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FAMILIENRAT - Wadzeck-Stiftung

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<strong>FAMILIENRAT</strong><br />

NACH DER METHODE DES<br />

FAMILY-GROUP-CONFERENCE<br />

Konzept der <strong>Wadzeck</strong>-<strong>Stiftung</strong><br />

als ambulante Leistung nach § 27 SGB VIII<br />

2009<br />

1


Präambel<br />

Die aus Neuseeland stammende Methode der „Family-Group-Conference“,<br />

auch „Familienrat“ genannt, wird im Bereich der Jugendhilfe in<br />

Deutschland breit diskutiert, bereits vielfach erfolgreich umgesetzt und<br />

ausgewertet. 1<br />

In Neuseeland wurde die Methode 1989 als gesetzlich vorgeschriebene<br />

Maßnahme bei Kindeswohlgefährdung und in der Jugendgerichtshilfe vor<br />

allen weiteren Interventionen im „Children, Young Persons and their<br />

Families Act“ verankert.<br />

Die Herangehensweise, belastete Familien darin zu unterstützen, eigene<br />

Lösungen für Probleme zu entwickeln, entspricht dabei einerseits den im<br />

Kinder- und Jugendhilfegesetz geforderten Leitgedanken von<br />

Betroffenenbeteiligung, Koproduktion von sozialpädagogischen<br />

Fachkräften und AdressatInnen, konsequenter Ressourcenorientierung<br />

und Empowerment sowie andererseits dem Ziel, Hilfen der modernen<br />

Jugendhilfe effektiv und effizient zu gestalten.<br />

Das im Folgenden dargestellte Konzept der <strong>Wadzeck</strong>-<strong>Stiftung</strong> zum<br />

