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Blick ins Heft - Personalwirtschaft

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<strong>Personalwirtschaft</strong> 04 2013<br />

Inklusive<br />

Sonderheft<br />

MBA & Co.<br />

Magazin für Human Resources<br />

www.personalwirtschaft.de<br />

17,50 € G 21212 ISSN 0341-4698<br />

Art.-Nr. 07720304<br />

Vergütungsstudie | Diversity-Benchmark | Weiterbildung 50plus | Arbeitsstress<br />

Kita-Notstand<br />

Jetzt müssen die<br />

Unternehmen ran


Empört Euch!<br />

E<br />

s gab in den vergangenen Wochen viel<br />

Grund zur Empörung. Einer mit HR-<br />

Bezug war sicherlich der durch eine ARD-<br />

Dokumentation ausgelöste Amazon-Skandal.<br />

Dort wurden offenbar Mitarbeiter<br />

getäuscht, und Verbraucher zeigten sich<br />

entsetzt über die Arbeitsbedingungen bei<br />

ihrem so geliebten Online-Händler. Doch<br />

mittlerweile redet kaum noch jemand<br />

darüber. Wir hätten gerne mehr erfahren,<br />

auch von dem in die Kritik geratenen Personaldienstleister<br />

(wir berichteten online<br />

darüber). Leider hüllen sich die Beteiligten<br />

in Schweigen. Die „Vogel-Strauß-Politik“<br />

in der HR-Kommunikation ist mehr<br />

als bedenklich. Beide Unternehmen gelten<br />

übrigens als besonders attraktive<br />

Arbeitgeber und können entsprechende<br />

Auszeichnungen vorweisen.<br />

Auch bei unserem Titelthema möchte man<br />

den Familien und Unternehmen mit den<br />

Worten des kürzlich verstorbenen Essayisten<br />

und Widerstandskämpfers Stéphane<br />

Hessel zurufen: „Empört Euch!“ Denn<br />

sie müssen gerade leidlich erfahren, wie<br />

viel ein Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung<br />

für unter drei Jahre alte Kinder<br />

wert ist: so gut wie nichts. Zurzeit dürften<br />

viele Vorgesetzte und Personalchefs<br />

von jungen Müttern und Vätern hören:<br />

„Wenn ich ganz viel Glück habe, bekomme<br />

ich für meine kleine Tochter ab Sommer<br />

einen Kita-Platz. Dann kann ich eventuell<br />

auch wieder mehr arbeiten.“ Diese<br />

typische Äußerung offenbart zugleich das<br />

Dilemma: Der Rechtsanspruch auf einen<br />

Kita-Platz wird zur Glücksache, Personalplanung<br />

damit auch. Es fehlen schlichtweg<br />

zu viele Plätze. Verantwortlich dafür?<br />

Keiner so richtig, ein „Schwarzer-Peter-<br />

Spiel“ in unseren föderalen Strukturen,<br />

wie es der Sozialwissenschaftler Stefan<br />

Sell in unserem Interview kritisiert (Seite<br />

28). Der Bund formuliert einen Rechtsanspruch<br />

und veranstaltet werbewirksame<br />

Familiengipfel, die klammen Kommunen<br />

EDITORIAL<br />

kommen mit der Infrastruktur nicht hinterher.Und<br />

wenn sie es schaffen, stellen<br />

sie fest, dass geeignetes Personal fehlt.<br />

Die Familienpolitik ist gescheitert, sie<br />

gleicht einer planlosen Großbaustelle, wie<br />

wir sie leider auch andernorts in Berlin<br />

besichtigen können. Jetzt müssen es die<br />

Unternehmen richten, zumindest sollten<br />

sie die akute Not lindern. Große Unternehmen<br />

haben bereits eigene Kitas<br />

aufgebaut, auch im Mittelstand gibt es<br />

hervorragende Beispiele. Einige davon<br />

stellen wir im <strong>Heft</strong> zur Nachahmung vor<br />

(ab Seite 26).<br />

Personalmanager mögen kritisch einwenden,<br />

dass sie sich nicht um alles kümmern<br />

können: Business Partner, Employee<br />

Champion, Gesundheitsmanager – und<br />

jetzt auch noch Kinderbetreuer? Man kann<br />

es auch positiv sehen: HR wird an allen<br />

Fronten gebraucht. Empörung allein reicht<br />

leider nicht aus.<br />

Erwin Stickling<br />

Chefredakteur


TREFFPUNKT Personal Nord & Süd<br />

Gesunder Geist im<br />

gesunden Unternehmen<br />

Der zukünftige Erfolg von Volkswirtschaften und einzelnen<br />

Unternehmen hängt stark von immateriellen Werten ab.<br />

