Tätigkeitsbericht 2006 - Weiße Rose Stiftung eV
Tätigkeitsbericht 2006 - Weiße Rose Stiftung eV
Tätigkeitsbericht 2006 - Weiße Rose Stiftung eV
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<strong>Tätigkeitsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.
Inhaltsübersicht<br />
1 Vorwort 4<br />
2 Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf –<br />
Eine Kurz-Hommage 5<br />
3 Chronik <strong>2006</strong> 6<br />
4 Erneuerung des <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
Bodendenkmals 8<br />
5 „Zerreißt den Mantel der<br />
Gleichgültigkeit“ 9<br />
6 Projekt Erweiterung der DenkStätte –<br />
Sonderausstellung zu Prof. Kurt Huber 25<br />
7 Projekt Vergessener Widerstand 26<br />
8 Projekt Pädagogisches Angebot<br />
DenkStätte 27<br />
9 Projekt Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> 28<br />
10 Projekt Wort-Installation 30<br />
11 Berichte des Ehrenvorsitzenden und<br />
der Zweiten Vorsitzenden 31<br />
12 Aktivitäten in Mittel- und Osteuropa 42<br />
13 Die DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> München<br />
im Jahr <strong>2006</strong> 44<br />
14 Die Ulmer DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
im Jahr <strong>2006</strong> 45<br />
15 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung 46<br />
16. Zur Rezeption von Sönke Zankel<br />
„Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> war nur der Anfang“ 47<br />
17 Neuerscheinungen 49<br />
18 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.,<br />
ihre Organe und<br />
ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 50
1 Vorwort<br />
Der Blick auf die Chronik in diesem<br />
<strong>Tätigkeitsbericht</strong> belegt, dass die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. <strong>2006</strong> ein lebendiges<br />
und aktives Jahr hatte. Und<br />
da die Jahresgrenze ja nur eine kalendarische<br />
Zäsur darstellt, ist anzunehmen,<br />
dass das, was in <strong>2006</strong> begonnen<br />
wurde, in 2007 seine Fortsetzung<br />
erfahren wird.<br />
Wichtig sind dabei natürlich die Projekte,<br />
mit denen die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
e.V. auf der Basis des Erinnerns<br />
ihren Ort in der heutigen Gesellschaft<br />
sucht. Sie reichten <strong>2006</strong> vom Abschluss<br />
des deutsch-polnischen Verständigungsprojekts<br />
„Zerreißt den<br />
Mantel der Gleichgültigkeit“ über das<br />
von Schülern erarbeitete Recherche-<br />
und Ausstellungsprojekt „Vergessener<br />
Widerstand“ bis zur Vorbereitung des<br />
„Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“, das 2007<br />
starten wird. Es sind dies Projekte für<br />
ziviles Engagement und gegen Gleichgültigkeit.<br />
Daneben bleibt die Erinnerungsarbeit<br />
im engeren Sinn Aufgabe der <strong>Stiftung</strong>.<br />
Die Zeitzeugen Dr. h.c. Anneliese<br />
Knoop-Graf und Franz J. Müller leisten<br />
sie mit bewundernswerter Energie.<br />
Aber auch Projekte wie die Erweiterung<br />
der Ausstellung zur Geschichte<br />
der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> mit Tafeln zu Willi<br />
Graf (<strong>2006</strong>) und Kurt Huber (2007)<br />
sowie ein spezifisches Arbeitsangebot<br />
für Schüler unterschiedlicher Altersgruppen<br />
und Schularten im Umgang<br />
mit der Ausstellung gehören dazu.<br />
Voraussetzung für diese Arbeit bleibt<br />
die materielle und kritisch-inhaltliche<br />
Unterstützung durch die Mitglieder der<br />
<strong>Stiftung</strong>, durch die Freunde und Förderer,<br />
durch den Beirat, durch die „Städtegemeinschaft<br />
im Zeichen der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong>“, durch die Kooperationspartner<br />
und durch Einzelpersönlichkeiten.<br />
Aus dem Kreis der Einzelpersönlichkeiten<br />
seien stellvertretend vier<br />
genannt. Zunächst: Der Hamburger<br />
Reeder Peter Krämer, der der <strong>Stiftung</strong><br />
für ihre Arbeit einen namhaften Betrag<br />
zur Verfügung gestellt hat. Dann<br />
Dr. Hildegard Hamm-Brücher, die nicht<br />
nur Geld gespendet, sondern Energie<br />
investiert hat, um durch Anregung und<br />
Kritik Impulse zu geben. Dann Brigadegeneral<br />
a.D. Winfrid Vogel, der seit<br />
vielen Jahren in Russland und in den<br />
beiden zurückliegenden Jahren in Polen<br />
als Beauftragter der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
<strong>Stiftung</strong> für Osteuropa hervorragende<br />
Arbeit leistet. Und schließlich einmal<br />
mehr Dr. Hans-Jochen Vogel, der<br />
unermüdlich sein Wissen und seine<br />
Kontakte zur Verfügung stellt, um der<br />
Arbeit der <strong>Stiftung</strong> Orientierung und<br />
Kraft zu geben.<br />
4<br />
Dr. Hans-Jochen Vogel und seiner<br />
freundlichen Unnachgiebigkeit ist es<br />
auch im Wesentlichen zu verdanken,<br />
dass <strong>2006</strong> Berlin seine Rückkehr in<br />
die aktive „Städtegemeinschaft im<br />
Zeichen der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>“ zugesagt<br />
hat. Für die <strong>Stiftung</strong> ist dies mehr<br />
noch als die damit verbundene materielle<br />
eine moralische Unterstützung.<br />
Mit Berlin, Freiburg, Gräfelfing, Hamburg,<br />
München, Saarbrücken und Ulm<br />
ist der Kreis der Städte, in denen die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> aktiv war und die sich<br />
heute im Zeichen der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong><br />
engagieren, wieder fast komplett. Lediglich<br />
Stuttgart steht noch aus. Aber<br />
auch hier bemüht sich der Vorstand<br />
mit Unterstützung von Dr. Hans-Jochen<br />
Vogel.<br />
Besonderer Dank gilt einmal mehr der<br />
Bayerischen Landeszentrale für politische<br />
Bildungsarbeit und ihrem Direktor<br />
Dr. Peter März und seinem Stellvertreter<br />
Werner Karg. Sie sind nicht<br />
Geldgeber, sondern Kooperationspartner<br />
und als solche überall dort<br />
wichtig, wo aus historischem Wissen<br />
politische Bildung und aus politischer<br />
Bildung ziviles Engagement werden<br />
soll.<br />
Die andere Einrichtung, ohne die die<br />
<strong>Stiftung</strong> kaum denkbar wäre, ist die<br />
Ludwig-Maximilians-Universität. Sie<br />
gibt ihr nicht nur Raum, sondern<br />
Heimat, bezieht sie in ihren akademischen<br />
Jahresablauf ein und<br />
unterstützt sie, wo immer dies nötig<br />
und möglich ist. Und da auch die<br />
Universität aus Personen besteht,<br />
die die Richtung bestimmen, den Ton<br />
angeben und das Klima prägen, seien<br />
stellvertretend drei genannt: der Rektor<br />
Prof. Dr. Bernd Huber, der Kanzler<br />
Thomas May und der Chef der Verwaltung<br />
und große Ermöglicher, Ltd.<br />
Regierungsdirektor Matthias<br />
Hüttenhofer.<br />
Zum Schluß seien die genannt und<br />
bedankt, die die Arbeit der <strong>Stiftung</strong><br />
nicht ermöglichen, sondern tun: die<br />
festen und die freien und die ehrenamtlichen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong>. In Organisation<br />
und Verwaltung, in der Projektarbeit<br />
und im täglichen Umgang<br />
mit den Besuchern der DenkStätte in<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
sorgen sie dafür, dass die Erinnerung<br />
an die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> wach bleibt und<br />
dass aus dieser Erinnerung Impulse<br />
für heutiges gesellschaftliches Engagement<br />
frei werden.<br />
Dr. Christof Schmid<br />
1. Vorsitzender der<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.
2 Dr. h.c. Anneliese Knoop-<br />
Graf – Eine Kurz-Hommage<br />
Anneliese Knoop-Graf, die Zweite<br />
Vorsitzende der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
e.V., wurde <strong>2006</strong> 85 Jahre alt. Sie hat<br />
den Geburtstag im offiziellen und im<br />
privaten Rahmen gefeiert und hat alle<br />
Ehrungen, Verehrungen und Zeichen<br />
der Zuneigung mit freudiger Gelassenheit<br />
und der Geste des Selbstverständlichen<br />
entgegengenommen.<br />
Es braucht eben die Leistung eines<br />
langen und entschlossen gelebten<br />
Lebens, um in solcher Form geehrt zu<br />
werden und in solcher Form die Ehrung<br />
anzunehmen.<br />
Dabei war der 85. Geburtstag sicher<br />
der Anlass, nicht aber der Grund dafür,<br />
dass sie <strong>2006</strong> die Ehrenbürgerschaft<br />
ihrer Wahl-Heimatstadt Bühl und die<br />
Ehrendoktorwürde der Universität<br />
Karlsruhe erhalten hat. Wer gesehen<br />
hat, mit welcher Freude und welchem<br />
Respekt ihre Stadt die Ehrung in einer<br />
Feierstunde im Beisein des Justizministers<br />
des Landes ausgesprochen hat,<br />
der weiß, dass die jung gebliebene<br />
alte Dame, die 1921 in Kuchenheim<br />
bei Euskirchen geboren wurde und<br />
nach dem Krieg viele Jahre zusammen<br />
mit ihrem Mann Bernhard Knoop<br />
das Internat Marienau geleitet hat, in<br />
Bühl integriert und geachtet wird.<br />
Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf<br />
am 25.4.<strong>2006</strong> in Karlsruhe<br />
Und wer die Feier zur Verleihung der<br />
Ehrendoktorwürde am 25.4.<strong>2006</strong> in<br />
Karlsruhe miterlebt und insbesondere<br />
die begründende Laudatio von Prof.<br />
Peter Steinbach und die Dank-Vorlesung<br />
von Anneliese Knoop-Graf:<br />
„Widerstand aus Patriotismus: ‚…aber<br />
die Liebe zu Deutschland wächst von<br />
Tag zu Tag’“ gehört hat, der weiß, mit<br />
welcher menschlichen und fachlichen<br />
Qualität sie ihren wissenschaftlichen<br />
Rang begründet.<br />
Den Auftrag, den ihr ihr Bruder Willi<br />
Graf kurz vor seiner Hinrichtung durch<br />
einen Brief an sie und seine Freunde<br />
ausrichten ließ, sie sollen „weitertragen“,<br />
was er und seine Freunde<br />
gedacht und woran sie ihr Handeln<br />
gegründet haben, hat sie seit ca. 30<br />
Jahren zur bestimmenden Lebensaufgabe<br />
gemacht. Sie hat es getan<br />
vor dem Hintergrund eines intensiven<br />
Berufslebens, das ihr den Blick offen<br />
gehalten hat für die Interessen junger<br />
Menschen und für den Ton, mit dem<br />
sie zu erreichen sind. Und sie hat es<br />
getan und tut es bis heute mit dem<br />
strengen Bewusstsein, dass ein Zeitzeuge<br />
ein Zeuge der Zeit ist, der die<br />
eigene Rolle nicht wachsen lassen<br />
darf, der aber sehr wohl seinen im Leben<br />
gewachsenen Horizont in die Betrachtung<br />
und die Bewertung dessen<br />
einbringen kann, was er bezeugt. Mit<br />
ihrem lebhaften Blick und ihrer Kraft<br />
zu Distanz zu sich selbst ist Anneliese<br />
Knoop-Graf nicht nur ein Glücksfall der<br />
zeitgeschichtlichen Wissenschaft. Sie<br />
ist ein Glücksfall für jeden, dem sie<br />
begegnet, ein besonderer Glücksfall<br />
für die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />
5
3 Chronik <strong>2006</strong><br />
12.1.<strong>2006</strong><br />
Anneliese Knoop-Graf erhält die Ehrenbürgerwürde<br />
der Stadt Bühl.<br />
13.1.<strong>2006</strong><br />
Im Rahmen des Deutsch-Polnischen Verständigungsprojekts<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. „Zerreißt den<br />
Mantel der Gleichgültigkeit” wird die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
Ausstellung in den Räumen des Kreisauer Schlosses<br />
durch Franz J. Müller eröffnet.<br />
23.1.<strong>2006</strong><br />
„Flugblätter der Freiheit. Verantwortliches Handeln<br />
aus christlichen Wurzeln“. Bischof Dr. Wolfgang Huber<br />
hält die diesjährige <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Gedächtnisvorlesung<br />
im Auditorium Maximum der LMU.<br />
27.1.<strong>2006</strong><br />
In der Hauptschule Ergoldsbach wird die Ausstellung<br />
„Das hätte doch jeder getan. Die Rettung der 13 Juden<br />
von Ergoldsbach“ eröffnet. Damit findet das Projekt<br />
Vergessener Widerstand 2005 seinen Abschluss.<br />
Siehe <strong>Tätigkeitsbericht</strong> von 2005.<br />
28.1.<strong>2006</strong><br />
Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt die Resolution<br />
gegen den geplanten Aufmarsch rechtsextremistischer<br />
Gruppen in Celle.<br />
21.2.<strong>2006</strong><br />
Anneliese Knoop-Graf eröffnet die Sonderausstellung<br />
Willi Graf in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in der<br />
LMU.<br />
22.2.<strong>2006</strong><br />
„Hoffentlich schreibst du recht bald“. Julia Jentsch<br />
und Christoph Luser lesen aus dem Briefwechsel<br />
von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel in der Großen<br />
Aula der LMU.<br />
7.-9.3.<strong>2006</strong><br />
Im Rahmen des Polenprojekts „Zerreißt den Mantel<br />
der Gleichgültigkeit” findet eine Begegnung von<br />
deutschen und polnischen Lehrern in Krakow (Krakau)<br />
statt. Anneliese Knoop-Graf eröffnet die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> Ausstellung im Goethe-Institut Krakau.<br />
6.4.-1.5. <strong>2006</strong><br />
Franz J. Müller eröffnet die Ausstellung im Edith<br />
Stein Haus in Wroclaw (Breslau).<br />
25.4.<strong>2006</strong><br />
Verleihung der Ehrendoktorwürde an Anneliese<br />
Knoop-Graf in der Technischen Universität Karlsruhe<br />
auf Initiative von Prof. Dr. Peter Steinbach durch den<br />
Dekan Prof. Dr. Uwe Japp.<br />
8.5.<strong>2006</strong><br />
Winfrid Vogel, Beauftragter der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
für Mittel- und Osteuropa, eröffnet die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
Ausstellung im Staatlichen Museum Majdanek /<br />
Lublin im Rahmen des Polenprojektes „Zerreißt den<br />
Mantel der Gleichgültigkeit”.<br />
3.6.<strong>2006</strong><br />
Hans Hirzel, Gründungsmitglied der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
<strong>Stiftung</strong>, stirbt im Alter von 81 Jahren.<br />
14.9.2005<br />
In Kooperation mit der LMU wird im Eingangsbereich<br />
der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in der LMU eine Wort-<br />
Installation mit wichtigen Zitaten aus dem Kreis der<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> eingerichtet.<br />
6
Prof. Dr. Wolfgang Huber bei der<br />
Eröffnung der Sonderausstellung<br />
über Prof. Dr. Kurt Huber<br />
24.-27.10.<strong>2006</strong><br />
Im Rahmen des Polenprojekts „Zerreißt den Mantel<br />
der Gleichgültigkeit” findet in Warszawa (Warschau)<br />
eine Begegnung zwischen jungen deutschen und<br />
polnischen Journalisten statt. Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
Ausstellung wird von Anneliese Knoop-Graf am<br />
25.10.<strong>2006</strong> im Haus der Begegnung mit der Geschichte<br />
in Warszawa (Warschau) eröffnet.<br />
21.10.<strong>2006</strong><br />
In der „Langen Nacht der Münchner Museen” ist die<br />
DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> am Lichthof der LMU bis<br />
2 Uhr nachts geöffnet. Führungen und Zeitzeugengespräche<br />
werden den ca. 900 Besuchern angeboten.<br />
20.11.<strong>2006</strong><br />
Prof. Dr. Wolfgang Huber eröffnet die Sonderausstellung<br />
zu Prof. Dr. Kurt Huber in der DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> in der LMU.<br />
Einweihung und Übergabe des erneuerten Bodendenkmals<br />
an den Rektor der LMU.<br />
„Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt. Tagebücher<br />
1935-44” des rumänisch-jüdischen Schriftstellers Mihail<br />
Sebastian werden mit dem Geschwister-Scholl-<br />
Preis in der großen Aula der LMU ausgezeichnet.<br />
Laudatio von Peter Hamm unter www.weisse-rosestiftung.de.<br />
7
4 Erneuerung des <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
Bodendenkmals<br />
Das Bodendenkmal vor dem Haupteingang<br />
der Ludwig-Maximilians-<br />
Universität wurde rundum erneuert<br />
und erinnert nun wieder in einem<br />
angemessenen Zustand an die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />
Seit 1988 erinnert ein Bodendenkmal<br />
des Bildhauers Robert Schmidt-Matt<br />
auf dem Geschwister-Scholl-Platz an<br />
das Wirken der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> gegen<br />
das nationalsozialistische Regime in<br />
Deutschland. Die Tonplatten mit Fotos<br />
der Mitglieder, Flugblättern der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> sowie Briefen und Gerichtsurteilen<br />
sind vor dem Haupteingang<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
fest im Untergrund verankert und wirken<br />
doch wie zufällig auf den Boden<br />
geweht. Damit nimmt die Installation<br />
Bezug auf die Flugblätter, die die Geschwister<br />
Scholl am 18. Februar 1943<br />
in den Lichthof der Universität fallen<br />
ließen und die zu ihrer Verhaftung<br />
führten.<br />
Im Laufe der vergangenen Jahre entstanden<br />
an den Platten teils durch den<br />
Zahn der Zeit, teils durch mutwillige<br />
Zerstörung immer größere Schäden.<br />
Besonders gravierend war dabei die<br />
Entfernung eines großen Stücks der<br />
Platten vor dem Haupteingang der<br />
Universität im April <strong>2006</strong> durch Unbekannte.<br />
Robert Schmidt-Matt<br />
bei der Erneuerung<br />
des Bodendenkmals<br />
8<br />
Um die in den letzten Jahren entstandenen<br />
Beschädigungen zu beheben,<br />
hat Robert Schmidt-Matt einen neuen<br />
Satz der Platten angefertigt und im<br />
August <strong>2006</strong> das gesamte Bodendenkmal<br />
erneuert. Am 20. November<br />
übergab Dr. Christof Schmid das erneuerte<br />
Bodendenkmal offiziell an die<br />
Ludwig-Maximilians-Universität.<br />
Wie bereits bei der erstmaligen Installation<br />
des Bodendenkmals vor 18 Jahren<br />
wurde auch die Instandsetzung<br />
von Gerhard Müller-Rischart, Inhaber<br />
von Max Rischart’s Backhaus KG,<br />
finanziert.
