Beschlussvorlage BA/363/05 - Gemeinde Altenbeken
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Begründung:<br />
<strong>Beschlussvorlage</strong><br />
Vorlagennummer:<br />
<strong>BA</strong>/<strong>363</strong>/<strong>05</strong><br />
Anträge der Eheleute Elena u. Nikolaj Schimpf sowie Olga u. Andrej Anikin auf<br />
Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes "Unterm Limberg"<br />
nicht öffentlich<br />
Sitzung am: Beratungsorgan/Beschlussorgan: Berichterstatter:<br />
12.01.2006 Bau-, Natur-, Umwelt- und<br />
Verkehrsausschuss<br />
Herr Hauptfleisch<br />
Die Bauvorhaben der Eheleute Schimpf (Am Knobbenberg 18) und Anikin (Am Knobbenberg 16)<br />
wurden formell illegal im Baugebiet "Unterm Limberg" errichtet:<br />
Im Falle des Bauvorhabens der Eheleute Schimpf wurde die Garage in dem im Bebauungsplan<br />
ausgewiesenen Bepflanzungsstreifen und das Wohnhaus teilweise in dem Bereich der nicht<br />
überbaubaren Grundstücksfläche errichtet.<br />
Im Falle des Bauvorhabens der Eheleute Anikin wurde die Garage ebenfalls in dem im<br />
Bebauungsplan ausgewiesenen Bepflanzungsstreifen und das Wohnhaus teilweise in dem Bereich<br />
der nicht überbaubaren Grundstücksfläche und im Bereich des Bepflanzungsstreifens errichtet.<br />
Das Büro Knufinke GmbH hatte im Falle des Bauvorhabens der Eheleute Schimpf bereits einen<br />
Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes "Unterm Limberg" eingereicht.<br />
Über diesen Antrag wurde in der Sitzung des Ausschusses am 08.09.20<strong>05</strong> beraten.<br />
Der Ausschuss hatte in der v.g. Sitzung beschlossen, das Einvernehmen zu dem beantragten<br />
Vorhaben nicht zu erteilen, da die Genehmigungsvoraussetzungen des § 31 BauGB nicht erfüllt<br />
sind. Die Beratung über den Antrag der Eheleute Schimpf wurde in der Sitzung des Ausschusses<br />
zum Anlass genommen, um den Ausschuss auf den ebenfalls formell illegalen Zustand des<br />
Bauvorhabens der Eheleute Anikin hinzuweisen. Der Ausschuss hatte in seiner v.g. Sitzung zum<br />
Ausdruck gebracht, dass auch bei diesem Bauvorhaben das Einvernehmen zu einem<br />
(gegebenenfalls künftigen) Abweichungsantrag nicht erteilt werden wird, durch den der illegale<br />
Zustand des Vorhabens legalisiert werden soll.<br />
Gemäß der Beschlusslage des Ausschusses wurde in beiden Fällen ein Einvernehmen zu den<br />
beantragten Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes "Unterm Limberg"<br />
seitens der Verwaltung nicht erteilt. Seitens des Kreises wurden daraufhin die Anträge abgelehnt.<br />
Die Bauherren haben kürzlich über die Anwaltssozietät Gronemeyer einen neuen Antrag auf<br />
Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes "Unterm Limberg" eingereicht. Die<br />
Schreiben der Anwaltssozietät vom 07.12.20<strong>05</strong> zu den beiden Anträgen sind dieser<br />
Verwaltungsvorlage als Anlagen beigefügt. Im Vergleich zu den beiden ersten Anträgen, die bereits<br />
durch den Kreis Paderborn abgelehnt wurden, sind nun nur noch die Wohnhäuser Gegenstand der<br />
beiden neuen Abweichungsanträge. Die Antragsteller sind sich somit darüber im klaren, dass eine<br />
Beseitigung der beiden Garagen in jedem Fall zu erfolgen hat. Die Anwaltssozietät Gronemeyer<br />
stützt ihre Abweichungsanträge für die Eheleute Schimpf und Anikin darauf, dass eine Verletzung<br />
der Grundzüge der Planung und eine Beeinträchtigung nachbarlicher Belange nicht vorliege und die<br />
Abweichung städtebaulich vertretbar sei. Bezüglich der durch die Anwaltssozietät Gronemeyer
vorgetragenen Argumente wird an dieser Stelle auf die Anlagen verwiesen.<br />
Gem. § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden,<br />
wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und<br />
1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder<br />
2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder<br />
3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen<br />
würde<br />
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den<br />
öffentlichen Belangen vereinbar ist.<br />
Grundzüge der Planung:<br />
Gemäß dem Wortlaut des Gesetzes darf die Gewährung von Befreiungen nicht zu einer Änderung<br />
der Grundzüge der Planungskonzeption der <strong>Gemeinde</strong>, wie sie im Bebauungsplan ihren<br />
Niederschlag gefunden hat, führen. § 31 dient demgemäß nicht dazu, den Bebauungsplan an<br />
geänderte tatsächliche Entwicklungen anzupassen (BVerwG Urt. v. 9.6.78 - 4 C 54.75). § 31 erlaubt<br />
somit nur Randkorrekturen des Bebauungsplans (so BVerwG Urt. v. 9.6.1978 a.a.O.).<br />
Die Grundzüge der Planung sind berührt, wenn entweder von einer für die planerische<br />
Entscheidung des <strong>Gemeinde</strong>rats maßgeblichen Einzelfallfestsetzung abgewichen werden soll<br />
(BVerwG Beschl. v. 20.11.1989 - 4 B 163.89; dort: Festsetzung einer Baugrenze auf Seiten der<br />
Straße zum Zwecke einer einheitlichen Vorgartengestaltung) oder aber dieselbe städtebauliche<br />
Situation bei allen oder jedenfalls einer großen Zahl von Grundstücken gegeben ist, so dass bei<br />
diesen mit derselben Berechtigung eine Befreiung erfolgen könnte. Das BVerwG stellt darauf ab, ob<br />
für ein Abweichen vom Bebauungsplan eine Planänderung erforderlich ist; wenn das der Fall ist,<br />
werden die Grundzüge der Planung berührt. Es kommt also auf die Bedeutung der Abweichung für<br />
den konkreten Bebauungsplan an, nicht etwa für die gesamte <strong>Gemeinde</strong>. Daraus folgt, dass bei<br />
einem kleinen Bebauungsplan die Grundzüge der Planung wesentlich eher berührt werden als bei<br />
einem umfassenden Plan.<br />
Die Festsetzung der hinteren Baugrenze sowie die Festsetzung des Grünstreifens dienen dazu,<br />
einen Übergang von bebauten Flächen zur freien Landschaft zu schaffen.<br />
Durch die Garagen werden die Grundzüge der Planung i.S.d. vorstehenden Ausführung deutlich<br />
berührt, sodass die oben erwähnten zuerst gestellten Abweichungsanträge - wie dies auch<br />
geschehen ist - abzulehnen waren.<br />
Der Ausschuss hat nunmehr darüber zu beraten, ob auch im Falle eines Fortbestehens bzw. einer<br />
Fertigstellung beider Wohnhäuser (ohne die beiden Garagen) die Grundzüge der Planung berührt<br />
werden. Aufgrund der zuvor aufgezeigten Bedeutung des Gründstreifens sollte der Ausschuss bei<br />
seiner Beratung auch den unterschiedlichen Grad der Abweichungen von den Festsetzungen des<br />
Bebauungsplanes berücksichtigen (siehe beigefügter Übersichtsplan).<br />
Städtebauliche Vertretbarkeit:<br />
Sofern der Ausschuss die Auffassung vertreten sollte, dass die Grundzüge i.S.d. vorstehenden<br />
Ausführungen nicht berührt sein sollten, stellt sich die Frage, ob die beantragten Abweichungen<br />
städtebaulich vertretbar sind.<br />
Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist eine Abweichung dann städtebaulich vertretbar, wenn sie<br />
"im Sinn der Anforderungen des § 1 Abs. 5 und 6 (Anm.: alt=Abs. 6; neu=Abs. 7) mit der<br />
städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 vereinbar ist" (so BVerwG Beschl.<br />
v. 20.11.1989 - 4 B 163.89). Da § 31 Abs. 2 Nr. 2 somit auf eine mögliche Alternativplanung nach §<br />
1 Abs. 5 und 6 abstellt, muß im Rahmen der Entscheidung über eine Befreiung nach dieser<br />
Vorschrift eine Abwägung zwischen den verschiedenen durch die Abweichung vom Bebauungsplan<br />
