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<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

PROJEKT INFORMATION<br />

H e r a u s g e g e b e n v o n P r o j e k t I n f o r m a t i o n e . V .<br />

Betroffene informieren Betroffene<br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

Break the Silence - XIII International AIDS<br />

Konferenz in Durban, Southafrika<br />

- ein Stimmungsbericht von Petra Klüfer<br />

FIFA & AIDS bestimmten die weltweiten<br />

Schlagzeilen aus Südafrika<br />

in Presse, Radiokommentaren und<br />

Fernsehsendungen.<br />

Wenn dieser Bericht erscheint, ist die<br />

Konferenz längst vorbei : keine<br />

Konferenzteilnehmer, die die Straßen<br />

Durbans bevölkerten, keine roten<br />

Konferenzrucksäcke, keine aufregenden<br />

und farbigen Nationaltrachten -<br />

meist getragen von Community-Teilnehmern-<br />

keine verstärkte Polizeipräsenz<br />

mehr: “business as usual” ?<br />

Mitnichten - die Auswirkungen einer<br />

Konferenz, die zum ersten Male in einem<br />

Afrikanischen Staat stattfand, halten<br />

an.<br />

Der Kongress in Zahlen: ein Betrag von<br />

60 Mio. Rand kamen der Konferenz<br />

zugute: 12.700 Registrierungen , 1.459<br />

Medienvertreter, 700 Freiwillige, 550<br />

Students, 1.500 Stipendiaten , 6.663 Abstracts,<br />

3.894 Posters, 542 Chairmen,<br />

und 2 ½ Jahre Vorbereitungszeit.<br />

180 Nationen waren vertreten: von Afghanistan<br />

bis Zimbabwe: trotz eines<br />

befürchteten Boykotts und eines übertriebenen<br />

Sicherheitsdenkens war<br />

Nordamerika mit 2.829 Deligierten präsent,<br />

Afrika mit 4.560 (davon 2.539 aus<br />

Südafrika), Süd- und Zentralamerika<br />

mit 815, Europa mit 3.001 und Asien<br />

/ Pazifik mit 1.232 Teilnehmern.<br />

Ein weitgefächertes Programm an Wissenschaft,<br />

Forschung und sozialen Themen,<br />

vor allem aber Community-Aktivitäten<br />

sowie ein aufregendes und spannendes<br />

Kulturprogamm prägten den<br />

Kongress.<br />

Die Präsenz im Stadtbild konnte<br />

man nicht übersehen: das Rathaus<br />

von Durban schmückte ein riesiges<br />

Red Ribbon; Plakate, Fahnen entlang<br />

den Straßen, für jeden Austragungsort<br />

der bisherigen Welt-AIDS-<br />

Konferenzen war die Terrasse vor<br />

dem Kongresszentrum mit zwei<br />

sich in Herzform umschlingenden<br />

roten Drahtschleifen geschmückt.<br />

Auf dem Kongressgelände, dem<br />

Ausstellungsgelände und der verbindenden<br />

Fussgängerzone wurden<br />

wir immer wieder daran erinnert,<br />

dass wir in Afrika sind; der<br />

Afrikanische Markt ließ manche<br />

Kreditkarte ”heiß laufen”: so viel<br />

Interessantes konnte man kaufen;<br />

und das meiste wurde für die finanzielle<br />

Unterstützung der sich präsentierenden<br />

Initiativen verkauft,<br />

lokale <strong>Projekt</strong>e wie Waisenbetreuung,<br />

Betreuung von<br />

Vergewaltigungsopfern, Aufklärungs-<br />

und anderen Freiwilligenorganisationen.<br />

Die Bevölkerung von Durban nutzte<br />

die Gelegenheit, Kunstausstellungen zu<br />

besuchen und in die Parties vieler Discos<br />

mit eingebunden zu werden.<br />

Während dieser Woche haben TV-Stationen,<br />

Rundfunksender und die Zeitungen<br />

kontinuierlich von der Konferenz<br />

berichtet: die Daily News verteilte<br />

auf dem Kongressgelände täglich ihre<br />

Ausgabe mit Sonderbeilage in zusätzlicher<br />

Auflage von 10.000 Stück.<br />

(Fortsetzung Seite 3)<br />

Inhalt<br />

Break the Silence - XIII International<br />

AIDS Conference ......... 1<br />

Editorial ................................... 2<br />

Highlights von der XIII. Welt-<br />

AIDS-Konferenz ...................... 4<br />

Neue Daten zu ABT-378 ............ 4<br />

Deintensivierung und Vereinfachung<br />

der medikamentösen<br />

Behandlung ............................... 5<br />

Strukturiert intermittierende<br />

Therapie als neue Strategie ..... 7<br />

Einfluss e. HAART auf Tumoren 8<br />

Ein bisschen Virus – harmlos<br />

oder bedeutsam? ...................... 8<br />

Aids wird politisch ...................... 9<br />

Wichtige Ergebnisse vom ”3rd<br />

Int’l Workshop on Salvage<br />

Therapy for HIV-Infection” . .. 11<br />

Besser als Nichts ..................... 11<br />

Neues zu Kombinationen aus<br />

Proteasehemmern ................... 11<br />

Verschreibungsfähige<br />

antiretrovirale Substanzen ...12<br />

Und noch eins drauf: Proteasehemmer-Dreifachkombi<br />

.......... 14<br />

Viel hilft viel, oder? ................... 15<br />

Neues von der Front ................ 15<br />

Therapieunterbrechungen ...... 16<br />

Komplikationen und Nebenwirkungen<br />

der Salvage-Therapie 16<br />

Rauchen und HIV erhöht das<br />

Risiko eines Lungenemphysems<br />

.................................17<br />

Was heißt eigentlich ”statistisch<br />

signifikant”? ...........................18<br />

Neues von der Lipodystrophie<br />

..................................... 18<br />

Insulinresistenz durch<br />

Proteasehemmer? .................20<br />

Zu Risiken und Nebenwirkungen...<br />

..................................... 20<br />

Neues in Kürze ...................... 21<br />

AIDS-Sterbehaus Lagoinha ..23<br />

ACHTUNG!<br />

Neue Adresse ab<br />

24.07.2000:<br />

Ickstattstraße 28<br />

80469 München<br />

Herausgeber: <strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> e.V. • Ickstattstraße 28 • 80469 München<br />

Telefon: 089 / 21 94 96 20 • Fax: 089 / 21 03 12 35 • email: projektinfo@munich.netsurf.de<br />

