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Satz von Riemann-Roch und Serre-Dualität

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<strong>Satz</strong> <strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Serre</strong>-<strong>Dualität</strong><br />

1 <strong>Satz</strong> <strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong><br />

Jörg Zentgraf<br />

24.01.2006<br />

Wir suchen nun nach einer Aussage über die Anzahl linear unabhängiger meromorpher<br />

Funktionen mit einem gewissen Polstellenverhalten. Diese Aussage wird uns der <strong>Satz</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> liefern. Zunächst definieren wir einen Begriff, der uns helfen soll die<br />

Einschränkung des Polstellenverhaltens genauer zu beschreiben.<br />

Im folgenden sei X immer eine <strong>Riemann</strong>sche Fläche, die nicht notwendigerweise kompakt<br />

ist. Benötigen wir Kompaktheit, so wird dies explizit erwähnt.<br />

Definition 1.1 (Divisoren).<br />

Ein Divisor auf X ist eine Abbildung<br />

D : X → Z,<br />

so dass zu jeder kompakten Teilmenge K ⊂ X nur endlich viele Punkte x ∈ K existieren<br />

mit D(x) = 0. Das heisst ein Divisor ist eine formale Summe <strong>von</strong> Punkten<br />

D = <br />

np(P )<br />

P ∈X<br />

mit np ∈ Z <strong>und</strong> np = 0 für alle bis auf endlich viele P.<br />

Bezüglich der Addition bildet die Menge der Divisoren eine abelsche Gruppe, die wir mit<br />

Div(X) bezeichnen. Zusätzlich führen wir eine Halbordnung ein. Wir nennen D ≤ D ′ ,<br />

falls D(x) ≤ D ′ (x) für alle x ∈ X gilt.<br />

Definition 1.2 (Divisor <strong>von</strong> meromorphen Funktionen <strong>und</strong> Differentialformen).<br />

Sei Y eine offene Teilmenge <strong>von</strong> X <strong>und</strong> f ∈ M(Y ) eine meromorphe Funktion,<br />

sowie a ∈ Y ein Punkt. Dann definiert man als Ordnung der Funktion f in a<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

0, falls f in a holomorph <strong>und</strong> ungleich 0 ist,<br />

k, falls f in a eine Nullstelle k-ter Ordnung hat,<br />

orda(f) :=<br />

⎪⎩<br />

−k, falls f in a einen Pol k-ter Ordnung hat,<br />

∞, falls f in einer Umgebung <strong>von</strong> a identisch 0 ist.<br />

1


Für eine meromophe Funktion f ∈ M(X) \ {0} haben wir eine Abbildung x ↦→ ordx(f).<br />

Diese Abbildung ist der Divisor <strong>von</strong> f auf X <strong>und</strong> wird mit (f) bezeichnet.<br />

Eine Funktion f heisst Vielfaches eines Divisors D, falls (f) ≥ D. f ist somit genau<br />

dann holomorph, wenn (f) ≥ 0. Nun bleibt noch zu erklären wie man die Ordnung einer<br />

Differentialform im Punkt a ∈ Y definiert. Ist ω ∈ M (1) (Y ) eine Differentialform, dann<br />

wählt man eine Umgebung (U,z) <strong>von</strong> a. In U ∪ Y lässt sich ω schreiben als ω = df<br />

mit einer meromorphen Funktion f. Man setzt nun orda(ω) = orda(f). Analog zu oben<br />

ist die Abbildung x ↦→ ordx(ω) ein Divisor, der mit (ω) bezeichnet wird. Es gilt für<br />

f, g ∈ M(X) \ {0} <strong>und</strong> ω ∈ M (1) (X) \ {0}<br />

(fg) = (f) + (g), (fw) = (f) + (ω),<br />

<br />

1<br />

= −(f).<br />

f<br />

Ein Divisor D heisst Hauptdivisor, wenn es eine Funktion f ∈ M(X) \ {0} gibt, so<br />

dass (f) = D. Zwei Divisoren D <strong>und</strong> D ′ heissen äquivalent, wenn ihre Differenz D−D ′<br />

ein Hauptdivisor ist. Unter einem kanonischen Divisor versteht man den Divisor (ω)<br />

