Jahresempfang der IHK im mittleren Ruhrgebiet zu ... - RAG-Stiftung
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Vortrag<br />
„Das <strong>Ruhrgebiet</strong> verän<strong>der</strong>t sich“<br />
<strong>Jahresempfang</strong> 2010 <strong>der</strong> <strong>IHK</strong> <strong>im</strong> <strong>mittleren</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> <strong>zu</strong> Bochum<br />
am 22. Januar 2010 in Bochum<br />
22.01.2010<br />
Wilhelm Bonse-Geuking, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes <strong>der</strong> <strong>RAG</strong>-<strong>Stiftung</strong><br />
(es gilt das gesprochene Wort)<br />
Anrede,<br />
vielen Dank für die Einladung. Ich fühle mich durch Ihre Einladung angesichts <strong>der</strong><br />
langen Reihe höchst prominenter Vorredner sehr geehrt.<br />
Ich bin gerne gekommen, da ich mich Bochum in vielerlei Hinsicht verbunden fühle.<br />
Seit meiner Zeit als Werksstudent am Montageband bei Eickhoff Anfang <strong>der</strong> 60er<br />
Jahre bis hin <strong>zu</strong> meiner Mitwirkung bei <strong>der</strong> Entscheidung, die Hauptverwaltung <strong>der</strong><br />
Deutschen BP AG von Hamburg nach Bochum <strong>zu</strong> verlegen und hier (für 60 Mio.<br />
Euro) ein neues Verwaltungsgebäude <strong>zu</strong> bauen. In diesem Zusammenhang darf ich<br />
erwähnen, dass in diesem Jahr aus <strong>der</strong> Deutschen BP die BP Europa SE wird, die<br />
dann Führungsgesellschaft für rund 12.000 Mitarbeiter in Deutschland und<br />
angrenzenden Län<strong>der</strong>n sein wird. Eine für Bochum sehr erfreuliche Entwicklung.<br />
Aber dies nur am Rande, denn ich bin ja nicht als Aufsichtsratsvorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> BP<br />
bei Ihnen, son<strong>der</strong>n in meiner Funktion bei <strong>der</strong> <strong>RAG</strong>-<strong>Stiftung</strong>, um über das Thema<br />
„Das <strong>Ruhrgebiet</strong> verän<strong>der</strong>t sich“ <strong>zu</strong> sprechen.<br />
Dieser Titel ist banal, denn seit Heraklit wissen wir: „panta rhei“, d.h. „alles fließt“.<br />
Und das gilt unbedingt auch für das <strong>Ruhrgebiet</strong>. Vor 170 Jahren, am Beginn <strong>der</strong><br />
Industrialisierung, lebten hier 230.000 Menschen; rund 60 Jahre später waren es<br />
schon 2,6 Mio. Bis 1958 war das <strong>Ruhrgebiet</strong> unbestritten das industrielle Herz<br />
Deutschlands; dann aber wuchsen die Kohlehalden, ein Bergwerk nach dem<br />
an<strong>der</strong>en wurde geschlossen. Auch eine Reihe von Hochöfen wurde stillgelegt, da<br />
Massenstähle in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n kostengünstiger produziert werden konnten.<br />
In drei Jahren werden nur noch drei Bergwerke, davon zwei an <strong>der</strong> Ruhr, mit deutlich<br />
unter 10.000 Beschäftigten Kohle för<strong>der</strong>n. Vor 60 Jahren waren hier rund 500.000 <strong>im</strong><br />
Bergbau tätig. Und wenn die <strong>im</strong> Steinkohlefinanzierungsgesetz verankerte<br />
„Revisionsklausel“ nicht gezogen wird, dann schließt <strong>der</strong> Bergbau die letzte Zeche in<br />
acht Jahren. Und es bleiben die Erinnerungen, die z. B. die Zeche Zollverein, das<br />
Deutsche Bergbaumuseum und die Ewigkeitslasten des Bergbaus wachhalten.<br />
Wir stehen also vor dem Schlusskapitel eines dramatischen Wandels, dessen Folgen<br />
