KULTURBERICHT
KULTURBERICHT
KULTURBERICHT
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>KULTURBERICHT</strong><br />
2004
INHALT<br />
10 - 11 Wir wirken hier und jetzt…<br />
12 - 13 Kultur und Wirtschaft: Kein ungleiches Paar<br />
14 - 15 Und noch ‘nen Bericht?<br />
16 - 17 Rückblick 2004<br />
20 - 31 Architekturwoche A2<br />
Wir rücken zusammen<br />
Stadt im Fluss<br />
Für die Ewigkeit?<br />
32 - 47 Betreten erlaubt<br />
Mind the Gap<br />
Kunst oder Architektur?<br />
48 - 55 Lyrik im Aufzug<br />
Notizen zur Poesie<br />
Das reimt sich…<br />
56 - 77 Lieber Maler, male mir<br />
Von Rembrandt bis Picasso<br />
78 - 85 LILALU<br />
Es war einmal…<br />
Applaudiert, Bürger!<br />
86 - 89 Die Gedanken sind frei<br />
96 - 97 Kalender 2005<br />
99 Impressum<br />
„Das Ganze ist mehr als die<br />
Summe seiner Teile“<br />
Aristoteles
Peter Vogel,<br />
„Klanginstallation“,<br />
2001
Pressekonferenz<br />
Kinderzirkus LILALU,<br />
E.ON Energie, Piazza
Ausstellungseröffnung<br />
„Betreten erlaubt“,<br />
Installation Stephan<br />
Fritsch / Stefan Eberstadt,<br />
E.ON Energie,<br />
Piazza
Hartmut Geldmacher<br />
Mitglied des Vorstands der E.ON Energie AG<br />
10 KUNST IM UNTERNEHMEN<br />
WIR WIRKEN HIER UND JETZT…<br />
…UND DAS AUS ÜBERZEUGUNG<br />
__ Liebe Leserin, lieber Leser, Kunst<br />
und Kultur präsentieren wir bei E.ON Energie<br />
immer wieder unter dieser Devise. Wir sind<br />
aber auch davon überzeugt, dass es mit<br />
dem Wirken im Hier und Jetzt nicht getan<br />
ist. Unser Konzept ist kein klassisches. Wir<br />
sehen uns nicht als Konkurrenz zu einem<br />
Museum.<br />
Kunst und Kultur haben bei uns etwas mit<br />
Erleben zu tun; Kunst muss – zumindest zeitweilig<br />
– auch anfassbar sein; Kunst muss<br />
in Gebrauch genommen werden dürfen. Ist<br />
es doch oft schade, dass Kunst jeglicher Art<br />
meist mit dem Satz „Berühren verboten“ versehen<br />
ist. Berührungsängsten mit der Kunst<br />
treten wir bewusst entgegen. Unser Ziel ist<br />
es, den Mitarbeitern – aber auch unseren<br />
Gästen und Besuchern –, die tagtäglich durch<br />
unsere Halle, wir sagen „die Piazza“, gehen,<br />
einen Perspektivenwechsel und damit neue<br />
Sichtweisen auf ihren Alltag zu bieten.<br />
Wir wollen provozieren, irritieren und zu Diskussionen<br />
anregen. Wir wollen die üblichen<br />
Wahrnehmungsstrukturen aufbrechen und<br />
die Automatismen des Tagesgeschäfts durchbrechen.<br />
Kurz: Wir wollen den Austausch<br />
und die Auseinandersetzung initiieren. Viel<br />
Diskussionsstoff haben neben der Bildenden<br />
Kunst auch unsere Konzerte, Kabaretts,<br />
Theaterstücke und sogar eine Barockoper<br />
geboten. Und Kunst muss in diesem Zusammenhang<br />
nicht auf einem extrem hohen<br />
Preisniveau stattfinden. Wir geben vor allem<br />
jüngeren, noch unbekannten Künstlern<br />
eine Chance.<br />
Wir arbeiten in einem Umfeld, das ständigen<br />
Veränderungen unterliegt. In den letzten<br />
Jahren haben wir als Unternehmen<br />
einen Wandel vollzogen zu einem im Wettbewerb<br />
stehenden Konzern. Unsere Mitarbeiter<br />
begegnen den damit verbundenen Veränderungen<br />
täglich. Kunden- und Leistungsorientierung<br />
aber auch gesellschaftliche<br />
Verantwortung sind neue Wertmaßstäbe. Ein<br />
Höchstmaß an Flexibilität, Mobilität und vernetztem<br />
Denken ist gefragt. Insbesondere<br />
mit unseren Vortragsreihen wollen wir unseren<br />
Mitarbeitern hierzu Denkanstöße geben<br />
und sie dabei unterstützen, neben den ausgetretenen<br />
Pfaden neue Erkenntnisse zu<br />
gewinnen.<br />
Ich freue mich, wenn wir auch Ihnen mit<br />
diesem Kulturbericht Denkanstöße geben<br />
können.<br />
Ihr Hartmut Geldmacher<br />
11
Dr. Thomas Goppel<br />
Bayerischer Staatsminister für<br />
Wissenschaft, Forschung und Kunst<br />
12 KUNST IM UNTERNEHMEN<br />
KULTUR UND WIRTSCHAFT:<br />
KEIN UNGLEICHES PAAR<br />
__ Kunst und Wirtschaft, Geist<br />
und Markt – nur auf den ersten Blick scheinen<br />
diese Begriffe Gegensätze zu sein.<br />
Bei genauem Hinsehen wird jedoch schnell<br />
deutlich, dass Kultur und Wirtschaft sehr<br />
wohl sich gegenseitig beflügelnde Partner<br />
sind. Schon Goethe wusste: „Denn es ist<br />
zuletzt doch nur der Geist, der jede Technik<br />
lebendig macht.“ Geist ist hier im doppelten<br />
Sinne zu verstehen: Zum einen sind Innovationsgeist<br />
und Forscherdrang bedeutende<br />
Wirtschaftsfaktoren. Zum anderen haben<br />
aber auch Kunst und Kultur als Ausdruck<br />
der kreativen Seite des Geistes einen hohen<br />
Marktwert. Für Unternehmensansiedlungen<br />