Stationen der<br />
Ausstellung<br />
in Polen<br />
5 „Zerreißt den Mantel der<br />
Gleichgültigkeit“<br />
Mit dem Treffen deutscher und polnischer Lehrerinnen<br />
und Lehrer im Frühjahr <strong>2006</strong> in Krakau<br />
und dem Treffen junger Journalisten aus beiden<br />
Ländern im Oktober <strong>2006</strong> ging nach eineinhalb<br />
Jahren Laufzeit das Verständigungsprojekt „Zerreißt<br />
den Mantel der Gleichgültigkeit“ zu Ende.<br />
Veranstalter dieses Projekts, das Teil des deutschpolnischen<br />
Jahres war, war die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
e.V. in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentral<br />
für politische Bildungsarbeit. Es stand unter der<br />
Schirmherrschaft von Prof. Dr. Jutta Limbach, Präsidentin<br />
des Goethe-Instituts, und Prof. Dr. Wladyslaw<br />
Bartoszewski, ehem. poln. Außenminister. Gefördert<br />
und ermöglicht wurde es durch:<br />
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-<strong>Stiftung</strong><br />
Auswärtiges Amt<br />
Erich-Brost-<strong>Stiftung</strong><br />
Freie und Hansestadt Hamburg<br />
Karl-Graf-Spreti-Sonderfonds<br />
Landeszentrale für politische Bildung Hamburg<br />
Landkreis München<br />
<strong>Stiftung</strong> „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“<br />
Im Mittelpunkt des Projekts stand die Ausstellung<br />
zur Geschichte der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> in polnischer Sprache.<br />
Ergänzt wurde sie durch Tafeln zum polnischen<br />
Widerstand gegen Hitler. Die Ausstellung wurde in<br />
folgenden Städten in Polen gezeigt: Danzig, Allenstein,<br />
Kreisau, Krakau, Breslau, Majdanek / Lublin<br />
und Warschau. Viele der meist jugendlichen Besucher<br />
erfuhren erstmals durch diese Ausstellung, dass<br />
es auch im NS-Deutschland Widerstand gegen Hitler<br />
gegeben hatte.<br />
Parallel zur Ausstellung fanden Begleitprogramme<br />
mit Zeitzeugengesprächen, Vorträgen, Lehrerinformationen<br />
und Filmvorführungen statt.<br />
Nach Abschluss des Projekts wird eine Dauerpräsentation<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung in polnischer<br />
Sprache im Edith-Stein-Haus in Breslau angestrebt.<br />
Die vorgesehenen Räume sollen im Frühjahr 2007 in<br />
Kooperation mit der Edith Stein Gesellschaft ausgebaut<br />
werden. Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. bemüht<br />
sich um die Finanzierung.<br />
9
10<br />
Lehrerbegegnung Kraków (Krakau)<br />
Bereits vor Eröffnung der Ausstellung<br />
begann die größte Begleitveranstaltung<br />
des Projekts „Zerreißt den Mantel<br />
der Gleichgültigkeit“. Vom 7. bis 9.<br />
März <strong>2006</strong> fand in den Räumen des<br />
Landratsamts Krakau in Kooperation<br />
mit dem Landratsamt München ein<br />
einwöchiges Treffen polnischer Lehrerinnen<br />
und Lehrer mit deutschen<br />
Kollegen aus Hamburg und dem Landkreis<br />
München statt.<br />
Diese Veranstaltung verlief weitgehend<br />
wie geplant. Lediglich für den<br />
Vormittag des 8.3.<strong>2006</strong> musste vor<br />
Ort eine Änderung vorgenommen<br />
werden. Wegen des kurzfristig anberaumten<br />
Besuchs des polnischen<br />
Präsidenten in Berlin standen die<br />
vorgesehenen Referenten Adam Krzeminski<br />
und Dr. Gerhard Gnauck für<br />
das Thema „Berichte aus einem anderen<br />
Land“ nicht zur Verfügung. Statt<br />
dessen wurden die für den Nachmittag<br />
vorgesehen Erfahrungsberichte<br />
von Lehrern zum Thema „Schüler<br />
treffen Schüler – deutsch-polnischer<br />
Schüleraustausch“ vorgezogen und<br />
ausgeweitet.<br />
Bestimmend für die Lehrerbegegnung<br />
war der 7.3.<strong>2006</strong> mit den Ausführungen<br />
von Prof. Dr. Alfons Nossol,<br />
Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski und<br />
Pastor Friedrich Magirius zum Thema<br />
„Von der schwierigen Annäherung<br />
zwischen Polen und Deutschen“. Nach<br />
den Grußworten der Landrätin, Frau<br />
Elzbieta Burtan, und des Vorsitzenden<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., Dr. Christof<br />
Schmid, stellten die Referenten<br />
mit unterschiedlicher Akzentuierung<br />
die Bedingungen und Möglichkeiten<br />
für einen echten Dialog dar. Sie<br />
führten aus, dass das jeweilige Anderssein<br />
nicht nur akzeptiert, sondern<br />
als Bereicherung begriffen werden<br />
müsse, dass der Westen und der<br />
Osten Europas einander Ergänzendes<br />
bieten können, dass die Chance für<br />
ein friedliches Miteinander, wie es<br />
in den Flugblättern der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong><br />
noch als Utopie postuliert wurde,<br />
heute so groß sei wie nie zuvor, dass<br />
gleichwohl Vergangenheit akzeptiert<br />
werden müsse als Voraussetzung für<br />
Zukunft, dass beim Brückenbauen<br />
zwischen den beiden Ländern Schülern<br />
und Lehrern eine besondere<br />
Bedeutung zukomme und dass die<br />
Brücken nicht über die neuen Länder<br />
hinweg, sondern unter ihrer Einbeziehung<br />
Polen und Deutsche miteinander<br />
verbinden müssen.<br />
Auf dieser Grundlage entspann sich<br />
unter der zweisprachigen Moderation<br />
von Lidia Zimmermann ein lebhaftes<br />
Gespräch auf dem Podium und mit<br />
den Teilnehmern.<br />
Konkrete Formen des Brückenbauens<br />
besprachen die Teilnehmer am<br />
zweiten Tag der Begegnung. Gertrud<br />
Römer von der Otto-Hahn-Gesamtschule<br />
in Hamburg lieferte mit ihrem<br />
Erfahrungsbericht über den deutschpolnischen<br />
Schüleraustausch 2005<br />
in Danzig mit einem <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
Schwerpunkt dafür die Grundlage. Sie<br />
berichtete von den Schwierigkeiten,<br />
Teilnehmer zu gewinnen, und von der<br />
Begeisterung derer, die teilgenommen<br />
hatten, von den wechselseitigen<br />
Vorurteilen und den Möglichkeiten, sie<br />
abzubauen, von den Formen wechselseitiger<br />
Vermittlung von historischem<br />
Wissen. Die daran anschließende<br />
Diskussion stellte heraus, dass es<br />
nötig sei, die Jugendlichen nach ihren<br />
Interessen zu befragen, dass der pure<br />
Kulturaustausch auf Dauer zu wenig<br />
sei, dass gemeinsame systematische<br />
Projektarbeit ein geeigneter Weg aufeinander<br />
zu sei und dass das Beispiel<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> / Widerstand sich als<br />
Themenfeld dafür anbiete. Es gehe,<br />
so der stellvertretende Direktor der<br />
Bayerischen Landeszentrale für politische<br />
Bildungsarbeit, Werner Karg,<br />
nicht mehr nur um die Darstellung des<br />
Gewesenen, sondern um den aktiven<br />
Übertrag auf das heutige gesellschaftliche<br />
und moralische Leben junger<br />
Menschen. Geschichtsbetrachtung<br />
diene vor allem dazu, Sensibilität für<br />
den Anderen herzustellen und Vergleiche<br />
als Voraussetzung zur Wahrnehmung<br />
von Unterschiedlichkeit zu<br />
provozieren.<br />
Anneliese Knoop-Graf, die zuvor bereits<br />
im Goethe-Institut Krakau ein<br />
Zeitzeugengespräch geführt hatte,<br />
verwies auf die Kraft zum Widerstand,<br />
die Gleichgesinnte entwickeln, und<br />
auf die Notwendigkeit, dem eigenen<br />
Gewissen folgend dort Nein zu sagen,<br />
wo es bequemer wäre, zu schweigen<br />
oder Ja zu sagen. Dies habe für die<br />
Mitglieder der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> gegolten<br />
und es gelte heute nicht minder. Es<br />
bleibe dies eine Aufgabe für Schüler<br />
und Lehrer, den Mut zum Widerspruch<br />
zu üben und zu unterstützen.<br />
Der dritte Thementag stand unter dem<br />
Motto „Europäische Diplomatie im Alltag“.<br />
Dr. Thomas Gläser, der Deutsche<br />
Generalkonsul in Krakau, und Tomasz<br />
Trafas, bis vor kurzem polnischer Generalkonsul<br />
in London, skizzierten die<br />
Verbindungen vor dem Hintergrund<br />
der Ost-Erweiterung der Europäischen<br />
Union. Polen sei vom Westen<br />
des Ostens zum Osten des Westens<br />
geworden. Die Probleme, die sich<br />
daraus in der alltäglichen Diplomatie<br />
ergeben, wurden ebenso sachlich dargestellt<br />
wie die Chancen, die daraus<br />
resultieren. Die vielfältigen bestehenden<br />
deutsch-polnischen Kontakte von
Publikum bei der Lehrerbegegnung<br />
in Krakau<br />
Ausstellungseröffnung<br />
in Krakau<br />
den institutionalisierten Jugendbegegnungen bis<br />
hin zu den Schulen des deutschen Rechts in Mainz,<br />
Heidelberg, Krakau und künftig auch Lemberg, an<br />
denen deutsche und polnische Juristen studieren,<br />
gelte es, mit Leben zu erfüllen und auszubauen. Der<br />
Vorsprung, den das deutsch-französische Modell hat,<br />
könne als Ansporn für den Ausbau der deutsch-polnischen<br />
Beziehungen dienen.<br />
Die Besichtigungen der Altstadt von Krakau und von<br />
Nowa Huta rundeten die Eindrücke der deutschen<br />
Teilnehmer ab. Die informellen Kontakte zwischen<br />
den deutschen und polnischen Lehrerinnen und Lehrern<br />
vertieften die Beziehungen und weckten den<br />
Wunsch nach einer Fortsetzung der Begegnung auf<br />
Arbeitsebene.<br />
Außerhalb aller beschreibbaren Erfahrung blieb der<br />
Besuch von Auschwitz und Birkenau. Angesichts dieser<br />
Ordnung des Terrors wurde sprach- und wortlos<br />
der Auftrag unausweichlich, überall und immer ziviles<br />
Engagement zu fördern.<br />
Die Reaktionen der Teilnehmer und die Eindrücke<br />
der Veranstalter berechtigen zu dem Schluss, dass<br />
das Polen-Projekt „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“<br />
in Krakau sein Ziel erreicht hat und dass<br />
diejenigen, die es befördert haben, einen wirksamen<br />
Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung geleistet<br />
haben.<br />
11
Als Gesprächspartner standen den<br />
deutschen und polnischen Lehrerinnen<br />
und Lehrern Erzbischof<br />
Prof. Dr. Alfons Nossol, Prof. Dr.<br />
Wladyslaw Bartoszewski und Pastor<br />
Friedrich Magirius zur Verfügung.<br />
Aus der Abschrift ihrer frei gesprochenen<br />
Eingangsstatements drucken<br />
wir im Folgenden Auszüge ab.<br />
12<br />
Prof. Dr. Alfons Nossol<br />
Zu unserem Generalthema „Zerreißt<br />
den Mantel der Gleichgültigkeit“ fällt<br />
mir ein polnischer Revolutionsdichter<br />
der Zwischenkriegszeit ein, der<br />
in einem seiner Gedichte sagt: Ich<br />
fürchte keine Mörder, denn ein Mörder<br />
kann nur töten. Ich fürchte keine<br />
Verräter, denn ein Verräter kann nur<br />
Verrat üben. Aber ich fürchte gleichgültige<br />
Menschen, denn durch ihr Stillschweigen<br />
geschehen sowohl Mord<br />
als auch Verrat – Zerreißt den Mantel<br />
der Gleichgültigkeit! Diese Einschätzung<br />
hat eine lange Tradition. Schon in<br />
der Apokalypse im Neuen Testament<br />
finden wir den Hinweis darauf, dass<br />
es die gleichgültigen Menschen sind,<br />
die wir fürchten müssen.<br />
Zu unserem speziellen Thema „Von<br />
der schwierigen Annäherung zwischen<br />
Polen und Deutschen“ sind aus<br />
meiner Sicht drei Aspekte anzusprechen:<br />
Zuerst die Last der Vergangenheit,<br />
dann der schwierige Dialog und<br />
schließlich der Weg zu Partnerschaft<br />
und Kooperation.<br />
Aus meiner persönlichen Erfahrung<br />
„zwischen Tür und Angel“ – ich<br />
stamme aus Schlesien – habe ich<br />
zu spüren bekommen, dass drei Voraussetzungen<br />
erfüllt sein müssen,<br />
wenn man von einem echten Dialog<br />
sprechen will, der zu Aussöhnung<br />
und wahrer Versöhnung führen soll,<br />
gerade im Hinblick auf die deutschpolnischen<br />
Verhältnisse.<br />
Was wir heute dagegen setzen müssen,<br />
ist nicht nur Toleranz, sondern<br />
Akzeptanz in unserem jeweiligen<br />
Anderssein. Dies Anderssein ist nicht<br />
gleichbedeutend mit Fremdsein. Johannes<br />
Paul II. hat festgestellt, dass<br />
wir zum ersten Mal in der Geschichte<br />
unseres Kontinents nur von Freunden<br />
umgeben sind. Wir müssen diese<br />
Chance nutzen. Und unsere westlichen<br />
Nachbarn müssen erkennen,<br />
dass auch der Osten in kultureller<br />
Hinsicht etwas zu bieten hat. Denken<br />
Sie allein an das andere Verhältnis<br />
des Ostens zur Zeit. Wir sollten diese<br />
Unterschiede als Chance verstehen.<br />
Und als Christ füge ich hinzu: Herr,<br />
Du kennst meine Vergangenheit. Ich<br />
schenke Dir mein Heute. Sorge Du<br />
Dich um mein Morgen. Amen.<br />
Die Geschichte unserer Beziehungen<br />
hat sehr variiert. Wir hatten herrliche<br />
Zeiten einer kreativen Zusammenarbeit,<br />
großer Menschlichkeit, wahrer<br />
Nachbarschaft. Dann aber hat uns<br />
die Tragödie der zwei Weltkriege, die<br />
eigentlich mit Bismarck begonnen<br />
hat, auseinander gebracht. Die Unmenschlichkeit,<br />
die ganz besonders<br />
hier in Krakau, in der nächsten Nähe<br />
von Auschwitz, spürbar ist, hat uns<br />
getrennt. Erzbischof Prof. Dr. Alfons Nossol
Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski<br />
Meine Damen und Herren, Versöhnung<br />
bedeutet so etwas wie Brücken<br />
bauen. Zwei Völker und willige Menschen<br />
auf beiden Seiten bauen eine<br />
Brücke über die Kluft, über den Fluß,<br />
über Hindernisse und trotz der Hindernisse.<br />
In jeder Epoche und in jedem<br />
Land und Volk gibt es Menschen, die<br />
genug Mut haben, solche Brücken<br />
zu bauen. Und in jedem Land und in<br />
jedem Volk gibt es zu jeder Zeit Menschen,<br />
die versagen.<br />
Passivität und Gleichgültigkeit sind<br />
Formen des Versagens. Die Geschwister<br />
Scholl waren Menschen, die nicht<br />
versagt haben. … Ich habe von ihnen<br />
im polnischen Widerstand erfahren.<br />
Über den Londoner Rundfunk habe<br />
ich damals von ihnen gehört, mit<br />
Verspätung natürlich. Aber so haben<br />
wir doch damals im besetzten Land<br />
gewusst, dass es auch ein anderes<br />
Deutschland gibt. Und wir wollten<br />
auch dieses andere Deutschland einmal<br />
erleben und kennen lernen.<br />
Für Menschen, die das heute nicht<br />
wissen, eine kleine Erklärung: Ich gehörte<br />
damals nicht nur zu den hunderttausenden<br />
Polen in der Heimatarmee,<br />
Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski<br />
sondern auch zu einer kleinen Gruppe<br />
im Widerstand, die sich Gedanken<br />
gemacht hat über die ethische, die<br />
soziale und die nationale Zukunft des<br />
Landes und der Gesellschaft nach<br />
dem Krieg. Schon damals haben wir<br />
uns im Sinn der Gerechtigkeit gegen<br />
jede Rache, gegen jede Verallgemeinerung<br />
und gegen Pauschalverantwortung<br />
entschieden. … Hinweis und Ansporn<br />
hat mir damals ein katholischer<br />
Priester, mein Beichtvater, gegeben.<br />
Und ich bin ihm bis heute dafür dankbar,<br />
dass er mir, dem damals 19-jährigen<br />
unerfahrenen Menschen, diesen<br />
Weg gezeigt hat. …<br />
Viele Jahre später habe ich 1987 in<br />
der Aula in der Universität in München<br />
dies gesagt: „Die Historiker<br />
und Politologen können lediglich Fakten<br />
beschreiben und interpretieren,<br />
Schlussfolgerungen formulieren und<br />
beim Verständnis historischer Zusammenhänge<br />
behilflich sein. In welcher<br />
Form aber die Kenntnis dieser Fakten<br />
ausgenutzt wird, hängt von der Gewissensstärke<br />
und der geistigen Reife<br />
einer jeden Generation ab. Der Hauptfeind<br />
liegt hier in der Gleichgültigkeit<br />
gegenüber dem Bösen in der Welt sowohl<br />
im gesellschaftlichen als auch im<br />
politischen Bereich, also im Endeffekt<br />
gegenüber dem Bösen im ethischen<br />
Sinne.<br />
Die Mitglieder der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> starben<br />
in einer mit wenigen Ausnahmen<br />
in Bezug auf ihre Handlungsweise<br />
und ihre Opfer gleichgültigen, wenn<br />
nicht feindlichen Umgebung. Das<br />
erinnert an die zehn Gerechten aus<br />
der biblischen Stadt Sodom, die fehlten,<br />
weshalb, wie bekannt, die Stadt<br />
nicht gerettet wurde. In München und<br />
woanders in Deutschland waren Gott<br />
sei Dank viel mehr Gerechte zu finden,<br />
das Ausmaß der Gleichgültigkeit<br />
ringsum, in anderen Fällen die Angst<br />
um das weitgehend perfekte Funktionieren<br />
des NS-Terrorapparates, haben<br />
aber keine wirkliche Veränderung der<br />
Situation des deutschen Volkes und<br />
Deutschlands im Jahre 1943 und 1944<br />
zugelassen. Man kann die Sache auch<br />
so sehen: Das Opfer der jungen Menschen<br />
der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und aus dem<br />
Umfeld der ursprünglichen Gruppe<br />
war jedoch nicht vergeblich, wenn<br />
sich die heutige Generation junger<br />
Deutscher eines Lebens erfreuen<br />
kann unter den Bedingungen der<br />
Rechtsstaatlichkeit und der Achtung<br />
der Grundrechte der Menschen und<br />
das mit Recht als eine Selbstverständlichkeit<br />
versteht. Man kann nur hoffen,<br />
dass diese Lebensbedingungen für<br />
alle Menschen in den verschiedenen<br />
Ländern Europas und der Welt in absehbarer<br />
Zeit erreichbar sein werden.“<br />
Ich danke Ihnen.<br />
13
14<br />
Pastor Friedrich Magirius<br />
Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
sind erst in dumpfer Betäubung,<br />
dann in neuer, angstvoller Selbstbehauptung<br />
vergangen. Es droht, zu<br />
spät zu werden. Noch aber können<br />
wir unbeschadet der Pflicht zu gewissenhafter<br />
politischer Entscheidung der<br />
Selbstrechtfertigung, der Bitterkeit<br />
und dem Hass eine Kraft entgegensetzen,<br />
wenn wir selbst wirklich vergeben,<br />
Vergebung erbitten, und diese<br />
Gesinnung praktizieren.<br />
Umkehr beginnt nicht bei dem Anderen,<br />
sondern bei mir. Und es ist<br />
eigentlich das wichtigste Motiv unseres<br />
christlichen Glaubens, immer<br />
wieder uns aus den alten Bindungen,<br />
aus Schuld und Versagen einen neuen<br />
Anfang zu erbitten. Es gibt ein Symbol<br />
dafür. Das ist ein Mensch, der sich<br />
dem anderen zuwendet, sich beugt<br />
unter der Last der Vergangenheit und<br />
die Hände ausstreckt, dass sie von<br />
dem Partner angenommen werden.<br />
Die DDR-Regierung hatte dafür überhaupt<br />
keinen Sinn. „Sühnezeichen<br />
West“ und „Sühnezeichen Ost“<br />
lebten verschieden. Aber wir waren<br />
die unmittelbaren Nachbarn und<br />
durften nicht nach Polen. Die DDR-<br />
Regierung sagte, wir sind alle kommunistische<br />
Bruderländer, alles ist<br />
geregelt. Es gilt der Vertrag von Görlitz<br />
1950 – fertig! Die Schuldigen sind<br />
im Westen. Und so haben wir diese<br />
Arbeit von Anfang an nur unter der<br />
Decke, gewissermaßen unterirdisch<br />
gemacht, und dennoch alljährlich im<br />
Wachsen dieser Arbeit, der ich dann<br />
auch acht Jahre vorstehen durfte, 500<br />
bis 600 junge Leute aus dem östlichen<br />
Bereich – nämlich Ostdeutschland,<br />
Polen, Slowakei, Tschechien,<br />
Ungarn – zu 14-tägigen Diensten<br />
zusammengerufen. Nicht nur reden,<br />
sondern etwas Praktisches tun, „Aktion<br />
Sühnezeichen“.<br />
Das eigentliche Wunder war, dass<br />
die polnischen Freunde es besser<br />
verstanden haben als die deutschen.<br />
Denn hier war das Wort Sühne und<br />
das Wort Versöhnung wirklich bewusst.<br />
Und so bin ich noch heute den<br />
Männern und Frauen dankbar, die hier<br />
aus der katholischen Laienbewegung<br />
die Dinge zuallererst aufgenommen<br />
haben. Für mich war hier, in Polen, der<br />
Westen. Hier habe ich Freiheit, habe<br />
ich, aus der Enge der DDR kommend,<br />
weites Denken, einen offenen Horizont<br />
kennen gelernt.<br />
Es kommt entscheidend auf unsere<br />
Grundhaltung an. Wir müssen offen<br />
füreinander sein. Und es darf nicht<br />
passieren, dass – wie es in den Medien<br />
jetzt oft geschieht – aus den Tätern<br />
Pastor Friedrich Magirius<br />
Opfer werden. Es darf nicht sein, dass<br />
das Leid der Deutschen wichtiger<br />
wird als das unvergleichliche Leid, das<br />
wir Deutsche den Juden oder dem<br />
Nachbarvolk Polen zugefügt haben.<br />
Es darf nicht sein, dass die gewachsene<br />
Annäherung durch solche Verfälschung<br />
der Geschichte gefährdet<br />
wird.<br />
Ich selbst bin seit 1989 immer wieder<br />
nach Polen gefahren, um mit den<br />
Menschen hier ein Stück zu leben<br />
und Kontakte zu suchen, vor allem zu<br />
jungen Polen. Diese Basisarbeit von<br />
Mensch zu Mensch, vom Einzelnen<br />
zum Anderen, scheint mir das Allerwichtigste<br />
zu sein. Was wir in Ostdeutschland<br />
nach 1990 erlebt haben,<br />
was da über Nacht über uns gekommen<br />
ist, dass wir uns plötzlich auf die<br />
Verhältnisse in Europa einzustellen<br />
hatten, das verbindet uns in besonderer<br />
Weise mit den Polen. Auch aus<br />
diesem Grund darf die Brücke der<br />
Verständigung, die wir zwischen Polen<br />
und Deutschland zu bauen haben, das<br />
Gebiet der ehemaligen DDR nicht außer<br />
acht lassen.
