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Tätigkeitsbericht 2006 - Weiße Rose Stiftung eV

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<strong>Tätigkeitsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.


Inhaltsübersicht<br />

1 Vorwort 4<br />

2 Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf –<br />

Eine Kurz-Hommage 5<br />

3 Chronik <strong>2006</strong> 6<br />

4 Erneuerung des <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

Bodendenkmals 8<br />

5 „Zerreißt den Mantel der<br />

Gleichgültigkeit“ 9<br />

6 Projekt Erweiterung der DenkStätte –<br />

Sonderausstellung zu Prof. Kurt Huber 25<br />

7 Projekt Vergessener Widerstand 26<br />

8 Projekt Pädagogisches Angebot<br />

DenkStätte 27<br />

9 Projekt Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> 28<br />

10 Projekt Wort-Installation 30<br />

11 Berichte des Ehrenvorsitzenden und<br />

der Zweiten Vorsitzenden 31<br />

12 Aktivitäten in Mittel- und Osteuropa 42<br />

13 Die DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> München<br />

im Jahr <strong>2006</strong> 44<br />

14 Die Ulmer DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

im Jahr <strong>2006</strong> 45<br />

15 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung 46<br />

16. Zur Rezeption von Sönke Zankel<br />

„Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> war nur der Anfang“ 47<br />

17 Neuerscheinungen 49<br />

18 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.,<br />

ihre Organe und<br />

ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 50


1 Vorwort<br />

Der Blick auf die Chronik in diesem<br />

<strong>Tätigkeitsbericht</strong> belegt, dass die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. <strong>2006</strong> ein lebendiges<br />

und aktives Jahr hatte. Und<br />

da die Jahresgrenze ja nur eine kalendarische<br />

Zäsur darstellt, ist anzunehmen,<br />

dass das, was in <strong>2006</strong> begonnen<br />

wurde, in 2007 seine Fortsetzung<br />

erfahren wird.<br />

Wichtig sind dabei natürlich die Projekte,<br />

mit denen die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

e.V. auf der Basis des Erinnerns<br />

ihren Ort in der heutigen Gesellschaft<br />

sucht. Sie reichten <strong>2006</strong> vom Abschluss<br />

des deutsch-polnischen Verständigungsprojekts<br />

„Zerreißt den<br />

Mantel der Gleichgültigkeit“ über das<br />

von Schülern erarbeitete Recherche-<br />

und Ausstellungsprojekt „Vergessener<br />

Widerstand“ bis zur Vorbereitung des<br />

„Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“, das 2007<br />

starten wird. Es sind dies Projekte für<br />

ziviles Engagement und gegen Gleichgültigkeit.<br />

Daneben bleibt die Erinnerungsarbeit<br />

im engeren Sinn Aufgabe der <strong>Stiftung</strong>.<br />

Die Zeitzeugen Dr. h.c. Anneliese<br />

Knoop-Graf und Franz J. Müller leisten<br />

sie mit bewundernswerter Energie.<br />

Aber auch Projekte wie die Erweiterung<br />

der Ausstellung zur Geschichte<br />

der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> mit Tafeln zu Willi<br />

Graf (<strong>2006</strong>) und Kurt Huber (2007)<br />

sowie ein spezifisches Arbeitsangebot<br />

für Schüler unterschiedlicher Altersgruppen<br />

und Schularten im Umgang<br />

mit der Ausstellung gehören dazu.<br />

Voraussetzung für diese Arbeit bleibt<br />

die materielle und kritisch-inhaltliche<br />

Unterstützung durch die Mitglieder der<br />

<strong>Stiftung</strong>, durch die Freunde und Förderer,<br />

durch den Beirat, durch die „Städtegemeinschaft<br />

im Zeichen der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong>“, durch die Kooperationspartner<br />

und durch Einzelpersönlichkeiten.<br />

Aus dem Kreis der Einzelpersönlichkeiten<br />

seien stellvertretend vier<br />

genannt. Zunächst: Der Hamburger<br />

Reeder Peter Krämer, der der <strong>Stiftung</strong><br />

für ihre Arbeit einen namhaften Betrag<br />

zur Verfügung gestellt hat. Dann<br />

Dr. Hildegard Hamm-Brücher, die nicht<br />

nur Geld gespendet, sondern Energie<br />

investiert hat, um durch Anregung und<br />

Kritik Impulse zu geben. Dann Brigadegeneral<br />

a.D. Winfrid Vogel, der seit<br />

vielen Jahren in Russland und in den<br />

beiden zurückliegenden Jahren in Polen<br />

als Beauftragter der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> für Osteuropa hervorragende<br />

Arbeit leistet. Und schließlich einmal<br />

mehr Dr. Hans-Jochen Vogel, der<br />

unermüdlich sein Wissen und seine<br />

Kontakte zur Verfügung stellt, um der<br />

Arbeit der <strong>Stiftung</strong> Orientierung und<br />

Kraft zu geben.<br />

4<br />

Dr. Hans-Jochen Vogel und seiner<br />

freundlichen Unnachgiebigkeit ist es<br />

auch im Wesentlichen zu verdanken,<br />

dass <strong>2006</strong> Berlin seine Rückkehr in<br />

die aktive „Städtegemeinschaft im<br />

Zeichen der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>“ zugesagt<br />

hat. Für die <strong>Stiftung</strong> ist dies mehr<br />

noch als die damit verbundene materielle<br />

eine moralische Unterstützung.<br />

Mit Berlin, Freiburg, Gräfelfing, Hamburg,<br />

München, Saarbrücken und Ulm<br />

ist der Kreis der Städte, in denen die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> aktiv war und die sich<br />

heute im Zeichen der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong><br />

engagieren, wieder fast komplett. Lediglich<br />

Stuttgart steht noch aus. Aber<br />

auch hier bemüht sich der Vorstand<br />

mit Unterstützung von Dr. Hans-Jochen<br />

Vogel.<br />

Besonderer Dank gilt einmal mehr der<br />

Bayerischen Landeszentrale für politische<br />

Bildungsarbeit und ihrem Direktor<br />

Dr. Peter März und seinem Stellvertreter<br />

Werner Karg. Sie sind nicht<br />

Geldgeber, sondern Kooperationspartner<br />

und als solche überall dort<br />

wichtig, wo aus historischem Wissen<br />

politische Bildung und aus politischer<br />

Bildung ziviles Engagement werden<br />

soll.<br />

Die andere Einrichtung, ohne die die<br />

<strong>Stiftung</strong> kaum denkbar wäre, ist die<br />

Ludwig-Maximilians-Universität. Sie<br />

gibt ihr nicht nur Raum, sondern<br />

Heimat, bezieht sie in ihren akademischen<br />

Jahresablauf ein und<br />

unterstützt sie, wo immer dies nötig<br />

und möglich ist. Und da auch die<br />

Universität aus Personen besteht,<br />

die die Richtung bestimmen, den Ton<br />

angeben und das Klima prägen, seien<br />

stellvertretend drei genannt: der Rektor<br />

Prof. Dr. Bernd Huber, der Kanzler<br />

Thomas May und der Chef der Verwaltung<br />

und große Ermöglicher, Ltd.<br />

Regierungsdirektor Matthias<br />

Hüttenhofer.<br />

Zum Schluß seien die genannt und<br />

bedankt, die die Arbeit der <strong>Stiftung</strong><br />

nicht ermöglichen, sondern tun: die<br />

festen und die freien und die ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong>. In Organisation<br />

und Verwaltung, in der Projektarbeit<br />

und im täglichen Umgang<br />

mit den Besuchern der DenkStätte in<br />

der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

sorgen sie dafür, dass die Erinnerung<br />

an die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> wach bleibt und<br />

dass aus dieser Erinnerung Impulse<br />

für heutiges gesellschaftliches Engagement<br />

frei werden.<br />

Dr. Christof Schmid<br />

1. Vorsitzender der<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.


2 Dr. h.c. Anneliese Knoop-<br />

Graf – Eine Kurz-Hommage<br />

Anneliese Knoop-Graf, die Zweite<br />

Vorsitzende der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

e.V., wurde <strong>2006</strong> 85 Jahre alt. Sie hat<br />

den Geburtstag im offiziellen und im<br />

privaten Rahmen gefeiert und hat alle<br />

Ehrungen, Verehrungen und Zeichen<br />

der Zuneigung mit freudiger Gelassenheit<br />

und der Geste des Selbstverständlichen<br />

entgegengenommen.<br />

Es braucht eben die Leistung eines<br />

langen und entschlossen gelebten<br />

Lebens, um in solcher Form geehrt zu<br />

werden und in solcher Form die Ehrung<br />

anzunehmen.<br />

Dabei war der 85. Geburtstag sicher<br />

der Anlass, nicht aber der Grund dafür,<br />

dass sie <strong>2006</strong> die Ehrenbürgerschaft<br />

ihrer Wahl-Heimatstadt Bühl und die<br />

Ehrendoktorwürde der Universität<br />

Karlsruhe erhalten hat. Wer gesehen<br />

hat, mit welcher Freude und welchem<br />

Respekt ihre Stadt die Ehrung in einer<br />

Feierstunde im Beisein des Justizministers<br />

des Landes ausgesprochen hat,<br />

der weiß, dass die jung gebliebene<br />

alte Dame, die 1921 in Kuchenheim<br />

bei Euskirchen geboren wurde und<br />

nach dem Krieg viele Jahre zusammen<br />

mit ihrem Mann Bernhard Knoop<br />

das Internat Marienau geleitet hat, in<br />

Bühl integriert und geachtet wird.<br />

Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf<br />

am 25.4.<strong>2006</strong> in Karlsruhe<br />

Und wer die Feier zur Verleihung der<br />

Ehrendoktorwürde am 25.4.<strong>2006</strong> in<br />

Karlsruhe miterlebt und insbesondere<br />

die begründende Laudatio von Prof.<br />

Peter Steinbach und die Dank-Vorlesung<br />

von Anneliese Knoop-Graf:<br />

„Widerstand aus Patriotismus: ‚…aber<br />

die Liebe zu Deutschland wächst von<br />

Tag zu Tag’“ gehört hat, der weiß, mit<br />

welcher menschlichen und fachlichen<br />

Qualität sie ihren wissenschaftlichen<br />

Rang begründet.<br />

Den Auftrag, den ihr ihr Bruder Willi<br />

Graf kurz vor seiner Hinrichtung durch<br />

einen Brief an sie und seine Freunde<br />

ausrichten ließ, sie sollen „weitertragen“,<br />

was er und seine Freunde<br />

gedacht und woran sie ihr Handeln<br />

gegründet haben, hat sie seit ca. 30<br />

Jahren zur bestimmenden Lebensaufgabe<br />

gemacht. Sie hat es getan<br />

vor dem Hintergrund eines intensiven<br />

Berufslebens, das ihr den Blick offen<br />

gehalten hat für die Interessen junger<br />

Menschen und für den Ton, mit dem<br />

sie zu erreichen sind. Und sie hat es<br />

getan und tut es bis heute mit dem<br />

strengen Bewusstsein, dass ein Zeitzeuge<br />

ein Zeuge der Zeit ist, der die<br />

eigene Rolle nicht wachsen lassen<br />

darf, der aber sehr wohl seinen im Leben<br />

gewachsenen Horizont in die Betrachtung<br />

und die Bewertung dessen<br />

einbringen kann, was er bezeugt. Mit<br />

ihrem lebhaften Blick und ihrer Kraft<br />

zu Distanz zu sich selbst ist Anneliese<br />

Knoop-Graf nicht nur ein Glücksfall der<br />

zeitgeschichtlichen Wissenschaft. Sie<br />

ist ein Glücksfall für jeden, dem sie<br />

begegnet, ein besonderer Glücksfall<br />

für die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />

5


3 Chronik <strong>2006</strong><br />

12.1.<strong>2006</strong><br />

Anneliese Knoop-Graf erhält die Ehrenbürgerwürde<br />

der Stadt Bühl.<br />

13.1.<strong>2006</strong><br />

Im Rahmen des Deutsch-Polnischen Verständigungsprojekts<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. „Zerreißt den<br />

Mantel der Gleichgültigkeit” wird die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

Ausstellung in den Räumen des Kreisauer Schlosses<br />

durch Franz J. Müller eröffnet.<br />

23.1.<strong>2006</strong><br />

„Flugblätter der Freiheit. Verantwortliches Handeln<br />

aus christlichen Wurzeln“. Bischof Dr. Wolfgang Huber<br />

hält die diesjährige <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Gedächtnisvorlesung<br />

im Auditorium Maximum der LMU.<br />

27.1.<strong>2006</strong><br />

In der Hauptschule Ergoldsbach wird die Ausstellung<br />

„Das hätte doch jeder getan. Die Rettung der 13 Juden<br />

von Ergoldsbach“ eröffnet. Damit findet das Projekt<br />

Vergessener Widerstand 2005 seinen Abschluss.<br />

Siehe <strong>Tätigkeitsbericht</strong> von 2005.<br />

28.1.<strong>2006</strong><br />

Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt die Resolution<br />

gegen den geplanten Aufmarsch rechtsextremistischer<br />

Gruppen in Celle.<br />

21.2.<strong>2006</strong><br />

Anneliese Knoop-Graf eröffnet die Sonderausstellung<br />

Willi Graf in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in der<br />

LMU.<br />

22.2.<strong>2006</strong><br />

„Hoffentlich schreibst du recht bald“. Julia Jentsch<br />

und Christoph Luser lesen aus dem Briefwechsel<br />

von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel in der Großen<br />

Aula der LMU.<br />

7.-9.3.<strong>2006</strong><br />

Im Rahmen des Polenprojekts „Zerreißt den Mantel<br />

der Gleichgültigkeit” findet eine Begegnung von<br />

deutschen und polnischen Lehrern in Krakow (Krakau)<br />

statt. Anneliese Knoop-Graf eröffnet die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> Ausstellung im Goethe-Institut Krakau.<br />

6.4.-1.5. <strong>2006</strong><br />

Franz J. Müller eröffnet die Ausstellung im Edith<br />

Stein Haus in Wroclaw (Breslau).<br />

25.4.<strong>2006</strong><br />

Verleihung der Ehrendoktorwürde an Anneliese<br />

Knoop-Graf in der Technischen Universität Karlsruhe<br />

auf Initiative von Prof. Dr. Peter Steinbach durch den<br />

Dekan Prof. Dr. Uwe Japp.<br />

8.5.<strong>2006</strong><br />

Winfrid Vogel, Beauftragter der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

für Mittel- und Osteuropa, eröffnet die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

Ausstellung im Staatlichen Museum Majdanek /<br />

Lublin im Rahmen des Polenprojektes „Zerreißt den<br />

Mantel der Gleichgültigkeit”.<br />

3.6.<strong>2006</strong><br />

Hans Hirzel, Gründungsmitglied der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

<strong>Stiftung</strong>, stirbt im Alter von 81 Jahren.<br />

14.9.2005<br />

In Kooperation mit der LMU wird im Eingangsbereich<br />

der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in der LMU eine Wort-<br />

Installation mit wichtigen Zitaten aus dem Kreis der<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> eingerichtet.<br />

6


Prof. Dr. Wolfgang Huber bei der<br />

Eröffnung der Sonderausstellung<br />

über Prof. Dr. Kurt Huber<br />

24.-27.10.<strong>2006</strong><br />

Im Rahmen des Polenprojekts „Zerreißt den Mantel<br />

der Gleichgültigkeit” findet in Warszawa (Warschau)<br />

eine Begegnung zwischen jungen deutschen und<br />

polnischen Journalisten statt. Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

Ausstellung wird von Anneliese Knoop-Graf am<br />

25.10.<strong>2006</strong> im Haus der Begegnung mit der Geschichte<br />

in Warszawa (Warschau) eröffnet.<br />

21.10.<strong>2006</strong><br />

In der „Langen Nacht der Münchner Museen” ist die<br />

DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> am Lichthof der LMU bis<br />

2 Uhr nachts geöffnet. Führungen und Zeitzeugengespräche<br />

werden den ca. 900 Besuchern angeboten.<br />

20.11.<strong>2006</strong><br />

Prof. Dr. Wolfgang Huber eröffnet die Sonderausstellung<br />

zu Prof. Dr. Kurt Huber in der DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> in der LMU.<br />

Einweihung und Übergabe des erneuerten Bodendenkmals<br />

an den Rektor der LMU.<br />

„Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt. Tagebücher<br />

1935-44” des rumänisch-jüdischen Schriftstellers Mihail<br />

Sebastian werden mit dem Geschwister-Scholl-<br />

Preis in der großen Aula der LMU ausgezeichnet.<br />

Laudatio von Peter Hamm unter www.weisse-rosestiftung.de.<br />

7


4 Erneuerung des <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

Bodendenkmals<br />

Das Bodendenkmal vor dem Haupteingang<br />

der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität wurde rundum erneuert<br />

und erinnert nun wieder in einem<br />

angemessenen Zustand an die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />

Seit 1988 erinnert ein Bodendenkmal<br />

des Bildhauers Robert Schmidt-Matt<br />

auf dem Geschwister-Scholl-Platz an<br />

das Wirken der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> gegen<br />

das nationalsozialistische Regime in<br />

Deutschland. Die Tonplatten mit Fotos<br />

der Mitglieder, Flugblättern der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> sowie Briefen und Gerichtsurteilen<br />

sind vor dem Haupteingang<br />

der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

fest im Untergrund verankert und wirken<br />

doch wie zufällig auf den Boden<br />

geweht. Damit nimmt die Installation<br />

Bezug auf die Flugblätter, die die Geschwister<br />

Scholl am 18. Februar 1943<br />

in den Lichthof der Universität fallen<br />

ließen und die zu ihrer Verhaftung<br />

führten.<br />

Im Laufe der vergangenen Jahre entstanden<br />

an den Platten teils durch den<br />

Zahn der Zeit, teils durch mutwillige<br />

Zerstörung immer größere Schäden.<br />

Besonders gravierend war dabei die<br />

Entfernung eines großen Stücks der<br />

Platten vor dem Haupteingang der<br />

Universität im April <strong>2006</strong> durch Unbekannte.<br />

Robert Schmidt-Matt<br />

bei der Erneuerung<br />

des Bodendenkmals<br />

8<br />

Um die in den letzten Jahren entstandenen<br />

Beschädigungen zu beheben,<br />

hat Robert Schmidt-Matt einen neuen<br />

Satz der Platten angefertigt und im<br />

August <strong>2006</strong> das gesamte Bodendenkmal<br />

erneuert. Am 20. November<br />

übergab Dr. Christof Schmid das erneuerte<br />

Bodendenkmal offiziell an die<br />

Ludwig-Maximilians-Universität.<br />

Wie bereits bei der erstmaligen Installation<br />

des Bodendenkmals vor 18 Jahren<br />

wurde auch die Instandsetzung<br />

von Gerhard Müller-Rischart, Inhaber<br />

von Max Rischart’s Backhaus KG,<br />

finanziert.