wir überall spüren. Aber – und das möchte ich hier hervorheben – <strong>im</strong> Gegensatz <strong>zu</strong><br />
ähnlich strukturierten Zonen auf <strong>der</strong> Welt, die von einem vergleichbaren<br />
Strukturwandel getroffen wurden, hat sich das <strong>Ruhrgebiet</strong> in diesem massiven
Verän<strong>der</strong>ungsprozess – sicherlich auch dank <strong>der</strong> vielen Milliarden Euro öffentlicher<br />
Mittel – gut behauptet.<br />
Inzwischen arbeiten <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> in Dienstleistungsbereichen doppelt so viele<br />
Menschen wie in <strong>der</strong> Industrie. Es gibt an <strong>der</strong> Ruhr große, auch <strong>im</strong> Weltmaßstab<br />
führende, Industrieunternehmen, insbeson<strong>der</strong>e in den Branchen Energie, Stahl,<br />
Logistik und Chemie. Neue Technologien wie die Nanotechnologie können künftig<br />
einen Schwerpunkt mit Entwicklungspotenzial bilden.<br />
Aber ohne einen großen industriellen Kern sind auch große Dienstleistungsbereiche<br />
gefährdet, denn die Industrie steht für viele Dienstleistungsaufträge.<br />
Wie aber erhalten, stärken wir den industriellen Kern?<br />
Da haben wir beträchtliche Sorgen, insbeson<strong>der</strong>e <strong>im</strong> Hinblick auf:<br />
- den demographischen Wandel und den daraus tendenziell entstehenden<br />
Fachkräftemangel,<br />
- die un<strong>zu</strong>reichende Integration und Ausbildung <strong>der</strong> Migranten,<br />
- die Finanznot <strong>der</strong> Kommunen und<br />
- die Arbeitslosigkeit.<br />
Die Statistiker sagen uns, dass sich die Bevölkerung in Städten wie Gelsenkirchen,<br />
Herne und Bochum bis 2030 um rund 10 % verkleinern wird und das bei gleichzeitig<br />
starkem Anstieg <strong>der</strong> Überalterung.<br />
In Deutschland gibt es seit dem letzten Jahr <strong>zu</strong>m ersten Mal mehr Menschen über 65<br />
als unter 20 Jahren. Für das <strong>Ruhrgebiet</strong> gilt dies schon seit Längerem.<br />
Deshalb ist es eine zentrale Aufgabe, die Integration <strong>der</strong> demographisch besser<br />
strukturierten ausländischen Mitbürger und solcher mit Migrationshintergrund<br />
engagiert voran<strong>zu</strong>treiben. Das Potenzial ist groß. In einigen Städten haben knapp ein<br />
Viertel <strong>der</strong> Menschen einen Migrationshintergrund. Je<strong>der</strong> Achte an <strong>der</strong> Ruhr hat<br />
einen ausländischen Pass.<br />
Zu den Kommunen: Im Zuge <strong>der</strong> Kulturhauptstadt 2010 hat sich ergeben, dass sich<br />
53 Kommunen dem <strong>Ruhrgebiet</strong> <strong>zu</strong>gehörig fühlen. Die Finanznot all dieser<br />
Kommunen <strong>zu</strong> betonen, erübrigt sich – gerade auch hier in Bochum mit Nokia und<br />
Opel.<br />
Es illustriert die verzweifelte Situation, wenn wie hier in Bochum die Wassertemperatur<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Bä<strong>der</strong> um ein Grad gesenkt, in Essen jede dritte<br />
öffentliche Stelle abgebaut wird und in Wuppertal Schulen und Kin<strong>der</strong>gärten<br />
geschlossen werden.<br />
Zur Arbeitslosigkeit: Kurzarbeit und an<strong>der</strong>e arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen<br />
haben die Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Krise auf den schon stark belasteten<br />