Deutsch-Polnisches Journalistentreffen<br />
Mit dem Treffen junger polnischer und deutscher<br />
Journalisten und mit der Eröffnung und Präsentation<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung begann in<br />
Warszawa (Warschau) die Schlussphase des Projekts<br />
„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“ in<br />
Polen.<br />
Unter der Maßgabe, dass Gesprächsveranstaltungen<br />
grundsätzlich so gut wie die Gesprächsteilnehmer<br />
sind, war die Begegnung junger Journalisten aus<br />
Polen und Deutschland zum Thema „Zivilcourage in<br />
unserem Land“ eine gelungene Veranstaltung.<br />
Die Bandbreite der Teilnehmer reichte vom 27-jährigen<br />
Deutschland-Korrespondenten der größten<br />
polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborza bis zum 19jährigen<br />
deutsch-polnischen Vertreter des Verbands<br />
der internationalen Jugendpresse, von einer jungen<br />
deutschen Autorin der taz bis zur jungen polnischen<br />
Journalistin eines Wirtschafts-Magazins aus Warschau.<br />
Die Medien Hörfunk, Fernsehen, Tageszeitung<br />
und Wochenzeitung waren vertreten.<br />
Als erfahrene Journalisten standen den jungen Kolleginnen<br />
und Kollegen Freimut Duve, ehemaliger Bundestagsabgeordneter,<br />
Journalist und Publizist, Basil<br />
Kerski, Chefredakteur der deutsch-polnischen Vierteljahresschrift<br />
Dialog, Wojciech Duda, Chefredakteur<br />
der in Danzig erscheinenden Zeitung Przeglad Polityczny<br />
und engster politischer Berater von Donald<br />
Tusk, Dr. Uwe <strong>Rose</strong>nbaum, Landessenderdirektor<br />
des SWR in Mainz sowie Robin Lautenbach, ARD-<br />
Korrespondent in Polen, zur Verfügung.<br />
Die Begegnung fand vom 25.-27.10.<strong>2006</strong> in den Tagungsräumen<br />
des Deutschen Historischen Instituts<br />
statt. Dessen Direktor, Prof. Dr. Klaus Ziemer, gab<br />
Einblicke in die Arbeit seines Instituts, von der sich<br />
unmittelbar Zusammenhänge zum eigenen Projekt<br />
„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“ ergaben.<br />
Der Vorsitzende der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., Dr.<br />
Christof Schmid, betonte, dass es vor dem Hintergrund<br />
der Zivilcourage der Mitglieder der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> um Formen des zivilen Muts und Engagements<br />
insbesondere bei jungen Menschen heute<br />
gehe. Journalisten seien in diesem Zusammenhang<br />
zweifach gefragt. Zum einen hätten sie das Thema<br />
an positiven und negativen Beispielen wach zu halten<br />
und gesellschaftliche Missstände und Auswege<br />
aufzuzeigen, in denen jenseits des staatlichen Einflusses<br />
der Einzelne gefragt sei. Zum anderen sei<br />
Zivilcourage von Journalisten fallweise selbst gefordert,<br />
wo publizistischer Anspruch und politische oder<br />
wirtschaftliche Opportunität auseinander lägen.<br />
Robin Lautenbach vermittelte in seinem Statement<br />
Einblick in den Alltag eines Auslandskorrespondenten<br />
in Polen, der an ein und demselben Tag eine<br />
Straßenbefragung zum deutsch-polnischen Verhältnis,<br />
einen Bericht über Fledermäuse am Westwall,<br />
ein angestrebtes Interview mit dem „Vater Direktor“<br />
von Radio Maria sowie die Fertigstellung eines 30-<br />
Minuten-Portraits über Warschau als Aufgaben bereithalte.<br />
Daneben analysierte Robin Lautenbach das<br />
deutsch-polnische Verhältnis unter den Aspekten von<br />
deutsch-polnischen Stereotypen, von Ungleichgewichten<br />
und Ungleichzeitigkeit.<br />
Gegen die wechselseitig bestehenden Stereotypen<br />
habe die Berichterstattung und Kommentierung<br />
verständlich und differenziert anzugehen. Vor-Urteile<br />
15
edürften der Überprüfung und der<br />
Korrektur. Nicht selten müsse sich<br />
der Korrespondent als Kenner vor Ort<br />
gegen Vorgaben der eigenen Auftraggeber<br />
zur Wehr setzen.<br />
Als ungleich gewichtig bezeichnete<br />
Robin Lautenbach das weitaus größere<br />
historische Bewusstsein der Polen<br />
sowie ihre deutlich größeren Kenntnisse<br />
über die gesellschaftliche und<br />
politische Situation in Deutschland.<br />
Dagegen wachse das Interesse in der<br />
deutschen Öffentlichkeit am östlichen<br />
Nachbarland auch als potentiellem<br />
Reiseland erkennbar erst seit dem<br />
EU-Beitritt. Umgekehrt stelle sich die<br />
deutsche Politik gegenüber Polen als<br />
deutlich offener dar, als dies seit dem<br />
Amtsantritt der Brüder Kaczynski von<br />
Polen in Richtung Deutschland der<br />
Fall sei. Diese Ungleichgewichte erschwerten<br />
die Verständigung.<br />
Zum Aspekt der fehlenden Gleichzeitigkeit<br />
legte Robin Lautenbach dar,<br />
dass die Verarbeitung der Geschichte<br />
in beiden Ländern mit unterschiedlicher<br />
Geschwindigkeit vonstatten<br />
gehe. In Deutschland sei die Verarbeitung<br />
des Zweiten Weltkriegs im<br />
öffentlichen Bewusstsein weitgehend<br />
abgeschlossen. Dagegen sei in Polen<br />
die Zeit der Okkupation nach wie vor<br />
schmerzhafter Teil des gesellschaftlichen<br />
Bewusstseins und individueller<br />
Familiengeschichten. Weit stärker<br />
als in Deutschland gründe in Polen<br />
der Patriotismus im gemeinsamen<br />
Geschichtsbewusstsein. Verstärkt<br />
werde dies durch die im Verständnis<br />
von 50 Prozent der Polen immer noch<br />
nicht vollzogene Aufarbeitung und<br />
Abrechnung mit dem Kommunismus.<br />
Vor diesen drei Asymmetrien erläuterte<br />
Robin Lautenbach die aktuelle<br />
deutsch-polnische Politik.<br />
Wojciech Duda knüpfte mit seinen Äußerungen<br />
über die Medienlandschaft<br />
an die Ausführungen von Robin Lautenbach<br />
an. Er hob heraus, dass die<br />
Befreiung von 1989 in Polen vor allem<br />
eine Befreiung des Wortes durch<br />
das Wort gewesen sei. Dass sich die<br />
gesellschaftliche Revolution nicht nur<br />
als Revolution des politischen und<br />
wirtschaftlichen Systems durchgesetzt<br />
habe, sondern vor allem auch als<br />
„Popularisierung der Politik durch die<br />
Medien“. Seither habe sich in Polen<br />
eine mediale Demokratie entwickelt.<br />
Man könne auch von einer Mediokratie<br />
sprechen, in der Medien nicht<br />
die vierte, sondern die erste Macht<br />
darstellten. Entsprechend groß sei die<br />
Verantwortung der Medien in Polen.<br />
Vor diesem Hintergrund entwarf Wojciech<br />
Duda sein Bild von der aktuellen<br />
Medienlandschaft in Polen, die er im<br />
Wesentlichen durch vier Faktoren<br />
16<br />
charakterisiert und gefährdet sieht:<br />
Vorrang des Fernsehens in der Mediennutzung<br />
(staatliches, privates und<br />
kirchliches Fernsehen), unzureichende<br />
Trennung zwischen Politik und staatlichem<br />
Fernsehen, starker Anteil ausländischer<br />
Verlage und Investoren auf<br />
dem polnischen Pressemarkt (Agora,<br />
Bauer, Springer), Tendenz weg von<br />
Information und Aufklärung hin zur<br />
„Banalisierung der Wirklichkeit“ und<br />
Unterhaltung. Diese Entwicklung betrachtet<br />
Wojciech Duda mit Sorge. Er<br />
sieht sie durch die Regierung Kaczynski<br />
drastisch unterstützt. Wachsamkeit<br />
und Zivilcourage der Journalisten<br />
seien gefordert.<br />
An diese Statements schloss sich<br />
eine erste Gesprächsrunde unter<br />
Leitung von Lidia Zimmermann an, in<br />
der die angeschnittenen historischen,<br />
politischen und medienbezogenen<br />
Themen lebhaft diskutiert wurden.<br />
Dabei reichte die Bandbreite der angesprochenen<br />
Aspekte vom Abbau<br />
des Meinungsjournalismus zugunsten<br />
des „Event-Journalismus“ auch in<br />
Deutschland (<strong>Rose</strong>nbaum) über den<br />
durch Diversifizierung relativierten<br />
Einfluss der katholischen Kirche auf<br />
polnische Medien und die Rolle ausländischer,<br />
insbesondere deutscher<br />
Investoren im polnischen Mediengeschäft<br />
bis zum Witz als journalistischer<br />
Waffe (Kartoffelaffäre).<br />
Wojciech Duda
Freimut Duve entwarf sein Statement<br />
vor dem Hintergrund seiner<br />
Erfahrungen als Vorsitzender der<br />
Menschenrechtskommission mit persönlichen<br />
Kontakten zu den Brückenbauern<br />
für eine osteuropäische Erweiterung.<br />
Seinen Freund Adam Michnik<br />
zählt er dazu, Willy Brandt, Marion<br />
Gräfin Dönhoff und viele andere. Als<br />
Kernerkenntnis seiner Überlegungen<br />
formuliert er den Satz „Europa hat<br />
keine Chance ohne Europa“. Er will<br />
damit zum Ausdruck bringen, dass<br />
die Annäherung zwischen Polen und<br />
Deutschen keine bilaterale, sondern<br />
eine gesamteuropäische Aufgabe sei.<br />
Dies gilt vor dem Hintergrund der Präsenz<br />
von Auslandspolen in allen europäischen<br />
Ländern und der fehlenden<br />
nationalen Homogenität dieser Länder.<br />
Es gilt vor dem Hintergrund des<br />
geforderten Umgangs mit der eigenen<br />
und der fremden Geschichte, auch<br />
mit den eigenen und fremden Verbrechen.<br />
Und es gilt vor dem Hintergrund<br />
der spezifischen Ost-Politik Polens,<br />
die durch Russlandangst bestimmt<br />
ist, aus der sich der Beitritt Polens<br />
zur Nato und zum transatlantischen<br />
Bündnis und die enge Bindung Polens<br />
an Amerika ebenso erklären wie die<br />
konkrete und praktische Solidarität<br />
Polens gegenüber der Ukraine und<br />
Weißrussland.<br />
Robin Lautenbach<br />
In solchen europäischen Dimensionen<br />
sieht Freimut Duve grenzüberschreitend<br />
die Verantwortung der<br />
Journalisten. Die Demokratie, so sein<br />
zentraler Satz, lebt wesentlich von der<br />
Freiheit und der Verantwortung der<br />
Presse. Dabei sieht er die Freiheit der<br />
Presse in Polen und in Deutschland,<br />
anders als in Russland, nicht durch<br />
„Zensur durch Mord“ bedroht, wie<br />
es zuletzt das Beispiel von Anna Politkowskaja<br />
belegt. Bedroht sieht Freimut Duve<br />
die Freiheit und die Unabhängigkeit<br />
der Presse in Polen und in Deutschland<br />
dort, wo die Mitverantwortung<br />
der Journalisten für den Freiheitsauftrag<br />
der Demokratie von diesen selbst<br />
nicht mehr als zentral angesehen<br />
wird, wo wirtschaftliche Zwänge und<br />
politische Interessen die Richtung und<br />
den Inhalt journalistischer Berichterstattung<br />
und Bewertung bestimmen,<br />
wo wirtschaftliche und ökologische<br />
Vorgänge zunehmend zu Reklamevorgängen<br />
denaturieren und an die Stelle<br />
journalistischer Durchdringung die Bebilderung<br />
trete. Es sei die Pflicht gerade<br />
auch junger Journalisten, wachsam<br />
und kritisch solchen Tendenzen zu<br />
begegnen. Dies gelte insbesondere<br />
auch für Polen, das seit 1989 ein<br />
„Aufbruchsland für unabhängigen<br />
Journalismus“ geworden sei und das<br />
diese Aufbruchsstimmung auch in<br />
der derzeitigen Phase reaktiver Politik<br />
der sogenannten „Vierten Republik“<br />
bewahren müsse. Das Verbrechen<br />
habe 1933, so Freimut Duve, mit dem<br />
Wegschauen begonnen – auch vieler<br />
Journalisten.<br />
Vor dem Hintergrund dieser persönlich<br />
gedeckten an- und aufregenden Statements<br />
wurde ca. zwei Stunden eine<br />
lebhafte Diskussion geführt, die von<br />
der Sprachverantwortung der Journalisten<br />
über den Stand des Meinungsjournalismus<br />
in Polen und in Deutschland<br />
und „Vermeidungsthemen“ bis<br />
hin zum internationalen Ranking der<br />
Pressefreiheit führte.<br />
Das letzte Statement lieferte am zweiten<br />
Tag der Begegnung Basil Kerski,<br />
Chefredakteur der deutsch-polnischen<br />
Vierteljahresschrift Dialog. Er spannte<br />
einen fulminanten Bogen vom Polen<br />
der 70er Jahre (Brandt-Besuch im<br />
Januar 1970) über die Unruhen in<br />
Zentralpolen 1976 und die Geburt<br />
einer bewussten Opposition und einer<br />
Öffentlichkeit im Untergrund, die<br />
Entstehung freier Medien ab Sommer<br />
1980, die Solidarnosc-Bewegung,<br />
den Besuch Gorbatschows in Polen<br />
1987, den runden Tisch 1989 bis hin<br />
zur Präsidentschaft Lech Wałesa und<br />
der aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen<br />
und publizistischen Situation<br />
Polens in diesen Tagen unter den<br />
17
Gebrüdern Kaczynski. Kerski zeigte und erklärte, welcher<br />
Schock und Riss durch die Gesellschaft durch<br />
Stil, Inhalt und Ergebnis der letzten Wahlen in Polen<br />
entstanden ist. Er streifte dabei die Rolle der Kirche<br />
und betont die Bedeutung der Medien, unter deren<br />
affirmativem, aber auch kritischem Einfluss derzeit in<br />
Polen eine Parallelgesellschaft entstehe. Zwar gebe<br />
es keine persönliche Bedrohung für kritische Journalisten<br />
wie in Russland. Dagegen bilde der Vormarsch<br />
der „Medien ohne Inhalt“ eine erst zu nehmende<br />
Gefahr.<br />
Gefährdet sei die Freiheit der Presse in Polen zudem<br />
durch den politischen Versuch, durch Neubesetzung<br />
von leitenden Positionen die öffentlichen Medien auf<br />
eine Schiene zu setzen und ihnen damit die Variationsbreite<br />
zu nehmen. Als bedrohlich wird in diesem<br />
Zusammenhang die neu eingerichtete Antikorruptionsbehörde<br />
angesehen, die in der Lage sei, mit<br />
staatsanwaltlichen Kompetenzen aus der Kaczynski-<br />
Ära eine McCarthy-Ära zu machen.<br />
Vor diesem Hintergrund wurden die von den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern erstellten journalistischen<br />
Beiträge zum Thema „Zivilcourage in unserem Land“<br />
inhaltlich und handwerklich diskutiert. Dabei zeigte<br />
sich, dass sich die deutschen Beiträge durchwegs<br />
mit dem Phänomen der rechten Szene und den<br />
Versuchen, ihr zu begegnen, befassen. Dagegen<br />
sind die polnischen Beiträge weiter gefasst, thematisieren<br />
sowohl die Arbeit von NGO´s - das sind Organisationen<br />
ohne staatlichen Hintergrund, die auf<br />
breiter Fläche ziviles Engagement üben - als auch die<br />
öffentliche Auseinandersetzung mit der derzeitigen,<br />
als regressiv empfundenen Regierung.<br />
Neben diesen unterschiedlichen inhaltlichen Akzenten<br />
zeigte sich jedoch Übereinstimmung in den<br />
Vorstellungen von dem, was moralisch und handwerklich<br />
von Journalisten und ihrer Arbeit in Polen<br />
und Deutschland erwartet wird. Als gemeinsame<br />
Aufgabe wird es angesehen: der alles bestimmenden<br />
politisch-ökonomischen Macht geistig und<br />
historisch begründete Werte entgegen zu setzen, der<br />
Erziehung zu puren Konsumenten und der daraus<br />
resultierenden Apathie durch Elan und Energie Einzelner<br />
zu begegnen und ansteckend zu wirken, dem<br />
Wegschauen entgegenzutreten und eine Gesprächs-<br />
und Streitkultur zu fördern, in der der Meinungsjournalismus<br />
seinen Platz behält.<br />
18<br />
Basil Kerski und<br />
Freimut Duve
Im Vorfeld des Treffens der jungen Journalisten in<br />
Warschau haben alle Teilnehmer in ihrem Medium<br />
einen Beitrag zum Thema „Zivilcourage in unserem<br />
Land“ verfasst. Wir drucken stellvertretend<br />
die Artikel von Bartosz T. Wielinski, Gazeta Wyborza,<br />
und Astrid Geisler, taz, ab.<br />
Der Mut ist aus Polen abgereist.<br />
Ob er zurückkehrt?<br />
Bartosz T. Wielinski<br />
In der jüngsten Geschichte Polens hat es noch keine<br />
Regierung gegeben, die so viele Feinde hatte wie die<br />
gegenwärtige. Der Partei „PiS“ (Recht und Gerechtigkeit)<br />
stehen sowohl widerspenstige Journalisten<br />
wie auch die Richter des Verfassungsgerichtes im<br />
Weg. Der Chef der polnischen Nationalbank stört<br />
genauso wie die Politiker der Opposition. Die Menschen,<br />
die das kommunistische Regime stürzten<br />
und Polen in die NATO und die EU führten, erweisen<br />
sich als sowjetische Agenten. Glaubt man den Brüdern<br />
Kaczynski, so ist jeder, dem ihre Vision der IV.<br />
Polnischen Republik nicht gefällt, ein Vertreter der<br />
Lügen-Elite, Mitglied eines kriminellen Netzes von<br />
Spionen, ein Verräter und Feind der Republik. Und<br />
letztere ist ein Staat, der sich nicht nur von innen her<br />
erneuern, sondern außerdem noch seine Unabhängigkeit<br />
vor den Begehrlichkeiten von Unionspolitikern<br />
sowie Deutschen und Russen verteidigen muss.<br />
Seit Beginn der Errichtung der IV. Polnischen Republik<br />
blicke ich aus einer gewissen Distanz auf Polen.<br />
Genau am Tag des Umbruchs, an dem klar wurde,<br />
dass die „PiS“ keine Koalition mit der „PO“ (Bürgerplattform)<br />
eingeht, habe ich in Berlin eine Wohnung<br />
gemietet. Ich schaue, lese, traue meinen Augen<br />
nicht. Und schäme mich verdammt.<br />
Als ich im November 2005 eine Wohnung mietete,<br />
sagte mir der türkischstämmige Vermittler, dass uns<br />
die EU mit einem solchen Präsidenten früher oder<br />
später hinauswerfen würde. Es ging damals um<br />
die von Kaczynski geäußerte Forderung nach einer<br />
Wiedereinführung der Todesstrafe – worauf man<br />
diesseits der Oder mit Entsetzen reagierte. Ich habe<br />
mir damals an die Stirn getippt und angefangen,<br />
dem Türken zu erklären, dass man in Polen während<br />
der Wahlkampagnen unterschiedlichen Blödsinn<br />
quatschen würde, hinterher aber etwas anderes tun<br />
würde. Das war aber erst das Vorspiel der „PiS“-Regierung.<br />
Ich konnte damals noch nicht wissen, dass<br />
die Brüder Kaczynski, um ihre IV. Polnische Republik<br />
aufzubauen, damit beginnen würden, die polnische<br />
Demokratie zu demontieren und zu zerstören, und<br />
sogar das zu besudeln, was Polen seit 1989 erreicht<br />
hat. Dass sie, statt einen Dialog zu führen, diejenigen<br />
mundtot machen würden, denen ihre Pläne<br />
nicht gefallen.<br />
Vor einem Jahr zog die „PiS“ mit dem Schlagwort<br />
der moralischen Erneuerung in den Wahlkampf. Heute,<br />
in der Zeit nach den „Beger-Kassetten“, wo die<br />
Kriminellen von der „Samoobrona“ (Selbstverteidigung),<br />
die rechten Radikalen von der „LPR“ (Liga der<br />
polnischen Familien) sowie der klerikale Radiosender<br />
von Pater Tadeusz aus Thorn die Regierung Kaczynski<br />
unterstützen, erscheinen die Absichten dieser Partei<br />
in einem anderen Licht. Die „PiS“ will soviel Macht<br />
wie möglich ergattern, um größtmöglichen Einfluß<br />
auf das Land und seine Institutionen auszuüben. Sie<br />
19
will sich Polen einverleiben. Irgendwie beunruhigen<br />
mich diese Pläne gar nicht, denn im Laufe der vergangenen<br />
15 Jahre hatten schon einige Kabinette<br />
einen ähnlichen Appetit, und alle endeten kläglich auf<br />
dem „Müllhaufen der Geschichte“, um Ronald Reagan<br />
zu zitieren. Das Problem besteht jedoch darin,<br />
dass in Polen die „PiS“ keinen starken gesellschaftlichen<br />
Gegenspieler hat.<br />