Stationen der<br />

Ausstellung<br />

in Polen<br />

5 „Zerreißt den Mantel der<br />

Gleichgültigkeit“<br />

Mit dem Treffen deutscher und polnischer Lehrerinnen<br />

und Lehrer im Frühjahr <strong>2006</strong> in Krakau<br />

und dem Treffen junger Journalisten aus beiden<br />

Ländern im Oktober <strong>2006</strong> ging nach eineinhalb<br />

Jahren Laufzeit das Verständigungsprojekt „Zerreißt<br />

den Mantel der Gleichgültigkeit“ zu Ende.<br />

Veranstalter dieses Projekts, das Teil des deutschpolnischen<br />

Jahres war, war die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

e.V. in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentral<br />

für politische Bildungsarbeit. Es stand unter der<br />

Schirmherrschaft von Prof. Dr. Jutta Limbach, Präsidentin<br />

des Goethe-Instituts, und Prof. Dr. Wladyslaw<br />

Bartoszewski, ehem. poln. Außenminister. Gefördert<br />

und ermöglicht wurde es durch:<br />

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-<strong>Stiftung</strong><br />

Auswärtiges Amt<br />

Erich-Brost-<strong>Stiftung</strong><br />

Freie und Hansestadt Hamburg<br />

Karl-Graf-Spreti-Sonderfonds<br />

Landeszentrale für politische Bildung Hamburg<br />

Landkreis München<br />

<strong>Stiftung</strong> „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“<br />

Im Mittelpunkt des Projekts stand die Ausstellung<br />

zur Geschichte der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> in polnischer Sprache.<br />

Ergänzt wurde sie durch Tafeln zum polnischen<br />

Widerstand gegen Hitler. Die Ausstellung wurde in<br />

folgenden Städten in Polen gezeigt: Danzig, Allenstein,<br />

Kreisau, Krakau, Breslau, Majdanek / Lublin<br />

und Warschau. Viele der meist jugendlichen Besucher<br />

erfuhren erstmals durch diese Ausstellung, dass<br />

es auch im NS-Deutschland Widerstand gegen Hitler<br />

gegeben hatte.<br />

Parallel zur Ausstellung fanden Begleitprogramme<br />

mit Zeitzeugengesprächen, Vorträgen, Lehrerinformationen<br />

und Filmvorführungen statt.<br />

Nach Abschluss des Projekts wird eine Dauerpräsentation<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung in polnischer<br />

Sprache im Edith-Stein-Haus in Breslau angestrebt.<br />

Die vorgesehenen Räume sollen im Frühjahr 2007 in<br />

Kooperation mit der Edith Stein Gesellschaft ausgebaut<br />

werden. Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. bemüht<br />

sich um die Finanzierung.<br />

9


10<br />

Lehrerbegegnung Kraków (Krakau)<br />

Bereits vor Eröffnung der Ausstellung<br />

begann die größte Begleitveranstaltung<br />

des Projekts „Zerreißt den Mantel<br />

der Gleichgültigkeit“. Vom 7. bis 9.<br />

März <strong>2006</strong> fand in den Räumen des<br />

Landratsamts Krakau in Kooperation<br />

mit dem Landratsamt München ein<br />

einwöchiges Treffen polnischer Lehrerinnen<br />

und Lehrer mit deutschen<br />

Kollegen aus Hamburg und dem Landkreis<br />

München statt.<br />

Diese Veranstaltung verlief weitgehend<br />

wie geplant. Lediglich für den<br />

Vormittag des 8.3.<strong>2006</strong> musste vor<br />

Ort eine Änderung vorgenommen<br />

werden. Wegen des kurzfristig anberaumten<br />

Besuchs des polnischen<br />

Präsidenten in Berlin standen die<br />

vorgesehenen Referenten Adam Krzeminski<br />

und Dr. Gerhard Gnauck für<br />

das Thema „Berichte aus einem anderen<br />

Land“ nicht zur Verfügung. Statt<br />

dessen wurden die für den Nachmittag<br />

vorgesehen Erfahrungsberichte<br />

von Lehrern zum Thema „Schüler<br />

treffen Schüler – deutsch-polnischer<br />

Schüleraustausch“ vorgezogen und<br />

ausgeweitet.<br />

Bestimmend für die Lehrerbegegnung<br />

war der 7.3.<strong>2006</strong> mit den Ausführungen<br />

von Prof. Dr. Alfons Nossol,<br />

Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski und<br />

Pastor Friedrich Magirius zum Thema<br />

„Von der schwierigen Annäherung<br />

zwischen Polen und Deutschen“. Nach<br />

den Grußworten der Landrätin, Frau<br />

Elzbieta Burtan, und des Vorsitzenden<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., Dr. Christof<br />

Schmid, stellten die Referenten<br />

mit unterschiedlicher Akzentuierung<br />

die Bedingungen und Möglichkeiten<br />

für einen echten Dialog dar. Sie<br />

führten aus, dass das jeweilige Anderssein<br />

nicht nur akzeptiert, sondern<br />

als Bereicherung begriffen werden<br />

müsse, dass der Westen und der<br />

Osten Europas einander Ergänzendes<br />

bieten können, dass die Chance für<br />

ein friedliches Miteinander, wie es<br />

in den Flugblättern der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong><br />

noch als Utopie postuliert wurde,<br />

heute so groß sei wie nie zuvor, dass<br />

gleichwohl Vergangenheit akzeptiert<br />

werden müsse als Voraussetzung für<br />

Zukunft, dass beim Brückenbauen<br />

zwischen den beiden Ländern Schülern<br />

und Lehrern eine besondere<br />

Bedeutung zukomme und dass die<br />

Brücken nicht über die neuen Länder<br />

hinweg, sondern unter ihrer Einbeziehung<br />

Polen und Deutsche miteinander<br />

verbinden müssen.<br />

Auf dieser Grundlage entspann sich<br />

unter der zweisprachigen Moderation<br />

von Lidia Zimmermann ein lebhaftes<br />

Gespräch auf dem Podium und mit<br />

den Teilnehmern.<br />

Konkrete Formen des Brückenbauens<br />

besprachen die Teilnehmer am<br />

zweiten Tag der Begegnung. Gertrud<br />

Römer von der Otto-Hahn-Gesamtschule<br />

in Hamburg lieferte mit ihrem<br />

Erfahrungsbericht über den deutschpolnischen<br />

Schüleraustausch 2005<br />

in Danzig mit einem <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

Schwerpunkt dafür die Grundlage. Sie<br />

berichtete von den Schwierigkeiten,<br />

Teilnehmer zu gewinnen, und von der<br />

Begeisterung derer, die teilgenommen<br />

hatten, von den wechselseitigen<br />

Vorurteilen und den Möglichkeiten, sie<br />

abzubauen, von den Formen wechselseitiger<br />

Vermittlung von historischem<br />

Wissen. Die daran anschließende<br />

Diskussion stellte heraus, dass es<br />

nötig sei, die Jugendlichen nach ihren<br />

Interessen zu befragen, dass der pure<br />

Kulturaustausch auf Dauer zu wenig<br />

sei, dass gemeinsame systematische<br />

Projektarbeit ein geeigneter Weg aufeinander<br />

zu sei und dass das Beispiel<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> / Widerstand sich als<br />

Themenfeld dafür anbiete. Es gehe,<br />

so der stellvertretende Direktor der<br />

Bayerischen Landeszentrale für politische<br />

Bildungsarbeit, Werner Karg,<br />

nicht mehr nur um die Darstellung des<br />

Gewesenen, sondern um den aktiven<br />

Übertrag auf das heutige gesellschaftliche<br />

und moralische Leben junger<br />

Menschen. Geschichtsbetrachtung<br />

diene vor allem dazu, Sensibilität für<br />

den Anderen herzustellen und Vergleiche<br />

als Voraussetzung zur Wahrnehmung<br />

von Unterschiedlichkeit zu<br />

provozieren.<br />

Anneliese Knoop-Graf, die zuvor bereits<br />

im Goethe-Institut Krakau ein<br />

Zeitzeugengespräch geführt hatte,<br />

verwies auf die Kraft zum Widerstand,<br />

die Gleichgesinnte entwickeln, und<br />

auf die Notwendigkeit, dem eigenen<br />

Gewissen folgend dort Nein zu sagen,<br />

wo es bequemer wäre, zu schweigen<br />

oder Ja zu sagen. Dies habe für die<br />

Mitglieder der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> gegolten<br />

und es gelte heute nicht minder. Es<br />

bleibe dies eine Aufgabe für Schüler<br />

und Lehrer, den Mut zum Widerspruch<br />

zu üben und zu unterstützen.<br />

Der dritte Thementag stand unter dem<br />

Motto „Europäische Diplomatie im Alltag“.<br />

Dr. Thomas Gläser, der Deutsche<br />

Generalkonsul in Krakau, und Tomasz<br />

Trafas, bis vor kurzem polnischer Generalkonsul<br />

in London, skizzierten die<br />

Verbindungen vor dem Hintergrund<br />

der Ost-Erweiterung der Europäischen<br />

Union. Polen sei vom Westen<br />

des Ostens zum Osten des Westens<br />

geworden. Die Probleme, die sich<br />

daraus in der alltäglichen Diplomatie<br />

ergeben, wurden ebenso sachlich dargestellt<br />

wie die Chancen, die daraus<br />

resultieren. Die vielfältigen bestehenden<br />

deutsch-polnischen Kontakte von


Publikum bei der Lehrerbegegnung<br />

in Krakau<br />

Ausstellungseröffnung<br />

in Krakau<br />

den institutionalisierten Jugendbegegnungen bis<br />

hin zu den Schulen des deutschen Rechts in Mainz,<br />

Heidelberg, Krakau und künftig auch Lemberg, an<br />

denen deutsche und polnische Juristen studieren,<br />

gelte es, mit Leben zu erfüllen und auszubauen. Der<br />

Vorsprung, den das deutsch-französische Modell hat,<br />

könne als Ansporn für den Ausbau der deutsch-polnischen<br />

Beziehungen dienen.<br />

Die Besichtigungen der Altstadt von Krakau und von<br />

Nowa Huta rundeten die Eindrücke der deutschen<br />

Teilnehmer ab. Die informellen Kontakte zwischen<br />

den deutschen und polnischen Lehrerinnen und Lehrern<br />

vertieften die Beziehungen und weckten den<br />

Wunsch nach einer Fortsetzung der Begegnung auf<br />

Arbeitsebene.<br />

Außerhalb aller beschreibbaren Erfahrung blieb der<br />

Besuch von Auschwitz und Birkenau. Angesichts dieser<br />

Ordnung des Terrors wurde sprach- und wortlos<br />

der Auftrag unausweichlich, überall und immer ziviles<br />

Engagement zu fördern.<br />

Die Reaktionen der Teilnehmer und die Eindrücke<br />

der Veranstalter berechtigen zu dem Schluss, dass<br />

das Polen-Projekt „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“<br />

in Krakau sein Ziel erreicht hat und dass<br />

diejenigen, die es befördert haben, einen wirksamen<br />

Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung geleistet<br />

haben.<br />

11


Als Gesprächspartner standen den<br />

deutschen und polnischen Lehrerinnen<br />

und Lehrern Erzbischof<br />

Prof. Dr. Alfons Nossol, Prof. Dr.<br />

Wladyslaw Bartoszewski und Pastor<br />

Friedrich Magirius zur Verfügung.<br />

Aus der Abschrift ihrer frei gesprochenen<br />

Eingangsstatements drucken<br />

wir im Folgenden Auszüge ab.<br />

12<br />

Prof. Dr. Alfons Nossol<br />

Zu unserem Generalthema „Zerreißt<br />

den Mantel der Gleichgültigkeit“ fällt<br />

mir ein polnischer Revolutionsdichter<br />

der Zwischenkriegszeit ein, der<br />

in einem seiner Gedichte sagt: Ich<br />

fürchte keine Mörder, denn ein Mörder<br />

kann nur töten. Ich fürchte keine<br />

Verräter, denn ein Verräter kann nur<br />

Verrat üben. Aber ich fürchte gleichgültige<br />

Menschen, denn durch ihr Stillschweigen<br />

geschehen sowohl Mord<br />

als auch Verrat – Zerreißt den Mantel<br />

der Gleichgültigkeit! Diese Einschätzung<br />

hat eine lange Tradition. Schon in<br />

der Apokalypse im Neuen Testament<br />

finden wir den Hinweis darauf, dass<br />

es die gleichgültigen Menschen sind,<br />

die wir fürchten müssen.<br />

Zu unserem speziellen Thema „Von<br />

der schwierigen Annäherung zwischen<br />

Polen und Deutschen“ sind aus<br />

meiner Sicht drei Aspekte anzusprechen:<br />

Zuerst die Last der Vergangenheit,<br />

dann der schwierige Dialog und<br />

schließlich der Weg zu Partnerschaft<br />

und Kooperation.<br />

Aus meiner persönlichen Erfahrung<br />

„zwischen Tür und Angel“ – ich<br />

stamme aus Schlesien – habe ich<br />

zu spüren bekommen, dass drei Voraussetzungen<br />

erfüllt sein müssen,<br />

wenn man von einem echten Dialog<br />

sprechen will, der zu Aussöhnung<br />

und wahrer Versöhnung führen soll,<br />

gerade im Hinblick auf die deutschpolnischen<br />

Verhältnisse.<br />

Was wir heute dagegen setzen müssen,<br />

ist nicht nur Toleranz, sondern<br />

Akzeptanz in unserem jeweiligen<br />

Anderssein. Dies Anderssein ist nicht<br />

gleichbedeutend mit Fremdsein. Johannes<br />

Paul II. hat festgestellt, dass<br />

wir zum ersten Mal in der Geschichte<br />

unseres Kontinents nur von Freunden<br />

umgeben sind. Wir müssen diese<br />

Chance nutzen. Und unsere westlichen<br />

Nachbarn müssen erkennen,<br />

dass auch der Osten in kultureller<br />

Hinsicht etwas zu bieten hat. Denken<br />

Sie allein an das andere Verhältnis<br />

des Ostens zur Zeit. Wir sollten diese<br />

Unterschiede als Chance verstehen.<br />

Und als Christ füge ich hinzu: Herr,<br />

Du kennst meine Vergangenheit. Ich<br />

schenke Dir mein Heute. Sorge Du<br />

Dich um mein Morgen. Amen.<br />

Die Geschichte unserer Beziehungen<br />

hat sehr variiert. Wir hatten herrliche<br />

Zeiten einer kreativen Zusammenarbeit,<br />

großer Menschlichkeit, wahrer<br />

Nachbarschaft. Dann aber hat uns<br />

die Tragödie der zwei Weltkriege, die<br />

eigentlich mit Bismarck begonnen<br />

hat, auseinander gebracht. Die Unmenschlichkeit,<br />

die ganz besonders<br />

hier in Krakau, in der nächsten Nähe<br />

von Auschwitz, spürbar ist, hat uns<br />

getrennt. Erzbischof Prof. Dr. Alfons Nossol


Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski<br />

Meine Damen und Herren, Versöhnung<br />

bedeutet so etwas wie Brücken<br />

bauen. Zwei Völker und willige Menschen<br />

auf beiden Seiten bauen eine<br />

Brücke über die Kluft, über den Fluß,<br />

über Hindernisse und trotz der Hindernisse.<br />

In jeder Epoche und in jedem<br />

Land und Volk gibt es Menschen, die<br />

genug Mut haben, solche Brücken<br />

zu bauen. Und in jedem Land und in<br />

jedem Volk gibt es zu jeder Zeit Menschen,<br />

die versagen.<br />

Passivität und Gleichgültigkeit sind<br />

Formen des Versagens. Die Geschwister<br />

Scholl waren Menschen, die nicht<br />

versagt haben. … Ich habe von ihnen<br />

im polnischen Widerstand erfahren.<br />

Über den Londoner Rundfunk habe<br />

ich damals von ihnen gehört, mit<br />

Verspätung natürlich. Aber so haben<br />

wir doch damals im besetzten Land<br />

gewusst, dass es auch ein anderes<br />

Deutschland gibt. Und wir wollten<br />

auch dieses andere Deutschland einmal<br />

erleben und kennen lernen.<br />

Für Menschen, die das heute nicht<br />

wissen, eine kleine Erklärung: Ich gehörte<br />

damals nicht nur zu den hunderttausenden<br />

Polen in der Heimatarmee,<br />

Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski<br />

sondern auch zu einer kleinen Gruppe<br />

im Widerstand, die sich Gedanken<br />

gemacht hat über die ethische, die<br />

soziale und die nationale Zukunft des<br />

Landes und der Gesellschaft nach<br />

dem Krieg. Schon damals haben wir<br />

uns im Sinn der Gerechtigkeit gegen<br />

jede Rache, gegen jede Verallgemeinerung<br />

und gegen Pauschalverantwortung<br />

entschieden. … Hinweis und Ansporn<br />

hat mir damals ein katholischer<br />

Priester, mein Beichtvater, gegeben.<br />

Und ich bin ihm bis heute dafür dankbar,<br />

dass er mir, dem damals 19-jährigen<br />

unerfahrenen Menschen, diesen<br />

Weg gezeigt hat. …<br />

Viele Jahre später habe ich 1987 in<br />

der Aula in der Universität in München<br />

dies gesagt: „Die Historiker<br />

und Politologen können lediglich Fakten<br />

beschreiben und interpretieren,<br />

Schlussfolgerungen formulieren und<br />

beim Verständnis historischer Zusammenhänge<br />

behilflich sein. In welcher<br />

Form aber die Kenntnis dieser Fakten<br />

ausgenutzt wird, hängt von der Gewissensstärke<br />

und der geistigen Reife<br />

einer jeden Generation ab. Der Hauptfeind<br />

liegt hier in der Gleichgültigkeit<br />

gegenüber dem Bösen in der Welt sowohl<br />

im gesellschaftlichen als auch im<br />

politischen Bereich, also im Endeffekt<br />

gegenüber dem Bösen im ethischen<br />

Sinne.<br />

Die Mitglieder der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> starben<br />

in einer mit wenigen Ausnahmen<br />

in Bezug auf ihre Handlungsweise<br />

und ihre Opfer gleichgültigen, wenn<br />

nicht feindlichen Umgebung. Das<br />

erinnert an die zehn Gerechten aus<br />

der biblischen Stadt Sodom, die fehlten,<br />

weshalb, wie bekannt, die Stadt<br />

nicht gerettet wurde. In München und<br />

woanders in Deutschland waren Gott<br />

sei Dank viel mehr Gerechte zu finden,<br />

das Ausmaß der Gleichgültigkeit<br />

ringsum, in anderen Fällen die Angst<br />

um das weitgehend perfekte Funktionieren<br />

des NS-Terrorapparates, haben<br />

aber keine wirkliche Veränderung der<br />

Situation des deutschen Volkes und<br />

Deutschlands im Jahre 1943 und 1944<br />

zugelassen. Man kann die Sache auch<br />

so sehen: Das Opfer der jungen Menschen<br />

der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und aus dem<br />

Umfeld der ursprünglichen Gruppe<br />

war jedoch nicht vergeblich, wenn<br />

sich die heutige Generation junger<br />

Deutscher eines Lebens erfreuen<br />

kann unter den Bedingungen der<br />

Rechtsstaatlichkeit und der Achtung<br />

der Grundrechte der Menschen und<br />

das mit Recht als eine Selbstverständlichkeit<br />

versteht. Man kann nur hoffen,<br />

dass diese Lebensbedingungen für<br />

alle Menschen in den verschiedenen<br />

Ländern Europas und der Welt in absehbarer<br />

Zeit erreichbar sein werden.“<br />

Ich danke Ihnen.<br />

13


14<br />

Pastor Friedrich Magirius<br />

Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

sind erst in dumpfer Betäubung,<br />

dann in neuer, angstvoller Selbstbehauptung<br />

vergangen. Es droht, zu<br />

spät zu werden. Noch aber können<br />

wir unbeschadet der Pflicht zu gewissenhafter<br />

politischer Entscheidung der<br />

Selbstrechtfertigung, der Bitterkeit<br />

und dem Hass eine Kraft entgegensetzen,<br />

wenn wir selbst wirklich vergeben,<br />

Vergebung erbitten, und diese<br />

Gesinnung praktizieren.<br />

Umkehr beginnt nicht bei dem Anderen,<br />

sondern bei mir. Und es ist<br />

eigentlich das wichtigste Motiv unseres<br />

christlichen Glaubens, immer<br />

wieder uns aus den alten Bindungen,<br />

aus Schuld und Versagen einen neuen<br />

Anfang zu erbitten. Es gibt ein Symbol<br />

dafür. Das ist ein Mensch, der sich<br />

dem anderen zuwendet, sich beugt<br />

unter der Last der Vergangenheit und<br />

die Hände ausstreckt, dass sie von<br />

dem Partner angenommen werden.<br />

Die DDR-Regierung hatte dafür überhaupt<br />

keinen Sinn. „Sühnezeichen<br />

West“ und „Sühnezeichen Ost“<br />

lebten verschieden. Aber wir waren<br />

die unmittelbaren Nachbarn und<br />

durften nicht nach Polen. Die DDR-<br />

Regierung sagte, wir sind alle kommunistische<br />

Bruderländer, alles ist<br />

geregelt. Es gilt der Vertrag von Görlitz<br />

1950 – fertig! Die Schuldigen sind<br />

im Westen. Und so haben wir diese<br />

Arbeit von Anfang an nur unter der<br />

Decke, gewissermaßen unterirdisch<br />

gemacht, und dennoch alljährlich im<br />

Wachsen dieser Arbeit, der ich dann<br />

auch acht Jahre vorstehen durfte, 500<br />

bis 600 junge Leute aus dem östlichen<br />

Bereich – nämlich Ostdeutschland,<br />

Polen, Slowakei, Tschechien,<br />

Ungarn – zu 14-tägigen Diensten<br />

zusammengerufen. Nicht nur reden,<br />

sondern etwas Praktisches tun, „Aktion<br />

Sühnezeichen“.<br />

Das eigentliche Wunder war, dass<br />

die polnischen Freunde es besser<br />

verstanden haben als die deutschen.<br />

Denn hier war das Wort Sühne und<br />

das Wort Versöhnung wirklich bewusst.<br />

Und so bin ich noch heute den<br />

Männern und Frauen dankbar, die hier<br />

aus der katholischen Laienbewegung<br />

die Dinge zuallererst aufgenommen<br />

haben. Für mich war hier, in Polen, der<br />

Westen. Hier habe ich Freiheit, habe<br />

ich, aus der Enge der DDR kommend,<br />

weites Denken, einen offenen Horizont<br />

kennen gelernt.<br />

Es kommt entscheidend auf unsere<br />

Grundhaltung an. Wir müssen offen<br />

füreinander sein. Und es darf nicht<br />

passieren, dass – wie es in den Medien<br />

jetzt oft geschieht – aus den Tätern<br />

Pastor Friedrich Magirius<br />

Opfer werden. Es darf nicht sein, dass<br />

das Leid der Deutschen wichtiger<br />

wird als das unvergleichliche Leid, das<br />

wir Deutsche den Juden oder dem<br />

Nachbarvolk Polen zugefügt haben.<br />

Es darf nicht sein, dass die gewachsene<br />

Annäherung durch solche Verfälschung<br />

der Geschichte gefährdet<br />

wird.<br />

Ich selbst bin seit 1989 immer wieder<br />

nach Polen gefahren, um mit den<br />

Menschen hier ein Stück zu leben<br />

und Kontakte zu suchen, vor allem zu<br />

jungen Polen. Diese Basisarbeit von<br />

Mensch zu Mensch, vom Einzelnen<br />

zum Anderen, scheint mir das Allerwichtigste<br />

zu sein. Was wir in Ostdeutschland<br />

nach 1990 erlebt haben,<br />

was da über Nacht über uns gekommen<br />

ist, dass wir uns plötzlich auf die<br />

Verhältnisse in Europa einzustellen<br />

hatten, das verbindet uns in besonderer<br />

Weise mit den Polen. Auch aus<br />

diesem Grund darf die Brücke der<br />

Verständigung, die wir zwischen Polen<br />

und Deutschland zu bauen haben, das<br />

Gebiet der ehemaligen DDR nicht außer<br />

acht lassen.


