Massud, Afghanistan: „<br />

massud nimmt seine brille ab, lächelt und erzählt:<br />

"ich habe die gedichte von rumi gelesen und wurde sein schüler.<br />

aber ich wurde besser als er. als ich 14, 15 war, wußte ich, was<br />

man tun muß, um die welt zu retten. aber die leute wollten nicht<br />

hören, was ich sagte, und haben versucht mich umzubringen. sie<br />

haben versucht mich zu vergiften, aber gott hat mich gerettet.<br />

ich war 3 monate ohnmächtig, später nochmal 6 monate, dann<br />

nochmal ein jahr. ich war ohnmächtig und die nacht ist ganz hell<br />

geworden und ich habe alles gesehen. gott hat mir alles gezeigt,<br />

den anfang der welt und das ende. in der schule habe ich erzählt,<br />

was gott mir gezeigt hat, aber alle haben mich für verrückt gehalten<br />

und man hat weiter versucht mich umzubringen. ich habe<br />

immer alles gewußt, ich war immer klüger als alle anderen. einmal<br />

wollten sie mich aus einem hinterhalt erschießen, als ich auf<br />

dem nachhauseweg war. da habe ich auf der anderen seite des<br />

flusses meinen vater sitzen sehen. mein vater war tot, aber er hat<br />

mit mir gesprochen. dann habe ich meinen großvater gesehen,<br />

der aber in einer anderen provinz wohnt. ich wollte zu ihm laufen<br />

und ihn fragen, warum er hier war und nicht zuhause. aber er ist<br />

immer vor mir weggelaufen. so hat er mich um den hinterhalt herumgeführt.<br />

als ich zuhause angekommen bin, habe ich gefragt, ob<br />

großvater zu besuch gekommen ist, aber alle haben gesagt, nein.<br />

seit den zwei jahren, wo ich so viel ohnmächtig war, habe ich oft<br />

versucht mich umzubringen, weil ich nicht mehr schlafen kann,<br />

aber gott hat es nicht zugelassen. er hat gesagt, ich muß weiter<br />

auf der erde bleiben, ich bin ein prophet. die leute haben weiter<br />

versucht mich umzubringen, aber sie haben es nicht geschafft.<br />

ich habe die leute gesehen, die mich töten wollten und sie hatten<br />

die körper von menschen und die köpfe von tieren, und ich habe<br />

gott gefragt: "wie kann es sein, daß menschen tierköpfe haben?"<br />

immer wieder habe ich gefragt, immer wieder. dann hat gott gesagt:<br />

"massud, du nervst mich! welches ist dein lieblingstier?" ich<br />

habe gesagt, pferd. da hat gott mir einen pferdekopf gegeben und<br />

wenn ich sprechen wollte, habe ich mit der stimme eines pferdes<br />

gesprochen. mein onkel hat versucht mich umzubringen, weil ich<br />

eine schande für die familie war. nach zwei wochen war ich wieder<br />

ich, massud, und bin wieder in die schule gegangen. die leute<br />

haben alle gesagt, ich sei verrückt. einmal wollte ich mich umbringen,<br />

aber gott hat mich gerettet, indem er mich ganz schnell hat<br />

einschlafen lassen, und das war ein wunder, weil ich sonst nie<br />

schlafen kann. ich habe immer wieder versucht mich umzubringen,<br />

das letzte mal vor einem jahr, aber gott hat mich immer gerettet.<br />

eines nachts wollte ich in die küche gehen und mich dort umbringen,<br />

aber eine große hand hat mich im bett festgehalten und<br />

über mir war ein helles licht. und ich habe den kopf eingezogen,<br />

weil ich dachte, das helle licht würde mich töten. mohammed hat<br />

dasselbe auch einmal erlebt. einmal habe ich gesehen, daß die<br />

erde so klein war wie eine erbse, und über meiner matratze war<br />

alles hell, ich habe alle sterne gesehen und mond und sonne und<br />

alles war hell. ich bin der größte der propheten, ich weiß tausendmal<br />

mehr als jesus oder mohammed. ich bin zu karzai gegangen<br />

und karzai hat mich zu einem minister gemacht, zu einem minister<br />

über den ministern. der onkel, der versucht hat mich umzubringen,<br />

Rainald Grebe, Deutschland: „<br />

ich will aufs land<br />

raus aus der stadt<br />

ich will hier raus<br />

ich steige aus<br />

ich wünsch mir so sehr<br />

du ich und der sitzrasenmäher<br />

ich will ein gehöft<br />

wo der hirtenhund kläfft<br />

ich hab sehnsucht nach fell<br />

hundegebell<br />

die katze legt mir<br />

mäuse vor die tür<br />

maulwurfshügel<br />

igel<br />

kikeriki<br />

der hahn ist die uhr<br />

ich will zurück zur natur<br />

viele grüße rainald grebe<br />

hatte 5 töchter. dann hat er einen sohn bekommen, aber der sohn<br />

hatte 4 augen und keine augenbrauen, und sein kopf ist immer<br />

größer geworden. da hat der onkel seinen sohn umgebracht, weil<br />

er eine schande für die familie war. und ich habe immer wieder<br />

gott gefragt: "wie kann das sein, daß menschen tierköpfe haben?"<br />

und gott hat gesagt: "massud, du nervst!" und er hat mir einen hundekopf<br />

gegeben und ich habe gebellt wie ein hund. und ein paar<br />

wochen später war ich wieder massud. vor ein paar wochen hatte<br />

ich ein gespräch mit den mullahs und ich habe ihnen gesagt, daß<br />

ich ein prophet bin, größer als jesus, größer als abraham, größer<br />

als mohammed. die mullahs haben gesagt, daß ich das nicht sagen<br />

darf, sonst bringen sie mich um. wir hatten lange geredet und<br />

sie haben gesagt, wir reden morgen weiter. aber auf dem weg<br />

nach hause hatten sie einen autounfall und sind alle gestorben.<br />

nur einer nicht, aber der war dann nett zu mir. meine freunde sagen<br />

manchmal zu mir, massud, du bist verrückt, weil sie mich nicht<br />

verstehen. aber alles, was gott mir gezeigt hat und abraham und<br />

jesus und gabriel, schreibe ich in meinen gedichten und wenn ich<br />

meine gedichte vorlese, müssen alle meine freunde weinen. dann<br />

lese ich etwas lustiges vor, damit sie sich wieder besser fühlen.<br />

die katastrophen, die kommen werden in afghanistan, sind keine<br />

kriege, sondern umweltkatastrophen. die menschen sind schwanger<br />

und was sie gebären, ist tödlich. die luft wird giftig sein, das<br />

wasser, alles. ich bin sehr empfindlich, ich bin wie ein filter. wenn<br />

ich das wasser trinke, habe ich probleme beim wasserlassen. vor<br />

ein paar tagen habe ich in der universität alle antworten gewußt,<br />

und die professoren haben mich gefragt, warum ich überhaupt zur<br />

universität gehe, und ich habe gesagt, weil ich lernen muß, mich<br />

besser auszudrücken."<br />

massud ist 32 jahre alt. er studiert und hat einen festen job. er<br />

spricht 5 sprachen. er gilt als schwer traumatisiert.<br />

(Aufgezeichnet von Thomas Hechelmann)<br />

Empfehlung: Rainald Grebe ÖKONOMIE DES LEBENS (AT) Eine Stadt-Land-Revue. Leitung: Rainald Grebe / Thomas Hechelmann, arbeitet seit 15. Mai als Entwicklungshelfer in Afghanistan. Über seine Erlebnisse berichtet er im Blog unter: www.gorki.de