1


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

eine bizarre Meldung machte bereits vor der Eröffnung<br />

der 13. Internationalen AIDS-Konferenz die Runde:<br />

Thabo Mbeki, Präsident des Gastgeberlandes Südafrika,<br />

bleibt bei der These, dass das HI-Virus nicht der Auslöser<br />

für AIDS sei. Auch in der Eröffnungsrede zum Kongress<br />

bekannte er sich nicht eindeutig zu dem Zusammenhang<br />

von HIV und AIDS. Vielmehr stellte er hierbei<br />

wiederum Armut, Unterernährung, mangelnde Hygiene<br />

und andere Infektionskrankheiten in den Vordergrund.<br />

Zu allem Überfluss soll jetzt auch noch Thabo Mbeki’s<br />

AIDS-Beraterstab Studien zur Verlässlichkeit des ELISA-<br />

Testverfahrens zum Nachweis der HIV-Antikörper durchführen<br />

und die Übereinstimmung mit anderen Testverfahren<br />

prüfen. Auch das unterminiert die sowieso extrem<br />

geringe Bereitschaft in Südafrika, sich testen zu lassen.<br />

Die dringend nötige Hilfe für 4,3 Millionen HIV-<br />

Positive, z.B. zur Vermeidung der Mutter-Kind-Übertragung,<br />

ein verbesserter Zugang zu antiretroviralen Medikamenten<br />

und die Behandlung opportunistischer Infektionen<br />

wird durch diese desaströse Gesundheitspolitik<br />

noch weiter hinausgezögert; eine Verschwendung von<br />

Zeit und Resourcen. Trotz aller bedrückenden Wirrnisse,<br />

Durban ist der richtige Ort zur richtigen Zeit für die<br />

Internationale AIDS-Konferenz – wie es im Grußwort<br />

steht. Wenn auch nur für kurze Zeit ist die Katastrophe,<br />

allerdings schon lange vorhergesehen, in den Blickpunkt<br />

der Weltöffentlichkeit gerückt. Auch für andere Weltregionen,<br />

wie z.B. Russland und asiatische Länder konnte<br />

die Meldung über die explosive Epidemie im südlichen<br />

Afrika einen unüberhörbaren Alarm zum Aufwachen aus<br />

Sorglosigkeit und Ignoranz bedeuten. “Durchbrecht das<br />

Schweigen”, kein anderes Motto einer Welt-AIDS-Konferenz<br />

war je so wichtig für Änderungen der Politik im<br />

Tagungsland, für die Unterstützung durch die reichen<br />

Länder, für weitaus mehr Anstrengungen und Geld für<br />

die Erforschung von Impfstoffen und auch ein Umdenken<br />

der Pharmafirmen. Was kann Prävention in afrikanischen<br />

Ländern mit vielen Millionen von HIV-Infizierten<br />

bewirken, wo Mentalität, Religion, Aberglauben und<br />

Tradition den Gebrauch von Kondomen fast ausschließen.<br />

Anders als in Südafrika mit seiner unheilvollen<br />

Gesundheitspolitik hat aber Uganda eine beeindruckende<br />

Verminderung der Neuinfektionen erreicht, durch<br />

eine von der Regierung finanzierte, von hohen Politikern<br />

persönlich mitgetragene Aufklärung und Prävention<br />

– auch mit Kondomen. Die bisher erfolgreichen<br />

Präventionsmuster der westlichen Industrienationen können<br />

hier nur bedingt Vorbild sein. Es müssen eigene<br />

Präventionsstrategien, getragen von einer sozialen und<br />

politischen Mobilisierung, entwickelt werden. Wie sollen<br />

diese Botschaften bei dem verbreiteten Analphabetismus<br />

überhaupt ankommen? Nur massive Community-<br />

Aktivitäten auf Freiwilligenbasis, permanente Aufklärung<br />

2<br />

in Schulen und Gemeinden kann das Wissen um den<br />

eigenen Schutz und den der anderen bewirken. Langfristig<br />

kann nur so ein drohender sozialer Kollaps durch<br />

AIDS abgewendet werden. Dabei ist vor allem unsere<br />

finanzielle Unterstützung in diesem Krieg gegen AIDS<br />

erforderlich. Ich erinnere mich an AIDS-Veranstaltungen<br />

bei uns, bei denen Referenten eine Dollarnote an<br />

die Wand projezierten – Geld, das Wichtigste für Prävention<br />

und die Entwicklung wirksamer Therapien. Weil’s<br />

doch anders ist, wenn man selbst am Ort des Geschehens<br />

ist, hat die AIDS-Aktivistin Petra Klüfer aus Hamburg<br />

für uns einen Artikel aus Durban “live” verfasst.<br />

Die einen hoffen vergeblich auf Medikamente, andere<br />

möchten am liebsten eine Pause von der HAART machen.<br />

Sei es wegen gravierender Nebenwirkungen oder<br />

auch schlicht aus Überdruss vor einem Pillenschlucken<br />

für den Rest des Lebens. So war denn auch die von<br />

Anthony Fauci präsentierte Stop-and-go-Strategie, sprich<br />

strukturierte, intermittierende Behandlung eine von vielen<br />

gern gehörte Botschaft.<br />

“Off and on”, die ART wie einen Lichtschalter ein- und<br />

auszuschalten, ein verführerischer Gedanke, aber lange<br />

noch nicht ausreichend erforscht und belegt – sehr kleine<br />

Studien und wenige, bisher nicht tragfähige Daten.<br />

Aber selbst von erfahrenen Behandlern wird das Thema<br />

“Drug holidays” sehr kontrovers diskutiert. Lesen Sie dazu<br />

unseren Bericht auf Seite 7.<br />

„Ein bisschen Virus”, von manchen Patienten unter erfolgreicher<br />

HAART mit Erschrecken erlebt, berichtet<br />

darüber, was es mit den “viralen blips” auf sich hat.<br />

Auch politisch hat der Kongress in Durban Staub aufgewirbelt,<br />

die Welt-Aids-Konferenz erzwang einen<br />

Bewertungswandel. Stefan Boes bringt Ihnen die Hintergründe<br />

näher.<br />

Etwas überrascht es schon: die unzureichende<br />

Compliance soll nach einem Bericht aus Durban der<br />

grösste Risikofaktor für ein Therapieversagen sein, mehr<br />

dazu in der nächsten Ausgabe. Könnte die Therapievorbereitung<br />

der Patienten durch unsere Ärzte doch etwas<br />

zu kurz kommen? Das <strong>Information</strong>sengagement von<br />

Therapieaktivisten auch in dieser Frage wird von manchen<br />

Behandlern belächelt und als ziemlich überflüssig<br />

angesehen. Mehr zum neuen Stand der Medikamentenentwicklung<br />

und vielen anderen interessanten Ergebnissen<br />

aus Durban bereiten wir bereits für die nächste Ausgabe<br />

vor.<br />

Schwerpunktthema diesmal ist auch die Salvagetherapie.<br />

Zu wünschen ist, dass es auch in diesem eher frustrierendem<br />

Bereich bald Anlass zu mehr Hoffnung gibt.<br />

Ihr Peter Lechl


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

Natürlich sind die statistischen Zahlen mit den Prognosen,<br />

wie viele Waisenkinder zu erwarten sind,<br />

wie sich das Lebensalter bis zum Jahre 2010 in Südafrika<br />

auf 36 Jahre reduzieren wird (in Botswana<br />

z.B. auf 29) bekannt. Täglich 1.500 Neuinfektionen<br />

in Südafrika, 5.000 infizierte Babies werden jeden<br />

Monat geboren, aber meine Fantasie reicht bei weitem<br />

nicht, mir vorzustellen, dass sich hinter diesen<br />

Zahlen Leben verbirgt, ein einzelner Menschen und<br />

wahres Leiden.<br />

Am Flughafen von Johannesburg nahm mich Xolani in<br />

Empfang, eine 29jährige Frau, die vor 3 Wochen ihre<br />

Schwester beerdigt hatte. Ihre Mutter liegt mit Vollbild Aids<br />

(nach ihren Schilderungen) in einem kleinen Bergdorf 120<br />

km von Durban entfernt, nur versorgt von einer alten<br />

Heilerin. Eine medizinische Betreuung gibt es nicht. Die<br />

Tochter kann es sich finanziell nicht leisten, einen Arzt dort<br />

hinzuschicken. Wie man denn eine Infektion erkenne, war<br />

ihre Frage. Ihr Freund habe schon öfter geschwollene<br />

Lymphknoten gehabt, aber ihr gesagt, das sei normal, Realität<br />

in einem Land, das derart mit HIV und Aids konfrontiert<br />

ist, und wo doch Aufklärung und immer wieder<br />

Aufklärung betrieben wird – was läuft falsch?<br />

Etwa 2.000 der Kongressteilnehmer waren HIV-Infizierte<br />

aus aller Welt, was bereits in Genf anfing. ”Bridging the<br />

Gap” setzte sich hier verstärkt fort, war doch das erste<br />

Mal in der Geschichte der Welt-AIDS-Konferenz der Gastgeber<br />

ein afrikanisches Land.<br />

Die täglichen Ausgaben der Zeitungen waren voll mit<br />

gesundheitspolitischen Kommentaren, Berichten, Interviews<br />

und vor allem Kommentaren zu der politischen<br />

Haltung von Präsident Thabo Mbeki, der in seiner mit<br />

Spannung erwartete Eröffnungsrede seine Zuhörer enttäuschte;<br />

da er von der Theorie seiner Beratung, dass nämlich<br />

HIV kein Aids hervorrufe, nicht abwich. Für ihn ist<br />

immer noch Armut der Grund Nummer eins. Ein Südafrikaner,<br />

Lucky Mazibouki, kommentierte nach der Eröffnung,<br />

er und seine Kollegen fühlen sich verraten, verunsichert<br />

und weiterhin diskriminiert.<br />

Die Durban-Deklaration, unterzeichnet von 5.000 Wissenschaftlern,<br />

in der erklärt wird, dass eine HIV-Infektion<br />

Aids hervorruft, hätte eigentlich diese Debatte beenden<br />

sollen, um endlich die Versäumnisse der jetzigen Regierung<br />

global anzugehen.<br />

Luckys Enttäuschung wurde durch die Rede Nelson<br />

Mandelas in der Abschlussveranstaltung wieder gemildert:<br />

“Wir müssen unsere Schwierigkeiten überwinden, wir<br />

müssen jetzt handeln. AIDS hat in Afrika mehr Leben<br />

gekostet, als die Summe aller Kriegstoten, aller Hungersnöte<br />

und Überschwemmungen”.<br />

Der Chairman des Kongresses, Prof. Jerry Coovadia meinte<br />

zu Nelson Mandelas Rede: ”Es wurden so viele Fragen<br />

diplomatisch zwischen den Zeilen beantwortet: diese Rede<br />

war Musik in meinen Ohren..”. Entsprechend war das<br />

Presseecho: ”Das Haus brennt und Mr. Mbeki sitzt<br />

und rätselt, ob ein Streichholz oder ein Feuerzeug<br />

das Feuer entflammt hat.”<br />

”Ich bin hier, da ich es mir leisten kann, das Leben<br />

zu erkaufen” erklärte Richter Edward Cameron,<br />

Supreme Court Judge und Acting Judge of the<br />

Constitutional Court of Southafrika , ein bekannter<br />

schwuler Südafrikaner. Nach der Ermordung der<br />

Aidsaktivistin Gugu Dlamini in einem der nahegelegenen<br />

Townships nach einer Sitzung mit anderen<br />

Betroffenen, hat er seine Infektion öffentlich gemacht,<br />

um allen Südafrikanern zu demonstrieren, dass ganz<br />

Südafrika betroffen ist, von der weißen Upperclass bis hin<br />

zu den Ärmsten der Armen: Frauen ohne Rechte, ohne<br />

Erziehung, ohne Unterstützung von Familie und Umfeld.<br />

Die Arbeit der Internationalen Community forcierte sich<br />

auf Networking, Solidarität und Unterstützung der fast<br />

verzweifelten Versuche, den Zugang zu Therapien zu erkämpfen.<br />

Der u.a. von TAC ( Treatment Action Campaign ) initiierte<br />

Demonstrationsmarsch für billigere Medikamente –<br />

begleitet von Vertretern der Kirche, Aktivisten von<br />

NAPWA aus Südafrika, Gewerkschaftsvertretern und<br />

Winnie Mandela , spiegelte die Wut der Aktivisten wider.<br />

TAC erwägt wegen der Vorenthaltung von Therapien eine<br />

Klage gegen die Südafrikanische Regierung.<br />

Frauen Südafrikas stehen wieder in der ersten Reihe. Nach<br />

dem engagierten und erfolgreichen Einsatz gegen die<br />

Apartheid ist AIDS das Ziel: die Änderung der Rolle der<br />

Afrikanischen Frau und die Mitverantwortung für die Eindämmung<br />

der Endemie. Die geschlechtsbedingten Rollen<br />

müssen erst einmal beseitigt werden, bevor der eigentliche<br />

„Feind“, nämlich HIV & AIDS, attackiert werden kann.<br />

Bittere Realität: Nahe bei Durban in Richards Bay sind in<br />

einigen Haushalten 9 oder 12jährige Jungen der Haushaltsvorstand.<br />

Beide Eltern sind an den Folgen von Aids verstorben.<br />

Thobe Zungu (9) kehrt nach der Schule umgehend<br />

nach Hause zurück, um sich um die kleinen Geschwister<br />

zu kümmern. Eine Sozialarbeiterin schaut hin und<br />

wieder nach dem Rechten - auch nach Thobes 4jähriger<br />

Schwester, die HIV+ ist. Die Mutterrolle übernimmt eine<br />

16-jährige Cousine, finanziell unterstützt werden sie von<br />

einer Tante (selbst HIV+). Aber wie lange noch ? Das ist<br />

nur eine kleines Beispiel der unzähligen Aids-Weisen. Wenn<br />

kein Nachbar die Kinder mit Nahrungsresten versorgen,<br />

kümmert sich kaum jemand um sie. Und die Zahl der<br />

Haushalte mit Kindern als Ernährer wächst und wächst.<br />

Zum guten Schluss dieser Splitter: bei einer After Show<br />

Party der Community in der Disco Angelinas Cantina traten<br />

zugunsten eines Waisenhauses verschiedene Musikgruppen<br />

auf, u.a. eine Kwaito Gruppe (Kwaito ist der<br />

jüngste Rap der aus den Townships kommt) mit Texten<br />

zur Aids-Aufklärung und Prävention.<br />

3


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

Highlights von der XIII. Welt-AIDS-Konferenz<br />

in Durban, Südafrika<br />

Neue Daten zu ABT-378 (Lopinavir, Kaletra ® )<br />

Zum neuen Proteasehemmer ABT-378 von Abbott, der<br />

bereits zur Zulassung eingereicht wurde liegen neue<br />

Daten für vorbehandelte und nicht vorbehandelte Patienten<br />

vor. Zur Verbesserung der Pharmakokinetik sind<br />

in jeder Kapsel 133 mg ABT-378 und 33 mg Ritonavir<br />

enthalten (deshalb auch die Bezeichnugn ABT-378/r) .<br />

Unvorbehandelte Patienten: 72-Wochen-Daten<br />

Im Rahmen einer Dosisfindungsstudie wurden 100<br />

unvorbehandelte Patienten zunächst mit 3 verschiedenen<br />

Dosierungen von ABT-378/Ritonavir behandelt:<br />

200 mg/100 mg, 400 mg/100 mg oder 400 mg/200<br />

mg, jeweils zweimal täglich zusammen mit d4T (Zerit ® )<br />

und 3TC (Epivir ® ). Nach 48 Wochen wurden alle Patienten<br />

auf das endgültige Dosierungsschema mit 400<br />

mg/100 mg ABT-378/Ritonavir umgestellt.<br />

Die Patienten wurden in zwei Gruppen rekrutiert. In<br />

der ersten Gruppe (32 Patienten) war die mittlere Viruslast<br />

100.000 Kopien/ml und die mittlere CD4-Zellzahl<br />

421/mm³. In der zweiten Gruppe (68 Patienten) war<br />

die mittlere Viruslast 79.000 Kopien/ml und die mittlere<br />

CD4-Zellzahl 301/mm³.<br />

Wie mittlerweile üblich, wurden die Daten nach unterschiedlichen<br />

Kriterien ausgewertet. Einmal werden die<br />

Daten aller Patienten, die bis zuletzt in der Studie verblieben<br />

(“on treatment”=OT) berücksichtigt, zum anderen<br />

wird jeder fehlende Messert, egal aus welchen<br />

Gründen, als Therapieversagen gewertet (“intention to<br />

treat” =ITT). Hier die Ergebnisse nach 72 Wochen:<br />

Gemessen an den Ergebnissen des 400-Kopien-Tests,<br />

schnitt ABT-378 bei Patienten mit einer Viruslast kleiner<br />

oder größer 100.000 Kopien/ml gleich gut ab,<br />

allerdings benötigten Patienten mit einer höheren Virus-<br />

4<br />

< 400 Kopien/ml<br />

OT ITT<br />

Gruppe 1 93% (25/27) 78% (25/32)<br />

Gruppe 2 100% (57/57) 84% (57/68)<br />

< 50 Kopien/ml<br />

OT ITT<br />

Gruppe 1 96% (26/27) 81% (26/32)<br />

Gruppe 2 96% (54/56) 79% (54/68)<br />

CD4-Anstieg<br />

Gruppe 1 304<br />

Gruppe 2 240<br />

last länger, bis sie unter der Nachweisgrenze waren.<br />

Nach 72 Wochen hatte nur ein Patient die Studie wegen<br />

Nebenwirkungen abgebrochen. Die häufigsten Nebenwirkungen<br />

waren:<br />

Nebenwirkung Gruppe 1 Gruppe 2<br />

Durchfall 19% (6) 22% (15)0<br />

Übelkeit 6% (2) 19% (13)<br />

Weicher Stuhlgang 19% (6) 3% (2)<br />

Schwäche 9% (3) 6% (4)<br />

Kopfschmerz 9% (3) 6% (4)<br />

Erbrechen 3% (1) 6% (4)<br />

Laborwertveränderungen Gruppe 1 Gruppe 2<br />

Gesamtchol. > 300 mg/dl 13% (4) 15% (10)<br />

Triglyzeride > 750 mg/dl 13% (4) 12% (8)<br />

erhöhte Leberwerte > 5x norm. 0% 12% (8)<br />

Vorbehandelte Patienten: 24-Wochen-Daten zusammen<br />

mit Efavirenz (Sustiva ® )<br />

Dies war eine Untersuchung an Patienten, die schon<br />

mit mehreren Proteasehemmern vorbehandelt waren,<br />

jedoch nicht mit NNRTI. Das beste Ansprechen zeigten<br />

Patienten mit 0 bis 5 Resistenzmutationen im Gen<br />

der HIV-Protease. Patienten mit mehr als 7 Resistenzmutationen<br />

sprechen eventuell auch auf ABT-378 nicht<br />

mehr gut an.<br />

57 Patienten erhielten ABT-378/r 400/100 mg zweimal<br />

täglich, zusätzlich zunächst 600 mg Efavirenz (Sustiva ® )<br />

einmal täglich und zwei Nukleosidanaloga nach Wahl<br />

des Arztes. Nach 14 Tagen wurde bei 28 zufällig ausgewählten<br />

Patienten die Dosis von ABT-378/r auf 533/<br />

133 mg zweimal täglich erhöht, da man eine Wechselwirkung<br />

mit Sustiva ® erwartete. Tatsächlich war die gemessene<br />

Menge von ABT-378 im Blut durch Sustiva ®<br />

erniedrigt (Reduktion der Talspiegel um 33% und der<br />

Gesamtexpositione um 25%).<br />

Hier die Ergebnisse der beiden Dosierungen von ABT-<br />

378/r nach 24 Wochen:<br />

< 400 Kopien/ml<br />

OT ITT<br />

400/100 mg 80% (20/25) 69%<br />

533/133mg 92% (23/25) 82%<br />

Die CD4-Zellen waren in beiden Gruppen um etwa 45<br />

Zellen/mm³ angestiegen.<br />

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durchfall und<br />

Schwäche. 4 Patienten traten vor Woche 24 wegen Nebenwirkungen<br />

aus der Studie aus.