Deutsch-Polnisches Journalistentreffen<br />

Mit dem Treffen junger polnischer und deutscher<br />

Journalisten und mit der Eröffnung und Präsentation<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung begann in<br />

Warszawa (Warschau) die Schlussphase des Projekts<br />

„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“ in<br />

Polen.<br />

Unter der Maßgabe, dass Gesprächsveranstaltungen<br />

grundsätzlich so gut wie die Gesprächsteilnehmer<br />

sind, war die Begegnung junger Journalisten aus<br />

Polen und Deutschland zum Thema „Zivilcourage in<br />

unserem Land“ eine gelungene Veranstaltung.<br />

Die Bandbreite der Teilnehmer reichte vom 27-jährigen<br />

Deutschland-Korrespondenten der größten<br />

polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborza bis zum 19jährigen<br />

deutsch-polnischen Vertreter des Verbands<br />

der internationalen Jugendpresse, von einer jungen<br />

deutschen Autorin der taz bis zur jungen polnischen<br />

Journalistin eines Wirtschafts-Magazins aus Warschau.<br />

Die Medien Hörfunk, Fernsehen, Tageszeitung<br />

und Wochenzeitung waren vertreten.<br />

Als erfahrene Journalisten standen den jungen Kolleginnen<br />

und Kollegen Freimut Duve, ehemaliger Bundestagsabgeordneter,<br />

Journalist und Publizist, Basil<br />

Kerski, Chefredakteur der deutsch-polnischen Vierteljahresschrift<br />

Dialog, Wojciech Duda, Chefredakteur<br />

der in Danzig erscheinenden Zeitung Przeglad Polityczny<br />

und engster politischer Berater von Donald<br />

Tusk, Dr. Uwe <strong>Rose</strong>nbaum, Landessenderdirektor<br />

des SWR in Mainz sowie Robin Lautenbach, ARD-<br />

Korrespondent in Polen, zur Verfügung.<br />

Die Begegnung fand vom 25.-27.10.<strong>2006</strong> in den Tagungsräumen<br />

des Deutschen Historischen Instituts<br />

statt. Dessen Direktor, Prof. Dr. Klaus Ziemer, gab<br />

Einblicke in die Arbeit seines Instituts, von der sich<br />

unmittelbar Zusammenhänge zum eigenen Projekt<br />

„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“ ergaben.<br />

Der Vorsitzende der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., Dr.<br />

Christof Schmid, betonte, dass es vor dem Hintergrund<br />

der Zivilcourage der Mitglieder der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> um Formen des zivilen Muts und Engagements<br />

insbesondere bei jungen Menschen heute<br />

gehe. Journalisten seien in diesem Zusammenhang<br />

zweifach gefragt. Zum einen hätten sie das Thema<br />

an positiven und negativen Beispielen wach zu halten<br />

und gesellschaftliche Missstände und Auswege<br />

aufzuzeigen, in denen jenseits des staatlichen Einflusses<br />

der Einzelne gefragt sei. Zum anderen sei<br />

Zivilcourage von Journalisten fallweise selbst gefordert,<br />

wo publizistischer Anspruch und politische oder<br />

wirtschaftliche Opportunität auseinander lägen.<br />

Robin Lautenbach vermittelte in seinem Statement<br />

Einblick in den Alltag eines Auslandskorrespondenten<br />

in Polen, der an ein und demselben Tag eine<br />

Straßenbefragung zum deutsch-polnischen Verhältnis,<br />

einen Bericht über Fledermäuse am Westwall,<br />

ein angestrebtes Interview mit dem „Vater Direktor“<br />

von Radio Maria sowie die Fertigstellung eines 30-<br />

Minuten-Portraits über Warschau als Aufgaben bereithalte.<br />

Daneben analysierte Robin Lautenbach das<br />

deutsch-polnische Verhältnis unter den Aspekten von<br />

deutsch-polnischen Stereotypen, von Ungleichgewichten<br />

und Ungleichzeitigkeit.<br />

Gegen die wechselseitig bestehenden Stereotypen<br />

habe die Berichterstattung und Kommentierung<br />

verständlich und differenziert anzugehen. Vor-Urteile<br />

15


edürften der Überprüfung und der<br />

Korrektur. Nicht selten müsse sich<br />

der Korrespondent als Kenner vor Ort<br />

gegen Vorgaben der eigenen Auftraggeber<br />

zur Wehr setzen.<br />

Als ungleich gewichtig bezeichnete<br />

Robin Lautenbach das weitaus größere<br />

historische Bewusstsein der Polen<br />

sowie ihre deutlich größeren Kenntnisse<br />

über die gesellschaftliche und<br />

politische Situation in Deutschland.<br />

Dagegen wachse das Interesse in der<br />

deutschen Öffentlichkeit am östlichen<br />

Nachbarland auch als potentiellem<br />

Reiseland erkennbar erst seit dem<br />

EU-Beitritt. Umgekehrt stelle sich die<br />

deutsche Politik gegenüber Polen als<br />

deutlich offener dar, als dies seit dem<br />

Amtsantritt der Brüder Kaczynski von<br />

Polen in Richtung Deutschland der<br />

Fall sei. Diese Ungleichgewichte erschwerten<br />

die Verständigung.<br />

Zum Aspekt der fehlenden Gleichzeitigkeit<br />

legte Robin Lautenbach dar,<br />

dass die Verarbeitung der Geschichte<br />

in beiden Ländern mit unterschiedlicher<br />

Geschwindigkeit vonstatten<br />

gehe. In Deutschland sei die Verarbeitung<br />

des Zweiten Weltkriegs im<br />

öffentlichen Bewusstsein weitgehend<br />

abgeschlossen. Dagegen sei in Polen<br />

die Zeit der Okkupation nach wie vor<br />

schmerzhafter Teil des gesellschaftlichen<br />

Bewusstseins und individueller<br />

Familiengeschichten. Weit stärker<br />

als in Deutschland gründe in Polen<br />

der Patriotismus im gemeinsamen<br />

Geschichtsbewusstsein. Verstärkt<br />

werde dies durch die im Verständnis<br />

von 50 Prozent der Polen immer noch<br />

nicht vollzogene Aufarbeitung und<br />

Abrechnung mit dem Kommunismus.<br />

Vor diesen drei Asymmetrien erläuterte<br />

Robin Lautenbach die aktuelle<br />

deutsch-polnische Politik.<br />

Wojciech Duda knüpfte mit seinen Äußerungen<br />

über die Medienlandschaft<br />

an die Ausführungen von Robin Lautenbach<br />

an. Er hob heraus, dass die<br />

Befreiung von 1989 in Polen vor allem<br />

eine Befreiung des Wortes durch<br />

das Wort gewesen sei. Dass sich die<br />

gesellschaftliche Revolution nicht nur<br />

als Revolution des politischen und<br />

wirtschaftlichen Systems durchgesetzt<br />

habe, sondern vor allem auch als<br />

„Popularisierung der Politik durch die<br />

Medien“. Seither habe sich in Polen<br />

eine mediale Demokratie entwickelt.<br />

Man könne auch von einer Mediokratie<br />

sprechen, in der Medien nicht<br />

die vierte, sondern die erste Macht<br />

darstellten. Entsprechend groß sei die<br />

Verantwortung der Medien in Polen.<br />

Vor diesem Hintergrund entwarf Wojciech<br />

Duda sein Bild von der aktuellen<br />

Medienlandschaft in Polen, die er im<br />

Wesentlichen durch vier Faktoren<br />

16<br />

charakterisiert und gefährdet sieht:<br />

Vorrang des Fernsehens in der Mediennutzung<br />

(staatliches, privates und<br />

kirchliches Fernsehen), unzureichende<br />

Trennung zwischen Politik und staatlichem<br />

Fernsehen, starker Anteil ausländischer<br />

Verlage und Investoren auf<br />

dem polnischen Pressemarkt (Agora,<br />

Bauer, Springer), Tendenz weg von<br />

Information und Aufklärung hin zur<br />

„Banalisierung der Wirklichkeit“ und<br />

Unterhaltung. Diese Entwicklung betrachtet<br />

Wojciech Duda mit Sorge. Er<br />

sieht sie durch die Regierung Kaczynski<br />

drastisch unterstützt. Wachsamkeit<br />

und Zivilcourage der Journalisten<br />

seien gefordert.<br />

An diese Statements schloss sich<br />

eine erste Gesprächsrunde unter<br />

Leitung von Lidia Zimmermann an, in<br />

der die angeschnittenen historischen,<br />

politischen und medienbezogenen<br />

Themen lebhaft diskutiert wurden.<br />

Dabei reichte die Bandbreite der angesprochenen<br />

Aspekte vom Abbau<br />

des Meinungsjournalismus zugunsten<br />

des „Event-Journalismus“ auch in<br />

Deutschland (<strong>Rose</strong>nbaum) über den<br />

durch Diversifizierung relativierten<br />

Einfluss der katholischen Kirche auf<br />

polnische Medien und die Rolle ausländischer,<br />

insbesondere deutscher<br />

Investoren im polnischen Mediengeschäft<br />

bis zum Witz als journalistischer<br />

Waffe (Kartoffelaffäre).<br />

Wojciech Duda


Freimut Duve entwarf sein Statement<br />

vor dem Hintergrund seiner<br />

Erfahrungen als Vorsitzender der<br />

Menschenrechtskommission mit persönlichen<br />

Kontakten zu den Brückenbauern<br />

für eine osteuropäische Erweiterung.<br />

Seinen Freund Adam Michnik<br />

zählt er dazu, Willy Brandt, Marion<br />

Gräfin Dönhoff und viele andere. Als<br />

Kernerkenntnis seiner Überlegungen<br />

formuliert er den Satz „Europa hat<br />

keine Chance ohne Europa“. Er will<br />

damit zum Ausdruck bringen, dass<br />

die Annäherung zwischen Polen und<br />

Deutschen keine bilaterale, sondern<br />

eine gesamteuropäische Aufgabe sei.<br />

Dies gilt vor dem Hintergrund der Präsenz<br />

von Auslandspolen in allen europäischen<br />

Ländern und der fehlenden<br />

nationalen Homogenität dieser Länder.<br />

Es gilt vor dem Hintergrund des<br />

geforderten Umgangs mit der eigenen<br />

und der fremden Geschichte, auch<br />

mit den eigenen und fremden Verbrechen.<br />

Und es gilt vor dem Hintergrund<br />

der spezifischen Ost-Politik Polens,<br />

die durch Russlandangst bestimmt<br />

ist, aus der sich der Beitritt Polens<br />

zur Nato und zum transatlantischen<br />

Bündnis und die enge Bindung Polens<br />

an Amerika ebenso erklären wie die<br />

konkrete und praktische Solidarität<br />

Polens gegenüber der Ukraine und<br />

Weißrussland.<br />

Robin Lautenbach<br />

In solchen europäischen Dimensionen<br />

sieht Freimut Duve grenzüberschreitend<br />

die Verantwortung der<br />

Journalisten. Die Demokratie, so sein<br />

zentraler Satz, lebt wesentlich von der<br />

Freiheit und der Verantwortung der<br />

Presse. Dabei sieht er die Freiheit der<br />

Presse in Polen und in Deutschland,<br />

anders als in Russland, nicht durch<br />

„Zensur durch Mord“ bedroht, wie<br />

es zuletzt das Beispiel von Anna Politkowskaja<br />

belegt. Bedroht sieht Freimut Duve<br />

die Freiheit und die Unabhängigkeit<br />

der Presse in Polen und in Deutschland<br />

dort, wo die Mitverantwortung<br />

der Journalisten für den Freiheitsauftrag<br />

der Demokratie von diesen selbst<br />

nicht mehr als zentral angesehen<br />

wird, wo wirtschaftliche Zwänge und<br />

politische Interessen die Richtung und<br />

den Inhalt journalistischer Berichterstattung<br />

und Bewertung bestimmen,<br />

wo wirtschaftliche und ökologische<br />

Vorgänge zunehmend zu Reklamevorgängen<br />

denaturieren und an die Stelle<br />

journalistischer Durchdringung die Bebilderung<br />

trete. Es sei die Pflicht gerade<br />

auch junger Journalisten, wachsam<br />

und kritisch solchen Tendenzen zu<br />

begegnen. Dies gelte insbesondere<br />

auch für Polen, das seit 1989 ein<br />

„Aufbruchsland für unabhängigen<br />

Journalismus“ geworden sei und das<br />

diese Aufbruchsstimmung auch in<br />

der derzeitigen Phase reaktiver Politik<br />

der sogenannten „Vierten Republik“<br />

bewahren müsse. Das Verbrechen<br />

habe 1933, so Freimut Duve, mit dem<br />

Wegschauen begonnen – auch vieler<br />

Journalisten.<br />

Vor dem Hintergrund dieser persönlich<br />

gedeckten an- und aufregenden Statements<br />

wurde ca. zwei Stunden eine<br />

lebhafte Diskussion geführt, die von<br />

der Sprachverantwortung der Journalisten<br />

über den Stand des Meinungsjournalismus<br />

in Polen und in Deutschland<br />

und „Vermeidungsthemen“ bis<br />

hin zum internationalen Ranking der<br />

Pressefreiheit führte.<br />

Das letzte Statement lieferte am zweiten<br />

Tag der Begegnung Basil Kerski,<br />

Chefredakteur der deutsch-polnischen<br />

Vierteljahresschrift Dialog. Er spannte<br />

einen fulminanten Bogen vom Polen<br />

der 70er Jahre (Brandt-Besuch im<br />

Januar 1970) über die Unruhen in<br />

Zentralpolen 1976 und die Geburt<br />

einer bewussten Opposition und einer<br />

Öffentlichkeit im Untergrund, die<br />

Entstehung freier Medien ab Sommer<br />

1980, die Solidarnosc-Bewegung,<br />

den Besuch Gorbatschows in Polen<br />

1987, den runden Tisch 1989 bis hin<br />

zur Präsidentschaft Lech Wałesa und<br />

der aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen<br />

und publizistischen Situation<br />

Polens in diesen Tagen unter den<br />

17


Gebrüdern Kaczynski. Kerski zeigte und erklärte, welcher<br />

Schock und Riss durch die Gesellschaft durch<br />

Stil, Inhalt und Ergebnis der letzten Wahlen in Polen<br />

entstanden ist. Er streifte dabei die Rolle der Kirche<br />

und betont die Bedeutung der Medien, unter deren<br />

affirmativem, aber auch kritischem Einfluss derzeit in<br />

Polen eine Parallelgesellschaft entstehe. Zwar gebe<br />

es keine persönliche Bedrohung für kritische Journalisten<br />

wie in Russland. Dagegen bilde der Vormarsch<br />

der „Medien ohne Inhalt“ eine erst zu nehmende<br />

Gefahr.<br />

Gefährdet sei die Freiheit der Presse in Polen zudem<br />

durch den politischen Versuch, durch Neubesetzung<br />

von leitenden Positionen die öffentlichen Medien auf<br />

eine Schiene zu setzen und ihnen damit die Variationsbreite<br />

zu nehmen. Als bedrohlich wird in diesem<br />

Zusammenhang die neu eingerichtete Antikorruptionsbehörde<br />

angesehen, die in der Lage sei, mit<br />

staatsanwaltlichen Kompetenzen aus der Kaczynski-<br />

Ära eine McCarthy-Ära zu machen.<br />

Vor diesem Hintergrund wurden die von den Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern erstellten journalistischen<br />