ist das kulturelle Leben einer Region<br />
schon seit Jahrzehnten ein entscheidender<br />
Standortfaktor. Der Wettbewerb um hoch<br />
qualifizierte Arbeitskräfte wird zunehmend<br />
über die Lebensqualität eines Standortes<br />
entschieden – und dazu gehört unverzichtbar<br />
ein entsprechendes kulturelles Angebot.<br />
Auch die Bedeutung der Kultur als Wirtschaftsfaktor<br />
rückt immer mehr ins Bewusstsein.<br />
Ein klassisches Beispiel hierfür ist der<br />
Denkmalschutz: Jeder vom Staat investierte<br />
Förder-Euro löst in diesem Bereich das<br />
Sieben- bis Neunfache an privaten Investitionen<br />
aus. Daneben verzeichnen wir allein in<br />
Bayern pro Jahr über 20 Millionen Museumsbesucher.<br />
Nicht nur die Tourismusbranche<br />
profitiert von solchen Zahlen. Investitionen<br />
in die Kunst zahlen sich aus. Mit fast 7 %<br />
Umsatzanteil der Kulturwirtschaft an der<br />
Gesamtwirtschaft liegt Bayern deutlich über<br />
dem Bundesdurchschnitt und an der Spitze<br />
aller Flächenländer. Kultur ist also kein schönes,<br />
nutzloses Anhängsel. Kultur trägt vielmehr<br />
zu einer erfolgreichen Wirtschafts- und<br />
Regionalentwicklung bei.<br />
Aber auch umgekehrt profitiert die Kunst von<br />
der Wirtschaft. Das Engagement vieler Firmen<br />
beflügelt das kulturelle Leben unseres<br />
Landes. Gerade in Zeiten knapper Kassen<br />
kommt privaten Sammlern ebenso wie dem<br />
unternehmerischen „Kultur-Sponsoring“ eine<br />
große Bedeutung zu. Herausgreifen möchte<br />
ich die regelmäßigen Kunstausstellungen<br />
der E.ON Energie am Münchner Hauptsitz und<br />
den Kulturpreis der E.ON Bayern, der Nachwuchskünstler<br />
und junge Wissenschaftler in<br />
Bayern umfassend fördert. Dies sind großartige<br />
Belege für das erfolgreiche Zusammenwirken<br />
von privater und öffentlicher Hand,<br />
für das wiederholt geforderte „PPP“, Public-<br />
Private-Partnership. Viele weitere Firmen<br />
setzen ähnliche Glanzlichter in der Kulturförderung.<br />
Ihnen allen gebührt unser Dank.<br />
13
Bärbel Tannert<br />
Kunst- und Kulturreferentin,<br />
E.ON Energie AG<br />
14 KUNST IM UNTERNEHMEN<br />
UND NOCH `NEN BERICHT?<br />
__ Ja, aber einer, der weitgehend<br />
ohne Zahlen, Statistiken und Bilanzen auskommt;<br />
der Ihnen stattdessen in lockerer<br />
Abfolge, reichlich bebildert einen Überblick<br />
über all die kleinen und großen kulturellen<br />
Ereignisse des Jahres 2004 bei E.ON Energie<br />
gibt. Wichtiger hierbei vielleicht die Frage,<br />
warum unser geschäftliches Jahr im Unternehmen<br />
begleitet wird von einem kulturellen?<br />
Dazu ein Auszug aus einer Studie zur Zukunft<br />
unserer Gesellschaft: „Mit dem Strukturwandel<br />
in der Arbeitswelt ist auch ein Wertewandel<br />
in der Arbeitnehmerschaft verbunden.<br />
Neue Arbeitsformen vom Teamwork im<br />
Betrieb bis zur Telearbeit zu Hause verändern<br />
das Anspruchsniveau. Arbeitnehmer stellen<br />
höhere Ansprüche an die Qualität und Kreativität<br />
der Arbeit. Diese veränderten Lebensziele<br />
müssen in die Unternehmenspolitik<br />
integriert werden, denn ohne Motivation und<br />
das Engagement der Mitarbeiter sind Effizienzsteigerungen<br />
nicht erreichbar. “<br />
Damit die Leistungsmotivation der Mitarbeiter<br />
dauerhaft gesichert wird und die Freude<br />
an der Arbeit erhalten bleibt, müssen mehr<br />
Brücken zwischen Berufs- und Privatleben<br />
gebaut werden.<br />
Das versuchen wir, indem die Welt bei uns<br />
zu Gast ist mit den unterschiedlichsten<br />
Disziplinen, von Ausstellungen im Bereich<br />
der zeitgenössischen Kunst, über Gespräche<br />
zum Thema Architektur, Konzerte, Choreographie,<br />
Kinderzirkus LILALU als soziokulturelles<br />
Engagement unseres Unternehmens,<br />
bis hin zu einer Kooperation mit der Carl<br />
Friedrich von Weizsäcker-Stiftung.<br />
Davon möchten wir und andere berichten,<br />
denn nicht nur unsere Meinung ist in diesem<br />
Kulturbericht gefragt. Wir konnten eine<br />
Reihe von externen Autoren gewinnen, das<br />
eine oder andere Thema mit dem Blick von<br />
außen zu betrachten. So wird beispielsweise<br />
Frau Prof. Thalgott aus der Sicht der Stadtbaurätin<br />
über die Architekturwoche sprechen,<br />
die 2004 in ganz Bayern stattgefunden hat;<br />
Herr Dr. Goppel als bayerischer Staatsminister<br />
für Wissenschaft eine „Lanze brechen“ für<br />
die gegenseitige Befruchtung von Wirtschaft<br />
und Kultur, oder Monika-Anna Seliger vom<br />
Sozialreferat von der Erfüllung eines Traumes<br />
erzählen.<br />
15
RÜCKBLICK 2004<br />