Eigentlich sollten wir die Zeit bis zum Ausbruch von<br />
Protesten zählen, die der Anfang vom Ende des<br />
Aufbaus der IV. Republik Polen sein werden. Am Horizont<br />
sollte nämlich schon die große und vermutlich<br />
erste in der Geschichte Polens stattfindende Auseinandersetzung<br />
innerhalb der Generationen schwelen.<br />
Auf der einen Seite, auf den Regierungsbänken,<br />
stünden die „genetischen Patrioten“, die Anhänger<br />
einer nationalistischen Ideologie, welche sie buchstäblich<br />
dem XIX. Jahrhundert entnehmen. In dieser<br />
Ideologie liegen die Wurzeln für die Xenophobie der<br />
gegenwärtigen polnischen Regierung und deren<br />
Unbeholfenheit auf dem internationalen Parkett.<br />
Deshalb kratzt die „PiS“ an den alten Wunden und<br />
versucht ständig, Polen von dem Weg abzubringen,<br />
den das Land 1989 gewählt hat. Von daher rühren<br />
auch die kranken Ideen vom Aufbau einer polnischen<br />
Armee oder der Kampf gegen die an den Schulen<br />
zu beobachtenden pathologischen Erscheinungen<br />
in Gestalt des Wegschließens von ungehorsamen<br />
Schülern in Quasi-Gefängnisse. Diesem Anachronismus<br />
sollte sich die junge Generation, also die Menschen,<br />
die schon im freien Polen erzogen wurden,<br />
die ihre Sozialisation im Jahr 1989 erlebten und für<br />
die Demokratie bereits eine Selbstverständlichkeit<br />
und Polens Beitritt zur EU das wichtigste Ereignis in<br />
der jüngsten polnischen Geschichte ist, widersetzen.<br />
Ich gehöre selbst dieser Generation an.<br />
Polen braucht einen solchen Zusammenstoß, um<br />
den Drang der „PiS“ und ihrer Satelliten nach der<br />
gesamten Macht aufzuhalten, aber auch, um sich<br />
weiterzuentwickeln. Wo stünde Deutschland heute,<br />
wenn sich im Jahr 1968 nicht die Studenten dem<br />
Establishment der Generation ihrer Eltern widersetzt<br />
hätten? Haben sie damals nicht ihre Zivilcourage unter<br />
Beweis gestellt? Ein solcher Sprung, eine solche<br />
Neuwertung sollte auch in Polen stattfinden. Leider<br />
wird es nicht zu einem solchen Zusammenstoß<br />
kommen, weil man die jungen Menschen von hier<br />
wegbläst. Sie haben keine Lust darauf, sich in den innerpolnischen<br />
Streitigkeiten zu engagieren, sondern<br />
suchen ihr Glück auf den Inseln. Es ist eine traurige<br />
Nachlese aller politischen Veränderungen, dass in<br />
Polen ein gut ausgebildeter Mensch von wenigen<br />
Ausnahmen abgesehen, dazu verdammt ist, vor sich<br />
hin zu vegetieren, weil er in diesem Land keine gut<br />
bezahlte Arbeit finden kann, die ihm Perspektiven<br />
geben könnte. Unterschiedlichen Schätzungen nach<br />
sind bisher schon 3 Millionen Menschen aus Polen<br />
emigriert. Sie sind mit einem Gefühl der Erleichterung<br />
gefahren, denn in England oder Irland hört man<br />
nicht, wie die „PiS“ ihre Gegner mit Schmutz bewirft<br />
und man fühlt auch nicht die Apathie, in die Polen unter<br />
dieser Regierung verfallen ist. Die Brüder<br />
Kaczynski freuen sich sicher darüber, denn dank<br />
dessen fällt die Arbeitslosenzahl in den Statistiken.<br />
Allerdings reisen diejenigen aus, die in der Lage wären,<br />
sich ihnen erfolgreich in den Weg zu stellen, das<br />
Land zu Veränderungen aufzurufen und die anachronistischen<br />
Ideen der „PiS“ zu begraben.<br />
20
Journalistentreffen<br />
in Warschau<br />
Wer hat heute in Polen den Mut, laut gegen diese<br />
Regierung zu protestieren? Zu schreien: „Ich respektiere<br />
Jacek Kuron“, „Ich toleriere Schwule“, „Ich<br />
will eine stärkere Union“, „Ich mag die Deutschen“?<br />
Eine Handvoll Publizisten, die Mitglieder der Lügenelite<br />
und des Netzes, sowie Schwule und Lesben,<br />
welche die Politiker der Koalition am liebsten niederknüppeln<br />
lassen würden. Was übrigens in einigen<br />
polnischen Städten geschehen ist. So hat in Posen<br />
die Polizei den „Marsch der Gleichheit“ auseinander<br />
getrieben. Auf ähnliche Weise hat man die Schüler<br />
gejagt, die gegen den Erziehungsminister Roman<br />
Giertych protestierten (sein Ministerium hat jüngst<br />
der Darwin’schen Theorie den Krieg erklärt). Der<br />
Herbst sollte eine Zeit der Mobilisierung der Jungen<br />
sowie eine Zeit des Protestes gegen die „PiS“ und<br />
die „LPR“ sein. Daraus ist jedoch nichts geworden.<br />
Ich befürchte, dass überhaupt nichts passieren wird,<br />
da schon Gymnasiasten planen, nach dem Abitur<br />
Polen zu verlassen. Manchmal denke ich übrigens<br />
selbst darüber nach, ob ich mir das Leben an der<br />
Spree nicht anders organisieren sollte. Mich vom<br />
Polen der Brüder Kaczynski trennen, aufhören, die<br />
polnische Presse oder die blogs zu lesen, auf das<br />
polnische Satellitenfernsehen verzichten. Das ist<br />
eine sehr verführerische Verlockung.<br />
Selbstverständlich ist auch ein kleines Licht im Tunnel<br />
zu sehen. Die Erfahrungen Spaniens und Portugals<br />
zeigen, dass junge Immigranten nach einigen Jahren<br />
nach Hause zurückkehrten, um neue Erfahrungen<br />
bereichert, mit eingeimpfter westeuropäischer politischer<br />
Kultur. Genauso werden in einigen Jahren die<br />
jungen Polen zurückkehren. Vielleicht wird dann der<br />
Zusammenprall zwischen dem Anachronismus der<br />
Generation der Kaczynskis und der Generation ihrer<br />
Kinder und Enkelkinder stattfinden.<br />
Bleibt die Frage, wohin die Emigranten zurückkehren<br />
werden. In Polen weist nichts auf einen schnellen<br />
Umbruch hin. Die IV. Polnische Republik wird weiter<br />
aufgebaut werden und die Errungenschaften der vergangenen<br />
Jahre werden zerstört sein. Die Regierung<br />
der Populisten wird sehr wahrscheinlich bis zu den<br />
nächsten Wahlen dauern. Und selbst wenn innerhalb<br />
der nächsten Monate das Parlament aufgelöst würde<br />
und die „PiS“ Neuwahlen verlieren würde, bliebe<br />
dennoch Lech Kaczynski Präsident. Er hat schon jetzt<br />
gesagt, dass er die Arbeit einer Nicht-„PiS“-Regierung<br />
lahmlegen würde. Was passiert bis dahin mit<br />
diesem Land? Ich habe Angst, daran zu denken.<br />
21
Demokratie wächst von unten<br />
Astrid Geisler<br />
In Mecklenburg-Vorpommern ziehen erstmals rechtsextreme<br />
Kameradschaftskader in einen Landtag ein.<br />
Trotzdem ist es falsch, jetzt wieder nach einem NPD-<br />
Verbot zu rufen.<br />
Kaum sind die Rechtsextremen in einen weiteren<br />
Landtag eingezogen, ist sie schon wieder da: die Forderung<br />
nach dem NPD-Verbot, diesmal besonders<br />
laut vorgetragen von SPD-Größen wie Peter Struck<br />
und Klaus Wowereit. Kein Wunder: Sie rücken den<br />
demokratischen Parteien auf die Pelle. Da heißt es<br />
eingreifen.<br />
Doch der Verbotsreflex birgt eine bittere Botschaft:<br />
Offensichtlich ist es führenden demokratischen<br />
Volksvertretern egal, ob und wie militante Neonazis<br />
ihre Ideologien streuen. Neonazis dürfen in aller<br />
Ruhe Jugendliche indoktrinieren und systematisch<br />
Dorfgemeinschaften aufstacheln – solange sie dabei<br />
nicht die Einflusssphären der so genannten großen<br />
Politik touchieren. Wie sollte man sich sonst erklären,<br />
dass rechtsextreme Kameradschaften in Teilen<br />
von Mecklenburg-Vorpommern jahrelang ihren Einfluss<br />
ausbauen durften, ohne damit in Schwerin oder<br />
Berlin nennenswerte Reaktionen zu provozieren?<br />
Sieben Gemeinden sind nun umgekippt: Dort hat<br />
erstmals in der Geschichte des Landes eine relative<br />
Mehrheit rechtsextrem gewählt. In insgesamt zwanzig<br />
Gemeinden lag die NPD bei über 20 Prozent, in<br />
drei Gemeinden davon sogar über 30 Prozent. Es<br />
sind Dörfer, wo Parteienverdrossenheit, Rassismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit so selbstverständlich am<br />
Gartenzaun vorgetragen werden wie die Fußballergebnisse<br />
vom Wochenende. Selbst von Wählern,<br />
die – bisher – nicht für die Rechtsextremen stimmen.<br />
An der grundgesetzfeindlichen Gesinnung der Neonazi-Kameradschaften<br />
hatte der Verfassungsschutz<br />
nie einen Zweifel. Ihre Mitglieder nennen sich Nationale<br />
Sozialisten statt Nationalsozialisten; für welche<br />
Idole sie schwärmen, ist damit offenkundig. Dennoch<br />
stellte sich ihrem politischen Durchmarsch in<br />
der Provinz in den vergangenen Jahren kaum jemand<br />
in den Weg. Im Gegenteil: Besorgte Fachleute wurden<br />
bis vor kurzem eher als Hysteriker belächelt.<br />
So ziehen nun erstmals in der bundesrepublikanischen<br />
Geschichte zwei Kameradschaftskader in einen<br />
Landtag ein, kassieren staatliche Diäten, dürfen<br />
ihre Mitglieder auf Kosten des Steuerzahlers mit Referentenpöstchen<br />
versorgen. Der Staat leistet damit<br />
Aufbauhilfe für militante Neonazigruppen. Das alles<br />
kann man entsetzlich finden. Trotzdem ist es nicht<br />
nur verlogen, angesichts des Wahlerfolgs der NPD<br />
plötzlich nach deren Verbot zu rufen, es ist sogar<br />
gefährlich. Denn die Botschaft an die Wähler lautet:<br />
Demokratie heißt, der Bürger darf zwar frei wählen.<br />
Aber wenn er sich für die Falschen entscheidet, dann<br />
wird deren Partei nach der Wahl eben verboten. So<br />
verabschiedet man die inzwischen knapp 60.000<br />
NPD-Wähler in Mecklenburg-Vorpommern für immer<br />
aus der Demokratie.<br />
Es greift zu kurz, nach der Wahl nur auf die NPD zu<br />
starren. Gerade die SPD hätte allen Grund, sich nach<br />
den NPD-Rekorden in einigen Dörfern im Nordosten<br />
mit ihrer eigenen Rolle zu befassen. 9 Prozent für<br />
die SPD, aber 38 Prozent für die NPD in Postlow,<br />
14 Prozent SPD, aber 32 Prozent NPD in Blesewitz<br />
22
– solche Ergebnisse sind kein Zufall. Der Zustand der<br />
SPD in diesem Landstrich nährt den Verdacht, die<br />
Parteistrategen hätten die Gegend aus ihren Listen<br />
gestrichen. Die SPD hat dort ähnlich viele Mitstreiter<br />
wie die Neonazis in Kreuzberg. Wenn die SPD-Spitze<br />
es ernst meint mit ihrer Sorge um die Demokratie,<br />
dann muss sie schleunigst selbst in deren Rettung<br />
investieren. Denn die NPD lebt auch von der Schwäche<br />
der anderen Parteien.<br />
Falls die Bürger in den neuen NPD-Hochburgen<br />
überhaupt wieder für demokratische Parteien zu<br />
begeistern sind, so wird dies nur durch mühsame,<br />
langwierige Überzeugungsarbeit gelingen. Die Demokraten<br />
in den betroffenen Dörfern werden das<br />
alleine nicht schaffen. Sie waren schon vor der Wahl<br />
überfordert, nun sind sie mancherorts auch noch zu<br />
Außenseitern degradiert. Sie brauchen Hilfe – finanzielle,<br />
personelle, juristische und strategische. Denn<br />
dort, wo die Rechtsextremen sich nun in der Mehrheit<br />
wissen, werden sie mehr denn je auftrumpfen.<br />
Ihr Vormarsch in Regionen wie Ostvorpommern oder<br />
Uecker-Randow ist nur zu stoppen, wenn die Demokraten<br />
sie im Alltagsleben klar ausgrenzen. Davon<br />
kann bisher keine Rede sein. In Postlow weigerte<br />
sich der Gemeindebürgermeister vor der Landtagswahl,<br />
öffentlich gegen die NPD einzutreten. In Bargischow<br />
stellt die Gemeinde den Neonazis ein Clubhaus<br />
zur Verfügung. Im Schaukasten vor dem Anklamer<br />
Gymnasium durfte ein rechtsextremer Dachdecker<br />
über Jahre mit einschlägiger Runensymbolik für<br />
seine Dienste werben, Rektorat und Kreisverwaltung<br />
zuckten mit den Schultern und verwiesen auf die<br />
komplizierte Rechtslage. Nur weil der Handwerker<br />
zahlungsunfähig wurde, flog seine Plakette kürzlich<br />
vom Schul-Vorplatz.<br />
Kommunalpolitiker, Eltern, Lehrer, Schüler, Nachbarn<br />
müssen ermuntert werden, sich den Rechtsextremen<br />
entgegenzustellen. Sie müssen ihren Parolen<br />
widersprechen, ihre Propaganda zerlegen, mit dem<br />
NPD-Wähler nebenan das Gespräch suchen und:<br />
Zivilcourage zeigen. Sie müssen in den Bargischower<br />
Jugendclub gehen und sagen: Jetzt machen wir hier<br />
Programm! Sie müssen die Runen-Werbung vor<br />
dem Gymnasium abreißen und sagen: Soll der Dachdecker<br />
doch klagen! All das werden sich die Bürger<br />
nur trauen, wenn sie sich öffentlicher Unterstützung<br />
gewiss sein können. Bisher konnten sie das nicht.<br />
Wer den NPD-Anhängern klarmachen will, warum<br />
sie die falsche Wahl getroffen haben, muss aber<br />
auch Gegenangebote machen. Viele Menschen am<br />
Ostrand des Landes fühlen sich von den Parteistrategen<br />
in den Hauptstädten vergessen, abgeschrieben.<br />
Auch deshalb konnten die Neonazis mit ihrer Graswurzelstrategie<br />
in dieser Gegend so punkten. Wer<br />
sich in Postlow nach Neonazis erkundigt, hört Geschichten<br />
über nette, fleißige Menschen, gute Nachbarn,<br />
engagierte junge Leute, von denen das Dorf<br />
mehr verdient hätte. An diesem harmlosen Wir-kümmern-uns-Profil<br />
werden die Rechtsextremen weiter<br />
arbeiten. Das erste NPD-Bürgerbüro mit Hartz-IV-Beratung<br />
in Anklam ist bereits angekündigt.<br />
Die Spin Doctors der demokratischen Parteien müssen<br />
ihren Blick dringend in die Provinz richten. Dort<br />
haben sie das Vertrauen der Menschen verloren, nur<br />
dort können sie es wieder gewinnen – aber nicht<br />
per NPD-Verbot. Welche Perspektiven haben CDU<br />
und SPD für die Bevölkerung jener Regionen, wo<br />
23
seit Jahren eine Alles-wird-schlechter-Stimmung<br />
herrscht? Warum bieten die Sozialdemokraten nicht<br />
selbst Hartz-IV-Beratung an? Wo bleibt die CDU-<br />
Nachbarschaftsinitiative?<br />
Die demokratischen Parteien müssen das Vakuum<br />
füllen, in dem sich die Rechtsextremen ausbreiten.<br />
Sie müssen den Bürgern signalisieren: Wir interessieren<br />
uns für euch und eure Anliegen, wir geben<br />
das nicht nur im Wahlkampf vor. Wer nur über die<br />
Menschen in den NPD-Hochburgen redet, statt sich<br />
ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen, der bestärkt<br />
sie letztlich in ihrer Haltung – und treibt die Demokratie<br />
im Nordosten noch tiefer in die Krise.<br />
24<br />
Das Polen-Projekt als filmische Dokumentation<br />
An den Stationen (Gdansk) Danzig, Kraków (Krakau)<br />
und Warszawa (Warschau) hat der Dokumentarfilmer<br />
Gebhard Plangger im Auftrag der <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. und der Bayerischen Landeszentrale<br />
für politische Bildungsarbeit dokumentiert,<br />
wie sich im Zeichen der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> meist<br />
junge Polen und Deutsche getroffen und vor dem<br />
Hintergrund der trennenden Geschichte Wege in<br />
einer gemeinsame Zukunft gesucht haben.<br />
Gebhard Plangger, der auf mehr als 30 Jahre Fernseharbeit<br />
zurückschaut und dabei sowohl den inhaltlich-journalistischen<br />
wie den technisch-produzierenden<br />
Part souverän gespielt hat, hat „nebenbei“<br />
immer wieder filmische Dokumentationen von eigenen<br />
Expeditionen ins Programm gebracht.<br />
Mit einer Kameraführung, die sich diskret den Situationen<br />
angepasst und diese nie beeinflusst, hat<br />
er persönliche Eindrücke wirkungsvoll eingefangen.<br />
Damit gibt er denen, die das Polen-Projekt miterlebt<br />
haben, die Möglichkeit, wichtige Stationen und Situationen<br />
noch einmal zu rekapitulieren. Vor allem aber<br />
gibt er interessierten Außenstehenden einen authentischen<br />
und nahen Eindruck von der Begegnung. Damit<br />
kann der Film, der in 60 Minuten Länge als DVD<br />
zur Verfügung steht, all denen, die Vergleichbares<br />
planen, Anregungen geben und Mut machen, das Risiko<br />
der Verständigung als Chance wahrzunehmen.<br />
Gebhard Plangger
6 Projekt Erweiterung der<br />
DenkStätte –<br />
Sonderausstellung zu<br />
Prof. Kurt Huber<br />
<strong>2006</strong> zeigte die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
e.V. eine eigene Sonderausstellung<br />
zu Willi Graf, die dieses Jahr als<br />
erste externe Ausstellungsstation<br />
vom Willi-Graf-Gymnasium München<br />
übernommen wird. Bis Ende<br />
2007 ist in der DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> die Ausstellung zu Prof. Kurt<br />
Huber zu sehen.<br />
Sophie Scholl ist nach wie vor Symbolfigur<br />
des Widerstandskreises um<br />
Hans Scholl und Alexander Schmorell.<br />
Mit einer Fokussierung auf Sophie<br />
Scholl werden aber auch kritische<br />
Fragen nach weiterführenden Zusammenhängen<br />
und Einflüssen provoziert.<br />
Auf diese Nachfrage, die gerade<br />
in Gesprächen mit Besuchern der<br />
DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> spürbar wird,<br />
reagiert die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />
mit zusätzlichen Sonderausstellungen<br />
zu weiteren zentralen Persönlichkeiten<br />
des Widerstandskreises, die sie seit<br />
2005 in Kooperation mit der Bayerischen<br />
Landeszentrale für Politische<br />
Bildungsarbeit realisiert.<br />
Prof. Kurt Huber, Musikwissenschaftler<br />
und Philosoph an der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität, war einer<br />
der zentralen Gesprächspartner für<br />
den Freundeskreis der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>.<br />
Im Juni 1924 lernte er Hans Scholl<br />
und Alexander Schmorell auf einem<br />
ihrer Leseabende in München kennen.<br />
Ende Dezember wurde er in<br />
die Flugblattaktion eingeweiht. Zwei<br />
Wochen später entschied er sich zur<br />
Mitarbeit. Sein Wissenschaftsethos,<br />
die Abneigung gegen „leere Phrasen“,<br />
schließlich das Entsetzen über die<br />
Verbrechen des NS-Staates und die<br />
Katastrophe von Stalingrad waren<br />
ausschlaggebend für ihn, sich offen<br />
als Gegner der nationalsozialistischen<br />
Politik zu bekennen.<br />
In enger inhaltlicher Zusammenarbeit<br />
mit seinem Sohn Prof. Dr. Wolfgang<br />
Huber und seiner Tochter Birgit Weis<br />
werden in der Ausstellung sowohl<br />
das breite Forschungsspektrum Kurt<br />
Hubers dargestellt, das von Musik<br />
über Philosophie bis hin zu Psychologie<br />
reichte, als auch die harten<br />
Konsequenzen, die ihr Vater als unangepasster<br />
Wissenschaftler an der<br />
Ludwig-Maximilians-Universität zu<br />
tragen hatte. Bereits 1937 war aktenkundig,<br />
dass er alles andere als<br />
linientreu war. Später legte Kurt Huber<br />
sein politisches Bekenntnis in seiner<br />
berühmten „Verteidigungsrede“ ab,<br />
die er während seiner Haft auf 13 Seiten<br />
ausarbeitete. Zum erstenmal wird<br />
das Original dieser bedeutenden Rede<br />
nun in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
gezeigt.<br />
Sonderausstellung<br />
über Prof. Kurt Huber<br />
in der DenkStätte<br />
München<br />