Beiträge zum Thema „Zivilcourage in unserem Land“<br />

inhaltlich und handwerklich diskutiert. Dabei zeigte<br />

sich, dass sich die deutschen Beiträge durchwegs<br />

mit dem Phänomen der rechten Szene und den<br />

Versuchen, ihr zu begegnen, befassen. Dagegen<br />

sind die polnischen Beiträge weiter gefasst, thematisieren<br />

sowohl die Arbeit von NGO´s - das sind Organisationen<br />

ohne staatlichen Hintergrund, die auf<br />

breiter Fläche ziviles Engagement üben - als auch die<br />

öffentliche Auseinandersetzung mit der derzeitigen,<br />

als regressiv empfundenen Regierung.<br />

Neben diesen unterschiedlichen inhaltlichen Akzenten<br />

zeigte sich jedoch Übereinstimmung in den<br />

Vorstellungen von dem, was moralisch und handwerklich<br />

von Journalisten und ihrer Arbeit in Polen<br />

und Deutschland erwartet wird. Als gemeinsame<br />

Aufgabe wird es angesehen: der alles bestimmenden<br />

politisch-ökonomischen Macht geistig und<br />

historisch begründete Werte entgegen zu setzen, der<br />

Erziehung zu puren Konsumenten und der daraus<br />

resultierenden Apathie durch Elan und Energie Einzelner<br />

zu begegnen und ansteckend zu wirken, dem<br />

Wegschauen entgegenzutreten und eine Gesprächs-<br />

und Streitkultur zu fördern, in der der Meinungsjournalismus<br />

seinen Platz behält.<br />

18<br />

Basil Kerski und<br />

Freimut Duve


Im Vorfeld des Treffens der jungen Journalisten in<br />

Warschau haben alle Teilnehmer in ihrem Medium<br />

einen Beitrag zum Thema „Zivilcourage in unserem<br />

Land“ verfasst. Wir drucken stellvertretend<br />

die Artikel von Bartosz T. Wielinski, Gazeta Wyborza,<br />

und Astrid Geisler, taz, ab.<br />

Der Mut ist aus Polen abgereist.<br />

Ob er zurückkehrt?<br />

Bartosz T. Wielinski<br />

In der jüngsten Geschichte Polens hat es noch keine<br />

Regierung gegeben, die so viele Feinde hatte wie die<br />

gegenwärtige. Der Partei „PiS“ (Recht und Gerechtigkeit)<br />

stehen sowohl widerspenstige Journalisten<br />

wie auch die Richter des Verfassungsgerichtes im<br />

Weg. Der Chef der polnischen Nationalbank stört<br />

genauso wie die Politiker der Opposition. Die Menschen,<br />

die das kommunistische Regime stürzten<br />

und Polen in die NATO und die EU führten, erweisen<br />

sich als sowjetische Agenten. Glaubt man den Brüdern<br />

Kaczynski, so ist jeder, dem ihre Vision der IV.<br />

Polnischen Republik nicht gefällt, ein Vertreter der<br />

Lügen-Elite, Mitglied eines kriminellen Netzes von<br />

Spionen, ein Verräter und Feind der Republik. Und<br />

letztere ist ein Staat, der sich nicht nur von innen her<br />

erneuern, sondern außerdem noch seine Unabhängigkeit<br />

vor den Begehrlichkeiten von Unionspolitikern<br />

sowie Deutschen und Russen verteidigen muss.<br />

Seit Beginn der Errichtung der IV. Polnischen Republik<br />

blicke ich aus einer gewissen Distanz auf Polen.<br />

Genau am Tag des Umbruchs, an dem klar wurde,<br />

dass die „PiS“ keine Koalition mit der „PO“ (Bürgerplattform)<br />

eingeht, habe ich in Berlin eine Wohnung<br />

gemietet. Ich schaue, lese, traue meinen Augen<br />

nicht. Und schäme mich verdammt.<br />

Als ich im November 2005 eine Wohnung mietete,<br />

sagte mir der türkischstämmige Vermittler, dass uns<br />

die EU mit einem solchen Präsidenten früher oder<br />

später hinauswerfen würde. Es ging damals um<br />

die von Kaczynski geäußerte Forderung nach einer<br />

Wiedereinführung der Todesstrafe – worauf man<br />

diesseits der Oder mit Entsetzen reagierte. Ich habe<br />

mir damals an die Stirn getippt und angefangen,<br />

dem Türken zu erklären, dass man in Polen während<br />

der Wahlkampagnen unterschiedlichen Blödsinn<br />

quatschen würde, hinterher aber etwas anderes tun<br />

würde. Das war aber erst das Vorspiel der „PiS“-Regierung.<br />

Ich konnte damals noch nicht wissen, dass<br />

die Brüder Kaczynski, um ihre IV. Polnische Republik<br />

aufzubauen, damit beginnen würden, die polnische<br />

Demokratie zu demontieren und zu zerstören, und<br />

sogar das zu besudeln, was Polen seit 1989 erreicht<br />

hat. Dass sie, statt einen Dialog zu führen, diejenigen<br />

mundtot machen würden, denen ihre Pläne<br />

nicht gefallen.<br />

Vor einem Jahr zog die „PiS“ mit dem Schlagwort<br />

der moralischen Erneuerung in den Wahlkampf. Heute,<br />

in der Zeit nach den „Beger-Kassetten“, wo die<br />

Kriminellen von der „Samoobrona“ (Selbstverteidigung),<br />

die rechten Radikalen von der „LPR“ (Liga der<br />

polnischen Familien) sowie der klerikale Radiosender<br />

von Pater Tadeusz aus Thorn die Regierung Kaczynski<br />

unterstützen, erscheinen die Absichten dieser Partei<br />

in einem anderen Licht. Die „PiS“ will soviel Macht<br />

wie möglich ergattern, um größtmöglichen Einfluß<br />

auf das Land und seine Institutionen auszuüben. Sie<br />

19


will sich Polen einverleiben. Irgendwie beunruhigen<br />

mich diese Pläne gar nicht, denn im Laufe der vergangenen<br />

15 Jahre hatten schon einige Kabinette<br />

einen ähnlichen Appetit, und alle endeten kläglich auf<br />

dem „Müllhaufen der Geschichte“, um Ronald Reagan<br />

zu zitieren. Das Problem besteht jedoch darin,<br />

dass in Polen die „PiS“ keinen starken gesellschaftlichen<br />

Gegenspieler hat.<br />

Eigentlich sollten wir die Zeit bis zum Ausbruch von<br />

Protesten zählen, die der Anfang vom Ende des<br />

Aufbaus der IV. Republik Polen sein werden. Am Horizont<br />

sollte nämlich schon die große und vermutlich<br />

erste in der Geschichte Polens stattfindende Auseinandersetzung<br />

innerhalb der Generationen schwelen.<br />

Auf der einen Seite, auf den Regierungsbänken,<br />

stünden die „genetischen Patrioten“, die Anhänger<br />

einer nationalistischen Ideologie, welche sie buchstäblich<br />

dem XIX. Jahrhundert entnehmen. In dieser<br />

Ideologie liegen die Wurzeln für die Xenophobie der<br />

gegenwärtigen polnischen Regierung und deren<br />

Unbeholfenheit auf dem internationalen Parkett.<br />

Deshalb kratzt die „PiS“ an den alten Wunden und<br />

versucht ständig, Polen von dem Weg abzubringen,<br />

den das Land 1989 gewählt hat. Von daher rühren<br />

auch die kranken Ideen vom Aufbau einer polnischen<br />

Armee oder der Kampf gegen die an den Schulen<br />

zu beobachtenden pathologischen Erscheinungen<br />

in Gestalt des Wegschließens von ungehorsamen<br />

Schülern in Quasi-Gefängnisse. Diesem Anachronismus<br />

sollte sich die junge Generation, also die Menschen,<br />

die schon im freien Polen erzogen wurden,<br />

die ihre Sozialisation im Jahr 1989 erlebten und für<br />

die Demokratie bereits eine Selbstverständlichkeit<br />

und Polens Beitritt zur EU das wichtigste Ereignis in<br />

der jüngsten polnischen Geschichte ist, widersetzen.<br />

Ich gehöre selbst dieser Generation an.<br />

Polen braucht einen solchen Zusammenstoß, um<br />

den Drang der „PiS“ und ihrer Satelliten nach der<br />

gesamten Macht aufzuhalten, aber auch, um sich<br />

weiterzuentwickeln. Wo stünde Deutschland heute,<br />

wenn sich im Jahr 1968 nicht die Studenten dem<br />

Establishment der Generation ihrer Eltern widersetzt<br />

hätten? Haben sie damals nicht ihre Zivilcourage unter<br />

Beweis gestellt? Ein solcher Sprung, eine solche<br />

Neuwertung sollte auch in Polen stattfinden. Leider<br />

wird es nicht zu einem solchen Zusammenstoß<br />

kommen, weil man die jungen Menschen von hier<br />

wegbläst. Sie haben keine Lust darauf, sich in den innerpolnischen<br />

Streitigkeiten zu engagieren, sondern<br />

suchen ihr Glück auf den Inseln. Es ist eine traurige<br />

Nachlese aller politischen Veränderungen, dass in<br />

Polen ein gut ausgebildeter Mensch von wenigen<br />

Ausnahmen abgesehen, dazu verdammt ist, vor sich<br />

hin zu vegetieren, weil er in diesem Land keine gut<br />

bezahlte Arbeit finden kann, die ihm Perspektiven<br />

geben könnte. Unterschiedlichen Schätzungen nach<br />

sind bisher schon 3 Millionen Menschen aus Polen<br />

emigriert. Sie sind mit einem Gefühl der Erleichterung<br />

gefahren, denn in England oder Irland hört man<br />

nicht, wie die „PiS“ ihre Gegner mit Schmutz bewirft<br />

und man fühlt auch nicht die Apathie, in die Polen unter<br />

dieser Regierung verfallen ist. Die Brüder<br />

Kaczynski freuen sich sicher darüber, denn dank<br />

dessen fällt die Arbeitslosenzahl in den Statistiken.<br />

Allerdings reisen diejenigen aus, die in der Lage wären,<br />

sich ihnen erfolgreich in den Weg zu stellen, das<br />

Land zu Veränderungen aufzurufen und die anachronistischen<br />

Ideen der „PiS“ zu begraben.<br />

20


Journalistentreffen<br />

in Warschau<br />

Wer hat heute in Polen den Mut, laut gegen diese<br />

Regierung zu protestieren? Zu schreien: „Ich respektiere<br />

Jacek Kuron“, „Ich toleriere Schwule“, „Ich<br />

will eine stärkere Union“, „Ich mag die Deutschen“?<br />

Eine Handvoll Publizisten, die Mitglieder der Lügenelite<br />

und des Netzes, sowie Schwule und Lesben,<br />

welche die Politiker der Koalition am liebsten niederknüppeln<br />

lassen würden. Was übrigens in einigen<br />

polnischen Städten geschehen ist. So hat in Posen<br />

die Polizei den „Marsch der Gleichheit“ auseinander<br />

getrieben. Auf ähnliche Weise hat man die Schüler<br />

gejagt, die gegen den Erziehungsminister Roman<br />

Giertych protestierten (sein Ministerium hat jüngst<br />

der Darwin’schen Theorie den Krieg erklärt). Der<br />

Herbst sollte eine Zeit der Mobilisierung der Jungen<br />

sowie eine Zeit des Protestes gegen die „PiS“ und<br />

die „LPR“ sein. Daraus ist jedoch nichts geworden.<br />

Ich befürchte, dass überhaupt nichts passieren wird,<br />

da schon Gymnasiasten planen, nach dem Abitur<br />

Polen zu verlassen. Manchmal denke ich übrigens<br />

selbst darüber nach, ob ich mir das Leben an der<br />

Spree nicht anders organisieren sollte. Mich vom<br />

Polen der Brüder Kaczynski trennen, aufhören, die<br />

polnische Presse oder die blogs zu lesen, auf das<br />

polnische Satellitenfernsehen verzichten. Das ist<br />

eine sehr verführerische Verlockung.<br />

Selbstverständlich ist auch ein kleines Licht im Tunnel<br />

zu sehen. Die Erfahrungen Spaniens und Portugals<br />

zeigen, dass junge Immigranten nach einigen Jahren<br />

nach Hause zurückkehrten, um neue Erfahrungen<br />

bereichert, mit eingeimpfter westeuropäischer politischer<br />

Kultur. Genauso werden in einigen Jahren die<br />

jungen Polen zurückkehren. Vielleicht wird dann der<br />

Zusammenprall zwischen dem Anachronismus der<br />

Generation der Kaczynskis und der Generation ihrer<br />

Kinder und Enkelkinder stattfinden.<br />

Bleibt die Frage, wohin die Emigranten zurückkehren<br />

werden. In Polen weist nichts auf einen schnellen<br />

Umbruch hin. Die IV. Polnische Republik wird weiter<br />

aufgebaut werden und die Errungenschaften der vergangenen<br />

Jahre werden zerstört sein. Die Regierung<br />

der Populisten wird sehr wahrscheinlich bis zu den<br />

nächsten Wahlen dauern. Und selbst wenn innerhalb<br />

der nächsten Monate das Parlament aufgelöst würde<br />

und die „PiS“ Neuwahlen verlieren würde, bliebe<br />

dennoch Lech Kaczynski Präsident. Er hat schon jetzt<br />

gesagt, dass er die Arbeit einer Nicht-„PiS“-Regierung<br />

lahmlegen würde. Was passiert bis dahin mit<br />

diesem Land? Ich habe Angst, daran zu denken.<br />

21


Demokratie wächst von unten<br />

Astrid Geisler<br />

In Mecklenburg-Vorpommern ziehen erstmals rechtsextreme<br />

Kameradschaftskader in einen Landtag ein.<br />

Trotzdem ist es falsch, jetzt wieder nach einem NPD-<br />

Verbot zu rufen.<br />

Kaum sind die Rechtsextremen in einen weiteren<br />

Landtag eingezogen, ist sie schon wieder da: die Forderung<br />

nach dem NPD-Verbot, diesmal besonders<br />

laut vorgetragen von SPD-Größen wie Peter Struck<br />

und Klaus Wowereit. Kein Wunder: Sie rücken den<br />

demokratischen Parteien auf die Pelle. Da heißt es<br />

eingreifen.<br />

Doch der Verbotsreflex birgt eine bittere Botschaft:<br />

Offensichtlich ist es führenden demokratischen<br />

Volksvertretern egal, ob und wie militante Neonazis<br />

ihre Ideologien streuen. Neonazis dürfen in aller<br />

Ruhe Jugendliche indoktrinieren und systematisch<br />

Dorfgemeinschaften aufstacheln – solange sie dabei<br />

nicht die Einflusssphären der so genannten großen<br />

Politik touchieren. Wie sollte man sich sonst erklären,<br />

dass rechtsextreme Kameradschaften in Teilen<br />

von Mecklenburg-Vorpommern jahrelang ihren Einfluss<br />

ausbauen durften, ohne damit in Schwerin oder<br />

Berlin nennenswerte Reaktionen zu provozieren?<br />

Sieben Gemeinden sind nun umgekippt: Dort hat<br />

erstmals in der Geschichte des Landes eine relative<br />

Mehrheit rechtsextrem gewählt. In insgesamt zwanzig<br />

Gemeinden lag die NPD bei über 20 Prozent, in<br />

drei Gemeinden davon sogar über 30 Prozent. Es<br />

sind Dörfer, wo Parteienverdrossenheit, Rassismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit so selbstverständlich am<br />

Gartenzaun vorgetragen werden wie die Fußballergebnisse<br />

vom Wochenende. Selbst von Wählern,<br />

die – bisher – nicht für die Rechtsextremen stimmen.<br />

An der grundgesetzfeindlichen Gesinnung der Neonazi-Kameradschaften<br />

hatte der Verfassungsschutz<br />

nie einen Zweifel. Ihre Mitglieder nennen sich Nationale<br />

Sozialisten statt Nationalsozialisten; für welche<br />

Idole sie schwärmen, ist damit offenkundig. Dennoch<br />

stellte sich ihrem politischen Durchmarsch in<br />

der Provinz in den vergangenen Jahren kaum jemand<br />

in den Weg. Im Gegenteil: Besorgte Fachleute wurden<br />

bis vor kurzem eher als Hysteriker belächelt.<br />

So ziehen nun erstmals in der bundesrepublikanischen<br />

Geschichte zwei Kameradschaftskader in einen<br />

Landtag ein, kassieren staatliche Diäten, dürfen<br />

ihre Mitglieder auf Kosten des Steuerzahlers mit Referentenpöstchen<br />

versorgen. Der Staat leistet damit<br />

Aufbauhilfe für militante Neonazigruppen. Das alles<br />

kann man entsetzlich finden. Trotzdem ist es nicht<br />

nur verlogen, angesichts des Wahlerfolgs der NPD<br />

plötzlich nach deren Verbot zu rufen, es ist sogar<br />

gefährlich. Denn die Botschaft an die Wähler lautet:<br />

Demokratie heißt, der Bürger darf zwar frei wählen.<br />

Aber wenn er sich für die Falschen entscheidet, dann<br />

wird deren Partei nach der Wahl eben verboten. So<br />

verabschiedet man die inzwischen knapp 60.000<br />

NPD-Wähler in Mecklenburg-Vorpommern für immer<br />

aus der Demokratie.<br />

Es greift zu kurz, nach der Wahl nur auf die NPD zu<br />

starren. Gerade die SPD hätte allen Grund, sich nach<br />

den NPD-Rekorden in einigen Dörfern im Nordosten<br />

mit ihrer eigenen Rolle zu befassen. 9 Prozent für<br />

die SPD, aber 38 Prozent für die NPD in Postlow,<br />

14 Prozent SPD, aber 32 Prozent NPD in Blesewitz<br />

22


– solche Ergebnisse sind kein Zufall. Der Zustand der<br />

SPD in diesem Landstrich nährt den Verdacht, die<br />

Parteistrategen hätten die Gegend aus ihren Listen<br />

gestrichen. Die SPD hat dort ähnlich viele Mitstreiter<br />

wie die Neonazis in Kreuzberg. Wenn die SPD-Spitze<br />

es ernst meint mit ihrer Sorge um die Demokratie,<br />

dann muss sie schleunigst selbst in deren Rettung<br />

investieren. Denn die NPD lebt auch von der Schwäche<br />

der anderen Parteien.<br />

Falls die Bürger in den neuen NPD-Hochburgen<br />

überhaupt wieder für demokratische Parteien zu<br />

begeistern sind, so wird dies nur durch mühsame,<br />

langwierige Überzeugungsarbeit gelingen. Die Demokraten<br />

in den betroffenen Dörfern werden das<br />

alleine nicht schaffen. Sie waren schon vor der Wahl<br />

überfordert, nun sind sie mancherorts auch noch zu<br />

Außenseitern degradiert. Sie brauchen Hilfe – finanzielle,<br />

personelle, juristische und strategische. Denn<br />

dort, wo die Rechtsextremen sich nun in der Mehrheit<br />

wissen, werden sie mehr denn je auftrumpfen.<br />

Ihr Vormarsch in Regionen wie Ostvorpommern oder<br />

Uecker-Randow ist nur zu stoppen, wenn die Demokraten<br />

sie im Alltagsleben klar ausgrenzen. Davon<br />

kann bisher keine Rede sein. In Postlow weigerte<br />

sich der Gemeindebürgermeister vor der Landtagswahl,<br />

öffentlich gegen die NPD einzutreten. In Bargischow<br />

stellt die Gemeinde den Neonazis ein Clubhaus<br />

zur Verfügung. Im Schaukasten vor dem Anklamer<br />

Gymnasium durfte ein rechtsextremer Dachdecker<br />

über Jahre mit einschlägiger Runensymbolik für<br />

seine Dienste werben, Rektorat und Kreisverwaltung<br />

zuckten mit den Schultern und verwiesen auf die<br />

komplizierte Rechtslage. Nur weil der Handwerker<br />

zahlungsunfähig wurde, flog seine Plakette kürzlich<br />

vom Schul-Vorplatz.<br />

Kommunalpolitiker, Eltern, Lehrer, Schüler, Nachbarn<br />

müssen ermuntert werden, sich den Rechtsextremen<br />

entgegenzustellen. Sie müssen ihren Parolen<br />

widersprechen, ihre Propaganda zerlegen, mit dem<br />

NPD-Wähler nebenan das Gespräch suchen und:<br />

Zivilcourage zeigen. Sie müssen in den Bargischower<br />

Jugendclub gehen und sagen: Jetzt machen wir hier<br />

Programm! Sie müssen die Runen-Werbung vor<br />

dem Gymnasium abreißen und sagen: Soll der Dachdecker<br />

doch klagen! All das werden sich die Bürger<br />

nur trauen, wenn sie sich öffentlicher Unterstützung<br />

gewiss sein können. Bisher konnten sie das nicht.<br />

Wer den NPD-Anhängern klarmachen will, warum<br />

sie die falsche Wahl getroffen haben, muss aber<br />

auch Gegenangebote machen. Viele Menschen am<br />

Ostrand des Landes fühlen sich von den Parteistrategen<br />

in den Hauptstädten vergessen, abgeschrieben.<br />

Auch deshalb konnten die Neonazis mit ihrer Graswurzelstrategie<br />

in dieser Gegend so punkten. Wer<br />

sich in Postlow nach Neonazis erkundigt, hört Geschichten<br />

über nette, fleißige Menschen, gute Nachbarn,<br />

engagierte junge Leute, von denen das Dorf<br />

mehr verdient hätte. An diesem harmlosen Wir-kümmern-uns-Profil<br />

werden die Rechtsextremen weiter<br />

arbeiten. Das erste NPD-Bürgerbüro mit Hartz-IV-Beratung<br />

in Anklam ist bereits angekündigt.<br />

Die Spin Doctors der demokratischen Parteien müssen<br />

ihren Blick dringend in die Provinz richten. Dort<br />

haben sie das Vertrauen der Menschen verloren, nur<br />

dort können sie es wieder gewinnen – aber nicht<br />

per NPD-Verbot. Welche Perspektiven haben CDU<br />

und SPD für die Bevölkerung jener Regionen, wo<br />

23


seit Jahren eine Alles-wird-schlechter-Stimmung<br />

herrscht? Warum bieten die Sozialdemokraten nicht<br />

selbst Hartz-IV-Beratung an? Wo bleibt die CDU-<br />

Nachbarschaftsinitiative?<br />

Die demokratischen Parteien müssen das Vakuum<br />

füllen, in dem sich die Rechtsextremen ausbreiten.<br />

Sie müssen den Bürgern signalisieren: Wir interessieren<br />

uns für euch und eure Anliegen, wir geben<br />

das nicht nur im Wahlkampf vor. Wer nur über die<br />

Menschen in den NPD-Hochburgen redet, statt sich<br />

ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen, der bestärkt<br />

sie letztlich in ihrer Haltung – und treibt die Demokratie<br />

im Nordosten noch tiefer in die Krise.<br />

24<br />

Das Polen-Projekt als filmische Dokumentation<br />

An den Stationen (Gdansk) Danzig, Kraków (Krakau)<br />

und Warszawa (Warschau) hat der Dokumentarfilmer<br />

Gebhard Plangger im Auftrag der <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. und der Bayerischen Landeszentrale<br />

für politische Bildungsarbeit dokumentiert,<br />

wie sich im Zeichen der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> meist<br />

junge Polen und Deutsche getroffen und vor dem<br />

Hintergrund der trennenden Geschichte Wege in<br />

einer gemeinsame Zukunft gesucht haben.<br />

Gebhard Plangger, der auf mehr als 30 Jahre Fernseharbeit<br />

zurückschaut und dabei sowohl den inhaltlich-journalistischen<br />

wie den technisch-produzierenden<br />

Part souverän gespielt hat, hat „nebenbei“<br />

immer wieder filmische Dokumentationen von eigenen<br />

Expeditionen ins Programm gebracht.<br />

Mit einer Kameraführung, die sich diskret den Situationen<br />

angepasst und diese nie beeinflusst, hat<br />

er persönliche Eindrücke wirkungsvoll eingefangen.<br />

Damit gibt er denen, die das Polen-Projekt miterlebt<br />

haben, die Möglichkeit, wichtige Stationen und Situationen<br />

noch einmal zu rekapitulieren. Vor allem aber<br />

gibt er interessierten Außenstehenden einen authentischen<br />

und nahen Eindruck von der Begegnung. Damit<br />

kann der Film, der in 60 Minuten Länge als DVD<br />

zur Verfügung steht, all denen, die Vergleichbares<br />

planen, Anregungen geben und Mut machen, das Risiko<br />

der Verständigung als Chance wahrzunehmen.<br />

Gebhard Plangger


6 Projekt Erweiterung der<br />

DenkStätte –<br />

Sonderausstellung zu<br />

Prof. Kurt Huber<br />

<strong>2006</strong> zeigte die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

e.V. eine eigene Sonderausstellung<br />

zu Willi Graf, die dieses Jahr als<br />

erste externe Ausstellungsstation<br />

vom Willi-Graf-Gymnasium München<br />

übernommen wird. Bis Ende<br />

2007 ist in der DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> die Ausstellung zu Prof. Kurt<br />

Huber zu sehen.<br />

Sophie Scholl ist nach wie vor Symbolfigur<br />

des Widerstandskreises um<br />

Hans Scholl und Alexander Schmorell.<br />

Mit einer Fokussierung auf Sophie<br />

Scholl werden aber auch kritische<br />

Fragen nach weiterführenden Zusammenhängen<br />

und Einflüssen provoziert.<br />

Auf diese Nachfrage, die gerade<br />

in Gesprächen mit Besuchern der<br />

DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> spürbar wird,<br />

reagiert die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />

mit zusätzlichen Sonderausstellungen<br />

zu weiteren zentralen Persönlichkeiten<br />

des Widerstandskreises, die sie seit<br />

2005 in Kooperation mit der Bayerischen<br />

Landeszentrale für Politische<br />

Bildungsarbeit realisiert.<br />

Prof. Kurt Huber, Musikwissenschaftler<br />

und Philosoph an der Ludwig-<br />

Maximilians-Universität, war einer<br />

der zentralen Gesprächspartner für<br />

den Freundeskreis der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>.<br />