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

Nebenwirkung 400/100 mg 533/133 mg<br />

Durchfall 7% 14%<br />

Schwäche 7% 14%<br />

Blutzucker > 250 mg/dl 10% 0%<br />

erhöhte Leberwerte > 5x norm. 0% 4%<br />

Triglyzeride > 750 mg/dl 31% 36%<br />

Quelle: NATAP, übersetzt/bearbeitet von Helmut B.<br />

Kommentar: ABT-378 scheint nach diesen Daten ein<br />

gut wirksamer Proteasehemmer zu sein. Die Ergebnisse<br />

bei mehrfach mit Proteasehemmern vorbehandelten<br />

Patienten sind etwas schwierig zu interpretieren,<br />

da die Patienten auch Sustiva ® , ebenfalls eine<br />

hochwirksame Substanz, erhielten, so dass der Beitrag<br />

der einzelnen Komponenenten zur Senkung der<br />

Viruslast nicht klar ist. Auf jeden Fall scheint die<br />

Dosiserhöhung von ABT-378 in der Kombination mit<br />

Sustiva ® gerechtfertigt. Etwas eigenartig finden wir,<br />

dass die Sustiva-typischen zentralnervösen Nebenwirkungen<br />

in der Tabelle nicht zu finden sind. Nach ersten<br />

Gesprächen mit Patienten, die bereits ABT-378<br />

erhalten, scheint die Verträglichkeit kurzfristig recht<br />

gut zu sein.<br />

Deintensivierung und Vereinfachung der medikamentösen<br />

Behandlung:<br />

Gar nicht so einfach!<br />

Von Dr. Graeme Moyle<br />

Die hochwirksame antiretrovirale Therapie mit drei oder<br />

mehr Medikamenten (HAART) hat den Verlauf einer<br />

HIV-1-Infektion drastisch verändert. Doch auch mit der<br />

HAART lässt sich HIV nicht völlig ausmerzen. Daher<br />

geht man heute bei der HIV-Behandlung von einer<br />

Verabreichung der antiretroviralen Medikamente für einen<br />

unbestimmten Zeitraum aus.<br />

In ersten Studien zur Deintensivierung wurde bei den<br />

Patienten zunächst in der Einleitungsphase mit HAART<br />

für in der Regel 24 Wochen die Viruslast dauerhaft unter<br />

50 Kopien/ml gesenkt, und man untersuchte dann<br />

den Effekt eines Wechels zu einer weniger intensiven<br />

und komfortableren Erhaltungstherapie, unter der sich<br />

jedoch die Unterdrückung der Virusvermehrung nicht<br />

durchhalten ließ. Eine mögliche Erklärung für den Misserfolg<br />

der weniger intensiven Erhaltungstherapie bei<br />

diesen Studien könnte die zu kurze Einleitungsphase<br />

sein.<br />

Inzwischen liegen neue Daten der ADAM-Studie<br />

darüber vor, inwiefern sich eine längere Einleitungsphase<br />

auf den Erfolg einer Behandlungsdeintensivierung auswirkt.<br />

Patienten ohne antiretrovirale Vorbehandlung<br />

erhielten als Einleitungsregime entweder 26 oder aber<br />

50 Wochen lang eine Viererkombination mit Stavudin<br />

(d4T, Zerit ® ) + Lamivudin (3TC, Epivir ® ) + Saquinavir<br />

(SQV, Invirase ® ) + Nelfinavir (NFV, Viracept ® ). Die<br />

Therapiedeintensivierung in der 26. Woche wurde gestoppt,<br />

nachdem eine Zwischenanalyse eine schlechtere<br />

Unterdrückung der Virusvermehrung unter der Erhaltungstherapie<br />

ergeben hatte. In der 50. Woche erhielten<br />

die Patienten, deren Viruslast in der 48. und 49.<br />

Woche jeweils unterhalb der Nachweisgrenze (< 50<br />

Kopien/ml) gelegen hatten, nach dem Zufallsprinzip<br />

(randomisiert) entweder die Erhaltungstherapie (d4T +<br />

NFV oder SQV + NFV) oder weiterhin die Viererkombination.<br />

Nach der Randomisierung wurde die<br />

Viruslast im Plasma monatlich kontrolliert. Als Therapieversagen<br />

galt, wenn in zwei aufeinander folgenden Messungen<br />

der Viruslast mehr als 100 Kopien/ml nachgewiesen<br />

wurden.<br />

Von den 65 Patienten, die die Studie begonnen hatten,<br />

wurden 16 in der 26. Woche randomisiert. Von den<br />

übrigen 49 Patienten wurden 17 in der 50. Woche<br />

randomisiert. Dabei erhielten sechs Patienten d4T +<br />

NFV und vier SQV + NFV. In diesen Studienarmen<br />

brach jeweils ein Patient die Studie nach der<br />

Randomisierung ab. Bei den acht Personen unter der<br />

weniger intensiven Behandlung wurde in vier Fällen<br />

Therapieversagen festgestellt, während in der Gruppe<br />

mit fünf auswertbaren Patienten mit Viererkombination<br />

die Therapie in einem Fall versagte (p=0,56). Nach der<br />

statistischen Analyse existierte zwischen den Gruppen<br />

der Patienten mit Therapiedeintensivierung ab der 26.<br />

Woche bzw. 50. Woche kein Unterschied in bezug auf<br />

die Zeitspanne, bis die Viruslast im Plasma auf 400<br />

Kopien/ml gestiegen war. Daraus folgerten die Autoren,<br />

dass sich die Virusvermehrung nach der<br />

Therapiedeintensivierung auch durch eine längere Einleitungsperiode<br />

nicht verzögern lässt.<br />

Einfachere Therapieformen<br />

Angesichts dieser enttäuschenden Ergebnisse ergibt sich<br />

als nächst beste Option die Überlegung, das<br />

Behandlungsregime zu vereinfachen, indem man die<br />

Häufigkeit der Einnahme und/oder die Tablettenmenge<br />

reduziert. Diese Möglichkeit wurde in verschiedenen<br />

Studien mit unterschiedlichen Medikamenten geprüft.<br />

Ausgehend von den im letzten Jahr veröffentlichten<br />

pharmakokinetischen Daten, denen zufolge 100 mg<br />

Ritonavir (Norvir ® ) in Kombination mit 1200 mg<br />

Indinavir (Crixivan ® ) zu höheren Indinavir-Spiegeln und<br />

einer ähnlichen oder sogar höheren Plateau-Konzentration<br />

von Indinavir im Vergleich zur herkömmlichen<br />

dreimal täglichen Dosierung führte, wurde an zwei italienischen<br />

Kliniken eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt.<br />

Dabei hatten Patienten, die unter Indinavir eine<br />

5


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

Viruslast von weniger als 50 Kopien/ml aufwiesen, die<br />

Möglichkeit, auf eine einmal tägliche Verabreichung von<br />

1200 mg Indinavir + 100 mg Ritonavir umzusteigen.<br />

Als Vergleich dienten die Daten von Patienten, die<br />

Crixivan ® 800 mg alle acht Stunden erhielten.<br />

Die Beobachtungszeit von 16 Wochen schlossen 12<br />

Patienten ab. Ihre Viruslast betrug zu Studienbeginn<br />

weniger als 50 Kopien/ml während durchschnittlich 16<br />

Monaten, und sie hatten eine mittlere CD4-Zahl von<br />

369 Zellen/mm³. Ein Wiederanstieg der Viruslast auf<br />

über 400 Kopien/ml trat bei einem Patienten der<br />

Kontrollgruppe auf, jedoch bei keinem der Patienten<br />

unter vereinfachter Therapie. Allerdings hatten zwei<br />

Patienten der letztgenannten Gruppe und drei Kontrollprobanden<br />

in der 16. Woche eine Viruslast von über 50<br />

Kopien/ml. Es lässt sich nicht sagen, ob es sich dabei<br />

um vorübergehende “Blips” also kurzfristige, sprunghafte<br />

Anstiege der Virusvermehrung handelte. Bei zwei<br />

Patienten mit vereinfachter Therapie und einer Kontrollperson<br />

traten Nierensteine auf. Dies scheint nicht verwunderlich,<br />

da die Plasmaspitzenspiegel für Indinavir<br />

bei dieser Therapieform den Berichten zufolge etwa 80<br />

% höher sind als bei der dreimal täglichen Dosierung.<br />

Die pharmakokinetischen Eigenschaften einiger nichtnukleosidaler<br />

Reverse Transkriptase-Hemmer (NNRTIs)<br />

und Nukleosidanaloga sprechen für eine einmal tägliche<br />

Einnahme. In einer spanischen Studie mit<br />

unvorbehandelten, symptomlosen Patienten mit einer<br />

CD4-Zahl von über 500 Zellen/mm³ und einer Viruslast<br />

von über 5000 Kopien/ml wurde die einmal tägliche<br />

Gabe von jeweils 400 mg ddI (Videx ® ) und<br />

Nevirapin (Viramune ® ) im Vergleich zur zweimal täglichen<br />

Einnahme dieser Substanzen, immer in Kombination<br />

mit zweimal täglich d4T (Zerit ® , 40 mg), untersucht.<br />

Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip<br />

einer einmal täglichen (n=45) oder zweimal täglichen<br />

(n=44) Verabreichung zugeordnet. Über die Patientendaten<br />

zu Beginn der Studie wurde nichts mitgeteilt. Die<br />

mittlere Verringerung der Viruslast nach 12 Monaten<br />

betrug -1,84 log 10 Kopien/ml im Behandlungsarm mit<br />

einmal täglicher Einnahme und -1,78 log 10 Kopien/ml<br />

in der Gruppe mit zweimal täglicher Verabreichung<br />

(p=0,91). In der intention-to-treat-Analyse, bei der unabhängig<br />

vom Verlauf der Studie alle Teilnehmer berücksichtigt<br />

werden, betrug der Anteil der Patienten mit<br />

einer Viruslast von weniger als 200 Kopien/ml nach 12<br />

Monaten 73% (einmal tägliche Dosierung) bzw. 68%<br />

(zweimal tägliche Dosierung). Die prozentualen Anteile<br />

der Patienten mit weniger als 5 Kopien/ml betrugen<br />

entsprechend 40% bzw. 45%. Hinsichtlich des Anstiegs<br />

der CD4-Zellzahl war kein Unterschied festzustellen.<br />

6<br />

In einer Untergruppe von 11 Patienten mit einer Plasmaviruslast<br />

von unter 5 Kopien/ml nach 12 Monaten wurden<br />

Mandelbiopsien vorgenommen. Dabei wurde bei<br />

fünf Personen HIV-RNA im Lymphgewebe nachgewiesen<br />

(Mittel: 7750 Kopien/mg Gewebe; Streubereich:<br />

1020-33.007).<br />

Acht Prozent der Teilnehmer wechselten<br />

nebenwirkungsbedingt die Therapie. Während die Daten<br />

bezüglich der Virusmenge im Plasma eher für die<br />

einmal tägliche Gabe von ddI und Nevirapin bei nicht<br />

antiretroviral vorbehandelten Patienten sprechen, lassen<br />

die Zahlen zur Viruslast im Lymphgewebe doch einige<br />

Bedenken im Hinblick auf die mögliche Dauer der<br />

Wirksamkeit aufkommen.<br />

Ein neuer Ansatz der einmal täglichen Dosierung stand<br />

im Mittelpunkt einer weiteren Studie, bei der 2 NNRTIs,<br />

nämlich Efavirenz (EFV, Sustiva ® ) und Nevirapin (NVP,<br />

Viramune ® ), mit ddI (Videx ® )kombiniert wurden. Der<br />

Kombination von NNRTIs liegt die Überlegung zu<br />

Grunde, dass dadurch die Gesamtmenge an NNRTI<br />

im Plasma gesteigert wird und sich antiretrovirale Wirkungen<br />

möglicherweise addieren. Außerdem werden bei<br />

dieser Therapieform die Plasmakonzentrationen an<br />

Nukleosidanaloga beschränkt, was sich langfristig günstig<br />

auf die Verträglichkeit auswirken könnte. Die Studie<br />

wurde durchgeführt mit 15 nicht vorbehandelten und<br />

11 therapieerfahrenen Patienten, die 400 mg NVP, 600<br />

mg EFV und 400 mg ddI jeweils einmal täglich einnahmen.<br />

Die pharmakokinetische Wechselwirkung zwischen<br />

EFV und NVP, die zu einer etwa 30-prozentigen Verminderung<br />

des EFV-Spiegels führt, blieb also unberücksichtigt.<br />

In einer noch andauernden Studie zu dieser Kombination<br />

wird Efavirenz in einer Dosis von 800 mg/Tag mit<br />

einer Standarddosis NVP kombiniert. Bei den nicht<br />

vorbehandelten Patienten betrug die mittlere Viruslast<br />

zu Studienbeginn 4,59 log 10 Kopien/ml und die mittlere<br />

CD4-Zellzahl 351 Zellen/mm³. Nach 9 Behandlungsmonaten<br />

wiesen 12 von 12 auswertbaren Patienten eine<br />

Viruslast von weniger als 400 Kopien/ml auf und der<br />

CD4-Wert hatte sich um 351 Zellen/mm³ erhöht. Zu<br />

Studienbeginn hatten 9 von 11 vorbehandelten Patienten<br />

eine Viruslast von unter 400 Kopien/ml und eine<br />

mittlere CD4-Zellzahl von 368 Zellen/mm³. Nach 9<br />

Monaten wurden für 9 von 9 Patienten eine Viruslast<br />

von unter 400 Kopien/ml und ein Anstieg der CD4-<br />

Zellzahl um im Mittel 203 Zellen/mm³ verzeichnet. Von<br />

den 26 Patienten brachen fünf (19%) die Studie vorzeitig<br />

ab. Die Gründe waren in zwei Fällen Hautausschlag<br />

und bei drei Patienten Störungen des Zentralnervensystems.<br />

Diese Pilotstudie deutet darauf hin, dass eine<br />

Kombination aus zwei NNRTIs eventuell einen interessanten<br />

Ansatz darstellen könnte. Die einmal tägliche


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

Gabe von NVP + EFV + ddI muss weiter untersucht<br />

werden.<br />

Quelle: Medscape, übersetzt von Karin Boss<br />

Strukturiert intermittierende Therapie (SIT) als<br />

neue Strategie zur langfristigen HIV-Behandlung<br />

Von Dr. W. David Hard y<br />

Dr. Anthony Fauci, Direktor des US National Institute<br />

of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), präsentierte<br />

eine innovative, kühne Strategie zur langfristigen<br />

HIV-Behandlung. Im Gegensatz zu seinen sonst mit<br />

Zahlen gespickten Präsentationen, brachte Dr. Fauci in<br />

Durban einen äußerst kreativen Beitrag zur HIV-Therapie,<br />

der sich auf nur geringes vorläufiges Datenmaterial<br />

stützte. Er beschrieb eine Behandlungsstrategie, die<br />

1. einen "permanenten" neuen immunologischen<br />

"Schwellenwert" zur Unterdrückung der Virusvermehrung<br />

ohne HAART (d.h. einen immunologischen<br />

Zustand vergleichbar dem eines HIV-positiven "longterm<br />

non-progressors") herbeiführen und 2. dank<br />

zwischengeschalteter medikamentenfreier Perioden weniger<br />

Nebenwirkungen, eine bessere Therapietreue und<br />

verminderte Kosten bewirken würde. Diese provokante<br />

Strategie scheint vergleichbar zu sein mit den strukturierten<br />

Therapieunterbrechungen ("structured<br />

treatment interruptions", STI), die erstmalig Dr. Franco<br />

Lori als Erklärung der verblüffenden anekdotischen<br />

Ergebnisse in Bezug auf seinen mittlerweile berühmten<br />

"Berliner Patienten" beschrieben hatte.<br />

Die virologischen Werte von Patienten, bei denen die<br />

Viruslast im Plasma nach einer zunächst guten Unterdrückung<br />

zwar nach Absetzen der HAART wieder angestiegen<br />

war, deren virologischer "Schwellenwert" aber<br />

den Wert vor der HAART nicht überschritt, liefern die<br />

Grundlage für die Ansicht, dass sich eine HAART mit<br />

periodischen Pausen möglicherweise rechtfertigen lässt.<br />

Dr. Fauci prägte für diese neue Behandlungsstrategie<br />

den Begriff "structured intermittent therapy" (strukturiert<br />

unterbrochene Therapie), oder kurz SIT. Ziel soll<br />

sein, die Gesamtdauer der HAART zu verkürzen und<br />

gleichzeitig die Viruslast im Plasma dauerhaft auf einem<br />

akzeptablen niedrigen Niveau zu halten. Steigt die<br />

Viruslast während der Therapiepause über einen vorher<br />

festgelegten Schwellenwert an, wird wieder mit der<br />

HAART eingesetzt.<br />

Dr. Fauci stellte vorläufige, kurzfristige Daten einiger<br />

weniger Patienten aus zwei noch laufenden Studien zur<br />

SIT vor. Bei allen Teilnehmern lag die Plasma-Viruslast<br />

zu Studienbeginn unter 50 Kopien/ml. In der ersten<br />

Untersuchung, bei der die Patienten zunächst acht Wochen<br />

lang eine nicht näher beschriebene HAART erhielten<br />

und dann eine vierwöchige Therapiepause einlegten,<br />

ließ sich anhand ausgewählter Ergebnisse für 7<br />

von 9 Patienten (geplant ist eine Gesamtzahl von 80)<br />

während zwei bis drei SIT-Zyklen bei sechs Patienten<br />

eine Tendenz zum geringeren Wiederanstieg der Viruslast<br />

in den therapiefreien Zeiträumen und bei einem<br />

Patienten eine steigende Viruslast erkennen. Die Gesamtzahl<br />

an CD4- und CD8-Zellen veränderte sich<br />

während der vier- bis neunmonatigen Beobachtungszeit<br />

nicht. Die Aktivität zytotoxischer T-Zellen erhöhte<br />

sich bei drei Patienten und blieb bei vier der getesteten<br />

Patienten unverändert.<br />

In der zweiten Untersuchung erhalten die Patienten 7<br />

Tage lang eine HAART und setzen dann 7 Tage lang<br />

mit der Behandlung aus. Für dieses Intervall entschied<br />

man sich auf Grund der Beobachtung, dass während<br />

einer 7-tägigen Therapiepause die Viruslast nur bei 3<br />

von 18 Patienten über die Nachweisgrenze anstieg und<br />

in jedem Fall weniger als 500 Kopien/ml betrug. Die<br />

Daten für sieben Patienten aus dieser Untersuchung ließen<br />

bei sechs Patienten keinen Wiederanstieg der ursprünglichen<br />

Viruslast (< 50 Kopien/ml) und in einem<br />

Fall einen Ausreißer über die Nachweisgrenze erkennen.<br />

Diese Studien dienen der Untersuchung des Zusammenhangs<br />

zwischen der HIV-spezifischen CD8-Immunantwort<br />

und der Unterdrückung der Viruslast. Frühere<br />

Studien haben belegt, dass die Zahl an HIV-spezifischen<br />

CD8-Gedächtniszellen steigt, wenn Patienten die<br />

HAART abgesetzt haben, und sinkt, wenn die Therapie<br />

wieder aufgenommen wird. Im Idealfall könnte mit Hilfe<br />

der SIT ein Anstieg der Zahl und Aktivität der HIVspezifischen<br />

CD8-Zellen erreicht werden, um so die<br />

HIV-Vermehrung zu unterdrücken.<br />

Bemerkenswert und in gewisser Weise verblüffend an<br />

Dr. Fauci's Vorschlag ist die minimale Datenbasis der<br />

Untersuchungen. Wir sind von NIAID-Studien eine Flut<br />

an fundierten Daten und charakteristische, genau auf<br />

vorhandene Fakten abgestimmte Protokolle gewöhnt.<br />

Die nun in diesen beiden innovativen Studien gezeigte<br />

Kreativität und Risikobereitschaft ist erfrischend. Die<br />

vielsagendste Kritik an seiner Präsentation drückte Dr.<br />

Fauci am besten mit seinen eigenen Worten aus: "Wir<br />

werden mit der Auswertung der Daten bis zum Abschluss<br />

der Studie warten". Über den Wert der Präsentation<br />

dieser wenigen, zwar viel versprechenden aber<br />

nichtsdestotrotz eindeutig vorläufigen Daten lässt sich<br />

streiten. Man darf auf die endgültigen Daten der Untersuchungen<br />

gespannt sein, schließlich besteht durch<br />

die Therapieunterbrechungen möglicherweise auch die<br />

7


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

Gefahr einer Resistenzentwicklung.<br />

Infizierte und ihre Ärzte sollten deshalb keinesfalls<br />

auf eigene Faust außerhalb des Rahmens streng<br />

kontrollierter klinischer Studien mit Therapiepausen<br />

experimentieren!<br />

Quelle: Medscape. Übersetzt/bearbeitet von Karin Boss<br />

Einfluss einer HAART auf Tumoren<br />

Bestimmte Tumorarten treten besonders häufig bei HIV-<br />

Infizierten auf, so z.B. das Kaposi-Sarkom (KS) und<br />

Lymphome. Schon seit geraumer Zeit berichten Ärzte<br />

von Patienten, deren Tumore alleine durch eine hochaktive<br />

antiretrovirale Therapie (“HAART”) kleiner wurden<br />

oder sogar ganz verschwanden. Da man bei Krebs<br />

nie sicher sein kann, dass er endgültig besiegt ist, spricht<br />