25
7 Projekt Vergessener<br />
Widerstand<br />
Resistenz, Verweigerung und Widerstand<br />
gegen den Nationalsozialismus<br />
in den Jahren 1933-1945 in<br />
Markt Schwaben. Mit der Eröffnung<br />
am 26. Januar 2007 in der Aula des<br />
Franz-Marc-Gymnasiums Markt<br />
Schwaben findet das Ausstellungsprojekt<br />
seinen erfolgreichen Abschluss.<br />
In Zusammenarbeit mit der Bayerischen<br />
Landeszentrale für Politische<br />
Bildungsarbeit und unter wissenschaftlicher<br />
Leitung der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
<strong>Stiftung</strong> e.V. recherchierten Kollegstufenschüler<br />
des Franz-Marc-Gymnasiums<br />
in einschlägigen Archiven zur Region<br />
Markt Schwaben in der NS-Zeit.<br />
Dabei legten sie besonderen Wert auf<br />
die Darstellung einzelner Persönlichkeiten,<br />
die sich zwischen 1933 und<br />
1945 aus unterschiedlichen Motiven<br />
unangepasst oder sogar widerständig<br />
verhalten haben.<br />
Neben Alois Hundhammer, der als<br />
früher Mahner, Gegner und späterer<br />
Mitbegründer der CSU bekannt ist,<br />
wurde vorwiegend nach Personen<br />
gesucht, die sich in dieser ländlichen<br />
Region fernab der „großen Politik”<br />
gegen das Regime stellten. Ihnen allen<br />
ist gemeinsam, dass sie sich trotz<br />
der damit verbundenen Gefährdung<br />
ihrer eigenen Existenz ihre individuelle<br />
Identität, Verantwortung und die Fähigkeit<br />
zur Empathie bewahrten. Zum<br />
erstenmal thematisiert wird auch das<br />
Schicksal von Abraham Chononovic.<br />
1929 als Kind jüdischer Eltern geboren,<br />
war er in Auschwitz inhaftiert<br />
und wurde 1944 für den Bau unterirdischer<br />
Fabrikhallen in das Außenlager<br />
Mühldorf des KZ Dachau verlegt. Bei<br />
der Evakuierung Ende 1945 konnte<br />
Chononovic in Poing fliehen. Von einer<br />
Bäuerin auf dem Hof in Pliening<br />
versteckt und so gerettet, ist er nach<br />
dem Krieg in Pliening geblieben, wo<br />
er 2005 verstarb.<br />
26<br />
Schüler die am Projekt teilnahmen,<br />
äußern sich zu ihren Erfahrungen:<br />
„Besonders die Recherchen für das<br />
Projekt waren für mich eine völlig<br />
neue Erfahrung, da ich es als wahnsinnig<br />
spannend empfand, hinter den<br />
geschichtlichen Berichten persönliche<br />
Schicksale zu entdecken. Sobald ich<br />
mich durch Interviews mit den Zeitzeugen<br />
intensiver mit den Menschen<br />
beschäftigt habe, wurde mir bewusst,<br />
in welchem Ausmaß die Nationalsozialisten<br />
das Leben des Einzelnen beeinflusst<br />
hatten.“<br />
„Geschichte nicht mehr nur als Geschichte<br />
zu begreifen, sondern als<br />
Realität, die nicht an Relevanz verloren<br />
hat. Gleichzeitig wurde mir aber<br />
auch die Unvorstellbarkeit dieser Zeit<br />
bewusst und die Schwierigkeit, Geschichtliches<br />
sowohl im Einzelnen als<br />
auch im Gesamten eindeutig rekonstruieren<br />
zu können.“<br />
„Ein derartiges Projekt kann meiner<br />
Meinung nach auf Grund der Fülle des<br />
vorhandenen Materials noch nicht als<br />
abgeschlossen angesehen werden.<br />
Im Gegenteil, es sollte ein Anstoß<br />
sein für Schüler und Schülerinnen,<br />
sich mehr mit diesem Thema auseinander<br />
zu setzen“.<br />
Arbeit der Schüler<br />
in der DenkStätte<br />
in München
8 Projekt Pädagogisches Angebot<br />
DenkStätte<br />
Die Schulklassen und die interessierten Jugendlichen,<br />
die die Ausstellung zur Geschichte der<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> in der DenkStätte in der LMU besuchen,<br />
kommen mit höchst unterschiedlichen<br />
Voraussetzungen. Entsprechend groß war der<br />
Wunsch, differenzierte Arbeitsmaterialien anzubieten.<br />
Sie wurden von Ursula Kaufmann und<br />
Lorenz Hüttenhofer entwickelt, von Rosa Pauels<br />
und Alfred Bergmiller geprüft und liegen nun in<br />
Papierform in der DenkStätte auf und können<br />
über die Hompage der <strong>Stiftung</strong> ausgedruckt werden.<br />
In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale<br />
für Politische Bildungsarbeit und Lorenz<br />
Hüttenhofer, Student der Politikwissenschaften und<br />
Philosophie, wurde ein Konzept entwickelt, das unterschiedliche<br />
Vorkenntnisse und Interessen der jungen<br />
Besucher in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> berücksichtigt.<br />
Zur Vermittlung von Grundwissen stehen ein<br />
Kurzfilm mit Fragebogen und Fragen zur Ausstellung<br />
sowie weiterführende Informationen zur Verfügung.<br />
Zur thematischen Vertiefung wird eine Auswahl von<br />
Zitaten aus den Aufzeichnungen von Hans und<br />
Sophie Scholl, Willi Graf, Alexander Schmorell und<br />
Christoph Probst angeboten.<br />
Jeder Schüler kann seine Arbeitsmaterialien in eine<br />
DIN A5 Mappe einlegen, die ihm einen ersten personellen<br />
Zugang zum Thema ermöglichen soll: An<br />
Hand von Zitaten, kurzen biographischen Angaben<br />
und einem Foto versucht jede der Mappen einen der<br />
Hauptakteure der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> zu beschreiben.<br />
Die Arbeitsmappen sind auf der Homepage der <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> unter www.weisse-rose-stiftung.de<br />
eingestellt.<br />
27
9 Projekt Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
Veröffentlichungen wie die im Herbst <strong>2006</strong> im<br />
Auftrag der Friedrich-Ebert-<strong>Stiftung</strong> erschienene<br />
Studie „Vom Rand zur Mitte – Rechtsextreme Einstellungen<br />
und ihre Einflussfaktoren in Deutschland“<br />
haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig es<br />
ist, Themen wie Zivilcourage und gesellschaftliches<br />
Engagement bei Jugendlichen zu fördern.<br />
Das Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> will eine praxisorientierte<br />
Kommunikations- und Informationsplattform<br />
bieten zur Unterstützung von zivilem<br />
und gesellschaftlichem Engagement speziell bei<br />
Jugendlichen.<br />
Europa ist schon heute ein Migrationskontinent und<br />
wird es in Zukunft immer mehr werden. Konflikte<br />
entstehen aus diesen Wanderungen, aber auch<br />
Chancen.<br />
Die Konflikte entstehen überall dort, wo Ab- und<br />
Ausgrenzung stattfinden, wo ein sich verteidigendes<br />
„wir“ sich gegen ein fremdes „ihr“ zur Wehr setzt,<br />
wo Ängste zu Aggressionen führen und wo das<br />
Fremde als Bedrohung empfunden wird. Chancen<br />
entstehen dagegen dort, wo man sich offen begegnet,<br />
wo Interesse am Fremden den eigenen Horizont<br />
erweitert, wo das eigene Leben des Einzelnen und<br />
der Gesellschaft durch Zuwachs von außen reicher<br />
und lebendiger wird.<br />
Die Wurzeln von reaktionärem, rechtsradikalem und<br />
nationalistischem Denken liegen in mangelndem<br />
Mut, Fremdes zuzulassen, liegen in innerer<br />
Unbeweglichkeit, sich auf Anderes und Andere<br />
einzustellen, liegen in der Unfähigkeit, Fremdes als<br />
Chance zu begreifen.<br />
Wer etwas gegen Intoleranz und Rechtsradikalismus<br />
tun will, muss etwas für die Menschen tun, bevor<br />
sie in den Zustand der Enge, der Unduldsamkeit, der<br />
Denkfaulheit und der Aggression aus Unsicherheit<br />
geraten.<br />
Gefragt sind daher vor allem Programme der Prävention,<br />
nicht der Reaktion. Verbote, Disqualifizierung<br />
und gesellschaftliche Ächtung mögen im Einzelfall erforderlich<br />
sein. Sie behandeln aber nur das Symptom<br />
einer sozialen Erkrankung. Langfristig erfolgreich<br />
ist dagegen nur, wer sich mit den Ursachen dieser<br />
Erkrankung befasst und individuelle und gesellschaftliche<br />
Lebensmodelle bereitstellt, die Fehlentwicklungen<br />
verhindern und den Einzelnen, die Gruppe<br />
und die Gesellschaft zu einem selbstbewussten und<br />
toleranten Leben befähigen.<br />
Vor diesem Hintergrund will die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
e.V. in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale<br />
für politische Bildungsarbeit unter dem Titel<br />
„Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“ an konkreten Beispielen<br />
Modelle für ziviles Engagement von Jugendlichen<br />
unterstützen. Sie will deutlich machen, dass Intoleranz<br />
und totalitäres Verhalten überall dort bei<br />
Jugendlichen keine Chance haben, wo diese selbst<br />
durch anerkanntes und gefördertes Engagement<br />
ihren Platz in der Gesellschaft finden. Sie will diese<br />
Modelle bekannt machen. Sie will die Information<br />
und die Kommunikation unter den engagierten Jugendlichen<br />
durch den Aufbau und die Pflege einer<br />
entsprechenden Internet-Plattform fördern. Und sie<br />
will ein Netzwerk von Persönlichkeiten aufbauen, die<br />
ihren Platz und ihren Einfluss in der Gesellschaft gefunden<br />
haben und die bereit sind, die Initiativen der<br />
28
jungen Leute dadurch zu fördern, dass sie Wissen,<br />
Kontakte, Zeit und Geld zur Verfügung stellen.<br />
Das Projekt hat seinen Ausgangspunkt in Bayern,<br />
zielt aber auf beispielhafte Initiativen in allen Bundesländern.<br />
Es startet im Frühherbst 2007 mit einem<br />
ersten Treffen, das in den Räumen des Kardinal-<br />
Wendel-Hauses in München vom 17.-21. 9.2007 ausgerichtet<br />
wird. Zu diesem Treffen werden Lehrer und<br />
Schüler eingeladen, die, gründend auf der Initiative<br />
von Jugendlichen, Beispiele zivilen Engagements<br />
gegeben haben.<br />
29
10 Projekt Wort-Installation<br />
Seit Sommer <strong>2006</strong> werden Zitate aus den sechs<br />
Flugblättern sowie aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen<br />
des Münchner Kreises der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> mit einem Beamer im einminütigen Wechsel<br />
auf die gegenüberliegende Wand des Eingangs<br />
zur DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> projiziert. Ein Ausdruck<br />
der Zitatsammlung ist in der DenkStätte<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> erhältlich. Die Installation wurde in<br />
Kooperation mit der LMU realisiert.<br />
Wir haben alle unsere Maßstäbe in<br />
uns selbst, nur werden sie zu wenig<br />
gesucht. Vielleicht auch, weil es die<br />
härtesten Maßstäbe sind.<br />
Sophie Scholl, 16.5.1940<br />
Denn ich gehe hinüber in dem Bewußtsein,<br />
meiner tiefen Überzeugung<br />
und der Wahrheit gedient zu haben.<br />
Dies alles läßt mich mit ruhigem Gewissen<br />
der nahen Todesstunde entgegensehen.<br />
Alexander Schmorell, 13.7.1943<br />
Beweist durch die Tat, dass ihr anders<br />
denkt! Zerreißt den Mantel der<br />
Gleichgültigkeit, den ihr um Euer Herz<br />
gelegt! Entscheidet Euch, eh´ es zu<br />
spät ist.<br />
Flugblatt V<br />
Wort-Installation an der DenkStätte<br />
in München<br />
30<br />
Wir haben durch unsere Haltung und<br />
Hingabe gezeigt, dass es noch nicht<br />
aus ist mit der Freiheit des Menschen.<br />
Christoph Probst<br />
Unsere innere Kraft und Stärke ist<br />
unsere stärkste Waffe.<br />
Hans Scholl, 27.11.1937<br />
Siehst Du, dies ist doch das Eigentliche,<br />
was allem Tun noch einen Sinn<br />
und Wert gibt, dass es noch Menschen<br />
gibt, mit denen man zusammen<br />
leben kann, weil sie gleiche Anschauungen<br />
haben.<br />
Willi Graf, 15.6.1941<br />
Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses,<br />
Schutz des einzelnen<br />
Bürgers vor der Willkür verbrecherischer<br />
Gewaltstaaten, das sind die<br />
Grundlagen des neuen Europa.<br />
Flugblatt V
11 Berichte des Ehrenvorsitzenden und der<br />
Zweiten Vorsitzenden<br />
Franz J. Müller<br />
Mein Dank gilt vor allem Christof Schmid, der die<br />
oft mühsame und zeitraubende Arbeit des Vorsitzenden“<br />
ehrenamtlich ausführt. Über seine vielseitige,<br />
erfolgreiche Tätigkeit im Sinne der Ziele der <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> haben Sie in vorliegendem Bericht<br />
schon gelesen. Karin Friedrich und ich hätten gern,<br />
dass über diese Arbeit mehr in der Presse zu lesen<br />
sein wird.<br />
Dank sage ich auch Werner Rechmann, dem die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> so sehr am Herzen liegt, dass er<br />
es sich nicht nehmen lässt, selbst aus Afrika und an<br />
Urlaubstagen auch in München das Amt des dritten<br />
Vorsitzenden und Schatzmeisters wahrzunehmen.<br />
In Freundschaft verbunden fühle ich mich Anneliese<br />
Knoop-Graf und Karin Friedrich in unserer Zeitzeugenschaft.<br />
Mag sein, dass wir Alten, solange wir<br />
noch Zeugnis ablegen können, nicht nur irgendwie<br />
verwaltet werden möchten. Mein Dank gilt deshalb<br />
Mathias Rösch, dem als Leiter der DenkStätte der<br />
enge Kontakt mit Zeitzeugen immer besonders wichtig<br />
war, Ursula Kaufmann, mit der die DenkStätte<br />
weiter lebendig bleibt und den ehrenamtlichen MitarbeiterInnen<br />
der Denkstätte, die mir so engagiert zur<br />
Seite stehen.<br />
Für die Gestaltung meines Terminkalenders und bei<br />
Veranstaltungen außerhalb Münchens brauche ich<br />
die Mitarbeit meiner Frau Britta Müller-Baltschun. Wir<br />
freuen uns, dass unsere Teamarbeit so gut ankommt<br />
und mittlerweile ausdrücklich gewünscht wird.<br />
Wegen der anstehenden ausführlichen Berichte über<br />
die vielen Projekte der <strong>Stiftung</strong> wurden wir Zeitzeugen<br />
gebeten, unsere Berichte kurz zu fassen. Ich<br />
werde daher dieses Jahr all die verabredeten und oft<br />
spontanen Zeitzeugengespräche und Begegnungen<br />
in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, auch mit vielen internationalen<br />
Gästen und Gruppen, diesmal nicht<br />
auflisten.<br />
Mein Klassenkamerad Hans Hirzel, einer der wenigen<br />
noch lebenden Aktiven und Verurteilten der<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>, ist am 3. Juni <strong>2006</strong> im Kreise seiner<br />
Familie gestorben. Mit ihm kuvertierte, adressierte<br />
und frankierte ich in der Martin-Luther-Kirche Ende<br />
Januar 1943 die ca. 1000 Exemplare von Flugblatt V.<br />
die Sophie Scholl ihm nach Ulm gebracht hatte und<br />
die er mit Hilfe seiner Schwester Susanne in Stuttgart<br />
in viele Briefkästen eingeworfen hat. In Flugblatt<br />
V steht, dass ein kommendes Deutschland nur föderalistisch<br />
sein könne in einer neuen föderalistischen<br />
Ordnung für Europa. Mit Hans Hirzel wurde ich am<br />
19. April 1943 im zweiten Prozeß gegen die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zu<br />
fünf Jahren Gefängnis verurteilt und im April 1945<br />
von amerikanischen Truppen befreit.<br />
Januar <strong>2006</strong><br />
„Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> - Besuche in Hamburger Schulen<br />
mit Franz J. Müller“ hieß ein von Dr. Petra<br />
Beckmann-Schulz für die Friedrich-Naumann-<strong>Stiftung</strong><br />
initiiertes, organisiertes und einfühlsam begleitetes<br />
Projekt. Im Team mit meiner Frau Britta Müller<br />
Baltschun und ihrer Schwester Helga Baltschun<br />
31
hatte ich an vier Tagen neun Veranstaltungen in acht<br />
verschiedenen Schulen und sprach zu ca. 600 Menschen.<br />
Wir staunten über die große, interessierte<br />
Aufmerksamkeit trotz teilweise überfüllter Räume.<br />
Standing Ovations und Blumen erfreuen natürlich,<br />
aber die vielen nachdenklichen, anhaltenden Fragen<br />
junger Menschen bewegen mich als Tathandelnden<br />
immer wieder neu. Nach einem Zeitzeugengespräch<br />
am Vormittag kamen zu einer Abendveranstaltung<br />
im Margarete-Rothe-Gymnasium mit einer Podiumsdiskussion<br />
zwischen mir und Sabine Leutheusser-<br />
Schnarrenberger in die überfüllte Aula auch Eltern,<br />
womit sich natürlich eine ganz andere Diskussion<br />
ergab.<br />
Michael Marek verwirklichte danach auch sein lang<br />
geplantes Interview für den NDR, das mehrfach gesendet<br />
wurde.<br />
Große Anerkennung und Dank verdient Prof. Kimiko<br />
Murakami, langjähriges förderndes Mitglied der <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong>. Sie hat die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />
im Deutschen Jahr <strong>2006</strong> nach Japan gebracht.<br />
Dank intensiver Vorarbeit von Britta Müller-Baltschun,<br />
des großzügigen Verzichts von Roland Glesmann auf<br />
sein Copyright und der Bereitstellung seiner Unterlagen<br />
konnte Kimiko Murakami die Texte übersetzen<br />
und drucken lassen. Sie fand auch Geldgeber für die<br />
Herstellung der Ausstellung und organisierte deren<br />
Präsentation an mehr als 25 Universitäten und Schulen.<br />
Zur Ausstellungseröffnung und im Zusammenhang<br />
mit der Premiere der japanischen Version des Films<br />
„Letzte Tage“ war ich mit meiner Frau Britta Müller-<br />
Baltschun in Tokyo. Im Goethe-Institut wurden die<br />
frühen Filme zur <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> von Michael<br />
Verhoeven und Percy Adlon mehrfach gezeigt.<br />
Michael Verhoeven und Lena Stolze stellten sich den<br />
Fragen der Besucher. Bei einem abschließenden<br />
Symposium sprachen im überfüllten Filmsaal Lena<br />
Stolze, Michael Verhoeven, Franz J. Müller, Marc<br />
Rothemund, Kimiko Murakami und diskutierten mit<br />
einem an deutschem Widerstand lebhaft interessierten<br />
Publikum. Ich sprach auch bei der Premiere<br />
des Films und führte danach in den Räumen des<br />
Filmverleihs Kinétique an 5 Tagen 16 Gespräche<br />
mit Journalisten unterschiedlichster Zeitungen und<br />
Zeitschriften, immer begleitet von freundlichen<br />
Menschen, großer Gastfreundlichkeit. Besonderen<br />
Dank sagen wir Haruka Sakumi von Kinétique und<br />
der begnadeten Dolmetscherin. Wir waren fasziniert<br />
von der Art der Fragen, die natürlich zunächst<br />
Sophie Scholl, aber bald Fragen nach Möglichkeiten<br />
zu Widerstand betrafen und fast immer in der Frage<br />
endeten, was ich jungen Menschen in Japan sagen<br />
wolle.(Eine umfangreiche Dokumentation der Presseartikel<br />
liegt vor.) Danach kamen auch schon Besucher<br />
aus Japan zu Zeitzeugengesprächen mit mir in<br />
die DenkStätte.<br />
32<br />
März <strong>2006</strong><br />
Durch seine Bücher und Artikel hat Paolo Ghezzi die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in Italien bekannt gemacht. Also veranstaltete<br />
das Collegio Arcivescovile Trento anlässlich<br />
der Präsentation der Ausstellung über die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> „Gesichter einer Freundschaft“ auch Podiumsgespräche<br />
mit uns. Morgens trafen wir die Kollegiaten.<br />
Er berichtete allgemein über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />
Ich erzählte über unsere Ulmer Abiturientengruppe.