einer meromorphen Differentialform ω ∈ M (1) (X) \ {0}.<br />

Definition 1.3 (Grad eines Divisors). Sei nun X kompakt. Für jedes D ∈ Div(X)<br />

ist dann D(x) = 0 für nur endlich viele x ∈ X. Man kann deshalb einen Grad<br />

definieren durch<br />

deg : Div(X) → Z<br />

deg D := <br />

D(x).<br />

x∈X<br />

Die Abbildung deg ist ein Gruppenhomomorphismus. Für einen Hauptdivisor (f) auf<br />

einer kompakten den Unterverktorraum<br />

Im(ιD) ⊂ H1 (X, ODn)∗den Unterverktorraum<br />

Im(ιD) ⊂ H1 (X, ODn)∗<strong>Riemann</strong>schen Fläche gilt deg(f)=0, da eine meromorphe Funktion<br />

so viele Nullstellen wie Polstellen besitzt. Deshalb haben äquivalente Divisoren denselben<br />

Grad.<br />

Nun kann man auch Garben zu einem vorgegebenen Divisor definieren.<br />

Definition 1.4. Sei D ein Divisor auf X. Für eine offene Menge U ⊂ X sei OD(U)<br />

die Menge aller meromorpher Funktionen in U, die Vielfache des Divisors −D sind.<br />

OD(U) = {f ∈ M(U)|ordx(f) ≥ −D(x) ∀x ∈ U}<br />

Führt man die natürlichen Beschränkungsabbildungen ein, so wird OD(U) zu einer Garbe.<br />

Insbesondere gilt O0 = O für den Nulldivisor D = 0.<br />

Sind D, D ′ ∈ Div(X) zwei äquivalente Divisoren, so sind die Garben OD <strong>und</strong> OD ′<br />

isomorph. Einen Isomorphismus erhält man indem man ein ψ ∈ M(X) \ {0} wählt<br />

mit D − D ′ = (ψ). Dann ist der durch Garbenmultiplikation mit ψ induzierte Garben-<br />

Homomorphismus<br />

ein Isomorphismus.<br />

OD → OD ′, f ↦→ ψf<br />

2


<strong>Satz</strong> 1.5. Sei X wieder kompakt <strong>und</strong> D ∈ Div(X) ein Divisor mit deg(D) < 0. Dann<br />

gilt H 0 (X, OD)=0.<br />

Beweis. Angenommen, es gäbe ein f ∈ H 0 (X, OD), f = 0. Dann wäre (f) ≥ −D, also<br />

deg(f) ≥ −degD > 0.<br />

Dies ist aber ein Widerspruch zu deg(f) = 0.<br />

Ein wichtiges Hilfsmittel, das wir im Beweis des <strong>Satz</strong>es <strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> benötigen<br />

′. Diese werden wir jetzt definieren. Dazu benötigen wir zunächst<br />

sind die Garben HD D<br />

zwei Divisoren D <strong>und</strong> D ′ auf der <strong>Riemann</strong>schen Fläche mit D ≤ D ′ . Dann ist für je-<br />

de offene Menge U ⊂ X auch OD(U) ⊂ OD ′(U). Somit hat man einen natürlichen<br />

Garbenmonomorphismus OD → OD ′. Nun sei x ∈ X ein Punkt <strong>und</strong> (U, z) eine Koor-<br />

dinatenumgebung <strong>von</strong> x mit z(x) = 0. Wir definieren k := D(x) <strong>und</strong> k ′ := D ′ (x). Der<br />

Halm OD,x sei nun definiert als Menge aller meromorphen Funktionskeime f in x, deren<br />

