Zwei Arten des Diskurses
Zwei Arten des Diskurses
Zwei Arten des Diskurses
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ten, dass man die Gesprächspartner<br />
sofort überzeugen werde.<br />
Zwölf Regeln von Sir Karl Popper<br />
In eine ähnliche Richtung wie die vier<br />
Empfehlungen von Hinske (1989) gehen<br />
die zwölf Regeln <strong>des</strong> Philosophen<br />
Karl Popper (1902 – 1994). Sie zielen<br />
insbesondere auf die zwischenmenschliche<br />
Verständigung, nämlich auf das<br />
Verstehen von Mitmenschen „um von<br />
ihnen zu lernen“. Sie sind weitgehend<br />
selbsterklärend, lassen sich aber durch<br />
Kommentierung vertiefen (Popper<br />
1994; auch: Müller-Merbach 1995):<br />
„1. Jeder Mensch hat das Recht auf<br />
die wohlwollendste Auslegung seiner<br />
Worte.“ Darin liegt eine Erwartung<br />
gegenüber der Toleranz <strong>des</strong> jeweiligen<br />
Gesprächspartners.<br />
„Wenn die Begriff e nicht<br />
richtig sind, stimmen<br />
die Worte nicht.“<br />
„2. Wer andere zu verstehen sucht,<br />
dem soll niemand unterstellen, er billige<br />
schon <strong>des</strong>halb deren Verhalten.“ Der<br />
Toleranz der Bemühung, den anderen<br />
zu verstehen, folgt nicht ohne weiteres<br />
die inhaltliche Zustimmung zu <strong>des</strong>sen<br />
Verhalten.<br />
„3. Zum Recht, ausreden zu dürfen,<br />
gehört die Pfl icht, sich kurz zu fassen.“<br />
Selbstdarsteller und Dauerredner, die<br />
pausenlos reden und quasi durch die<br />
Ohren atmen können, werden damit<br />
nicht ermuntert.<br />
„4. Jeder soll im voraus sagen, unter<br />
welchen Umständen er bereit wäre, sich<br />
überzeugen zu lassen.“ Die Bereitschaft<br />
zuzuhören sollte nicht bereits als Zustimmung<br />
zu den Inhalten fehlinterpretiert<br />
werden.<br />
„5. Wie immer man die Worte wählt,<br />
ist nicht sehr wichtig; es kommt darauf<br />
an, verstanden zu werden.“ Die Absicht<br />
hinter jedem Satz ist wichtig, nicht die<br />
Form.<br />
„6. Man soll niemanden beim Wort<br />
nehmen, wohl aber das ernstnehmen,<br />
was er gemeint hat.“ Es kommt auf die<br />
Meinung an, nicht auf die Wortwahl.<br />
„7. Es soll nie um Worte gestritten<br />
werden – allenfalls um die Probleme,<br />
die dahinter stehen.“ Worte sind quasi<br />
nur die Hülle der Argumente, nicht die<br />
Argumente selbst.<br />
„8. Kritik muß immer konkret sein.“<br />
Nur auf konkrete Kritikpunkte kann<br />
man konkret reagieren und sein eigenes<br />
Verhalten bzw. seine eigenen Argumente<br />
entsprechend korrigieren.<br />
„9. Niemand ist ernstzunehmen,<br />
der sich gegen Kritik unangreifbar<br />
gemacht, also ‚immunisiert‘ hat.“ Undifferenzierte<br />
Floskeln wie ‚Ich weiß, dass<br />
ich nicht vollkommen bin‘, sind<br />
wertlos.<br />
„10. Man soll einen Unterschied<br />
machen zwischen<br />
Polemik, die das Gesagte<br />
umdeutet, und Kritik, die den<br />
anderen zu verstehen sucht.“<br />
Auch im Streitgespräch komme es<br />
darauf an, dass jeder Teilnehmer sich<br />
bemüht, die Gesprächspartner zu verstehen.<br />
„11. Kritik soll man nicht ablehnen,<br />
auch nicht nur ertragen, sondern man<br />
soll sie suchen.“ Man soll Kritik herausfordern,<br />
ihr entgegengehen, sie als<br />
Vorschlag, als nützlichen Beitrag, als<br />
Stimulus zu Verbesserungen begrüßen.<br />
„12. Jede Kritik ist ernstzunehmen,<br />
selbst die in böser Absicht vorgebrachte;<br />
denn die Entdeckung eines Fehlers<br />
kann uns nur nützlich sein.“ Diese letzte<br />
Regel unterstützt die positive Einstellung<br />
zur Entgegennahme von Kritik.<br />
Albert Schweitzer<br />
Es ging Immanuel Kant, Norbert<br />
Hinske, Karl Popper und vielen anderen<br />
um Wahrheit, um Ehrlichkeit, um<br />
Humanität, um vorbildliches Verhalten.<br />
Der Philosoph Karl Popper (1902 –<br />
1994) formulierte zwölf Regeln für die<br />
zwischenmenschliche Verständigung.<br />
Auch Albert Schweitzer (1875 – 1965),<br />
der Philosoph und Theologe, Arzt und<br />
Ethiker, gehört in diese Reihe unserer<br />
Vorbilder. Über sein Verhältnis zur<br />
Wahrheit schreibt er: „Als unverlierbaren<br />
Kinderglauben habe ich mir den<br />
an die Wahrheit bewahrt. Ich bin der<br />
Zuversicht, daß der aus der Wahrheit<br />
kommende Geist stärker ist als die<br />
Macht der Verhältnisse“ (Schweitzer<br />
1990, S. 73; auch: Müller-Merbach<br />
1996, S. 186).<br />
Ratschläge von Konfuzius<br />
Weitere Ratschläge kommen von<br />
Konfuzius (551 – 479 v. Chr.), dem bedeutenden<br />
Philosophie-Lehrer Chinas.<br />
Ihm geht es u. a. um das Verhältnis<br />
zwischen Wort und Tat: „Wenn die Begriff<br />
e nicht richtig sind, so stimmen die<br />
Worte nicht; stimmen die Worte nicht,<br />
so kommen die Werke nicht zustande;<br />
(…) Darum sorge der Edle, daß er seine<br />
Begriff e unter allen Umständen zu<br />
Worte bringen kann und seine Worte<br />
unter allen Umständen zu Taten machen<br />
kann. Der Edle duldet nicht, daß in<br />
seinen Worten irgend etwas in Unordnung<br />
ist“ (Konfuzius 1955, S. 131; auch<br />
Müller-Merbach 1995, S. 190).<br />
Kontrast: Bemühungen, Recht<br />
zu haben<br />
Die bisher zitierten Denker bzw. Philosophen<br />
plädieren für Ehrlichkeit;<br />
sie konzentrieren ihr Denken auf die<br />
MANAGEMENT<br />
Bild LSE Library<br />
technologie & management 01/2013 33