01.06.2013 Aufrufe

PDF herunterladen - Klasse Gegen Klasse

PDF herunterladen - Klasse Gegen Klasse

PDF herunterladen - Klasse Gegen Klasse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

s C h w e r p u n k T : G r a m s C i<br />

28<br />

steht aus dem Zusammenfluss von mindestens drei Quellen.<br />

Die Idee einer Wiederanpassung der herrschenden <strong>Klasse</strong><br />

mittels einer „Revolution von oben“ als Antwort auf den Druck<br />

der Massen kann schon bei Marx selbst gefunden werden, sowie<br />

auch der Ursprung des von Trotzki verwandten Begriffes<br />

„permanente Revolution“ in Marx‘ Schriften seinen Ursprung<br />

hat. Jedoch bedeuten beide Kategorien in der imperialistischen<br />

Epoche nicht genau dasselbe wie im 19. Jahrhundert. Marx und<br />

Engels schließen 1851 nach dem Putsch von Louis Bonaparte in<br />

Frankreich: „Die Periode der Revolutionen von unten war einstweilen<br />

geschlossen; es folgte eine Periode der Revolutionen von oben“,<br />

und führen als Beispiel nicht nur die mit Bonaparte erfolgte<br />

Rückkehr zum Imperium in Frankreich, sondern auch „seinen<br />

Nachahmer Bismarck“, der in Preußen „seinen Staatsstreich und<br />

seine Revolution von oben 1866“ vollzog, an 15 .<br />

Daher kommt die analoge Schlussfolgerung des italienischen<br />

Revolutionärs: Wenn auf die Periode der bürgerlichen<br />

Revolutionen, angefangen 1789 mit der großen Französichen<br />

Revolution bis 1848, der Zyklus der „Revolutionen von oben“<br />

folgt, stellt sich die Frage, ob die bolschewistische Revolution<br />

von 1917, das „Frankreich“ der Ära der proletarischen Revolution,<br />

nicht von einem Zyklus passiver Revolutionen beantwortet<br />

werden könnte. In dieser gramscianischen Interpretation der<br />

Beziehung zwischen dem revolutionärem Aufschwung und<br />

der entsprechenden <strong>Gegen</strong>reaktion der Konterrevolution, bei<br />

gleichzeitiger Umwandlung zum modernen Staat der westlichen<br />

Demokratien, liegt eine der Grundlagen für seine Definition:<br />

„die Formel von achtundvierzig von der ‚permanenten Revolution’<br />

wird in der politischen Wissenschaft durch die Formel der<br />

‚zivilen Hegemonie’ entwickelt und überholt“ 16 , weil „die inneren<br />

und internationalen Organisationsbeziehungen des Staates komplexer<br />

und fester wurden.“ In diesem Sinne bedeuteten auch der<br />

Fordismus und der Amerikanismus – mit den von ihnen durch-<br />

Könnte die bolschewistische<br />

Revolution von 1917 nicht von<br />

einem Zyklus passiver Revolutionen<br />

beantwortet werden?<br />

geführten staatlichen Modifizierungen – einen Entwicklungsversuch<br />

der Produktivkräfte auf der Basis der relativen Stabilität,<br />

die der Kapitalismus in den ’20er Jahren dank der Zurückschlagung<br />

der internationalen revolutionären Welle – die dank der<br />

Auswirkungen der Oktoberrevolution 1917 in Europa besonders<br />

ausgeprägt war – erreichte; daher bezeichnet Gramsci die<br />

passive Revolution auch als eine „Revolution-Restauration“.<br />

Zweitens greift Gramsci die Idee der italienischen Geschichte<br />

selbst auf: „der Begriff ‚passive Revolution‘ im Sinne Vincenzo Cuo-<br />

1734.)<br />

Dieses Zitat von Gramsci von einem sehr allgemeinen und abstrakten<br />

Charakter kann zu falschen Interpretationen führen, die vor allem bei<br />

den ReformistInnen zu finden sind, die behaupten, dass jede Niederlage<br />

eines revolutionären Prozesses „gerechtfertigt“ werden könnte<br />

mit den „objektiven Bedingungen“ (oder ihn sogar als zu „verfrüht“<br />

bezeichnen), wobei die konkrete Rolle der Führung der ArbeiterInnenklasse<br />

und der Massen beim Ausgang des selben unterbewertet<br />

bleibt.<br />

15. Friedrich Engels: Einleitung zu Karl Marx „<strong>Klasse</strong>nkämpfe in Frankreich<br />

1848 bis 1850“. 1895. http://www.mlwerke.de/me/me22/me22_509.<br />

htm.<br />

16. Zu den unterschiedlichen Konzepten von Revolution nach Trotzki und<br />

Gramsci siehe den nächsten Artikel in diesem Heft.<br />

cos in Bezug auf die erste Phase des italienischen Risorgimento“ 17 ,<br />

den er auf die ganze Periode der nationalen Einigung ausweitet,<br />

die mit den Ereignissen von 1848 und 1849 beginnt und<br />

1871 mit der Eroberung Roms als Hauptstadt Italiens endet.<br />

Die Einigung Italiens als bürgerliche Nation wurde innerhalb<br />

der von der Allianz der Bourgeoisie aus dem Norden mit den<br />

GroßgrundbesitzerInnen aus dem Süden gesteckten Grenzen<br />

durchgeführt. Anders als bei der großen Französischen Revolution<br />

wurde dabei den Bauern/Bäuerinnen weder Land gegeben<br />

noch sonstige Zugeständnisse gemacht. So wurde eine historisch<br />

gesehen fortschrittliche Aufgabe wie die Einigung Italiens<br />

auf reaktionäre Art und Weise durch die Partei der Moderaten<br />

und auf militärischer Ebene durch die Armee und den Staat<br />

Piemonts durchgeführt. Dies löste eine „Diplomatisierung der<br />

Revolution“ aus, die im krassen <strong>Gegen</strong>satz zum französischen<br />