Herausgekommen ist dabei ein Bilderbogen<br />
zum Thema Kultur im Unternehmen, zu dem<br />
wir Sie nunmehr herzlich einladen möchten.<br />
16 KUNST IM UNTERNEHMEN<br />
24.04.04 – 20.06.04<br />
Kunstverein Hannover<br />
Ausstellung Peter Kogler<br />
09.07.04 – 15.08.04<br />
Installation<br />
Fritsch, Eberstadt<br />
08.07.04<br />
Vernissage<br />
Installation Fritsch, Eberstadt<br />
„Betreten erlaubt“<br />
17.06.04<br />
Kunst-Auktion<br />
come.on Art<br />
09.07.04 – 17.07.04<br />
Architekturwoche<br />
A2<br />
13.07.04<br />
A2<br />
Podiumsdiskussion<br />
Wenn er Ihnen gefällt, freuen wir uns über<br />
Anregungen, inhaltliche Beiträge, Ideen für<br />
den Kulturbericht 2005, wenn nicht, ebenso.<br />
18.08.04<br />
LILALU<br />
Eröffnung<br />
05.08.04<br />
Pressekonferenz<br />
Kinderzirkus LILALU<br />
20.08.04 – 05.09.04<br />
LILALU<br />
Umsonst & Draußen Festival<br />
Ausstellungen Symposien<br />
Vorträge<br />
Lesungen<br />
30.11.04<br />
Vortrag Dr. Busek<br />
Carl Friedrich von<br />
Weizsäcker -Stiftung<br />
Theater<br />
Konzerte<br />
12.12.04<br />
LILALU<br />
Wintergala im<br />
Zirkus Krone<br />
17
ARCHITEKTUR<br />
Architekturwoche<br />
Bayern, A2, Projekt<br />
„Digitale Stadt“<br />
von design-diskurs
DIE A2 zweite Architekturwoche in Bayern, bedeutet für E.ON Facility Management<br />
und E.ON Energie die Unterstützung einer Veranstaltung, die E.ON Energie ganz<br />
aktuell betrifft: Der Neu- und Umbau rund um den Hauptsitz in München, heißt gleichzeitig<br />
Bauen mitten in der Stadt, Veränderung des Stadtbildes in Nachbarschaft zu historischen<br />
Gebäuden. Grund genug, zur Podiumsdiskussion ins Haus einzuladen und öffentlich mit<br />
dem verantwortlichen Architekten des E.ON Energie Gebäudes, mit der Verantwortlichen für<br />
Bauplanung in der Stadt und anderen Experten zu diskutieren. Daneben ein eigener Beitrag<br />
zur A2, eine Installation, die sich mit dem Thema Kunst und Architektur auseinandersetzt.<br />
Eine spannende Woche und ein Thema das sich 2005 fortsetzt. __<br />
21
WIR RÜCKEN ZUSAMMEN<br />
__ „Alles Gebaute ist um der Menschen<br />
willen da, ihrer geistigen und sinnlichen<br />
Wahrnehmung, ihrer körperlichen und<br />
seelischen Existenz.“ Theodor Hetzer<br />
In wenigen Monaten wird der Neubau, Teil<br />
der Konzernzentrale der E.ON Energie AG,<br />
bezogen. Die Umbauten schreiten voran.<br />
Was ist das Instrumentarium das einem<br />
Architekten zur Verfügung steht, was sind<br />
architektonische Mittel, die zur Realisierung<br />
eines Bauwerks genutzt werden können?<br />
Das Wichtigste ist der Raum, den wir aus<br />
dem uns umgebenden unendlichen Raum an<br />
einem bestimmten Ort, mit einer konkreten<br />
Umwelt und zu einem festgelegten Zeitpunkt<br />
herausschneiden und formen, um ihn für den<br />
neuen Zweck nutzbar zu machen.<br />
Zur Verfügung steht auch die Materie, die<br />
uns in großer Vielfalt, vom natürlichen Produkt<br />
über Halbfertigzeuge bis zu komplexen<br />
Teilsystemen zur Verfügung steht, um die<br />
Räume zu begrenzen. Jedes Material, jedes<br />
daraus gefertigte Produkt hat bestimmte<br />
physikalische Gesetzmäßigkeiten. Das eine<br />
22 ZWEITE ARCHITEKTURWOCHE BAYERN<br />
kann ein Material, ein Halbfertigzeug, ein Teilsystem<br />
besser, das andere schlechter. Eine<br />
massive Wand bietet Schutz gegen Einwirkungen<br />
von außen, lässt aber kaum Kommunikation<br />
zu, mit dem was hinter der Wand<br />
geschieht. Eine Tür, ein Fenster bietet weniger<br />
Schutz, ermöglicht aber Kommunikation<br />
und Versorgung. Schutz, Versorgung und<br />
Kommunikation sind aber gleichermaßen<br />
Grundbedürfnisse. Keines davon dürfen wir<br />
ungestraft vernachlässigen.<br />
Und dann ist da noch das Licht, das uns den<br />
Raum und seine Begrenzung erst in Ganzheit<br />
erleben lässt. Die Intensität des Lichts, seine<br />
Farbe, die gleichmäßige Verteilung im Raum<br />
oder seine Bündelung an bestimmten Orten,<br />
z.B. zum Hervorheben eines bestimmten<br />
Kunstwerks, die Stimmung die wir mit dem<br />
Licht erzeugen, bestimmen maßgeblich das<br />
Wohlbefinden in einem Raum.<br />
Gebautes dient, folgen wir dem Zitat Theodor<br />
Hetzers, den Menschen. Es ist geistig und<br />
sinnlich wahrnehmbar. Wir können uns darin<br />
orientieren oder nicht. Wir fühlen uns darin<br />
wohl oder nicht. Gebautes dient unserer körperlichen<br />
Existenz, Raumhöhen, Steigungsverhältnisse<br />
von Treppen, Sitzhöhen, das Luft-<br />
volumen im Raum sind auf die Durchschnittsbedürfnisse<br />
von Menschen abgestimmt.<br />
