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Für Alex Stock zum 65. Geburtstag

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Epilog: Spiel und Methode<br />

Poetische Dogmatik – eine festliche Disziplin. <strong>Für</strong> <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> <strong>zum</strong> <strong>65.</strong> <strong>Geburtstag</strong><br />

Als Epilog Theologie, die sich ganz der Bilder verschrieben<br />

hat: „Plötzlich nicht nur Spiel“ gilt nicht nur für die<br />

Kunst, es gilt wenigstens auch für diese Zeitschrift. Das<br />

Thema des Heftes, ein collagierter Gadamer und ein Rezensent<br />

der FAZ – ein Steinbruchtitel im Nachsatz, der<br />

auch eine Würdigung sein soll. „<strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> führt die<br />

Theologie als eine heitere, ja festliche Disziplin vor.“ So<br />

war vor einiger Zeit in der FAZ über den Kölner Theologen<br />

zu lesen, der in der Abgeschiedenheit seiner Studierstube<br />

unentwegt Bücher schreibt. „Gesicht – bekannt und<br />

fremd. Neue Wege zu Christus durch Bilder des 19. und<br />

20. Jahrhunderts“ (1990) „Zwischen Tempel und Museum.<br />

Theologische Kunstkritik – Positionen der Moderne“<br />

(1991), „Keine Kunst. Aspekte der Bildtheologie“<br />

(1995), „Poetische Dogmatik. Christologie. 1. Namen“<br />

(1995), „– 2. Schrift und Gesicht“ (1996), „– 3. Leib und<br />

Leben“ (1998), „– 4. Figuren“ (2001). Unbeachtet von<br />

Szenen (auch der Szene dieser Zeitschrift) und Moden<br />

(vor allem theologischen) sitzt <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> Tag für Tag zwischen<br />

den Büchern, dem Manuskript (noch wörtlich verstanden)<br />

und, wenn nötig, vor seiner Lampe, und liest<br />

und liest und schreibt und schreibt. <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> gehört zu<br />

den international anerkanntesten Fachleuten zur theologischen<br />

Bilderfrage, es begann mit seiner systematischen<br />

Erfassung von Autoren zur theologischen Kunsttheorie<br />

der Moderne („Zwischen Tempel und Museum“) und findet<br />

nun seinen (vorläufigen) Höhepunkt in der „Poetischen<br />

Dogmatik“, die gewonnen ist aus den poetischen<br />

Quellen des Christentums – Liturgie, Dichtung, Kunst.<br />

Bezeichnenderweise hört der Teil der „Christologie“,<br />

dieses Projekts nach insgesamt fast 1500 Seiten in siebenjähriger<br />

Arbeit, mit einem Kurzgedicht von Philippe<br />

Jaccottet auf (IV, 416):<br />

„Welt, einem Riß entsprungen<br />

erschienen, Rauch zu sein!<br />

und doch: die Lampe brennt<br />

und einer sitzt und liest und liest.“<br />

Darüber ist ein Bild vom Heiligen Hieronymus von José<br />

de Ribera, davor vier weitere poetische Fragmente. Das<br />

Bild war eine Entdeckung einer Reise nach Prag mit seiner<br />

Frau, und zur Zeit sammelt und beschreibt er, gleichsam<br />

entspannenden Fingerübungen für einen emeritierenden<br />

Gelehrten gleich, den am häufigsten gemalten Heiligen<br />

des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Diathek der beinahe<br />

8.000 zur christlichen Bildthematik von ihm gesammelten<br />

Bilder in der Bildtheologischen Arbeitsstelle werden<br />

nun mit „Hieronymi“ aufgefrischt.<br />

Splitterlese<br />

Zufall, Entdeckung und akribische Verfolgung einer<br />

Fährte, mit dem Ernst eines Spielenden, aber mit spielerischer<br />

Gelehrsamkeit: Das sind typische Verfahrensweisen<br />

von <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong>, die die Gesamtarchitektur der „Poetischen<br />

