Compliance in der Korruptionsprävention - Transparency International
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Betriebs-Berater (BB) | 62. Jg. | Heft 4 | 22. Januar 2007 WIRTSCHAFTSRECHT 167<br />
<strong>Compliance</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Korruptionsprävention</strong> – was müssen, was sollen, was können die Unternehmen tun? | Hauschka | Greeve<br />
nisatorische Maßnahmen verlangen müssen. In e<strong>in</strong>em Großunternehmen<br />
o<strong>der</strong> Konzernunternehmen s<strong>in</strong>d darüber h<strong>in</strong>ausgehende verstärkte/<strong>in</strong>tensive<br />
Präventionsmaßnahmen erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf das Kriterium <strong>der</strong> Betroffenheit ist e<strong>in</strong>e weitere Abstufung<br />
<strong>der</strong> Präventionsanfor<strong>der</strong>ungen möglich. Hier ist <strong>der</strong> „unternehmerische<br />
Normalfall“ ohne beson<strong>der</strong>es Risikogeschäft o<strong>der</strong> gefährdete<br />
Arbeitsbereiche zugrunde zu legen („Stufe I“). Wer als Handelsunternehmen<br />
18 tätig ist, beson<strong>der</strong>s gefährdeten Branchen – wie beispielsweise<br />
Teilen des Gesundheitssystems o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bauwirtschaft<br />
angehört –, wer <strong>in</strong> Län<strong>der</strong> mit hohem Korruptionsniveau 19 exportiert<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en konkreten Verdacht auf Korruptionsdelikte im<br />
Unternehmen hat o<strong>der</strong> haben sollte („Stufe II“), wird dagegen –<br />
von Anfang an – verstärkt präventiv tätig werden müssen.<br />
Auf dem höchsten Niveau <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Prävention bewegen<br />
sich diejenigen Unternehmen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em überschaubaren Zeitraum<br />
bereits von Korruption konkret betroffen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> waren („Stufe III“).<br />
Die erste Stufe ist geprägt von Information und Klarstellung, die<br />
zweite Stufe verlangt bereits konkrete weitergehende Organisationsmaßnahmen<br />
sowie e<strong>in</strong>hergehend e<strong>in</strong>e klare Zuordnung <strong>der</strong> Verantwortung,<br />
die dritte Stufe umfasst darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gliche Kontrolle<br />
und Diszipl<strong>in</strong>ierung 20 .<br />
Wie bei allen <strong>Compliance</strong>-Systemen, die – auch nach § 317 HGB<br />
– ihre Aufgabe erfüllen sollen, kommen <strong>in</strong>sgesamt den fünf Kriterien<br />
Commitment, Bestandsaufnahme, Organisation, Kommunikation<br />
und Dokumentation zentrale Bedeutung zu 21 .<br />
III. Abgestufte Kontrolldichte/Stufenmodell im E<strong>in</strong>zelnen<br />
1. Unternehmerischer „Normalfall“ („Stufe I“)<br />
a) Alle Unternehmen unabhängig von <strong>der</strong><br />
Unternehmensgröße<br />
Alle Unternehmen – unabhängig von <strong>der</strong> Unternehmensgröße –<br />
müssen sich über Korruptionsrisiken <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Risiko-Bestandsaufnahme<br />
generell bewusst werden 22 . Von <strong>der</strong> Unternehmensleitung<br />
ist e<strong>in</strong> „Commitment“ <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er unmissverständlichen<br />
Grundhaltung und/ o<strong>der</strong> Unternehmenskultur zu for<strong>der</strong>n.<br />
Mit „Commitment“ – e<strong>in</strong>em angelsächsischen Begriff, für den es<br />
ke<strong>in</strong>e unmittelbare deutsche Übersetzung gibt, ist e<strong>in</strong> „mit voller<br />
Überzeugung h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Sache stehen“ geme<strong>in</strong>t. Ohne „Commitment“<br />
<strong>der</strong> Unternehmensleitung und des Managements ist <strong>Compliance</strong><br />
grundsätzlich nicht möglich 23 . Es muss klargestellt werden,<br />
dass Straftaten wie Korruptionsdelikte ke<strong>in</strong> Mittel zur Erreichung<br />
des Geschäftszweckes s<strong>in</strong>d 24 . Diese Grundhaltung ist im<br />
Betrieb entsprechend zu kommunizieren, wobei das Mittel <strong>der</strong><br />
Kommunikation offen bleibt, aber für die Dokumentation und<br />