Dass dazu vor allem das Wissen und die Gesundheit von<br />

Mitarbeitern gehören, wird auf den Messen Personal<br />

Nord und Süd deutlich, die in diesem Jahr aber auch im<br />

Zeichen aktueller arbeitsmarktpolitischer Debatten stehen.<br />

V<br />

om Kita-Notstand über Belästigung<br />

am Arbeitsplatz und Manager-Gehälter<br />

bis zum Umgang mit Leiharbeitnehmern<br />

– in den vergangenen Wochen und<br />

Monaten haben verschiedene personalbezogene<br />

Themen zu gesellschaftsweiten<br />

Debatten geführt. Für aktuellen<br />

Gesprächs- und Diskussionsstoff ist auf<br />

den Messen Personal Nord und Süd, die<br />

Personalverantwortliche traditionsgemäß<br />

im Frühjahr auf den aktuellen Stand in<br />

Sachen Personalmanagement bringen,<br />

also gesorgt. Die beiden Branchentreffs<br />

finden am 23. und 24. April in der Messe<br />

Stuttgart und am 14. und 15. Mai im<br />

CCH in Hamburg statt. In Stuttgart prä-<br />

10<br />

Produktneuheit: <strong>Personalwirtschaft</strong> App<br />

04 |2013 www.personalwirtschaft.de<br />

sentieren sich mittlerweile mehr als 280<br />

Aussteller, in Hamburg über 250. Die<br />

Besucher können zudem zwischen 160<br />

(Süd) respektive 120 (Nord) Vorträgen<br />

wählen. Für zusätzliches Informationsangebot<br />

sorgen unter anderem zwei Parallelveranstaltungen:<br />

Die „Corporate Health<br />

Convention“ in Stuttgart und die erstmals<br />

zeitgleich mit der Personal Nord stattfindende<br />

Konferenz „IT meets HR“ des<br />

Hightech-Verbandes Bitkom.<br />

Ein Herz für die Familie<br />

Die Familienfreundlichkeit als unternehmerische<br />

Pflicht, mit der sich auch das<br />

Titelthema dieses <strong>Heft</strong>es auseinander-<br />

Die Personalarbeit wird mobil – die <strong>Personalwirtschaft</strong> auch!<br />

Auf den Messen Personal Nord und Süd präsentieren wir unter anderem unsere neue kostenlose<br />

<strong>Personalwirtschaft</strong> App. Dort finden Sie News, Videos, Audio-Podcasts, vertiefende Top-Themen aus<br />

der Zeitschrift, unseren Stellenmarkt sowie die bissig-satirischen Paradoxien im Personalmanagement–<br />

alles passend aufbereitet für Ihr Tablet. Einmal <strong>ins</strong>talliert – immer auf dem Laufenden.<br />

www.personalwirtschaft.de/app<br />

Bieten wieder ein breites Vortragsprogramm: Die Messen<br />

Personal Nord und Süd.<br />

Info<br />

setzt (ab Seite 22), taucht in diesem Jahr<br />

an verschiedenen Stellen im Messeprogramm<br />

auf. Eine prominente Rolle nimmt<br />

dabei das von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung<br />

initiierte und von der Bundesregierung<br />

unterstützte „Audit Berufundfamilie“<br />

ein. Jörg Rauschenberger,<br />

Chef von Rauschenberger Catering & Restaurants,<br />

stellt es beispielsweise in seinem<br />

Keynote-Vortrag am zweiten Tag der<br />

Personal Süd als einen Weg zu einer familienbewussten<br />

Personalpolitik vor. Weitere<br />

Informationen und Hintergrundwissen<br />

zum Audit liefert wenig später Sabine<br />

Weigel, Auditorin bei der Berufundfamilie<br />

Service GmbH, im Vortrag „Familienund<br />

lebensphasenbewusst führen. Geben<br />

und Nehmen in der Balance“.<br />

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen<br />

zeichnen sich, ganz grundsätzlich gesehen,<br />

vor allem durch Flexibität aus. Homeoffice,<br />

Telearbeit und mobiles Arbeiten<br />

sind Beispiele für entsprechende Formen<br />

der Zusammenarbeit. Welche IT-Tools<br />

jeweils am geeignetsten sind, diskutieren<br />

Simone Schuhmacher und Sandra<br />

Foto: Franz Pfluegl/Personal 012 Süd


Benz vom Projekt kmu4family mit den<br />

Stuttgarter Messebesuchern.<br />

Auf der Hamburger Messe wiederum erörtern<br />

Berufundfamilie-Auditoren die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf speziell<br />