Dogmatik“ durchziehen, obwohl er sich in den<br />

70-er und frühen 80-er Jahren intensiv mit Methoden der<br />

Wissenschaft und der Theologie auseinandergesetzt hat.<br />

Hans Georg Gadamers „Wahrheit und Methode“ hat in<br />

seinem Werk eine wichtige Rolle gespielt. Der Drang nach<br />

einer Methode für eine Glaubensgeschichte hat ihn an der<br />

Gattung „Dogmatik“ interessiert, das Sprengen von Methoden<br />

in der Suche nach einer jeweilig neuen erforderte<br />

das Etikett „poetisch“.<br />

So ist das Verfahren, das <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> im Entstehen der<br />

Poetischen Dogmatik angewendet hat, durchaus mit den<br />

Künstlern (dieses Heftes) vergleichbar, die etwas finden,<br />

sich mit Tradition auseinandersetzen und daraus ein eigenes<br />

Werk schaffen. Nur greifen die Jungen bloß einige<br />

Splitter auf, während <strong>Stock</strong> einen ganzen Kosmos des<br />

abendländischen Christentums durchleuchtet, erhellt und<br />

neu frei setzt.<br />

Die Splitter sind für <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> konstitutiv. Beim Lesen<br />

seiner Poetischen Dogmatik, die sich vor allem der Bilder,<br />

der Struktur der Liturgie, der Gebete und Lieder des<br />

Christentums annimmt, nimmt man erst wahr, wie reich<br />

die Tradition dieser Religion ist, ohne dies alles selbst<br />

noch wirklich zu kennen, vielfach nur mehr als Streifzug,<br />

als Erinnerung an die Kindheit oder einem gelernten historischen<br />

Wissen verdankend. <strong>Stock</strong>, in seiner Studienzeit<br />

selbst führend in der Reformbewegung tätig, erlebte<br />

aber die religionsgeschichtlichen Folgewirkungen der Reformen<br />

des II. Vatikanischen Konzils als „vollkommene<br />

Sprengung, deren Splitter irgendwo und weit verstreut<br />

herumliegen“. Penetrant findet er nicht nur, sondern beleuchtet<br />

auch mit der Sorgfalt eines Wohlwollens, was<br />

ins Depot des Christentums gelandet ist, ohne verdächtig<br />

zu wirken. Aber mit der ganzen beißenden Schärfe der<br />

Kritik, die kurz und zwischen den Zeilen daherkommt.<br />

„Lammsgeduld, die sich willig treiben, melken, scheren,<br />

schlachten lässt, ohne aufzubegehren, wurde als frommes<br />

Tugendideal gepriesen, das die Welt nicht erlöste, aber<br />

unter dem Schein der Frömmigkeit stillhielt, was gegen<br />

Elend und Ausbeutung hätte rebellieren können“, heißt<br />

es etwa im „NACHTRAG ZU LÄMMERN“ (IV, 312).<br />

„Dagegen haben die Kritiker der Religion alles Wünschenswerte<br />

gesagt, wenn damit auch noch nicht alles<br />

getan ist“ (Ebd.). Was dann eben von <strong>Stock</strong> noch getan<br />

wird – das ist freilich das ganze Werk –, ist die positive Sicherstellung<br />

der aus dem Traditionszusammenhang gerissenen<br />

Teile, in diesem „gefährlichen Spiel“ der verstreuten<br />

Splitterauflese geht es aber keinesfalls um die Nostalgie<br />

vergangener Religionsepochen.<br />

Ausweis<br />

Gleichzeitig komponiert er neu, mit der scheinbaren<br />

Einfachheit der Evidenz einer „carte d’identité eines<br />

Ausweises: Name (Bd.1), Unterschrift und Foto (Bd. 2.);<br />

Wohnort/Lebensgeschichte (Bd. 3) und Beruf (Bd. 4).<br />

Das Lesen – inmitten der besten Imaginationen dieser<br />

Religion – wird <strong>zum</strong> feierlichen Ereignis.<br />

LeserInnen werden hineingezogen in ein Christentum,


das voller Faszinosa sich darstellt in ihren kulturellen und<br />

frömmigkeitsgeschichtlichen Äußerungen zur Figur Jesu.<br />

Ernst Jandl (Bild) gesellt sich am Ende der Anrufungen<br />