damit die Beweislast <strong>in</strong> möglichen Verfahren von erheblicher Bedeutung<br />
ist.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf die Organisation s<strong>in</strong>d grundlegende kaufmännische<br />
Pr<strong>in</strong>zipien zu beachten, die ohneh<strong>in</strong> aus an<strong>der</strong>en Gründen<br />
e<strong>in</strong>zuhalten s<strong>in</strong>d, aber im Zusammenhang mit <strong>der</strong> <strong>Korruptionsprävention</strong><br />
beson<strong>der</strong>e Bedeutung erlangen. Hierzu gehören die<br />
Dokumentations- und Nachweispflicht für Zahlungsvorgänge (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Barzahlungen, Geschenke, Reisekosten und Spesen, Bewirtungsvorgänge,<br />
Provisionen, Beraterhonorare, Eigenbelege)<br />
und <strong>der</strong>en Prüfung durch e<strong>in</strong>e unabhängige Stelle im Unternehmen.<br />
Potentiell mit Interessenkonflikten belastete Funktionen (E<strong>in</strong>kauf und<br />
Warene<strong>in</strong>gang/Lager, Rechnungsprüfung und Zahlungsfreigabe,<br />
Privatgeschäfte und Unternehmenstätigkeit, Investitionsanträge<br />
und Genehmigung etc.) s<strong>in</strong>d getrennt zu halten o<strong>der</strong> regelmäßig zu<br />
kontrollieren. In den Anstellungsverträgen – o<strong>der</strong> begleitenden Dokumenten<br />
– <strong>der</strong> Mitarbeiter und Geschäftsleiter s<strong>in</strong>d Nebentätigkeiten,<br />
Kapitalbeteiligungen, Beirats- und Beratertätigkeiten, Spenden,<br />
Sponsor<strong>in</strong>gleistungen und die Eröffnung von Firmenkonten bei<br />
Kredit<strong>in</strong>stituten (üblicherweise durch Zustimmungsvorbehalte)<br />
zu regeln. Nur Geschäftsleitungsmitglie<strong>der</strong> dürfen über Spenden<br />
und Sponsor<strong>in</strong>gleistungen entscheiden. Die Eröffnung von Bankkonten<br />
ist ebenfalls <strong>der</strong> Geschäftsleitung vorzubehalten. Die Zuwendung<br />
und <strong>der</strong> Erhalt von Geschenken, Nebentätigkeiten, Bewirtungen und<br />
die private Inanspruchnahme von Geschäftspartnern s<strong>in</strong>d für alle Mitarbeiter<br />
<strong>in</strong> Anstellungsverträgen o<strong>der</strong> Geschäftsanweisungen zu regeln.<br />
Im Zweifelsfall ist die E<strong>in</strong>schaltung <strong>der</strong> Geschäftsleitung sicher<br />
zu stellen, die zu entscheiden hat.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus ist die Überwachung <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong> Form von<br />
laufenden Kontrollen o<strong>der</strong> Stichproben 25 erfor<strong>der</strong>lich. Das kollidiert<br />
zwar zwangsläufig mit <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong> kollegialen Zusammenarbeit<br />
im Betrieb. Dennoch ist die Kontrolle zu dokumentieren, wenn<br />
sie ihre Wirkung entfalten soll. Interne Kontrollsysteme (IKS) 26<br />
s<strong>in</strong>d weit verbreitet und müssen Korruptionsrisiken <strong>in</strong> ihre Arbeit<br />
e<strong>in</strong>beziehen. Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung s<strong>in</strong>d Stichprobenkontrollen<br />
bei den Mitarbeitern <strong>in</strong> Intervallen von e<strong>in</strong>em Monat durchzuführen<br />
27 . Soweit die Stichproben o<strong>der</strong> Anhaltspunkte zu e<strong>in</strong>em<br />
konkreten Verdacht führen, gibt es <strong>in</strong> allen Unternehmen e<strong>in</strong>e<br />
Rechtspflicht zum E<strong>in</strong>schreiten 28 .<br />
Zudem ist <strong>der</strong> von allen Unternehmen generell verlangte lückenlose<br />
Organisationsplan von Bedeutung. Zusätzlich sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
mehrköpfigen Leitungsgremium die Verantwortung für die <strong>Korruptionsprävention</strong><br />
e<strong>in</strong>em Geschäftsleitungsmitglied zugewiesen werden, um<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Aufgabenzuteilung festzuhalten und e<strong>in</strong>en konkreten<br />
Ansprechpartner zur Verfügung zu haben 29 .<br />
18 Im Jahre 2005 kamen 69,1 % aller so genannten „Geber“ o<strong>der</strong> im Sprachgebrauch<br />
des Bundeskrim<strong>in</strong>alamtes „Korrumpierer“ aus dem Handel, wobei das<br />