Arbeitsmarkt hier <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong> zwar mil<strong>der</strong>n können, dürften aber bei anhaltenden<br />
Schwierigkeiten sehr bald an ihre Grenzen stoßen.<br />
2
Lässt man all dies auf sich wirken, so ergibt sich für die weiteren Verän<strong>der</strong>ungen an<br />
<strong>der</strong> Ruhr eine fast schon depr<strong>im</strong>ierende Perspektive. So darf es nicht wun<strong>der</strong>n, wenn<br />
viele – insbeson<strong>der</strong>e außerhalb dieser Region – dem <strong>Ruhrgebiet</strong> keine Chance mehr<br />
geben.<br />
Die Botschaften wissenschaftlicher Studien lauten dementsprechend, ich zitiere: „das<br />
<strong>Ruhrgebiet</strong> hinkt hinterher“, „trübes <strong>Ruhrgebiet</strong>“, „das <strong>Ruhrgebiet</strong> steigt ab“. Die<br />
Rheinische Post schreibt: „das <strong>Ruhrgebiet</strong> ist vor allem <strong>im</strong> Norden eine sterbende<br />
Region.“<br />
Ich will das nicht akzeptieren. Ich fühle mich nicht nur Bochum, son<strong>der</strong>n dem ganzen<br />
<strong>Ruhrgebiet</strong> eng verbunden; schließlich arbeite ich hier seit über dreißig Jahren.<br />
Ich bin in meinem früheren Leben als Öl-Mann in vielen Teilen <strong>der</strong> Welt gewesen. Es<br />
gibt nichts Vergleichbares in seiner menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Vielfalt, das <strong>Ruhrgebiet</strong> ist ein herausragendes – wie man auf neudeutsch sagt –<br />
Asset, das nicht untergehen darf und nicht untergehen wird.<br />
Aber nur, wenn tiefgreifende Verän<strong>der</strong>ungen stattfinden. Denn die depr<strong>im</strong>ierenden<br />
Urteile und Voraussagen haben durchaus eine nachvollziehbare Basis.<br />
Der Initiativkreis <strong>Ruhrgebiet</strong> misst seit zwei Jahren die Verän<strong>der</strong>ungen an <strong>der</strong> Ruhr.<br />
Er hat hierfür den „Ruhr2030 Index“ eingeführt, <strong>der</strong> das <strong>Ruhrgebiet</strong> mit deutschen<br />
und europäischen Ballungszentren vergleicht.<br />
Die Zielmarke sind 100 Punkte, womit dann das beste Drittel <strong>der</strong> deutschen und<br />
europäischen Vergleichsregionen erreicht würde. Im letzten Jahr rutschte das<br />
<strong>Ruhrgebiet</strong> von knapp 51 Punkten auf 48,4 Punkte ab.<br />
Schon die erste Messung ermittelte mit 51 Punkten einen viel <strong>zu</strong> großen Abstand von<br />
den führenden Ballungszentren in Europa, denn<br />
– das Wachstum an <strong>der</strong> Ruhr ist <strong>zu</strong> gering,<br />
– <strong>der</strong> Strukturwandel ist <strong>zu</strong> langsam und<br />
– neue Aktivitäten, neue Unternehmen und Geschäfte sind <strong>zu</strong> schwach<br />
entwickelt.<br />
Ein wesentliches Hin<strong>der</strong>nis ist die un<strong>zu</strong>reichende Standort- und Lebensattraktivität.<br />
Es ist schon ein Teufelskreis, <strong>der</strong> sich da abzeichnet; denn wenn sich ein<br />
Unternehmen ansiedeln will, verfolgt es eine mittel- bis langfristige Perspektive. Es<br />
braucht dafür die entsprechenden Arbeitskräfte. Wenn aber gerade die jungen Leute<br />
wegziehen, weil sie ihre Zukunft außerhalb des <strong>Ruhrgebiet</strong>es sehen, weil ihnen diese<br />
Region <strong>zu</strong> wenig bietet, dann werden kaum viele neue Unternehmen kommen.<br />
Ich würde gerne an dieser Stelle eine weitere persönliche Anmerkung einfügen:<br />