der „Namen“ zu gregorianischen Neumen. Die Logos und<br />

Abkürzungen zu Christus werden in „2. Schrift und Gesicht“<br />

behandelt, ebenso die kulturell erfolgreichste Geschichte<br />

über das Abbild Christi, in all ihren Legenden<br />

über die Vera Icon bis herauf zu Jawlensky oder Dorothee<br />

von Windheim. „3. Leib und Leben“ behandelt die Mysterien<br />

des Lebens Jesu: Verkündigung, Geburt, Passion,<br />

Ostern, Himmelfahrt, Herz Jesu, Fronleichnam, Verklärung.<br />

Gerade die Verkündigungsbilder, das einfallreichste<br />

Thema in der italienischen Frührenaissance, bestechen<br />

in ihrer optischen und theologischen Evidenz.<br />

Vor so viel Kunst (vor allem der Renaissance) kann sich<br />

<strong>Stock</strong> auch noch erlauben, darüber zu schreiben, was es<br />

mit der Jungfräulichkeit „in partu und post partum“ (III.<br />

45) auf sich hat, um dann an der Immaculata die polemische<br />

Gegenfigur immer neu auftretender Feinde der Neuzeit<br />

klarzulegen. Immer wieder sind dialektische Bewegungen<br />

in <strong>Stock</strong>s Darstellung kompositorische Strenge,<br />

gezielte Abbrüche. Inmitten des Passionskapitels etwa,<br />

das in all nur erdenklichen Variationen durchgespielt<br />

wird, hat der Abschnitt „Kreuz“ nur eine Seite mit einem<br />

literarischen Text von Yves Bonnefoy: (III, 202)<br />

„Man erklärt ihm, das große Kruzifix in der linken Kapelle<br />

habe eines Abends ein alter Mann hereingetragen,<br />

der gebeugt unter der Last ging.<br />

Er sagte, er würde es anderntags wieder aufnehmen,<br />

aber er ist niemals zurückgekommen. Und hinfort ist<br />

alles da draussen, diese Straße, diese wenigen nächtlichen<br />

Passanten bisweilen, Florenz, dies, woher Gott gekommen<br />

ist, die andere Welt.<br />

Der Kopf ist auf die Schulter geneigt. Das Bild der Dornenkrone<br />

macht einen roten Fleck auf dem grauen<br />

Holz. Ein Sprung geht von der Schulter aus, sucht das<br />

Herz, scheidet die Schmerzensmale und scheint sie zu<br />

löschen.“<br />

Und dazu eine Farbtafel einer lavierten Federzeichnung<br />

(Abb. von links)<br />

José de Ribera (1591–1652), Hl. Hieronymus, 1646,<br />

Öl/Lwd, 146 x 198 cm, Nationalgalerie, Prag<br />

Ernst Jandl, Faksimile-Seite aus: Ders., Laut und Luise,<br />

mit einem Nachwort von H. Heißenbüttel, Stuttgart<br />

1983, 51.<br />

Fra Angelico (1395–1455), Kreuzigung, zw. 1438–1446,<br />

Federzeichnung, braun und rot laviert, 29,3 x 19 cm,<br />

Grafische Sammlung Albertina, Wien<br />

von Fra Angelico. Es folgt noch ein Nachspann mit Dostojewskijs<br />

Schilderung von Hans Holbeins Totem Christus,<br />

ganz in der Nähe von Friedrich von Spees „O Traurigkeit,<br />

O Herzeleid ...“ (III, 205). Die ganze Höhe und<br />

Tiefe christlicher Feierfähigkeit gelingt es <strong>Stock</strong> auszuloten,<br />

ob es Weihnachten, Passion, Ostern, Himmelfahrt<br />

oder eher auf das Abstellgleis gestellte Feste wie Fronleichnam<br />

und Herz Jesu sind. Letzteres muss bezeichnenderweise<br />

mit Joseph Beuys enden.<br />

Der jüngst erschienene 4. Band eröffnet sieben „Figuren“,<br />

die sich in der Christologie kulturell reich entwickelt<br />

haben: Lehrer, Erlöser, Hirt, Richter, König, Lamm, und<br />

als Schlussfigur des ganzen Werkes: Das Kreuz. In dieser<br />

Ausfaltung der Architektur der „Drei-Ämter-Lehre“ Christi<br />

(Christus als König, Priester und Prophet) fehlt freilich<br />

der Priester: <strong>Stock</strong> konnte in ihm keine kulturell-poetische<br />