man hier aber nicht von einer Heilung sondern lediglich<br />

von “Remission” (Rückgang).<br />

HAART zur Behandlung des Kaposi-Sarkoms<br />

Eine italienische Arbeitsgruppe untersuchte 53 Patienten<br />

mit Kaposi-Sarkom der Haut; Patienten mit dem<br />

schwerer wiegenden inneren Kaposi-Sarkom wurden<br />

nicht untersucht. Zu Studienbeginn hatten die Patienten<br />

eine mittlere CD4-Zellzahl von 174 Zellen/mm³<br />

(Bereich 1-882) und eine mittlere Viruslast von etwa<br />

180.000 Kopien/ml (1400 – mehr als 800.000). 22 Patienten<br />

hatten vor Beginn der HAART schon eine Therapie<br />

mit Nukleosidanaloga erhalten. In der Studie erhielten<br />

die Patienten zusätzlich zu den Nukleosidanaloga<br />

Indinavir (Crixivan ® , 25 Patienten), Saquinavir<br />

(Invirase ® , 19 Patienten) oder Ritonavir (Norvir ® , 7 Patienten).<br />

Nach einer Studiendauer von 48 Wochen waren<br />

die Daten von 45 Patienten auswertbar. 36% der<br />

Patienten wiesen eine totale Remission auf, weitere 36%<br />

eine Teilremission der Kaposi-Sarkome. Auffällig ist,<br />

dass das Kaposi-Sarkoms vor allem bei den Patienten<br />

zurück ging, deren CD4-Zellen anstiegen. Dagegen war<br />

die Viruslast bei den Patienten, deren Kaposi-Sarkom<br />

zurückging und bei den Patienten, deren KS nicht ansprach,<br />

nach 48 Wochen etwa gleich.<br />

HAART bei KS effektiver als Chemotherapie?<br />

Eine andere italienische Forschergruppe fand, dass eine<br />

HAART oft auch bei Patienten noch eine Besserung<br />

des KS bewirkte, bei denen eine Chemotherapie gegen<br />

das KS bereits versagt hatte. Wieder zeigten die Patienten<br />

die besten Ergebnisse, bei denen die CD4-Zellen<br />

am deutlichsten angestiegen waren.<br />

8<br />

Die Autoren der beiden Studien folgern, dass es Sinn<br />

macht, bei KS zunächst eine HAART zu beginnen, bevor<br />

man eine Chemotherapie einsetzt.<br />

Einfluss der HAART auf die Überlebensrate von<br />

Patienten mit Lymphomen<br />

Eine spanische Arbeitsgruppe berichtet über 58 Patienten,<br />

die in der Zeit von 1988-1996 wegen AIDS-assoziierter<br />

Lymphome mit einer Chemotherapie behandelt<br />

wurden. Zunächst wurde die volle Dosis einer Vierfach-<br />

Chemotherapie (“CHOP-Schema”) eingesetzt; die Dosis<br />

musste aber bei drei Viertel der Patienten reduziert<br />

werden. Patienten, die eine HAART bekamen, erreichten<br />

mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Remission und<br />

überlebten länger als Patienten, die keine HAART bekamen.<br />

Alles in allem zeigen diese Ergebnisse, dass das Immunsystem<br />

die wichtigste Waffe im Kampf gegen Tumoren<br />

ist. Wenn durch eine hochaktive antiretrovirale<br />

Therapie die Zahl der CD4-Zellen ansteigt, steigen auch<br />

die Chancen, den Krebs zu besiegen.<br />

Quelle: NATAP, übersetzt/bearbeitet von Helmut B.<br />

Ein bisschen Virus –<br />

harmlos oder bedeutsam?<br />

Die heutigen Tests zur Bestimmung der Viruslast können<br />

noch 50 Kopien viralen Erbmaterials pro Milliliter<br />

Blut zuverlässig nachweisen. Viele Patienten, die eine<br />

hochaktive antiretrovirale Therapie (“HAART”) erhalten,<br />

erreichen eine Viruslast unterhalb dieser Nachweisgrenze.<br />

Studienergebnisse der letzten Jahre legten den<br />

Schluss nahe, dass die Unterdrückung der Virusvermehrung<br />

umso länger klappt, je weiter man die Viruslast<br />

absenkt. Doch auch bei Patienten mit normalerweise<br />

nicht nachweisbarer Viruslast kommt es gelegentlich vor,<br />

dass plötzlich ein bisschen Virus messbar ist, meist<br />

zwischen 50 und 500 Kopien pro ml, oft als “Blips”<br />

bezeichnet. Bisher war nicht klar, ob dies ein harmloser<br />

Befund ist oder vielleicht der Bote einer drohenden<br />

Resistenzentwicklung und damit eines Therapieversagens.<br />

Um diese Frage zu untersuchen, hat ein niedergelassener<br />

Arzt aus Washington seine Patientenkartei<br />

auf solche Fälle hin durchforstet. Von 32 Personen, die<br />

nach zunächst nicht nachweisbarer Viruslast einen Messwert<br />

über 50 Kopien/ml aufwiesen, hatten 75% (24<br />

Patienten) bei der nächsten Untersuchung wieder eine<br />

nicht nachweisbare Viruslast. Bei den restlichen 8 Pati-


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

enten stieg die Viruslast weiter an und die Therapie<br />

musste schließlich umgestellt werden. Die Autoren der<br />

Studie schlussfolgern, dass bei einem Anstieg der Viruslast<br />

von “nicht nachweisbar” auf Werte zwischen 50<br />

und 400 Kopien/ml nicht unbedingt ein Therapieversagen<br />

vorliegen muss und dass es am sinnvollsten<br />

ist, die Viruslast des Patienten nach einem Monat<br />

nochmals zu bestimmen.<br />

Untersuchungen von Patienten aus der MSD-Studie 035<br />

lassen den Schluss zu, dass Patienten, deren Viruslast<br />

dauernd unter der Nachweisgrenze von 50 Kopien blieb,<br />

bei 52% der Blutproben eine Viruslast unter 2,5 Kopien<br />

hatten (mit einem noch empfindlicheren, experimentellen<br />

Test gemessen). Bei Patienten mit “Blips” waren<br />

nur 8% der Proben unter 2,5 Kopien/ml. Trotzdem<br />

unterschieden sich die beiden Gruppen über die Nachbeobachtungszeit<br />

von 84 Wochen nicht in der Rate der<br />

Therapieversager: Bei 13,8% der Patienten (20 von 145)<br />

ohne Blips versagte die Therapie schließlich im Vergleich<br />

zu 9,4% der Patienten (9 von 96) mit Blips.<br />

Vermutlich stammen diese Blips aus einer geringen Vermehrung<br />

von HIV aus Körperregionen, die durch die<br />

Medikamente nicht optimal erreicht werden, z.B. dem<br />

zentralen Nervensystem oder dem Genitaltrakt. Leider<br />

ist noch unklar, ob diese geringgradige Vermehrung zur<br />

Resistenzentwicklung führen kann, da bei so niedriger<br />

Viruslast kein Resistenztest durchführbar ist. Auch die<br />

immunologischen Auswirkungen sind derzeit nicht klar.<br />

So könnte es theoretisch durchaus sein, dass “ein<br />

bisschen Virus” das Immunsystem anregt und dazu<br />

beiträgt, dass die Viruslast langfristig unter Kontrolle<br />

bleibt. Dies muss jedoch in weiteren Studien untersucht<br />

werden. Beim heutigen Wissenstand empfiehlt es sich,<br />

nach einem “Blip” die Viruslast einen Monat später<br />

nochmals bestimmen zu lassen.<br />

Quelle: NATAP, übersetzt/bearbeitet von Helmut B.<br />

Aids wird politisch:<br />

Welt-Aids-Konferenz erzwingt<br />

Bewertungswandel<br />

Nach dem medizinischen Aufbruch von Vancouver war<br />

die Konferenz im südafrikanischen Durban ein weiterer,<br />

entscheidender Wendepunkt im Kampf gegen Aids.<br />

Die Zusammenkunft hat endlich ökonomische und politische<br />

Dimensionen der Krankheit dargelegt. Galten<br />

Aids und HIV lange Zeit als Problem weniger<br />

Bevölkerungsgruppen, als “Schwulenpest”, so werden<br />

sie nun als Lebens- und Existenzbedrohung ganzer Länder<br />

erkannt. Matthias Wienold, Berater der Deutschen<br />

Aids-Hilfe, brachte den inhaltlichen Wandel auf den<br />

Punkt: In Vancouver konnte man Infektionsabläufe und<br />

Therapiemöglichkeiten erstmals klar formulieren, Aids<br />

“bekam ein Gesicht”; in Durban war “das Gesicht<br />

schwarz”.<br />

Von den weltweit etwa 35 Millionen HIV-Infizierten<br />

leben weit über zwei Drittel im südlichen Afrika. In<br />

Sambia sank die durchschnittliche Lebenserwartung um<br />

19 auf 37 Jahre, in Botswana sogar um 32 auf 39 Jahre.<br />

Ähnlich stellt sich das Bild in Südafrika und Mosambik<br />

sowie außerhalb Afrikas in Asien, Lateinamerika und<br />

der Karibik dar. Das mühsam aufgebaute Gesundheitssystem<br />

bricht – vor allem in ländlichen Gebieten – zusammen,<br />

weil Ärzte und PflegerInnen sterben. Aufklärung<br />

durch Lehrer und Pfarreien wird unmöglich: Schulen<br />

und Kirchen müssen wegen Aids schließen. Sicherheit<br />

ist mancherorts nicht mehr zu garantieren: Aids betrifft<br />

auch weite Teile der Polizei und des Militärs. Fachkräfte<br />

und Universitäts-Abgänger sterben frühzeitig, oft<br />

nur kurz nach ihrer Ausbildung. Länder wie Botswana<br />

und Sambia werden zunehmend handlungsunfähig, weil<br />

die Menschen, die politische Entscheidungen umsetzen<br />

könnten, sterben. Gleichzeitig sind Therapien unbezahlbar:<br />

Eine einzelne Dreier-Kombination kostet das<br />

Vierzigfache des durchschnittlichen Einkommens. Die<br />

Wirklichkeit von Heute überholt jede fiktive Vorstellung<br />

früherer Tage. Die deutsche Bundesentwicklungsministerin<br />

sprach in diesem Zusammenhang von dreißig<br />

Jahren Entwicklungsarbeit, die Aids zunichte macht.<br />

Die unvorstellbare Situation rief nicht nur Teilnehmer<br />

der Welt-Aids-Konferenz auf den Plan – zirka 11.000<br />

aus 178 Staaten. Auch führende Vertreter der westlichen<br />

Länder und grenzübergreifender Institutionen wie<br />

der Vereinten Nationen und der Weltbank machten Aids<br />

zum “wichtigsten Thema des neuen Jahrhunderts”. Bill<br />

Clinton und Al Gore mahnten eine weltweite Aids-Politik<br />

an, private Stiftungen wie jene von Bill Gates spendeten<br />

große Summen. Frankreichs Staatspräsident<br />

Jacques Chirac setzte Aids auf die Tagesordnung des<br />

Weltwirtschaftsgipfels. Die Weltbank wird in Zukunft<br />

an Länder der dritten Welt Kredite zur Aids-Aufklärung<br />

vergeben. Die UNO und ihre Untergruppen WHO<br />

und UNICEF intervenieren vehement, ein millionenschwerer<br />

Hilfsfond ist in Planung.<br />

Die Reaktion kommt spät und ist verständlich, denn<br />

der westlichen Welt brechen Märkte weg. Märkte, auf<br />

die sich die Konjunktur der kommenden Jahrzehnte<br />

stützt. Außerdem besitzt mittlerweile jede global agierende<br />

Firma externe Produktionsstätten in Ländern der<br />

dritten Welt, ist also direkt betroffen vom zunehmen-<br />

9


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

den Facharbeitermangel und von einbrechenden Infrastrukturen.<br />

Der ökonomische Druck nimmt zu, und erst<br />

dieser konnte bewirken, was WHO und Betroffenen-<br />

Organisationen über Jahre hinweg nicht gelang: Aids ist<br />

ab sofort politisches Thema ersten Ranges!<br />

Das bekam auch die Pharma-Industrie zu spüren. In<br />

Durban traf sie der Vorwurf, an Aids außergewöhnlich<br />

gut zu verdienen, während Afrika stirbt. Das schlechte<br />

Image verdankt die Pharma-Industrie einer Preispolitik,<br />

die zu keiner Zeit transparent war und noch nie Gewinn<br />

und Verlust mit der Erforschung und Entwicklung<br />

eines Medikamentes verglich.<br />

Transparenz blieb der Pharma-Industrie auch in Durban<br />

fremd. Allerdings teilten erste Firmen wie<br />

Boehringer Ingelheim und Abbot mit, ihre Produkte in<br />

einigen Regionen der dritten Welt kostenfrei verteilen<br />

zu wollen. Die organisierte Pharma-Industrie schloss<br />

sich an und wird in ausgesuchten Ländern, aber nur<br />

dort, die Preise der Medikamente um sechzig Prozent<br />

senken, was nicht genügt, da stark eingeschränkte<br />

Gesundheitssysteme wie die in Botswana oder Sambia<br />

höchstens fünf Prozent der monatlich etwa 3000 Mark<br />

einer Dreier-Kombination begleichen können.<br />

Der Pharma-Industrie geht es bei ihren Aktionen nicht<br />

allein um das menschliche Leid, das sich außerhalb der<br />

westlichen Welt offenbart. Sie reagiert, wie zuvor schon<br />

Regierungen und Organisationen, auf ökonomischen<br />

Druck. Die Pharma-Industrie senkt die Preise bis gen<br />

Null, um nicht gezwungen zu werden, den Ländern der<br />

Dritten Welt preisgünstigere Patente zur Eigenproduktion<br />

zu überlassen. Das allein würde nämlich einen<br />

Therapie-Preis garantieren, der zu 95 Prozent unter<br />

dem jetzigen liegt, also bezahlbar wäre. Nicht ganz<br />

zu Unrecht fürchten die Pharma-Firmen eine weltweite<br />

Aufweichung der derzeit in westlichen Ländern geltenden<br />

Preise durch Reimporte und graue Märkte. Dann<br />

wäre die Hochpreispolitik, die nach Angaben der<br />

Pharma-Industrie hohe Entwicklungskosten deckt und<br />

der Forschung dient, nicht mehr zu halten.<br />

Den Ländern der dritten Welt ist darüber hinaus mit<br />

verbilligten Medikamenten nur bedingt gedient.<br />

Schließlich müssen Arzneien verabreicht und deren Wirkung<br />

im Nachhinein kontrolliert werden. Beides ist ohne<br />

funktionierendes Gesundheitssystem nicht möglich.<br />

Außerdem haben andere Länder andere Gebräuche. So<br />

gelten in Afrika “bunte Pillen” als vortreffliches Geschenk<br />

unter guten Freunden. Regelmäßige Einnahmezeiten<br />

sind zudem auf Grund zahlreicher Rituale nicht<br />

durchzusetzen. Medikamente können deshalb nur ge-<br />

10<br />

zielt, das heißt in Städten und vor der Geburt, eingesetzt<br />

werden. Flächendeckend garantiert letztlich nur eine<br />

Impfung Hilfe.<br />

So stellt sich die Lage aus westlicher Sicht ambivalent<br />

dar. Einerseits wird es von Vorteil sein, dass Aids<br />

leitpolitisches Thema geworden ist. Forschungsanstrengungen<br />

wird das beflügeln. Andererseits können<br />

Betroffene aller Länder nicht daran interessiert sein, dass<br />

die funktionierende Gesundheitsversorgung der westlichen<br />

Ländern leidet, weil Firmen der Pharma-Industrie<br />

sukzessive aus einem Markt aussteigen, der sich nicht<br />

mehr rentiert. Potenziert wird diese Ambivalenz durch<br />

das menschliche Leid, das Aids in Ländern der dritten<br />

Welt bedeutet. Gut versorgt lässt es sich leicht reden<br />

über Sterblichkeitsraten andernorts.<br />

Insofern ist die politische Entwicklung nach Durban<br />

für jeden HIV-Infizierten und an Aids Erkrankten hochbrisant.<br />

Moralisch und politisch! Die Augen vor der Situation<br />

in Entwicklungsländern zu verschließen hieße,<br />

das Gesamtbild der Krankheit nicht anzuerkennen.<br />

Daher gilt es - mehr denn je - darauf zu achten, dass<br />

Aids nicht wieder Thema einzelner Randgruppen, sondern<br />

eines der ganzen Gesellschaft, in diesem Fall der<br />

Welt-Gesellschaft wird. Aids ist Aufgabe aller!<br />

Regierungen und Organisationen sind zudem aufgerufen,<br />

nicht zu sparen, sondern zusätzliche Summen in<br />

Forschung und Aufklärung zu stecken sowie die<br />

Produktionskosten der Medikamente für Länder der<br />

dritten Welt zeitweise zu übernehmen, um sie dort gezielt<br />

einzusetzen, bis Impfmittel gefunden sind. In diesem<br />

Zusammenhang kann nicht sein, dass in Deutschland<br />

Forschungsetats des Bundes und der Länder zurückgefahren<br />

werden, während ein Mehr vonnöten wäre.<br />

Bedenklich ist ebenfalls, dass die funktionierende, wenn<br />

auch sensible und wenig transparente Liaison von<br />

Pharma-Industrie und Forschung unterminiert wird,<br />

indem Dritte-Welt-Patente den Markt gefährden. Patente<br />

helfen Botswana nur zum Teil, zerstören aber die ökonomische<br />

Infrastruktur der westlichen Länder. Den gordischen<br />

Knoten durchschlägt nur eine Impfung. Bis<br />

dahin können, so wenig das ist, Kondome Infektionen<br />

verhindern und Medikamente Leiden lindern. Es ist<br />

zuguterletzt unvertretbar, dass medizinische Leistungen<br />

in westlichen Ländern nicht angewandt beziehungsweise<br />

übernommen werden. Wie soll zum Beispiel Wissen<br />

über Resistenzen weitergegeben werden, wenn<br />

Resistenztests im eigenen Land nicht bezahlt werden?<br />

Ein Weniger besiegt Aids nicht,nur ein Alles. Das muss<br />

getan werden – ohne Einschränkung, hier wie dort!<br />

Stefan Boes


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

Wichtige Ergebnisse vom ”3 rd International<br />

Workshop on Salvage Therapy for HIV-<br />

Infection” (12.-14. April 2000, Chicago).<br />

Noch ist immer nicht genau definiert, was denn eigentlich<br />

eine ”Salvage Therapie” ist, normalerweise versteht<br />

man darunter aber die verbleibenden Therapiemöglichkeiten,<br />

wenn die erste und weitere Therapien<br />

versagt haben. Diese Therapien gestalten sich umso<br />

verzweifelter (und schwieriger für den Patienten), je mehr<br />

Vortherapien bereits versagt haben. Das Problem bei<br />

vielen Studien im Salvage-Bereich ist, dass sie erstens<br />

mit relativ kleinen Patientenzahlen gemacht wurden und<br />

zweitens rückblickend (retrospektiv) ausgewertet wurden.<br />

Beides verringert die Aussagekraft der Ergebnisse<br />

deutlich.<br />

Besser als Nichts<br />

Bei Patienten, bei denen schon die verschiedensten<br />

Therapiekombinationen ”verschlissen” wurden, gelingt<br />

es oftmals nicht mehr, die Viruslast dauerhaft unter die<br />

Nachweisgrenze zu senken. Bei diesen Patienten gibt es<br />

ein neues Therapieziel: Die Viruslast so weit wie möglich<br />

senken. Das klingt zwar banal, aber<br />

es konnte gezeigt werden, dass Patienten,<br />

die eine Viruslast über 5000/ml<br />

haben, ein zweieinhalbfach erhöhtes<br />

Risiko haben, innerhalb von einem Jahr<br />

das Vollbild AIDS zu erreichen oder<br />

zu sterben. Dem gegenüber hatten Patienten<br />

mit einer Viruslast über 500/<br />

ml aber unter 5000/ml praktisch kein<br />

erhöhtes Risiko im Vergleich zu den<br />

”Glücklichen”, die dauerhaft eine<br />

Viruslast unter 500/ml erzielten.<br />

Zumindest über den Zeitraum von einem<br />

Jahr lässt sich also auch mit einer<br />

mäßig erhöhten Viruslast ganz gut leben,<br />

wenn auch langfristig das Risiko<br />

einer Resistenzentwicklung und damit<br />

einem stärkeren Anstieg der Viruslast<br />

besteht.<br />

Neues zu Kombinationen aus<br />

Proteasehemmern<br />

cmin/korrigierte IC 95<br />

In Beschreibungen von neuen Substanzen findet man<br />

immer wieder zwei wichtige Kennzahlen: Die minimale<br />

Wirkstoffkonzentration im Blut (abgekürzt c min ) und die<br />

Konzentration des Wirkstoffs, bei der im Laborexperiment<br />

die Vermehrung von 50% bzw. 95% aller<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0,9<br />