Ich wünsche mir ein wenig von dem Geist <strong>zu</strong>rück, <strong>der</strong> die Generationen vor uns<br />
beseelt hat.<br />
Das Deutsche Bergbaumuseum hier in Bochum zeigt in einer Son<strong>der</strong>ausstellung die<br />
Entwicklung des Steinkohlenbergbaus an <strong>der</strong> Ruhr seit 1945. Diese Ausstellung ist in<br />
3
je<strong>der</strong> Hinsicht sehenswert. Dort wird sehr schön deutlich, wie die Menschen an <strong>der</strong><br />
Ruhr nach dem 2. Weltkrieg diese Region in liebens- und lebenswerter Weise wie<strong>der</strong><br />
aufgebaut haben.<br />
Sie haben vor allem ihr Schicksal in die eigene Hand genommen. Sicherlich,<br />
angesichts <strong>der</strong> Ruinen gab es nur den Weg nach vorne. So wurde in die Hände<br />
gespuckt und die Probleme wurden angegangen. Ein Beharren auf dem Status quo<br />
hätte die Familien nicht satt gemacht.<br />
Diese Einstellung, d.h. kein Verteidigen des Status quo, vielmehr selbst <strong>zu</strong>r positiven<br />
Verän<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> Ruhr bei<strong>zu</strong>tragen, diese Einstellung muss gestärkt werden.<br />
Es reicht deshalb nicht, dass die Kommunen mehr Geld vom Land und Bund<br />
wünschen. Es reicht auch nicht, darauf <strong>zu</strong> verweisen, dass jetzt mehr Geld <strong>im</strong><br />
Westen als <strong>im</strong> Osten benötigt wird. Es ist vor allem wichtig, dass wir alle gemeinsam<br />
die Kernprobleme adressieren und uns engagiert für eine nachhaltig positive<br />
Verän<strong>der</strong>ung einsetzen.<br />
Ich bin fest davon überzeugt, dass diese möglich ist.<br />
Zum einen wurden an <strong>der</strong> Ruhr eine ganze Menge Fortschritte erzielt; ich habe<br />
schon darauf hingewiesen, dass <strong>der</strong> Ersatz von nicht länger wettbewerbsfähigen<br />
Industrien durch Dienstleistungen in großem Umfang vollzogen wurde. Aber das<br />
allein reicht nicht; mehr ist nötig und möglich.<br />
Der „Ruhr2030 Index“ hat hier<strong>zu</strong> eine gute Nachricht: Nach dessen Erkenntnissen<br />
haben wir eine <strong>zu</strong>nehmend wirtschaftsfreundliche und innovationsför<strong>der</strong>nde Politik;<br />
das Oberziel „Mo<strong>der</strong>ne und erfolgreiche Politik“ erreicht mit knapp 70 (68,9) Punkten<br />
den mit Abstand besten Wert aller Oberziele – und hat sich damit gegenüber dem<br />
Vorjahr weiter verbessert (64,8).<br />
Ermutigend finde ich auch, dass <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bildungsausgaben an den<br />
Gesamtausgaben des Landes von knapp 36,7 Prozent <strong>im</strong> Jahr 2005 auf 40,5<br />
Prozent <strong>im</strong> Jahr 2009 angestiegen ist. NRW ist damit Spitzenreiter unter den<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />
Dies ist wichtig für die Ruhr, Europas dichtester Hochschullandschaft mit fünf<br />
Universitäten und dem Ausbau von Fachhochschulen vom westlichen bis ins östliche<br />
Revier.<br />
Ich begrüße es, dass die Landesregierung gerade jetzt in Hamm und Kamp-Lintfort<br />
neue Fachhochschulen gründet, beides Standorte, die bis 2012 von Bergwerksschließungen<br />
getroffen werden.<br />
Eine weitere Ermutigung: Die deutsche Industrie ist in den letzten Jahren deutlich<br />
wettbewerbsfähiger geworden. Die jüngsten Analysen sagen, dass die<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Bundesrepublik <strong>im</strong> weltweiten Vergleich an zweiter Stelle<br />