Dabei kann der Neigungswinkel der Sitzfläche<br />
steil sein, die Höhe der Rückenlehne zu<br />
gering, also müssen wir korrigieren, das<br />
geeignete Maß finden…<br />
Gebautes dient aber auch unserer seelischen<br />
Existenz. Gebäude, Räume, Materialien, Texturen,<br />
Farben, Lichtverhältnisse können dazu<br />
beitragen, dass man lieber zur Arbeit geht,<br />
dass man sich gerne in den Räumen aufhält.<br />
Räume können Kommunikation erleichtern<br />
und damit auch das Miteinander mit Kollegen<br />
verbessern.<br />
Im Neubau, aber auch durch die Umbauten<br />
in der Konzernzentrale entstehen differenzierte<br />
Raumangebote, mit denen wir dem<br />
hohen Anspruch Theodor Hetzers, im gebotenen<br />
wirtschaftlichen Rahmen, gerecht<br />
werden wollen. Aus dem Nebeneinander<br />
zusammen gewürfelter Einzelbauten entsteht<br />
allmählich ein Ensemble zueinander gehörender<br />
Bauten, im Inneren über eine verwandte<br />
bauliche Gestalt, über ein Identität stiftendes<br />
klar ausgerichtetes Kunst- und Designkonzept,<br />
räumlich über Piazza und Hof miteinander<br />
verbunden, im Äußeren über eine<br />
verwandte Gestalt und Farbigkeit als zusammengehörig<br />
erkennbar.<br />
Prof. Dr. Ing. J. A. Adam<br />
Architekt BDA/DWB, von 1994 bis<br />
2005 Professor für Entwerfen und Konstruieren an<br />
der Universität Stuttgart. Verantwortlicher Architekt,<br />
Neubau E.ON Energie.<br />
23
STADT IM FLUSS<br />
__ Unter dem Leitmotiv „Stadt im<br />
Fluss“ hat im Juli 2004 zum zweiten Mal die<br />
Architekturwoche stattgefunden, diesmal<br />
nicht nur in München, sondern auch in Augsburg,<br />
Bamberg, Landshut, Regensburg und<br />
in der Region Allgäu. Veranstalter waren der<br />
Bund Deutscher Architekten/Landesverband<br />
Bayern, die Architektenkammer, die<br />
Oberste Baubehörde und die Landeshauptstadt<br />
München.<br />
Eine große Fülle von Veranstaltungen war<br />
geboten: Vorträge, Diskussionen, Führungen<br />
und Exkursionen, Filme und Ausstellungen<br />
– selten gab es in Deutschland eine solche<br />
Dichte und Vielfalt rund um Themen der<br />
Architektur und Stadtentwicklung zu sehen,<br />
zu hören, zu erleben. Um nur einen ganz kleinen<br />
Ausschnitt aus dem Programm zu nennen:<br />
U-Bahn-Baustellen, Petuelpark, das<br />
städtebauliche Entwicklungsband entlang<br />
24 ZWEITE ARCHITEKTURWOCHE BAYERN<br />
der zentralen Bahnachse, die Heidelandschaft<br />
rund um das Neue Stadion, unterirdische<br />
Kanäle, Isarinseln, Hochhausplanungen,<br />
Neue Wohnwelten, Kunst im Öffentlichen<br />
Raum oder Jugendstilbauten, für jeden war<br />
hier etwas geboten und eine Wahl zu treffen<br />
war sicher oft nicht leicht.<br />
Zum guten Gelingen hat nicht zuletzt auch<br />
ein breiter Unterstützerkreis beigetragen. Im<br />
Namen der Landeshauptstadt München als<br />
Mitveranstalter möchte ich mich an dieser<br />
Stelle für das ideelle und finanzielle Engagement<br />
der Sponsoren herzlich bedanken. Als<br />
einer der Hauptsponsoren haben E.ON Facility<br />
Management und E.ON Energie nicht nur<br />
finanzielle Unterstützung geleistet, sondern<br />
auch mit eigenen Programmpunkten mitgewirkt.<br />
Der Titel der Rauminstallation<br />
„Betreten erlaubt“ im Lichthof des neuen<br />
E.ON Energie-Verwaltungsgebäudes galt<br />
in doppeltem Sinne, schließlich ist es nicht<br />
selbstverständlich, dass Konzerne ihre Häuser<br />
einem breiten Publikum zur Besichtigung<br />
öffnen, um dort über Kunst und Architektur<br />
diskutieren zu können.<br />
Es war Ziel der Architekturwoche, für die<br />
gebaute Umwelt und unsere Baukultur zu<br />
interessieren, viele eher unbekannte Bauwerke<br />
einer großen Öffentlichkeit bekannt<br />
zu machen, die ständige Veränderung der<br />
Stadt erlebbar zu machen und die kritische<br />
Auseinandersetzung mit aktuellen Planungsthemen<br />
zu fördern. Die vielen Besucher der<br />
Architekturwoche und das große Interesse<br />
nicht nur aus dem Fachpublikum haben uns<br />
sehr gefreut. Die Bürgerinnen und Bürger<br />
Münchens waren schon immer sehr an Fragen<br />
der Stadtentwicklung und Architektur interessiert,<br />
sie mischen sich kräftig ein und<br />
das ist gut so, zeigt es doch, dass ihnen die<br />
Stadt und ihre Gestalt am Herzen liegt. Die<br />
Architekturwoche hat viele Gelegenheiten<br />
geboten, mit Fachleuten und mit „Laien“<br />
die Diskussion um die Zukunft der Stadt zu<br />
führen; durch die Teilnahme namhafter auch<br />
internationaler Referenten war sowohl eine<br />
Außensicht auf die Problemstellungen in<br />