Laura Fernandez,<br />

Argentinien: „<br />

Si la economía define los modos de producción y las<br />

condiciones de producción determinan las condiciones<br />

subjetivas de la existencia, toda economía es<br />

economía de la vida.<br />

Quienes escribimos –estamos aquí presentes en tal<br />

calidad– debemos ser aún más concientes de ello.<br />

Walter Benjamin ya había dicho en El autor como<br />

productor que “el cometido más urgente del escritor<br />

actual (es) conocer lo pobre que es y lo pobre que<br />

tiene que ser para poder empezar desde el principio”.<br />

Quienes escribimos –bien, mal, mucho, a impulsos,<br />

raro, triste, lo que sea– hacemos esta elección<br />

conscientes de nuestra pobreza: no hacemos cine,<br />

porque tememos no acceder a los obligatorios aparatos<br />

para llevarlo a cabo; no tocamos instrumentos<br />

musicales, porque sabemos que tendremos que venderlos<br />

en algún momento para atender a cuestiones<br />

más urgentes; no podemos siquiera contemplar la<br />

idea de lienzos, pinceles… –qué barbaridad de plata<br />

que cuesta todo eso–.<br />

Y como sabemos que la pobreza lejos de acabar<br />

con nuestras pretensiones artísticas les da sentido,<br />

escribimos.<br />

La lapicera puede pedirse prestada en la oficina de<br />

correos –los más intrépidos pueden salir corriendo<br />

con ella–.<br />

el papel será el de las servilletas de mc Donald´s.<br />

Laura Fernandez<br />

Wenn die Ökonomie die Art der Produktion bestimmt und die Produktionsbedingungen<br />

die subjektiven Bedingungen der existenz, so ist<br />

jede Ökonomie eine „Ökonomie des Lebens“.<br />

Wir Schreibenden müssen uns dessen sogar noch bewusster sein. Walter<br />

Benjamin hatte bereits in „Der Autor als Produzent“ gesagt, dass<br />

„der wichtigste Auftrag des gegenwärtigen Schriftstellers darin besteht<br />

zu erkennen, wie arm er doch ist und wie arm er sein muss, um einen<br />

neuanfang starten zu können."<br />

Wir Schreibenden – sei es gut, schlecht, viel, anregend, eigenartig,<br />

traurig, wie auch immer – treffen diese Wahl im Bewusstsein unserer<br />

Armut: wir machen kein Kino, da wir fürchten, nicht über die nötigen<br />

Geräte zu verfügen. Wir spielen keine Musikinstrumente, da wir wissen,<br />

dass wir sie irgendwann verkaufen müssen, um uns dringlicheren<br />

Fragen zu widmen; wir können nicht einmal an Gemälde oder Pinsel<br />

denken – was für Unsummen all dies verschlingt -.<br />

Und da wir wissen, dass die Armut –weit davon entfernt, mit unseren<br />

künstlerischen Bestrebungen zu brechen, diesen gerade Sinn verleiht,<br />

schreiben wir.<br />

einen Kugelschreiber kann man sich auf dem Postamt ausleihen– die<br />

Dreistesten können mit ihm davonlaufen -.<br />

Das Papier werden die Servietten bei mcDonald’s sein.<br />

Marion Aubert,<br />

Frankreich: „<br />

Je t'écris en français parce que je suis une grosse<br />

flemmarde (I write you in french because I'm a big<br />

lazy woman). L'économie de ma vie est terrible<br />

en ce moment. Je dois écrire une pièce que je<br />

n'écris pas, je vais vite à la plage, je ne prends pas<br />

même le temps de me sécher, je lis des histoires à<br />

mon fils très rapidement et surtout, je prépare un<br />

projet idéal pour un théâtre idéal. (end of the bad<br />

english translation). nous avons été retenues avec<br />

mon amie metteure-en-scène pour être directrices<br />

d'un gros théâtre en France (à Valence précisément).<br />

Si cela arrive (nous sommes six "finalistes")<br />

j'espère que nous pourrons faire des choses<br />

ensemble. (David, ce mail est un peu pour toi<br />

aussi. est-ce que ta lecture au français s'est bien<br />

passée?) Voilà voilà,<br />

Big hug,<br />

marion<br />

ich schreibe dir auf Französisch, weil ich wahnsinnig faul bin. Die Ökonomie<br />

des Lebens ist im moment schrecklich. ich muss ein Stück schreiben, das ich<br />

nicht schreibe, ich gehe schnell an den Strand, ich nehme mir nicht einmal<br />

die Zeit mich abzutrocknen, ich lese meinem Sohn viel zu schnell Geschichten<br />

vor und vor allem bereite ich grade das ideale Projekt für ein ideales <strong>Theater</strong><br />

vor. ich habe mich zusammen mit einer befreundeten Regisseurin um die<br />

Leitung eines großen <strong>Theater</strong>s in Frankreich beworben (genauer in Valence).<br />

Und wenn das klappt (wir sind sechs Finalisten) hoffe ich, dass wir mal was<br />

zusammen machen können. So weit, so gut.