Amprenavir<br />

1200 mg 2 x<br />

tgl.<br />

Viren verhindert werden kann (abgekürzt als IC 50 bzw.<br />

IC 95 vom Englischen ”Inhibitory Concentration”).<br />

Ein Problem besteht nun darin, dass im Körper des<br />

Menschen viele Arzneimittel nicht einfach so herumschwimmen,<br />

sondern an bestimmte Eiweißstoffe im Blut<br />

gebunden sind, man spricht hier von der ”Plasmaproteinbindung”.<br />

Diese kann unterschiedlich hoch sein.<br />

Wichtig ist, dass für eine medikamentöse Wirkung nur<br />

die ungebundene Menge des Wirkstoffs verfügbar ist.<br />

Beispiel: Eine Substanz hat eine Eiweißbindung von<br />

80%. Dann stehen effektiv für eine Wirkung nur 20%<br />

zur Verfügung! Bei den unterschiedlichen Proteasehemmern<br />

liegen nun die Werte für die Plasmaproteinbindung<br />

zwischen ca. 60% und über 98%. Das heißt,<br />

nur ein Bruchteil der aufgenommenen Substanz kann<br />

tatsächlich auch gegen das Virus wirken. Es macht also<br />

Sinn, die im Labor bestimmten IC 50 - oder IC 95 -Werte<br />

für die Plasmaproteinbindung zu korrigieren. Um nun<br />

die Vermehrung von HIV zuverlässig hemmen zu könne,<br />

sollte die Menge des Proteasehemmers im Blut immer<br />

größer sein als die um die Proteinbindung korrigierte<br />

IC 95 . Das Verhältnis von c min zu IC 95 sollte also immer<br />

größer 1 sein.<br />

Dies wurde nun für die einzelnen Proteasehemmer untersucht<br />

(siehe Grafik 1)<br />

3,7<br />

Indinavir 800<br />

mg alle 8 Std.<br />

Einzelsubstanzen<br />

1,8<br />

Nelfinavir<br />

750mg 3 x tgl.<br />

1,2<br />

Nelfinavir 1250<br />

mg 2 x tgl.<br />

Medikamente u. Dosierung<br />

Man kann schön erkennen, dass bei einigen Substanzen<br />

das Verhältnis kleiner als 1 ist. Das ist einer der Grün-<br />

2,4<br />

Ritonavir 600<br />

mg 2 x tgl.<br />

Grafik 1: Verhältnis von minimaler Konzentration<br />

von Proteasehemmern im Blut zu ihrer proteinkorrigierten<br />

minimalen Hemmkonzentration<br />

(Fortsetzung Seite 14)<br />

S<br />

11


12<br />

------<br />

------<br />

Gebrauchsinformation: NW=Nebenwirkungen,<br />

KI=Kontraindikationen, HW= Hinweis,<br />

DA= Dosisanpassung, WW=Wechselwirkungen<br />

NW: Anämie, Leuko-und Thrombopenie, Myopathie.<br />

Kopfschmerz. Anfangs GI(gastrointest.)-Symptome<br />

(Übelkeit, Erbrechen). DA: höhergrad. Niereninsuffizienz.<br />

KI: Anämie (Hb


13<br />

SQV<br />

DV<br />

NFV<br />

APV<br />

SQV<br />

RTV<br />

RTV<br />

RTV<br />

nd<br />

e)<br />

Gebrauchsinformation: NW=Nebenwirkungen,<br />

KI=Kontraindikationen, HW= Hinweis,<br />

DA= Dosisanpassung, WW=Wechselwirkungen<br />

NW: Initial verstärkt, dosisabhängig: 45% GI-Symptome,<br />

27% periorale Parästhesien. 23% Schwächegefühl,<br />

Hepatotoxizität. Lipodystrophie-Syndrom (gehäuft bei<br />

ART mit PI). ↑ Triglyzeride.<br />

WW: mit > 200 Medikamenten. Z.B. ↑ Plasmakonz. v.<br />

SQV, IDV, NFV (therap. genutzt, s. PI-Komb.). Cave z.B.<br />

Diazepam (Valium), Sildenafil (Viagra), Ecstasy!<br />

KI: Rifabutin, zahlr. weitere Med.! Schwere<br />

Leberinsuffizienz.<br />

NW: 20% Durchfall. Allergische Hautreaktionen.<br />

Lipodystrophie-Syndrom (gehäuft bei ART mit PI).<br />

KI: Komb.m.Terfenadin etc.(s.Saquinavir), siehe Fachinfo!<br />

WW: ↑ Plasmakonz. v. SQV, IDV, RTV. ↓ Plasmakonz. v.<br />

oralen Kontrazeptiva (andere Methoden empfohlen)<br />

DA: Komb. mit Rifabutin: Rifabutin-Dosis halbieren.<br />

NW: GI-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall),<br />

Kopfschmerzen, Exanthem (2. Behandlungswoche).<br />

KI:: Komb.m.Terfenadin etc.(s.Saquinavir), siehe Fachlit.<br />

WW: ↑ Plasmakonz.von Rifabutin (200%).↓ Plasmakonz.<br />

von APV durch Rifampicin (80%, deshalb KI) ,<br />

KI: Komb.m.Terfenadin,Astemizol,Cisaprid,Triazolam,<br />

Midazolam,Alprazolam, etc., siehe Fachinfo.<br />

NW: 17% allergische Hautreaktionen, in 8% schwer.<br />

Vorsicht bei Nieren- u. Leberinsuffizienz.<br />

WW: ↓ Plasmakonz. v. APV; SQV u. IDV: um ca. 30 %<br />

(DA erforderlich); orale Kontrazeptiva (andere Methoden<br />

empfohlen)<br />

NW: ca. 20 % Exanthem ab 10. Tag nach Behandlungsbeginn.<br />

Häufig ZNS-Symptome (Schwindel, Benommenheit<br />

Konzentrationsstörungen bewegte Träume) v a<br />

Einnahmehinweise<br />

Am besten zu einer<br />

Mahlzeit<br />

Ohne RTV: Zu einer Mahlzeit.<br />

Mit RTV: Nahrungsunabhängig<br />

Nüchtern oder zu einer<br />

Mahlzeit<br />

Nüchtern oder zu einer<br />

Mahlzeit<br />

Nüchtern oder zu einer<br />

nicht fettreichen Mahlzeit<br />

(Wg mögl ZNS NW<br />

DM-Kosten<br />

1OP / 30 Tg.<br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

1050 / 1125<br />

1042 / 1050<br />

1165 / 1165<br />

.... / 2024<br />

.... / 1527<br />

935 / 1870<br />

.... / 1123<br />

.... / 1310<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

716 / 716<br />

958 / 958


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

de, warum man heute zunehmend Proteasehemmer<br />

kombiniert, vor allem mit Ritonavir. Ritonavir verlangsamt<br />

den Abbau der anderen Proteasehemmer im Körper<br />

und man erreicht damit höhere Wirkstoffmengen<br />

im Blut. Die Ergebnisse für die untersuchten Kombinationen<br />

sind in Grafik 2 wiedergegeben.<br />

Grafik 2: Verhältnis von minimaler Konzentration<br />

von Proteasehemmerkombinationen im Blut zu<br />

ihrer proteinkorrigierten minimalen Hemmkonzentration<br />

Es ist unschwer zu erkennen, dass Ritonavir als ”Turbo”<br />

für die anderen Proteasehemmer wirkt. Aber Achtung!<br />

Je höher die Wirkstoffspiegel der Proteasehemmer<br />

sind, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit von<br />

Nebenwirkungen! Deshalb ist nicht unbedingt die Substanz<br />

oder Substanzkombination, die in dieser Untersuchung<br />

am besten abschneidet, auch wirklich die<br />

geeignetste. Was nützt eine fantastische Wirkung, wenn<br />

die Nebenwirkungen unerträglich werden. Einmal mehr<br />

sind die Ärzte gefordert, aus dem Arsenal, das die Wissenschaft<br />

ihnen heute bietet, für den einzelnen Patienten<br />

den individuell besten Kompromiss aus Wirksamkeit<br />

und Verträglichkeit herauszupicken!<br />

Aus den Ergebnissen lässt sich aber jetzt schon sagen,<br />

dass die heute verfügbaren Proteasehemmer in Zukunft<br />

immer weniger alleine sondern vermehrt in Kombinationen<br />

(vor allem mit Ritonavir) eingesetzt werden. Die<br />

Firma Abbott selbst wird ja ihren neuesten<br />

Proteasehemmer ABT-378 gleich mit Ritonavir in einer<br />

Kapsel anbieten.<br />

Kommentar: Aus unserer Sicht ist die Diskussion um<br />

die ”richtige” Kombination von Indinavir und<br />

14<br />

Cmin/korrigierte IC95<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

3,7<br />

Proteasehemmer-Kombinationen (mit Riton<br />

heller Balken = Ritonavir,<br />

dunkler Balken = anderer PI<br />

NT = nicht getestet<br />

1,7 1,1<br />

6,7<br />

NT<br />

24,2<br />

2,9<br />

28,6<br />

IDV SQV/RTV APV/RTV IDV/RTV IDV/RTV IDV<br />

800 q8h 400/400 1200/200 400/400 800/100 800/<br />

Kombination u. Dosierung (2 x tgl.)<br />

0,5<br />

Ritonavir eine Marketingschlacht der beiden Herstellerfirmen<br />

MSD und Abbott. Egal ob zweimal täglich<br />

”400/400” (400 mg Crixivan ® + 400 mg Norvir ® )<br />

oder ”800/100” (800 mg Crixivan ® + 100 mg Norvir ®<br />

), beide Kombinationen sind vermutlich deutlich stärker<br />

wirksam als Crixivan ® oder Norvir ® allein. Auch<br />

das Argument von Abbott, ”400/400” sei eine ”echte<br />

Doppelkombination” können wir nicht ganz nachvollziehen,<br />

da die HIV-Protease schließlich nur ein aktives<br />

Zentrum hat und beide Substanzen fast identische<br />

Resistenzmuster haben. Egal wieviele Proteasehemmer<br />

man gibt, es kann<br />

68,<br />

nur einer an die Protease<br />

binden! Der Unterschied der<br />

verschiedenen Dosierungskombinationen<br />

liegt vor allem<br />

in der Verträglichkeit.<br />

Für viele Patienten können<br />

400 mg Norvir ® schon recht<br />

massive Nebenwirkungen<br />

verursachen. Auf der anderen<br />

Seite besteht bei ”800/<br />

100” wahrscheinlich ein<br />

leicht erhöhtes Risiko für<br />

Nierennebenwirkungen, z.B.<br />

Nierensteine. Man muss also<br />

weiterhin sehr viel trinken!!!<br />

Vermutlich gibt es nicht die<br />

optimale Kombination für<br />

jeden Patienten. Der eine wird mit ”800/100” besser<br />

klarkommen, der andere mit ”400/400”. Eine Ausnahme<br />

sind Patienten, bei denen bereits mehrere Therapien<br />

versagt haben. Für diese könnte ”800/200”<br />

(800 mg Crixivan ® + 200 mg Norvir ® ) eine echte<br />

Chance bedeuten, allerdings wieder mit erhöhtem<br />

Nierensteinrisiko. Auch diese Dosierung wir zur Zeit<br />

in klinischen Studien untersucht.<br />

Und noch eins drauf: Proteasehemmer-<br />

Dreifachkombi<br />

Auf Grund von Labordaten schlagen Forscher von<br />

Glaxo vor, die drei Proteasehemmer Amprenavir<br />

(Agenerase ® ), Saquinavir (Fortovase ® )und Ritonavir<br />

(Norvir ® ) zu kombinieren. Die genaue Dosierung für<br />

eine mögliche Studie steht noch nicht fest, vorgeschlagen<br />

wurde aber die zweimal tägliche Gabe von 600 mg<br />

Amprenavir, 800 mg Saquinavir und 100 mg Ritonavir<br />

(immerhin 22 Kapseln pro Tag). Der Grund für diese<br />

ungewöhnliche Kombination ist zum einen, dass die<br />

Substanzen gegenseitig ihren Abbau verlangsamen und<br />

somit von den Einzelmedikamenten weniger eingenommen<br />

werden muss. Zum anderen sind HI-Viren, die die


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

typische Amprenavir-Resistenzmutation I50V haben,<br />

besonders empfindlich gegen Saquinavir. Nachteil des<br />

Verstärkereffekts: auch die Hauptnebenwirkung von<br />

Amprenavir und Saquinavir (Durchfall) wird verstärkt.<br />

Nun müssen Studien zeigen, ob diese Kombination in<br />

der Praxis hält, was man sich theoretisch davon verspricht.<br />

Viel hilft viel, oder?<br />

Bei Patienten, die bereits mehrere verschiedene Therapien<br />

hinter sich haben, die alle versagt haben, bleiben<br />

praktisch keine ”vernünftigen” Behandlungsoptionen.<br />

In ihrer Verzweiflung stellen die Ärzte dann eine sogenannte<br />

”Mega-HAART” oder ”MDRT” (Multi Drug<br />

Rescue Therapy) zusammen, die 5 oder mehr Medikamente<br />

umfasst. Doch trotz eigentlich hochwirksamer<br />

(und nebenwirksamer) Kombinationen kommt in den<br />

verschiedenen Studien bei nur etwa 30-40% der Patienten<br />

die Viruslast zumindest kurzfristig wieder unter die<br />

Nachweisgrenze. Rühmliche Ausnahmen: Eine Studie<br />

aus England (von Mike Youle), bei der nach 60 Wochen<br />

78% der Patienten eine Viruslast von weniger als 50<br />

Kopien/ml hatten! Youle selbst gibt einige Erklärungsversuche,<br />

warum seine Patienten besser abschneiden:<br />

- Viele Patienten erhielten zunächst so viele Medikamente,<br />

wie sie nur vertrugen. Nach ca. 12 Wochen<br />

wurde dann auf eine individuell reduziertes<br />

Therapieschema umgestellt.<br />

- Um die medikamentöse Einstellung zu erleichtern,<br />

erfolgte sie bei einigen Patienten im Krankenhaus.<br />

- Fast alle Patienten hatten eine Kombination aus<br />

Indinavir und Ritonavir (800/200 oder 800/400)<br />

als Bestandteil ihrer Therapie.<br />

- Patienten, bei denen diese Kombination versagte,<br />

erhielten ABT-378/r und Foscarnet.<br />

- Den Patienten wurde eindringlich klar gemacht, dass<br />

dies wahrscheinlich ihre letzte Chance ist. Sie hatten<br />

einen Arzt als Ansprechpartner, den sie jederzeit<br />

kontaktieren konnten.<br />

- Es gab eine Vielzahl von Therapieunterbrechungen,<br />

jedoch konnte in dieser Untersuchung kein Vorteil<br />

für die Patienten gefunden werden.<br />

Zusammenfassend sieht es so aus, dass vor einer Salvage-<br />

Therapie der Grund für das Versagen der vorhergegangenen<br />

Therapien gefunden werden sollte. Nur so ist es<br />

möglich, eine Erfolg versprechende Kombination für<br />

den Patienten zusammenzustellen. Ganz wichtig ist offensichtlich<br />

auch die Therapiebegleitung durch Ärzte,<br />

Krankenschwestern und das soziale Umfeld des Patienten.<br />

So kann er motiviert werden, trotz evtl. massiver<br />

Nebenwirkungen durchzuhalten.<br />

Neues von der Front<br />

Bei einem Salvage-Workshop dürfen natürlich auch<br />

Berichte zu neuen bzw. ”wiederentdeckten” Substanzen<br />

nicht fehlen:<br />

Foscarnet (Foscavir ® ): Diese Substanz wird als Infusion<br />

für die Behandlung der CMV-Infektion eingesetzt,<br />

die im Endstadium von AIDS zur Netzhautentzündung<br />

und schließlich zur Erblindung führen kann.<br />

Man weiß schon seit längerer Zeit, dass Foscarnet auch<br />

eine gewisse Wirkung gegen HIV hat, bisher wurde es<br />

aber wegen seiner massiven Nebenwirkungen nur zur<br />

Behandlung der CMV-Infektion eingesetzt. Einer<br />

amerikanischen Forschergruppe gelang es, chemische<br />

Abwandlungen dieser Substanz herzustellen, die im<br />

Reagenzglas eine deutlich stärkere Wirkung gegen HIV<br />

haben. Außerdem werden HI-Viren, die eine Resistenz<br />

gegen diese Foscarnet-Abkömmlinge entwickelt haben,<br />

wieder empfindlich gegen AZT. Im Tierversuch konnten<br />

die neuen Substanzen oral gegeben werden, es waren<br />

keine Infusionen erforderlich. Nun wird untersucht,<br />