Laurent-Entwicklung als<br />

f =<br />

∞<br />

cvz v<br />

v=−k<br />

geschrieben werden kann. Analog definiert man OD ′ ,x. Somit ist der Quotient OD ′ ,x/OD,x<br />

ein C-Vektorraum der Dimension k ′ − k. Jedes Element dieses Vektorraums können wir<br />

eindeutig schreiben als<br />

−k−1 <br />

v=−k ′<br />

cvz v mit cv ∈ C.<br />

Mit den natürlichen Beschränkungsabbildungen können wir nun die folgende Definition<br />

machen.<br />

Definition 1.6. Die Garbe HD D ′ ist definiert durch<br />

H D <br />

D ′(U) := OD<br />

x∈U<br />

′ ,x/OD,x für U ⊂ X offen.<br />

Für jede offene Menge U ⊂ X mit D|U = D ′ |U gilt HD D ′ = 0. Daraus folgt HD D ′ ,x = 0 für<br />

alle x ∈ X mit D(x) = D ′ (x). Allgemein gilt HD D ′ ,x = OD ′ ,x/OD,x. Somit haben wir einen<br />

Garben-Epimorphismus OD ′ → HD D ′ mit Kern OD, also eine exakte Garbensequenz<br />

Lemma 1.7. Es gilt<br />

Ist X außerdem kompakt, so gilt<br />

0 → OD → OD ′ → HD D ′ → 0. (1)<br />

H 1 (X, H D D ′) = 0.<br />

dim H 0 (X, H D D ′) = degD′ − degD.<br />

3


Beweis. Sei S die Menge der Punkte x ∈ X, an denen D(x) = D ′ (x) ist. Diese Menge<br />

ist abgeschlossen <strong>und</strong> diskret. Wir nehmen nun eine Cohomologieklasse ρ ∈ H1 (X, HD D ′),<br />

die durch einen Cozyklus aus Z1 (U, HD D ′) repräsentiert wird. Es existiert eine Verfeinerung<br />

B = (Vα)α∈A der Überdeckung U, so dass jede Menge Vα in der Verfeinerung<br />

höchstens einen Punkt <strong>von</strong> S enthält. Für α = β gilt dann HD D ′(Vα ∩ Vβ) = 0, also auch<br />

Z1 (B, HD D ′) = 0 <strong>und</strong> somit folgt ρ = 0. Ist X zusätzlich kompakt, so ist S endlich <strong>und</strong><br />

es gilt<br />

<br />

′) = dim OD ′ ,x/OD,x = <br />

(D ′ (x) − D(x)) = degD ′ − degD<br />

dim H 0 (X, H D D<br />

x∈S<br />

Wenn man die exakte Garbensequenz (1) zu einer exakten Cohomologiesequenz erweitert,<br />

so ergibt sich<br />

Korollar 1.8. Sind D ≤ D ′ zwei Divisoren auf X, so ist die folgende Sequenz exakt :<br />

0 → H 0 (X, OD) → H 0 (X, OD ′) → H0 (X, H D D ′) → H1 (X, OD) → H 1 (X, OD ′) → 0<br />

<strong>Satz</strong> 1.9 (<strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> 1 ). Für jeden Divisor D auf einer kompakten <strong>Riemann</strong>schen<br />

Fläche X vom Geschlecht g(=dim H 1 (X, O)) sind H 0 (X, OD) <strong>und</strong> H 1 (X, OD) endlichdimensionale<br />

Vektorräume <strong>und</strong> es gilt<br />

x∈S<br />

dim H 0 (X, OD) − dim H 1 (X, OD) = 1 − g + degD.<br />

Beweis.<br />

a) Die Aussage ist richtig für den Nulldivisor D = 0. Denn H 0 (X, OD) = O(X) besteht<br />

nur aus den konstanten Funktionen, also ist dim H 0 (X, OD) = 1 <strong>und</strong> nach Definition ist<br />

dim H 1 (X, O) = g.<br />

b) Nun seien D ≤ D ′ zwei Divisoren auf X. Wir spalten die exakte Sequenz aus Korollar<br />

1.8 in zwei kurze exakte Sequenzen auf. Sei<br />

V D D ′ := Im H 0 (X, OD ′) → H0 (X, H D D ′) ,<br />

W D D ′ := H0 (X, H D D ′)/VD D ′.<br />

Somit gilt dim V D D ′ + dim WD D ′ = degD′ − degD <strong>und</strong> wir haben die exakten Sequenzen<br />