München als auch ein Blick über den Münchner<br />
Tellerrand möglich. Für die Stadtplanung<br />
sind solche Gelegenheiten wichtig und wir<br />
freuen und schon auf die nächste Architekturwoche,<br />
die sicher wieder ein spannendes<br />
Programm bieten wird.<br />
Prof. Christiane Thalgott Stadtbaurätin<br />
der Landeshauptstadt<br />
München, Honorarprofessorin der TU München.<br />
25
FÜR DIE EWIGKEIT?<br />
__ Wurden bislang unverrückbare Architektur/Kunst-Denkmäler gewünscht, so ist<br />
heute der Anspruch an diese Setzungen geprägt von gesellschaftlicher Veränderung, wie<br />
beispielsweise zunehmender Flexibilität am Arbeitsplatz, Flexibilität in der Zeiteinteilung<br />
sowie Mobilität in der Ortswahl. Die von allen geforderte Multitasking-Fähigkeit wird zunehmend<br />
auch von ästhetischen Lösungen gefordert, was die Frage nach den Aufgaben der Kunst<br />
und der Architektur neu stellt. Welche Chancen stecken in dieser Entwicklung, welche Gefahren?<br />
Es diskutierten: Prof. Jürgen A. Adam, Stefan Eberstadt, Stephan Fritsch, Peter Haimerl,<br />
Prof. Christiane Thalgott; es moderierte Michaela Busenkell. Im Folgenden einige Ausschnitte<br />
der Diskussion:<br />
Busenkell Sehr geehrte Damen und Herren.<br />
Wir wollen heute abend über das Thema „Für<br />
die Ewigkeit? Die Halbwertzeit von Kunst und<br />
Architektur“ sprechen. Ich möchte erst einmal<br />
auf den Begriff Halbwertzeit zu sprechen<br />
kommen. Das ist ein Begriff aus der Physik,<br />
und bedeutet die Zeit, nach der die Hälfte<br />
einer Anzahl von radioaktiven Atomen zerfallen<br />
ist. Wenn dieser Begriff also im Bereich<br />
von Kunst und Architektur verwendet wird,<br />
geht es hier um die Frage der Werte von<br />
Architektur, Kunst und Stadtplanung, ihrer<br />
materiellen wie konzeptuellen Verfallszeit<br />
oder ihrem Überdauern in die Zukunft hinein.<br />
In der Architektur benannte bereits Vitruv,<br />
ca. 20 v. Chr., den Dreisatz von Festigkeit,<br />
Nützlichkeit, Schönheit als Fundament der<br />
Architektur. Aber ist er denn im 21. Jhd. noch<br />
gültig? Herr Adam, hat Vitruv recht, bauen<br />
auch Sie noch nach diesen Grundsätzen?<br />
Oder sind es heute andere Wertmaßstäbe,<br />
die wichtig sind?<br />
Adam Meines Erachtens hat dieser Satz<br />
26 ZWEITE ARCHITEKTURWOCHE BAYERN<br />
nichts an Bedeutung verloren. Vielleicht sollte<br />
man Schönheit durch immaterielle Qualität<br />
ersetzen; also etwas mehr Wohlfühlen<br />
hat nicht unbedingt etwas mit Schönheit zu<br />
tun. Das Gewicht, das man dem jeweiligen<br />
Kriterium beimisst, ist von Aufgabe zu Aufgabe<br />
verschieden. Es kann also sein, dass die<br />
Festigkeit keine große Rolle spielt bei einer<br />
Aufgabe, bei der anderen ist vielleicht nicht<br />
die Schönheit an vorderster Stelle zu sehen.<br />
Aber grundsätzlich hat er nicht an Gültigkeit<br />
verloren.<br />
Busenkell Dann gehe ich weiter zu Peter<br />
Haimerl, auch Architekt. Von ihm stammen<br />
die Sätze: „Ich will Architektur schaffen, die<br />
andere Denkansätze zulässt. Wie kann ich<br />
Veränderung bewirken?“ Das heißt für Sie,<br />
ist Veränderung ein Wert in der Architektur,<br />
der vor der Festigkeit steht?<br />
Haimerl Die Frage heutzutage ist, wie<br />
erreicht man Festigkeit? Festigkeit hat sehr<br />
viel mit Stabilität zu tun und ich glaube, in<br />
unserer heutigen Zeit sind manchmal Systeme<br />
wesentlich fester, also stabiler oder dauerhafter,<br />
wenn sie Veränderungen zulassen. Die<br />
Veränderung ist eigentlich die Grundlage<br />
für die Festigkeit.<br />
Busenkell Das heißt, wenn ich Sie richtig<br />
verstanden habe, sagen Sie Vitruv hat Recht,<br />
aber es sieht vielleicht heute ganz anders als<br />
zu seinen Zeiten?<br />
Haimerl Vitruv hat meiner Meinung nach<br />
Recht, weil Werte, die er nennt, sind nicht<br />
nur architektonische Werte, sondern es sind<br />
auch gesellschaftliche Werte. Jede Gesellschaft<br />
braucht gewisse Konstanz und Stabilität;<br />
sie braucht einen Wert, an den sich viele<br />
halten. Das ist in meinen Augen die Schönheit,<br />
die sich ja sehr stark wandeln kann.<br />
Busenkell München ist eine moderne Stadt,<br />
so hieß es in den 70er Jahren. Da hatte sich<br />
München mit der großartigen Planung des<br />
Olympia-Geländes in der Zeit verankert.<br />
Unter dem besonderen Aspekt der herausragenden<br />
Qualität und des dazugehörigen<br />
Mutes, denn das Herausragende erfordert<br />
Mut, in der Kunst, in der Architektur und in<br />
der Stadtplanung. Manches ist so neu und<br />
ungewohnt, dass viele sich nicht vorstellen<br />