welche der neuen Substanzen für weitergehende Untersuchungen<br />

am Menschen in Frage kommen.<br />

WF 10: Eine Substanz, die indirekt wirkt, indem sie die<br />

Funktion der Makrophagen (Fresszellen) und die Produktion<br />

entzündungsfördernder Botenstoffe reguliert.<br />

Da die Studie noch nicht abgeschlossen ist, kann man<br />

über die Wirksamkeit noch nichts aussagen, aber der<br />

Ansatzpunkt ist zumindest vielversprechend und könnte<br />

zu einer sinnvollen Ergänzung bisheriger Therapien<br />

führen.<br />

Interferon alpha: Eigentlich nicht mehr so ganz neu<br />

wurde Interferon wegen seiner Nebenwirkungen bisher<br />

nur bei speziellen Krankheiten eingesetzt. Nun konnte<br />

eine kleine Studie zeigen, dass bei den Patienten, die<br />

eine relativ niedrige Dosis Interferon zusätzlich zur<br />

antiretroviralen Kombitherapie erhielten, die Viruslast<br />

schneller unter die Nachweisgrenze sank. Auf der Basis<br />

dieser Ergebnisse werden evtl. weitere Studien gestartet.<br />

NNRTI-Doppelkombis: Kombinationen aus<br />

Nukleosidanaloga gehören zu fast jeder antiretroviralen<br />

Therapie. Proteasehemmerkombis setzen sich mehr und<br />

mehr durch. Nun fragen Forscher, ob man nicht auch<br />

NNRTI kombinieren könnte (NNRTI sind Sustiva ®<br />

, Viramune ® und Rescriptor ® ). Diese Kombinationen<br />

sind aber nicht unproblematisch, da sie sich gegenseitig<br />

und auch in Wechselwirkungen mit Proteashemmern in<br />

15


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

den Blutspiegeln beeinflussen. Außerdem gibt es eigentliche<br />

keinen theoretischen Grund für den Einsatz von<br />

zwei verschiedenen Medikamenten, die beide an die selbe<br />

Zielstruktur binden. Es wäre sogar denkbar, dass<br />

dadurch die antivirale Wirksamkeit abgeschwächt wird.<br />

– Insgesamt eine müßige Diskussion, solange alles Theorie<br />

ist und keine klinischen Daten existieren.<br />

Therapieunterbrechungen<br />

Seit einiger Zeit sorgt die Diskussion um die Möglichkeit<br />

von Therapieunterbrechungen für Aufregung. Zum<br />

einen, weil theoretisch tatsächlich die Möglichkeit besteht,<br />

dass das Immunsystem dadurch ”trainiert” wird,<br />

zum anderen, weil eine Pause von der mühsamen<br />

Medikamenteinnahme für viele HIV-Infizierte sehr attraktiv<br />

wäre.<br />

Bei der Interpretation von Studienergebnissen zu diesem<br />

Thema sollte man aber drei Patientengruppen ganz<br />

genau auseinander halten:<br />

1) Patienten, die unmittelbar nach ihrer HIV-Infektion<br />

mit einer Therapie begonnen haben und für längere Zeit<br />

eine Viruslast unter der Nachweisgrenze hatten.<br />

2) Patienten, die bereits längere Zeit infiziert waren,<br />

bevor sie mit einer medikamentösen Behandlung gegen<br />

HIV begonnen haben.<br />

3) Patienten, bei denen bereits mehrere verschiedene<br />

Therapien versagt haben. Sie haben meist eine niedrige<br />

CD4-Zellzahl und eine relative hohe Viruslast.<br />

Die besten Daten zu Therapiepausen gibt es momentan<br />

für die 3. Gruppe. Die Überlegung, die hinter den<br />

Behandlungsunterbrechungen steht, ist, dass resistente<br />

HI-Viren sich in aller Regel schlechter vermehren können<br />

als der Wildtyp. Nur in Gegenwart von Medikamenten<br />

haben resistente Viren bessere Chancen. Lässt<br />

man nun alle Medikamente weg – so die Überlegung –<br />

werden die resistenten Viren im Laufe der Zeit vom<br />

Wildtyp verdrängt und die Medikamente wirken wieder.<br />

Soweit die Theorie. Doch leider können sich die resistenten<br />

Virusvarianten über sehr lange Zeit im Körper<br />

verstecken. Werden die Medikamente dann wieder eingesetzt,<br />

kommen sie gewissermaßen aus ihrem Versteck<br />

und vermehren sich wieder. So zeigt auch eine Analyse<br />

des Studienzentrums an der Frankfurter Uniklinik, wo<br />

mit dieser Art von Therapieunterbrechungen wohl in<br />

Deutschland die meisten Erfahrungen gesammelt wurden,<br />

dass die Patienten durch die Unterbrechung einem<br />

erheblichen Risiko ausgesetzt sind: Zunächst fällt die<br />

CD4-Zellzahl deutlich ab und die Viruslast steigt an.<br />

Nehmen die Patienten dann wieder eine Therapie ein,<br />

16<br />

kommt es oft wieder zu einem kurzzeitigen Rückgang<br />

der Viruslast. Dieser hält aber bei den meisten Patienten<br />

nur kurze Zeit an. Wesentlich länger dauert es, den<br />

Verlust der CD4-Zellen auszugleichen, falls es überhaupt<br />

gelingt. Fällt die CD4-Zellzahl während der Therapiepause<br />

unter 200/mm³, haben die Patienten zusätzlich<br />

noch ein erhöhtes Risiko für opportunistische Infektionen.<br />

Über die anderen beiden Gruppen gibt es derzeit noch<br />

sehr wenig Daten, theoretisch wäre es zumindest denkbar,<br />

dass die erste Gruppe von Therapiepausen profitieren<br />

könnte. Für die zweite Gruppe (chronisch Infizierte)<br />

ist es wahrscheinlich sinnvoller, die Behandlung<br />

so lange fortzusetzen, bis es einen Impstoff gibt, der<br />

ebenso ein Training des Immunsystems ermöglicht aber<br />

nicht die Risiken der wiederaufflammenden Virusvermehrung<br />

birgt.<br />

Falls man wegen unbeherrschbarer Nebenwirkungen zu<br />

einer Therapiepause gezwungen wird, wäre es sicher<br />

sinnvoll, dies nach Möglichkeit im Rahmen einer Studie<br />

zu tun oder zumindest alle relevanten Laborwerte engmaschig<br />

überwachen zu lassen.<br />

Komplikationen und Nebenwirkungen der<br />

Salvage-Therapie<br />

Laktatazidose<br />

Obwohl die Laktatazidose schon seit den frühen Tagen<br />

von AZT bekannt ist, widmet man ihr erst seit kurzem<br />

die gebührende Aufmerksamkeit. Um zu verstehen zu<br />

können, wie es zur Laktatazidose kommen kann, muss<br />

man sich den Wirkmechanismus der Nukleosidanaloga<br />

(wie Retrovir ® , Epivir ® , Combivir ® , Zerit ® , Videx ® ,<br />

Hivid ® und Ziagen ® ) noch einmal in Erinnerung rufen:<br />

Zur Vermehrung seines Erbmaterials braucht das HI-<br />

Virus bestimmte Bausteine, sogenannte Nukleoside.<br />

Diese werden aneinander gereiht wie Perlen auf einer<br />

Schnur. Nukleosidanaloga haben nun eine ähnliche chemische<br />

Struktur wie die natürlichen Nukleoside, verhindern<br />

aber, dass die Kette verlängert werden kann.<br />

Es kommt also zum Kettenabbruch und das Erbmaterial<br />

des Virus kann nicht vervielfältigt werden. Menschliche<br />

Zellen leiden unter diesen Nukleosidanaloga relativ<br />

wenig, da in den Zellen eine Art ”Korrekturleser” arbeitet,<br />

der die Nukleosidanaloge erkennen kann und<br />

wieder durch die natürlichen Nukleoside ersetzt. Somit<br />

wird die Vermehrung menschlicher Zellen durch die<br />

antiviral wirksame Konzentrationen von<br />

Nukleosidanaloga normalerweise kaum beeinträchtigt.<br />

Es gibt allerdings eine wichtige Ausnahme: Die ”Kraftwerke”<br />

der Körperzellen, die sogenannten Mitochond-


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

rien haben ihr eigenes Erbmaterial und vervielfältigen<br />

sich auch teilweise unabhängig vom Apparat der Köperzellen.<br />

Die Mitochondrien besitzen aber keine Korrekturfunktion.<br />

Damit können die Nukleosidanaloga langfristig<br />

die Vermehrung von Mitochondrien verlangsamen<br />

und die Körperzellen verarmen an Mitochondrien. Da<br />

diese aber für die Energiegewinnung zuständig sind,<br />

müssen die Körperzellen immer mehr auf weniger effektive<br />

Formen der Energiegewinnung ausweichen (auf<br />

den sogenannten anaeroben Stoffwechsel) und dabei<br />

entsteht Milchsäure (Laktat). Sammelt sich zuviel Milchsäure<br />

an, kommt es zu einer Übersäuerung des Bluts<br />

und des Gewebes (Azidose), eben der Laktatazidose.<br />

Die Beschwerden, die eine Laktatazidose verursachen<br />

kann, sind recht unterschiedlich. Im Vordergrund steht<br />

meistens eine verringerte Leistungsfähigkeit und schnelle<br />

Ermüdbarkeit. An den Laktatwerten im Blut kann der<br />

Arzt erkennen, ob eine Laktatazidose für diese Symptome<br />

verantwortlich ist. Glücklicherweise kommt es nur<br />

bei sehr wenigen Patienten, die Nukleosidanaloga einnehmen,<br />

zu einer so schweren Form der Laktatazidose,<br />

dass sie tatsächlich Beschwerden bekommen. Dann aber<br />

kann dies sogar zum Tode führen.<br />

Periphere Neuropathie<br />

Die Periphere Neuropathie, eine Schädigung der Nerven<br />

(vor allem in Armen und Beinen), führt zu verringerten<br />

Empfindungen oder sogar schweren Schmerzen<br />

in den betroffenen Gliedmaßen. Man nimmt an, dass<br />

vor allem Nervenzellen sehr empfindlich auf den Verlust<br />

ihrer ”Kraftwerke” (Mitochondrien, s.o.) reagieren<br />

und dass deshalb die Symptome auftreten. Eine englische<br />

Arbeitsgruppe kam zu den Schluss, dass die Substanz<br />

L-Acetyl-Carnitin die Symptome bessern kann.<br />

Noch unklar ist aber die Dosierung. Der Hersteller<br />

empfiehlt, zweimal täglich 4 ml zu injizieren, um eine<br />

signifikante Wirkung zu erzielen. Ob L-Acetyl-Carnitin<br />

auch in Tablettenform wirkt, ist noch nicht ausreichend<br />

untersucht. Entsprechende Versuche mit einer verwandten<br />

Substanz, dem Carnitin, verliefen leider negativ.<br />

Kommentar: Man wird den Verdacht nicht los, dass<br />

in vielen Salvage-Therapiestudien Medikamente wüst<br />

drauflos kombiniert werden. Sinnvoller scheint es da<br />

zu sein, zunächst einmal herauszufinden, warum denn<br />

die bisherigen Therapien versagt haben und, falls<br />

möglich, diese Hindernisse zu beseitigen.<br />

Klar ist mittlerweile auch, dass die vielbeschworenen<br />

Therapiepausen nicht den durchschlagenden Effekt<br />

bringen, den man sich gewünscht hatte. Im Gegenteil,<br />

für die Mehrzahl der Patienten bedeuten sie ein nicht<br />

zu unterschätzendes Risiko. Auch die Langzeit-<br />

nebenwirkungen vieler Salvage-Therapieregimes können<br />

die Lebensqualität der Patienten zusätzlich beeinträchtigen.<br />

Dennoch kann mit solchen Kombinationen<br />

noch ein bestimmter Anteil von Patienten eine<br />

Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze erreichen.<br />

Schwierig ist vorherzusagen, welche Patienten dies<br />

sein werden. Falls eine Senkung der Viruslast unter<br />

die Nachweisgrenze nicht mehr möglich ist, profitieren<br />

die Patienten zumindest kurz- und mittelfristig auch<br />

von einer teilweisen Unterdrückung der Virusvermehrung.<br />

Es wird zunehmend wichtiger, Therapiestrategien<br />

zu erstellen, d.h. nicht nur die eingesetzten<br />

Medikamente mit Bedacht auszuwählen, sondern auch<br />

alle Begleitumstände und die Lebensgewohnheiten der<br />

Patienten gebührend zu würdigen und bei der<br />

Therapieentscheidung zu berücksichtigen.<br />

Quellen: Bernd Vielhaber: FaxReport 8,9,10/2000;<br />

NATAP; Merck Manual (deutsch, 5. Auflage). Übersetzt/bearbeitet<br />

von Helmut B.<br />

Rauchen und HIV erhöht das Risiko eines<br />

Lungenemphysems<br />

Bei einem Lungenemphysem werden durch schädigende<br />

Einflüsse die feinsten Strukturen der Lunge, die Lungenbläschen,<br />

geschädigt und ”verschmelzen” zu größeren<br />

Strukturen, die aber eine viel kleinere Oberfläche<br />

haben. Deshalb steht dann weniger Oberfläche für den<br />

Gasaustausch zur Verfügung und die Betroffenen leiden<br />

unter Atemnot. Eine chronische Bronchitis, Asthma<br />

oder Rauchen können zur Entwicklung eines Lungenemphysems<br />

beitragen. Forscher fanden nun heraus,<br />

dass eine HIV-Infektion bei Rauchern das Risiko für<br />

ein Lungenemphysen deutlich erhöht: Bei 17 von 114<br />

HIV-Positiven wurde ein Lungenemphysem festgestellt,<br />

jedoch nur bei einem Probanden einer Kontrollgruppe<br />

von 44 HIV-Negativen. Dieser Unterschied ist statistisch<br />

signifikant (s.u.). Die beiden Gruppen waren hinsichtlich<br />

anderer Faktoren (Alter, Rauchgewohnheiten,<br />

etc.) vergleichbar. Allerdings nahmen nur wenige der<br />

HIV-Infizierten antiretrovirale Medikamente ein.<br />

Die Forscher nehmen an, dass die HIV-Infektion die<br />

durch das Rauchen verursachten Gewebeschäden verstärkt.<br />

Quelle: FaxReport 8/2000<br />

Was heißt eigentlich ”statistisch signifikant”?<br />

In Studienergebnissen wird immer wieder der Begriff<br />

”statistisch signifikant” gebraucht. Was kann man sich<br />

17


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

darunter vorstellen? Nun, man kann eine Studie natürlich<br />

immer nur mit einer begrenzten Anzahl von Patienten<br />

durchführen. Deshalb besteht immer ein gewisses<br />

Risiko, dass die Ergebnisse zufällig zu Stande gekommen<br />

sind. Nehmen wir das Beispiel aus der oben<br />

angegebenen Untersuchung: 17 von 144 HIV-Positiven<br />

hatten ein Lungenemphysem, aber nur einer von 44 HIV-<br />

Negativen. Dieses Ergebnis beruht mit einer Wahrscheinlichkeit<br />

von etwa 2,5% auf Zufall. Wie man dies<br />

errechnet, können mathematisch Interessierte in einschlägigen<br />

Statistiklehrbüchern nachlesen.<br />

In der medizinischen Forschung hat es sich eingebürgert,<br />

eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% zu akzeptieren.<br />

Im Allgemeinen werden allso Ergebnisse, bei<br />

denen der p-Wert unter 0,05 liegt, als ”statistisch signifikant”<br />

bezeichnet. Das heißt also nichts anderes, als<br />

dass die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ergebnis nur<br />