liegt und nur von China übertroffen wird, die großen Industrielän<strong>der</strong> folgen mit<br />
weitem Abstand.<br />
4
Ferner: Jedes dritte deutsche Unternehmen, das <strong>im</strong> Ausland neue<br />
Produktionsstätten errichtet hat, holt diese aus guten Gründen wie<strong>der</strong> in die<br />
Bundesrepublik <strong>zu</strong>rück. Wir sollten uns anstrengen, dass sie auch an die Ruhr<br />
kommen.<br />
Aber das gelingt nur, und ich halte dies für entscheidend, wenn wir<br />
- die Eigeninitiative stärken,<br />
- uns mehr auf uns selbst, weniger auf den Staat verlassen.<br />
Denn auch dem letzten Staatsgläubigen müsste inzwischen klar sein, dass unser<br />
Staat, Bund, Län<strong>der</strong> und Kommunen, jenseits seiner finanziellen Leistungsfähigkeit<br />
operiert und somit seine Ausgaben künftig deutlich reduzieren muss. Die Ausuferung<br />
des Leistungsangebotes des Staates, die Mitte <strong>der</strong> fünfziger Jahre begonnen hat,<br />
findet mangels Finanzen jetzt ihr Ende.<br />
J.F. Kennedy hat bei seiner Antrittsrede als Präsident <strong>der</strong> USA seine Mitbürger<br />
aufgerufen, nicht <strong>zu</strong> fragen, was ihr Land für sie, son<strong>der</strong>n was sie selbst für ihr Land<br />
tun können. Analog müssen wir uns fragen, welchen Beitrag wir leisten können,<br />
damit sich das <strong>Ruhrgebiet</strong> in die richtige Richtung verän<strong>der</strong>t.<br />
Erfahrungen in <strong>der</strong> letzten Zeit bestärken mich in meinem Opt<strong>im</strong>ismus, dass eine<br />
solche Verän<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> Ruhr möglich ist:<br />
- <strong>im</strong> Oktober stellte RIM, <strong>der</strong> Hersteller <strong>der</strong> Blackberry-Smartphones, seine<br />
neuen Geräte <strong>im</strong> VIP-Bereich des Ruhrstadions vor. Sie wissen, dass sich<br />
"Blackberry" hier mit einem kleinen Forschungsteam angesiedelt hat,<br />
nachdem Nokia geschlossen wurde. Mike Lazaridis, <strong>der</strong> Blackberry-Grün<strong>der</strong>,<br />
sprach von „German Tüchtigkeit”, mit <strong>der</strong> die jüngste Weiterentwicklung des<br />
Smartphones <strong>zu</strong>stande gekommen sei.<br />
Weitere ermutigende Erfahrungen sind:<br />
- die Amtseinführung des neuen Ruhrbischofs und<br />
- die Eröffnung <strong>der</strong> Kulturhauptstadt.<br />
Die sehr eindrucksvolle Predigt des neuen Bischofs des Bistums Essen, Bischof<br />
Overbeck, war erfrischend. Seine Kernbotschaft war für mich: „Lasst uns den<br />
Neuanfang in schwerer Zeit wagen“. Ich bin sicher, dass dieser junge Bischof als<br />
„Ruhrbischof“ ganz wesentlich da<strong>zu</strong> beitragen wird, dass wir an <strong>der</strong> Ruhr<br />
vorankommen.<br />
Der grandiose Start <strong>der</strong> Kulturhauptstadt beweist, welche Einsatzfreude an <strong>der</strong> Ruhr<br />
mobilisiert werden kann. „Sie haben es tatsächlich durchgezogen“, schrieb<br />
bewun<strong>der</strong>nd und erstaunt <strong>im</strong> fernen Berlin <strong>der</strong> „Tagesspiegel“. Klar: Daisy hatte uns<br />
links liegen lassen. Das war Glück. Aber es war das verdiente Glück des Tüchtigen.<br />
Einen beson<strong>der</strong>s hohen Stellenwert kann und muss die Kultur für die positive<br />