Jonathan Garfinkel, Kanada: „<br />

The End of the world<br />

She Where are you from?<br />

He I told you<br />

She Tell me again<br />

He five times.<br />

She I like when you say the name of your country.<br />

He You’re boring.<br />

She (pause) Would you like me to kill you?<br />

He Why?<br />

She Because I could.<br />

He (He lights up a cigarette) We just met.<br />

She Am I too forward?<br />

He Ha.<br />

She Sleep then?<br />

(They lie down and share the cigarette)<br />

(Time passes)<br />

He We don’t understand each other.<br />

She We are from different countries.<br />

He True.<br />

She You’re taller than me.<br />

He You’re too thin.<br />

She You have blue eyes.<br />

He Green.<br />

She Oh.<br />

He Your number.<br />

She Will you call me?<br />

He I asked for your number, right?<br />

She I’d rather kill you.<br />

He Finish the cigarette first.<br />

She Fuck the cigarette. You’re in my country.<br />

Das Ende der Welt<br />

Sie Woher kommst du<br />

Er Das habe ich dir schon gesagt.<br />

Sie Sags mir noch mal<br />

Er Fünf Mal.<br />

Sie Ich mag es, wenn du den Namen<br />

deines Landes aussprichst.<br />

Er Du bist langweilig.<br />

Sie (Pause) Willst du, dass ich dich töte?<br />

Er Warum?<br />

Sie Weil ich es könnte.<br />

(er zündet sich eine Zigarette an)<br />

Er Wir haben uns grade erst kennen<br />

gelernt.<br />

Sie Bin ich zu schnell?<br />

Er Ha.<br />

Sie Also schlafen?<br />

(Sie legen sich hin und teilen die<br />

Zigarette) (Zeit vergeht)<br />

Er Wir verstehen einander nicht.<br />

Sie Wir kommen aus verschiedenen<br />

Ländern.<br />

Er Stimmt.<br />

Sie Du bist größer als ich.<br />

Er Du bist zu dünn.<br />

Sie Du hast blaue Augen.<br />

Er Grün.<br />

Sie Oh.<br />

Er Deine Nummer .<br />

Sie Wirst du mich anrufen?<br />

Er Ich habe dich nach deiner Nummer<br />

gefragt, oder?<br />

Sie Ich bringe dich lieber um.<br />

Er Rauch erst noch auf.<br />

Sie Vergiss die Zigarette. Du bist in meinem<br />

Land.<br />

Er Ich mag es hier. Es ist wärmer.<br />

Sie In meinem Land sind wir ökonomisch.<br />

Ökonomie ist ein unserer Kultur<br />

innewohnendes Attribut. Wir kommen<br />

zum Punkt, also lass uns zum Punkt<br />

kommen.<br />

Er (pause) Hast du schon mal jemanden<br />

getötet?<br />

Sie Ich habe darüber nachgedacht.<br />

Er An was wirst du jetzt denken?<br />

(Sie schließt ihre Augen)<br />

Sie Eis.<br />

Er Eis.<br />

Sie Eine ganze Arktis, die schmilzt.<br />

Alles bedeckt mit Wasser.<br />

He I like it here. It’s warmer.<br />

She In my country, we’re economical.<br />

Economics is an implied cultural attribute.<br />

We get to the point so let’s get to it.<br />

He (pause) Have you killed a man before?<br />

She I’ve thought about it.<br />

He What will you think of?<br />

She (SHE closes her eyes) Ice.<br />

He Ice.<br />

She An entire Arctic, melting.<br />

Everything covered by water.<br />

He Now we’re starting to get somewhere.<br />

(HE starts to loosen his tie)<br />

He Now we’re beginning to understand each other.<br />

(HE kisses her. SHE squirms. HE tears off her<br />

shirt. SHE goes limp. While HE talks, HE puts<br />

his fingers inside her)<br />

He It’s not easy to kill a man. It’s not like squeezing<br />

juice out of an orange. You have to squeeze until<br />

he turns blue in the face. You have to squeeze<br />

very, very hard. You need to summon something<br />

from inside you.<br />

(SHE puts her hands around his neck and starts<br />

to squeeze, slowly. HE is turned on.)<br />

He You’re the heat breaking the surface.<br />

It’s melting.<br />

(Now SHE squeezes. Hard. HE likes it. SHE<br />

squeezes harder. HE is puzzled. SHE<br />

squeezes and does not let go. SHE will go all the<br />

way and HE knows it.)<br />

Er Jetzt kommen wir langsam wohin.<br />

(Er öffnet seine Krawatte)<br />

Er Jetzt fangen wir an einander zu<br />

verstehen.<br />

(Er küsst sie. Sie windet sich. Er zieht<br />

ihr Shirt aus. Sie lässt sich hängen.<br />

Während er redet, steckt er ihr den<br />

Finger rein)<br />

Er Es ist nicht einfach jemanden zu<br />

töten. Es ist nicht, wie wenn man<br />

eine Orange auspresst. Du musst<br />

zudrücken bis er blau im Gesicht<br />

wird. Du musst sehr, sehr stark<br />

zudrücken. Du musst etwas<br />

aus deinem Innern herbeirufen.<br />

(Sie legt ihre Hände um seinen<br />

Nacken und fängt an zuzudrücken,<br />

langsam. Das turnt ihn an.)<br />

Er Du bist die Hitze, die die Oberfläche<br />

durchbricht. Sie schmilzt.<br />

(Sie drückt stärker zu. Er mag es. Sie<br />

drückt noch stärker. Er ist beunruhigt.<br />

Sie drückt zu und lässt nicht los. Sie<br />

wird es durchziehen und er weiß es.)


Sammelkarte Nr. 1<br />

Hilke Altefrohne<br />

Seit 2006 Ensemblemitglied des MGT Berlin<br />

Sammelkarte Nr. 2<br />

Ulrich Anschütz<br />

Seit 1986 Ensemblemitglied des MGT Berlin<br />

We are<br />

Sammelkarte Nr. 3<br />

Anika Baumann<br />

Seit 2006 Ensemblemitgl<br />

Sammelkarte Nr. 4<br />

Julischka Eichel<br />

Seit 2007 Ensemblemitglied des MGT Berlin<br />

Sammelkarte Nr. 5<br />

Wilhelm Eilers<br />

Seit 2009 Ensemblemitgl<br />

Sammelkarte Nr. 6<br />

Britta Hammelstein<br />

Seit 2008 Ensemblemitgl


family*<br />

Sammelkarte Nr. 7<br />

Wolfgang Hosfeld<br />

Seit 1971 Ensemblemitglied des MGT Berlin<br />

Sammelkarte Nr. 8<br />

Johann Jürgens<br />

Seit 2008 Ensemblemitglied des MGT Berlin<br />

Sammelkarte Nr. 9<br />

Michael Klammer<br />

Seit 2006 Ensemblemitglied MGT Berlin<br />

Sammelkarte Nr. 10<br />

Robert Kuchenbuch<br />

Seit 2006 Ensemblemitglied des MGT Berlin<br />

* Album für die ersten 10 von 21 Sammelkarten. Alle Sammelbilder ab jetzt am KioSK erhältlich.


Empfehlung: Ewald Palmetshofer. FAUST HAT HUNGER UND vERScHLUcKT SIcH AN EINER GRETE. Regie: Felicitas Brucker. Gastspiel Schauspielhaus Wien<br />

Ewald Palmetshofer, Österreich: „<br />

Vielleicht ist es an der Zeit zur Ökonomie des Lebens im Wortsinn zurückzukehren,<br />

zur Ökonomie als Gesetz, Gesetz des Hauses, also zum Hausgesetz des<br />

Lebens selbst. Und dieses Gesetz besagt – von mir aus mit Freud gesprochen –,<br />

dass das Lebendige begehrt und dass es in den Tod strebt. Wir begehren und rasen<br />

in den Tod – nichts anderes ist die Hausordnung des Lebens. Begehren und<br />

Sterben und nichts anderes. Das Haus, dessen Gesetz dies ist, unterliegt keiner<br />

anderen Notwendigkeit als eben dieser. Und ist dies tatsächlich im strengsten<br />

Sinne das einzige Gesetz, ist dies also alles, was zur Ökonomie des Lebens zu<br />

sagen ist, dann hilft das zugegeben noch wenig. Es ist ein Gesetz, das nichts<br />

verhindert, unterbindet, ausschließt, verbietet. Ganz im Gegenteil. Ein Gesetz,<br />

dass bloß einer Regelmäßigkeit ins Wort verhilft, ohne eine Regel aufstellen zu<br />

müssen jenseits seiner selbst. Es ist vielleicht das einzige Gesetz, das sich auf<br />

kein Jenseits bezieht, auf keine wünschenswerte oder herzustellende Ordnung.<br />