Im Juni 1924 lernte er Hans Scholl<br />

und Alexander Schmorell auf einem<br />

ihrer Leseabende in München kennen.<br />

Ende Dezember wurde er in<br />

die Flugblattaktion eingeweiht. Zwei<br />

Wochen später entschied er sich zur<br />

Mitarbeit. Sein Wissenschaftsethos,<br />

die Abneigung gegen „leere Phrasen“,<br />

schließlich das Entsetzen über die<br />

Verbrechen des NS-Staates und die<br />

Katastrophe von Stalingrad waren<br />

ausschlaggebend für ihn, sich offen<br />

als Gegner der nationalsozialistischen<br />

Politik zu bekennen.<br />

In enger inhaltlicher Zusammenarbeit<br />

mit seinem Sohn Prof. Dr. Wolfgang<br />

Huber und seiner Tochter Birgit Weis<br />

werden in der Ausstellung sowohl<br />

das breite Forschungsspektrum Kurt<br />

Hubers dargestellt, das von Musik<br />

über Philosophie bis hin zu Psychologie<br />

reichte, als auch die harten<br />

Konsequenzen, die ihr Vater als unangepasster<br />

Wissenschaftler an der<br />

Ludwig-Maximilians-Universität zu<br />

tragen hatte. Bereits 1937 war aktenkundig,<br />

dass er alles andere als<br />

linientreu war. Später legte Kurt Huber<br />

sein politisches Bekenntnis in seiner<br />

berühmten „Verteidigungsrede“ ab,<br />

die er während seiner Haft auf 13 Seiten<br />

ausarbeitete. Zum erstenmal wird<br />

das Original dieser bedeutenden Rede<br />

nun in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

gezeigt.<br />

Sonderausstellung<br />

über Prof. Kurt Huber<br />

in der DenkStätte<br />

München<br />

25


7 Projekt Vergessener<br />

Widerstand<br />

Resistenz, Verweigerung und Widerstand<br />

gegen den Nationalsozialismus<br />

in den Jahren 1933-1945 in<br />

Markt Schwaben. Mit der Eröffnung<br />

am 26. Januar 2007 in der Aula des<br />

Franz-Marc-Gymnasiums Markt<br />

Schwaben findet das Ausstellungsprojekt<br />

seinen erfolgreichen Abschluss.<br />

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen<br />

Landeszentrale für Politische<br />

Bildungsarbeit und unter wissenschaftlicher<br />

Leitung der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> e.V. recherchierten Kollegstufenschüler<br />

des Franz-Marc-Gymnasiums<br />

in einschlägigen Archiven zur Region<br />

Markt Schwaben in der NS-Zeit.<br />

Dabei legten sie besonderen Wert auf<br />

die Darstellung einzelner Persönlichkeiten,<br />

die sich zwischen 1933 und<br />

1945 aus unterschiedlichen Motiven<br />

unangepasst oder sogar widerständig<br />

verhalten haben.<br />

Neben Alois Hundhammer, der als<br />

früher Mahner, Gegner und späterer<br />

Mitbegründer der CSU bekannt ist,<br />

wurde vorwiegend nach Personen<br />

gesucht, die sich in dieser ländlichen<br />

Region fernab der „großen Politik”<br />

gegen das Regime stellten. Ihnen allen<br />

ist gemeinsam, dass sie sich trotz<br />

der damit verbundenen Gefährdung<br />

ihrer eigenen Existenz ihre individuelle<br />

Identität, Verantwortung und die Fähigkeit<br />

zur Empathie bewahrten. Zum<br />

erstenmal thematisiert wird auch das<br />

Schicksal von Abraham Chononovic.<br />

1929 als Kind jüdischer Eltern geboren,<br />

war er in Auschwitz inhaftiert<br />

und wurde 1944 für den Bau unterirdischer<br />

Fabrikhallen in das Außenlager<br />

Mühldorf des KZ Dachau verlegt. Bei<br />

der Evakuierung Ende 1945 konnte<br />

Chononovic in Poing fliehen. Von einer<br />

Bäuerin auf dem Hof in Pliening<br />

versteckt und so gerettet, ist er nach<br />

dem Krieg in Pliening geblieben, wo<br />

er 2005 verstarb.<br />

26<br />

Schüler die am Projekt teilnahmen,<br />

äußern sich zu ihren Erfahrungen:<br />

„Besonders die Recherchen für das<br />

Projekt waren für mich eine völlig<br />

neue Erfahrung, da ich es als wahnsinnig<br />

spannend empfand, hinter den<br />

geschichtlichen Berichten persönliche<br />

Schicksale zu entdecken. Sobald ich<br />

mich durch Interviews mit den Zeitzeugen<br />

intensiver mit den Menschen<br />

beschäftigt habe, wurde mir bewusst,<br />

in welchem Ausmaß die Nationalsozialisten<br />

das Leben des Einzelnen beeinflusst<br />

hatten.“<br />

„Geschichte nicht mehr nur als Geschichte<br />

zu begreifen, sondern als<br />

Realität, die nicht an Relevanz verloren<br />

hat. Gleichzeitig wurde mir aber<br />

auch die Unvorstellbarkeit dieser Zeit<br />

bewusst und die Schwierigkeit, Geschichtliches<br />

sowohl im Einzelnen als<br />

auch im Gesamten eindeutig rekonstruieren<br />

zu können.“<br />

„Ein derartiges Projekt kann meiner<br />

Meinung nach auf Grund der Fülle des<br />

vorhandenen Materials noch nicht als<br />

abgeschlossen angesehen werden.<br />

Im Gegenteil, es sollte ein Anstoß<br />

sein für Schüler und Schülerinnen,<br />

sich mehr mit diesem Thema auseinander<br />

zu setzen“.<br />

Arbeit der Schüler<br />

in der DenkStätte<br />

in München


8 Projekt Pädagogisches Angebot<br />

DenkStätte<br />

Die Schulklassen und die interessierten Jugendlichen,<br />

die die Ausstellung zur Geschichte der<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> in der DenkStätte in der LMU besuchen,<br />

kommen mit höchst unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen. Entsprechend groß war der<br />

Wunsch, differenzierte Arbeitsmaterialien anzubieten.<br />

Sie wurden von Ursula Kaufmann und<br />

Lorenz Hüttenhofer entwickelt, von Rosa Pauels<br />

und Alfred Bergmiller geprüft und liegen nun in<br />

Papierform in der DenkStätte auf und können<br />

über die Hompage der <strong>Stiftung</strong> ausgedruckt werden.<br />

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale<br />

für Politische Bildungsarbeit und Lorenz<br />

Hüttenhofer, Student der Politikwissenschaften und<br />

Philosophie, wurde ein Konzept entwickelt, das unterschiedliche<br />

Vorkenntnisse und Interessen der jungen<br />

Besucher in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> berücksichtigt.<br />

Zur Vermittlung von Grundwissen stehen ein<br />

Kurzfilm mit Fragebogen und Fragen zur Ausstellung<br />

sowie weiterführende Informationen zur Verfügung.<br />

Zur thematischen Vertiefung wird eine Auswahl von<br />

Zitaten aus den Aufzeichnungen von Hans und<br />

Sophie Scholl, Willi Graf, Alexander Schmorell und<br />

Christoph Probst angeboten.<br />

Jeder Schüler kann seine Arbeitsmaterialien in eine<br />

DIN A5 Mappe einlegen, die ihm einen ersten personellen<br />

Zugang zum Thema ermöglichen soll: An<br />

Hand von Zitaten, kurzen biographischen Angaben<br />

und einem Foto versucht jede der Mappen einen der<br />

Hauptakteure der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> zu beschreiben.<br />

Die Arbeitsmappen sind auf der Homepage der <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> unter www.weisse-rose-stiftung.de<br />

eingestellt.<br />

27


9 Projekt Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

Veröffentlichungen wie die im Herbst <strong>2006</strong> im<br />

Auftrag der Friedrich-Ebert-<strong>Stiftung</strong> erschienene<br />

Studie „Vom Rand zur Mitte – Rechtsextreme Einstellungen<br />

und ihre Einflussfaktoren in Deutschland“<br />

haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig es<br />

ist, Themen wie Zivilcourage und gesellschaftliches<br />

Engagement bei Jugendlichen zu fördern.<br />

Das Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> will eine praxisorientierte<br />

Kommunikations- und Informationsplattform<br />

bieten zur Unterstützung von zivilem<br />

und gesellschaftlichem Engagement speziell bei<br />

Jugendlichen.<br />

Europa ist schon heute ein Migrationskontinent und<br />

wird es in Zukunft immer mehr werden. Konflikte<br />

entstehen aus diesen Wanderungen, aber auch<br />

Chancen.<br />

Die Konflikte entstehen überall dort, wo Ab- und<br />

Ausgrenzung stattfinden, wo ein sich verteidigendes<br />

„wir“ sich gegen ein fremdes „ihr“ zur Wehr setzt,<br />

wo Ängste zu Aggressionen führen und wo das<br />

Fremde als Bedrohung empfunden wird. Chancen<br />

entstehen dagegen dort, wo man sich offen begegnet,<br />

wo Interesse am Fremden den eigenen Horizont<br />

erweitert, wo das eigene Leben des Einzelnen und<br />

der Gesellschaft durch Zuwachs von außen reicher<br />

und lebendiger wird.<br />

Die Wurzeln von reaktionärem, rechtsradikalem und<br />

nationalistischem Denken liegen in mangelndem<br />

Mut, Fremdes zuzulassen, liegen in innerer<br />

Unbeweglichkeit, sich auf Anderes und Andere<br />

einzustellen, liegen in der Unfähigkeit, Fremdes als<br />

Chance zu begreifen.<br />

Wer etwas gegen Intoleranz und Rechtsradikalismus<br />

tun will, muss etwas für die Menschen tun, bevor<br />

sie in den Zustand der Enge, der Unduldsamkeit, der<br />

Denkfaulheit und der Aggression aus Unsicherheit<br />

geraten.<br />

Gefragt sind daher vor allem Programme der Prävention,<br />

nicht der Reaktion. Verbote, Disqualifizierung<br />

und gesellschaftliche Ächtung mögen im Einzelfall erforderlich<br />

sein. Sie behandeln aber nur das Symptom<br />

einer sozialen Erkrankung. Langfristig erfolgreich<br />

ist dagegen nur, wer sich mit den Ursachen dieser<br />

Erkrankung befasst und individuelle und gesellschaftliche<br />

Lebensmodelle bereitstellt, die Fehlentwicklungen<br />

verhindern und den Einzelnen, die Gruppe<br />

und die Gesellschaft zu einem selbstbewussten und<br />

toleranten Leben befähigen.<br />

Vor diesem Hintergrund will die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

e.V. in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale<br />

für politische Bildungsarbeit unter dem Titel<br />

„Netzwerk <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“ an konkreten Beispielen<br />

Modelle für ziviles Engagement von Jugendlichen<br />

unterstützen. Sie will deutlich machen, dass Intoleranz<br />

und totalitäres Verhalten überall dort bei<br />

Jugendlichen keine Chance haben, wo diese selbst<br />

durch anerkanntes und gefördertes Engagement<br />

ihren Platz in der Gesellschaft finden. Sie will diese<br />

Modelle bekannt machen. Sie will die Information<br />

und die Kommunikation unter den engagierten Jugendlichen<br />

durch den Aufbau und die Pflege einer<br />

entsprechenden Internet-Plattform fördern. Und sie<br />

will ein Netzwerk von Persönlichkeiten aufbauen, die<br />

ihren Platz und ihren Einfluss in der Gesellschaft gefunden<br />

haben und die bereit sind, die Initiativen der<br />

28


jungen Leute dadurch zu fördern, dass sie Wissen,<br />

Kontakte, Zeit und Geld zur Verfügung stellen.<br />

Das Projekt hat seinen Ausgangspunkt in Bayern,<br />

zielt aber auf beispielhafte Initiativen in allen Bundesländern.<br />

Es startet im Frühherbst 2007 mit einem<br />

ersten Treffen, das in den Räumen des Kardinal-<br />

Wendel-Hauses in München vom 17.-21. 9.2007 ausgerichtet<br />

wird. Zu diesem Treffen werden Lehrer und<br />

Schüler eingeladen, die, gründend auf der Initiative<br />

von Jugendlichen, Beispiele zivilen Engagements<br />

gegeben haben.<br />

29


10 Projekt Wort-Installation<br />

Seit Sommer <strong>2006</strong> werden Zitate aus den sechs<br />

Flugblättern sowie aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen<br />

des Münchner Kreises der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> mit einem Beamer im einminütigen Wechsel<br />

auf die gegenüberliegende Wand des Eingangs<br />

zur DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> projiziert. Ein Ausdruck<br />

der Zitatsammlung ist in der DenkStätte<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> erhältlich. Die Installation wurde in<br />

Kooperation mit der LMU realisiert.<br />

Wir haben alle unsere Maßstäbe in<br />

uns selbst, nur werden sie zu wenig<br />

gesucht. Vielleicht auch, weil es die<br />

härtesten Maßstäbe sind.<br />

Sophie Scholl, 16.5.1940<br />

Denn ich gehe hinüber in dem Bewußtsein,<br />

meiner tiefen Überzeugung<br />

und der Wahrheit gedient zu haben.<br />

Dies alles läßt mich mit ruhigem Gewissen<br />

der nahen Todesstunde entgegensehen.<br />

Alexander Schmorell, 13.7.1943<br />

Beweist durch die Tat, dass ihr anders<br />

denkt! Zerreißt den Mantel der<br />

Gleichgültigkeit, den ihr um Euer Herz<br />

gelegt! Entscheidet Euch, eh´ es zu<br />

spät ist.<br />

Flugblatt V<br />

Wort-Installation an der DenkStätte<br />

in München<br />

30<br />

Wir haben durch unsere Haltung und<br />

Hingabe gezeigt, dass es noch nicht<br />

aus ist mit der Freiheit des Menschen.<br />

Christoph Probst<br />

Unsere innere Kraft und Stärke ist<br />

unsere stärkste Waffe.<br />

Hans Scholl, 27.11.1937<br />

Siehst Du, dies ist doch das Eigentliche,<br />

was allem Tun noch einen Sinn<br />

und Wert gibt, dass es noch Menschen<br />

gibt, mit denen man zusammen<br />

leben kann, weil sie gleiche Anschauungen<br />

haben.<br />

Willi Graf, 15.6.1941<br />

Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses,<br />

Schutz des einzelnen<br />

Bürgers vor der Willkür verbrecherischer<br />

Gewaltstaaten, das sind die<br />

Grundlagen des neuen Europa.<br />

Flugblatt V


11 Berichte des Ehrenvorsitzenden und der<br />

Zweiten Vorsitzenden<br />

Franz J. Müller<br />

Mein Dank gilt vor allem Christof Schmid, der die<br />

oft mühsame und zeitraubende Arbeit des Vorsitzenden“<br />

ehrenamtlich ausführt. Über seine vielseitige,<br />

erfolgreiche Tätigkeit im Sinne der Ziele der <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> haben Sie in vorliegendem Bericht<br />

schon gelesen. Karin Friedrich und ich hätten gern,<br />

dass über diese Arbeit mehr in der Presse zu lesen<br />

sein wird.<br />

Dank sage ich auch Werner Rechmann, dem die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> so sehr am Herzen liegt, dass er<br />

es sich nicht nehmen lässt, selbst aus Afrika und an<br />

Urlaubstagen auch in München das Amt des dritten<br />

Vorsitzenden und Schatzmeisters wahrzunehmen.<br />

In Freundschaft verbunden fühle ich mich Anneliese<br />

Knoop-Graf und Karin Friedrich in unserer Zeitzeugenschaft.<br />

Mag sein, dass wir Alten, solange wir<br />

noch Zeugnis ablegen können, nicht nur irgendwie<br />

verwaltet werden möchten. Mein Dank gilt deshalb<br />

Mathias Rösch, dem als Leiter der DenkStätte der<br />

enge Kontakt mit Zeitzeugen immer besonders wichtig<br />

war, Ursula Kaufmann, mit der die DenkStätte<br />

weiter lebendig bleibt und den ehrenamtlichen MitarbeiterInnen<br />

der Denkstätte, die mir so engagiert zur<br />

Seite stehen.<br />

Für die Gestaltung meines Terminkalenders und bei<br />

Veranstaltungen außerhalb Münchens brauche ich<br />

die Mitarbeit meiner Frau Britta Müller-Baltschun. Wir<br />

freuen uns, dass unsere Teamarbeit so gut ankommt<br />

und mittlerweile ausdrücklich gewünscht wird.<br />

Wegen der anstehenden ausführlichen Berichte über<br />

die vielen Projekte der <strong>Stiftung</strong> wurden wir Zeitzeugen<br />

gebeten, unsere Berichte kurz zu fassen. Ich<br />

werde daher dieses Jahr all die verabredeten und oft<br />

spontanen Zeitzeugengespräche und Begegnungen<br />

in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, auch mit vielen internationalen<br />

Gästen und Gruppen, diesmal nicht<br />

auflisten.<br />

Mein Klassenkamerad Hans Hirzel, einer der wenigen<br />

noch lebenden Aktiven und Verurteilten der<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>, ist am 3. Juni <strong>2006</strong> im Kreise seiner<br />

Familie gestorben. Mit ihm kuvertierte, adressierte<br />

und frankierte ich in der Martin-Luther-Kirche Ende<br />

Januar 1943 die ca. 1000 Exemplare von Flugblatt V.<br />

die Sophie Scholl ihm nach Ulm gebracht hatte und<br />

die er mit Hilfe seiner Schwester Susanne in Stuttgart<br />

in viele Briefkästen eingeworfen hat. In Flugblatt<br />

V steht, dass ein kommendes Deutschland nur föderalistisch<br />

sein könne in einer neuen föderalistischen<br />

Ordnung für Europa. Mit Hans Hirzel wurde ich am<br />

19. April 1943 im zweiten Prozeß gegen die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zu<br />

fünf Jahren Gefängnis verurteilt und im April 1945<br />

von amerikanischen Truppen befreit.<br />

Januar <strong>2006</strong><br />

„Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> - Besuche in Hamburger Schulen<br />

mit Franz J. Müller“ hieß ein von Dr. Petra<br />

Beckmann-Schulz für die Friedrich-Naumann-<strong>Stiftung</strong><br />

initiiertes, organisiertes und einfühlsam begleitetes<br />

Projekt. Im Team mit meiner Frau Britta Müller<br />

Baltschun und ihrer Schwester Helga Baltschun<br />

31


hatte ich an vier Tagen neun Veranstaltungen in acht<br />

verschiedenen Schulen und sprach zu ca. 600 Menschen.<br />

Wir staunten über die große, interessierte<br />

Aufmerksamkeit trotz teilweise überfüllter Räume.<br />

Standing Ovations und Blumen erfreuen natürlich,<br />

aber die vielen nachdenklichen, anhaltenden Fragen<br />

junger Menschen bewegen mich als Tathandelnden<br />

immer wieder neu. Nach einem Zeitzeugengespräch<br />

am Vormittag kamen zu einer Abendveranstaltung<br />

im Margarete-Rothe-Gymnasium mit einer Podiumsdiskussion<br />

zwischen mir und Sabine Leutheusser-<br />

Schnarrenberger in die überfüllte Aula auch Eltern,<br />

womit sich natürlich eine ganz andere Diskussion<br />

ergab.<br />

Michael Marek verwirklichte danach auch sein lang<br />

geplantes Interview für den NDR, das mehrfach gesendet<br />

wurde.<br />

Große Anerkennung und Dank verdient Prof. Kimiko<br />

Murakami, langjähriges förderndes Mitglied der <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong>. Sie hat die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />

im Deutschen Jahr <strong>2006</strong> nach Japan gebracht.<br />

Dank intensiver Vorarbeit von Britta Müller-Baltschun,<br />

des großzügigen Verzichts von Roland Glesmann auf<br />

sein Copyright und der Bereitstellung seiner Unterlagen<br />

konnte Kimiko Murakami die Texte übersetzen<br />

und drucken lassen. Sie fand auch Geldgeber für die<br />

Herstellung der Ausstellung und organisierte deren<br />

Präsentation an mehr als 25 Universitäten und Schulen.<br />

Zur Ausstellungseröffnung und im Zusammenhang<br />

mit der Premiere der japanischen Version des Films<br />

„Letzte Tage“ war ich mit meiner Frau Britta Müller-<br />

Baltschun in Tokyo. Im Goethe-Institut wurden die<br />

frühen Filme zur <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> von Michael<br />

Verhoeven und Percy Adlon mehrfach gezeigt.<br />

Michael Verhoeven und Lena Stolze stellten sich den<br />

Fragen der Besucher. Bei einem abschließenden<br />

Symposium sprachen im überfüllten Filmsaal Lena<br />

Stolze, Michael Verhoeven, Franz J. Müller, Marc<br />

Rothemund, Kimiko Murakami und diskutierten mit<br />

einem an deutschem Widerstand lebhaft interessierten<br />

Publikum. Ich sprach auch bei der Premiere<br />

des Films und führte danach in den Räumen des<br />

Filmverleihs Kinétique an 5 Tagen 16 Gespräche<br />

mit Journalisten unterschiedlichster Zeitungen und<br />

Zeitschriften, immer begleitet von freundlichen<br />

Menschen, großer Gastfreundlichkeit. Besonderen<br />

Dank sagen wir Haruka Sakumi von Kinétique und<br />

der begnadeten Dolmetscherin. Wir waren fasziniert<br />

von der Art der Fragen, die natürlich zunächst<br />

Sophie Scholl, aber bald Fragen nach Möglichkeiten<br />

zu Widerstand betrafen und fast immer in der Frage<br />

endeten, was ich jungen Menschen in Japan sagen<br />

wolle.(Eine umfangreiche Dokumentation der Presseartikel<br />

liegt vor.) Danach kamen auch schon Besucher<br />

aus Japan zu Zeitzeugengesprächen mit mir in<br />

die DenkStätte.<br />

32<br />

März <strong>2006</strong><br />

Durch seine Bücher und Artikel hat Paolo Ghezzi die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in Italien bekannt gemacht. Also veranstaltete<br />

das Collegio Arcivescovile Trento anlässlich<br />

der Präsentation der Ausstellung über die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> „Gesichter einer Freundschaft“ auch Podiumsgespräche<br />

mit uns. Morgens trafen wir die Kollegiaten.<br />

Er berichtete allgemein über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />

Ich erzählte über unsere Ulmer Abiturientengruppe.