Verän<strong>der</strong>ung des <strong>Ruhrgebiet</strong>s einnehmen. Kultur macht sichtbar. Auf Zollverein<br />
wurde sichtbar, dass das <strong>Ruhrgebiet</strong> Energie hat.<br />
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Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass die Vielfalt des kulturellen Angebotes in<br />
diesem Jahr, in allen Städten des <strong>Ruhrgebiet</strong>es, eine st<strong>im</strong>ulierende, eine<br />
<strong>zu</strong>kunftsfreudige St<strong>im</strong>mung nachhaltig auslöst.<br />
Aber mehr ist nötig. Wir müssen Etabliertes infrage stellen und Neues wagen!<br />
Auch wenn ich schon mehrfach in den letzten Jahren für meine Aussage geprügelt<br />
worden bin, so bleibe ich dabei: „Die Strukturen an <strong>der</strong> Ruhr sind ineffizient,<br />
beträchtliche Synergiepotentiale liegen brach und eine übergeordnete Zielset<strong>zu</strong>ng für<br />
die Ruhr als Ganzes fehlt.<br />
Ein Professor <strong>der</strong> hiesigen Universität hat ausgerechnet, dass die Kommunen an <strong>der</strong><br />
Ruhr ihre Ausgaben seit 2003 <strong>im</strong> Durchschnitt jährlich um 8 % gesteigert haben,<br />
dass die Verschuldung mit 3.400 Euro pro Kopf um 1.000 Euro über dem<br />
Durchschnitt des Landes NRW liegt. Und nun droht <strong>der</strong> „Kommunalbankrott“.<br />
Dies erzwingt eine enge Zusammenarbeit <strong>der</strong> Städte.<br />
Wir alle wissen aus unseren Unternehmen, wie wichtig es ist, die<br />
Wertschöpfungsketten <strong>zu</strong> opt<strong>im</strong>ieren. wie schwierig es ist,<br />
- die Ressortegoismen <strong>im</strong> Unternehmen <strong>zu</strong> überwinden<br />
- das Bewusstsein jedes einzelnen dahingehend <strong>zu</strong> schärfen, dass das Wohl<br />
des Unternehmens als Ganzes Vorrang hat vor dem einzelnen<br />
Bereichsergebnis.<br />
Wenn dies aber gelingt, bringt es reiche Früchte.<br />
Das Schicksal je<strong>der</strong> einzelnen Kommune ist untrennbar mit dem des <strong>Ruhrgebiet</strong>s<br />
verbunden. Für diese schlichte Erkenntnis müssen wir uns einsetzen.<br />
Der Initiativkreis Ruhr hat in seiner Gesamtvision für 2030 die Hoffnung geäußert,<br />
dass an <strong>der</strong> Ruhr „ein Team von Städten nach einem gemeinsamen Masterplan<br />
agiert“.<br />
Wir wollen als <strong>Stiftung</strong> hier<strong>zu</strong> einen kleinen Beitrag leisten:<br />
So haben wir be<strong>im</strong> RWI eine Studie in Auftrag gegeben, die <strong>im</strong> ersten Schritt die<br />
leicht mobilisierbaren städteübergreifenden Synergiepotentiale aufzeigen soll. Ein<br />
<strong>Ruhrgebiet</strong>skenner sagte mir da<strong>zu</strong>, bevor man eine Vision, wie sie <strong>der</strong> Initiativkreis<br />
entwirft, angehe, müsse man für die einzelnen Menschen erfahrbar machen, welche<br />
Vorteile es bringt, wenn man über die Stadtgrenzen hinaus <strong>zu</strong>sammenwirkt.<br />
Scherzhaft gesagt: das soll die Konkurrenz von BVB, VfL Bochum und Schalke nicht<br />
einschränken; die lokalen Eigenheiten und die Identifizierung „mit vor Ort“ sollen<br />
nicht in Frage gestellt werden.<br />
Aber wir sind alle Teil des Ganzen und wenn deutlich erfahrbar wird, dass wir<br />
gemeinsam mehr erreichen, dann kann man als nächstes über eine Vision für die<br />
Ruhr sprechen – auch über das Ziel „Metropole Ruhr“.<br />