können, wie das Leben mit dem Unvertrauten<br />
sein soll, weshalb es dann kein Vertrauen<br />
gibt, sondern Widerstand. Wie ist das heute?<br />
Thalgott Durch die Flut von Bildern haben<br />
wir heute andere Erwartungen an das Bekannte<br />
als früher. Diese Gesellschaft möchte<br />
möglichst nicht irritiert werden, weil sie sich<br />
täglich mit so vielen schwer verdaubaren<br />
27
Prof. Christiane Thalgott Stadtbaurätin<br />
der Landeshauptstadt<br />
München, Honorarprofessorin der TU München.<br />
Informationen und Bildern auseinandersetzen<br />
muss. In der Architektur und in der Stadtplanung<br />
ist deshalb eine Sehnsucht danach,<br />
es möge alles sein wie gestern und vorgestern<br />
und wie gewohnt. Alles Neue tut sich<br />
heute schwer dabei, weil es erst einmal<br />
diesen Widerstand überwinden muss. Und<br />
damit muss man in der Stadt umgehen, dass<br />
es keine Wahrheiten gibt, sondern nur unterschiedliche<br />
Rahmenbedingungen und damit<br />
unterschiedliche Notwendigkeiten damit<br />
umzugehen. Das ist die Kunst zur rechten<br />
Zeit, das Unvertraute zu setzen und dem Vertrauten<br />
seine Dominanz zu lassen. Dann wird<br />
der Schleier weggezogen und plötzlich ist<br />
das Unvertraute ganz vertraut.<br />
Busenkell …und wie ist das in der Kunst?<br />
Will die Kunst ästhetische Rückversicherung<br />
sein, will sie kommunizieren und informieren<br />
im Zeitalter der Informationstechnologie?<br />
Eberstadt Es gibt nicht „die Kunst“. Es gibt<br />
einfach ganz verschiedene Ansätze und ich<br />
Stefan Eberstadt Bildender Künstler .<br />
glaube, darum geht es auch. Die Zeit der<br />
–ismen, die gibt es nicht mehr, das sieht man<br />
in der Gesellschaft, die geht auch immer<br />
mehr nach individuellen Lösungen, weil es<br />
die großen Vorgaben, an die viele in den<br />
60ern noch geglaubt haben, nicht mehr gibt.<br />
Man geht heute einfach skeptischer um und<br />
sucht eben nach individuellen Lösungen.<br />
Damit ist eigentlich auch die Kunst an sich so<br />
nicht mehr greifbar, sondern ich sehe es eher<br />
fraktaler. Und ich will mich deshalb mehr auf<br />
die Kunst fokussieren, die aus dem Galerieraum<br />
heraus in einen Alltagsraum geht.<br />
Busenkell Ich gehe noch auf das Thema<br />
Wirklichkeit im Zusammenhang mit der<br />
Stadtplanung ein; die beschäftigt sich ja<br />
ganz stark damit, was Wirklichkeit ist und<br />
irgendwann Wirklichkeit werden könnte. Wer<br />
redet denn alles da mit? Wer weiß also gut<br />
Bescheid über die Wirklichkeit?<br />
Thalgott Erst mal beschäftigt sich ja Stadtplanung<br />
nicht nur mit der heutigen Wirklich-<br />
keit, sondern sehr stark mit der Zukunft. Das<br />
bedeutet, dass wir uns in der Stadt nicht nur<br />
mit der heutigen Wirklichkeit beschäftigen<br />
müssen. Sondern wir müssen uns in der Zeitkette<br />
von Vergangenheit, Gegenwart und<br />
Zukunft sehr genau überlegen, was wir an<br />
Grundwahrheiten oder Grundregeln für die<br />
Bildung unserer Räume haben und was wir<br />
an Grundregeln für das gesellschaftliche<br />
Zusammenleben haben. Das Grundprinzip<br />
ist, dass wir die Räume für das gesellschaftliche<br />
Zusammenleben versuchen zu entwickeln,<br />
in Kenntnis der veränderten Gesellschaft.<br />
Es gilt Strukturen für Räume zu finden,<br />
die Freiheiten lassen, dass die nächsten Generationen<br />
nacharbeiten können. Das ist gerade<br />
im Städtebau ganz wichtig, klar zu machen,<br />
dass das heutige Wissen begrenzt ist und ich<br />
auf keinen Fall alles fertig machen darf.<br />
Busenkell Bei den Künstlern ist es ja gerade<br />
so, dass in der Gegenwart eine ganz große<br />
Skepsis gegenüber allem was Bestand hat,<br />
da ist. Woher kommt diese Skepsis? Warum<br />
Michaela Busenkell<br />
Architektin, Moderatorin, freie<br />
Architekturjournalistin.<br />
sucht man Dinge, die verfallen, die eine Halbwertzeit<br />
haben?<br />
Fritsch Die Frage wäre, ob es jetzt primär<br />
um Verfall geht oder ob es jetzt den anderen<br />
Begriff mehr sucht, den Begriff der Veränderung.<br />
Ich fände letzteres interessanter. Ich<br />
denke nicht, dass immer dieses Paar Ewigkeit/Verfall<br />
gegenübergestellt wird, sondern<br />
dass es eigentlich mehr um eine Gesellschaft<br />
geht, in der es um Veränderung geht, die wir<br />
ja oftmals gar nicht wollen. Ich könnte mit<br />
weniger Veränderung leben. Dass man sich<br />
dem aber stellen muss, ist ganz klar. Der<br />
Begriff der Ewigkeit oder der Begriff des<br />
Dauerhaften und auch der große Begriff des<br />
Schönen, der immer noch im Hintergrund<br />