Es verhindert nichts und belässt alles. Keine Vorschrift, sondern Festschrift, aber<br />

der Gehorsam unausweichlich. Alles Leben wird dieser Ökonomie gefolgt sein,<br />

nach dem Ende. Ein völlig sinnloses Gesetz.<br />

Aber trotzdem. Oder gerade deswegen. Müsste man nicht den Vertreterinnen<br />

und Vertretern, Schöpferinnen und Schöpfern der anderen Ökonomien, der anderen<br />

Gesetze, endlich die Frage stellen, ob sie von dieser grundsätzlichsten<br />

aller Ökonomien schon mal gehört haben? Dass wir begehren und sterben. Und<br />

zwar beides. Das Begehren kennen sie vielleicht, zumal von sich selbst. Aber<br />

hinsichtlich des Sterbens kann man sich nicht so sicher sein, sind sie selbst<br />

doch so ewig. Man weiß es nicht, man müsste sie fragen. Ob sie wissen. Dass<br />

wir nicht ewig leben und es daher durchaus etwas pressiert hinsichtlich der anderen<br />

Ökonomien die wir bräuchten. Und dann könnten sie ja sagen – was wir<br />

schon vermuten –, dass ihnen dies angesichts ihrer eigenen Ewigkeit herzlich<br />

egal ist. Oder dass sie sich zu den Handlangern des Begehrens und Sterbens<br />

erklärt haben und dieser Aufgabe gut und gerne nachkommen. Sie müssten nur<br />

noch sagen, für wessen Begehren genau sie arbeiten und für wessen Sterben.<br />

Natürlich haben wir auch diesbezüglich einen leisen Verdacht. Wir können sie<br />

fragen und sie können es uns sagen und dann wüsste man zumindest das. Dass<br />

sie entweder Götter oder Ökonomen des Endes sind. Das zu wissen wäre durchaus<br />

hilfreich. Wir würden daraus unsere Konsequenzen ziehen. Also.<br />

e. palmetshofer


Zainabu Jallo, Nigeria: „<br />

SOME OF THE PEOPLE I AM<br />

I am people<br />

I reside in a sucession of episodes.<br />

I live upon times loosely linked to eachother<br />

with fatigued threads<br />

... named hope. upon these times,<br />

I live.<br />

I am wrought by a million and<br />

more voices, shrill, epileptic,hoarse,mysti<br />

cal,broken,fearful, sotto<br />

... so undauntedly real.<br />

I am a body of voices. I am a bouquet<br />

of emotions, a herd of thoughts<br />

and a single piece of breath<br />

I am people.<br />

So ... We eat velvet tamarinds on<br />

the day we were stolen.<br />

Halfway through, we search for<br />

ourselves ... listlessly<br />

Thinking, that this theft won't last<br />

for long, that we will be found.<br />

Then in the moth-lined pocket of<br />

maisamari, we find a bit of us, suffocated.<br />

ICH BIN VIELE.<br />

Ich wohne in einer Kette von Episoden. Ich lebe, hänge an Zeiträumen,<br />

die lose miteinander verbunden sind durch müde Fäden…<br />

Hoffnung genannt. Dies sind die Zeiträume, an denen mein Leben<br />

haftet. Eine Million und noch mehr Stimmen haben mich geformt,<br />

gefertigt; schrille, epileptische, raue, mystische, gebrochene, ängstliche,<br />

leise… so unerschrocken echt. Ich bin ein Körper aus Stimmen.<br />

Ich bin ein Bouquet aus Gefühlen, eine Herde aus Gedanken und ein<br />

einziger Atemzug. Ich bin viele. Also… essen wir Tamarinde aus Samt<br />

an dem Tag, an dem wir geraubt wurden. Auf halber Strecke suchen<br />

wir uns selbst… bewegungslos. Wir denken, dass dieser Raub nicht<br />

lange anhalten wird, dass wir gefunden werden. Dann finden wir ei-<br />

Confined in the clenched fist of<br />

the beefy barber, were those on the<br />

last leg of pre-heroism, they were<br />

shaved and left naked.<br />

On that day too, we ate sour<br />

oranges . which meant,<br />

(A) we were not just faced with<br />

the dreadfulness of being bundled up<br />

against our will<br />

(B) we had the slapping sensation<br />

and our teeth shocked<br />

(C) we were unhappy... we still<br />

are.<br />

I think of that November day in<br />

ninety five, I think of Kenule and the<br />

eight. We do not have mouths,<br />

no ink or armour. We fight.<br />

with our minds ...<br />

nen kleinen Teil von uns, bereits erstickt, in der von Motten gesäumten<br />

Tasche von Maisamari. Wer auf dem letzten Pfeiler des Prä-Heroismus<br />

stand, fand sich eingesperrt in die geballte Faust des kräftigen<br />

Barbiers, man wurde glattrasiert und nackt zurückgelassen. An demselben<br />

Tag aßen wir auch saure Orangen und (A) mussten somit nicht<br />

nur das Grauen ertragen, gegen unseren Willen zusammengepfercht<br />

zu sein, (B) sondern wir spürten die Hiebe, unsere Zähne klapperten,<br />

(C) wir waren unglücklich… und sind es noch. Ich denke an jenen Tag<br />

im November fünfundneunzig zurück, ich denke an Kenule und die<br />

acht andern. Wir haben keinen Mund, keine Tinte, keine Rüstung. Wir<br />

kämpfen mit unseren Seelen...


Helena Tornero Brugués, Spanien: „<br />

rENDiBlE<br />

-avi, haurem de deixar estar l’hort, que no veu que això ja no és<br />

rendible?<br />

això és el que li va dir el seu fill Joan una tarda de primavera, al<br />

mig de l’hort. l’avi Juanitu, davant les tomaqueres, assegut a la<br />

seva cadira de vímet tan o més vella que ell, intentava continuar<br />

exercint una de les seves aficions preferides, interrompuda per<br />

aquella visita inesperada.<br />

-Què vols dir amb això que no és rendible?<br />

-Que no és… (Pausa breu.) És igual, pare, seria molt difícil<br />

d’entendre. si vostè hagués estudiat economia ho entendria.<br />

-Que n’has estudiat, d’economia, tu?<br />

-Jo... no, però la nena sí.<br />

-i la nena diu que l’hort no és rendible?<br />

(Pausa emprenyada.)<br />

-Vol deixar estar la nena ara, pare?<br />

-Però si has estat tu, que l’hi has dut a la conversa!<br />

-ai, pare, amb tu no es pot discutir!<br />

-Doncs no discuteixis! (Pausa tensa.)<br />

-Però, que no veu que gairebé ja no hi pot treballar, a l’hort? Què no<br />

hi fa res en tot el dia?<br />

-i tant que faig! M’assec aquí i el veig créixer!<br />

-Quin avorriment.<br />

-Doncs mira, no. M’agrada veure com es van envermellint les<br />

tomates, per exemple. No ho has pensat mai, com n’és de curiós?<br />

Mira: aquesta mateixa, ahir encara verdejava... (l’avi Juanitu<br />

ensenya una de les tomates al seu fill. El fill es grata el coll de la<br />

camisa amb impaciència.)<br />

-Pare, per l’amor de déu, que tenim pressa. Pare? Pare? Que no em<br />

sent? Pare? (remugant.) Ja li ha fallat l’audiòfon un altre cop.<br />

-No, no em falla l’audiòfon, no. Estava fent veure que no et sentia,<br />

per veure si així et cansaves i deixaves de tocar-me els collons!<br />

(Pausa desconcertada.)<br />

Wirtschaftlich<br />

- Großvater, wir müssen den schrebergarten aufgeben. sehen sie nicht, dass er sich nicht mehr<br />

lohnt.<br />

Das sagte ihm eines Nachmittags im frühling sein sohn Juan, mitten im Garten. Großvater Juanito<br />

saß vor den tomatenstauden in seinem Korbstuhl, der fast genauso alt war wie er. Der<br />

unerwartete Besuch hinderte ihn daran, seiner lieblingsbeschäftigung nachzugehen.<br />