Dann konnten wir beide unter seiner<br />
erfahrenen Moderation viele Fragen<br />
beantworten. Immer wieder beeindruckt<br />
uns in Italien die große Disziplin<br />
selbst bei Gruppen mit über 300<br />
SchülerInnen. Seine große Kompetenz<br />
zu Themen über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
in Italien zeigte Paolo Ghezzi auch bei<br />
der abendlichen erweiterten Podiumsveranstaltung<br />
zur Eröffnung der<br />
Ausstellung. Trotz noch anstehender<br />
Wortmeldungen musste die überfüllte<br />
Veranstaltung beendet werden.<br />
„Widerstehen lernen“ wollten wieder<br />
Jugendliche vom Bund Katholischer<br />
Jugend und Evangelischer Jugend<br />
München, geplant und organisiert von<br />
Mathias Rösch. Dank seiner einführenden<br />
Arbeit waren die Firmlinge<br />
und Konfirmanden offen für meinen<br />
Zeitzeugenbericht, hatten vor allem<br />
viele Fragen.<br />
Mit meiner Frau Britta Müller-Baltschun<br />
war ich zum wiederholten Mal<br />
Zeitzeuge bei den Projekttagen in der<br />
Geschwister-Scholl-Schule Alsfeld.<br />
Es ist wohl das besondere Klima an<br />
dieser Schule, das uns immer wieder<br />
beeindruckt, dass es gelingt, auch<br />
klassenübergreifend die Namensträgerschaft<br />
zu aktualisieren. Neu war<br />
diesmal ein lebhaftes nachmittägliches<br />
Gespräch im Lehrerkollegium, das<br />
wegen unserer notwendigen Abreise<br />
bedauerlicherweise abgebrochen werden<br />
musste.<br />
Familiär eingebunden fühlten wir uns<br />
in die Veranstaltungen des Gymnasium<br />
St. Klemens Luzern, wohin wir<br />
Dank der wiederholten Anfragen von<br />
Paolo Scognamiglio gefahren waren.<br />
Die ganze Schule war auf die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> vorbereitet, hatte eine eigene,<br />
eindrucksvolle kleine Ausstellung organisiert.<br />
Interessant war für uns, wie<br />
wirkungsvoll Informationen aus dem<br />
Internet zusammengestellt werden<br />
können. Besonders erfreulich waren<br />
dann die ungezwungenen Gespräche<br />
im Internat während der gemeinsamen<br />
Mahlzeiten. Erstaunt waren<br />
wir, dass viele SchülerInnen noch einmal<br />
mit Eltern in die Abendveranstaltung<br />
kamen und dass sich alle lebhaft<br />
an der Diskussion beteiligten.<br />
33
34<br />
April <strong>2006</strong><br />
Die freundliche, interessierte Offenheit,<br />
mit der man mir und der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> in Polen begegnet, berührt mich<br />
immer wieder. Dass ich als Vertreter<br />
des deutschen Widerstands bei<br />
der Eröffnung der Ausstellung über<br />
Zwangsarbeiter im polnischen Parlament<br />
in Warschau sprechen durfte,<br />
habe ich als würdigende Auszeichnung<br />
empfunden. Die begleitenden<br />
Gespräche und Interviews bewiesen<br />
großes Interesse am dort eigentlich<br />
noch wenig bekannten deutschen<br />
Widerstand. Ich fühlte mich bestätigt<br />
in dem von mir initiierten Projekt der<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> in Polen.<br />
Die Veranstaltungen im Rahmen der<br />
Eröffnung der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />
im Edith Stein Haus Breslau waren<br />
dank der interessierten, engagierten,<br />
auch heiteren Zusammenarbeit<br />
mit dem Leiter Jens Adam und all den<br />
zugewandten jungen MitarbeiterInnen<br />
eine Freude. Die freundschaftliche<br />
Begegnung dabei mit Winfried Vogel<br />
und sein großes Engagement für die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> taten gut.<br />
Mai <strong>2006</strong><br />
Anläßlich der Ausstellungseröffnung<br />
im Schnürschuh-Theater Bremen<br />
wurden mehrere Veranstaltungen organisiert.<br />
Für die Eröffnung in Bremen<br />
war die Pressearbeit wohl nicht motivierend<br />
genug. Es kamen am Abend<br />
nur wenige interessierte Menschen.<br />
Am nächsten Morgen waren wir dann<br />
erstaunt, wie sich in der nüchternen<br />
Turnhalle der Gesamtschule Bremerhaven<br />
dank der engagierten Moderation<br />
von MitschülerInnen zwischen<br />
weit entfernt sitzenden Schülern und<br />
mir eine intensive Diskussion ergab.<br />
Zu einem Abend im Evangelischen<br />
Bildungszentrum Bad Bederkesa<br />
zusammen mit unserem Freund<br />
Hermann Vinke konnte der Leiter Dr.<br />
Jörg Matzen nicht allen Interessierten<br />
Sitzplätze bieten. Hermann Vinke und<br />
ich ergänzten uns auf dem Podium<br />
wunderbar, wie schon im April in Goethe-Institut<br />
Prag.<br />
Zeitzeugengesprächen in die Friedrich-Ebert-Gedenkstätte<br />
Heidelberg<br />
gehören mittlerweile zu meinem Jahrespensum.<br />
Uli Graf hatte mich diesmal<br />
auch noch an mehreren Schulen<br />
verplant. Begleitet auf den Podien von<br />
meiner Frau Britta Müller-Baltschun<br />
und gefahren von meiner Schwägerin<br />
Helga Baltschun sprach ich zu<br />
SchülerInnen in der DenkStätte und<br />
in Schulen rund um Heidelberg. Dank<br />
des besonderen Engagements von<br />
Thomas Mayer diskutierte ich auch in<br />
der überfüllten Aula des Gymnasiums<br />
Franz J. Müller<br />
<strong>2006</strong> in Polen
Moosbach. Immer wieder überrascht mich das Interesse<br />
der jungen Menschen daran, wie es damals<br />
war, wieso, warum wir dagegen gehandelt haben.<br />
Wir fühlten uns bevormundet, eingeschränkt in unserem<br />
Handeln, in unserer Freiheit, wie es heute im<br />
Alltag fast nicht vorstellbar ist.<br />
Juni <strong>2006</strong><br />
Trotz Fußballweltmeisterschaft gelang es Jutta Blümel,<br />
Pastoralreferentin der Edith-Stein-Studentengemeinde<br />
Berlin, zusätzlich zu unserer Verabredung<br />
an verschiedenen Schulen mehrere Zeitzeugengespräche<br />
selbst nachmittags und abends zu organisieren.<br />
Wieder waren auch die Abendveranstaltungen<br />
gut besucht. Einmal waren SchülerInnen und Eltern<br />
zusammen. Es ergaben sich so viele, ziemlich unterschiedliche<br />
Fragen, dass ein Ende gesetzt werden<br />
musste. Den anderen Abend waren wir in der<br />
Studentengemeinde Edith Stein. Nach einer wohl<br />
vorbereiteten Anmoderation von Anna Elisabeth<br />
Hage konnte man Flugblatt V, das ich 1943 verbreiten<br />
half, groß an der Wand sehen und auch vorgetragen<br />
hören. Danach berichtete ich ziemlich lang, dann<br />
wurden viele Fragen gestellt und noch ziemlich lang<br />
in kleinerem Kreis weiter diskutiert, zu dem auch unsere<br />
langjährige Mitarbeiterin Doris Schröder gehörte<br />
und unser förderndes Mitglied Stefan Seitz, der uns<br />
in Berlin immer ein großzügiger Gastgeber und bereitwilliger<br />
Fahrer ist.<br />
Es herrschte in diesen Wochen einfach eine gute<br />
Stimmung in Deutschland, worüber wir auch mit<br />
Lehrern, Eltern, Schülern und Studenten diskutierten.<br />
Oktober <strong>2006</strong><br />
Mich überrascht immer wieder, wie viele Menschen,<br />
junge und alte, anlässlich der „Langen Nacht der Museen<br />
München“ in die DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und<br />
zu den Zeitzeugengesprächen mit mir in den gegenüberliegenden<br />
Hörsaal kommen. Wesentlichen Anteil<br />
hat daran jetzt sicher Ursula Kaufmann mit ihren allgemeinen<br />
Führungen. Dank auch Ulrich Müller, dass<br />
er Abendführungen übernommen hat. Unersetzlich<br />
sind dabei unsere auch abendlich/nächtlich engagierten<br />
ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.<br />
Leider musste ich um Mitternacht trotz weiterer<br />
Nachfragen schon beenden, weil ich anderntags<br />
einen Termin im „Brithish Imperial War Museum<br />
London“ hatte. Dort war ich gebeten, anlässlich der<br />
Graduation von zwei Jahrgängen von „Holocaust-<br />
Teachern“ zu sprechen. Marcus Bell, der mich schon<br />
kompetent bei der Premiere des Sophie-Scholl Films<br />
begleitete, hatte das organisiert. Die Idee, interessierte<br />
Erzieher, Lehrer, Künstler und in Medien<br />
arbeitende Menschen in diesem Sinne miteinander<br />
und aneinander fortzubilden, hat uns beeindruckt.<br />
Es war natürlich auch der neue Film gezeigt worden.<br />
Aber wenn Menschen dann einem Zeithandelnden<br />
begegnen, fragen sie nach seinen authentischen Erfahrungen<br />
und Erlebnissen und interessieren sich für<br />
seine Meinung zu aktuellen Fragen heute. Die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> ist eine feste, starke Brücke.<br />
35
36<br />
November <strong>2006</strong><br />
Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> kann auch in einer kleinen Gemeinde<br />
großes Thema werden. Lotte Hermann, Leiterin<br />
der VH Lichtenwald, hat die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />
in ihren Ort geholt. Heimisch im Dialekt, konnte ich<br />
manches aus meiner Kindheit und Jugend unmittelbarer<br />
erzählen als anderswo. Nach einer anregenden<br />
Diskussion mit den Zuhörern gab eine Pause Gelegenheit<br />
für Einzelgespräche. Die anschließende musikalisch<br />
begleitete Lesung aus Flugblättern und Abschiedsbriefen<br />
vertiefte das Nachdenken und führte<br />
zu weiteren intensiven Gesprächen.<br />
Thomas Mayer, im Mai noch Referendar in Moosbach,<br />
gelang es, gleich nach seiner Festanstellung<br />
trotz mancher Widrigkeiten, die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />
nach Tuttlingen zu holen und eine Ausstellungseröffnung<br />
mit dem Oberbürgermeister und<br />
anderen Honoratioren im überfüllten Rathaus zu<br />
organisieren. Selten begegnen wir einem so interessierten,<br />
engagierten und tatkräftigem Lehrer. Dank<br />
seiner Vorarbeit war der Vortragssaal bei meinen Zeitzeugengesprächen<br />
an seiner, der Kaufmännischen<br />
und Hauswirtschaftlichen Schule, dreimal restlos<br />
überfüllt. Auch zu den von ihm geplanten Zeitzeugengesprächen<br />
an benachbarten Schulen kamen<br />
immer mehr als 200 SchülerInnen. Ich erreichte<br />
also über 1500 Menschen. So viel aufmerksames<br />
Interesse, auch emotionale Zuwendung haben wir<br />
selten erlebt. Ohne die aktive Mitarbeit meiner Frau<br />
Britta Müller-Baltschun hätte ich das Pensum nicht<br />
geschafft.<br />
Es beruhigt mich, dass Karin Friedrich nach der Satzungsänderung<br />
nun offiziell als Beiratsmitglied wieder<br />
in der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> mitarbeiten kann. Ihr<br />
erfahrener, kritischer Rat ist wichtig.<br />
Es freut mich, dass Klaus Hahnzog, einer der Väter<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong>, unsere Aktivitäten immer<br />
noch und immer wieder begleitet.<br />
Vielleicht, weil wir die Letzten sind, mehren sich die<br />
Anfragen zu Referaten, Jahres- und Diplomarbeiten.<br />
Dank der engagierten, fordernden Mitarbeit meiner<br />
Frau Britta Müller-Baltschun versuche ich, möglichst<br />
viele zu beantworten und wahrzunehmen.<br />
Britta Müller-Baltschun
Anneliese Knoop-Graf<br />
12.1.<strong>2006</strong> Bühl<br />
Anneliese Knoop-Graf wird „in Anerkennung<br />
ihrer herausragenden Verdienste<br />
um das Wachhalten der Erinnerung<br />
an die Widerstandsbewegung<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und durch ihren Einsatz<br />
für die Wahrung unserer freiheitlichen<br />
demokratischen Grundordnung“ das<br />
Ehrenbürgerrecht der Stadt Bühl verliehen.<br />
13.1.<strong>2006</strong> Bremen<br />
AKG eröffnet die Ausstellung „Bilder<br />
einer Freundschaft“ in der stilvollen<br />
Rathaushalle. Die Veranstaltung ist<br />
außerordentlich gut besucht, vor allem<br />
auch von Jugendlichen.<br />
30.1.<strong>2006</strong> Bühl<br />
Anlässlich ihres 85. Geburtstages findet<br />
zu Ehren von AKG – initiiert vom<br />
Stadtverband und der Gemeinderatsfraktion<br />
der FDP – eine gut besuchte<br />
festliche Veranstaltung statt. Landesjustizminister<br />
Ulrich Goll referiert über<br />
die „Machtergreifung“ Hitlers vor 63<br />
Jahren. Peter Steinbach, Professor am<br />
Institut für Geschichte an der Universität<br />
Karlsruhe, erinnert mit dem Vortrag<br />
„Wenn jeder wartet, bis der andere<br />
anfängt …“ an die Geschehnisse um<br />
die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />
4.2.<strong>2006</strong> Baden-Baden<br />
AKG ist Diskussionspartnerin im SWF<br />
in der TV-Sendung „Frank Elstner –<br />
Menschen der Woche“.<br />
18.2.<strong>2006</strong> Königswinter<br />
Im Zusammenhang mit der Tagung<br />
„Universitäten und Studenten im<br />
„Dritten Reich“ spricht AKG in einer<br />
Zeitzeugenrunde über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
und insbesondere über Willi Graf.<br />
21.2.<strong>2006</strong> München<br />
In der DenkStätte der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
<strong>Stiftung</strong> eröffnet AKG eine Sonderausstellung<br />
über Willi Graf.<br />
3.3.<strong>2006</strong> Hamburg<br />
Im Rahmen einer Veranstaltung der<br />
Freunde und Förderer des Landerziehungsheims<br />
Marienau spricht AKG<br />
zusammen mit Johannes Tuchel, dem<br />
Leiter der Gedenkstätte Widerstand<br />
Berlin, über das Thema „Zivilcourage<br />
und Widerstand gegen den NS –<br />
Herausforderung für Erziehung und<br />
Bildung“.<br />
7.-9.3.<strong>2006</strong> Krakau<br />
Eröffnung der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />
im Goethe-Institut Krakau. AKG<br />
spricht als Zeitzeugin.<br />
14.3.<strong>2006</strong> Stuttgart<br />
AKG ist Gast bei der Landesschau<br />
Baden-Württemberg des Südwestrundfunk/TV.<br />
Im Interview spricht sie<br />
über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />
37
20.-24.3.<strong>2006</strong> Trient<br />
Auf Veranlassung des Chefredakteurs Paolo Ghezzi<br />
spricht AKG zu unterschiedlichen Anlässen über die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und insbesondere zu Willi Graf. Das<br />
wichtigste Ereignis ist die Eröffnung der Hochschule<br />
„Universität <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“.<br />
4.-6.4.<strong>2006</strong> Wien<br />
AKG eröffnet die Ausstellung „Gesichter einer<br />
Freundschaft“ in der Universitätsbibliothek. In dem<br />
repräsentativen Raum waren etwa 300 Studenten<br />
versammelt, die mit großer Aufmerksamkeit und<br />
interessierten Fragen die Veranstaltung belebten.<br />
Unter der anwesenden „Prominenz“ waren neben<br />
dem Rektor der Universität auch der dortige Kardinal<br />
Schönborn vertreten.<br />
26.4.<strong>2006</strong> Karlsruhe<br />
Die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften<br />
der Universität Karlsruhe verleiht AKG „die Würde<br />
einer Doktorin der Philosophie ehrenhalber (Dr. phil.<br />
h.c.)“. Sie erhält diese Ehrung, wie es in der Verleihungsurkunde<br />
heißt: „Für herausragende Verdienste<br />
um die Geisteswissenschaften, im Besonderen um<br />
das Fach Neuere und Neueste Geschichte, die sie<br />
sich dadurch erworben hat, dass sie durch ihr öffentliches<br />
Wirken und einer Vielzahl von Publikationen<br />
zum Verständnis der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und zur wissenschaftlichen<br />
Erklärung dieser Widerstandsgruppe um<br />
die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Alexander<br />
Schmorell, Willi Graf und Christoph Probst sowie<br />
Prof. Kurt Huber einen wesentlichen Beitrag geleistet<br />
hat.“<br />
28.4.<strong>2006</strong> Fritzlar<br />
Bei einer Veranstaltung des Kulturvereins Fritzlar<br />
spricht AKG vor einem aufmerksamen Publikum verschiedener<br />
Altersstufen; der Vortrag findet großen<br />
Anklang.<br />
1.-5.5.<strong>2006</strong> Göteborg / Schweden<br />
AKG spricht in der Volkshochschule Grebbestadt vor<br />
etwa 200 interessierten Zuhörern, die vorher den<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Film von Michael Verhoeven gesehen<br />
haben. In der Högre Samsskola spricht AKG vor den<br />
Klassen 12 über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>. Vorausgegangen<br />
war die Lektüre des Buches von Inge Scholl „Die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“. Die Publikation ist Pflicht im Deutschunterricht<br />
der Klasse 12.<br />
26.5.<strong>2006</strong> Saarbrücken<br />
Im Rahmen des 96. Deutschen Katholikentages<br />
bestreitet AKG eine Podiumsdiskussion mit dem<br />
Thema „Christen widerstehen für die Gerechtigkeit –<br />
Zeugnisse von Willi Graf. Die Veranstaltung war<br />
sehr gut besucht, Podiumsdiskussion und Fragestellungen<br />
waren rege und kenntnisreich.<br />
27.5.<strong>2006</strong> Saarbrücken<br />
Unter dem Dachtitel „Film und Wort“ findet ein Gespräch<br />
zwischen Monsignore Stephan Wahl und AKG<br />
statt. Thema: „Seid Gefolgschaft in der Tat, nicht nur<br />
im Hören des Wortes“. Es folgte die Aufführung des<br />
Films von Michael Verhoeven „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“.<br />
30.5.<strong>2006</strong> Zürich<br />
Die von der Kulturinitiative Freiburg gestaltete<br />
Ausstellung „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> – Gesichter einer<br />
Freundschaft“ hat AKG in einer Festansprache in der<br />
Universität eröffnet. Die Veranstaltung war von Studenten<br />
organisiert; die anschließende Diskussion, an<br />
der sich vor allem die jüngere Studenten beteiligten,<br />
war sehr lebendig.<br />
38
16./17.6.<strong>2006</strong> Bologna<br />
AKG ist Gast bei einem Jugendfestival. Überraschend<br />
war die lebendige Teilnahme der italienischen<br />
Jugend.<br />
30.6.<strong>2006</strong> Baden-Baden<br />
Auf Einladung des Ambassador-Clubs spricht AKG im<br />
Kurhaus über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> vor einem sehr interessierten<br />
Zuhörerkreis, der sich vorher per Internet<br />
über die damaligen Ereignisse informiert hat.<br />
11.7.<strong>2006</strong> Landau<br />
Im Fachbereich „Kultur und Sozialwissenschaften,<br />
Institut für Evangelische Theologie“ führt AKG ein<br />
Podiumsgespräch, das anschließend für Fragen der<br />
Anwesenden geöffnet wird.<br />
19.7.<strong>2006</strong> Berlin<br />