steht, ist schon sehr kompliziert geworden.<br />
Der Begriff, der zurzeit Bestand hat, ist der<br />
der Veränderung. Damit müssen nicht nur<br />
wir als Künstler, je nach dem wie eine Situation<br />
sich darstellt, umgehen.<br />
28 ZWEITE ARCHITEKTURWOCHE BAYERN 29
Busenkell Ich möchte an dieser Stelle<br />
Herzog de Meuron zitieren: „…sie zielen<br />
immer ab auf die Herstellung uneingeschränkt<br />
nützlicher Bauten, deren langzeitiger<br />
Nützlichkeitsverlust durch nichts zu<br />
verhindern ist. Das einzige, was sie versuchen<br />
können sicher zu stellen, ist, dass ein<br />
Gebäude, nachdem es seinen Zweck überlebt<br />
hat, seine konzeptuellen Qualitäten beibehält…“<br />
Peter Haimerl, wie sehen Sie das?<br />
Haimerl Das, was Herzog de Meuron sagt,<br />
trifft auf Gebäude zu, aber Städte zum Beispiel<br />
haben ganz andere Halbwertzeiten, das<br />
heißt, man muss mit klarem Kopf Tacheles<br />
reden, muss sehen, was braucht eine Stadt<br />
tatsächlich auf lange Sicht und wo sind wirklich<br />
gefährliche Einschnitte. Da sehe ich in<br />
München und in ganz Deutschland momentan<br />
eine gefährliche Situation. Es müssen<br />
einfach andere Marken gesetzt werden, statt<br />
nur schöne Gebäude zu bauen.<br />
30 ZWEITE ARCHITEKTURWOCHE BAYERN<br />
Stephan Fritsch Bildender Künstler. Peter Haimerl Architekt mit Schwerpunkt<br />
Städtebauliche Konzeption<br />
und Beratung und Programmierte Planungssysteme für<br />
Gebäude und Fassadenstrukturen.<br />
Busenkell Welche Marken könnten das sein?<br />
Haimerl Es müsste tatsächlich über Stadt<br />
grundlegend nachgedacht werden. Die ganzen<br />
Infrastruktursysteme müssten überdacht<br />
werden. Das klingt jetzt vielleicht radikal,<br />
aber wenn man sich nur einmal vorstellt,<br />
was für eine Verkehrsvielfalt wir haben. Für<br />
alle diese Verkehrsdinge muss ja ein Rahmen<br />
geschaffen werden, den man vielleicht für<br />
etwas anderes gut nützen könnte, aber er<br />
muss auch geregelt werden.<br />
Adam Vielleicht bedeutet das aber auch,<br />
dass wir wieder etwas toleranter gegenüber<br />
unserer Umgebung sein müssen. Wenn<br />
Sie nur einmal an diese Schallschutzfragen<br />
denken, dass die auf der einen Seite schaffen,<br />
dass man etwas weniger vom Lärm<br />
abkriegt, aber was verhindern sie auf der<br />
anderen Seite? Ich freu’ mich unheimlich,<br />
wenn ich morgens die Treppe runter gehe<br />
und beim Bäcker einkaufen kann. Aber wehe,<br />
wenn in der Nacht das Auto kommt und das<br />
Mehl bringt, dann geht das Gezetere los.<br />
Busenkell Ich denke, es braucht ein Maß an<br />
Zeit, das das Neue erst einmal haben muss,<br />
um in der Rückschau zu sehen, was bedeutet<br />
es uns, was ist es uns wert, wie wichtig ist es<br />
geworden und möchte jetzt ganz gerne an<br />
dieser Stelle die Diskussion beenden mit<br />
zwei Zitaten von Karl Kraus zu Wien. Er sagte<br />
zum einen: „Ich muss dem Ästheten eine Enttäuschung<br />
bereiten, das alte Wien war einmal<br />
neu.“ Und dann sagte er: „Wien bleibt Wien<br />
und das ist eine Drohung.“<br />
Prof. Dr. Ing. J. A. Adam<br />
Architekt BDA/DWB, von 1994 bis<br />
2005 Professor für Entwerfen und Konstruieren an<br />
der Universität Stuttgart. Verantwortlicher Architekt,<br />
Neubau E.ON Energie.<br />
31
BETRETEN ERLAUBT Das ist oftmals<br />
leichter gesagt als getan. Vor allen Dingen, wenn es sich bei dem zu Betretenden um<br />
Kunst handelt. Vor der Berührung oder gar dem Betreten von Kunst wird im Allgemeinen<br />
eher ein Verbotsschild errichtet oder zumindest durch mehr oder weniger freundliches Wachpersonal<br />
dringendst abgeraten.<br />
Das ist sicherlich auch richtig so, aber alles an seinem Ort, zu seiner Zeit. Ausstellungen bei<br />
E.ON Energie finden nicht im geschützten Raum eines Museums statt, sondern unmittelbar<br />
am Arbeitsplatz. Sie folgen nicht den klassischen Ausstellungsschemata, sondern bieten<br />
jungen Künstlern die Chance, Räume und Inhalte eines Bürogebäudes künstlerisch in Szene<br />
zu setzen. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, nähern sich aber in ihrer Absicht an, den<br />
formalen und inhaltlichen Bedingungen eines Arbeitsumfeldes nachzuspüren.<br />
Sie dürfen nicht nur berührt werden, sie berühren auch. Nämlich die Mitarbeiter und Gäste<br />
von E.ON Energie, die sich über die Kunst am Arbeitsplatz freuen, sich ärgern, mit Kollegen<br />
über Sinn und Unsinn der jeweiligen Installation disputieren, alles im Sinne einer positiven<br />
Streitkultur.<br />
„Über Kunst lässt sich streiten.“ Warum auch nicht? __<br />
33
