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PDF herunterladen - Klasse Gegen Klasse

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s C h w e r p u n k T : G r a m s C i<br />

42<br />

einem gewissen Grade auch heute noch mit dem Trotzkismus<br />

(oder zumindest mit den Sektoren des Trotzkismus, die wie wir<br />

eine revolutionäre Sprache verwenden), indem man sie als naive<br />

VertreterInnen der permanenten Offensive abstempelt.<br />

In Wirklichkeit hat Trotzki niemals eine voluntaristische Position<br />

der permanenten Offensive vertreten, weder in den Friedensverhandlungen<br />

zwischen der entstehenden Sowjetunion<br />

und Deutschland, trotz den die Verhandlungen von Brest-Litowsk<br />

betreffenden Differenzen zwischen ihm und Lenin; noch<br />

auf dem II. Kongress der Dritten Internationale, auf dem er sich<br />

mit Lenin zusammen als „rechter Flügel“ vom linken Extremismus<br />

der Deutschen distanzierte. Betrachten wir einige weitere,<br />

äußerst wichtige Beispiele.<br />

In seinen „Lateinamerikanischen Schriften“ 12 macht er einen<br />

bemerkenswerten Gebrauch von „Schützengräben“ und „Stellungen“,<br />

wenn er die Verteidigung der Verstaatlichung des Erdöls<br />

in Mexiko, die der Nationalist Lázaro Cárdenas dekretiert hatte,<br />

vorschlägt. Von dieser Stellung aus, so sein Vorschlag, lassen<br />

sich neue Stellungen erobern, wie z.B. die ArbeiterInnenkontrolle<br />

der Erdölförderung. Bei dieser Gelegenheit weist er auch<br />

auf den Gebrauch hin, den wir RevolutionärInnen von der Regierungsmacht<br />

in einer Stadt oder sogar einer Provinz machen<br />

könnten. Statt wie die „transformierten“ Ex-TrotzkistInnen der<br />

PT in Brasilien, die die Regierungen in Städten wie Porto Alegre<br />

und Bundesstaaten wie Rio Grande do Sul stellen, einen rein<br />

reformistischen Gebrauch davon zu machen, könnten wir sie<br />

als Tribüne nutzen, um die unaufschiebbare Notwendigkeit der<br />

Ziele der Diktatur des Proletariats auf nationaler Ebene aufzuzeigen.<br />

Trotzki war die Idee, „dass man einen Krieg gewinnt, indem<br />

man sich in Friedenszeiten genauestens darauf vorbereitet“,<br />

keineswegs fremd. Deswegen bezeichnete er die lateinamerikanischen<br />

Regierungen der ‘30er Jahre als Ergebnis eines eigenartigen<br />

Kräfteverhältnisses zwischen dem jungen Proletariat und<br />

dem ausländischen Kapital, als den grundlegenden <strong>Klasse</strong>n,<br />

zwischen denen die nationalen Bourgeoisien versuchten, ein<br />

„instabiles Gleichgewicht“ (das heißt, einen relativen Frieden)<br />

herzustellen (was er einen Bonapartismus sui generis nannte).<br />

Auch zeigte er in der Kriegskunst selbst, während des russischen<br />

BürgerInnenkriegs, in dem er ein politisch-militärischer<br />

Führer war, dass er die Kombination von Stellung und Bewegung<br />

beherrschte. Im spanischen BürgerInnenkrieg vertrat er,<br />

entgegen des Etappenmodells der Führung der republikanischen<br />

Front, dass neue Ländereien enteignet und unter den<br />

Bauern/Bäuerinnen verteilt werden müssten oder dass die Fabriken<br />

verstaatlicht und unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt<br />

werden müssten (wirtschaftlich-gesellschaftliche Stellungen),<br />

Das Übergangsprogramm ist<br />

vom Standpunkt dieser Diskussion<br />

aus gesehen der Übergang<br />

von der Stellung zum Manöver.<br />

um jeden militärischen Gebietsgewinn der republikanischen<br />

Truppen zu festigen (Manöver), und dass diese neuen Positionen<br />

(„Meilensteine des Sozialismus“) nicht bis nach dem endgültigen<br />

Triumph im BürgerInnenkrieg aufgeschoben werden<br />

dürften, wie es die SozialdemokratInnen, StalinistInnen und<br />

sogar die AnarchistInnen forderten.<br />

Und natürlich ist die Idee der „politischen Revolution“ die<br />

neuartige Kombination aus Verteidigung der vom internationalen<br />

Proletariat eroberten Stellung, der Verstaatlichung der<br />

12. Leo Trotzki: Escritos Latinoamericanos. Buenos Aires 1999.<br />

Produktionsmittel in der Sowjetunion, und der Forderung nach<br />

dem „revolutionären Sturz der thermidorianischen Bürokratie“,<br />

um diesen „Schützengraben“ in Gefechtsverfassung für die<br />

internationale sozialistische Revolution zu bringen. Dabei distanzierte<br />