0 → H 0 (X, OD) → H 0 (X, OD ′) → VD D ′ → 0,<br />

0 → W D D ′ → H1 (X, OD) → H 0 (X, OD ′) → 0.<br />

Also sind alle auftretenden Vektorräume endich-dimensional <strong>und</strong> es gelten die Dimensionsgleichungen<br />

dim H 0 (X, OD ′) = dim H0 (X, OD) + dim V D D ′,<br />

dim H 1 (X, OD) = dim H 0 (X, OD ′) + dim WD D ′.<br />

1 Georg Friedrich Bernhard <strong>Riemann</strong>(1826-1866), Gustav <strong>Roch</strong>(1839-1866). Der <strong>Satz</strong> war zunächst als<br />

<strong>Riemann</strong>sche Ungleichung (ohne den Term H 1 (X, OD)) formuliert, wurde dann 1864 <strong>von</strong> <strong>Roch</strong> als<br />

<strong>Satz</strong> für <strong>Riemann</strong>sche Flächen in seine endgültige Form gebracht.<br />

4


Addieren wir diese beiden Gleichungen, so erhalten wir<br />

dim H 0 (X, OD ′) − dim H0 (X, OD ′) − degD′ =<br />

dim H 0 (X, OD) − dim H 1 (X, OD) − degD.<br />

Gilt also die Formel <strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> für einen der beiden Divisoren, so gilt sie auch<br />

für den anderen. Nach a) gilt der <strong>Satz</strong> für alle Divisoren D ′ ≥ 0. Sei nun D ein beliebiger<br />

Divisor, so kann man einen Divisor D ′ finden, mit D ′ ≥ 0 <strong>und</strong> D ≤ D ′ . Deshalb gilt der<br />

<strong>Satz</strong> auch für D.<br />

Definition 1.10. Man nennt<br />

den Spezialitätsindex des Divisors D.<br />

i(D) := dim H 1 (X, OD)<br />

Man kann den <strong>Satz</strong> <strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> somit schreiben als<br />

dim H 0 (X, OD) = 1 − g + degD + i(D).<br />

<strong>Satz</strong> 1.11. Sei X kompakt vom Geschlecht g <strong>und</strong> a ∈ X ein Punkt. Dann gibt es eine<br />

nicht-konstante meromorphe Funktion f, die in a einen Pol der Ordnung ≤ g + 1 hat<br />

<strong>und</strong> sonst holomorph ist.<br />

Beweis. Sei D der Divisor mit D(a) = g + 1 <strong>und</strong> D(x) = 0 für x = a. Nach dem <strong>Satz</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> ist<br />

dim H 0 (X, OD) ≥ 1 − g + degD = 2<br />

Es gibt also eine nichtkonstante Funktion f ∈ H 0 (X, OD), die die Bedingungen des<br />

<strong>Satz</strong>es erfüllt.<br />

Korollar 1.12. Zu jeder <strong>Riemann</strong>schen Fläche X vom Geschlecht g gibt es eine holomorphe<br />

Überlagerungsabbildung f : X → P 1 mit höchstens g + 1 Blättern.<br />

Beweis. Die in <strong>Satz</strong> 1.11 genannte Funktion f ist eine solche Überlagerungsabbildung,<br />

da der Wert ∞ mit einer Vielfachheit ≤ g + 1 angenommen wird.<br />

Korollar 1.13. Jede <strong>Riemann</strong>sche Fläche vom Geschlecht 0 ist isomorph zur <strong>Riemann</strong>schen<br />

Zahlenkugel.<br />

Beweis. Dies folgt direkt daraus, dass eine n-blättrige Überlagerung biholomorph ist.<br />

5


2 <strong>Serre</strong>-<strong>Dualität</strong><br />

Das nächste Ziel ist es durch Differentialformen eine einfachere Interpretation der Cohomologiegruppen<br />

H 1 (X, OD) zu erhalten. Es ergibt sich, dass dim H 1 (X, OD) gleich der<br />

Maximalzahl linear unabhängiger meromorpher Differentialformen ist, die Vielfache des<br />

Divisors D sind. Dazu bedarf es einiger Vorbereitungen.<br />

Definition 2.1. Ist X eine kompakte <strong>Riemann</strong>sche Fläche, dann impliziert aufgr<strong>und</strong> des<br />