bei Auslandsentsendungen, internationalen<br />

Karrieren und bei sogenannten<br />

„Dual-Career-Couples“. An selbiger Stelle<br />

beschreiben Referentinnen des Aktionsprogramms<br />

„Perspektive Wiedere<strong>ins</strong>tieg“<br />

des Bundesfamilienministeriums<br />

Ansätze zur Aktivierung von Frauen, die<br />

mehrere Jahre familienbedingt im Beruf<br />

ausgesetzt haben.<br />

Schlechte Führung, schlechte Presse<br />

Die Gemüter erhitzte kürzlich die Gängelung<br />

von Leiharbeitnehmern, die für<br />

den Versandhändler Amazon im E<strong>ins</strong>atz<br />

waren. Fälle wie diese kratzen am Image<br />

der Zeitarbeit, die im Rahmen einer<br />

Gerechtigkeitsdebatte durchaus zu einem<br />

Wahlkampfthema werden könnte. Die<br />

aktuelle Diskussion greift die Bundesvorsitzende<br />

des Interessenverbands Deutscher<br />

Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Ariane<br />

Durian, auf der „Personal Süd“ auf. In<br />

ihrem Vortrag „Gute Zeitarbeit – Aktuelle<br />

Entwicklungen einer Zukunftsbranche“<br />

will sie skizzieren, wie in ihrer Branche<br />

die Forderungen nach Flexibilität und<br />

nach Fairness zusammengebracht werden<br />

können.<br />

Geraten Unternehmen in die Negativ-<br />

Schlagzeilen, stellt sich regelmäßig die<br />

Frage: Hätte der Skandal nicht durch an<br />

ethischen Kriterien orientierte Führungskräfteauswahl<br />

und -entwicklung verhindert<br />

werden können? Die Frage gibt Erwin<br />

Stickling, Chefredakteur der <strong>Personalwirtschaft</strong>,<br />

an die Teilnehmer der von ihm<br />

geleiteten Podiumsdiskussion „Schlechtes<br />

Management – über die Verantwortung<br />

der Führungskräfteentwicklung“<br />

weiter (siehe Kasten Seite 13).<br />

Skandalös ist in vielen Unternehmen<br />

immer noch Zahl der Frauen in Führungspositionen.<br />

Die gesetzliche Quote als<br />

Lösung scheidet jedoch die Geister –<br />

Befürworter sehen sie als Türöffner, Geg-<br />

ner fürchten um das Leistungsprinzip.<br />

Gute Chefinnen fallen nicht vom Himmel,<br />

sondern müssen entwickelt werden, findet<br />

die Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht.<br />

Sie stellt in ihrer Podiumsdiskussion<br />

die Frage: „Was können Unternehmen<br />

tun, um ihre Quote an kompetenten Führungsfrauen<br />

zu steigern?“<br />

Lernen von den Besten<br />

„Und so lautet ein Beschluss, dass der<br />

Mensch was lernen muss“ – der pädagogische<br />

Imperativ von Wilhelm Busch hat<br />

bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt.<br />

Lernfähigkeit ist in der Wissensgesellschaft<br />

ein, wenn nicht der entscheidende<br />

Erfolgsfaktor, was sowohl für<br />

Führungskräfte und Mitarbeiter als auch<br />

für Organisationen gilt. Sie zu fördern ist<br />

eines der Handlungsfelder, auf denen Personalabteilungen<br />

den größten Beitrag zum<br />

Unternehmenserfolg leisten können. Eine<br />

prominente Stellung nimmt das Thema<br />

Weiterbildung in diesem Jahr vor allem<br />

auf und rund um die „Personal Süd“ ein.<br />

Best Practices und Hintergrundinformationen<br />

für ein besseres Bildungsmanagement<br />

im Betrieb will beispielsweise die<br />

Präsentation des „Deutschen Bildungspreises“<br />

liefern. Der Award, ein Projekt<br />

von EuPD Research Sustainable Management<br />

und der TÜV Süd Akademie, wird<br />

am Vortag der Messe in einer separaten<br />

Veranstaltung erstmals verliehen. Mit der<br />

Auszeichnung wollen die Initiatoren dafür<br />

sensibilisieren, wie Weiterbildung gleichermaßen<br />

zu nachhaltigem Unternehmenswachstum,<br />

wirtschaftlichem Erfolg<br />

und Mitarbeiterzufriedenheit beitragen<br />

kann. Unter dem Titel „Lernen von den<br />

Besten – Deutschlands Vorreiter im Bildungs-<br />

und Talent Management“ stellen<br />

Dr. Oliver Timo Henssler (EuPD) und Thomas<br />