Bild aber durch e<strong>in</strong>en Berl<strong>in</strong>er Verfahrenskomplex mit e<strong>in</strong>er großen Anzahl Tatverdächtigter<br />
verzerrt war, Bundeslagebild Korruption 2005 (oben Fn. 14), Pressefreie<br />
Kurzfassung, 10. Im Jahr 2004 war die Verteilung nach <strong>der</strong>selben Quelle<br />
Handel 15,2 %, Baubranche 14,8 %, Pharma/Gesundheit 15,2 % und Entsorgung<br />
3,4 %.<br />
19 Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d damit die Län<strong>der</strong>, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> Liste des „Corruption<br />
Perception Index“ von <strong>Transparency</strong> <strong>International</strong> bef<strong>in</strong>den (abrufbar<br />
unter www.transparency.de), zum<strong>in</strong>dest aber die Län<strong>der</strong>, die den Rang 100 und<br />
schlechter e<strong>in</strong>nehmen.<br />
20 Diese Abstufung wird <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Form, vor allem im H<strong>in</strong>blick auf die Frage<br />
<strong>der</strong> Rechtspflicht zur E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>Compliance</strong>-Organisation, vorgestellt<br />
von Hauschka, ZIP 2004, 877.<br />
21 Zu <strong>Compliance</strong>-Systemen und § 317 HGB, vor allem zu den Elementen Commitment,<br />
Bestandsaufnahme, Organisation, Kommunikation und Dokumentation<br />
e<strong>in</strong>gehend Hauschka, DB 2006, 1143; zu <strong>Compliance</strong>-Programmen und<br />
<strong>Compliance</strong>-Management Hauschka, NJW 2004, 257; <strong>der</strong>s., AG 2004, 461; <strong>der</strong>s.,<br />
BB 2004, 1178.<br />
22 Ob für die Erkennung von Gefahren die E<strong>in</strong>teilung <strong>der</strong> Betriebswirtschaft <strong>in</strong><br />
Fallgruppen hilft, sei dah<strong>in</strong>gestellt, jedenfalls soll es die Fälle <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nmaximierungs-,<br />
Verdrängungs-, Leistungs-, Genehmigungs-, F<strong>in</strong>anzierungs-, Auflagen-,<br />
Grenz-, Aufenthalts- und Legalisierungs- bzw. Kontrollkorruption sowie<br />
<strong>der</strong> situativen, strukturellen und <strong>in</strong>ternen (endemischen) Korruption geben,<br />
alle beschrieben bei Stierle (Fn. 4), S. 53 ff.<br />
23 Im E<strong>in</strong>zelnen zu „Commitment“ Hauschka, DB 2006, 1143, 1144.<br />
24 Wer es hieran fehlen lässt und bei se<strong>in</strong>en Mitarbeitern als Leitungsorgan den<br />
E<strong>in</strong>druck erweckt, auch <strong>in</strong> illegaler Weise erzielte Geschäftsabschlüsse seien<br />
willkommen, wenn sie „nur Umsatz br<strong>in</strong>gen“, geht das Risiko e<strong>in</strong>, nach Aufdeckung<br />
– die oft auch durch ausgeschiedenen Beschäftigte veranlasst wird – zum<strong>in</strong>dest<br />
als Anstifter o<strong>der</strong> Gehilfe bzw. sogar als Mittäter <strong>in</strong> Betracht zu kommen.<br />
25 BGH, WuW /1981, OLG 2330-2333; Greeve/Leipold, Handbuch des Baustrafrechts,<br />
2004, S. 71 ff.; Rebmann/Roth/Hermann (Fn. 8), § 130 OWiG, Rn. 14; Hermanns/Kleier<br />
(Fn. 8), S. 40 mit zahlreichen Nachweisen.<br />
26 E<strong>in</strong>zelheiten bei Kl<strong>in</strong>ger/Kl<strong>in</strong>ger, Das Interne Kontrollsystem im Unternehmen,<br />
2000; Euler, Interne Kontrollen im Unternehmen, 2. Aufl. 1992; Hofmann, Prüfungshandbuch,<br />
4. Aufl. 2002; Lück, Die Zukunft <strong>der</strong> Internen Revision, 1999.<br />
27 So das BayObLG, NJW 2002, 766, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs das Exportkontrollrecht<br />
betraf. Die S<strong>in</strong>nhaftigkeit dieser Entscheidung soll hier nicht weiter<br />
erörtert werden.<br />
28 Diszipl<strong>in</strong>armaßnahmen werden im Falle des Bekanntwerdens von Unregelmäßigkeiten<br />
gefor<strong>der</strong>t von Uwe H. Schnei<strong>der</strong>, ZIP 2003, 645; ebenso Hauschka, ZIP<br />
2004, 877, 881.<br />
29 Siehe beispielsweise speziell zum Organisationsmangel aufgrund fehlen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>deutiger<br />
Zuordnung und damit verbundener Kompetenzüberschneidungen<br />
OLG Düsseldorf, wistra 1999, 115 f.; OLG Naumburg, NZV 1998, 41.