<strong>Satz</strong>es <strong>von</strong> Dolbeault die exakte Sequenz<br />

0 → Ω → E 1,0 → E (2) → 0<br />

(Erinnerung : Ω : Garbe der holomorphen Differentialformen, E 1,0 : Garbe der differenzierbaren<br />

(1,0)-Formen, E (2) : Garbe der differenzierbaren 2-Formen)<br />

einen Isomorphismus H 1 (X, Ω) ∼ = E (2) (X)/dE 1,0 (X). Ist nun ψ ∈ H 1 (X, Ω) <strong>und</strong> ω ∈<br />

E (2) (X) ein Repräsentant <strong>von</strong> ψ bzgl. des Isomorphismus, dann sei<br />

Res(ψ) 1<br />

<br />

ω<br />

2πi<br />

das Residuum <strong>von</strong> ω. Diese Definition ist unabhängig <strong>von</strong> der Wahl des Repräsentanten.<br />

Definition 2.2 (Mittag-Leffler-Verteilung <strong>von</strong> Differentialformen). Sei X eine<br />

<strong>Riemann</strong>sche Fläche, M (1) die Garbe der meromorphen Differentialformen auf X <strong>und</strong><br />

U = (Ui)i∈I eine offene Überdeckung <strong>von</strong> X. Eine Cokette µ = (ωi) ∈ C 0 (U, M (1) heisst<br />

Mittag-Leffler-Verteilung, falls die Differenzen ωj − ωi in Ui ∪ Uj holomorph sind,<br />

d.h. δµ ∈ Z 1 (U, Ω). [δµ] ∈ H 1 (X, Ω) sei die Cohomologieklasse <strong>von</strong> δµ.<br />

Sei nun a ∈ X ein Punkt, das Residuum der Mittag-Leffler-Verteilung µ = (ωi) im<br />

Punkt a wird definiert, indem man ein i ∈ I wählt mit a ∈ Ui <strong>und</strong><br />

X<br />

Resa(µ) := Resa(ωi)<br />

setzt. Da für a ∈ Ui ∩ Uj die Differenz ωi − ωj holomorph ist, haben ωj <strong>und</strong> ωi in a<br />

dasselbe Residuum, die Definition ist also unabhängig <strong>von</strong> i ∈ I.<br />

Wir nehmen nun an, dass die <strong>Riemann</strong>sche Fläche X kompakt ist. Dann gilt Resa(µ) = 0<br />

nur für endliche viele Punkte a. Man kann also<br />

Res(µ) := <br />

Resa(ωi)<br />

a∈X<br />

definieren. Wir zeigen nun, wie diese beiden Definitionen des Residuums zusammenhängen.<br />

<strong>Satz</strong> 2.3. Mit den obigen Bezeichnungen gilt Res(µ) = Res([δµ]).<br />

Beweisskizze :<br />

Es muss die explizite Konstruktion des Isomorphismus H 1 (X, Ω) ∼ = E (2) (X)/dE 1,0 (X)<br />

verfolgt werden.<br />

6


Definition 2.4. Sei X eine kompakte <strong>Riemann</strong>sche Fläche. Für einen Divisor<br />

D ∈ Div(X) sei ΩD die Garbe der meromorphen Differentialformen, die Vielfache <strong>von</strong><br />

−D sind.<br />

ΩD(U) = {ω ∈ M (1) (U)|ordx(ω) ≥ −D(x) ∀x ∈ U}<br />

Insbesondere ist Ω0 = Ω die Garbe aller holomorphen Differentialformen.<br />

Ist nun ω ∈ M (1) (X) eine nichtverschwindende meromorphe Differentialform auf X,<br />

z.B. ω = df mit einer nichtkonstanten meromorphen Funktion f ∈ M(X) <strong>und</strong> sei<br />

K der Divisor <strong>von</strong> ω. Dann induziert für einen beliebigen Divisor D ∈ Div(X) die<br />

Multiplikation mit ω einen Garbenisomorphismus<br />

OD+K ∼ = ΩD, f ↦→ fω (2)<br />

Hilfssatz 2.5. Es gibt eine Konstante k0 ∈ Z, so dass für alle D ∈ Div(X)<br />

gilt.<br />

dim H 0 (X, ΩD) ≥ degD + k0<br />

Beweis. Seien ω <strong>und</strong> K wie oben. Das Geschlecht <strong>von</strong> X sei g. Wir setzen k0 :=<br />