zufällig zu Stande gekommen ist, geringer ist als 5%! In<br />

wissenschaftlichen Publikationen findet sich statt der<br />

leicht verständlichen Prozentangabe meist nur ein lapidares<br />

”p


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

fetthaltigen Getränke (Milch!) zu sich genommen hat.<br />

Zwar werden die Cholesterinwerte durch Nahrung kurzfristig<br />

nur wenig beeinflusst, aber die Triglyzeridwerte<br />

können deutlich ansteigen.<br />

Da die Werte für das LDL-Cholesterin normalerweise<br />

nicht direkt bestimmt werden, sondern aus dem Gesamt-Cholesterin,<br />

dem HDL-Cholesterin und den<br />

Triglyzeriden berechnet werden, können auch diese errechneten<br />

Werte durch Nahrungsaufnahme verfälscht<br />

werden. Um einen Vergleichswert zu haben, sollte vor<br />

Therapiebeginn ein kompletter Status der Blutfette erhoben<br />

werden, dann das erste mal ein bis zwei Monate<br />

nach Beginn der antiretroviralen Therapie und anschließend<br />

alle drei bis sechs Monate.<br />

Liegen die Triglyzeridwerte über 400 mg/dl, liefern die<br />

Rechenformeln für die Bestimmung des LDL-Cholesterins<br />

keine verlässlichen Werte mehr. Dann muss das<br />

LDL separat bestimmt werden, was natürlich wieder<br />

extra kostet.Für die Beurteilung, ob ein erhöhtes Risiko<br />

für Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, wird der Arzt<br />

neben den erwähnten Laborwerten noch andere Risikofaktoren<br />

berücksichtigen, z.B. Familiengeschichte (gab<br />

es Herzinfarkte in der Familie?), Rauchen, Bluthochdruck,<br />

Bewegungsarmut, Diabetes, Übergewicht. Auch<br />

bestimmte Medikamente (Hormone, Betablocker, Diuretika)<br />

können die Blutfette beeinflussen und damit das<br />

Risko erhöhen.<br />

Wann soll man handeln?<br />

Die Experten setzen bei HIV-Infizierten im Prinzip<br />

die gleichen Grenzwerte wie bei nicht Infizierten:<br />

Tabelle 1: Grenz- und Zielwerte für das LDL-<br />

Cholesterin<br />

Risiko<br />

Ohne koronare<br />

Herzkrankheit, und<br />

weniger als 2<br />

Risikofaktoren<br />

Ohne koronare<br />

Herzkrankheit,<br />

aber mehr als 2<br />

Risikofaktoren<br />

Mit koronarer<br />

Herzkrankheit<br />

Diätetische<br />

Maßnahmen<br />

Medikamentöse<br />

Maßnahmen<br />

LDL<br />

> 160 mg/dl > 190 mg/dl < 1<br />

> 130 mg/dl > 160 mg/dl < 1<br />

> 100 mg/dl > 130 mg/dl < 1<br />

Risikofaktoren sind Alter (Männer über 45, Frauen über<br />

55), koronare Herzkrankheit bei Vater oder Mutter,<br />

Rauchen, Bluthochdruck, niedriges HDL, Diabetes. Bei<br />

einem HDL über 60 mg/dl darf man einen Risikofaktor<br />

abziehen.<br />

Für die Triglyzeride ist das ganze etwas einfacher: Bei<br />

Werten über 200 mg/dl sollte die Ernährung verändert<br />

werden und mehr Ausdauersport betrieben werden.<br />

Spätestens bei Werten über 1000 mg/dl sollten medikamentöse<br />

Maßnahmen ergriffen werden. Patienten, die<br />

ein erhöhtes Risiko für eine Bauchspeicheldrüsenentzündung<br />

haben, sollten schon bei Werten über 500<br />

mg/dl behandelt werden.<br />

Wie wird behandelt?<br />

Zunächst wird der Arzt allgemeine Maßnahmen empfehlen:<br />

Mehr (Ausdauer-)Sport, fett- und cholesterinarme<br />

Ernährung, Einschränkung des Alkoholkonsums und<br />

Aufhören mit dem Rauchen.<br />

Falls das alles nichts hilft, kommen wieder einmal Medikamente<br />

zum Einsatz.<br />

Für die Senkung des Cholesterins werden heute sog.<br />

”Statine” eingesetzt.. Beispiel für Statine sind: Sortis ® ,<br />

Zocor ® , Denan ® , Pravasin ® , Lipobay ® .<br />

Leider gibt es hier mögliche Interaktionen mit Proteasehemmern<br />

und NNRTI. Diese können zu Muskelempfindlichkeit<br />

und –schmerzen führen. Von den<br />

Statinen, die heute auf dem Markt sind, hat Pravastatin<br />

vermutlich das geringste Risiko für eine Interaktion mit<br />

HIV-Medikamenten. Dennoch sollte immer mit einer<br />

niedrigen Dosis begonnen werden.<br />

Erhöhte Triglyeride können mit sog. ”Fibraten” behandelt<br />

werden, z.B. mit Cedur ®.<br />

Problematisch wird es, wenn sowohl Cholesterin als auch<br />

Triglyceride gesenkt werden müssen. Die Kombination<br />

von Statinen und Fibraten erhöht nämlich wieder das<br />

Nebenwirkungsrisiko...<br />

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, die<br />

antiretrovirale Therapie zu ändern. Aber auch das ist<br />

eine heikle Angelegenheit, gerade wenn<br />

sie gut wirkt und man sie subjektiv gut<br />

verträgt. In Untersuchungen, die<br />

allerdings noch über recht kurze Zeiträume<br />

gingen, wurde ein Rückgang der<br />

Fettwerte beobachtet, wenn die Patienten<br />

von Proteasehemmern auf<br />

Nevirapin oder Abacavir umgestellt<br />

wurden. Es ist aber noch nicht klar, ob<br />

bei diesen Patienten die Hemmung der<br />

Virusvermehrung langfristig genauso<br />

gut gelingt wie mit Proteasehemmern.<br />

Es gibt mal wieder kein Patentrezept<br />

– Arzt und Patienten sind gefragt und müssen (wie<br />

immer) den Nutzen und mögliche Risiken gegeneinander<br />

abwägen.<br />

19


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

Zwei Fliegen mit einer Klappe?<br />

Interessant im Zusammenhang mit einer Cholesterinsenkung<br />

durch Statine sind neuere Studienergebnisse<br />

bei (HIV-negativen) Frauen nach der Menopause, die<br />

zeigen, dass durch diese Medikamente gleichzeitig die<br />

Knochendichte erhöht werden kann. Verlust an<br />

Knochenmasse (Osteoporose) wird in letzter Zeit als<br />

neue Langzeitnebenwirkung der antiretroviralen<br />

Kombinationstherapien diskutiert. Knochen enthalten<br />

lebendes Gewebe, das die Knochenstruktur ständig den<br />

wechselnden Bedürfnissen anpasst. Das heißt,<br />

normalerweise befindet sich der Auf- und Abbau von<br />

Knochensubstanz in einem Gleichgewicht. Gewinnt der<br />

Knochenabbau die Überhand, kommt es zur Osteoporose.<br />

Einige der heute verfügbaren Medikamente gegen<br />

Osteoporose hemmen den Knochenabbau, während<br />

durch die Statine scheinbar der Knochenaufbau stimuliert<br />

wird. Wenn sich die Studienergebnisse bestätigen,<br />

könnten mit dieser Medikamentenklasse zwei wichtige<br />

Nebenwirkungen der antiviralen Kombitherapie bekämpft<br />

werden.<br />

Quelle: CID (in press), Edwards et al., Lancet 2000;<br />

355:2218-19. Übersetzt/bearbeitet von Helmut B.<br />

20<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> e.V.<br />

gratuliert seiner<br />

Redaktionskollegin<br />

Dr. Heidemarie Kremer<br />

und ihrem Mann Gholam<br />

zu der Geburt<br />

der Zwillinge<br />

Kianosh und Arman!<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

Insulinresistenz durch Proteasehemmer?<br />

Bei Patienten unter HAART wurden auch Veränderungen<br />

des Zuckerstoffwechsels – bis hin zum Diabetes –<br />

beobachtet. Amerikanische Forscher fanden nun bei<br />

Versuchen an tierischen Zellen, dass alle untersuchten<br />

Proteasehemmer (Ritonavir, Indinavir und Amprenavir)<br />

ein bestimmtes Transportmolekül hemmen, das<br />

normalerweise Zucker auf Anweisung des Botenstoffs<br />

Insulin in die Muskelzellen schleust. Damit werden die<br />

Zellen ”insulinresistent” und es kommt zu erhöhten<br />

Blutzuckerspiegeln. Allerdings betrifft diese Hemmwirkung<br />

nur ein ganz bestimmtes Transportprotein<br />

namens Glut4. Alle anderen untersuchten Transporter<br />

wurden nicht oder nur wenig beeinflusst. Nun kann man<br />

spekulieren, dass bei einigen Patienten die anderen Transporter<br />

zu wenig aktiv sind und sie deshalb auf Glut4<br />

angewiesen sind. Dies könnten die Patienten sein, die<br />

auf eine Hemmung von Glut4, z.B. durch<br />

Proteasehemmer, besonders empfindlich reagieren.<br />

Allerdings ist noch unklar, in wie weit sich diese Laborergebnisse<br />

tatsächlich auf den Menschen übertragen<br />

lassen.<br />

Quelle: JBC Papers (in press). Übersetzt/bearbeitet<br />

von Helmut B.<br />

Zu Risiken und Nebenwirkungen...<br />

Mögliche Risiken des Agenerase-Safts<br />

Der Agenerase-Saft enthält als Hilfsstoff Propylenglykol.<br />

Patienten mit eingeschränkter Leber- und/oder Nierenfunktion<br />

und Patienten, die Disulfiram (Antabus ®<br />

, ein<br />

Mittel zur Alkoholentwöhnung) oder Metronidazol (z.B.<br />

Clont ®<br />

, ein Mittel gegen best. Infektionen) einnehmen,<br />

sollten deshalb nach Möglichkeit nur die Agenerase-<br />

Kapseln einnehmen! Auch Kinder unter vier Jahren und<br />

schwangere Frauen sollten den Agenerase-Saft nicht einnehmen.<br />

Patienten, die den Agenerase-Saft benötigen, sollten<br />

engmaschig auf mögliche Symptome einer Glykol-Überdosierung<br />

überwacht werden. Dies sind z.B. Krampfanfälle,<br />

Stupor (Erstarrung), Herzrasen,<br />

Hyperosmolarität (Veränderung der Blutzusammensetzung),<br />

Laktatazidose, Nierenschädigung<br />

und Hämolyse (Zersetzung der roten Blutkörperchen).<br />

Proteasehemmer und Methamphetamin<br />

(”Crystal”)<br />

Über eine mögliche tödliche Wechselwirkung zwischen<br />

Norvir ® und Methamphetamin (auch als Crystal bekannt),<br />

berichten australische Ärzte. Crystal ist in den<br />

USA und Australien eine verbreitete Partydroge.<br />

In Melbourne wurde ein 49jähriger Mann tot aufgefunden,<br />

nachdem er am Vorabend Methamphetamin gespritzt<br />

und Amylnitrit (”Poppers”) inhaliert hatte. Der<br />

Mann hatte eine Kombinationstherapie aus 400 mg<br />

Norvir ® und 400 mg Fortovase ® und Zerit ® (alles


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

zweimal täglich) eingenommen. Untersuchungen zeigten,<br />

dass er einen stark erhöhten Methamphetaminspiegel<br />

im Blut hatte. Methamphetamin wird in der Leber über<br />

ein bestimmtes Enzymsystem, das sogenannte<br />

Cytochrom P450 2D6 abgebaut. Dieses wird von Norvir<br />

gehemmt. Deshalb ist es vorstellbar, dass der Proteasehemmer<br />

den Abbau des Methamphetamins verlangsamt<br />

und somit zu einer tödlichen Überdosis geführt hat.<br />

Eventuell könnte auch das Poppers noch dazu beigetragen<br />

haben, da Poppers im Körper zur Bildung von Stickoxid<br />

führt, das ebenfalls ein Hemmstoff des<br />

Cytochromsystems ist.<br />

Nierenschädigung nach Langzeiteinsatz von<br />

Crixivan ®<br />

Ein Fallbericht beschreibt eine Patientin, die unter<br />

Langzeitbehandlung mit Crixivan ® eine Nierenschädigung<br />

und in Folge dessen einen Bluthochdruck<br />

entwickelte. Indinavir (Crixivan ® ) ist dafür bekannt, dass<br />

es bei einer Minderheit der Patienten Nierensteine verursacht.<br />

Diese verschwinden nach reichlichem Trinken<br />

oder spätestens nach Absetzen von Crixivan ® sehr<br />

schnell. Möglicherweise treten sehr selten aber auch<br />

andere Nebenwirkungen an der Niere auf: Eine 39jährige<br />

Frau, die seit sieben Jahren HIV-infiziert war, begann<br />

eine Kombinationstherapie mit Crixivan ® . Eine<br />

Ultraschalluntersuchung der Niere bei Behandlungsbeginn<br />

zeigte eine völlig normales Bild. Neun Monate<br />

nach Beginn der Behandlung wurde bei der Patientin<br />

ein Bluthochdruck (RR 180/115 mmHg) und eine leichte<br />

Erhöhung des Kreatininwerts festgestellt. Ein steigender<br />

Kreatininwert kann ein Hinweis auf eine beginnende<br />

Nierenschädigung sein. Zur Senkung des Blutdruck<br />

erhielt die Patientin einen ACE-Hemmer (Enalapril).<br />

Nach weiteren neun Monaten wurde sowohl mit Ultraschall<br />

als auch mit spezielleren Untersuchungsmethoden<br />

eine Nierenschädigung (Atrophie) festgestellt. Daraufhin<br />

wurde Crixivan ® durch Viracept ® ersetzt. Dies führte<br />

zu einem Absinken des Blutdrucks, die Kreatininwerte<br />

blieben allerdings leicht erhöht. Die Autoren folgern,<br />

dass eine Nierenschädigung unter Langzeiteinsatz von<br />

Crixivan ® auch ohne Steinbildung auftreten kann. Der<br />

mögliche Zusammenhang zwischen der Gabe von<br />

Crixivan ® und dem Auftreten eines Bluthochdrucks muss<br />

noch weiter untersucht werden.<br />

Quelle: FaxReport 11/2000, bearbeitet von Helmut B.<br />

Neues in Kürze<br />

Also doch ”hit early”?<br />

Jede Zelle unseres Körpers führt genau Buch, wie oft<br />

sie sich schon geteilt hat. Ähnlich wie Wehrdienstleistende<br />

beim Bund jeden Tag einen Zentimeter von<br />

ihrem Maßband abschneiden, um zu wissen, wie lange<br />

sie noch durchhalten müssen, hat jede Körperzelle ein<br />

”Maßband”, bei dem mit jeder Teilung ein Stück abgeschnitten<br />

wird. Ist das Maßband zu Ende, ist dies das<br />

Signal für die Zelle, zu sterben. Beim Menschen erlaubt<br />

Podiumsveranstaltung<br />

zu den Ergebnissen der<br />

XIII. Welt-AIDS-Konferenz in Durban<br />

und der<br />

37th ICAAC in Toronto<br />

Es berichten bei einer Podiumsveranstaltung:<br />

P.D. Dr. med. Johannes Bogner<br />

Klinikum Innenstadt, LMU München<br />

Dr. med. Hans Jäger<br />

Schwerpunktarzt München<br />

P.D. Dr. med. Jürgen Rockstroh<br />

Universität Bonn<br />

Prof. Dr. med. Schlomo Staszewski<br />

HIV-Studienambulanz Universität Frankfurt<br />

Moderation:<br />

Dr. med. Werner Becker, München<br />

Freitag, 20. Oktober 2000, 19 Uhr<br />

Hörsaal der Poliklinik<br />

Pettenkoferstrasse 8 a<br />

München<br />

(nähe Sendlinger Tor)<br />

Eine Gemeinschaftsveranstaltung von<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> e.V. und der<br />