- Was willst du damit sagen, dass er sich nicht mehr lohnt?<br />

- Dass er nicht... (kurze Pause.) Vergessen sie es, Vater, das können sie nicht verstehen. Wenn sie<br />

Wirtschaft studiert hätten, könnten sie es vielleicht.<br />

- Und Du hast wohl Wirtschaft studiert?<br />

- ich nicht, aber meine süße schon.<br />

- Und deine „süße“ sagt, der Garten lohnt sich nicht? (verärgerte Pause)<br />

- Vergiss doch mal die süße jetzt, Vater.<br />

- Du hast sie ins Gespräch gebracht!<br />

- Mensch, Vater, mit dir kann man nicht diskutieren!<br />

- Dann diskutier auch nicht! (angespannte Pause)<br />

- aber, sehen sie nicht, dass sie fast nicht mehr im Garten arbeiten können? Dass sie hier den<br />

ganzen tag nichts machen?<br />

- Natürlich mache ich was. ich sitze hier und schaue dem Garten beim Wachsen zu.<br />

- Wie langweilig!<br />

- also, schau mal, ich sehe zum Beispiel gerne zu, wie die tomaten rot werden. hast du nie darüber<br />

nachgedacht, wie erstaunlich das ist? schau: die hier waren gestern noch grün. (Großvater<br />

Juanito zeigt seinem sohn eine der tomaten. sein sohn richtet sich ungeduldig den hemdkragen.)<br />

- Vater, um himmels Willen, wir haben keine Zeit. Vater? Vater? hören sie mich? Vater? (Brummeln.)<br />

Jetzt hat sie ihr hörgerät wieder im stich gelassen.<br />

- Nein, hat es nicht. ich habe nur so getan als ob ich dich nicht höre, um zu sehen, ob du irgend-<br />

-Doncs no penso marxar d’aquí fins que no em donis una resposta,<br />

pare. (Pausa resignada.)<br />

-feu el que vulgueu.<br />

(Pausa d’alleujament.)<br />

-De veritat?<br />

-De totes maneres fareu el que us vingui de gust...<br />

i ho van fer. Es van vendre l’hort i amb els diners es van comprar un<br />

apartament minúscul a Empuriabrava, que estaven molt rebaixats<br />

ara que, com deia la nena, “el model econòmic està caducant”.<br />

El van llogar tota la temporada d’estiu a turistes estrangers (que<br />

paguen més que els nacionals, segons va dir la nora), i desprès<br />

encara van llogar-lo tot el mes d’octubre a uns jubilats francesos<br />

que no feien res més en tot el dia que prendre el sol ben despullats<br />

a la terrassa, però pagaven molt bé.<br />

l’avi Juanitu no els va retreure mai res. Només de tant en tant, a<br />

l’hora de dinar, en deixava anar alguna.<br />

-¡collons, que voleu que us digui, nois: a mi m’agradaven molt més<br />

les tomates quan no eren rendibles! tenien més gust. (Pausa indiferent<br />

– per part dels altres comensals-.)<br />

a mitjans de novembre, quan en Joan i la seva dona van fer comptes<br />

de tot plegat, van veure que els havia sortit no només rendible,<br />

sinó fins i tot més que rendible.<br />

l’avi, però, es va estalviar el mal tràngol d’haver de donar la raó<br />

al seu fill. Es va morir una matinada de novembre, i la seva neta,<br />

que era amb ell, va ser la única que va sentir les seves darreres<br />

paraules:<br />

-Estic cansat, nena. abans el món anava més a poc a poc: aquest<br />

altre m’és massa ràpid.<br />

-Vol alguna cosa, avi?<br />

-No, nena. Però si tens una estona, ves i rega les tomates.<br />

i va tancar els ulls i es va adormir per sempre, amb la boca ben<br />

oberta. (Pausa eterna.)<br />

helena tornero Brugués, Vilafant, agost 2009<br />

wann müde wirst und aufhörst mich zu nerven. (ratlose Pause)<br />

- ich werde hier nicht weggehen bis ich von dir eine antwort habe, Vater. (resignierte Pause. seufzen)<br />

- Macht was ihr wollt. (Pause der Erleichterung)<br />

- Wirklich?<br />

- ihr macht ja sowieso nur was euch passt...<br />

Und das taten sie. sie verkauften den Garten und investierten das Geld in eine kleine Wohnung in<br />

Empuriabrava, wo Wohnungen gerade günstig waren, da, wie die „süße“ sagte „das Wirtschaftssystem<br />

gerade zerfällt.“ sie vermieteten die Wohnung den ganzen sommer über an ausländische<br />

touristen (die laut schwiegertochter mehr als die Einheimischen bezahlen) und den Oktober über<br />

an gut bezahlende französische rentner, die nichts anderes taten, als sich den ganzen tag völlig<br />

nackt auf der terrasse zu sonnen.<br />

Großvater Juanito äußerte sich nie mehr dazu. Nur manchmal beim Essen kam er darauf zurück.<br />

-Verdammt noch mal, was soll ich sagen, Kinder: Mir gefielen die tomaten viel besser als sie noch<br />

nicht rentabel waren. sie hatten mehr Geschmack.<br />

(gleichgültige Pause – auf seiten der übrigen tischgenossen.)<br />

Mitte November als Juan und seine frau abrechneten, stellten sie fest, dass der Verkauf des<br />

Gartens sogar mehr als rentabel war.<br />

Der Großvater konnte sich trotzdem nicht dazu durchringen, seinem sohn recht zu geben.<br />

Eines Morgens im November starb er und seine Enkelin, die bei ihm war, war die Einzige, die seine<br />

letzten Worte hörte.<br />

- ich bin müde, Kind. früher war die Welt langsamer, heute ist sie mir zu schnell.<br />

- Brauchst du etwas, Großvater?<br />

- Nein, Kind, aber wenn du Zeit hast, sieh nach den tomaten und gieße sie.<br />

Und er schloss die augen und schlief für immer. Mit einem erstaunten ausdruck im Gesicht. (Pause<br />

für immer.)


