27.06.2013 Aufrufe

Der Mord-Prozeß Franziska Pruscha.pdf - DIR

Der Mord-Prozeß Franziska Pruscha.pdf - DIR

Der Mord-Prozeß Franziska Pruscha.pdf - DIR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vorbemerkung<br />

Fast anderthalb Jahre lang — vom März 1924 bis Oktober 1925 — hat der <strong>Mord</strong>prezeß<br />

Eberl-<strong>Pruscha</strong> das Gemüt der Öffentlichkeit bis weit über die Grenzen<br />

hinaus in Erregung gehalten und zahlreiche Sensationen erzeugt. Das durch viele<br />

Umstandsindizien verwickelte Problem dieses <strong>Mord</strong>es war von einem undurchdringlichen<br />

Dunkel umlagert. Je länger die Untersuchung gegen die verhaftete<br />

<strong>Franziska</strong> <strong>Pruscha</strong> und Ernst Meiche währte, desto offenkundiger wurde es, daß<br />

Polizei- und Justizbehörde nicht nur nichts zur Aufhellung des <strong>Mord</strong>es zu leisten<br />

vermochten, sondern die objektive Ergründung de Schuldproblems noch erschwerte<br />

durch eine völlig unbegründet Entlastung des hakenkreuzlerisch gesinnten Meiche<br />

und gleichzeitige Belastung der nur von subjektiven, an sich nichtigen <strong>Mord</strong>verdachtsmomenten<br />

angeklagten <strong>Pruscha</strong>. <strong>Der</strong> vom 27. bis 30, November 1924 stattgefundene<br />

1. <strong>Prozeß</strong> gegen <strong>Franziska</strong> <strong>Pruscha</strong> mußte alle das Gewissen der<br />

Öffentlichkeit und Bevölkerung gegen die Justizbehörde erfüllenden Mißtrauensmomente<br />

noch erheblich vermehren. Die Führung des <strong>Prozeß</strong>es durch Hofrat Dr.<br />

Hotter, seine Beleuchtung der Indizien war derart daß die Geschworenen die<br />

Schuldfrage bejahen mußten, obwohl das Auge jedes unvoreingenommenen Rechtsjuristen<br />

erkennen konnte, daß hier ein Fehlurteil herbeigeführ worden war: eine<br />

Unschuldige, eine Person, deren Schuld durch nichts erwiesen, wurde zu 15 Jahren<br />

schweren Kerkers verurteilt!<br />

Glücklicherweise hatte es damit nicht sein Bewenden. Es erhob sich nun endlich<br />

jener Faktor und mengte sich in das Justizverbrechen ein, der leider allzu selten<br />

sich zur Kontrolle der Justiz aufrafft und angeregt wurde Das Rechtsgefühl<br />

des Volkes. Es fand seine Sprachorgane in einigen Tagesblättern, die mit einer<br />

ungemein anerkennenswerten Kampagne der Gerechtigkeit für die Wiederaufnahme<br />

des Prozesses wirkten und eintraten. Gänzlich abseits von dieser großzügigen,<br />

das Volksbewußtsein mächtig aufwühlenden Agitation, die bis zur Volksabstimmung<br />

geführt wurde, verhielten sich nur Blätter, wie die »Arbeiter-Zeitung« (soz.dem.)<br />

und »Rote Fahne« (»komm.«), deren »proletarischer« Geist nicht so weit<br />

reichte, gegen den Nimbus der Justiz ausfällig zu werden. Wird doch durch die<br />

»Arb.-Zeitg.« ein Gesetzeskultus widerlichster Art betrieben, durch die »Rote Fahn.«<br />

da schurkische Justiz-Lynchverfahren der russischen Sowjetdiktatur gegen tausende<br />

revolutionärer und freiheitlicher Proletarier gutgeheißen, totgeschwiegen und mit<br />

Lug und Trug zu vertuschen gesucht.<br />

<strong>Der</strong> Verfasser dieser Zeilen darf von sich behaupten, daß er der einzige war,<br />

der in größeren Versammlungen und in dem ihm zu Verfügung stehenden Organ<br />

„Erk. u. Befr." (Wien-Klosterneuburg) innerhalb des Proletariats für die Sache der<br />

schuldlosen <strong>Franziska</strong> <strong>Pruscha</strong> eingetreten ist.<br />

Wiewohl auf langen Umwegen — die öffentliche Agitation zu Gunsten des<br />

weiblichen Dreyfuß in der Republik Österreich wurde von Erfolg gekrönt. Besonders<br />

dank dem »Tag«, dessen einem Redakteur es geglückt war, der Verteidigung<br />

neues Beweismaterial zur Entlastung der Verurteilten zu bieten. Am 12. Okt.<br />

1925 begann der 2. <strong>Pruscha</strong>-<strong>Prozeß</strong> vor den Schranken des Wr. Schwurgerichtes.<br />

Seine Verhandlungen bildeten eine Schmach der Enllarvung für den .Gang des<br />

ersten Prozesses. Die Geschworenen verneinten diesmal einstimmig die<br />

Schuldfrage des <strong>Mord</strong>es, die Eventualfrage des Totschlages mit 11 Stimmen. Die<br />

angeklagte Frau <strong>Pruscha</strong> wurde von der Anklage des <strong>Mord</strong>es freigesprochen.<br />

Aber bis zuletzt erwies die Staatsjustiz ihre Voreingenommenheit der Angeklagten<br />

gegenüber. Obwohl die Verteidigung, wie auch die Öffentlichkeit, logischerweiser<br />

unter dem Eindruck stand, daß mit dem Wegfall der <strong>Mord</strong>beschuldigung<br />

die Verurteilte ihre Unbescholtenheit wiedererlangt habe, hat die Justiz sich eine für<br />

den notgedrungenen Freispruch rachenehmende Überaschung aufbawahrt. Nach Verkündung<br />

dos Freispruches wegen <strong>Mord</strong>es, erklärte plötzlich der Gerichtshof, daß er<br />

eine „Diebstahls-Bezichtigung" gegen die <strong>Pruscha</strong> im Zusammenhang mit dem<br />

<strong>Mord</strong> aufrechterhalte uud sie dahar nachträglich zu sechs Monate verurteile! —<br />

I

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!