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Dann sollten die öffentlichen Mittel für die Ruhr vor allem unter dem Aspekt <strong>zu</strong>geteilt<br />
werden, wo sie den größten Kosten-/Nutzen-Effekt für die Ruhr als Ganzes haben.<br />
Wir för<strong>der</strong>n noch zwei weitere Projekte, die sich mit strukturellen Fragen befassen.<br />
- Ein Projekt soll die Frage beantworten, wie die Attraktivität des Umfeldes des<br />
Weltkulturerbes Zeche Zollverein über 2010 hinaus gesteigert werden kann.<br />
Denn durch das Ruhrmuseum und den Um<strong>zu</strong>g <strong>der</strong> Folkwangschule erhält<br />
Zollverein eine neue, eine junge D<strong>im</strong>ension, die aber nur dann reiche Früchte<br />
tragen kann, wenn auch die Umgebung „st<strong>im</strong>mt“.<br />
- Die hiesige „<strong>Stiftung</strong> Bibliothek des <strong>Ruhrgebiet</strong>s“ soll aus früheren<br />
Stilllegungen Empfehlungen für Politik und Wirtschaft ableiten, was an den<br />
Standorten noch still<strong>zu</strong>legen<strong>der</strong> Bergwerke besser gemacht werden kann.<br />
Im Übrigen engagiert sich die <strong>RAG</strong>-<strong>Stiftung</strong> vor allem für junge Menschen, denn<br />
<strong>der</strong>en Ausbildung und Bildung best<strong>im</strong>mt die Zukunft des Reviers:<br />
- So för<strong>der</strong>n wir über die <strong>RAG</strong> Bildung <strong>zu</strong>sammen mit dem Sozialminister des<br />
Landes NRW die überbetriebliche Ausbildung von Jugendlichen, die aufgrund<br />
<strong>der</strong> Reduzierung von Ausbildungsplätzen des Bergbaus in 2007 keinen<br />
Ausbildungsplatz fanden.<br />
- Wir beteiligen uns an einem Programm des Landes und <strong>der</strong> Universität Essen-<br />
Duisburg, mit dem beson<strong>der</strong>s begabte Studenten mit Migrationshintergrund<br />
über ein Stipendium unterstützt werden.<br />
- Wir unterstützen ein Programm, das die Bildungschancen von Jugendlichen<br />
verbessern soll, indem herausragende Hochschulabsolventen verschiedener<br />
Fachrichtungen für zwei Jahre an Schulen als Lehrkräfte auf Zeit unterrichten.<br />
- Schließlich prüfen wir, <strong>zu</strong>sammen mit an<strong>der</strong>en Unternehmen in Nordrhein-<br />
Westfalen, ob und inwieweit es möglich ist, frühpensionierte Mitarbeiter mit<br />
guten Kenntnissen in Mathematik, Informationstechnologie, Natur- und<br />
technischen Wissenschaften an den Schulen des <strong>Ruhrgebiet</strong>es ein<strong>zu</strong>setzen.<br />
Es ist doch eine Katastrophe, wenn man sieht, wie sehr während <strong>der</strong> letzten<br />
40 Jahre diese Fächer vernachlässigt wurden.<br />
Ich sage Katastrophe, weil Deutschland seine führende Stellung auf den<br />
Weltmärkten vor allem seiner großen technologischen, industriellen<br />
Kompetenz, vom Facharbeiter bis <strong>zu</strong>m Ingenieur und Wissenschaftler,<br />
verdankt. Diese Kompetenz darf nicht länger vernachlässigt werden, muss<br />
vielmehr unbedingt ausgebaut werden.<br />
Dies bringt mich <strong>zu</strong> meinem letzten Punkt, <strong>der</strong> ebenfalls unser aller Engagement<br />
verdient:<br />
Das <strong>Ruhrgebiet</strong> ist <strong>im</strong>mer noch ein herausragen<strong>der</strong> Teil <strong>der</strong> deutschen Industrie;<br />
Energie, Stahl, Logistik und Chemie habe ich erwähnt. Die Zukunft des <strong>Ruhrgebiet</strong>s<br />
liegt auch in <strong>der</strong> wettbewerbsgerechten Fortentwicklung dieser Kernkompetenzen.<br />