er sich jedoch immer von denjenigen, die nicht die<br />

Verteidigung der Sowjetunion propagierten: „Wer nicht in der<br />

Lage ist, gewonnene Positionen zu verteidigen, wird auch keine<br />

neun erobern können“.<br />

Angesichts des bevorstehenden Zweiten Weltkriegs, als es klar<br />

war, dass dieser auch nicht mehr durch „Revolutionen von unten“<br />

aufgehalten werden konnte (nach den Niederlagen in Spanien<br />

und Frankreich), entwarf Trotzki die kühnste aller politischen Taktiken.<br />

Die „proletarische Militärpolitik“ (PMP) war ein Leitfaden<br />

zur aktiven Intervention in den Krieg als der reaktionärsten der<br />

bürgerlichen Institutionen – diese ließe sich jedoch laut Trotzki<br />

genauso von den RevolutionärInnen nutzen wie das Parlament.<br />

Die „proletarische Militärpolitik“ besagte, dass während alles daran<br />

gesetzt wird, dass das kämpfende internationale Proletariat<br />

sich des imperialistischen Charakters des Krieges im Allgemeinen<br />

bewusst würde, gleichzeitig spezielle Taktiken entwickelt<br />

werden müssten, sowohl für die amerikanischen ArbeiterInnen,<br />

die Hitler besiegen wollten, als auch für die FranzosInnen oder<br />

PolInnen, die gegen die Nazi-Unterdrückung im eigenen Land<br />

kämpfen wollten. Mitten im Aufruhr, den dieser Krieg bedeutete<br />

– und der für Trotzki die „objektiven und die subjektiven Faktoren<br />

in Übereinstimmung brachte“ -, konzentrierte er in einer<br />

einzigen Politik alle drei „Momente“ des „Kräfteverhältnisses“, die<br />

Gramsci benennt: das „Moment des Bruchs“ des Proletariats mit<br />

seiner eigenen Bourgeoisie, mittels einer Politik, die die „ArbeiterInnen<br />

in Waffen“ von den „normalen“ Rekruten der imperialistischen<br />

Heere trennt; das „politische Moment“, in dem der Krieg<br />

und das „nationale Ziel“ dem <strong>Klasse</strong>nkampf nicht im Weg stehen<br />

und damit die Entwicklung von „Oktobern“ wie dem russischen<br />

im Krieg 1914-18 nicht unterbrechen; das „militärische Moment“,<br />

in dem er unter Fortsetzung und Weiterentwicklung der leninistischen<br />

Politik aus dem Ersten Weltkrieg eine neue Art und Weise<br />

der „Umwandlung des imperialistischen Krieges [dies schließt alle<br />

anderen Aspekte dieses Krieges, wie die Verteidigung der Sowjetunion,<br />

oder der nationalen Unterdrückung in den besetzten Ländern<br />

mit ein, A.d.R.] in einen BürgerInnenkrieg“ vorschlägt.<br />

Gramscis „Momente“ werden häufig als voneinander getrennte<br />

Etappen, wie in einer statischen Struktur, interpretiert<br />

(und Gramsci hat dieser Interpretation Vorschub geleistet),<br />

während bei Trotzki immer die Kombination von Etappen, Zeiten,<br />

Momenten und dynamischen Definitionen präsent ist. Was<br />

das angeht, folgt er dem Beispiel Lenins, der mit seiner Definition<br />

von Etappen und Situationen die Kategorie der Zeit in die<br />

revolutionäre Politik mit einbaut. Die Logik der Kombination<br />

von Ungleichheiten ist nicht nur für die Theorie der permanenten<br />

Revolution bestimmend, sondern auch für die Methode, die<br />

zum Übergangsprogramm führt.<br />

Dieses Programm wurde in den Vereinigten Staaten selbst<br />

diskutiert, mit der ganzen Komplexität, die dies mit sich brachte,<br />

angefangen von den Bedingungen des Amerikanismus und<br />

des „new deal“. Aus seiner Logik entstand der kühne Vorschlag<br />

von Forderungen zur Entlarvung der Regierung Roosevelts,<br />

etwa nach einem echten Plan öffentlicher Arbeiten, der die<br />

Massenarbeitslosigkeit endgültig beseitigen würde.<br />

Perry Anderson stellt die These auf, dass obwohl Trotzki die<br />

politischen Regime Europas besser kannte und korrekte Taktiken<br />

– wie die radikaldemokratische Forderung nach einer<br />

verfassunggebenden Versammlung in Frankreich und in Spanien<br />

– aufstellte, es trotzdem Gramsci sei, der sich die beunruhigendsten<br />

Fragen darüber stellte, wie man die stabilsten bürgerlichen<br />

Demokratien von links überwinden könne. Dies gewann<br />

an Bedeutung nicht etwa in der Vorkriegszeit, in der die Demokratien<br />

dem Faschismus oder dem Bonapartismus wichen, oder<br />

an extreme Regime wie die Volksfronten appellierte, sondern

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