Empfehlung: Uwe Johnson ZWEI ANSIcHTEN. Regie: Robert Thalheim<br />

Jonas Hassen Khemiri, Schweden: „<br />

Im in a reading/writing period at the moment. Im actually very fascinated<br />

by economics at the moment and I would love to make something for<br />

your magazine in the future but this summer I have dedicated myself to<br />

another project that will steal all my time. Maybe I could contribute with<br />

something else later this fall. My best, Jonas<br />

Robert Thalheim, Deutschland: „<br />

Mein erster 3 minütiger kurzfilm, den ich an der filmhochschule<br />

gemacht habe hieß „zeit ist leben”. in dem<br />

film lesen drei leute aus dem off ratschläge zum „timemanagement”<br />

(„zeit ist leben, vergeudete zeit ist vergeudetes<br />

leben”) vor und werden im on dabei gezeigt,<br />

wie sie einfach die zeit vergehen lassen. unten der text.<br />

kann man vielleicht auch verwenden für die zeitung. ist<br />

sehr witzig. sinn durch management ersetzen!<br />

ansonsten diesmal leider nichts von mir.<br />

vielleicht bei einem nächsten mal<br />

besten gruß robert<br />

Zeit ist Leben. Vergeudete Zeit ist vergeudetes Leben.<br />

Nur zielgerichtetes Leben sichert Erfolg.<br />

Wir steuern unser Leben bewusst oder unbewusst<br />

durch die Ziele, die wir uns setzen.<br />

Das Wissen, wie Sie planvoll Ziele setzen können, hilft<br />

Ihnen, Ihre Zeit optimal auszuschöpfen und effektiv zu<br />

handeln. Das Erfolgsgeheimnis? Der feste Glaube an<br />

eine Idee, die konsequente Umsetzung von verfaßten<br />

Plänen und die zielgerichtete Umsetzung.<br />

Sie müssen Ihren Tagesablauf strukturieren, um Ihre<br />

Ziele erreichen zu können!<br />

Eine Konkretisierung sieht z. B. so aus:<br />

1. Was will ich konkret machen?<br />

2. Bis wann muss es erledigt sein?<br />

3. Wie will ich den Erfolg messen?<br />

4. Was kostet das Vorhaben?<br />

Ich bin grade in einer Lese-/Schreibphase. Ich bin derzeit<br />

fasziniert von Ökonomie und ich würde gerne mal<br />

etwas für euer Magazin machen aber diesen Sommer<br />

widme ich mich einem anderen Projekt, das all meine<br />

Zeit aufsaugen wird. Vielleicht kann ich später mal etwas<br />

beitragen. Im Herbst.<br />

Kategorisieren Sie jetzt die Prioritäten wie folgt:<br />

A<br />

Wichtige und nicht delegierbare Aufgabe!<br />

Es verursacht erhebliche Schwierigkeiten, wenn diese<br />

Aufgabe nicht erledigt wird! Ich muss es selbst in<br />

die Hand nehmen!<br />

B<br />

Diese Aufgabe ist wichtig, kann aber auch von Mitarbeitern<br />

erledigt werden! Ich überlege, von wem<br />

die Aufgabe erledigt werden kann und delegiere sie.<br />

Zeit für Delegierung, Kontrolle oder Rückmeldung<br />

einplanen!<br />

C<br />

Diese Aufgabe ist weniger wichtig und kann vielleicht<br />

auch warten! Die Aufgabe kann Routine oder<br />

Kleinkram sein und bei näherer Betrachtung stellt<br />

sich evtl. sogar heraus, dass sie gar nicht unbedingt<br />

erledigt werden muss.<br />

Zeitaufwand nach Prioritäten planen:<br />

A 60 % = 3 Stunden<br />

B 20 % = 1 Stunde<br />

C 20 % = 1 Stunde<br />

Hinweis:<br />

Sie benötigen täglich 1 Stunde für das Unvorhersehbare<br />

und 1,5 Stunden für spontane Aufgaben!<br />

Lassen Sie es keinesfalls zu, dass die Grundstruktur<br />

Ihrer Planung von außen „terrorisiert” wird und erkennen<br />

Sie „Zeitdiebe” - achten Sie aber unbedingt<br />

auf das WIE, wenn Sie etwas dagegen unternehmen!


Empfehlung: Jürgen Berger ELSA. Regie: carolina Adamovsky / PeterLicht nach Molière DER GEIZIGE. Regie: Jan Bosse<br />

Carolina Adamovsky, Argentinien: „<br />

VIDA-ECONOMÏA<br />

Vida: Fuerza o actividad interna sustancial, mediante<br />

la que obra el ser que la posee. Estado de actividad<br />

de los seres orgánicos. Duración de las cosas.<br />

Espacio de tiempo que transcurre desde el nacimiento<br />

de una animal o vegetal hasta su muerte<br />

Economía: Administración eficaz y razonable de los<br />

bienes. Conjunto de bienes y actividades que integran<br />

la riqueza de una colectividad o de un individuo.<br />

Contención o adecuada distribución de los recursos<br />

materiales y expresivos.<br />

Habría tantas variables para analizar en relación a<br />

como la economía afecta directamente la vida de<br />

los hombres, y de como sus vaivenes indefectiblemente<br />

alteran positiva o negativamente el transcurrir<br />

de estas vidas....<br />

En un plano más general, y solucionadas la necesidades<br />

básicas podemos hablar de economía. De lo<br />

contario es imposible siquiera mencionarla ya que<br />

la vida sin techo y comida va perdiendo esa "fuerza<br />

o actividad interna sustancial mediante la que obra<br />

el ser que la posee". Y es en ese caso, el de los pobres<br />

y marginados, en donde la economía se vuelve<br />

perversa y completamente destructiva.<br />

En el caso de los que tienen bienes, recursos materiales<br />

y expresivos y que van lidiando la economía<br />

privada con la pública, allí la economía se vuelve<br />

una cuestión filosófica<br />

En el plano personal mantengo una relación de simulada<br />

indiferencia con la economía. Le hago creer<br />

que tiene poca importancia para poder utilizarla sin<br />

que se convierta en manipuladora de mi vida. Y así,<br />

cuando sobreviene una crisis, simplemente me reacomodo<br />

y dejo que pase.<br />

PeterLicht, Deutschland: „<br />

eine mahlzeit: der Geizige isst<br />

Geizi<br />

ich leg mir ein Reiskorn auf den weißen<br />

Teller. Und dann wart ich ersteinmal.<br />

ich senke mich in das Reiskorn. Und<br />

warte. ich beginne mich hineinzudrehen.<br />

irgendwann zerfällt das Korn in zwei Gehirnhälften.<br />

es macht klick und trennt<br />

sich. Die Hälften schunkeln im Teller hin<br />

und her und bleiben dann liegen.<br />

ich warte.<br />

Und beobachte die Polung der Körner, die<br />

jeweils anders ist. Das eine nach hier. Das<br />

andere nach dort.<br />

ich denke mich rein in die Gerichtetheit<br />

der Körner und beginne meine Gehirnhälften<br />

zu kalibrieren. (mögen die Gehirnhälften<br />

die gleichen Pole anstreben,<br />

wie die Körner!)<br />

nach einer Zeit, die ich nicht messen<br />

kann, beginnen meine Gehirnhälften sich<br />

nach der Lage der Körner auszurichten.<br />

ich merke ein seismographisches Schieben<br />

in den Schichten und Häuten im<br />

inneren meines Kopfes und im Äußeren<br />

meine Denkens. ein atomares Gefühl<br />

von Harmonie implodiert in meinem inneren<br />

entlang meiner Außenlinie unter<br />

Zurücklassung von irgendeiner Art von<br />

LEBEN – ÖKONOMIE<br />

Leben: Eine substanzielle innere Kraft oder Aktivität, mittels derer ein lebendes<br />