Wagenpfeil (TÜV Süd) die besten<br />

Konzepte sowie Erkenntnisse aus den<br />

Bewerbungsunterlagen der 133 teilnehmenden<br />

Unternehmen und Institutionen<br />

vor. Einige Ergebnisse liegen bereits vor:<br />

Dazu gehört die Erkenntnis, dass es vielerorts<br />

immer noch an klugen Strategien<br />

04 |2013 www.personalwirtschaft.de 11


TREFFPUNKT Personal Nord & Süd<br />

für den Praxistransfer fehlt (siehe <strong>Personalwirtschaft</strong><br />

03/2013, Seiten 55-57).<br />

In dieselbe Kerbe schlagen die Referenten<br />

Gabriele Fröhlink und Peter Bort vom<br />

Software-Hersteller Datev. Sie bemängeln,<br />

dass Weiterbildung weitgehend an arbeitsplatzfernen<br />

Lernorten anhand von Fallbeispielen<br />

erfolgt. Der Titel ihres Vortrags am<br />

ersten Messetag lautet daher: „Machen<br />

Sie Ihre Mitarbeiter zu Zukunftsgestaltern<br />

– Dynamisieren von Unternehmen<br />

durch Projektlernen“.<br />

Neuer Wind im Öffentlichen Dienst<br />

Mit der Gestaltung der eigenen Zukunft<br />

muss sich auch der Öffentliche Dienst<br />

auseinandersetzen. Auch er steht vor großen<br />

Herausforderungen – vom demografischen<br />

Wandel bis hin zu einem neuen<br />

Politikverständnis einer wachsenden Zahl<br />

von Bürgern, die mehr Mitsprache einfordern.<br />

Wie sie ihnen begegnen können,<br />

erfahren Personalverantwortliche aus<br />

dem Public Sector auf der Personal Süd<br />

in der Reihe „Personal & Verwaltung“, für<br />

Besuchen Sie die <strong>Personalwirtschaft</strong><br />

Personal 2013 Nord: Stand D.29<br />

Personal 2013 Süd: Stand B.27<br />

Auch die <strong>Personalwirtschaft</strong> präsentiert wieder ihre HR-Informationsangebote – neben unseren<br />

bekannten Zeitschriften, Büchern und Online-Portalen gibt es spannende Produktneuheiten wie die<br />

<strong>Personalwirtschaft</strong> App.<br />

die die Messemacher einen neuen Kooperationspartner<br />

gewinnen konnten: Die<br />

Führungsakademie Baden-Württemberg<br />

moderiert und gestaltet einen großen Teil<br />

der Vorträge. In diesen beschreiben Fachleute<br />

aus Wissenschaft und Praxis unter<br />

anderem, wie der Öffentliche Dienst in<br />

Sachen Rekrutierung und Mitarbeiterbindung,<br />

Personalführung und Ressourcenmanagement<br />

auf geänderte Rahmenbedingungen<br />

reagieren kann und welche<br />

Parallelen zum Management von Unternehmen<br />

bestehen. „Gesundheit und<br />

Führung“ lautet etwa der Vortrag von Thomas<br />

E. Berg, Generalsekretär der Führungsakademie<br />

Baden-Württemberg.<br />

Auch das Institut der deutschen Wirtschaft<br />

Köln (IW) ist mit einer Podiumsdiskussion<br />

vertreten. Unter Moderation von<br />

Christiane Flüter-Hoffmann, Senior<br />

Researcher Betriebliche Personalpolitik,<br />

diskutieren unter anderem ein Vertreter


des Bundesfamilienministeriums und des<br />

Bundesverbands der Personalmanager<br />

über das Thema „Wegen Personalmangels<br />

geschlossen? Personalmarketing der<br />

Zukunft – Innovative HR-Konzepte in Privatwirtschaft<br />

und öffentlicher Verwaltung“.<br />

Gesundheit als Wachstumsgenerator<br />

Egal ob Verwaltung oder Unternehmen –<br />

für die potenziellen Bewerber von heute<br />

und morgen, die das Personalmarketing<br />

ansprechen soll, gewinnt der Faktor<br />

Gesundheit bei der Arbeitgeberwahl an<br />

Bedeutung. Nicht nur deshalb ist die<br />

betriebliche Gesundheitsförderung in vielen<br />

Unternehmen mittlerweile Teil der<br />

Personalstrategie. Über neue Ansätze und<br />

erprobte Instrumente informiert zum dritten<br />

Mal die „Corporate Health Convention“,<br />

die erneut parallel zur „Personal Süd“<br />

stattfindet. Dort gibt es an über 120 Stän-<br />

Podiumsdiskussion<br />

Messe Personal 2013, Stuttgart, Mittwoch, 24. April 2013, 13.25 bis 14.20 Uhr, Forum 3<br />