betroffenen öffentlichen und privaten Belangen stattfinden. Ferner muß zwischen den Vor- und<br />
Nachteilen der im Bebauungsplan festgesetzten Lösung und der Alternativplanung abgewogen
werden. Dabei kann durchaus auch eine Kompensation stattfinden zwischen Vor- und Nachteilen,<br />
auch wenn sonst eine solche Kompensation im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung einer<br />
Baugenehmigung nicht zulässig ist (BVerwG Urt. v. 15.2.1990 - 4 C 23.86).<br />
(Anzumerken sei noch, dass sich nur ganz vereinzelt Gerichtsentscheidungen finden, in denen die<br />
Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB bejaht werden.)<br />
In dem Abweichungsantrag der Eheleute Anikin wird hierzu ausgeführt:<br />
"Es besteht mithin weder ein zwingendes Erfordernis für die Planung einer nicht überbaubaren<br />
Fläche im rückwärtigen Grundstücksteil, noch für die Planung einer Grünfläche an dieser Stelle.<br />
Insbesondere hätte der Übergang zu dem angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Gebiet auch<br />
ohne solche Flächen geplant werden können. Dies mag zwar aus optischen Gründen weniger<br />
reizvoll erscheinen, wäre aber rechtlich ohne weiteres zulässig gewesen. Damit wäre die Zulassung<br />
der Überbauung an dieser Stelle abwägungsfehlerfrei planbar gewesen, so dass das Vorhaben in<br />
der zur Genehmigung und Befreiung gestellten Form städtebaulich vertretbar ist."<br />
Im Rahmen der zuvor erwähnten erforderlichen Abwägung zwischen den öffentlichen und privaten<br />
Belangen sollte der Ausschuss auch die in den Anträgen geschilderte Situation der Familien<br />
berücksichtigen.<br />
Nicht beabsichtigte Härte:<br />
Anzumerken ist noch, dass die in § 31 Abs. 2 angeführte 3. Alternative in den vorliegenden Fällen<br />
nicht zur Anwendung kommen kann, da die Härte, die eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3<br />
gestattet, grundsätzlich grundstücksbezogen sein muss. Das BVerwG (Urt. v. 18.5.1990 - 4 C 49)<br />
hat hierzu ausgeführt: "Unter Härte im Sinn dieser Vorschrift (gemeint ist § 31 Abs. 2 Nr. 3) sind nur<br />
grundstücksbezogene Härten zu verstehen, die sich gerade aus der boden- und<br />
planungsrechtlichen Besonderheit des zu beurteilenden Grundstücks ergeben. Auch verständliche<br />
Interessen an einer besseren wirtschaftlichen Nutzung genügen nicht. Eine Befreiung nach § 31<br />
Abs. 2 Nr. 3 ist auch nicht schon dann zulässig, wenn lediglich angenommen werden muß, dass der<br />
Plangeber eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit nicht bedacht hat. Es muß vielmehr ein echter<br />
Sonderfall vorliegen."<br />
Eine Härte, die sich nur aus den persönlichen (familiären, finanziellen oder wirtschaftlichen)<br />
Besonderheiten des augenblicklichen Grundstückseigentümers ergibt, kann deshalb nicht<br />
Grundlage einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB sein.<br />
In der Bauausschusssitzung ist darüber zu beraten und zu beschließen, ob<br />
a) beim Bauvorhaben der Eheleute Schimpf eine positive Stellungnahme zur Befreiung von den<br />
Festsetzungen des Bebauungsplanes im Hinblick auf die hintere Baugrenze erteilt werden soll,<br />
und<br />
b) beim Bauvorhaben der Eheleute Anikin eine positive Stellungnahme zur Befreiung von den<br />
Festsetzungen des Bebauungsplanes im Hinblick auf die hintere Baugrenze und die festgesetzte<br />
Fläche für Anpflanzungen zu erteilen ist.<br />
Anlagen:<br />
- Übersichtsplan<br />
- 2 Schreiben der Anwaltssozietät Gronemeyer vom 07.12.20<strong>05</strong> zu den Anträgen der<br />
Eheleute Schimpf und Anikin auf Befreiung von den Festsetzungen des<br />
Bebauungsplanes "Unterm Limberg"