Familienrat basiert auf diesen Leitgedanken und Zielen.<br />

Das Angebot<br />

Family-Group-Conference oder Familienrat ist ein Angebot für Familien,<br />

eigene Problemlösungen für sich und die Zukunft ihrer Kinder zu finden.<br />

Es ist ein Zusammentreffen von Familienmitgliedern und hilfreichen<br />

Personen aus dem sozialen Umfeld oder von Institutionen (z.B. Schule,<br />

Kita), die zur Lösung des Problems beitragen können. Dabei entscheidet<br />

jeweils die Familie, wer am Familienrat teilnehmen soll.<br />

Ziele der Methode:<br />

Der Methode der Family-Group-Conference geht davon aus, dass die<br />

AdressatInnen von Hilfen hinsichtlich angemessener Angebote für ihre<br />

Problemlagen grundsätzlich entscheidungskompetent sind sowie ihre<br />

Bedarfe auch einschätzen können. Vor dem Hintergrund dieser<br />

Grundgedanken verfolgt die Familiy Group Conference folgende Ziele:<br />

Familien werden angeregt und unterstützt, ihre Probleme selbst<br />

anzugehen und Lösungen zu finden.<br />

Familienangehörige, soziale Netzwerke und Gemeinwesenbezüge<br />

werden einbezogen, um vielfältige Ressourcen zu aktivieren und an<br />

der Problemlösung zu beteiligen.<br />

Die Familie wird selbst zum Entscheidungsträger für die Lösung oder<br />

1 z.B. In Berlin-Mitte, Stuttgart, Frankfurt a. Main ...<br />

2


Hilfe und übernimmt die Verantwortung für die Umsetzung und<br />

Überprüfung.<br />

Kinder und Jugendliche sollen möglichst in ihren familiären Bezügen<br />

bleiben.<br />

Kindeswohlsicherung wird gewährleistet, indem den fallzuständigen<br />

Fachkräften ein so genanntes „Veto-Recht“ zugestanden wird.<br />

Das Angebot gewährleistet eine möglichst „kultur – und<br />

gendersensible“ Umsetzung.<br />

Bei straffälligen Jugendlichen sollen auch die Opfer und/oder deren<br />

VertreterInnen einbezogen werden.<br />

Ablauf<br />

Der Ablauf einer Family-Group-Conference oder Familienrat lässt sich in<br />

vier Phasen untergliedern:<br />

1. Vorbereitungsphase:<br />

In der Vorbereitungsphase prüfen die fallverantwortliche Fachkraft und die<br />

AdressatInnen, ob und in welchem Umfang soziale Netzwerke bestehen,<br />

die zur Lösungs- und Entscheidungsfindung herangezogen werden können<br />

und mit Zustimmung der AdressatInnen in das Verfahren eingebunden<br />

werden können. Der/die Koordinator/in organisiert in Abstimmung mit den<br />

AdressatInnen die Family-Group-Conference. Teilnehmerkreis, Ort und<br />

Termin werden festgelegt.<br />

2. Beratungsphase:<br />

In der Beratungsphase stellt die Koordinatorin/der Koordinator zunächst<br />

allen Beteiligten die Einschätzung der Problemsituation dar und informiert<br />

über die rechtliche Situation und die Angebotsstruktur sowie die Ziele und<br />

Regeln der Familiy Group Conference. Die Fachleute verlassen daraufhin<br />

den Raum. Die fallverantwortliche Fachkraft ist in dieser Phase nicht<br />

beteiligt.<br />

3. Diskussionsphase:<br />

In der Diskussionsphase verständigt sich die „erweiterte“ Familie über<br />

mögliche Lösungen. Die Beteiligten entwickeln einen Lösungsplan, der<br />

ihnen sinnvoll erscheint und für den sie die Verantwortung übernehmen.<br />

Eine Beteiligung des Koordinators/der Koordinatorin ist in dieser Phase<br />

nicht vorgesehen, kann aber auf Wunsch aller Beteiligten zur<br />

Strukturierung der Diskussionsphase hinzugezogen werden.<br />

4. Entscheidungsphase<br />

In der Entscheidungsphase macht das soziale Netzwerk der<br />

fallverantwortlichen Fachkraft unter Beteiligung der Koordinatorin/des<br />

3


Koordinatoren einen Vorschlag über angemessene Hilfen und deren<br />

Umsetzung. Der Lösungsplan des Familienrates wird mit der Fachkraft<br />

abgestimmt, gegebenenfalls findet ein erneuter Aushandlungsprozess<br />

statt, z.B. dann, wenn die Fachkraft Lösungsmöglichkeiten verneint, da sie<br />

durch diese das Kindeswohl nicht gesichert ansieht. Die Entscheidung wird<br />

schriftlich dokumentiert und die Vereinbarungen zur Überprüfung<br />

festgelegt.<br />

Nach ca. 3 Monaten werden die getroffenen Vereinbarungen von dem<br />

Familienrat unter der Beteiligung der fallverantwortlichen Fachkraft und<br />

mit Unterstützung des Koordinators/der Koordinatorin überprüft.<br />

Die Aufgaben der verschiedenen Beteiligten lassen sich wie folgt<br />

zusammenfassen:<br />

Aufgaben der KoordinatorIn der <strong>Wadzeck</strong>-<strong>Stiftung</strong><br />

KoordinatorInnen unterstützen die Familie bei der Organisation des<br />

Familienrates, er/sie:<br />

bespricht mit der Familie, wer am Rat teilnehmen soll und nimmt<br />

mit diesen Personen Kontakt auf, lädt alle schriftlich ein,<br />

klärt Ort und Zeitpunkt des Zusammentreffens; organisiert<br />

geeignete Räumlichkeiten, wenn die Familie den Rat nicht im<br />

eigenen Zuhause durchführen möchte,<br />

informiert alle Beteiligten über das Verfahren des Familienrates bzw.<br />

Family-Group-Conferencing,<br />

ist in der Vorbereitungszeit AnsprechpartnerIn für Fragen zum<br />

Familienrat,<br />

übernimmt die Moderation der ersten, zweiten und vierten Phase<br />

des Familienrates,<br />

steht dem Familienrat während der Arbeitsphase (in einem<br />

separaten Raum erreichbar) auf Abruf zur Verfügung,<br />

Die Koordinatorin/der Koordinator sendet die Dokumentation der<br />

Lösungsvorschläge (Ergebnisprotokoll) an alle Beteiligten.<br />

Darüber hinaus arbeiten KoordinatorInnen eng mit den<br />

fallverantwortlichen Fachkräften zusammen. Die <strong>Wadzeck</strong>-<strong>Stiftung</strong><br />