1 − g + degK. Dann gilt wegen <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong><br />

dim H 0 (X, ΩD) = dim H 0 (X, OD+K) =<br />

= dim H 1 (X, OD+K) + 1 − g + deg(D + K) ≥ degD + k0.<br />

Definition 2.6 (Duale Paarung). Sei D ein Divisor. Das Produkt<br />

induziert eine Abbildung<br />

Ω−D × OD → Ω,<br />

(ω, f) ↦→ ωf<br />

H 0 (X, Ω−D) × H 1 (X, OD) → H 1 (X, Ω).<br />

Die Zusammensetzung dieser Abbildung mit Res : H 1 (X, Ω) → C ergibt eine bilineare<br />

Abbildung<br />

< ·, · >: H 0 (X, Ω−D) × H 1 (X, OD) → C,<br />

< ω, ψ >:= Res(ωψ).<br />

Diese Abbildung induziert eine lineare Abbildung<br />

ιD : H 0 (X, Ω−D) → H 1 (X, OD) ∗<br />

<strong>von</strong> H 0 (X, Ω−D) in den Dualraum <strong>von</strong> H 1 (X, OD).<br />

7


Der <strong>Serre</strong>sche <strong>Dualität</strong>ssatz wird zeigen, dass < ·, · > eine duale Paarung, also ιD ein<br />

Isomorphismus ist.<br />

<strong>Satz</strong> 2.7. Die Abbildung ιD ist injektiv.<br />

Beweis. Es ist zu zeigen, dass zu jedem ω ∈ H 0 (X, Ω−D) mit ω = 0 ein ξ ∈ H 1 (X, OD)<br />

existiert mit < ω, ξ >= 0. Dazu nehmen wir einen Punkt a ∈ X mit D(a) = 0 <strong>und</strong> eine<br />

Koordinaten-Umgebung (U0, z) <strong>von</strong> a mit z(a) = 0 <strong>und</strong> D|U0 = 0. In U0 kann man ω<br />

schreiben als ω = fdz mit f ∈ O(U0). Wir können annehmen, dass U0 so klein ist, dass<br />

f in U0 \ {a} keine Nullstelle besitzt. Dann setzen wir U1 = X \ {a} <strong>und</strong> V = (U0, U1).<br />

Sei η = (f0, f1) ∈ C 0 (V, M) definiert durch f0 = (zf) −1 <strong>und</strong> f1 = 0. Dann ist<br />

ωη =<br />

<br />

dz<br />

, 0<br />

z<br />

∈ C 0 (V, M (1) )<br />

eine Mittag-Leffler-Verteilung mit Res(ωη) = 1. Es gilt δη ∈ Z 1 (V, OD). Nun sei ξ =<br />

[δη] ∈ H 1 (X, OD) die Cohomologie-Klasse <strong>von</strong> δη. Da ωξ = ω[δη] = [δ(ωη)] gilt, folgt<br />

aus <strong>Satz</strong> 2.3<br />

< ω, ξ >= Res(ωξ) = Res([δ(ωη)]) = Res(ωη) = 1.<br />

<strong>Satz</strong> 2.8 (<strong>Dualität</strong>ssatz <strong>von</strong> <strong>Serre</strong> 2 ).<br />

Für jeden Divisor D auf einer kompakten <strong>Riemann</strong>schen Fläche X ist die Abbildung<br />

ein Isomorphismus.<br />

ιD : H 0 (X, Ω−D) → H 1 (X, OD) ∗<br />

Beweis. Wegen <strong>Satz</strong> 2.7 ist nur noch die Surjektivität <strong>von</strong> ιD zu zeigen. Hier nur eine<br />

kurze Beweisskizze. Wir wählen ein λ ∈ H 1 (X, OD) ∗ , λ = 0 <strong>und</strong> müssen zeigen, dass<br />

