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Technologische Schlüsse aus der Kristallographie der Metalle.1)

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Bund 57. Nr. 26.<br />

28. Juni 1913.<br />

v. Moellendorff und Czochralski: <strong>Technologische</strong> <strong>Schlüsse</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Kristallographie</strong> <strong>der</strong> Metalle. 1019<br />

Abb. 6.<br />

Lageniln<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Grenzen E, /, 2 usw. mit wachsen<strong>der</strong> Kaltgereckt-<br />

heit für den Fall, daß »Rcekfluß« und »Früffluß« in <strong>der</strong> Richtung von­<br />

einan<strong>der</strong> abweichen (Zugversuche an Drahten, die im Zieheisen vorge­<br />

reckt sind), gültig für Zimmertemperatur und 20 at/min Zereißgeschwin-<br />

/sq/qmm<br />

digkelt.<br />

O 20 ¥0 60 80 700 i/H<br />

Vorgerecktheit - Querschnitt'abnähme<br />

ć/es geglühten Drahtes im Zieheisen<br />

läuterung die Kurven von Textabb. 4 in andrer Darstellungsform<br />

aufgetragen, indem <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Vorgerecktheit und<br />

die durch Vorreckung verursachte Lagenän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Prüfgrenzen einan<strong>der</strong> zugeordnet wurden: es sind<br />

nun nicht mehr wie in Textabb. 3 beim gleichgerichteten<br />

Recken etwa die Grenze E bis 1, E und 1 bis 2 usw. in<br />

ununterbrochenem Kurvenzug emporgehoben, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Richtungswechsel zwischen »Reokfluß« (Zieheisen) und »Prüffluß«<br />

(Zerreißmaschine) hat den Anstieg von Grenze E und 2<br />

teils verzögert, teils<br />

Abb. 7. verhin<strong>der</strong>t. In Text-<br />

Reckdiagramm von Weichkupfer mit abb. 7 sind <strong>der</strong> bes-<br />

Unterbrechungen, / ohne Richtungswechsel, seren Anschaulich-<br />

i7 mit Richtungswechsel zwischen den zuliebe auch<br />

Reckperioden. n o o h Ausschnitte <strong>aus</strong><br />

r<br />

-—Forma, lätrung<br />

Stauchdiagrammen<br />

gegeben, von denen<br />

<strong>der</strong> Fall I eine Unterbrechung<br />

des Versuches<br />

ohne Gestaltän<strong>der</strong>ung,<br />

<strong>der</strong> Fall II<br />

eine solche mit Gestaltän<strong>der</strong>ung<br />

des<br />

Versuchskörpers erläutert;<br />

beim darauffolgenden<br />

Recken<br />

mündet im Fall I die<br />

Kurve <strong>der</strong> bleibenden<br />

Stauchung senkrecht<br />

in den Hauptkurvenzug<br />

ein, im<br />

Fall II mit merklicher<br />

Ablenkung von<br />

<strong>der</strong> Senkrechten. Daß<br />

von <strong>der</strong> Fließrichtung<br />

gerade die Grenzen<br />

E und 2, nicht aber<br />

1 und 2 a betroffen<br />

werden, kann nach<br />

dem im vorigen Abschnitt Gesagten nicht überraschen; denn<br />

<strong>der</strong> Richtungswechsel beim Fließen vektorieller Moleküle<br />

muß vornehmlich Drehbewegungen <strong>aus</strong>lösen, die teils noch<br />

in kristallographisch bestimmten Verbänden, teils in banalen<br />

Verbänden erfolgen mögen, je nach <strong>der</strong> Reichweite des vorangegangenen<br />

Druckes im Zieheisen. Als eine allbekannte<br />

Folgerung äußert sich <strong>der</strong> Einfluß <strong>der</strong> Fließrichtung in den<br />

mechanischen Unterschieden längs und quer zur Walzrichtung<br />

von Blechen und Bän<strong>der</strong>n.<br />

In einem an<strong>der</strong>n Sinne, als es F<strong>aus</strong>t und Tammann annahmen,<br />

zeigen sich also die einschneidenden Wirkungen<br />

<strong>der</strong> Kristallnatur an <strong>der</strong> Grenze 2 (Höchstlastgrenze des geglühten<br />

Materiales): unterhalb dieser Grenze nachweisliches<br />

Vorhandensein von Orientiertheit, gleichförmige prismatische<br />

Dehnung1 ) <strong>der</strong> Versuchskörper und beträchtliche Abweichung<br />

<strong>der</strong> Verfestigung vom linearen Gesetz, oberhalb jedoch nachweisliche<br />