Dann konnten wir beide unter seiner<br />

erfahrenen Moderation viele Fragen<br />

beantworten. Immer wieder beeindruckt<br />

uns in Italien die große Disziplin<br />

selbst bei Gruppen mit über 300<br />

SchülerInnen. Seine große Kompetenz<br />

zu Themen über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

in Italien zeigte Paolo Ghezzi auch bei<br />

der abendlichen erweiterten Podiumsveranstaltung<br />

zur Eröffnung der<br />

Ausstellung. Trotz noch anstehender<br />

Wortmeldungen musste die überfüllte<br />

Veranstaltung beendet werden.<br />

„Widerstehen lernen“ wollten wieder<br />

Jugendliche vom Bund Katholischer<br />

Jugend und Evangelischer Jugend<br />

München, geplant und organisiert von<br />

Mathias Rösch. Dank seiner einführenden<br />

Arbeit waren die Firmlinge<br />

und Konfirmanden offen für meinen<br />

Zeitzeugenbericht, hatten vor allem<br />

viele Fragen.<br />

Mit meiner Frau Britta Müller-Baltschun<br />

war ich zum wiederholten Mal<br />

Zeitzeuge bei den Projekttagen in der<br />

Geschwister-Scholl-Schule Alsfeld.<br />

Es ist wohl das besondere Klima an<br />

dieser Schule, das uns immer wieder<br />

beeindruckt, dass es gelingt, auch<br />

klassenübergreifend die Namensträgerschaft<br />

zu aktualisieren. Neu war<br />

diesmal ein lebhaftes nachmittägliches<br />

Gespräch im Lehrerkollegium, das<br />

wegen unserer notwendigen Abreise<br />

bedauerlicherweise abgebrochen werden<br />

musste.<br />

Familiär eingebunden fühlten wir uns<br />

in die Veranstaltungen des Gymnasium<br />

St. Klemens Luzern, wohin wir<br />

Dank der wiederholten Anfragen von<br />

Paolo Scognamiglio gefahren waren.<br />

Die ganze Schule war auf die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> vorbereitet, hatte eine eigene,<br />

eindrucksvolle kleine Ausstellung organisiert.<br />

Interessant war für uns, wie<br />

wirkungsvoll Informationen aus dem<br />

Internet zusammengestellt werden<br />

können. Besonders erfreulich waren<br />

dann die ungezwungenen Gespräche<br />

im Internat während der gemeinsamen<br />

Mahlzeiten. Erstaunt waren<br />

wir, dass viele SchülerInnen noch einmal<br />

mit Eltern in die Abendveranstaltung<br />

kamen und dass sich alle lebhaft<br />

an der Diskussion beteiligten.<br />

33


34<br />

April <strong>2006</strong><br />

Die freundliche, interessierte Offenheit,<br />

mit der man mir und der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> in Polen begegnet, berührt mich<br />

immer wieder. Dass ich als Vertreter<br />

des deutschen Widerstands bei<br />

der Eröffnung der Ausstellung über<br />

Zwangsarbeiter im polnischen Parlament<br />

in Warschau sprechen durfte,<br />

habe ich als würdigende Auszeichnung<br />

empfunden. Die begleitenden<br />

Gespräche und Interviews bewiesen<br />

großes Interesse am dort eigentlich<br />

noch wenig bekannten deutschen<br />

Widerstand. Ich fühlte mich bestätigt<br />

in dem von mir initiierten Projekt der<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> in Polen.<br />

Die Veranstaltungen im Rahmen der<br />

Eröffnung der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />

im Edith Stein Haus Breslau waren<br />

dank der interessierten, engagierten,<br />

auch heiteren Zusammenarbeit<br />

mit dem Leiter Jens Adam und all den<br />

zugewandten jungen MitarbeiterInnen<br />

eine Freude. Die freundschaftliche<br />

Begegnung dabei mit Winfried Vogel<br />

und sein großes Engagement für die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> taten gut.<br />

Mai <strong>2006</strong><br />

Anläßlich der Ausstellungseröffnung<br />

im Schnürschuh-Theater Bremen<br />

wurden mehrere Veranstaltungen organisiert.<br />

Für die Eröffnung in Bremen<br />

war die Pressearbeit wohl nicht motivierend<br />

genug. Es kamen am Abend<br />

nur wenige interessierte Menschen.<br />

Am nächsten Morgen waren wir dann<br />

erstaunt, wie sich in der nüchternen<br />

Turnhalle der Gesamtschule Bremerhaven<br />

dank der engagierten Moderation<br />

von MitschülerInnen zwischen<br />

weit entfernt sitzenden Schülern und<br />

mir eine intensive Diskussion ergab.<br />

Zu einem Abend im Evangelischen<br />

Bildungszentrum Bad Bederkesa<br />

zusammen mit unserem Freund<br />

Hermann Vinke konnte der Leiter Dr.<br />

Jörg Matzen nicht allen Interessierten<br />

Sitzplätze bieten. Hermann Vinke und<br />

ich ergänzten uns auf dem Podium<br />

wunderbar, wie schon im April in Goethe-Institut<br />

Prag.<br />

Zeitzeugengesprächen in die Friedrich-Ebert-Gedenkstätte<br />

Heidelberg<br />

gehören mittlerweile zu meinem Jahrespensum.<br />

Uli Graf hatte mich diesmal<br />

auch noch an mehreren Schulen<br />

verplant. Begleitet auf den Podien von<br />

meiner Frau Britta Müller-Baltschun<br />

und gefahren von meiner Schwägerin<br />

Helga Baltschun sprach ich zu<br />

SchülerInnen in der DenkStätte und<br />

in Schulen rund um Heidelberg. Dank<br />

des besonderen Engagements von<br />

Thomas Mayer diskutierte ich auch in<br />

der überfüllten Aula des Gymnasiums<br />

Franz J. Müller<br />

<strong>2006</strong> in Polen


Moosbach. Immer wieder überrascht mich das Interesse<br />

der jungen Menschen daran, wie es damals<br />

war, wieso, warum wir dagegen gehandelt haben.<br />

Wir fühlten uns bevormundet, eingeschränkt in unserem<br />

Handeln, in unserer Freiheit, wie es heute im<br />

Alltag fast nicht vorstellbar ist.<br />

Juni <strong>2006</strong><br />

Trotz Fußballweltmeisterschaft gelang es Jutta Blümel,<br />

Pastoralreferentin der Edith-Stein-Studentengemeinde<br />

Berlin, zusätzlich zu unserer Verabredung<br />

an verschiedenen Schulen mehrere Zeitzeugengespräche<br />

selbst nachmittags und abends zu organisieren.<br />

Wieder waren auch die Abendveranstaltungen<br />

gut besucht. Einmal waren SchülerInnen und Eltern<br />

zusammen. Es ergaben sich so viele, ziemlich unterschiedliche<br />

Fragen, dass ein Ende gesetzt werden<br />

musste. Den anderen Abend waren wir in der<br />

Studentengemeinde Edith Stein. Nach einer wohl<br />

vorbereiteten Anmoderation von Anna Elisabeth<br />

Hage konnte man Flugblatt V, das ich 1943 verbreiten<br />

half, groß an der Wand sehen und auch vorgetragen<br />

hören. Danach berichtete ich ziemlich lang, dann<br />

wurden viele Fragen gestellt und noch ziemlich lang<br />

in kleinerem Kreis weiter diskutiert, zu dem auch unsere<br />

langjährige Mitarbeiterin Doris Schröder gehörte<br />

und unser förderndes Mitglied Stefan Seitz, der uns<br />

in Berlin immer ein großzügiger Gastgeber und bereitwilliger<br />

Fahrer ist.<br />

Es herrschte in diesen Wochen einfach eine gute<br />

Stimmung in Deutschland, worüber wir auch mit<br />

Lehrern, Eltern, Schülern und Studenten diskutierten.<br />

Oktober <strong>2006</strong><br />

Mich überrascht immer wieder, wie viele Menschen,<br />

junge und alte, anlässlich der „Langen Nacht der Museen<br />

München“ in die DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und<br />

zu den Zeitzeugengesprächen mit mir in den gegenüberliegenden<br />

Hörsaal kommen. Wesentlichen Anteil<br />

hat daran jetzt sicher Ursula Kaufmann mit ihren allgemeinen<br />

Führungen. Dank auch Ulrich Müller, dass<br />

er Abendführungen übernommen hat. Unersetzlich<br />

sind dabei unsere auch abendlich/nächtlich engagierten<br />

ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.<br />

Leider musste ich um Mitternacht trotz weiterer<br />

Nachfragen schon beenden, weil ich anderntags<br />

einen Termin im „Brithish Imperial War Museum<br />

London“ hatte. Dort war ich gebeten, anlässlich der<br />

Graduation von zwei Jahrgängen von „Holocaust-<br />

Teachern“ zu sprechen. Marcus Bell, der mich schon<br />

kompetent bei der Premiere des Sophie-Scholl Films<br />

begleitete, hatte das organisiert. Die Idee, interessierte<br />

Erzieher, Lehrer, Künstler und in Medien<br />

arbeitende Menschen in diesem Sinne miteinander<br />

und aneinander fortzubilden, hat uns beeindruckt.<br />

Es war natürlich auch der neue Film gezeigt worden.<br />

Aber wenn Menschen dann einem Zeithandelnden<br />

begegnen, fragen sie nach seinen authentischen Erfahrungen<br />

und Erlebnissen und interessieren sich für<br />

seine Meinung zu aktuellen Fragen heute. Die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> ist eine feste, starke Brücke.<br />

35


36<br />

November <strong>2006</strong><br />

Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> kann auch in einer kleinen Gemeinde<br />

großes Thema werden. Lotte Hermann, Leiterin<br />

der VH Lichtenwald, hat die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />

in ihren Ort geholt. Heimisch im Dialekt, konnte ich<br />

manches aus meiner Kindheit und Jugend unmittelbarer<br />

erzählen als anderswo. Nach einer anregenden<br />

Diskussion mit den Zuhörern gab eine Pause Gelegenheit<br />

für Einzelgespräche. Die anschließende musikalisch<br />

begleitete Lesung aus Flugblättern und Abschiedsbriefen<br />

vertiefte das Nachdenken und führte<br />

zu weiteren intensiven Gesprächen.<br />

Thomas Mayer, im Mai noch Referendar in Moosbach,<br />

gelang es, gleich nach seiner Festanstellung<br />

trotz mancher Widrigkeiten, die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />

nach Tuttlingen zu holen und eine Ausstellungseröffnung<br />

mit dem Oberbürgermeister und<br />

anderen Honoratioren im überfüllten Rathaus zu<br />

organisieren. Selten begegnen wir einem so interessierten,<br />

engagierten und tatkräftigem Lehrer. Dank<br />

seiner Vorarbeit war der Vortragssaal bei meinen Zeitzeugengesprächen<br />

an seiner, der Kaufmännischen<br />

und Hauswirtschaftlichen Schule, dreimal restlos<br />

überfüllt. Auch zu den von ihm geplanten Zeitzeugengesprächen<br />

an benachbarten Schulen kamen<br />

immer mehr als 200 SchülerInnen. Ich erreichte<br />

also über 1500 Menschen. So viel aufmerksames<br />

Interesse, auch emotionale Zuwendung haben wir<br />

selten erlebt. Ohne die aktive Mitarbeit meiner Frau<br />

Britta Müller-Baltschun hätte ich das Pensum nicht<br />

geschafft.<br />

Es beruhigt mich, dass Karin Friedrich nach der Satzungsänderung<br />

nun offiziell als Beiratsmitglied wieder<br />

in der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> mitarbeiten kann. Ihr<br />

erfahrener, kritischer Rat ist wichtig.<br />

Es freut mich, dass Klaus Hahnzog, einer der Väter<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong>, unsere Aktivitäten immer<br />

noch und immer wieder begleitet.<br />

Vielleicht, weil wir die Letzten sind, mehren sich die<br />

Anfragen zu Referaten, Jahres- und Diplomarbeiten.<br />

Dank der engagierten, fordernden Mitarbeit meiner<br />

Frau Britta Müller-Baltschun versuche ich, möglichst<br />

viele zu beantworten und wahrzunehmen.<br />

Britta Müller-Baltschun


Anneliese Knoop-Graf<br />

12.1.<strong>2006</strong> Bühl<br />

Anneliese Knoop-Graf wird „in Anerkennung<br />

ihrer herausragenden Verdienste<br />

um das Wachhalten der Erinnerung<br />

an die Widerstandsbewegung<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und durch ihren Einsatz<br />

für die Wahrung unserer freiheitlichen<br />

demokratischen Grundordnung“ das<br />

Ehrenbürgerrecht der Stadt Bühl verliehen.<br />

13.1.<strong>2006</strong> Bremen<br />

AKG eröffnet die Ausstellung „Bilder<br />

einer Freundschaft“ in der stilvollen<br />

Rathaushalle. Die Veranstaltung ist<br />

außerordentlich gut besucht, vor allem<br />

auch von Jugendlichen.<br />

30.1.<strong>2006</strong> Bühl<br />

Anlässlich ihres 85. Geburtstages findet<br />

zu Ehren von AKG – initiiert vom<br />

Stadtverband und der Gemeinderatsfraktion<br />

der FDP – eine gut besuchte<br />

festliche Veranstaltung statt. Landesjustizminister<br />

Ulrich Goll referiert über<br />

die „Machtergreifung“ Hitlers vor 63<br />

Jahren. Peter Steinbach, Professor am<br />

Institut für Geschichte an der Universität<br />

Karlsruhe, erinnert mit dem Vortrag<br />

„Wenn jeder wartet, bis der andere<br />

anfängt …“ an die Geschehnisse um<br />

die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />

4.2.<strong>2006</strong> Baden-Baden<br />

AKG ist Diskussionspartnerin im SWF<br />

in der TV-Sendung „Frank Elstner –<br />

Menschen der Woche“.<br />

18.2.<strong>2006</strong> Königswinter<br />

Im Zusammenhang mit der Tagung<br />

„Universitäten und Studenten im<br />

„Dritten Reich“ spricht AKG in einer<br />

Zeitzeugenrunde über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

und insbesondere über Willi Graf.<br />

21.2.<strong>2006</strong> München<br />

In der DenkStätte der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> eröffnet AKG eine Sonderausstellung<br />

über Willi Graf.<br />

3.3.<strong>2006</strong> Hamburg<br />

Im Rahmen einer Veranstaltung der<br />

Freunde und Förderer des Landerziehungsheims<br />

Marienau spricht AKG<br />

zusammen mit Johannes Tuchel, dem<br />

Leiter der Gedenkstätte Widerstand<br />

Berlin, über das Thema „Zivilcourage<br />

und Widerstand gegen den NS –<br />

Herausforderung für Erziehung und<br />

Bildung“.<br />

7.-9.3.<strong>2006</strong> Krakau<br />

Eröffnung der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />

im Goethe-Institut Krakau. AKG<br />

spricht als Zeitzeugin.<br />

14.3.<strong>2006</strong> Stuttgart<br />

AKG ist Gast bei der Landesschau<br />

Baden-Württemberg des Südwestrundfunk/TV.<br />

Im Interview spricht sie<br />

über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />

37


20.-24.3.<strong>2006</strong> Trient<br />

Auf Veranlassung des Chefredakteurs Paolo Ghezzi<br />

spricht AKG zu unterschiedlichen Anlässen über die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und insbesondere zu Willi Graf. Das<br />

wichtigste Ereignis ist die Eröffnung der Hochschule<br />

„Universität <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“.<br />

4.-6.4.<strong>2006</strong> Wien<br />

AKG eröffnet die Ausstellung „Gesichter einer<br />

Freundschaft“ in der Universitätsbibliothek. In dem<br />

repräsentativen Raum waren etwa 300 Studenten<br />

versammelt, die mit großer Aufmerksamkeit und<br />

interessierten Fragen die Veranstaltung belebten.<br />

Unter der anwesenden „Prominenz“ waren neben<br />

dem Rektor der Universität auch der dortige Kardinal<br />

Schönborn vertreten.<br />

26.4.<strong>2006</strong> Karlsruhe<br />

Die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften<br />

der Universität Karlsruhe verleiht AKG „die Würde<br />

einer Doktorin der Philosophie ehrenhalber (Dr. phil.<br />

h.c.)“. Sie erhält diese Ehrung, wie es in der Verleihungsurkunde<br />

heißt: „Für herausragende Verdienste<br />

um die Geisteswissenschaften, im Besonderen um<br />

das Fach Neuere und Neueste Geschichte, die sie<br />

sich dadurch erworben hat, dass sie durch ihr öffentliches<br />

Wirken und einer Vielzahl von Publikationen<br />

zum Verständnis der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und zur wissenschaftlichen<br />

Erklärung dieser Widerstandsgruppe um<br />

die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Alexander<br />

Schmorell, Willi Graf und Christoph Probst sowie<br />

Prof. Kurt Huber einen wesentlichen Beitrag geleistet<br />

hat.“<br />

28.4.<strong>2006</strong> Fritzlar<br />

Bei einer Veranstaltung des Kulturvereins Fritzlar<br />

spricht AKG vor einem aufmerksamen Publikum verschiedener<br />

Altersstufen; der Vortrag findet großen<br />

Anklang.<br />

1.-5.5.<strong>2006</strong> Göteborg / Schweden<br />

AKG spricht in der Volkshochschule Grebbestadt vor<br />

etwa 200 interessierten Zuhörern, die vorher den<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Film von Michael Verhoeven gesehen<br />

haben. In der Högre Samsskola spricht AKG vor den<br />

Klassen 12 über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>. Vorausgegangen<br />

war die Lektüre des Buches von Inge Scholl „Die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“. Die Publikation ist Pflicht im Deutschunterricht<br />

der Klasse 12.<br />

26.5.<strong>2006</strong> Saarbrücken<br />

Im Rahmen des 96. Deutschen Katholikentages<br />

bestreitet AKG eine Podiumsdiskussion mit dem<br />

Thema „Christen widerstehen für die Gerechtigkeit –<br />

Zeugnisse von Willi Graf. Die Veranstaltung war<br />

sehr gut besucht, Podiumsdiskussion und Fragestellungen<br />

waren rege und kenntnisreich.<br />

27.5.<strong>2006</strong> Saarbrücken<br />

Unter dem Dachtitel „Film und Wort“ findet ein Gespräch<br />

zwischen Monsignore Stephan Wahl und AKG<br />

statt. Thema: „Seid Gefolgschaft in der Tat, nicht nur<br />

im Hören des Wortes“. Es folgte die Aufführung des<br />

Films von Michael Verhoeven „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“.<br />

30.5.<strong>2006</strong> Zürich<br />

Die von der Kulturinitiative Freiburg gestaltete<br />

Ausstellung „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> – Gesichter einer<br />

Freundschaft“ hat AKG in einer Festansprache in der<br />

Universität eröffnet. Die Veranstaltung war von Studenten<br />

organisiert; die anschließende Diskussion, an<br />

der sich vor allem die jüngere Studenten beteiligten,<br />

war sehr lebendig.<br />

38


16./17.6.<strong>2006</strong> Bologna<br />

AKG ist Gast bei einem Jugendfestival. Überraschend<br />

war die lebendige Teilnahme der italienischen<br />

Jugend.<br />

30.6.<strong>2006</strong> Baden-Baden<br />

Auf Einladung des Ambassador-Clubs spricht AKG im<br />

Kurhaus über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> vor einem sehr interessierten<br />

Zuhörerkreis, der sich vorher per Internet<br />

über die damaligen Ereignisse informiert hat.<br />

11.7.<strong>2006</strong> Landau<br />

Im Fachbereich „Kultur und Sozialwissenschaften,<br />

Institut für Evangelische Theologie“ führt AKG ein<br />

Podiumsgespräch, das anschließend für Fragen der<br />

Anwesenden geöffnet wird.<br />

19.7.<strong>2006</strong> Berlin<br />

Zum Gedenken an den 20. Juli 1944 hält AKG den<br />

Festvortrag in der Matthäuskirche Berlin. Ihr Vortrag<br />

„Aber die Liebe wächst von Tag zu Tag – Widerstand<br />

aus Patriotismus / Willi Graf und die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“ findet<br />

großen Anklang. AKG nimmt an der Feierstunde<br />

der Bundesregierung im Ehrenhof der Gedenkstätte<br />

Deutscher Widerstand teil.<br />

26.7.<strong>2006</strong> Bad Münster am Stein<br />

In der Evangelischen Bildungsstätte Ebernburg<br />

spricht AKG im Rahmen der internationalen Sommerakademie<br />

der Johann-Gutenberg-Universität Mainz<br />

über den Film „Sophie Scholl. Die letzten Tage“. Die<br />

25 hochmotivierten Teilnehmer kamen aus 15 Nationen;<br />

sie hatten bemerkenswerte Vorkenntnisse und<br />

stellten gute Fragen.<br />

9.10.<strong>2006</strong> Wiesbaden<br />

Im Zusammenhang mit einer Veranstaltungsreihe<br />

„Wider das Vergessen“ spricht AKG im Wiesbadener<br />

Rathaus mit Schülern der Martin-Niemöller-Schule.<br />

Zu Beginn lasen die Schüler aus Biographien und Texten<br />

über und von den Mitgliedern der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>.<br />