Ausfaltung wie bei den anderen finden.<br />

Dialektisch ökumenisch<br />

<strong>Stock</strong>s Arbeitsplatz der letzten 30 Jahre in der Evangelischen<br />

Theologie hat den katholischen Theologen im besten<br />

Sinne ökumenisch gemacht, mit der eigenen Identität<br />

nicht geizend, aber ebenso diese relativierend. Gerade<br />

auch seine jahrelange Gesangbuchforschung (Mitherausgeber<br />

von: „Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kir-<br />

115


116<br />

chenlieder“ (2001)) verdeutlicht, wie an der Basis reformatorisches<br />

Liedgut in den katholischen Bereich Eingang<br />

gefunden hat und umgekehrt. Auf evangelischem Boden<br />

kann man gerade aus der Ferne Kapitel wie „Herz Jesu“<br />

oder „Fronleichnam“ (III) schreiben, nur aus der Ferne<br />

sich im Kapitel „Richter“ für das „Dies irae“ aufschwingen.<br />

Ein anderer wäre ein Reaktionär: „Plötzlich nicht<br />

nur Spiel“ ... „Recordare, Jesu pie.“ (IV, 212)<br />

Am besten ist die Poetische Dogmatik dort, wo sie „dialektisch<br />

ökumenisch“ wird: Etwa, wie der grandiosen Beschreibung<br />

von Raffaels Disputà die einfache Predella von<br />

Wittenberg mit der Predigt Luthers vom Kreuz kurz dem<br />

kritischen Gedächtnis erinnert wird. „Zu offenkundig<br />

schlägt der Kompass des Evangeliums nach Norden aus<br />

und nicht zur Residenz jener drei Hochrenaissancepäpste“<br />

(IV, 55). Und dennoch, so empfindet der Leser<br />

unwillkürlich, verblasst das Kreuz Luthers vor Raffaels<br />

Disputà oder Michelangelos Jüngstem Gericht. Dialektik<br />

in seinen besten Zügen.<br />

Es ist kein Spiel!<br />

Strenge Vertreter der dogmatischen Zunft sehen in <strong>Stock</strong>s<br />

Systematik neben der ungeteilten Ehrerbietung manchmal<br />

Zufälligkeiten, fordern deutlichere Transparenz in der<br />

Auswahl der Bilder und Texte, ja meinen, sogar hie und<br />

da postmoderne Collage zu erkennen. Ein Gedicht von<br />

Jacottet, Bonnefoy, Jandl, ein Bild von Beuys, Bacon oder<br />

Rainer ... als Dokument in einer Dogmatik? Und warum<br />

bricht er ab, wo es erst richtig interessant wäre? Es ist<br />

kein Spiel, Kritiker! Genau da ist nämlich die Stärke dieses<br />

theologischen Werks anzusiedeln. Er begreift Theologie<br />

als Kunstwerk. („Hierhin Atem!“ (1990) heißt das<br />

Bändchen von <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> zu Huub Oosterhuis.) Ein Manuskript<br />

erfährt bei ihm viele Weglassungen. Kunst ist<br />

ihm nicht nur das Material seines Werks, das er analysiert,<br />

wissenschaftlich genau beschreibt, „wieder erkennendes<br />

Sehen“ ins „sehende Sehen“ überführt (um mit Max Imdahl<br />

zu sprechen), Kunst ist ihm vor allem ein Medium,<br />

die Anschließbarkeit an die Theologie zu erzielen – als<br />

Ort theologischer Erkenntnis. Theologie, das erwartet<br />

sich <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> von der Kunst, kann und muss mit ihr<br />

weitergetrieben werden. Wohin? Das weiß er selbst nicht,<br />

aber er probiert es immer in atemberaubender Weise neu.<br />

Theologie versteht <strong>Stock</strong> als kreativen Prozess. Systematische<br />