entwickelt geeignetes Informationsmaterial für Familien, Beteiligte und<br />

Kinder- und Jugendliche, die allen verständlich das Verfahren erklären<br />

(Infobriefe, Flyer, etc.).<br />

4


Aufgaben des Jugendamtes<br />

Die fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamtes trifft die<br />

Vorentscheidung, welcher Familie die Methode des Familienrates<br />

vorgeschlagen wird.<br />

Die Entscheidung für die Methode der Family-Group-Conference<br />

beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit bei der Familie, sich auf<br />

diesen Prozess einzulassen.<br />

Stimmt die Familie dem Familienrat zu, nimmt die<br />

fallverantwortliche Fachkraft Kontakt zur Koordinatorin auf und gibt<br />

ihr die nötigen Informationen und Kontaktdaten der Familie.<br />

Während des ganzen Prozesses der Vorbereitung, der Arbeitsphase<br />

des Familienrates, des Annehmens oder Ablehnens der<br />

Lösungsvorschläge des Familienrates und der Vereinbarung von<br />

Zeitlinien zur Überprüfung der Wirksamkeit der Lösungsansätze,<br />

bleibt die fallverantwortliche Fachkraft in ihrer Verantwortung für die<br />

Familie, insbesondere in Bezug auf die Sicherstellung des<br />

Kinderschutzes.<br />

Die Etablierung eines Familienrates schließt andere Hilfen nicht aus,<br />

gewährt vielmehr Leistungen, die die Familie bei der Lösung der<br />

Probleme unterstützen können.<br />

Das Jugendamt arbeitet kooperativ mit der Familie und den<br />

KoordinatorInnen zusammen.<br />

Sollte ein Lösungskonzept zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal durch<br />

den Familienrat überarbeitet werden, weil sich neue Sachverhalte ergeben<br />

haben, ist es Aufgabe der fallverantwortlichen Fachkraft, die<br />

KoordinatorInnen mit der Organisation eines „Nachtreffens“ zu<br />

beauftragen.<br />

Aufgaben der Familie<br />

Die Familie lässt sich verantwortlich auf den Prozess ein und nimmt<br />

die Verantwortung an.<br />

Die Familienmitglieder benennen hilfreiche Verwandte und Personen<br />

aus dem sozialen Umfeld (Nachbarn, Lehrer, Erzieher, Ärzte,<br />

Ehrenamtliche, etc.), die teilnehmen sollen; auch Familienmitglieder<br />

die weiter weg wohnen, sollten die Möglichkeit haben, teilzunehmen,<br />

wenn sie wichtig sind für die Lösung (evtl. Fahrkosten über<br />

Sachkostenpauschale übernehmen).<br />

5


Die Familie arbeitet konstruktiv mit den KoordinatorInnen<br />

zusammen bei der Organisation des Familienrates.<br />

Aufgaben des Familienrates<br />

Beim ersten Zusammentreffen formuliert die fallverantwortliche<br />

Fachkraft ihre Sorge und fordert den Familienrat auf, dafür<br />

funktionierende Lösungen zu entwickeln – dann verlässt die<br />

fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamtes den Familienrat. Die<br />