Der Vortrag von AKG „Aber die Liebe zu Deutschland<br />

wächst von Tag zu Tag“ fand gute Resonanz, entsprechend<br />

war auch die anschließende Diskussion.<br />

12.10.<strong>2006</strong> Bühl<br />

Präsentation der neuen Aufsatzsammlung von Dr.<br />

h.c. AKG „Ausgewählte Aufsätze“. Prof. Dr. Peter<br />

Steinbach von der Universität Karlsruhe betont<br />

in seiner Einführungsrede, dass AKG „durch ihre<br />

Erzählungen über jene Zeit ganz behutsam die Perspektiven<br />

ihrer Zuhörer verändere.“ Das Buch enthält<br />

Interviews und Vorträge und geht darauf ein, wie der<br />

Widerstand gegen das NS wahrgenommen wird und<br />

wie Zeitzeugen sich in diese schwierige Rolle hineinfinden<br />

können.<br />

16.10.<strong>2006</strong> Wieblingen<br />

Im Gemeindehaus Wieblingen findet eine Veranstaltung<br />

des Johanniterordens Heidelberg statt. Der<br />

Vortrag von AKG findet großen Anklang und lebhafte<br />

Beteiligung.<br />

19.10.<strong>2006</strong> Senden<br />

In der Geschwister-Scholl-Realschule berichtet AKG<br />

in allen 8. Klassen vor aufmerksamen Schülern. Am<br />

Abend findet eine Veranstaltung mit den Eltern der<br />

Schüler der 8. Klassen statt. AKG erzählt sehr persönlich<br />

über ihre eigene Rolle und ihre Familie.<br />

20.10.<strong>2006</strong> Münster<br />

Im Geschwister-Scholl-Gymnasium erzählt AKG insbesondere<br />

über ihren Bruder. Die Kinder nehmen<br />

regen Anteil und sind sehr gut vorbereitet. Die Schü-<br />

39


lerInnen der Klasse 8 sehen den Film<br />

von Michael Verhoeven “Die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong>” und diskutieren anschließend<br />

mit AKG. Im feierlichen Rahmen wird<br />

an fünf Schüler des Geschwister-<br />

Scholl-Gymnasiums der Willi-Graf-<br />

Preis verliehen.<br />

25./26.10.<strong>2006</strong> Warschau<br />

Zur Eröffnung der Ausstellung “Die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>” spricht AKG. Sie stellt<br />

dabei die einzelnen Persönlichkeiten<br />

der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> vor und findet viel<br />

Zuspruch.<br />

1./.2.11.<strong>2006</strong> Winterberg<br />

In der Katholischen Bildungsstätte<br />

St.Bonifatius findet eine mehrtägige<br />

Tagung für Erwachsene mit dem<br />

Thema statt: “Wegweisertage zur<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>: Fragt uns, wir sind die<br />

Letzten!” Das Interesse der etwa 40<br />

Teilnehmer war sehr groß: entsprechend<br />

angeregt waren auch die Diskussionsbeiträge.<br />

AKGs Ausführungen<br />

wurden ergänzt durch die Vorführung<br />

der beiden Filme „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>“<br />

und „Sophie Scholl – Die letzten Tage“.<br />

Am folgenden Tag spricht AKG vor<br />

etwa 200 Schülern des Gymnasiums<br />

Winterberg.<br />

4.11.<strong>2006</strong> Saarbrücken<br />

Im Rahmen der Saarbrücker Veranstaltungsreihe<br />

“Erinnern – Mahnen –<br />

Handeln” finden anlässlich des 60.<br />

Jahrestages der Überführung der<br />

sterblichen Überreste Willi Grafs auf<br />

den Friedhof St. Johann in Saarbrücken<br />

mehrere Gedenkveranstaltungen<br />

statt; sie wurden sowohl von der<br />

Stadt Saarbrücken als auch der katholischen<br />

Pfarrei St. Johann bestritten.<br />

AKG hält eine Rede, in deren Mittelpunkt<br />

Willi Graf, seine Jugend und<br />

sein Elternhaus stehen.<br />

12.11.<strong>2006</strong> Nürnberg<br />

AKG ist eingeladen, bei der 51. Jahrestagung<br />

der Deutschen Sektion der<br />

Internationalen Juristenkommission<br />

als Zeitzeugin teilzunehmen und über<br />

ihre eigenen Erlebnisse zu sprechen.<br />

Ihr Beitrag bei der Podiumsdiskussion<br />

wird mit besonderem Applaus bedacht.<br />

24.11.<strong>2006</strong> Lichtenwald<br />

Als Teil des Rahmenprogramms der<br />

<strong>Weiße</strong>-<strong>Rose</strong>-Ausstellung in der Volkshochschule<br />

Lichtenwald sprechen<br />

40<br />

Anneliese Knoop-Graf bei der<br />

Ausstellungseröffnung in Warschau


AKG und Inge Jens über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, über das<br />

politische Umfeld und die Persönlichkeit Willi Grafs.<br />

29./30.11.<strong>2006</strong> Halle/Westfalen<br />

AKG spricht vor der gesamten Oberstufe des Kreisgymnasiums<br />

Halle. Am Abend ist AKG Gast bei der<br />

Ratssitzung und hält einen Vortrag mit dem Thema<br />

„Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung“. Die<br />

Veranstaltung diente zur Vorbereitung der am nächsten<br />

Tag stattfindenden Namensgebung in einem<br />

neuen Baugebiet: „Willi-Graf-Straße“.<br />

2.12.<strong>2006</strong> München<br />

Im Studentenwohnheim Willi Graf spricht AKG. Der<br />

Vortrag wird von der Music Production YeoTon aufgezeichnet<br />

und wird demnächst als Hörbuch erscheinen.<br />

8.12.<strong>2006</strong> Schloß Hansenberg/Rheingau<br />

Für die Oberstufe der Internatsschule Schloß Hansenberg<br />

hält AKG einen Vortrag zum Thema „Aber<br />

die Liebe zu Deutschland wächst von Tag zu Tag“. Die<br />

Schüler dieser Hochbegabtenschule zeigten sich ungewöhnlich<br />

aufgeschlossen und diskussionsfreudig.<br />

Anneliese Knoop-Graf<br />

41


12 Aktivitäten in Mittel- und<br />

Osteuropa<br />

Seit vielen Jahren ist Brigadegeneral<br />

a.D. Winfrid Vogel Beauftragter<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. für<br />

Osteuropa. In dieser Funktion hat<br />

er entscheidend dazu beigetragen,<br />

dass sich in Russland mit dem Bild<br />

von der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> eine Vorstellung<br />

von deutschem Widerstand<br />

gegen Hitler verbreitet. In ähnlicher<br />

Weise hat er 2005/<strong>2006</strong> an ingesamt<br />

vier Orten in Polen die Ausstellung<br />

eröffnet, Vorträge gehalten und Gespräche<br />

geführt.<br />

42<br />

Russische Föderation und Bjelo<br />

Russland<br />

Die seit 1999 in 23 Städten gezeigte<br />

und seit 2004 als Denkstätte in der<br />

Pädagogischen Universität Orenburg/<br />

Ural eingerichtete Ausstellung erfreut<br />

sich weiterhin großen Interesses.<br />

Durch die finanzielle Unterstützung<br />

der <strong>Stiftung</strong> „Erinnerung, Verantwortung<br />

und Zukunft“ und des Deutschen<br />

Bundeswehrverbandes konnte sie in<br />

3 weiteren Städten gezeigt werden.<br />

Trotz der problematischen Situation<br />

in Weißrussland anlässlich des Wahlkampfes<br />

von Präsident Lukaschenko<br />

im Frühjahr <strong>2006</strong> konnte durch enge<br />

persönliche Kontakte des Präsidenten<br />

der <strong>Stiftung</strong> EURASIA Orenburg,<br />

Dr. Igor Chramow, dem dringenden<br />

Wunsch der Stadt Gomel entsprochen<br />

und die Ausstellung mit verkürztem<br />

Begleitprogramm am 27. April eröffnet<br />

werden.<br />

Da gerade Weißrussland von 1941-44<br />

besonders unter den Verbrechen der<br />

Deutschen gelitten hat, gingen wir<br />

das Wagnis ein, in einer Diktatur eine<br />

Ausstellung über den Widerstand zu<br />

zeigen. Das Interesse in Gomel war<br />

groß, die Besucher dankbar und die<br />

Unterstützung durch die Deutsche<br />

Botschaft und das Goethe-Institut vorbildlich.<br />

Dem Wunsch des deutschen Botschafters,<br />

die Ausstellung auch in<br />

der Hauptstadt Minsk zu zeigen,<br />

konnte wegen inzwischen erfolgter,<br />

wohl politischer Einflussnahme nicht<br />

entsprochen werden. Trotz intensiver<br />

Bemühungen konnte in Minsk keine<br />

Räumlichkeit für die Ausstellung gefunden<br />

werden.<br />

Im Oktober und November wurde die<br />

Ausstellung in der am Irtysch gelegenen<br />

Millionenstadt Omsk gezeigt.<br />

Der Wunsch dazu ging vom Direktor<br />

der Staatlichen Universität F. M.<br />

Dostojewski, Herrn Prof. Dr. Gering,<br />

aus, der das Projekt in vorbildlicher<br />

Weise unterstützte. Ausstellungsort<br />

war die Alexander Puschkin Bibliothek,<br />

die als die schönste Sibiriens<br />

gilt.<br />

Durch den Ausfall des Projektes<br />

Minsk war es möglich, im Anschluss<br />

an Omsk die Ausstellung am 14.<br />

Dezember in der für russische Verhältnisse<br />

„nahen“ westsibirischen<br />

Hauptstadt Novosibirsk zu eröffnen.<br />

Der dort ansässige Deutsche Generalkonsul,<br />

Herr Michael Cantzler, bewirkte,<br />

dass trotz kurzfristiger Planung<br />

die Ausstellung zum Erfolg wurde. Als<br />

Ausstellungsort konnte wiederum die<br />

stattliche Universitätsbibliothek genutzt<br />

werden, die alle Studenten der<br />

vier Universitäten in Novosibirsk und<br />

Akademgorodok benutzen. Die Eröffnungszeremonie<br />

fand in Anwesenheit<br />

zahlreicher Vertreter der Stadt und des<br />

Gebietes sowie anderer Konsulate<br />

statt.<br />

Zum zweiten Mal fand die alljährliche<br />

Verleihung der Alexander Schmorell<br />

Stipendien der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

e.V. an zwei Studenten im Rahmen<br />

einer Deutschen Kulturwoche statt.<br />

Diese wird auch von der Kulturabteilung<br />

der Deutschen Botschaft Moskau<br />

gefördert und von unserem langjährigen<br />

russischen Partner EURASIA organisiert.<br />

Zum ersten Mal kam hierzu<br />

ein Vertreter der Deutschen Botschaft<br />

nach Orenburg. Mehrere deutsche<br />

Gäste und ein wiederum großes Medienecho<br />

sowie die deutschen Filme,<br />

die im 600 Plätze bietenden Großkino<br />

KOSMOS kommentiert gezeigt wurden,<br />

sowie Vorträge und Diskussionen<br />

zu Themen des Widerstands, einer<br />

Bürgergesellschaft und Entwicklung<br />

demokratischer Strukturen machten<br />

die Kulturwoche wieder zum Erfolg<br />

und zu einem bedeutenden Ereignis<br />

in der Stadt.


Bemerkenswert ist - wie auch in Polen<br />

- die Verschiebung des Interesses<br />

der jungen Studenten, Schüler und<br />

sonstiger Zuhörer von der reinen Information<br />

über den Widerstand gegen<br />

das NS-Regime zum Umgang der<br />

Deutschen mit den NS-Verbrechen<br />

von 1949 bis heute.<br />

Es hat sich deshalb bewährt, im<br />

Begleitprogramm mehrere Tage am<br />

Ausstellungsort präsent zu sein und<br />

neben den Filmen auf die unterschiedliche<br />

Rezeption von Widerstand und<br />

Verbrechen in der BRD und DDR<br />

einzugehen. Die ehrliche Darstellung<br />

der zunächst erfolgten Dämonisierung<br />

Hitlers und seiner Helfer und die<br />

Tabuisierung individueller Schuld und<br />

Verantwortung der Deutschen bis hin<br />

zur Gefahr der Verschiebung der Täter-<br />

Opfer-Rolle durch den Vortragenden<br />

erzeugt Respekt und Glaubwürdigkeit.<br />

Das gilt auch für die „Instrumentalisierung“<br />

des Widerstands in Ost und<br />

West im Streit um die Frage, wer das<br />

„bessere Deutschland“ darstellte.<br />

Plakat und Eröffnung der Ausstellung<br />

in Novosibirsk<br />

Polen<br />

Die besonders diffizile politische Situation<br />

Polens nach 1945 und in der Gegenwart<br />

bedarf einer sensiblen Argumentation,<br />

um das noch vorhandene<br />

Bild vom „bösen Deutschen“ in der<br />

älteren Generation zurecht zu rücken.<br />

Auch der Verdacht, durch das Zeigen<br />

einer Ausstellung über den ethischmoralisch<br />

begründeten Widerstand<br />

der Studentengruppe <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

wollten sich „die Deutschen“ von<br />

Schuld reinwaschen, musste durch<br />

intensive Gespräche oft entkräftet<br />

werden. Diesen Vorurteilen und dem<br />

Misstrauen konnte nur durch offene<br />

Darstellung deutscher Schuld und Verantwortung<br />

begegnet werden. Dies<br />

gelang bei den Ausstellungen in Olsztyn<br />

(Allenstein), Krzystowa (Kreisau),<br />

Wroclaw (Breslau), Lublin/Majdanek<br />

besonders gegenüber einer jungen<br />

Generation, die in einem friedlichen<br />

Europa und einer guten Nachbarschaft<br />

zu Deutschland ihre Zukunft sieht.<br />

Auch die projektorientierte Endunterbringung<br />

im Edith Stein Haus in<br />

Wroclaw (Breslau) als Denkstätte in<br />

2007 und das dortige Bemühen der<br />

dafür Verantwortlichen wird zu einem<br />

besseren gegenseitigen Verständnis<br />

beitragen.<br />

Winfrid Vogel<br />

43


13 Die DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

München im Jahr <strong>2006</strong><br />

In der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in<br />

München begann und endete das<br />

Jahr <strong>2006</strong> mit einer Ausstellungseröffnung<br />

in den eigenen Räumen.<br />

Die Sonderausstellung Kurt Huber<br />

löste im November die Ausstellung<br />

zu Willi Graf ab, die in der Denk-<br />

Stätte ab Februar zu sehen war.<br />

Durch dieses wechselnde Angebot<br />

an zusätzlichen Ausstellungen, das<br />

Ende 2007 mit Alexander Schmorell<br />

fortgesetzt werden soll, kann die<br />

DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> ein wacher<br />

Ort der Erinnerung bleiben, der<br />

nach wie vor auf reges Interesse<br />

stößt.<br />

Der Widerstand der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> ist<br />

ein fester Bestandteil der Universitätsgeschichte<br />

geworden, die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> eine feste Institution im<br />

Hauptgebäude der LMU. Auch außerhalb<br />

der regulären Zeiten werden die<br />

Ausstellungsräume für größere Veranstaltungen<br />

in der Universität geöffnet<br />

oder Zeitzeugengespräche für große<br />

Gruppen und Filmvorführungen in<br />

einem Hörsaal der LMU durchgeführt.<br />

Wie jedes Jahr ist diese enge Kooperation<br />

nur durch das Engagement<br />

der Universitätshausverwaltung und<br />

der ehrenamtlichen Mitarbeiter der<br />

DenkStätte möglich.<br />

<strong>2006</strong> haben über 22 600 Personen<br />

die DenkStätte besucht. Wie jedes<br />

Jahr wurde das Angebot von Zeitzeugengesprächen<br />

und Führungen<br />

durch die Ausstellung besonders von<br />

jungen Menschen gerne angenommen.<br />

Von 292 Gruppen, überwiegend<br />

Schulklassen und Studenten, kamen<br />

ein Drittel aus Österreich, Schweiz,<br />

Italien, Niederlande, Irland, England,<br />

Norwegen, Schweden, Dänemark,<br />

USA, Kanada, Polen und Russland. An<br />

eigenen Projekttagen beschäftigten<br />

sich französische Schüler im Rahmen<br />

eines Schüleraustausches mit<br />

dem Michaeli-Gymnasium mit dem<br />

Widerstand der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>. Ausländische<br />

Studenten und Professoren<br />

aus Ägypten, Afrika, USA, Frankreich<br />

und Japan kamen überwiegend über<br />

die Bayerische Landeszentrale für Politische<br />

Bildungsarbeit, das Bayerische<br />

Staatsministerium für Wissenschaft,<br />

Forschung und Kunst, das Goethe-<br />

Institut und natürlich über das Amt für<br />

Internationale Angelegenheiten der<br />

LMU.<br />

Mehrere Interviews zur <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> und der Arbeit der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> wurden verschiedenen Rundfunk-<br />

und Fernsehstationen gegeben,<br />

darunter dem Korean Broadcasting<br />

System in Seoul und der Deutschen<br />

44<br />

Welle für Mittel- und Osteuropa in<br />

Bonn.<br />

Hier ein Eintrag von Studenten der<br />

Theaterwissenschaften aus Kanada<br />

nach einer Führung durch die Ausstellung<br />

in der DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

am 24. April <strong>2006</strong> im Gästebuch:<br />

„The most emotional and memorable<br />

experiences were the tours of<br />

the concentration camp of Dachau<br />

and the White <strong>Rose</strong> Memorial at the<br />

University. (…) At the White <strong>Rose</strong> Memorial<br />

we heard a powerful story of<br />

resistance that is not generally known<br />

or told in North America. This provided<br />

us with an important counterpoint to<br />

the traditional impression of Munich<br />

as the centre of the development of<br />

Fascism. It was powerful and moving<br />

to visit such historical sites as it puts<br />

the events in perspective and give a<br />

strong sense of history. (…) It was<br />

incredibly enlightening to experience<br />

how openly the German population<br />

acknowledged this part of their history,<br />

but emphasized that it is just that,<br />

history. One cannot help but feel that<br />

Canada can learn some important<br />

lessons from them about acknowledging<br />

and taking ownership of past mistakes,<br />

apologizing and moving on.”<br />

Erica Sell, langjährige ehrenamtliche<br />

Mitarbeiterin der DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong>, ist am 6. April <strong>2006</strong> im Alter<br />

von 82 Jahren gestorben. Sie hat mit<br />

dazu beigetragen, die DenkStätte <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> zu einem Ort der Begegnung<br />

zu machen. Als ehemalige Chefsekretärin<br />

der LMU bei Prof. Marchionini<br />

sah sie sich dem Vermächtnis der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> eng verbunden.