Theologen suchen die Abgeschlossenheit der Offenbarung<br />

zu erweisen. Das ist <strong>Stock</strong>s Fragestoß nicht wirklich.<br />

Was über sein Projekt „Poetische Dogmatik“ hinausdrängt,<br />

ist die Frage nach dem religionsgeschichtlichen<br />

Fortgang von Europa. Manche poetische Fragmente auch<br />

innerhalb der Poetischen Dogmatik bringen dies bereits<br />

<strong>zum</strong> Ausdruck. Hölderlins Hymne „Patmos“ ist am Ende<br />

des Geburtskapitels platziert.<br />

„(...) und lassen wollten sie nicht<br />

vom Angesichte des Herrn<br />

und der Heimat (...)<br />

darum auch sandte er Ihnen<br />

Den Geist (...)“<br />

Dogmatisch heißt die Frage im Epilog von „Geburt“ prägnant<br />

etwa: „Ist die Inkarnation ein Zwischenspiel?“ (III,<br />

123)<br />

Konstellation als Diskurs<br />

Titel und Umfang des Werks bringen es mit sich, dass<br />

LeserInnen und Rezensenten vor Erstaunen verblassen<br />

(„Wer von den Jüngeren kann noch so mit den Schätzen<br />

des Abendlandes wuchern?“, G. Fuchs) und ihn in die<br />

Reihe der großen Theologen wie Hans Urs von Balthasar,<br />

Karl Barth (statt „KD“ nun „PD“) oder Friedrich Schleiermacher<br />

stellen, wie jüngst auf einem Symposium auf Burg<br />

Rothenfels zur Poetischen Theologie <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong>s. Aber<br />

all das lässt <strong>Stock</strong> nicht gelten. Die „geheime Dramaturgie“,<br />

in die sich etwa Balthasar „so grandios eingeweiht<br />

sieht“, kann „von der Höhe dieses spekulativen Zugriffs<br />

her“ bei <strong>Stock</strong> „nur gestreift werden“ (III, 13). <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong><br />

ist kein Potentialitäts- oder Spekulationsschreiber, was<br />

Theologie und Kirche eigentlich sein sollen oder könnten,<br />

sondern er hält sich streng an das, was ist, besser: was aus<br />

dem Christentum geworden ist. Und da findet er ziemlich<br />

viel, das den Zauber wieder findet. Aber in diesem Verfahren<br />

ist er einerseits ein Spurenleser, Abstauber, feingliedriger<br />

Archäologe, Museologe, Detektiv und andererseits<br />

ein Zeitgenosse, den nicht die frömmigkeitsgeschichtlichen<br />

Rekonstruktionen interessieren, sondern<br />

der gegenwärtige Diskurs, in dem Sinne, wie Joseph<br />

Beuys das Museum verstand, als eine geistige Forschungsstätte<br />

in freier „Konstellation oder Anordnung, ganz<br />

physisch wie im Laboratorium“ und unter Einbezug der<br />

„Werke und Leute, die einmal gelebt haben und Fragen<br />

gestellt haben“.<br />

Es ist ein Spiel!<br />

Dabei scheint der Gedanke vom herrschaftsfreien Diskurs<br />

der überwältigenden Einsichten und Entdeckungen eine<br />

tragende Rolle zu spielen. Vielleicht ist es doch im besten<br />

Sinne Spiel, was <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong> seinen LeserInnen anbietet,<br />

ein freisetzendes, „freies Geleit gebendes“ Christentum<br />

(Elmar Salmann über <strong>Alex</strong> <strong>Stock</strong>), bis ins kleinste Kapitel<br />

freilich methodisch durchgearbeitet. Aber der Diskurs findet<br />

nicht nur als Gespräch statt, sondern als Konstellation<br />

am Nachthimmel der Überlieferung. Das ist, nebenbei gesagt,<br />

die ganze Zeitlosigkeit dieses Entwurfs.<br />

Denn „in Wirklichkeit, und dem entgegen, was viele heutigen<br />

Tages verkündigen, sind die Werke der Vergangenheit<br />

nur in dem Maße vorhanden und mächtig, als sie<br />

statt zu überschatten, uns erleuchten, statt eine Last zu<br />

sein uns beflügeln.“ (Philippe Jaccottet (IV, 10)) 1<br />

Ad multos annos! Johannes Rauchenberger<br />

1 Die Zahlangaben beziehen sich auf die Bände der Poetischen Dogmatik. Christologie.<br />

1. Figuren, 2. Schrift und Gesicht, 3. Leib und Leben, 4. Figuren. Schöningh-<br />

Verlag Paderborn-Wien-Zürich, 1995-2001.

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