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Da<strong>zu</strong> gehören drei Faktoren:<br />
- Die gründliche Ausbildung unserer Jugend! Diesen Punkt habe ich schon<br />
erwähnt.<br />
- Die wachsende Technikfeindlichkeit, die es auch hier an <strong>der</strong> Ruhr gibt, muss<br />
von uns allen energisch bekämpft werden. Wi<strong>der</strong>stand gibt es nicht nur<br />
gegen Kohle-Kraftwerke, gegen Biomasse-Kraftwerke, gegen Biogasanlagen<br />
gibt es dieselben Wi<strong>der</strong>stände. Dies ist typisch für eine alternde<br />
Gesellschaft, die mehr und mehr am Status quo festhält und sich nur schwer<br />
für Neues öffnet. Das dürfen wir nicht <strong>zu</strong>lassen.<br />
- Und schließlich: Die Bereitstellung einer sicheren Energieversorgung für<br />
unsere Industrie <strong>zu</strong> wettbewerbsgerechten Konditionen. Das muss auch <strong>der</strong><br />
aus NRW stammende Umweltminister beherzigen. Als die CDU noch in <strong>der</strong><br />
Opposition war, sprach sie sich dafür aus, dass Umweltpolitik integraler Teil<br />
des magischen Bereichs einer nachhaltigen Energiepolitik ist, <strong>zu</strong>sammen mit<br />
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Energieversorgung.<br />
Eine weitreichende Umwelt- und Kl<strong>im</strong>apolitik mit <strong>der</strong> Brechstange und ohne<br />
Rücksicht auf die Kosten und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie ist<br />
eine Gefahr für die Industrie des <strong>Ruhrgebiet</strong>s.<br />
Meine Damen und Herren, ich komme <strong>zu</strong>m Schluss.<br />
Natürlich verän<strong>der</strong>t sich das <strong>Ruhrgebiet</strong>, denn alles ist stets <strong>im</strong> Fluss. Die Frage ist,<br />
wohin verän<strong>der</strong>t sich das <strong>Ruhrgebiet</strong>? Es gibt aktuelle Trends, die besorgniserregend<br />
sind, an<strong>der</strong>e die hoffnungsvoll st<strong>im</strong>men.<br />
Es gilt die Erfahrung „wer nicht handelt, wird behandelt“ – auch für die Ruhr.<br />
Das <strong>Ruhrgebiet</strong> hat eine große Zukunft, wenn wir alle uns für die Ruhr engagieren<br />
und mit anpacken. Der Staat hat kaum noch Geld und wird auf unseren Einsatz<br />
angewiesen sein. Wir sind gefor<strong>der</strong>t, je<strong>der</strong> an seiner Stelle, mit dem Geist, <strong>der</strong> das<br />
<strong>Ruhrgebiet</strong> einst groß gemacht hat, die Region als Ganzes voran<strong>zu</strong>bringen. Wir<br />
müssen uns vor allem dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen st<strong>im</strong>men und<br />
die Prioritäten richtig gesetzt werden. Das <strong>Ruhrgebiet</strong> als Ganzes ist unsere<br />
Aufgabe.<br />
Von <strong>der</strong> <strong>IHK</strong> Bochum wurde in dem Buch „Bericht aus <strong>der</strong> Zukunft des <strong>Ruhrgebiet</strong>es“<br />
da<strong>zu</strong> aufgerufen „offen, engagiert, ermutigend, <strong>im</strong> positiven Sinne kritisch,<br />
risikobereit und voll Phantasie die Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Ideen an<strong>zu</strong>gehen und die<br />
Entscheidungen für die Region <strong>zu</strong> treffen“.<br />
Dies trifft den Kern, und so kann ich nur den Wunsch und den Gruß anfügen<br />
„Glückauf <strong>Ruhrgebiet</strong>“!<br />
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