Wesen handelt. Aktiver Zustand von biologischen Wesen.<br />

Die Dauer der Dinge. Die Zeitspanne, die zwischen Geburt und Tod eines Tieres<br />

oder einer Pflanze vergeht.<br />

Ökonomie: Ein effektiver und rationaler Umgang mit Gütern. Die Gesamtheit<br />

der Güter und Aktivitäten, die den Wohlstand eines Kollektivs oder eines Individuums<br />

bilden. Eine Regelung oder angemessene Verteilung der materiellen und<br />

immateriellen Güter.<br />

Es gäbe so viele verschiedene Möglichkeiten zu analysieren, wie die Ökonomie<br />

das Leben der Menschen direkt beeinflusst und wie ihre Pendelbewegungen unweigerlich<br />

den Verlauf des Lebens positiv oder negativ verändern…<br />

Im weiteren Sinne und unter der Voraussetzung der Erfüllung der menschlichen<br />

Grundbedürfnisse können wir von Ökonomie sprechen. Ganz im Gegenteil, es<br />

ist sogar unmöglich sie nicht wenigstens zu erwähnen, da das Leben ohne Dach<br />

über dem Kopf und ohne Essen immer mehr die „substanzielle innere Kraft oder<br />

Aktivität, mittels derer ein lebendes Wesen handelt“ verliert.<br />

Und in diesem Fall, dem der Armen und der Außenseiter, wird Ökonomie zu<br />

etwas Perversem und völlig Destruktiven.<br />

Im Falle derjenigen, die über Eigentum an materiellen und immateriellen Gütern<br />

verfügen und die die private mit der öffentlichen Ökonomie bekämpfen, verwandelt<br />

sich die Ökonomie in eine philosophische Frage. Was mich persönlich betrifft,<br />

hege ich mit der Ökonomie eine Beziehung vorgetäuschter Gleichgültigkeit. Ich<br />

lasse sie im Glauben, dass sie von geringer Bedeutung ist, um sie gebrauchen<br />

zu können, ohne dass sie sich manipulierend auf mein Leben auswirkt. Und so<br />

kommt es, dass ich mich im Falle einer auftretenden Krise einfach neu anpasse<br />

und warte, bis sie vorbeigeht.<br />

fliegendem Puder oder vom Blitz erfasster<br />

Teilchen. Die Teilchen (oder Blitze<br />

oder Körner - ich kann es nicht trennen)<br />

entfallen mir und senken sich nieder. Sie<br />

fallen in mir. Wie von einer Hand Sand<br />

in den Sand geworfen. Die Körner liegen.<br />

Und gerafft und ruckig platzen sie und gehen<br />

auf in Halmen. es zieht sie nach oben.<br />

Ein Wind kommt. Die Halme wiegen im<br />

hellen Grün vor digitalem Blau.<br />

Rundum versorgt mit den Bestandteilen<br />

von Reis steh ich auf, verlaß den Teller.<br />

ein reines essen nach meinem reinen Geschmack.<br />

Die Körner liegen im Teller.


Empfehlung: Philipp Löhle DIE ÜBERFLÜSSIGEN. Regie Dominic Friedel / Maria Kilpi PLUS NULL KOMMA KÜNF KINDSTILL. Regie: Nora Schlocker<br />

Philipp Löhle,<br />

Deutschland: „<br />

Maria Kilpi, Finnland: „<br />

i read somewhere Marilyn Monroe has said the only things<br />

that ever happen to us are Work and love. currently i'm going<br />

for the latter. i've been saying to people, just half joking,<br />

that i've spent the last ten years of my life making love to my<br />

Work, now i'm going to spend the next ten years cooking, doing<br />

laundry, wiping butts and noses, driving the car to places<br />

where somebody else needs to go. these last weeks the<br />

forests around here have been full of blueberries, raspberries<br />

and mushrooms. We've been picking them and putting<br />

them in the freezer for the winter. Don' t know about quite<br />

many things in the world, but i'm sure this is worth the effort.<br />

We have been dreaming simple dreams. like having enough<br />

money to not have to worry about it. like once having all the<br />

clothes and dishes and books and papers in places you can<br />

say they belong to, instead of lying around. like having a<br />

summer house, a place to go that is enough but again not too<br />

far away. since we broke up last autumn, i really don't care<br />

how my Work is doing. Only half joking i have been saying i'll<br />

return to it when i'm in my forties, to see if i can find any of<br />

the passion and love i used to feel towards it. to see if i can<br />

Ich habe irgendwo gelesen, dass Marilyn Monroe gesagt hat “Die einzigen<br />

Dinge die uns jemals passieren sind Liebe und Arbeit”. Zur Zeit setze ich<br />

mehr auf letzteres. Ich habe zu den Leuten immer, halb im Scherz, gesagt,<br />

dass ich die letzten zehn Jahre meines Lebens damit verbracht habe, meine<br />

Arbeit zu lieben, jetzt werde ich die nächsten 10 Jahre damit verbringen zu<br />

kochen, zu waschen, Hintern und Nasen abzuwischen und das Auto dorthin<br />

zu fahren, wo jemand anderes hin will. In den letzten Wochen waren die<br />

Wälder hier voll mit Heidelbeeren, Himbeeren und Pilzen. Wir haben sie gepflückt<br />

und für den Winter eingefroren. Ich weiß nicht über viele Dinge in der<br />

Welt bescheid, aber ich bin mir sicher, das war den Aufwand wert. Wir haben<br />

einfache Träume geträumt. Wie: so viel Geld zu haben, um sich darüber keine<br />