Schlechtes Management – Über die Verantwortung der Führungskräfteentwicklung<br />

Die Führungskräfteentwicklung war immer eine imageträchtige HR-Domäne. Doch vor dem<br />

Hintergrund zunehmender Berichte über Skandale und Versagen von Top-Managern drängt sich<br />

die Frage auf, welche Rolle das Talent Management und die Führungstrainings in den Unternehmen<br />

dabei spielen. Wir diskutieren mit HR-Verantwortlichen und Managementexperten darüber, ob und<br />

wie die Leitlinien und Methoden der Führungskräfteentwicklung verändert werden müssen.<br />

Moderation: Erwin Stickling, Chefredakteur der Zeitschrift <strong>Personalwirtschaft</strong>, Wolters Kluwer<br />

Deutschland<br />

Teilnehmer: u.a. Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp, Leiterin Personalentwicklung Konzern und<br />

Konzernführungskräfte, DB Mobility Logistics AG, sowie Joachim Hoffmann, ehemaliger Leiter<br />

Personalentwicklung bei der BMW Group<br />

den und in über 80 Fachbeiträgen Input<br />

zu Themen wie „gesunde Unternehmenskultur“,<br />

„ergonomische Arbeitsplatzgestaltung“<br />

und „Betriebsverpflegung“.<br />

Wie groß seiner Ansicht nach die Bedeutung<br />

des Faktors Gesundheit für die Wirtschaft<br />

ist, erklärt beispielsweise Zukunfts-<br />

forscher Erik Händeler in seiner Keynote.<br />

Händeler sieht im Gesundheitssektor<br />

das Potenzial für einen neuen Wirtschaftsboom<br />

und stützt sich dabei auf den russischen<br />

Wirtschaftsforscher Nikolai Kondratieff,<br />

dem zufolge langanhaltende<br />

wirtschaftliche Aufschwünge auf Innova-


TREFFPUNKT Personal Nord & Süd<br />

tionen basieren, die Folge eines gravierenden<br />

Mangels sind. Händelers Grundgedanke:<br />

Gesundheit ist heute ein knappes<br />

Gut und damit wachstumshemmend.<br />

Das bisherige Gesundheitssystem, das<br />

vorrangig auf die Heilung von Krankheiten<br />

setze, greife in diesem Sinne nicht<br />

ausreichend. Warum und wie Unternehmen<br />

einen Beitrag zur Herstellung<br />

gesundherhaltender Strukturen leisten<br />

sollten, erläutert er am ersten Messetag.<br />

Auf die schwerwiegenden Folgen des<br />

Bewegungsmangels, unter dem nicht selten<br />

Inhaber von Büroarbeitsplätzen leiden,<br />

macht wiederum Professor Dr. Ingo<br />

Froböse, Leiter des Zentrums für Bewegungstherapie<br />

an der Deutschen Sporthochschule<br />

Köln (DSHS), am zweiten Messetag<br />

aufmerksam. Er hat aber auch eine<br />

gute Nachricht im Gepäck: Laut aktuellem<br />

Stand der Forschung beeinflusst bereits<br />

moderate Bewegung den körperlichen<br />

und seelischen Gesundheitszustand positiv.<br />

Für BGM-Beauftragte ein Argument<br />

mehr, ein Augenmerk auf niedrigschwellige<br />

Angebote zu legen.<br />

Und Dr. Götz Richter von der Bundesanstalt<br />

für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />

(BAuA) erläutert in seinem Vortrag<br />

„Der Mensch im Mittelpunkt – Arbeitsge-<br />

staltung für den demografischen Wandel“,<br />

warum systematische Belastungswechsel<br />

und Lernanreize Schlüsselfaktoren<br />

für gesundes Altern in Arbeit sind.<br />

Messebesucher, die Gesundheitsmanagement<br />

am eigenen Leibe erleben wollen,<br />

können sich auf der Ausstellungsfläche<br />

auf den „Gesundheitsparcour“ begeben.<br />

Teilnehmende Dienstleister bieten verschiedene<br />

kostenlose Check-ups, Massagen<br />

und Fitness-Elemente. Wie in den<br />

Vorjahren berechtigt der Erwerb eines<br />

Tickets auch zum Besuch der „Personal<br />

Süd“ und andersherum.<br />

Parallelveranstaltungen in<br />

Nord und Süd<br />

Die Gelegenheit, den Messebesuch der<br />

„Personal“ mit einer parallelen Fachveranstaltung<br />

zu verknüpfen, gibt es auch<br />

in Hamburg. Denn zeitgleich veranstaltet<br />

dort erstmals der Branchenverband<br />

BITKOM seinen Kongress „IT meets HR“,<br />

dessen Ticket die Gebühr für die Messe<br />

beinhaltet. Im Mittelpunkt des Programms<br />

steht die Frage, wie eine von Internet und<br />

mobilen Endgeräten beeinflusste Arbeitswelt<br />

der Zukunft aussieht. Mobiles Arbeiten,<br />

Leadership im Umgang mit der<br />

„Generation Y“ und Social Media in der<br />

Linktipps<br />

Näheres zu den vorgestellten Veranstaltungen<br />

gibt es im Internet unter:<br />

www.personal-messe.de<br />

www.corporate-health-convention.de<br />

www.deutscher-bildungspreis.de<br />

www.it-meets-hr.de<br />

Info<br />

Personalarbeit sind nur drei der Themenblöcke,<br />

die sich mit der Arbeitskultur von<br />

morgen auseinandersetzen. „Future<br />

Work – Fluch oder Segen für den Arbeitnehmer?“<br />

ist beispielsweise das Thema<br />

einer Podiumsdiskussion, an der unter<br />

anderem Frank Kohl-Boas, Head of HR<br />

DACH der Google GmbH, und der Neurobiologe<br />

Professor Dr. Martin Korte von<br />

der TU Braunschweig teilnehmen. Darüber<br />

hinaus stellen renommierte Experten<br />

unter anderem innovative Lösungen<br />

für Mobile Recruiting und Employer Branding<br />

im Web 2.0 vor.<br />

Alexander Kolberg


FORUM Arbeitsstress<br />

Fix und fertig<br />

Die von den Gewerkschaften geforderte Anti-Stress-Verordnung ist vom Tisch, weil die Arbeitgeber<br />

und die Arbeitsministerin die bestehenden Gesetze für ausreichend halten. Dagegen steht nicht<br />

nur der Stressreport 2012. Auch Personaler spüren die psychische Belastung aufgrund des wachsenden<br />