Koordinatorin verbleibt in unmittelbarer Nähe, um bei Bedarf vom<br />

Rat hinzugezogen zu werden.<br />

Insbesondere bei stark verfeindeten Parteien im Familienrat, kann<br />

die Koordinatorin auch die Moderation übernehmen.<br />

Der Familienrat benennt vor der Arbeitsphase, wer für die Betreuung<br />

anwesender Kinder zuständig ist (evtl. sind geeignete<br />

Nebenräume/Spielzimmer zur Verfügung zu stellen).<br />

Betroffene Kinder und Jugendliche können sich „Paten“ an die Seite<br />

nehmen, die sie bei der Artikulation ihrer Bedürfnisse unterstützen.<br />

Der Familienrat entwickelt eine geeignete Lösung und dokumentiert<br />

sie schriftlich.<br />

Der Familienrat benennt einen Ansprechpartner aus seiner Mitte, bei<br />

dem in der Umsetzungsphase alle Informationen zusammenlaufen.<br />

Wenn eine Lösung gefunden wurde, sagt der Familienrat der<br />

Koordinatorin Bescheid, die fallverantwortliche Fachkraft des<br />

Jugendamtes wieder hinzu zu bitten.<br />

Der Familienrat präsentiert die Lösung der Koordinatorin und der<br />

fallverantwortlichen Fachkraft des Jugendamtes.<br />

Trägt die fallverantwortliche Fachkraft die Lösung mit, wird ein<br />

Zeitraum vereinbart, wann die erste Überprüfung zwischen<br />

Jugendamt und Familie stattfinden soll.<br />

Hält das Jugendamt die Lösung in einzelnen Aspekten nicht für<br />

hinreichend, wird der Familienrat sofort nacharbeiten.<br />

Wenn die Lösung akzeptiert wurde, ist der Familienrat beendet und<br />

die Umsetzungsphase beginnt.<br />

6


Qualifikationsprofil von KoordinatorInnen<br />

Als KoordinatorInnen für die Durchführung und Moderation von Family-<br />

Group-Conference kommen in der Regel in Frage:<br />

Dipl. SozialpädagogInnen,<br />

Dipl. PädagogInnen und<br />

Dipl. PsychologInnen,<br />

die über berufliche Erfahrungen in der Arbeit mit belasteten Familien<br />

verfügen. Gute theoretische Kenntnisse der Methode und fachliche und<br />

persönliche Fähigkeiten zu deren Umsetzung sind erforderlich.<br />

Darüber hinaus sollten KoordinatorInnen über gute soziale und<br />

kommunikative Kompetenzen, Kooperationsfähigkeit und<br />

Moderationsfähigkeiten verfügen.<br />

Das Verfahren der Family-Group-Conference kann als Handlungsmethode<br />

der sozialen Arbeit in folgenden Arbeitsbereichen der <strong>Wadzeck</strong>-<strong>Stiftung</strong><br />

eingesetzt werden:<br />

in der ambulanten Familienhilfe von Fakt (Region 1 in Spandau)<br />

im Rahmen der Pflegekinderhilfe bei FiP ( Bezirk Spandau)<br />

in der Krisenarbeit bei Jana (Bezirk Spandau)<br />

in der Familienarbeit der WAB-Gruppen (Berlin und Brandenburg)<br />

Finanzierung<br />

auf der Grundlage von § 27 SGB VIII wird die o.a. Aufgabenbeschreibung<br />

vom Träger zu folgenden Konditionen angeboten:<br />

einer Pauschale von 32 FLS zu je 39,18 €<br />

je Familienrat umgesetzt.<br />

Berechnung nach altem FLS-Modell<br />

32 FLS x 39,18 € = 1253,76 €<br />

Alternativberechnung nach neuem FLS-Modell<br />

25,5 FLS x 48,98 € = 1248,99 €<br />

*Darin enthalten ist die eventuell notwendige Organisation eines<br />

einmaligen Nachtreffens in einzelnen Fällen.<br />

7


Projektstart<br />

Sofort möglich!<br />

Literaturhinweise:<br />

Budde, Wolfgang; Früchtel, Frank (2003): Ein radikales Verständnis von<br />

Betroffenenbeteiligung in der Hilfeplanung: Family Group Conferencing, in: Sozialmagazin<br />

28, Heft 4.<br />

Straub, Ute (2005): Family-Group-Conference. Radikales Empowerment in der Kinder- und<br />

Jugendhilfe. In: Sozialextra, Mai 2005.<br />

Zwischenbericht der IGFH<br />

8

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