Erschöpfung <strong>der</strong> Kristallinität, Fließkegelbildnng<br />

unter Zug und (vom Einfluß <strong>der</strong> Geschwindigkeit abgesehen)<br />

lineare Verfestigung. Man kann also die Grenze 2 des geglühten<br />

Metalls geradezu als eine seiner wichtigsten Charakteristiken<br />

ansehen. Indirekt ist auch eine Verknüpfung <strong>der</strong><br />

alten Materialprüfungszahlen mit unsern neuen möglich; wenn<br />

man nämlich mit F die »Festigkeit« (für Weichkupfer rd.<br />

21 kg/qmm) und mit D die »gleichförmige Dehnung« (für<br />

Weichkupfer rd. 40 vH = 0,4) bezeichnet, so muß<br />

F{\ +T>) = 21 • 1,4 - 29,4 cos-,<br />

sein, was mit unsern Versuchen gut übereinstimmt. Wenn<br />

man nun noch die Lage <strong>der</strong> Grenzen E und 1 und die<br />

Bruchkontraktion kennt, so ist das Metall für den praktischen<br />

Bedarf <strong>aus</strong>reichend definiert, und <strong>der</strong> hier abgeleitete Zusammenhang<br />

erlaubt, die wahrscheinliche Wirkung dos mechanischen<br />

Werkstättenprozesses vor<strong>aus</strong>zusagen.<br />

Das Verfestigungsdiagramm des gekohlten Eisens und<br />

ähnlich gefügter Stoffe wird durch die voreilende banale<br />

Formän<strong>der</strong>ung des dystektoiden Gcfüges kompliziert. Die<br />

Reihenfolge <strong>der</strong> Fließlinienerscheinung'en deutet darauf hin,<br />

daß das perli tische Netzwerk anfänglich wie ein steifes Gerippe<br />

die äußeren Kräfte auffängt und erst nach seinem<br />

»Zusammenbruch« die eingekapselten weicheren Ferritkörner<br />

<strong>der</strong> Formän<strong>der</strong>ung preisgibt. Dafür spricht auch die Tatsache,<br />

daß die hypoeutektoiden Eisensorten mit wachsendem<br />

Kohlenstoffgehalt nahezu konstante Elastizitätsgrenzen (im<br />

Gefolge einer immanenten Eigenschaft des Perlits), aber<br />

steigende Fließgrenzen (im Gefolge <strong>der</strong> Wanddicke des Perlitnetzes)<br />

aufzeigen. Das bekannte Zerreißdiagramm von Flußeisen<br />

erscheint, unter diesem Gesichtwinkel betrachtet, in<br />

seinem ersten Teil durch<strong>aus</strong> wie eine Ueberdeckung mehrerer<br />

Kurvenzüge, und wir vermuten, daß chemisch reines Eisen<br />

einen grundsätzlich vom Kupfer nicht verschiedenen Kaltreckverlauf<br />

ergeben würde. Für die Möglichkeit, oberhalb <strong>der</strong><br />

Fließgrenze das Verhalten von Eisen- und Stahlsorten <strong>aus</strong><br />

<strong>der</strong> Summenwirkung des Perlits und Ferrits bezw. des Perlits<br />

und Zementits zu errechnen, hat Sauveur lehrreiche<br />

Beispiele beigebracht. Man wird mit diesem Zerlcgungsverfahren<br />

nach strukturellen Wirkungsanteilen die mechanische<br />

Technologie des Eisens noch vielfach befruchten können.<br />

Wenn man einen umfassenden Standpunkt gegenüber<br />

den mannigfaltigen Einzelbeobachtungen zu gewinnen sucht,<br />

so findet man einige bemerkenswerte Grundtatsaclien, nämlich<br />

erstens, daß dio Molekularbewegung, dio wir nach dem<br />

Verlauf <strong>der</strong> Fließlinien als Drehung erkannten, kleine Formän<strong>der</strong>ung<br />

bei starker spezifischer Verfestigung erzeugt; zweitens,<br />

daß beim Eintritt <strong>der</strong> Gleitung größere Formän<strong>der</strong>ung<br />

unter geringerer spezifischer Verfestigung einsetzt; drittens,<br />

daß das Drehungsbestreben <strong>der</strong> vektoriellen Moleküle als<br />

eine Vor<strong>aus</strong>setzung <strong>der</strong> primatischon Dehnung <strong>der</strong> Haufwerke<br />

anzusprechen ist, während reine o<strong>der</strong> überragende Gleitnng<br />

des banalisierten Haufwerkes zur Fließkogel-(Tropfcn)bildung<br />

') Das gilt mit <strong>der</strong>jenigen Annäherung, die bei kürzeren Zerrelßstabllngen<br />

trotz <strong>der</strong> Einflüsse <strong>der</strong> Einspannköpfe bezw. bei höheren<br />

Stauchkörpern trotz <strong>der</strong> Einflüsse <strong>der</strong> Kopfflachen überhaupt erreicht<br />

werden kann. Wir haben deshalb mit mögliehst Hngen Zerreiß diiben<br />

und mit mögliehst niedrigen Stauchkörpern gearbeitet und dio Formän<strong>der</strong>ung<br />

grundsätzlich auch dann noch nach den Verän<strong>der</strong>ungen des<br />

freifließcndeT Querschnittes berichtigt.

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