Zum Gedenken an den 20. Juli 1944 hält AKG den<br />
Festvortrag in der Matthäuskirche Berlin. Ihr Vortrag<br />
„Aber die Liebe wächst von Tag zu Tag – Widerstand<br />
aus Patriotismus / Willi Graf und die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“ findet<br />
großen Anklang. AKG nimmt an der Feierstunde<br />
der Bundesregierung im Ehrenhof der Gedenkstätte<br />
Deutscher Widerstand teil.<br />
26.7.<strong>2006</strong> Bad Münster am Stein<br />
In der Evangelischen Bildungsstätte Ebernburg<br />
spricht AKG im Rahmen der internationalen Sommerakademie<br />
der Johann-Gutenberg-Universität Mainz<br />
über den Film „Sophie Scholl. Die letzten Tage“. Die<br />
25 hochmotivierten Teilnehmer kamen aus 15 Nationen;<br />
sie hatten bemerkenswerte Vorkenntnisse und<br />
stellten gute Fragen.<br />
9.10.<strong>2006</strong> Wiesbaden<br />
Im Zusammenhang mit einer Veranstaltungsreihe<br />
„Wider das Vergessen“ spricht AKG im Wiesbadener<br />
Rathaus mit Schülern der Martin-Niemöller-Schule.<br />
Zu Beginn lasen die Schüler aus Biographien und Texten<br />
über und von den Mitgliedern der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>.<br />
Der Vortrag von AKG „Aber die Liebe zu Deutschland<br />
wächst von Tag zu Tag“ fand gute Resonanz, entsprechend<br />
war auch die anschließende Diskussion.<br />
12.10.<strong>2006</strong> Bühl<br />
Präsentation der neuen Aufsatzsammlung von Dr.<br />
h.c. AKG „Ausgewählte Aufsätze“. Prof. Dr. Peter<br />
Steinbach von der Universität Karlsruhe betont<br />
in seiner Einführungsrede, dass AKG „durch ihre<br />
Erzählungen über jene Zeit ganz behutsam die Perspektiven<br />
ihrer Zuhörer verändere.“ Das Buch enthält<br />
Interviews und Vorträge und geht darauf ein, wie der<br />
Widerstand gegen das NS wahrgenommen wird und<br />
wie Zeitzeugen sich in diese schwierige Rolle hineinfinden<br />
können.<br />
16.10.<strong>2006</strong> Wieblingen<br />
Im Gemeindehaus Wieblingen findet eine Veranstaltung<br />
des Johanniterordens Heidelberg statt. Der<br />
Vortrag von AKG findet großen Anklang und lebhafte<br />
Beteiligung.<br />
19.10.<strong>2006</strong> Senden<br />
In der Geschwister-Scholl-Realschule berichtet AKG<br />
in allen 8. Klassen vor aufmerksamen Schülern. Am<br />
Abend findet eine Veranstaltung mit den Eltern der<br />
Schüler der 8. Klassen statt. AKG erzählt sehr persönlich<br />
über ihre eigene Rolle und ihre Familie.<br />
20.10.<strong>2006</strong> Münster<br />
Im Geschwister-Scholl-Gymnasium erzählt AKG insbesondere<br />
über ihren Bruder. Die Kinder nehmen<br />
regen Anteil und sind sehr gut vorbereitet. Die Schü-<br />
39
lerInnen der Klasse 8 sehen den Film<br />
von Michael Verhoeven “Die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong>” und diskutieren anschließend<br />
mit AKG. Im feierlichen Rahmen wird<br />
an fünf Schüler des Geschwister-<br />
Scholl-Gymnasiums der Willi-Graf-<br />
Preis verliehen.<br />
25./26.10.<strong>2006</strong> Warschau<br />
Zur Eröffnung der Ausstellung “Die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>” spricht AKG. Sie stellt<br />
dabei die einzelnen Persönlichkeiten<br />
der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> vor und findet viel<br />
Zuspruch.<br />
1./.2.11.<strong>2006</strong> Winterberg<br />
In der Katholischen Bildungsstätte<br />
St.Bonifatius findet eine mehrtägige<br />
Tagung für Erwachsene mit dem<br />
Thema statt: “Wegweisertage zur<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>: Fragt uns, wir sind die<br />
Letzten!” Das Interesse der etwa 40<br />
Teilnehmer war sehr groß: entsprechend<br />
angeregt waren auch die Diskussionsbeiträge.<br />
AKGs Ausführungen<br />
wurden ergänzt durch die Vorführung<br />
der beiden Filme „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“<br />
und „Sophie Scholl – Die letzten Tage“.<br />
Am folgenden Tag spricht AKG vor<br />
etwa 200 Schülern des Gymnasiums<br />
Winterberg.<br />
4.11.<strong>2006</strong> Saarbrücken<br />
Im Rahmen der Saarbrücker Veranstaltungsreihe<br />
“Erinnern – Mahnen –<br />
Handeln” finden anlässlich des 60.<br />
Jahrestages der Überführung der<br />
sterblichen Überreste Willi Grafs auf<br />
den Friedhof St. Johann in Saarbrücken<br />
mehrere Gedenkveranstaltungen<br />
statt; sie wurden sowohl von der<br />
Stadt Saarbrücken als auch der katholischen<br />
Pfarrei St. Johann bestritten.<br />
AKG hält eine Rede, in deren Mittelpunkt<br />
Willi Graf, seine Jugend und<br />
sein Elternhaus stehen.<br />
12.11.<strong>2006</strong> Nürnberg<br />
AKG ist eingeladen, bei der 51. Jahrestagung<br />
der Deutschen Sektion der<br />
Internationalen Juristenkommission<br />
als Zeitzeugin teilzunehmen und über<br />
ihre eigenen Erlebnisse zu sprechen.<br />
Ihr Beitrag bei der Podiumsdiskussion<br />
wird mit besonderem Applaus bedacht.<br />
24.11.<strong>2006</strong> Lichtenwald<br />
Als Teil des Rahmenprogramms der<br />
<strong>Weiße</strong>-<strong>Rose</strong>-Ausstellung in der Volkshochschule<br />
Lichtenwald sprechen<br />
40<br />
Anneliese Knoop-Graf bei der<br />
Ausstellungseröffnung in Warschau
AKG und Inge Jens über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, über das<br />
politische Umfeld und die Persönlichkeit Willi Grafs.<br />
29./30.11.<strong>2006</strong> Halle/Westfalen<br />
AKG spricht vor der gesamten Oberstufe des Kreisgymnasiums<br />
Halle. Am Abend ist AKG Gast bei der<br />
Ratssitzung und hält einen Vortrag mit dem Thema<br />
„Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung“. Die<br />
Veranstaltung diente zur Vorbereitung der am nächsten<br />
Tag stattfindenden Namensgebung in einem<br />
neuen Baugebiet: „Willi-Graf-Straße“.<br />
2.12.<strong>2006</strong> München<br />
Im Studentenwohnheim Willi Graf spricht AKG. Der<br />
Vortrag wird von der Music Production YeoTon aufgezeichnet<br />
und wird demnächst als Hörbuch erscheinen.<br />
8.12.<strong>2006</strong> Schloß Hansenberg/Rheingau<br />
Für die Oberstufe der Internatsschule Schloß Hansenberg<br />
hält AKG einen Vortrag zum Thema „Aber<br />
die Liebe zu Deutschland wächst von Tag zu Tag“. Die<br />
Schüler dieser Hochbegabtenschule zeigten sich ungewöhnlich<br />
aufgeschlossen und diskussionsfreudig.<br />
Anneliese Knoop-Graf<br />
41
12 Aktivitäten in Mittel- und<br />
Osteuropa<br />
Seit vielen Jahren ist Brigadegeneral<br />
a.D. Winfrid Vogel Beauftragter<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. für<br />
Osteuropa. In dieser Funktion hat<br />
er entscheidend dazu beigetragen,<br />
dass sich in Russland mit dem Bild<br />
von der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> eine Vorstellung<br />
von deutschem Widerstand<br />
gegen Hitler verbreitet. In ähnlicher<br />
Weise hat er 2005/<strong>2006</strong> an ingesamt<br />
vier Orten in Polen die Ausstellung<br />
eröffnet, Vorträge gehalten und Gespräche<br />
geführt.<br />
42<br />
Russische Föderation und Bjelo<br />
Russland<br />
Die seit 1999 in 23 Städten gezeigte<br />
und seit 2004 als Denkstätte in der<br />
Pädagogischen Universität Orenburg/<br />
Ural eingerichtete Ausstellung erfreut<br />
sich weiterhin großen Interesses.<br />
Durch die finanzielle Unterstützung<br />
der <strong>Stiftung</strong> „Erinnerung, Verantwortung<br />
und Zukunft“ und des Deutschen<br />
Bundeswehrverbandes konnte sie in<br />
3 weiteren Städten gezeigt werden.<br />
Trotz der problematischen Situation<br />
in Weißrussland anlässlich des Wahlkampfes<br />
von Präsident Lukaschenko<br />
im Frühjahr <strong>2006</strong> konnte durch enge<br />
persönliche Kontakte des Präsidenten<br />
der <strong>Stiftung</strong> EURASIA Orenburg,<br />
Dr. Igor Chramow, dem dringenden<br />
Wunsch der Stadt Gomel entsprochen<br />
und die Ausstellung mit verkürztem<br />
Begleitprogramm am 27. April eröffnet<br />
werden.<br />
Da gerade Weißrussland von 1941-44<br />
besonders unter den Verbrechen der<br />
Deutschen gelitten hat, gingen wir<br />
das Wagnis ein, in einer Diktatur eine<br />
Ausstellung über den Widerstand zu<br />
zeigen. Das Interesse in Gomel war<br />
groß, die Besucher dankbar und die<br />
Unterstützung durch die Deutsche<br />
Botschaft und das Goethe-Institut vorbildlich.<br />
Dem Wunsch des deutschen Botschafters,<br />
die Ausstellung auch in<br />
der Hauptstadt Minsk zu zeigen,<br />
konnte wegen inzwischen erfolgter,<br />
wohl politischer Einflussnahme nicht<br />
entsprochen werden. Trotz intensiver<br />
Bemühungen konnte in Minsk keine<br />
Räumlichkeit für die Ausstellung gefunden<br />
werden.<br />
Im Oktober und November wurde die<br />
Ausstellung in der am Irtysch gelegenen<br />
Millionenstadt Omsk gezeigt.<br />
Der Wunsch dazu ging vom Direktor<br />
der Staatlichen Universität F. M.<br />
Dostojewski, Herrn Prof. Dr. Gering,<br />
aus, der das Projekt in vorbildlicher<br />
Weise unterstützte. Ausstellungsort<br />
war die Alexander Puschkin Bibliothek,<br />
die als die schönste Sibiriens<br />
gilt.<br />
Durch den Ausfall des Projektes<br />
Minsk war es möglich, im Anschluss<br />
an Omsk die Ausstellung am 14.<br />
Dezember in der für russische Verhältnisse<br />
„nahen“ westsibirischen<br />
Hauptstadt Novosibirsk zu eröffnen.<br />
Der dort ansässige Deutsche Generalkonsul,<br />
Herr Michael Cantzler, bewirkte,<br />
dass trotz kurzfristiger Planung<br />
die Ausstellung zum Erfolg wurde. Als<br />
Ausstellungsort konnte wiederum die<br />
stattliche Universitätsbibliothek genutzt<br />
werden, die alle Studenten der<br />
vier Universitäten in Novosibirsk und<br />
Akademgorodok benutzen. Die Eröffnungszeremonie<br />
fand in Anwesenheit<br />
zahlreicher Vertreter der Stadt und des<br />
Gebietes sowie anderer Konsulate<br />
statt.<br />
Zum zweiten Mal fand die alljährliche<br />
Verleihung der Alexander Schmorell<br />
Stipendien der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
e.V. an zwei Studenten im Rahmen<br />
einer Deutschen Kulturwoche statt.<br />
Diese wird auch von der Kulturabteilung<br />
der Deutschen Botschaft Moskau<br />
gefördert und von unserem langjährigen<br />
russischen Partner EURASIA organisiert.<br />
Zum ersten Mal kam hierzu<br />
ein Vertreter der Deutschen Botschaft<br />
nach Orenburg. Mehrere deutsche<br />
Gäste und ein wiederum großes Medienecho<br />
sowie die deutschen Filme,<br />
die im 600 Plätze bietenden Großkino<br />
KOSMOS kommentiert gezeigt wurden,<br />
sowie Vorträge und Diskussionen<br />
zu Themen des Widerstands, einer<br />
Bürgergesellschaft und Entwicklung<br />
demokratischer Strukturen machten<br />
die Kulturwoche wieder zum Erfolg<br />
und zu einem bedeutenden Ereignis<br />
in der Stadt.
Bemerkenswert ist - wie auch in Polen<br />
- die Verschiebung des Interesses<br />
der jungen Studenten, Schüler und<br />
sonstiger Zuhörer von der reinen Information<br />
über den Widerstand gegen<br />
das NS-Regime zum Umgang der<br />
Deutschen mit den NS-Verbrechen<br />
von 1949 bis heute.<br />
Es hat sich deshalb bewährt, im<br />
Begleitprogramm mehrere Tage am<br />
Ausstellungsort präsent zu sein und<br />
neben den Filmen auf die unterschiedliche<br />
Rezeption von Widerstand und<br />
Verbrechen in der BRD und DDR<br />
einzugehen. Die ehrliche Darstellung<br />
der zunächst erfolgten Dämonisierung<br />
Hitlers und seiner Helfer und die<br />
Tabuisierung individueller Schuld und<br />
Verantwortung der Deutschen bis hin<br />
zur Gefahr der Verschiebung der Täter-<br />
Opfer-Rolle durch den Vortragenden<br />
erzeugt Respekt und Glaubwürdigkeit.<br />
Das gilt auch für die „Instrumentalisierung“<br />
des Widerstands in Ost und<br />
West im Streit um die Frage, wer das<br />
„bessere Deutschland“ darstellte.<br />
Plakat und Eröffnung der Ausstellung<br />
in Novosibirsk<br />
Polen<br />
Die besonders diffizile politische Situation<br />
Polens nach 1945 und in der Gegenwart<br />
bedarf einer sensiblen Argumentation,<br />
um das noch vorhandene<br />
Bild vom „bösen Deutschen“ in der<br />
älteren Generation zurecht zu rücken.<br />
Auch der Verdacht, durch das Zeigen<br />
einer Ausstellung über den ethischmoralisch<br />
begründeten Widerstand<br />
der Studentengruppe <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
wollten sich „die Deutschen“ von<br />
Schuld reinwaschen, musste durch<br />
intensive Gespräche oft entkräftet<br />
werden. Diesen Vorurteilen und dem<br />
Misstrauen konnte nur durch offene<br />
Darstellung deutscher Schuld und Verantwortung<br />
begegnet werden. Dies<br />
gelang bei den Ausstellungen in Olsztyn<br />
(Allenstein), Krzystowa (Kreisau),<br />
Wroclaw (Breslau), Lublin/Majdanek<br />
besonders gegenüber einer jungen<br />
Generation, die in einem friedlichen<br />
Europa und einer guten Nachbarschaft<br />
zu Deutschland ihre Zukunft sieht.<br />
Auch die projektorientierte Endunterbringung<br />
im Edith Stein Haus in<br />
Wroclaw (Breslau) als Denkstätte in<br />
2007 und das dortige Bemühen der<br />
dafür Verantwortlichen wird zu einem<br />
besseren gegenseitigen Verständnis<br />
beitragen.<br />
Winfrid Vogel<br />
43
13 Die DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
München im Jahr <strong>2006</strong><br />
In der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in<br />
München begann und endete das<br />
Jahr <strong>2006</strong> mit einer Ausstellungseröffnung<br />
in den eigenen Räumen.<br />
Die Sonderausstellung Kurt Huber<br />
löste im November die Ausstellung<br />
zu Willi Graf ab, die in der Denk-<br />
Stätte ab Februar zu sehen war.<br />
Durch dieses wechselnde Angebot<br />
an zusätzlichen Ausstellungen, das<br />
Ende 2007 mit Alexander Schmorell<br />
fortgesetzt werden soll, kann die<br />
DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> ein wacher<br />
Ort der Erinnerung bleiben, der<br />
nach wie vor auf reges Interesse<br />
stößt.<br />
Der Widerstand der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> ist<br />
ein fester Bestandteil der Universitätsgeschichte<br />
geworden, die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> eine feste Institution im<br />
Hauptgebäude der LMU. Auch außerhalb<br />
der regulären Zeiten werden die<br />
Ausstellungsräume für größere Veranstaltungen<br />
in der Universität geöffnet<br />
oder Zeitzeugengespräche für große<br />
Gruppen und Filmvorführungen in<br />
einem Hörsaal der LMU durchgeführt.<br />
Wie jedes Jahr ist diese enge Kooperation<br />
nur durch das Engagement<br />
der Universitätshausverwaltung und<br />
der ehrenamtlichen Mitarbeiter der<br />
DenkStätte möglich.<br />
<strong>2006</strong> haben über 22 600 Personen<br />
die DenkStätte besucht. Wie jedes<br />
Jahr wurde das Angebot von Zeitzeugengesprächen<br />
und Führungen<br />
durch die Ausstellung besonders von<br />
jungen Menschen gerne angenommen.<br />
Von 292 Gruppen, überwiegend<br />
Schulklassen und Studenten, kamen<br />
ein Drittel aus Österreich, Schweiz,<br />
Italien, Niederlande, Irland, England,<br />
Norwegen, Schweden, Dänemark,<br />
USA, Kanada, Polen und Russland. An<br />
eigenen Projekttagen beschäftigten<br />
sich französische Schüler im Rahmen<br />
eines Schüleraustausches mit<br />
dem Michaeli-Gymnasium mit dem<br />
Widerstand der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>. Ausländische<br />
Studenten und Professoren<br />
aus Ägypten, Afrika, USA, Frankreich<br />
und Japan kamen überwiegend über<br />
die Bayerische Landeszentrale für Politische<br />
Bildungsarbeit, das Bayerische<br />
Staatsministerium für Wissenschaft,<br />
Forschung und Kunst, das Goethe-<br />
Institut und natürlich über das Amt für<br />
Internationale Angelegenheiten der<br />
LMU.<br />
Mehrere Interviews zur <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> und der Arbeit der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
<strong>Stiftung</strong> wurden verschiedenen Rundfunk-<br />
und Fernsehstationen gegeben,<br />
darunter dem Korean Broadcasting<br />
System in Seoul und der Deutschen<br />
44<br />
Welle für Mittel- und Osteuropa in<br />
Bonn.<br />
Hier ein Eintrag von Studenten der<br />
Theaterwissenschaften aus Kanada<br />
nach einer Führung durch die Ausstellung<br />
in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
am 24. April <strong>2006</strong> im Gästebuch:<br />
„The most emotional and memorable<br />
experiences were the tours of<br />
the concentration camp of Dachau<br />
and the White <strong>Rose</strong> Memorial at the<br />
University. (…) At the White <strong>Rose</strong> Memorial<br />
we heard a powerful story of<br />
resistance that is not generally known<br />
or told in North America. This provided<br />
us with an important counterpoint to<br />
the traditional impression of Munich<br />
as the centre of the development of<br />
Fascism. It was powerful and moving<br />
to visit such historical sites as it puts<br />
the events in perspective and give a<br />
strong sense of history. (…) It was<br />
incredibly enlightening to experience<br />
how openly the German population<br />
acknowledged this part of their history,<br />
but emphasized that it is just that,<br />
history. One cannot help but feel that<br />
Canada can learn some important<br />
lessons from them about acknowledging<br />
and taking ownership of past mistakes,<br />
apologizing and moving on.”<br />
Erica Sell, langjährige ehrenamtliche<br />
Mitarbeiterin der DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong>, ist am 6. April <strong>2006</strong> im Alter<br />
von 82 Jahren gestorben. Sie hat mit<br />
dazu beigetragen, die DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> zu einem Ort der Begegnung<br />
zu machen. Als ehemalige Chefsekretärin<br />
der LMU bei Prof. Marchionini<br />
sah sie sich dem Vermächtnis der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> eng verbunden.