Arbeitsdrucks – bei den Kollegen und am eigenen Leibe.<br />

K<br />

rank vor Stress? Nicht Malte Hansen.<br />

Im Gegenteil, der Personalleiter bei<br />

Veolia Wasser in Berlin empfindet Zeitdruck<br />

als anregend und belebend. „Ich<br />

bin keiner, der drei Wochen vor Term<strong>ins</strong>chluss<br />

fertig ist“, erzählt er in aller<br />

Gemütsruhe, „ich brauche einen gewissen<br />

Stressfaktor. Ich finde es sogar gut,<br />

unter Stress zu stehen.“<br />

Natürlich weiß der HR-Profi, dass viele<br />

Kollegen völlig anderer Meinung sind.<br />

„Wir Personaler haben oft schwierige,<br />

heikle, unangenehme Themen zu bearbeiten.<br />

Themen, bei deren Umsetzung<br />

man auch Gewissensbisse hat, zum Beispiel<br />

betriebsbedingte Kündigungen oder<br />

durchzudrückende Change-Prozesse.“<br />

Dabei stünde man als Personaler allein in<br />

der Pflicht – häufig ohne die Zeit oder die<br />

Ressourcen, um die Themen vernünftig<br />

umzusetzen und deren Hintergrund zu<br />

kommunizieren. Jetzt regt sich Hansen<br />

doch ein Stück weit auf. „Dazu sind die<br />

16<br />

04 |2013 www.personalwirtschaft.de<br />

meisten Personaler aber nicht angetreten!<br />

Die wollen die Zusammenarbeit zwischen<br />

Menschen verbessern! Die wollen<br />

die Welt besser machen!“ Die Sehnsucht<br />

nach der heilen Welt legt die Schlussfolgerung<br />

nahe: „Personaler sind stärker<br />

von Stress betroffen als andere Führungskräfte.“<br />

HR unter Stress<br />

Wie stark, zeigt eine Blitzumfrage des<br />

Netzwerks Initiative Selbst-GmbH e.V.<br />

anlässlich eines Treffens von rund 140<br />

Personalern im Mai 2011. Zwei von drei<br />

Netzwerkern gaben damals an, ihre<br />

Arbeitsmenge sei in den letzten zwei Jahren<br />

größer und die Aufgaben komplexer<br />

geworden. Die Aussage „Neue Herausforderungen<br />

kommen in immer kürzeren<br />

Zeitabständen auf mich zu“ unterschrieben<br />

sogar 85 Prozent – und beklagten<br />

gleichzeitig die an allen Ecken und Enden<br />

fehlenden Ressourcen.<br />

Die Momentaufnahme unter den Personalern<br />

zeigt tatsächlich mehr als doppelt so<br />

hohe Werte wie Vergleichszahlen aller<br />

Berufstätiger. Nach dem im Januar von<br />

der Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />

und Arbeitsmedizin (BAuA) vorgestellten<br />

„Stressreport Deutschland 2012“ klagen<br />

mehr als 40 Prozent der Arbeitnehmer<br />

über steigende Belastungen am Arbeitsplatz.<br />

Auch der kurz darauf veröffentlichte<br />

DAK-Gesundheitsreport schlägt Alarm:<br />

Zwischen 1997 und 2012 habe die Anzahl<br />

der Fehltage durch Depressionen und<br />

andere psychischen Krankheiten um 165<br />

Prozent zugenommen. Nach Erhebungen<br />

des Bundesarbeitsministeriums wurden<br />