14 Die Ulmer DenkStätte<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> im Jahr <strong>2006</strong><br />

Die Besucherzahlen der Ulmer<br />

DenkStätte <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> sind <strong>2006</strong><br />

deutlich gestiegen. Neben zahlreichen<br />

Veranstaltungen bot die<br />

Ulmer DenkStätte Seminare zu<br />

Toleranz und Zivilcourage und eine<br />

Fortbildung für schottische Deutschlehrer<br />

in Glasgow an.<br />

<strong>2006</strong> haben ca. 6 200 Personen die<br />

Ulmer DenkStätte besucht. Schulklassen<br />

aus Ulm, Neu-Ulm, der Schwäbischen<br />

Alb, Stuttgart, Lindau, Hösbach<br />

und Austauschschülern aus Italien,<br />

Frankreich, Kolumbien, Südafrika,<br />

Australien und den USA wurden 33<br />

Führungen gegeben. Auch stiegen die<br />

Führungen, die Schüler selbst über die<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in der DenkStätte hielten,<br />

stark an: über 40 solcher Führungen<br />

fanden vor ca. 1200 Personen statt.<br />

Damit stieg auch der Betreuungsaufwand<br />

für Schüler bei der Erstellung<br />

eigener Referate. Weiterhin wurden<br />

über 40 Schüler bei der Erstellung<br />

von Facharbeiten unterstützt. Täglich<br />

besuchten ca. 15 Einzelpersonen die<br />

DenkStätte. Bei 270 Tagen im Jahr ergeben<br />

sich über 4000 Einzelbesucher,<br />

mit denen sich auch inhaltlich vertiefende<br />

Gespräche ergaben.<br />

In Kooperation mit dem Arbeitskreis<br />

„27. Januar“ wurde der Holocaust-<br />

Gedenktag im Ulmer Stadthaus zum<br />

Thema „Lodz – Ulm – New Jersey:<br />

Die Geschichte der jüdischen Familie<br />

Frenkel, die 1938 aus Ulm vertrieben<br />

wurde“, vorbereitet. Dieser Arbeitskreis<br />

holte auch die Ausstellung „Displaced<br />

Persons Camps“ ins Stadthaus<br />

sowie die Ausstellung „Befreit – aber<br />

nicht in Freiheit. Zur Geschichte der<br />

‚Displaced Persons’ in Neu-Ulm“ ins<br />

Haus der Begegnung. In der Ulmer<br />

DenkStätte sprach Roman Sobkowiak<br />

als Zeitzeuge am Holocaust Gedenktag<br />

vor zwei Schulklassen.<br />

In Kooperation mit der vh Ulm und<br />

dem DZOK wurde eine Lesung aus<br />

der Publikation von Sönke Zankel zu<br />

„Josef Furtmeier – ein Freund der<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>“ durchgeführt und „Am<br />

Pranger – Ulmer Marktplatz August<br />

1940“. In diesem Buch wird ein Mädchen<br />

portraitiert, dem aufgrund eines<br />

Kontakts zu einem Kriegsgefangenen<br />

öffentlich die Haare geschoren wurden.<br />

Diese Szene ist ein Hintergrundbild<br />

unserer Dauerausstellung. Mit vh<br />

Ulm und DZOK bereiteten wir <strong>2006</strong><br />

für die Ausstellung »Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>.<br />

Gesichter einer Freundschaft“ ergänzende<br />

Workshops, Führungen, Zeitzeugengespräche,<br />

Filmvorführungen<br />

und Vorträgen vor.<br />

In Theaterworkshops zu den Themen<br />

NS-Zeit, Unterdrückung, Widerstand,<br />

Toleranz und Zivilcourage setzten sich<br />

junge Leute mit den Flugblättern der<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und mit Texten von Max<br />

Frisch und Paul Celan auseinander. Ein<br />

Workshop „Rechte Parolen kontern“<br />

warb für mehr Zivilcourage und Toleranz<br />

und arbeitete den Umgang von<br />

Mehrheiten mit Minderheiten kritisch<br />

auf.<br />

In Kooperation mit dem Goethe-Institut<br />

in Glasgow führte die Ulmer<br />

DenkStätte eine Fortbildung für<br />

schottische Deutschlehrer durch,<br />

die im Rahmen der Aufführung des<br />

Theaterstücks »My Dark Sky – The<br />

White <strong>Rose</strong> Resistance to Hitler and<br />

the Holocaust« stattfand. Der Vortrag<br />

thematisierte die Überlebenden der<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> und analysierte, warum<br />

diese nach Kriegsende zunächst<br />

diskriminiert und dann lange in Vergessenheit<br />

gerieten. Im Anschluss<br />

ergab sich eine wertvolle Diskussion<br />

mit den über 120 Zuhörern über NS-<br />

Widerstand und die Aufarbeitung der<br />

NS-Geschichte in Deutschland. Die<br />

einzelnen Themen der Fortbildung lauteten<br />

„Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>. Widerstand<br />

und Zivilcourage unter der Naziherrschaft“;<br />

„Geschichte der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> anhand von Texten und Bildmaterial“;<br />

„Analyse des Films »Sophie<br />

Scholl – Die letzten Tage« anhand von<br />

Ausschnitten“, „Theaterpädagogische<br />

Methoden zu <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, Rassismus,<br />

Widerstand“; „Möglichkeiten<br />

des fächerübergreifenden Unterrichts<br />

und Evaluation“.<br />

45


15 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Ausstellung<br />

46<br />

Ausstellungen in Deutschland<br />

Döbeln 09. 01. – 22.1.<strong>2006</strong><br />

Vechta 23.01. – 26.2.<strong>2006</strong><br />

Traunstein 30.01. – 10.02.<strong>2006</strong><br />

Cloppenburg 01.03. – 17.03.<strong>2006</strong><br />

Dortmund 20.03. – 31.03.<strong>2006</strong><br />

Bremen 24.04. – 21.05.<strong>2006</strong><br />

Herbertingen 01.05. – 21.05.<strong>2006</strong><br />

Scheeßel 29.05. – 09.07.<strong>2006</strong><br />

Flörsheim 19.06. – 01.07.<strong>2006</strong><br />

Pössneck 07.10. – 28.10.<strong>2006</strong><br />

Eschborn 02.11. – 20.11.<strong>2006</strong><br />

Lichtenwald 12.11. – 26.11.<strong>2006</strong><br />

Tuttlingen 27.11. – 10.12.<strong>2006</strong><br />

Ausstellungen in Australien<br />

Sydney 01.08. – 01.09.<strong>2006</strong><br />

Melbourne 07.09. – 13.10.<strong>2006</strong><br />

Ausstellung in Belgien<br />

Ath 19.04. – 05.05.<strong>2006</strong><br />

Ausstellung in Frankreich<br />

Oignies 19.05. – 02.06.<strong>2006</strong><br />

Ausstellungen in Polen<br />

Krzyzowa (Kreisau) 13.01. – 01.03.<strong>2006</strong><br />

Kraków (Krakau) 08.03. – 31.03.<strong>2006</strong><br />

Wroclaw (Breslau) 06.04. – 01.05.<strong>2006</strong><br />

Majdanek (Lublin) 08.05. – 11.06.<strong>2006</strong><br />

Krzeszowice 20.06. – 30.06.<strong>2006</strong><br />

Warszawa (Warschau) 25.10. – 25.11.<strong>2006</strong><br />

Ausstellungen in Russland<br />

Omsk 14.10. – 31.11.<strong>2006</strong><br />

Nowosibirsk/Akademgorodok 11.12. – 26.01.2007<br />

Ausstellungen in Weißrussland<br />

Gomel 27.04. – 09.06.<strong>2006</strong>


16. Zur Rezeption von Sönke<br />

Zankel „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

war nur der Anfang“<br />

Ent-Täuschung<br />

Mit viel Vorab-PR und mit der Ankündigung,<br />

„nach vierjähriger Arbeit“<br />

neue Forschungsergebnisse und Interpretationen“<br />

vorzulegen, war das<br />

Buch von Sönke Zankel „Die weiße<br />

<strong>Rose</strong> war erst der Anfang – Geschichte<br />

eines Widerstandskreises“ im Böhlau<br />

Verlag erschienen. Die Erwartung<br />

war groß. Und entsprechend groß<br />

sind Enttäuschung und Verärgerung<br />

von Historikern und Fachjournalisten.<br />

Auf die Publikation haben Vorstand<br />

und Beirat der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

e.V. mit einer von Prof. Peter<br />

Steinbach und der <strong>Stiftung</strong> formulierten<br />

Erklärung reagiert. Sie lautet:<br />

Vorstand und Beirat der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> e.V. weisen die Thesen des<br />

Historikers Sönke Zankel zurück. Dieser<br />

hatte u.a. behauptet, die Geschwister<br />

Scholl hätten das letzte Flugblatt<br />

unter Drogeneinfluss im Lichthof der<br />

Münchner Universität verteilt. Hans<br />

Scholl habe einen seiner Freunde<br />

preisgegeben. Überdies erhebt Zankel<br />

den Vorwurf, die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> sei in<br />

antijudaistischen Vorurteilen befangen<br />

gewesen.<br />

Als absurd, sachlich abwegig und moralisch<br />

infam haben der Vorsitzende<br />

der <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., Dr.<br />

Christof Schmid, und der Vorsitzende<br />

des <strong>Stiftung</strong>s-Beirats, Prof. Dr.<br />

Andreas Heldrich, die Behauptungen<br />

zurückgewiesen. Sie seien Ausdruck<br />

des Profilierungswillens eines jüngeren<br />

Historikers, der Aufsehen<br />

erregen wolle. Auch Mitglieder des<br />

<strong>Stiftung</strong>s-Beirats, zu denen u.a. Dr.<br />

Hildegard Hamm-Brücher und Dr.<br />

Hans-Jochen Vogel gehören, haben<br />

die Behauptung von Sönke Zankel<br />

zurückgewiesen. Es sei fatal, dass<br />

Zankel ganz offensichtlich einen neuen<br />

Skandal provozieren wolle. Maßstab<br />

einer seriösen Diskussion könne<br />

aber nicht der Wunsch des Autors<br />

sein, Aufmerksamkeit für sein Buch<br />

zu wecken, sondern die sorgfältige<br />

Überprüfung seiner Behauptungen.<br />

Offensichtlich sei, dass er in verantwortungsloser<br />

Weise Vermutungen<br />

geäußert, Vergleiche gezogen und gewagte<br />

Interpretationen geliefert habe,<br />

die letztlich nicht die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> und<br />

ihre Motive, wohl aber die wissenschaftliche<br />

Reputation des Autors<br />

selbst beschädigen.<br />

Niemals sei es in der Vergangenheit<br />

bei der Auseinandersetzung mit der<br />

<strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> um eine historische Hel-<br />

denverehrung gegangen. Allerdings<br />

sei der Historiker auch kein Staatsanwalt,<br />

der Indizien konstruiere dürfe,<br />

um Menschen zu diskreditieren, so<br />

oft dies gerade in der Widerstandsgeschichte<br />

versucht worden sei.<br />

Die Vertreter der <strong>Stiftung</strong> verweisen<br />

deshalb auf den Auftrag des französischen<br />

Historikers Marc Bloch,<br />

selbst Angehöriger des Widerstands,<br />

der gefordert habe: „Ein Wort ist es:<br />

Verstehen“. Insofern habe jeder Regimegegner<br />

Anspruch auf respektvollen<br />

Umgang. Zankel mache Menschen,<br />

die ihr Leben für die Begründung<br />

eines neuen menschlichen Zusammenlebens<br />

eingesetzt und geopfert<br />

hätten, geradezu verächtlich. Kritik sei<br />

eine wissenschaftliche Notwendigkeit.<br />

Von Zankel aber werde der gebotene<br />

Respekt einer Unterhaltungs- und<br />

Erregungsgesellschaft geopfert. Billige<br />

Effekte in der Öffentlichkeit seien<br />

kein Ersatz für wissenschaftliche Forschung<br />

und auch nicht der Ausweis<br />

wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit. Die<br />

Vertreter der <strong>Stiftung</strong> sind sicher, dass<br />

sich die Vermutungen von Zankel als<br />

substanzlos erweisen werden. Denn<br />

es sei offensichtlich, dass sie in keiner<br />

Weise durch zuverlässige Überlieferungen<br />

gestützt werden.<br />

Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. wird das<br />

öffentliche Fachgespräch suchen, an<br />

dem neben Sönke Zankel ausgewiesene<br />

Widerstandshistoriker teilnehmen<br />

sollen.<br />

Ausführlich hat sich der Beirat der<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V. in seiner<br />

Sitzung vom 20.11.<strong>2006</strong> mit der Publikation<br />

befasst, die nach Auskunft von<br />

Prof. Günther Hockerts, dem Doktorvater<br />

Zankels, auf einer Dissertation<br />

gründe, die noch nicht abgeschlossen<br />

und angenommen sei. Prof. Hans<br />

Mommsen bezeichnete das Buch als<br />

methodisch dilettantisch. Es enthalte<br />

„Entlarvungstexte“ und sei – obwohl<br />

als populäre Version veröffentlicht – an<br />

ein Fachpublikum gerichtet und kaum<br />

lesbar.<br />

Winfrid Vogel empfahl, dem Buch<br />

nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen<br />

zu lassen, als ihm zustehe.<br />

Dr. Hans-Jochen Vogel fasste seine inhaltliche<br />

Kritik in vier Punkten zusammen:<br />

Im Hinblick auf den Vorwurf des<br />

Antisemitismus bzw. Antijudaismus<br />

weist er darauf hin, dass die <strong>Weiße</strong><br />

<strong>Rose</strong> die einzige Widerstandsgruppe<br />

war, die den Judenmord konkret angesprochen<br />

habe, und dies trotz der<br />

tiefen Verwurzelung im christlichen<br />

Glauben. Der Vorwurf des Drogenkonsums<br />

sei hinfällig, da die Einnahme<br />

von Aufputschmitteln oder Schlafmitteln<br />

damals keineswegs ungewöhnlich<br />

gewesen sei. Zum Vorwurf<br />

47


Zankels, Hans Scholl habe Christoph<br />

Probst in den Verhören verraten, sagt<br />

er, dass es der Anstand verbiete,<br />

solche Mutmaßungen ohne Beweise<br />

öffentlich zu formulieren. In Bezug auf<br />

die widerstandslose Verhaftung von<br />

Hans und Sophie Scholl führt er an,<br />

dass es zur damaligen Zeit vollkommen<br />

absurd gewesen wäre, sich gegen<br />

jemanden wie den Hausmeister<br />

Jakob Schmid zu wehren. Es sei anmaßend,<br />

wenn ein heute 30-jähriger<br />

darüber urteile.<br />

Die Kritikpunkte von Dr. Hildegard<br />

Hamm-Brücher wurden von ihr selbst<br />

noch einmal in einem Leserbrief an<br />

die Süddeutsche Zeitung zusammengefasst,<br />

der dort am 19.12.<strong>2006</strong> abgedruckt<br />

wurde. Er lautet:<br />

48<br />

Sensationslüsterne Behauptungen<br />

Als Zugehörige zum weiteren Freundeskreis<br />

der Münchner studentischen<br />

Widerstandsgruppe <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> in<br />

den Jahren 1942/43 möchte ich der<br />

verdienstvollen kritischen Rezension<br />

Franziska Augsteins einige wenige kritische<br />

Anmerkungen zu Sönke<br />

Zankels Buch „Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> war<br />

nur der Anfang“ hinzufügen. Das<br />

Buch ist ja der Verschnitt einer noch<br />

nicht angenommenen Doktorarbeit<br />

und deshalb besonders kritisch zu<br />

bewerten.<br />

Mag das Buch auch einige wenige<br />

neue Fakten enthalten, es überwiegen<br />

sensationslüsterne und unwahre<br />

Behauptungen und unbewiesene<br />

Vermutungen, die dem Buch jede wissenschaftliche<br />

und faktische Seriosität<br />

nehmen. Das gilt vor allem für den<br />

mutmaßlichen Antisemitismusvorwurf<br />

an die Studenten. Da ich selbst von<br />

den sogenannten Nürnberger Rassegesetzen<br />

betroffen war, erinnere<br />

ich mich gut, dass es keine einzige<br />

Studentengruppe gab, die so dezidiert<br />

auch nicht den geringsten Anflug antisemitischer<br />

Tendenzen vertrat oder<br />

spüren ließ – eher im Gegenteil: Sie<br />

nahmen regen Anteil an den Bedrängnissen<br />

und Ängsten, denen betroffene<br />

Menschen (wie ich) ausgesetzt<br />

waren.<br />

Auch die vermutete Drogenabhängigkeit<br />

der Geschwister Scholl ist absurd<br />

und verleumderisch. Und abgesehen<br />

davon: Die Nazis hätten sich bei ihrer<br />

Diffamierungskampagne einen<br />

solchen Tatbestand ganz sicher nicht<br />

entgehen lassen. Vielleicht, dass die<br />

Studenten – wie viele von uns – im<br />

Hinblick auf unsere Überlastung und<br />

auf kriegsbedingte Schlafdefizite –<br />

Wachhaltemittel wie Pervitin genommen<br />

haben (jeder Flieger und alle<br />

exponierten Soldaten hatten es zur<br />

freien Verfügung!).<br />

Als besonders ungerecht, ja infam<br />

empfinde ich Zankels Klassifizierung<br />

der verurteileten Widerstandskämpfer<br />

in „Protagonisten” und „Sekundanten”,<br />

also sozusagen in Widerständler<br />

erster und zweiter Klasse,<br />

und verbunden damit die Behauptung,<br />

die „Protagonisten” hätten sich als<br />

elitär verstanden. Ich wünschte, es<br />

hätte damals mehr junge und alte<br />

Deutsche gegeben, die in christlichabendländischem<br />

Geist dem nationalsozialistischen<br />

Unrecht und der<br />

menschenverachtenden Diktatur so<br />

widerstanden hätten wie die Opfer<br />

aus dem Kreis der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>.<br />

Dr. Hildegard Hamm-Brücher<br />

Staatsministerin a.D.<br />

Vorstand und Beirat der <strong>Stiftung</strong> haben<br />

beschlossen, erst die Veröffentlichung<br />

der Dissertation abzuwarten,<br />

bevor eine erneute Befassung mit<br />

Zankels Arbeit erwogen wird. Sie haben<br />

außerdem beschlossen, darauf<br />

hinzuwirken, dass historisch korrekte<br />

Darstellungen der Motive, der Leistung<br />

und der Wirkung der <strong>Weiße</strong>n<br />

<strong>Rose</strong> befördert werden.


17 Neuerscheinungen<br />

Sibylle Bassler:<br />

Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>. Zeitzeugen erinnern sich.<br />

Hamburg <strong>2006</strong><br />

García Pelegrín, José M.:<br />

La Rosa Blanca.<br />

Los estudiantes que se alzaron contra Hitler,<br />

Libroslibres, Madrid <strong>2006</strong><br />

Thomas Hartnagel (Hg.):<br />

Sophie Scholl – Fritz Hartnagel. Damit wir uns nicht<br />

verlieren.<br />

S.Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2005<br />

Anneliese Knoop-Graf :<br />

„Du weißt, dass ich nicht leichtsinnig gehandelt habe<br />

…“. Willi Graf und die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong>, Erinnerungsgabe<br />

des Instituts für Geschichte der Universität Karlsruhe<br />

anlässlich der Verleihung des Titels einer Dr. phil. h.c.,<br />

in: Gelbe Hefte zur normativen Auseinandersetzung<br />

mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, Nr. 4,<br />

Karlsruhe <strong>2006</strong><br />

Rolf-Ulrich Kunze, Bernhard Schäfer (Hg.):<br />

Anneliese Knoop-Graf. Ausgewählte Aufsätze.<br />

Konstanz <strong>2006</strong><br />

Peter Selg:<br />

„Wir haben alle unsere Maßstäbe in uns selbst.“<br />

Der geistige Weg von Hans und Sophie Scholl.<br />

Dornach <strong>2006</strong><br />

Sönke Zankel:<br />

Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> war nur der Anfang. Geschichte<br />

eines Widerstandskreises.<br />

Köln <strong>2006</strong><br />

49


18 Die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V., ihre<br />

Organe und ihre Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter<br />

50<br />

Der Vorstand<br />

Dr. Christof Schmid; 1. Vorsitzender<br />

Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf; 2. Vorsitzende<br />

Dr. Werner Rechmann; 3. Vorsitzender, Schatzmeister<br />

Franz J. Müller; Ehrenvorsitzender<br />

Die Mitglieder<br />

Heinz Beumer; Karin Friedrich; Thomas Guckenbiehl;<br />

Heiner Guter; Dr. Klaus Hahnzog; Dr. Hildegard<br />

Hamm-Brücher; Prof. Dr. Andreas Heldrich;<br />

Anneliese Knoop-Graf; Dr. Hildegard Kronawitter;<br />

Dr. Traute Lafrenz-Page; Dr. Silvester Lechner; Prof.<br />

Dr. Hans Mommsen; Franz J. Müller; Britta Müller-<br />

Baltschun; Johannes Nebmaier; Christa Nickisch;<br />

Dr. Werner Rechmann; Dr. Rachel Salamander; Dieter<br />

Sasse; Prof. Dr. h.c. Klaus Saur; Dr. Christof Schmid;<br />

Heino Seeger; Prof. Dr. Michael Wyschogrod;<br />

Dr. Armin Ziegler<br />

Der Beirat<br />

Karin Friedrich; Dr. Klaus Hahnzog; Dr. Hildegard<br />

Hamm-Brücher; Paul Hansel; Prof. Dr. Andreas<br />

Heldrich; Charlotte Knobloch; Prof. Dr. Jutta Limbach;<br />

Prof. Dr. Hans Mommsen; Dr. Rachel Salamander;<br />

Prof. Dr. h.c. Klaus Saur; Prof. Dr. Peter Steinbach;<br />

Dr. Rudolf Sussmann; Erwin Teufel; Christian Ude;<br />

Dr. Michael Verhoeven; Winfrid Vogel; Dr. Hans-<br />

Jochen Vogel<br />

MitarbeiterInnen<br />

Ruth Drolshagen: Leitung des Büros / Organisation /<br />

Disposition / Finanzen / Personal<br />

Ursula Kaufmann: Pädagogik / Besucherbetreuung /<br />

Ausstellungstexte / Redaktion Internet<br />

Ulrich Müller: Betreuung des Ausstellungsverleihs<br />

und des Archivs<br />

Dr. Mathias Rösch (bis 30.6.06): Leitung Denkstätte /<br />

Projekte / Ausstellung / Wissenschaft und Forschung<br />

Henrike Zentgraf (ab 15.8.06): Projektbetreuung /<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Ehrenamtliche MitarbeiterInnen in der DenkStätte<br />

und bei Projekten: Susanne Bergmann, Irene von<br />

Denffer, Bernhard Eble, Gerda Eierstock, Barbara<br />

Gollmann, Petra Heyn, Kirsten Hinrichsen, Barbara<br />

Keim, Maren Killmann, Christa Nickisch, Horst<br />

Plotzki, Ingeborg Rubner, Brigitte Schmid, Wolfgang<br />

Stepp.<br />

Akquisition und Sponsoring werden bis auf weiteres<br />

vom Vorstand wahrgenommen.<br />

Die Anschrift<br />

<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />

Ludwig-Maximilians-Universität<br />

Geschwister-Scholl-Platz 1<br />

80539 München<br />

Tel. 089 / 2180-5678/5359<br />

Fax 089 / 2180-5346/13518<br />

E-Mail: info@weisse-rose-stiftung.de<br />

Redaktion <strong>Tätigkeitsbericht</strong> <strong>2006</strong><br />

Ruth Drolshagen


<strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> <strong>Stiftung</strong> e.V.<br />

Ludwig-Maximilians-Universität<br />

Geschwister-Scholl-Platz 1<br />

D-80539 München<br />

Telefon: +49 (0)89 / 2180-5359, 2180-5678<br />

Telefax: +49 (0)89 / 2180-13518, 2180-5346<br />

info@weisse-rose-stiftung.de<br />

www.weisse-rose-stiftung.de

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