λ im Bild <strong>von</strong> ιD liegt. Es wird ein weiterer Divisor P eingeführt mit degP = 1, dann<br />

sei Dn = D − nP . Man findet ein ψ ∈ H 0 (X, OnP ) <strong>und</strong> ein ω ∈ H 0 (X, Ω−Dn) mit<br />

ψλ = ιDn(ω). Dann folgt für ω0 := 1<br />

ψ ω ∈ H0 (X, Ω−D), dass λ = ιD(ω0) gilt.<br />

Häufig benutzt man <strong>von</strong> der <strong>Serre</strong>-<strong>Dualität</strong> nur die Dimensionsformel<br />

Man erhält also insbesondere für D = 0<br />

dim H 1 (X, OD) = dim H 0 (X, Ω−D).<br />

g = dim H 1 (X, O) = dim H 0 (X, Ω),<br />

das Geschlecht einer <strong>Riemann</strong>schen Fläche ist also gleich der Maximalzahl linear unabhängiger<br />

Differentialformen auf X.<br />

Den <strong>Satz</strong> <strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> kann man also auch formulieren als<br />

2 Jean-Pierre <strong>Serre</strong>, geb.15.9.1926<br />

dim H 0 (X, O−D) − dim H 0 (X, ΩD) = 1 − g − degD.<br />

8


Auf einer kompakten <strong>Riemann</strong>schen Fläche vom Geschlecht g ist die Maximalzahl linear<br />

unabhängiger meromorpher Funktionen, die Vielfache eines Divisors D sind, minus der<br />

Maximalzahl linear unabhängiger meromorpher Differentialformen, die Vielfache <strong>von</strong><br />

−D sind, gleich 1 − g − degD.<br />

<strong>Satz</strong> 2.9. Sei D ein Divisor <strong>und</strong> X kompakt. Dann gilt<br />

H 0 (X, Ω−D) ∼ = H 1 (X, ΩD) ∗<br />

Beweis. Sei ω0 eine meromorphe Differentialform auf X <strong>und</strong> K ihr Divisor. Es gilt dann<br />

ΩD ∼ = OK+D <strong>und</strong> Ω−D ∼ = Ω−D−K. Die Behauptung folgt dann aus dem <strong>Dualität</strong>ssatz.<br />

Somit erhält man für D = 0<br />

dim H 1 (X, Ω) = dim H 0 (X, O) = 1.<br />

<strong>Satz</strong> 2.10. Für den Divisor einer nichtverschwindenden meromorphen Differentialform<br />

ω auf einer kompakten <strong>Riemann</strong>schen Fläche vom Geschlecht g gilt<br />

deg(ω) = 2g − 2.<br />

Beweis. Sei K = (ω). Nach <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> gilt<br />

Es gilt Ω ∼ = OK, also<br />

d.h. degK = 2(g − 1)<br />

dim H 0 (X, OK) − dim H 1 (X, OK) = 1 − g + degK.<br />

1 − g + degK = dim H 0 (X, Ω) − dim H 1 (X, Ω) = g − 1<br />

Seien nun X, Y kompakte <strong>Riemann</strong>sche Flächen <strong>und</strong> f : X → Y eine nicht-konstante<br />

holomorphe Abbildung. Für x ∈ X sei v(f, x) die Vielfachheit mit der f im Punkt x<br />

den Wert f(x) annimmt. Wir bezeichnen die Zahl<br />

b(f, x) := v(f, x) − 1<br />

als die Verzweigungsordnung <strong>von</strong> f im Punkte x. Es gilt also b(f, x) = 0 genau denn,<br />

wenn f in x unverzweigt ist. Da X kompakt ist, gibt es nur endlich viele Punkte x ∈ X<br />

mit b(f, x) = 0, also ist<br />

b(f) := <br />

b(f, x),<br />

x∈X<br />

die Gesamtverzweigungsordnung <strong>von</strong> f wohldefiniert.<br />

<strong>Satz</strong> 2.11 (<strong>Riemann</strong>-Hurwitz 3 Formel). Sei f : X → Y eine n-blättrige Überlagerungsabbildung<br />

zwischen den kompakten <strong>Riemann</strong>schen Flächen X, Y mit der Gesamtverzweigungsordnung<br />

b = b(f). Sei g das Geschlecht <strong>von</strong> X <strong>und</strong> g ′ das Geschlecht <strong>von</strong><br />