allein 2011 bundesweit 59,2 Millionen<br />

Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer<br />

Erkrankungen registriert. Frauen<br />

waren dabei fast doppelt so häufig<br />

betroffen wie Männer. Die Tatsache, dass<br />

die HR-Bereiche – mit Ausnahme der Führungsfunktionen<br />

– fest in weiblicher Hand


sind, nährt Hansens These von der besonderen<br />

Stressanfälligkeit der Personaler.<br />

Ebenso das Argument von Isabell Krone,<br />

viele Jahre in der HR-Führung tätig und<br />

heute als Coach unterwegs: Personaler<br />

litten deshalb unter einer übermäßigen<br />

Anspannung, weil sie gezwungen seien,<br />

die auf den Belegschaften lastenden Mehranforderungen<br />

auf höhere Anweisung hin<br />

durchzudrücken. „Die gleiche Arbeit muss<br />

mit immer weniger Menschen gemacht<br />

werden, irgendwann geht das aber nicht<br />

mehr“, so Krone. Zu den Folgen gehörten<br />

hochschnellende Krankheitsraten, wachsende<br />

Frustration und Angst um den<br />

Arbeitsplatz. Die erfahrene Personalerin<br />

weiß: Die Geschäftsleitungen fordern,<br />

dass HR dem etwas entgegensetzt. Aber<br />

was, wenn die Leistungsanforderungen –<br />

nicht zuletzt auch die an das Personal –<br />

weiter hochgeschraubt werden? „Es gehört<br />

zur Rolle des Personalers, sich einzumischen,<br />

wo Prozesse in die falsche Richtung<br />

laufen.“<br />

Mit Krones Lösung wäre das Thema vermutlich<br />

recht schnell vom Tisch: „Personaler<br />

benötigten eine Vertrauensstellung,<br />

wo sie nicht um den eigenen Arbeitsplatz<br />

fürchten müssen, auch wenn sie unangenehme<br />

Wahrheiten ansprechen.“ Doch<br />

wo Furcht die Courage im Zaum hält, müssen<br />

Gesprächsleitfäden, Sensibilisierungs-<br />

Workshops und freundliche Appelle an<br />

die Führungskräfte reichen: „Achten Sie<br />

bitte auf die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter.“<br />

Für strenge Anweisungen wie E-Mailund<br />

Handynutzungsverbote nach Feierabend<br />

bedarf es nun mal der Rückendeckung<br />

von höherer Stelle.<br />

HR als Vorbild<br />

Den Anstupser dafür freilich kann HR<br />

gefahrlos liefern. „Wir haben Ende 2012<br />

intensiv mit den Führungskräften über<br />

das Burnout-Risiko geredet“, erzählt Patricia<br />

Haß-Priske, HR-Chefin beim Farbenhersteller<br />

Sun Chemical in Frankfurt. Die<br />

Stress-Verringerung gehöre nicht zu ihren<br />

Aufgaben, wurde Haß-Priske oft entgegengehalten<br />

und sie konterte, sehr wohl<br />

aber das Erkennen einer übermäßigen<br />

„Personaler können ganz viel tun, um die<br />

Stressbelastung der Mitarbeiter zu verringern.<br />

Sebastian Mittman, Arbeitspsychologe an der Hochschule für Telekommunikation (HfTL) in Leipzig<br />