Münchner AIDS-Hilfe e.V.<br />

Mit freundlicher Unterstützung durch<br />

GLAXO WELLCOME<br />

EINTRITT FREI!<br />

21


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

das Maßband, die sogenannten ”Telomere” an<br />

den Enden der Chromosomen, ca. 50 Teilungen.<br />

Dies ist wahrscheinlich ein recht vernünftiges<br />

Maß, denn nach 50 Teilungen haben sich in einer<br />

menschlichen Zelle soviel Müll und Fehler,<br />

die bei den Teilungsvorgängen gemacht werden,<br />

angesammelt, dass es im Interesse des<br />

Gesamtorganismus günstiger ist, wenn diese Zelle<br />

stirbt.<br />

Amerikanische Forscher haben nun festgestellt, dass<br />

Immunzellen von HIV-Infizierten deutlich verkürzte<br />

Telomere aufwiesen. So hatten Patienten im Alter von<br />

37 Jahren Telomerlängen wie nicht HIV-Infizierte 75jährige.<br />

Dies ist nicht nur ein Laborbefund; die Immunzellen<br />

von HIV-Infizierten können sich tatsächlich nicht<br />

mehr so häufig teilen und so stark reagieren wie die<br />

gesunder Kontrollpersonen. Diese Ergebnisse bestärken<br />

die Idee, die Behandlung der HIV-Infektion sofort<br />

nach der Diagnose zu beginnen. Allerdings wurde bisher<br />

nicht nachgewiesen, dass eine antiretrovirale Behandlung<br />

die Alterung des Immunsystems wieder auf eine<br />

normale Geschwindigkeit abbremsen kann.<br />

Quelle: FaxReport 11/2000,<br />

bearbeitet von Helmut B.<br />

Hepatitis C – leicht hat’s einen<br />

Eine Ansteckung mit Hepatitis C erfolgt nach heutigem<br />

Wissensstand vor allem durch infiziertes Blut. Doch<br />

kann Hepatitis C nicht nur über gemeinsam benutzte<br />

Spritzen und vermutlich auch Sexualkontakte übertragen<br />

werden, es reichen schon mikroskopische Mengen<br />

Blut, wie sie z.B. bei der gemeinsamen Benutzung von<br />

Rasierapparaten oder Zahnbürsten ausgetauscht werden<br />

können. Besonders problematisch ist dies, da es gegen<br />

die Hepatitis C bis heute keine Impfung gibt und bei<br />

relativ vielen Hepatitis-C-Infizierten als Spätkomplikation<br />

ein Leberkrebs droht.<br />

Quelle: FaxReport 11/2000<br />

22<br />

Lesen, lernen, diskutieren,<br />

informiert bleiben:<br />

Mitglied werden bei<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> e.V.<br />

<strong>Projekt</strong> WORKSHOPS<br />

Veranstaltungsreihe von <strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

e.V., München und Münchner AIDS-Hilfe e.V.<br />

zur Vermittlung von medizinischem/therapeutischem<br />

Grundwissen an HIV-Infizierte<br />

und ihre Freunde<br />

Unsere Workshops 2000<br />

25.09.2000 Indische Naturheilkunde -<br />

Möglichkeiten zur Unterstützung<br />

des Immunsystems<br />

Referentin: Dr.med. Annette<br />

Müller-Leisgang, München<br />

30.10.2000 Metabolische Nebenwirkungen<br />

der ART - wie<br />

geht es weiter?<br />

Referent: P.D. Dr. Johannes<br />

Bogner, Klinikum Innenstadt,<br />

LMU München<br />

27.11.2000 "Drug Holidays" - Für und<br />

Wider<br />

Referent: Dr. med. Hans<br />

Jäger, Praxisgemeinschaft<br />

Dr. med. Hans Jäger, Dr.<br />

med. Eva Jägel-Guedes,<br />

München<br />

Alle Veranstaltungen finden jeweils um 19.00<br />

Uhr im Cafe Regenbogen der MÜAH,<br />

München, Lindwurmstraße 71 statt.<br />

(U-Bahn: U 3, U 6, Haltestelle Goetheplatz)<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> e.V.<br />

Telefon: 089 / 21 94 96 20<br />

Fax-Nr.: 089/ 21 03 12 35<br />

E-mail: projektinfo@munich.netsurf.de<br />

HIV-Therapie-Hotline Münchner AIDS-Hilfe<br />

Telefon: 089/ 54 46 47 21<br />

E-mail: therapie.hotline@muenchner-aidshilfe.de


<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Jahrgang 8, Nr.4 Juli/August 2000<br />

”AIDS-Sterbehaus Lagoinha”<br />

Liebe Mitglieder und Leser/Innen von <strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong>,<br />

wir unterstützen seit 1997 das AIDS-Sterbehaus in<br />

Lagoinha nähe Sao Paulo/Brasilien. Dieses wird von<br />

einer Niederlassung der Kongregation der Franziskanerinnen<br />

in Au/Inn betreut. Mitglieder und Freunde von<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> haben für das AIDS-Sterbehaus<br />

mittlerweile einen Betrag von über DM 82.000,— gespendet.<br />

Dieser Betrag wurde verwendet<br />

für den Umbau der Küche,<br />

für eine Rollstuhlrampe, für die<br />

Sanierung des Speisesaals, für<br />

einen Patientenheber, für pflegerische<br />

und medizinische Geräte<br />

u.a.<br />

Wir können auf diese Weise<br />

ein wenig dazu beitragen, den<br />

Betroffenen, die das AIDS-<br />

Haus in Lagoinha zum Sterben<br />

aufsuchen, zu helfen.<br />

Unser Spendenkonto für<br />

Lagoinha lautet:<br />

Konto-Nr. 884 550 2<br />

BLZ: 70020500<br />

Bank für Sozialwirtschaft<br />

Stichwort: ”Lagoinha”<br />

Unsere Vertrauensperson bei<br />

den Franziskanerinnen ist<br />

Schwester Dominica. Sie war<br />

vor kurzem in Lagoinha. Wir<br />

erhielten von Ihr einen Bericht, den wir nachstehend im<br />

Wesentlichen wiedergeben wollen:<br />

”Heute nun möchte ich einen längeren Brief an Sie beginnen<br />

und ein wenig von meinen Eindrücken der Reise<br />

nach Brasilien erzählen. Es liegt zwar schon einige<br />

Monate zurück, aber die Erlebnisse stehen mir noch<br />

immer sehr konkret vor Augen, vor allem aber im Herzen.<br />

Das Bild, das ich Ihnen beigelegt habe, drückt eigentlich<br />

alles aus, was ich in den viereinhalb Wochen dort<br />

erleben durfte. Ich bräuchte eigentlich keine Worte dafür.<br />

Wenn ich die Zeit in Brasilien auf einen Nenner zusammenfassen<br />

müsste, würde ich mit Saint-Exupery sagen:<br />

”Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist<br />

für die Augen unsichtbar”. Genau dies hat Sr. Annunciata<br />

im Bild versucht festzuhalten, als sie mich zusammen<br />

mit Claudio, einem Patienten in Lagoinha, fotografierte.<br />

(Jetzt vor kurzem habe ich erfahren, dass er vier<br />

Wochen nach dieser Aufnahme heimgehen durfte zu<br />

seinem Herrn und Schöpfer).<br />

Das Wesentliche dieser wunderschönen Reise hat sich<br />

in meinem Innersten ereignet. Das hatte ich mir eigentlich<br />

auch gewünscht, dass es eine Reise mit ”Tiefgang”<br />

werden sollte, nicht nur oberflächlich, von einer Sightseeing-Tour<br />

zur anderen. Um dieses Geschenk habe ich<br />

auch gebetet, und Gott hat mein Beten ernst genommen.<br />

Ich wurde überreich mit ganz wertvollen Erfahrungen<br />

beschenkt, vor allem<br />

in der Begegnung mit den<br />

Armen. Von unserem<br />

Provinzhaus aus (Nähe Sao<br />

Paulo) konnte ich insgesamt<br />

dreimal nach Lagoinha fahren,<br />

und dort mit den<br />

Schwestern ihren Alltag teilen:<br />

Sorge um die ihnen anvertrauten<br />

Patienten, aber<br />

auch die Sorge um arme<br />

Familien, die am Stadtrand<br />

von Lagoinha in Favelas<br />

wohnen. Es sind zum Teil<br />

Angehörige der Patienten.<br />

Für mich war es das erste<br />

Mal in meinem Leben, dass<br />

ich solch grosser Armut begegnet<br />

bin. Das hinterlässt<br />

schon Spuren in einem Herzen.<br />

Die erste Begegnung mit<br />

Lagoinha (wie oft hatte ich diesen Namen schon ausgesprochen<br />

oder geschrieben und an die Bewohner des<br />

AIDS-Hauses gedacht....) war sehr intensiv. Wenn man<br />

über Jahre einem Ort und seinen Menschen verbunden<br />

ist, vieles von Erzählungen und Fotos her kennt oder<br />

besser: meint zu kennen, und dann steht man tatsächlich<br />

vor diesem Haus und begegnet den Bewohnern,<br />

das hat mich wirklich gepackt. Es ist eine ganz besonders<br />

wohltuende Atmosphäre dort zu spüren, obwohl soviel<br />

Not und Elend hinter den Mauern lebt. Es ist schon so,<br />

wie eine Schwester einmal sagte: ”Hier (im AIDS-Haus)<br />

ist der Himmel offen. Die Armen ziehen den Himmel<br />

auf die Erde”. Ich finde gar nicht die Worte, wie man<br />

die Atmosphäre dort ausdrücken soll. Ist auch vielleicht<br />

nicht notwendig.<br />

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<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Juli/August 2000 Jahrgang 8, Nr.4<br />

Mit großer Freude zeigten sie mir natürlich die Anschaffungen<br />

der letzten Jahre, wozu <strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> ja<br />

den wesentlichen Anteil geleistet hat: Küchenumbau,<br />

Rollstuhlrampe, Sanierung des Speisesaals, Patientenheber,<br />

diverse pflegerische und medizinische Geräte.<br />

Lagoinha ist ein kleines Städtchen, ca. 3000 Einwohner,<br />

und liegt fast 1000 m hoch in den Bergen. Rundum<br />

nur grüne Matten und bewaldete Höhenzüge, fast wie<br />

irgendwo bei uns daheim. Und das mitten im heißen<br />

Brasilien. Wir waren ja zur Hochsommerzeit drüben,<br />

täglich brütete die Hitze bis zu 38 Grad. Am Ortsrand<br />

von Lagoinha gibt es viele elende Behausungen von<br />

ärmsten Familien, z.T. mit vielen vielen Kindern.<br />

Mehrmals konnte ich mit den Schwestern solche Familien<br />

besuchen, wir brachten Nahrungsmittel mit und sie<br />

erzählten uns von ihrem Leben. Manche sind wirklich<br />

vom Schicksal hart heimgesucht, andere wiederum sind<br />

mit diesen Lebensverhältnissen zufrieden, froh darüber,<br />

überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben, wenn es<br />

auch aus Blech oder Brettern ist.<br />

Noch viel krassere Wohnverhältnisse konnte ich in der<br />

Nähe von Rio de Janeiro erleben, wo ich mit einem deutschen<br />

Franziskanerpater ebenfalls einige arme Familien<br />

besuchen durfte. Mein Gott, wie man nur so leben kann.<br />

Ich würde wahrscheinlich nach wenigen Tagen todkrank<br />

werden wegen des Schmutzes, des Ungeziefers, der<br />

schlechten Luft usw. In Rio konnte ich sehr extrem die<br />

Gegensätze von arm und reich feststellen. Zum einen<br />

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Impressum<br />

die Hotel- und Finanzgiganten, blitzende Hochhäuser,<br />

Copacabana und Tourismus erster Klasse. Aber in den<br />

Vororten der Stadt und zum Teil sogar innerhalb der<br />

Stadt an Abhängen (Rio ist ja in eine ganz hügelige<br />

Gegend einzementiert) jede Menge Favelas, wo die Not<br />

und auch die Kriminalität aus allen Fugen schreit. Mein<br />

”Reiseführer” kannte sich gut dort aus, er lebt seit 17<br />

Jahren in der Nähe und wußte natürlich viel zu erzählen<br />

und mich an Plätze zu führen, die vielleicht sonst Touristen<br />

nicht so zugänglich sind. Diese Eindrücke von<br />

Brasilien waren die ”lauten”: viele Leute, Gewühl auf<br />

allen Strassen, Lärm und Gestank, aber natürlich auch<br />

eine herrliche Landschaft: Corcovado, Zuckerhut, die<br />

wunderschönen Buchten und das nahe Meer, üppigste<br />

Vegetation und Früchte wie im Schlaraffenland.<br />

Mehr eingeprägt von Brasilien haben sich jedoch inwendig<br />

bei mir die ”stillen” Momente, wie ich sie anfangs<br />

schon beschrieben habe. Herr O. Tex Weber hat<br />

uns damals bei unserem Besuch erzählt, dass er beruflich<br />

oft in Brasilien zu tun hatte und er sehr gerne dort<br />

war. Das kann ich jetzt gut verstehen. Schade, dass ich<br />

ihm von Brasilien, vor allem aber von Lagoinha nicht<br />

mehr berichten kann. Er war immer wieder in unserem<br />

Herzen und bei unseren Gesprächen dort in unserem<br />

Munde und wird von den Bewohnern dort nicht vergessen<br />

werden.”<br />

Klaus Streifinger<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong><br />

Herausgeber: <strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> e.V., Ickstattstraße 28, 80469 München, Telefon (089) 21 94 96 20,<br />

Fax: (089) 21 03 12 35, email: projektinfo@munich.netsurf.de. Vereinsregister: AG München Nr. 12575;<br />

Gemeinnützigkeit anerkannt: FA München, St.Nr.844/29143<br />

Redaktion: Peter Lechl, Dr. Heidemarie Kremer, Manfred Müller, Karl L., Karin Boss, Helmut B., Stefan<br />

Boes.<br />

Hinweis:<br />

<strong>Projekt</strong> <strong>Information</strong> versucht durch eine breite Auswahl von Themen, dem Leser einen gewissen Überblick<br />

zu den derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten, Entwicklungen und dem Stand der Forschung<br />

zu geben. Zum größten Teil verwenden wir hierbei Übersetzungen aus ähnlichen Publikationen in den<br />

USA und Großbritannien.<br />

Sie geben nicht die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder. Ob die besprochenen<br />

Medikamente, Therapien oder Verfahren tatsächlich erfolgversprechend oder erfolglos sind, entzieht<br />

sich unserer Beurteilung. Sprechen Sie immer mit dem Arzt Ihres Vertrauens. Namentlich gezeichnete<br />

Artikel verantwortet der betreffende Autor. Soweit es um Zitate aus wissenschaftlichen Publikationen<br />

geht, werden die Leser gebeten die angegebenen Referenztexte zu konsultieren.<br />

Spendenkonto: Sozialbank München,<br />

Konto Nr. 8 845500 (BLZ 700 205 00)

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