Y . Dann gilt die <strong>Riemann</strong>-Hurwitz-Formel<br />

3 Adolf Hurwitz(26.3.1859-18.11.1919)<br />

g = b<br />

2 + n(g′ − 1) + 1.<br />

9


Beweis. Sei ω eine nichtverschwindende meromorphe Differentialform auf Y . Dann gilt<br />

deg(ω) = 2g ′ − 2 <strong>und</strong> deg(f ∗ ω) = 2g − 2. Sei x ∈ X <strong>und</strong> f(x) = y. Es gibt Koordinaten-<br />

Umgebungen (U, z) <strong>von</strong> x <strong>und</strong> (U ′ , w) <strong>von</strong> y mit z(x) = 0 bzw. w(y) = 0, so dass<br />

sich f bzgl. dieser Koordinaten als w = z k mit k = v(f, x) schreiben lässt. In U ′ sei<br />

ω = ψ(w)dw. Dann gilt in U<br />

Daraus folgt<br />

f ∗ ω = ψ(z k )dz k = kz k−1 ψ(z k )dz<br />

ordx(f ∗ ω) = b(f, x) + v(f, x)ordy(ω).<br />

Aus {v(f, x)|x ∈ f −1 (y)} = n folgt für jedes y ∈ Y<br />

<br />

ordx(f ∗ ω) = <br />

b(f, x) + n · ordy(ω),<br />

also<br />

x∈f −1 (y)<br />

x∈f −1 (y)<br />

deg(f ∗ ω) = <br />

ordx(f ∗ ω) = <br />

x∈X<br />

<br />

y∈Y x∈f −1 (y)<br />

ordx(f ∗ ω)<br />

= <br />

b(f, x) + n <br />

ordy(ω) = b(f) + n · deg(ω).<br />

x∈X<br />

y∈Y<br />

Daraus folgt 2g − 2 = b + n(g ′ − 2), also die Behauptung.<br />

<strong>Satz</strong> 2.12. Sei X eine kompakte <strong>Riemann</strong>sche Fläche vom Geschlecht g <strong>und</strong> D ein<br />

Divisor auf X. Dann gilt<br />

H 1 (X, OD) = 0, falls degD > 2g − 2.<br />

Beweis. Sei ω eine nichtverschwindende Differentialform <strong>und</strong> K ihr Divisor, dann<br />

gilt die Isomorphie Ω−D ∼ = OK−D. Somit gilt auch H 1 (X, OD) ∗ ∼ = H 0 (X, Ω−D) ∼ =<br />

H 0 (X, OK−D). Ist nun degD > 2g − 2, dann ist deg(K − D) < 0, also nach dem <strong>Satz</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Riemann</strong>-<strong>Roch</strong> auch H 0 (X, OK−D) = 0.<br />

Korollar 2.13. Für die Garbe M der meromorphen Funktionen auf einer kompakten<br />

<strong>Riemann</strong>schen Fläche X gilt<br />

H 1 (X, M) = 0<br />

Beweis. Sei ξ ∈ H 1 (X, M) eine Cohomologieklasse, die durch einen Cozyklus (fij) ∈<br />

Z 1 (U, M) repräsentiert wird. Indem man notfalls zu einer geeigneten Verfeinerung übergeht,<br />

kann man o.B.d.A. annehmen, dass die fij insgesamt nur endlich viele Polstellen<br />

aufweisen. Es gibt deshalb einen Divisor D mit degD > 2g−2, so dass (fij) ∈ Z 1 (U, OD).<br />

Nach <strong>Satz</strong> 2.12 zerfällt der Cozyklus (fij) bezüglich der Garbe OD, also erst recht bzgl.<br />

M.<br />

Die Garbe M (1) der meromorphen Differentialformen ist isomorph zu M, eine Isomorphie<br />

ist gegeben durch die Zuordnung f ↦→ fω, wobei ω = 0 ein festes Element <strong>von</strong><br />

M (1) (X) ist. Also gilt auch H 1 (X, M (1) ) = 0.<br />

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