Der Mord-Prozeß Franziska Pruscha.pdf - DIR
Der Mord-Prozeß Franziska Pruscha.pdf - DIR
Der Mord-Prozeß Franziska Pruscha.pdf - DIR
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Meine Damen und Herren,<br />
Kameraden, Freunde und Freundinnen!<br />
Die bürgerliche Presse hat in den letzten Tagen geschrieben,<br />
eine solche Versammlung, wie sie heule Abend staltfindet, sei eigentlich<br />
unötig und überflüssig, auch abgeschmackt, der Fall <strong>Pruscha</strong> sei<br />
vorüber, erledigt, die Stimme der Gerechtigkeit habe gesiegt und<br />
triumphiert, und es sei untunlich, fliesen Fall noch weiter vor die<br />
Rampen der Öffentlichkeit zu zerren. Wir herrschaftslose Sozialisten<br />
sind aber anderer Meinung, für uns ist der Fall <strong>Pruscha</strong> nur ein<br />
Symptom eines Systems und nun, nachdem nach schwerer Mühe,<br />
nach dem beispiellos opfermütigen Kampfe einer ganzen Reihe von<br />
Persönlichkeiten es geglückt ist, einen Menschen den Fängen der<br />
Justizbrutalität zu entreissen, nun vertreten wir die Auffassung, dieser<br />
Fall, der in die Augen springt, einen Akt der Ungerechtigkeit flagrantester<br />
Natur verkörpert, dieser Fall muß fortgesetzt in die<br />
breite Öffentlichkeit hineingetragen werden. Denn Frau <strong>Pruscha</strong> ist<br />
nur ein Fall und hunderte und tausende solcher Fälle schmachten<br />
hinter den grauen Zuchthausmauern, ebenso unschuldig verurteilt<br />
wie diese Frau. Bei Frau <strong>Pruscha</strong> hat sich die Sache glücklicherweise<br />
so entwickelt, daß es möglich war, den Justizirrtum zu brandmarken<br />
und festzulegen, nachdem bereits alle Hoffnung sozusagen<br />
aufgegeben war, da sogar die höchste Instanz der Justiz, der Oberste<br />
Gerichtshof, sich vollständig verschlossen hatte der Stimme der Wahrheit<br />
und Gerechtigkeit, der Stimme des Rechtes. Aber es gibt unendlich<br />
viele Fälle bei denen dies nicht möglich ist und erst heute<br />
konnten Sie in der Tagespresse lesen, daß ein Mann, auf Grund von<br />
»Indizien« verurteilt, 12 Jahre in einem reichsdeutschen Zuchthause<br />
geschmachtet hat, des <strong>Mord</strong>es verurteilt, und daß erst nach der Festnahme<br />
des berüchtigten Massenmörders Denke, aus den Papieren zu<br />
entnehmen war, daß der <strong>Mord</strong>, der diesem einen zur Last gelegt<br />
worden war, überhaupt nicht von ihm begangen worden sein konnte,<br />
weil Danke in seinen hinterlassenen Notizbüchern sich selbt auf das<br />
genaueste beschuldigt hatte, gerade diesen <strong>Mord</strong> begangen zu haben.<br />
12 Jahre des Menschenlebens wurden hier einem Individuum von der<br />
Justiz geraubt, und dieses kann noch glücklich sein, wenn es imstande<br />
ist, durch die Wiederstandskraft seiner Natur, diese Zeitdauer überlebt<br />
haben zu können. Viele aber gehen zu Grunde in den Zuchthäusern<br />
und Gefängnissen und ich, als ein Mann, der für seine Überzeugung<br />
als Anarchist in fünf Ländern der Welt die Möglichkeit und<br />
Gelegenheit hatte, Gefängnisse von innen kennen zu lernen, mit<br />
Einschluß österreichischer und reichsdeutscher Gefängnisse, ich kann<br />
Ihnen sagen: nicht nur als ein Mann, der strafrechtliche Theorien rein<br />
wissenschaftlich studiert hat, sondern als ein Mensch, der es mitgemacht<br />
hat, rufe ich aus:<br />
DAS WIR ES HIER ZU TUN HABEN MIT EINEM SYSTEM,<br />
von dem die meisten Menschen nichts ahnen, das aber<br />
2