Modell steht. Dafür bediente sich die Bourgeoisie des „Transformismus“,<br />

einer Methode, mit der sie die radikalsten FührerInnen<br />

der Aktionspartei in das Programm der Moderaten eingliederte,<br />

sie vereinnahmte und quasi transformierte. Auf diese Weise ordneten<br />

sich die radikalen FührerInnen dem rechten Flügel des<br />

Prozesses unter, statt eine aktive Rolle zu spielen, wie seinerzeit<br />

die „Jakobiner“. Gramsci warnte also vor einer von oben paktierten<br />

„passiven Revolution“, die bürgerliche Bremse der sozialistischen<br />

Revolution also, die nun in der Epoche der proletarischen<br />

Revolution drohte18 .<br />

Schließlich macht Gramsci von diesem Begriff angesichts<br />

einer brennenden politischen Notwendigkeit Gebrauch: eine<br />

Antwort auf den Aufstieg des Faschismus zu geben. Gramscis<br />

Position steht in krassem Widerspruch zu der Einschätzung der<br />

Führung der KPI über die Erfolgsaussichten Mussolinis. Trotzki<br />

äußerte sich darüber mit den folgenden Worten: „Mit Ausnahme<br />

des einzigen Gramsci schloß die Kommunistische Partei, wie mir<br />

italienische Freunde mitteilen, selbst die Möglichkeit der faschistischen<br />

Machtergreifung aus.” 19 Obwohl Gramscis Analyse dieses<br />

neuen Phänomens – die großangelegte Mobilisierung der Mit-<br />

17. Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Bd 7, Heft 15, §10- §11. Argument-<br />

Verlag 1996, S. 1727.<br />

18. Aguilera de Prat weist richtigerweise und um Vorurteile über Gramsci<br />

auszuräumen auf diesen Schlüsselaspekt hin: „Es geht auf jedem Fall<br />

um eine dialektische Auffassung dieser Erkenntnis, die sich nicht in ein<br />

politisches Aktionsprogramm, wie es die Moderaten im Risorgimento<br />

vertraten, verwandelt [er meint ein passives Revolutionsprogramm,<br />

A.d.R.], sondern nur als ein methodologisches Kriterium der Deutung<br />

dienen soll.“ (Eigene Übersetzung.)<br />

19. Angesichts des Aufstiegs von Mussolini in Italien sagte Trotzki bezüglich<br />

der KPI: „Die Kommunistische Partei Italiens war fast gleichzeitig<br />

mit dem Faschismus entstanden. Doch die gleichen Bedingungen<br />

der revolutionären Ebbe, die den Faschismus an die Macht brachten,<br />

hielten die Entwicklung der Kommunistischen Partei auf. Sie legte<br />

sich nicht Rechenschaft ab über das Ausmaß der faschistischen<br />

Gefahr, wiegte sich in revolutionären Illusionen, war ein unversöhnlicher<br />

Gegner der Einheitsfrontpolitik, mit einem Worte: sie litt an<br />

allen Kinderkrankheiten. Kein Wunder, sie war erst zwei Jahre alt. Der<br />

Faschismus erschien ihr lediglich als ‚kapitalistische Reaktion‘. Die spezifischen<br />

Züge des Faschismus, die sich aus der Mobilisierung des<br />

Kleinbürgertums gegen das Proletariat ergeben, nahm die Kommunistische<br />

Partei Italiens nicht wahr. Mit Ausnahme des einzigen Gramsci<br />

schloß die Kommunistische Partei, wie mir italienische Freunde<br />

mitteilen, selbst die Möglichkeit der faschistischen Machtergreifung<br />

aus. Hat einmal die proletarische Revolution eine Niederlage erlitten,<br />

der Kapitalismus sich befestigt, die Konterrevolution triumphiert, was<br />

für einen konterrevolutionären Umsturz kann es da noch geben? Die<br />

Bourgeoisie kann doch nicht gegen sich selbst einen Aufstand machen!<br />

Das war der Kern der politischen Orientierung der italienischen<br />

Kommunistischen Partei. Man darf dabei nicht vergessen, daß der<br />

Faschismus damals eine neue Erscheinung darstellte und sich erst im<br />

Formierungsprozeß befand. Seine spezifischen Züge herauszuschälen<br />

wäre auch einer erfahreneren Partei nicht leicht gefallen.“ (Leo Trotzki:<br />

Was nun? 1936. http://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1932/<br />

wasnun/kap07.htm.)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!