Stress-Belastung. Sie selbst ist als Personaldirektorin<br />

für Deutschland und Osteuropa<br />

zuständig, ihr oberster Boss sitzt<br />

in Japan, Kollegen in den USA. Um sieben<br />

Uhr morgens ist sie am Schreibtisch, um<br />

acht Uhr abends zu Hause – wenn sie<br />

nicht auf Reisen ist, wie etwa an drei<br />

Tagen in der Woche. „Mein Chef erwartet<br />

von mir, dass ich über die arbeitsrechtliche<br />

Situation, die Mitarbeiter und deren<br />

Performance in jedem einzelnen Land<br />

Auskunft geben kann“, beschreibt sie ihr<br />

Soll, doch das sei schwer zu realisieren,<br />

obwohl sie auch abends an das Geschäftshandy<br />

geht und spät ankommende Mails<br />

liest. „Meine Mitarbeiter müssen aber<br />

abends nichts von mir beantworten, auch<br />

keinen Anruf“, sagt Haß-Priske. „HR muss<br />

Vorbild sein. Wenn ich das in meinem<br />

Team nicht hinkriege – wie soll das dann<br />

gehen?“<br />

Vorbild sein und Einwirken auf die Führungskräfte<br />

– das sind die beiden wirksamsten<br />

Anti-Stress-Hebel der Personaler.<br />

Mit einer zwischen Gewerkschaften und<br />

Arbeitgebern vereinbarten Anti-Stress-<br />

Verordnung ließe sich das Problem nicht<br />

in den Griff bekommen, glaubt Veolia-<br />

Manager Malte Hansen. „Jede Führungskraft<br />

muss ihren Mitarbeitern klar<br />

machen, was sie von ihnen erwartet und<br />

was nicht, und ebenfalls, was die Mitarbeiter<br />

von der Führungskraft erwarten<br />

können und was nicht.“ Daraus müsse<br />

erkennbar werden: Wo sind die Führungskräfte<br />

bereit, selbst zu kämpfen, selbst<br />

Stress auf sich zu nehmen? „Wenn das<br />

klar ist, dann ist die Zusammenarbeit viel<br />

leichter.“ Wer erklärt das den Führungskräften?<br />

Natürlich die Personaler. Und<br />

wenn sich die Leitenden nicht daran halten?<br />

Malte Hansen rät zur Unermüdlichkeit:<br />

„Das Beste daraus machen und in<br />

die Lernkurve gehen.“ Soll heißen: Darauf<br />

achten, bei wem welches Argument gezogen<br />

hat und das dann bei einem Gespräch<br />

mit dem nächsten Team- oder Abteilungsleiter<br />

als erstes servieren.<br />

Auf Erwartungsklärung setzt auch Sebastian<br />

Mittmann. Der Arbeitspsychologe leitet<br />

das Qualitätsmanagement an der Hochschule<br />

für Telekommunikation (HfTL) in<br />

Leipzig. „Die Psychologie hält eine Reihe<br />

von Konzepten zur Stressreduktion im<br />

Arbeitskontext bereit“, sagt er, „<strong>ins</strong>besondere<br />

die Handlungsregulationspsychologie.“<br />

Der zufolge resultiere Überlastung bei<br />

Mitarbeitern aus Arbeitsaufträgen, die nicht<br />

in der verlangten Menge oder Güte bewältigt<br />

werden könnten. Mittmann sieht hier<br />

gleich drei Ansatzpunkte für Personaler:<br />

l Bei der Arbeitsdisposition sei zu prüfen:<br />

Kann der betreffende Mitarbeiter<br />

mit Stress umgehen?<br />

l Bei Handlungstechniken und -strategien<br />

zur Bewältigung der Arbeit möge HR<br />

Vorbilder präsentieren und mehr Trainings<br />

on-the-Job einrichten.<br />

l Bei der Formulierung der Handlungsziele<br />

sei die Lösung, auf die Führungskräfte<br />

einzuwirken.<br />

Mittmann ist überzeugt: „Personaler können<br />

ganz viel tun, um die Stressbelastung<br />

der Mitarbeiter zu verringern.“ Auch hier<br />

allerdings wieder mit der E<strong>ins</strong>chränkung:<br />

Wenn die Führungskräfte mitspielen.<br />

Eine ganz eigene Meinung zum Thema<br />

Stress hat Siegfried Baumeister, 67, früher<br />

Personalleiter der Voss-Gruppe und<br />

heute Vorstand der Hans-Hermann-Voss<br />

Stiftung. „Der Stress-Report hat mich auf<br />

die Palme gebracht“, sagt er zornig. Bevor<br />

sich die Personalerszene spontan auf Maßnahmen<br />

stürze, müssten die Menschen<br />

im Umgang mit sich selbst etwas verändern.<br />

Dann könne man krank machenden<br />

Stress schon im Ansatz vermeiden.<br />

Das könne Teil eines Personalentwicklungsprogramms<br />

sein, und anfangen solle<br />

man bei den Führungskräften.<br />

Christine Demmer, freie Journalistin,<br />

Värnamo (Schweden)<br />

04 |2013 www.personalwirtschaft.de 17

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