14 Die Ulmer DenkStätte<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> im Jahr <strong>2006</strong><br />
Die Besucherzahlen der Ulmer<br />
DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> sind <strong>2006</strong><br />
deutlich gestiegen. Neben zahlreichen<br />
Veranstaltungen bot die<br />
Ulmer DenkStätte Seminare zu<br />
Toleranz und Zivilcourage und eine<br />
Fortbildung für schottische Deutschlehrer<br />
in Glasgow an.<br />
<strong>2006</strong> haben ca. 6 200 Personen die<br />
Ulmer DenkStätte besucht. Schulklassen<br />
aus Ulm, Neu-Ulm, der Schwäbischen<br />
Alb, Stuttgart, Lindau, Hösbach<br />
und Austauschschülern aus Italien,<br />
Frankreich, Kolumbien, Südafrika,<br />
Australien und den USA wurden 33<br />
Führungen gegeben. Auch stiegen die<br />
Führungen, die Schüler selbst über die<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in der DenkStätte hielten,<br />
stark an: über 40 solcher Führungen<br />
fanden vor ca. 1200 Personen statt.<br />
Damit stieg auch der Betreuungsaufwand<br />
für Schüler bei der Erstellung<br />
eigener Referate. Weiterhin wurden<br />
über 40 Schüler bei der Erstellung<br />
von Facharbeiten unterstützt. Täglich<br />
besuchten ca. 15 Einzelpersonen die<br />
DenkStätte. Bei 270 Tagen im Jahr ergeben<br />
sich über 4000 Einzelbesucher,<br />
mit denen sich auch inhaltlich vertiefende<br />
Gespräche ergaben.<br />
In Kooperation mit dem Arbeitskreis<br />
„27. Januar“ wurde der Holocaust-<br />
Gedenktag im Ulmer Stadthaus zum<br />
Thema „Lodz – Ulm – New Jersey:<br />
Die Geschichte der jüdischen Familie<br />
Frenkel, die 1938 aus Ulm vertrieben<br />
wurde“, vorbereitet. Dieser Arbeitskreis<br />
holte auch die Ausstellung „Displaced<br />
Persons Camps“ ins Stadthaus<br />
sowie die Ausstellung „Befreit – aber<br />
nicht in Freiheit. Zur Geschichte der<br />
‚Displaced Persons’ in Neu-Ulm“ ins<br />
Haus der Begegnung. In der Ulmer<br />
DenkStätte sprach Roman Sobkowiak<br />
als Zeitzeuge am Holocaust Gedenktag<br />
vor zwei Schulklassen.<br />
In Kooperation mit der vh Ulm und<br />
dem DZOK wurde eine Lesung aus<br />
der Publikation von Sönke Zankel zu<br />
„Josef Furtmeier – ein Freund der<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>“ durchgeführt und „Am<br />
Pranger – Ulmer Marktplatz August<br />
1940“. In diesem Buch wird ein Mädchen<br />
portraitiert, dem aufgrund eines<br />
Kontakts zu einem Kriegsgefangenen<br />
öffentlich die Haare geschoren wurden.<br />
Diese Szene ist ein Hintergrundbild<br />
unserer Dauerausstellung. Mit vh<br />
Ulm und DZOK bereiteten wir <strong>2006</strong><br />
für die Ausstellung »Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />
Gesichter einer Freundschaft“ ergänzende<br />
Workshops, Führungen, Zeitzeugengespräche,<br />
Filmvorführungen<br />
und Vorträgen vor.<br />
In Theaterworkshops zu den Themen<br />
NS-Zeit, Unterdrückung, Widerstand,<br />
Toleranz und Zivilcourage setzten sich<br />
junge Leute mit den Flugblättern der<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und mit Texten von Max<br />
Frisch und Paul Celan auseinander. Ein<br />
Workshop „Rechte Parolen kontern“<br />
warb für mehr Zivilcourage und Toleranz<br />
und arbeitete den Umgang von<br />
Mehrheiten mit Minderheiten kritisch<br />
auf.<br />
In Kooperation mit dem Goethe-Institut<br />
in Glasgow führte die Ulmer<br />
DenkStätte eine Fortbildung für<br />
schottische Deutschlehrer durch,<br />
die im Rahmen der Aufführung des<br />
Theaterstücks »My Dark Sky – The<br />
White <strong>Rose</strong> Resistance to Hitler and<br />
the Holocaust« stattfand. Der Vortrag<br />
thematisierte die Überlebenden der<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und analysierte, warum<br />
diese nach Kriegsende zunächst<br />
diskriminiert und dann lange in Vergessenheit<br />
gerieten. Im Anschluss<br />
ergab sich eine wertvolle Diskussion<br />
mit den über 120 Zuhörern über NS-<br />
Widerstand und die Aufarbeitung der<br />
NS-Geschichte in Deutschland. Die<br />
einzelnen Themen der Fortbildung lauteten<br />
„Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>. Widerstand<br />
und Zivilcourage unter der Naziherrschaft“;<br />
„Geschichte der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> anhand von Texten und Bildmaterial“;<br />
„Analyse des Films »Sophie<br />
Scholl – Die letzten Tage« anhand von<br />
Ausschnitten“, „Theaterpädagogische<br />
Methoden zu <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, Rassismus,<br />
Widerstand“; „Möglichkeiten<br />
des fächerübergreifenden Unterrichts<br />
und Evaluation“.<br />
45
15 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />
46<br />
Ausstellungen in Deutschland<br />
Döbeln 09. 01. – 22.1.<strong>2006</strong><br />
Vechta 23.01. – 26.2.<strong>2006</strong><br />
Traunstein 30.01. – 10.02.<strong>2006</strong><br />
Cloppenburg 01.03. – 17.03.<strong>2006</strong><br />
Dortmund 20.03. – 31.03.<strong>2006</strong><br />
Bremen 24.04. – 21.05.<strong>2006</strong><br />
Herbertingen 01.05. – 21.05.<strong>2006</strong><br />
Scheeßel 29.05. – 09.07.<strong>2006</strong><br />
Flörsheim 19.06. – 01.07.<strong>2006</strong><br />
Pössneck 07.10. – 28.10.<strong>2006</strong><br />
Eschborn 02.11. – 20.11.<strong>2006</strong><br />
Lichtenwald 12.11. – 26.11.<strong>2006</strong><br />
Tuttlingen 27.11. – 10.12.<strong>2006</strong><br />
Ausstellungen in Australien<br />
Sydney 01.08. – 01.09.<strong>2006</strong><br />
Melbourne 07.09. – 13.10.<strong>2006</strong><br />
Ausstellung in Belgien<br />
Ath 19.04. – 05.05.<strong>2006</strong><br />
Ausstellung in Frankreich<br />
Oignies 19.05. – 02.06.<strong>2006</strong><br />
Ausstellungen in Polen<br />
Krzyzowa (Kreisau) 13.01. – 01.03.<strong>2006</strong><br />
Kraków (Krakau) 08.03. – 31.03.<strong>2006</strong><br />
Wroclaw (Breslau) 06.04. – 01.05.<strong>2006</strong><br />
Majdanek (Lublin) 08.05. – 11.06.<strong>2006</strong><br />
Krzeszowice 20.06. – 30.06.<strong>2006</strong><br />
Warszawa (Warschau) 25.10. – 25.11.<strong>2006</strong><br />
Ausstellungen in Russland<br />
Omsk 14.10. – 31.11.<strong>2006</strong><br />
Nowosibirsk/Akademgorodok 11.12. – 26.01.2007<br />
Ausstellungen in Weißrussland<br />
Gomel 27.04. – 09.06.<strong>2006</strong>
16. Zur Rezeption von Sönke<br />
Zankel „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
war nur der Anfang“<br />
Ent-Täuschung<br />
Mit viel Vorab-PR und mit der Ankündigung,<br />
„nach vierjähriger Arbeit“<br />
neue Forschungsergebnisse und Interpretationen“<br />
vorzulegen, war das<br />
Buch von Sönke Zankel „Die weiße<br />
<strong>Rose</strong> war erst der Anfang – Geschichte<br />
eines Widerstandskreises“ im Böhlau<br />
Verlag erschienen. Die Erwartung<br />
war groß. Und entsprechend groß<br />
sind Enttäuschung und Verärgerung<br />
von Historikern und Fachjournalisten.<br />
Auf die Publikation haben Vorstand<br />
und Beirat der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
e.V. mit einer von Prof. Peter<br />
Steinbach und der <strong>Stiftung</strong> formulierten<br />
Erklärung reagiert. Sie lautet:<br />
Vorstand und Beirat der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />
<strong>Stiftung</strong> e.V. weisen die Thesen des<br />
Historikers Sönke Zankel zurück. Dieser<br />
hatte u.a. behauptet, die Geschwister<br />
Scholl hätten das letzte Flugblatt<br />
unter Drogeneinfluss im Lichthof der<br />
Münchner Universität verteilt. Hans<br />
Scholl habe einen seiner Freunde<br />
preisgegeben. Überdies erhebt Zankel<br />
den Vorwurf, die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> sei in<br />
antijudaistischen Vorurteilen befangen<br />
gewesen.<br />
Als absurd, sachlich abwegig und moralisch<br />
infam haben der Vorsitzende<br />
der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., Dr.<br />
Christof Schmid, und der Vorsitzende<br />
des <strong>Stiftung</strong>s-Beirats, Prof. Dr.<br />
Andreas Heldrich, die Behauptungen<br />
zurückgewiesen. Sie seien Ausdruck<br />
des Profilierungswillens eines jüngeren<br />
Historikers, der Aufsehen<br />
erregen wolle. Auch Mitglieder des<br />
<strong>Stiftung</strong>s-Beirats, zu denen u.a. Dr.<br />
Hildegard Hamm-Brücher und Dr.<br />
Hans-Jochen Vogel gehören, haben<br />
die Behauptung von Sönke Zankel<br />
zurückgewiesen. Es sei fatal, dass<br />
Zankel ganz offensichtlich einen neuen<br />
Skandal provozieren wolle. Maßstab<br />
einer seriösen Diskussion könne<br />
aber nicht der Wunsch des Autors<br />
sein, Aufmerksamkeit für sein Buch<br />
zu wecken, sondern die sorgfältige<br />
Überprüfung seiner Behauptungen.<br />
Offensichtlich sei, dass er in verantwortungsloser<br />
Weise Vermutungen<br />
geäußert, Vergleiche gezogen und gewagte<br />
Interpretationen geliefert habe,<br />
die letztlich nicht die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und<br />
ihre Motive, wohl aber die wissenschaftliche<br />
Reputation des Autors<br />
selbst beschädigen.<br />
Niemals sei es in der Vergangenheit<br />
bei der Auseinandersetzung mit der<br />
<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> um eine historische Hel-<br />
denverehrung gegangen. Allerdings<br />
sei der Historiker auch kein Staatsanwalt,<br />
der Indizien konstruiere dürfe,<br />
um Menschen zu diskreditieren, so<br />
oft dies gerade in der Widerstandsgeschichte<br />
versucht worden sei.<br />
Die Vertreter der <strong>Stiftung</strong> verweisen<br />
deshalb auf den Auftrag des französischen<br />
Historikers Marc Bloch,<br />
selbst Angehöriger des Widerstands,<br />
der gefordert habe: „Ein Wort ist es:<br />
Verstehen“. Insofern habe jeder Regimegegner<br />
Anspruch auf respektvollen<br />
Umgang. Zankel mache Menschen,<br />
die ihr Leben für die Begründung<br />
eines neuen menschlichen Zusammenlebens<br />
eingesetzt und geopfert<br />
hätten, geradezu verächtlich. Kritik sei<br />
eine wissenschaftliche Notwendigkeit.<br />
Von Zankel aber werde der gebotene<br />
Respekt einer Unterhaltungs- und<br />
Erregungsgesellschaft geopfert. Billige<br />
Effekte in der Öffentlichkeit seien<br />
kein Ersatz für wissenschaftliche Forschung<br />
und auch nicht der Ausweis<br />
wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit. Die<br />
Vertreter der <strong>Stiftung</strong> sind sicher, dass<br />
sich die Vermutungen von Zankel als<br />
substanzlos erweisen werden. Denn<br />
es sei offensichtlich, dass sie in keiner<br />
Weise durch zuverlässige Überlieferungen<br />
gestützt werden.<br />
Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. wird das<br />
öffentliche Fachgespräch suchen, an<br />
dem neben Sönke Zankel ausgewiesene<br />
Widerstandshistoriker teilnehmen<br />
sollen.<br />
Ausführlich hat sich der Beirat der<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. in seiner<br />
Sitzung vom 20.11.<strong>2006</strong> mit der Publikation<br />
befasst, die nach Auskunft von<br />
Prof. Günther Hockerts, dem Doktorvater<br />
Zankels, auf einer Dissertation<br />
gründe, die noch nicht abgeschlossen<br />
und angenommen sei. Prof. Hans<br />
Mommsen bezeichnete das Buch als<br />
methodisch dilettantisch. Es enthalte<br />
„Entlarvungstexte“ und sei – obwohl<br />
als populäre Version veröffentlicht – an<br />
ein Fachpublikum gerichtet und kaum<br />
lesbar.<br />
Winfrid Vogel empfahl, dem Buch<br />
nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen<br />
zu lassen, als ihm zustehe.<br />
Dr. Hans-Jochen Vogel fasste seine inhaltliche<br />
Kritik in vier Punkten zusammen:<br />
Im Hinblick auf den Vorwurf des<br />
Antisemitismus bzw. Antijudaismus<br />
weist er darauf hin, dass die <strong>Weiße</strong><br />
<strong>Rose</strong> die einzige Widerstandsgruppe<br />
war, die den Judenmord konkret angesprochen<br />
habe, und dies trotz der<br />
tiefen Verwurzelung im christlichen<br />
Glauben. Der Vorwurf des Drogenkonsums<br />
sei hinfällig, da die Einnahme<br />
von Aufputschmitteln oder Schlafmitteln<br />
damals keineswegs ungewöhnlich<br />
gewesen sei. Zum Vorwurf<br />
47
Zankels, Hans Scholl habe Christoph<br />
Probst in den Verhören verraten, sagt<br />
er, dass es der Anstand verbiete,<br />
solche Mutmaßungen ohne Beweise<br />
öffentlich zu formulieren. In Bezug auf<br />
die widerstandslose Verhaftung von<br />
Hans und Sophie Scholl führt er an,<br />
dass es zur damaligen Zeit vollkommen<br />
absurd gewesen wäre, sich gegen<br />
jemanden wie den Hausmeister<br />
Jakob Schmid zu wehren. Es sei anmaßend,<br />
wenn ein heute 30-jähriger<br />
darüber urteile.<br />
Die Kritikpunkte von Dr. Hildegard<br />
Hamm-Brücher wurden von ihr selbst<br />
noch einmal in einem Leserbrief an<br />
die Süddeutsche Zeitung zusammengefasst,<br />
der dort am 19.12.<strong>2006</strong> abgedruckt<br />
wurde. Er lautet:<br />
48<br />
Sensationslüsterne Behauptungen<br />
Als Zugehörige zum weiteren Freundeskreis<br />
der Münchner studentischen<br />
Widerstandsgruppe <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in<br />
den Jahren 1942/43 möchte ich der<br />
verdienstvollen kritischen Rezension<br />
Franziska Augsteins einige wenige kritische<br />
Anmerkungen zu Sönke<br />
Zankels Buch „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> war<br />
nur der Anfang“ hinzufügen. Das<br />
Buch ist ja der Verschnitt einer noch<br />
nicht angenommenen Doktorarbeit<br />
und deshalb besonders kritisch zu<br />
bewerten.<br />
Mag das Buch auch einige wenige<br />
neue Fakten enthalten, es überwiegen<br />
sensationslüsterne und unwahre<br />
Behauptungen und unbewiesene<br />
Vermutungen, die dem Buch jede wissenschaftliche<br />
und faktische Seriosität<br />
nehmen. Das gilt vor allem für den<br />
mutmaßlichen Antisemitismusvorwurf<br />
an die Studenten. Da ich selbst von<br />
den sogenannten Nürnberger Rassegesetzen<br />
betroffen war, erinnere<br />
ich mich gut, dass es keine einzige<br />
Studentengruppe gab, die so dezidiert<br />
auch nicht den geringsten Anflug antisemitischer<br />
Tendenzen vertrat oder<br />
spüren ließ – eher im Gegenteil: Sie<br />
nahmen regen Anteil an den Bedrängnissen<br />
und Ängsten, denen betroffene<br />
Menschen (wie ich) ausgesetzt<br />
waren.<br />
Auch die vermutete Drogenabhängigkeit<br />
der Geschwister Scholl ist absurd<br />
und verleumderisch. Und abgesehen<br />
davon: Die Nazis hätten sich bei ihrer<br />
Diffamierungskampagne einen<br />
solchen Tatbestand ganz sicher nicht<br />
entgehen lassen. Vielleicht, dass die<br />
Studenten – wie viele von uns – im<br />
Hinblick auf unsere Überlastung und<br />
auf kriegsbedingte Schlafdefizite –<br />
Wachhaltemittel wie Pervitin genommen<br />
haben (jeder Flieger und alle<br />
exponierten Soldaten hatten es zur<br />
freien Verfügung!).<br />
Als besonders ungerecht, ja infam<br />
empfinde ich Zankels Klassifizierung<br />
der verurteileten Widerstandskämpfer<br />
in „Protagonisten” und „Sekundanten”,<br />
also sozusagen in Widerständler<br />
erster und zweiter Klasse,<br />
und verbunden damit die Behauptung,<br />
die „Protagonisten” hätten sich als<br />
elitär verstanden. Ich wünschte, es<br />
hätte damals mehr junge und alte<br />
Deutsche gegeben, die in christlichabendländischem<br />
Geist dem nationalsozialistischen<br />
Unrecht und der<br />
menschenverachtenden Diktatur so<br />
widerstanden hätten wie die Opfer<br />
aus dem Kreis der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>.<br />
Dr. Hildegard Hamm-Brücher<br />
Staatsministerin a.D.<br />
Vorstand und Beirat der <strong>Stiftung</strong> haben<br />
beschlossen, erst die Veröffentlichung<br />
der Dissertation abzuwarten,<br />
bevor eine erneute Befassung mit<br />
Zankels Arbeit erwogen wird. Sie haben<br />
außerdem beschlossen, darauf<br />
hinzuwirken, dass historisch korrekte<br />
Darstellungen der Motive, der Leistung<br />
und der Wirkung der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong> befördert werden.
17 Neuerscheinungen<br />
Sibylle Bassler:<br />
Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>. Zeitzeugen erinnern sich.<br />
Hamburg <strong>2006</strong><br />
García Pelegrín, José M.:<br />
La Rosa Blanca.<br />
Los estudiantes que se alzaron contra Hitler,<br />
Libroslibres, Madrid <strong>2006</strong><br />
Thomas Hartnagel (Hg.):<br />
Sophie Scholl – Fritz Hartnagel. Damit wir uns nicht<br />
verlieren.<br />
S.Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2005<br />
Anneliese Knoop-Graf :<br />
„Du weißt, dass ich nicht leichtsinnig gehandelt habe<br />
…“. Willi Graf und die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, Erinnerungsgabe<br />
des Instituts für Geschichte der Universität Karlsruhe<br />
anlässlich der Verleihung des Titels einer Dr. phil. h.c.,<br />
in: Gelbe Hefte zur normativen Auseinandersetzung<br />
mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, Nr. 4,<br />
Karlsruhe <strong>2006</strong><br />
Rolf-Ulrich Kunze, Bernhard Schäfer (Hg.):<br />
Anneliese Knoop-Graf. Ausgewählte Aufsätze.<br />
Konstanz <strong>2006</strong><br />
Peter Selg:<br />
„Wir haben alle unsere Maßstäbe in uns selbst.“<br />
Der geistige Weg von Hans und Sophie Scholl.<br />
Dornach <strong>2006</strong><br />
Sönke Zankel:<br />
Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> war nur der Anfang. Geschichte<br />
eines Widerstandskreises.<br />
Köln <strong>2006</strong><br />
49
18 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., ihre<br />
Organe und ihre Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter<br />
50<br />
Der Vorstand<br />
Dr. Christof Schmid; 1. Vorsitzender<br />
Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf; 2. Vorsitzende<br />
Dr. Werner Rechmann; 3. Vorsitzender, Schatzmeister<br />
Franz J. Müller; Ehrenvorsitzender<br />
Die Mitglieder<br />
Heinz Beumer; Karin Friedrich; Thomas Guckenbiehl;<br />
Heiner Guter; Dr. Klaus Hahnzog; Dr. Hildegard<br />
Hamm-Brücher; Prof. Dr. Andreas Heldrich;<br />
Anneliese Knoop-Graf; Dr. Hildegard Kronawitter;<br />
Dr. Traute Lafrenz-Page; Dr. Silvester Lechner; Prof.<br />
Dr. Hans Mommsen; Franz J. Müller; Britta Müller-<br />
Baltschun; Johannes Nebmaier; Christa Nickisch;<br />
Dr. Werner Rechmann; Dr. Rachel Salamander; Dieter<br />
Sasse; Prof. Dr. h.c. Klaus Saur; Dr. Christof Schmid;<br />
Heino Seeger; Prof. Dr. Michael Wyschogrod;<br />
Dr. Armin Ziegler<br />
Der Beirat<br />
Karin Friedrich; Dr. Klaus Hahnzog; Dr. Hildegard<br />
Hamm-Brücher; Paul Hansel; Prof. Dr. Andreas<br />
Heldrich; Charlotte Knobloch; Prof. Dr. Jutta Limbach;<br />
Prof. Dr. Hans Mommsen; Dr. Rachel Salamander;<br />
Prof. Dr. h.c. Klaus Saur; Prof. Dr. Peter Steinbach;<br />
Dr. Rudolf Sussmann; Erwin Teufel; Christian Ude;<br />
Dr. Michael Verhoeven; Winfrid Vogel; Dr. Hans-<br />
Jochen Vogel<br />
MitarbeiterInnen<br />
Ruth Drolshagen: Leitung des Büros / Organisation /<br />
Disposition / Finanzen / Personal<br />
Ursula Kaufmann: Pädagogik / Besucherbetreuung /<br />
Ausstellungstexte / Redaktion Internet<br />
Ulrich Müller: Betreuung des Ausstellungsverleihs<br />
und des Archivs<br />
Dr. Mathias Rösch (bis 30.6.06): Leitung Denkstätte /<br />
Projekte / Ausstellung / Wissenschaft und Forschung<br />
Henrike Zentgraf (ab 15.8.06): Projektbetreuung /<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Ehrenamtliche MitarbeiterInnen in der DenkStätte<br />
und bei Projekten: Susanne Bergmann, Irene von<br />
Denffer, Bernhard Eble, Gerda Eierstock, Barbara<br />
Gollmann, Petra Heyn, Kirsten Hinrichsen, Barbara<br />
Keim, Maren Killmann, Christa Nickisch, Horst<br />
Plotzki, Ingeborg Rubner, Brigitte Schmid, Wolfgang<br />
Stepp.<br />
Akquisition und Sponsoring werden bis auf weiteres<br />
vom Vorstand wahrgenommen.<br />
Die Anschrift<br />
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />
Ludwig-Maximilians-Universität<br />
Geschwister-Scholl-Platz 1<br />
80539 München<br />
Tel. 089 / 2180-5678/5359<br />
Fax 089 / 2180-5346/13518<br />
E-Mail: info@weisse-rose-stiftung.de<br />
Redaktion <strong>Tätigkeitsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />
Ruth Drolshagen
<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />
Ludwig-Maximilians-Universität<br />
Geschwister-Scholl-Platz 1<br />
D-80539 München<br />
Telefon: +49 (0)89 / 2180-5359, 2180-5678<br />
Telefax: +49 (0)89 / 2180-13518, 2180-5346<br />
info@weisse-rose-stiftung.de<br />
www.weisse-rose-stiftung.de