Sorgen machen zu müssen. Wie: irgendwann alle Kleider und Teller und<br />

Bücher und Papiere an dem Ort zu haben, von dem man sagen kann, dass<br />

sie da hin gehören, anstatt rumzuliegen. Wie: ein Sommerhaus zu besitzen,<br />

einen Ort, der genügt, aber nicht zu weit weg ist. Seit meine Arbeit und ich<br />

uns letzten Herbst getrennt haben, kümmere ich mich überhaupt nicht mehr<br />

darum, wie es ihr geht. Nur halb im Spaß habe ich gesagt ich kehre zu ihr<br />

ÜBERLEBEN IM UMBRUCH, Juli 2009<br />

find any of the ambition required to pursue a career. But<br />

that will be then, now the laundry is allmost done, and soon<br />

i will go and take it outside to dry. it's really nice out there,<br />

+20 degrees and sunny, but you can feel the autumn in the<br />

air.<br />

long time ago we used to play a game of "what would you<br />

be if you weren't a playwright?" Most people said they<br />

would be directors or writing novels or journalists or such<br />

like. Once somebody said if i wasn't a playwright, i would<br />

like to be a housewife. Now i understand what she was talking<br />

about.<br />

to put it short: i would love to write something for your paper,<br />

but the economy of my personal life is such that i'm just<br />

not working at the moment. My first child is due to be born<br />

in two weeks, and -don't take this the wrong way, but frankly<br />

my dear, at the moment i just don't give a damn. Maybe<br />

next time. Now the laundry is waiting.<br />

tschüß aus helsinki & take care, Maria<br />

helsinki, august 28th 2009<br />

zurück, wenn ich in meinen 40ern bin, um herauszufinden, ob ich etwas<br />

von der Leidenschaft und Liebe wiederfinden kann, die ich ihr gegenüber<br />

immer empfunden habe. Um zu sehen, ob ich etwas von dem Ehrgeiz<br />

wiederfinden kann, den es braucht, um eine Karriere zu verfolgen. Aber<br />

das ist noch lange hin, jetzt ist die Wäsche fast fertig und bald werde ich<br />

sie zum Trocknen raushängen. Es ist wirklich schön da draußen. 20 Grad<br />

und sonnig, aber man fühlt den Herbst in der Luft. Vor langer Zeit spielten<br />

wir immer das “Was wärest du, wenn du kein Autor wärest”-Spiel.<br />

Die meisten Leute sagen, sie wären Regisseure oder Romanautoren oder<br />

Journalisten oder solche Sachen. Einmal sagte jemand “Wenn ich keine<br />

Autorin wäre, wäre ich Hausfrau.” Jetzt verstehe ich, wovon sie gesprochen<br />

hat. Um es kurz zu machen: Ich würde gerne etwas für den <strong>Gorki</strong><br />

Planet schreiben, aber die Ökonomie meines persönlichen Lebens ist so,<br />

dass ich gerade einfach nicht arbeite. Mein erstes Kind wird in den nächsten<br />

zwei Wochen geboren werden, und deshalb, versteht mich nicht falsch,<br />

aber offen gesagt, interessiert mich Arbeiten grade einen Scheiß. Vielleicht<br />

nächstes Mal. Jetzt wartet die Wäsche auf mich. Maria.


Nick Yu, China<br />

关于话剧《资本论》<br />

三十年前,一个丹麦的公司经理,他去西柏林出差,他申请到一天的时间去东<br />

柏林,他费了不少周折才通过关口到达东柏林,他甚至没有来得及参观这座城<br />

市,就一头扎进了一家书店,在午夜十二点之前,他再次通过关口,最终抱回<br />

来三大册崭新的《资本论》,这就是舞台剧《资本论》的开始。<br />

三十年后,一个上海弄堂里的老太太,她发现离弄堂口不远处菜场的顾客,买<br />

菜的同时经常忘记买葱,于是,她就用家门前废弃的水斗,填上泥土,种上几<br />

根小葱,待小葱长大了,每天她都拨出一些,放在门前的小板凳上,一分钱一<br />

根,扔几分钱就可以拿几根。小葱底下垫着的就是三大册废弃的《资本论》,<br />

这就是舞台剧《资本论》的结束。<br />

舞台剧《资本论》还在创作之中,我很想用一本《资本论》作为基础来讨论千<br />

百年资本的发展,其中会包含工业革命的过程、近两百年来资本主义的发展、<br />

社会主义的进程以及银行、债券、国际公司的经营,甚至还有几次经济危机,<br />

更少不了那一帮经济学家与政治家。《资本论》是一本深刻讨论关于资本与<br />

资本主义的作品,却在社会主义国家被广泛阅读,甚至被极至推崇,近三十年<br />

中国社会的发展始终离不开资本,说的是资本,用的是资本,资本到成了社会<br />

主义发展的资本。三十年前,中国刚刚改革开放,姓“社”还是姓“资”被人们小<br />

心翼翼地讨论着。三十年后的今天,随着人们生活水平的改善,已经没有多少<br />

人再乐意讨论这个话题了。也许在资本之外,我们更关注资本,在资本之内,<br />

我们的生活就是资本,其实,无论是政治、经济、社会,还是法律、信仰、理<br />

想,资本早就融入我们生活的各个方面,面对资本,我们无处可逃。经过这么<br />

多年的实践与发展,我们似乎更有资本来讨论资本了。<br />

── 编剧 喻荣军<br />

Alles über das Stück DAS KAPiTAL<br />

Vor dreißig Jahren ging ein manager einer dänischen Firma aus Kopenhagn<br />

geschäftlich nach Westberlin. Er beantragte ein Eintagesvisa<br />

nach Ostberlin und schaffte es schließlich, an den Wachposten vorbei<br />

die Grenze zu passieren . er schaute sich nicht im osten der Stadt um,<br />

sondern verbrachte den ganzen Tag in einem Buchladen. Kurz vor mitternacht<br />

ging er wieder an den Wachposten vorbei über die Grenze<br />

zurück. in seiner Tasche, die er festumschlossen hielt, war eine neue<br />

Ausgabe von DAS KAPiTAL in drei Bänden. Das ist der Anfang des<br />

Stückes DAS KAPiTAL.<br />

Dreißig Jahre später, fand eine alte Frau aus einer alten Gasse in<br />

Shanghai, dass die Leute gar keine kleinen grünen Zwiebeln mehr<br />

kaufen, wenn sie auf dem markt sind. Kleine grüne Zwiebeln sind eine<br />

wichtige Zutat für chinesisches essen. Also füllte sie in eine übriggebliebene<br />

Baggerschaufel Erde und pflanzte darin grüne Zwiebeln an.<br />

Sie pflegte die Zwiebeln drei Monate lang. Als sie groß genug waren,<br />

erntete die alte Frau sie. Sie stellte sie auf einen kleinen Schemel, verlangte<br />

einen Cent pro Zwiebel und überließ es den vorbeigehenden<br />

einkäufern, ob sie bezahlen wollen oder nicht. Unter den Zwiebeln lag<br />

eine alte dreibändige Ausgabe von DAS KAPiTAL. So endet das Stück<br />

DAS KAPiTAL.<br />

ich schreibe gerade das Stück DAS KAPiTAL. ich möchte ihm Karl<br />

Marx´ Werk zugrunde legen und die hundert Jahre Entwicklung von<br />

Kapital diskutieren. es wird wohl den ganzen Prozess der industriellen<br />

Revolution, die letzten zweihundert Jahre entwicklung des Kapitalismus,<br />

den Prozess des Sozialismus und der Banken, Börsen und multis<br />

beinhalten. ebenso die verschiedenen Finanzkrisen, aber auch politische<br />

und ökonomische Krisen. Vor dreißig Jahren sprach niemand in<br />

China über Kapital, dafür über Kapitalismus. Heutzutage spricht in<br />

China niemand über Kapitalimus, aber alle über Kapital. Tatsächlich<br />

bestimmt das Kapital in China derzeit alles - angefagen bei der Politik<br />

über die Wirtschaft, Gesellschaft, das Gesetz bis hin zum Glauben<br />

und den ideal en.<br />

── Playwright Nick Rongjun YU

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