MIND THE GAP<br />
__ Die Idee von einem Gesamtkunstwerk,<br />
gerade wie es die Moderne sah,<br />
in dem sich die Disziplinen vereinigen und<br />
in das tägliche Leben hineinspielen, war im<br />
zwanzigsten Jahrhundert ein immer wiederkehrendes<br />
Thema. Von der Arts & Crafts<br />
Bewegung über Jugendstil und Konstruktivismus<br />
bis zum Bauhaus berührte das Thema<br />
alle Kunstrichtungen – auch wenn es jeweils<br />
nie lange Bestand hatte. Nichtsdestotrotz,<br />
der Impuls interdisziplinäre Kunst zu schaffen,<br />
um die Kluften zwischen alltäglichem<br />
Leben und der Kunst zu überwinden, ist immer<br />
noch lebendig und in den Köpfen bestimmter,<br />
heute arbeitender Künstler. Besonders<br />
weil ein Nebenprodukt der Moderne, der so<br />
genannte „white cube“ als zu limitiert für die<br />
Präsentation von Kunst empfunden wird.<br />
Geleitet von ihrem eigenen, gesteigerten<br />
Bewusstsein für Betrachter und Umfeld, kreieren<br />
die Künstler Stefan Eberstadt und<br />
Stephan Fritsch Objekte, deren Bestandteile<br />
sich nicht so sehr auf sich selbst beziehen,<br />
sondern vielmehr als Gesamtobjekt auf sein<br />
materielles, institutionelles und kulturelles<br />
Umfeld. Für ihre Installation „Betreten<br />
erlaubt – eine Landschaft“ am Hauptsitz der<br />
E.ON Energie AG in München rekonstruierten,<br />
34 BETRETEN ERLAUBT<br />
markierten und verfremdeten – kurz gesagt:<br />
veränderten – beide Künstler die Piazza des<br />
Unternehmens durch die Verwendung verschiedener<br />
Strategien und Materialien. Für<br />
einige Wochen beherbergte der große, hohe<br />
Platz eine Landschaft fremdartiger Körper,<br />
die dort eingefügt wurden, um vor allem als<br />
Formen gerade durch ihre Präsenz Veränderung<br />
zu erzwingen.<br />
Die Materialien, die Eberstadt und Fritsch für<br />
ihre „Landschaft“ verwendeten – Sperrholz,<br />
Teppiche, Spiegel, Metallgeländer und Gartenlampen<br />
– sind Materialien wie man sie auf<br />
Baustellen, in Baumärkten und Spielzeugfabriken<br />
findet und sind im Grunde ganz<br />
gewöhnliche Produkte. Was hier aber ungewöhnlich<br />
ist, ist das offensichtliche Fehlen<br />
von Ironie oder Kritik bei der Verwendung<br />
dieser Materialien durch Eberstadt und<br />
Fritsch für künstlerische Zwecke. Das vorbehaltlose<br />
und ehrliche Verlangen der Künstler<br />
etwas Genuines daraus zu erschaffen, verbindet<br />
die beiden mit ihren minimalistischen<br />
Vorfahren und erneuert den Dialog mit der<br />
modernen Idee von Prozess und Fortschritt.<br />
Die Verwendung von alltäglichen Materialien<br />
soll für den Betrachter eine vertrautere „Gegenwärtigkeit“<br />
herstellen. Es ist deswegen<br />
nicht überraschend, dass die Installation für<br />
E.ON Energie versucht, die Unterscheidung<br />
zwischen künstlerischem Ausdruck und sozialem<br />
Umfeld zu verwischen und die Kunst<br />
physisch in die Umwelt einzubringen und<br />
damit eine neue, veränderte Atmosphäre<br />
zu schaffen. Einige Teile der Installation<br />
imitierten tatsächliche Objekte und Strukturen<br />
aus der realen Welt. Inspiration wurde<br />
an verschiedenen Orten gefunden: Der Parkplatz<br />
um die Ecke, eine vergessene Anzeige,<br />
die Rollos hinter dem Fenster einer Arztpraxis,<br />
eine Disco. Vielleicht ist das der Grund,<br />
warum die Arbeiten dieser Künstler in einem<br />
anderen Kontext beinahe „natürlich“ wirken<br />
würden, so als hätten sie schon immer dahin<br />
gehört und könnten dort mit der realen Einrichtung<br />
verwechselt werden. Im Kontext<br />
E.ON Energie ist jedoch die Frage, wie diese<br />
Installation aufgenommen, gelesen und<br />
interpretiert wurde?<br />
Dies wirft auch eine zweite Frage auf: Warum<br />
machen Künstler überhaupt Installationen<br />
für eine bestimmte Örtlichkeit? Vielleicht<br />
liegt die Antwort darin, dass einen Platz verändern<br />
gleichzeitig bedeutet, einen Platz für<br />
etwas oder jemanden neu zu kreieren. Einen<br />
Raum zu verändern, wenn auch nur für eine<br />
kurze Zeit, verändert unsere Erwartung und<br />
Erfahrung mit diesem Raum. Es ist genauso<br />
wie das Versetzen eines Fensters oder einer<br />
Tür oder nur das Verschieben von Möbelstücken,<br />
oder in diesem Fall, den Außenraum<br />
nach Innen zu verschieben, kann vollkommen<br />
die Art und Weise verändern, wie wir Raum<br />
wahrnehmen und benutzen.<br />
Courtenay Smith Kuratorin der<br />
Lothringer 13, München, und Autorin<br />
von „Xtreme Houses“ und „Xtreme Interiors“ (Prestel).<br />
35
„Betreten erlaubt“,<br />
Installation Stephan<br />
Fritsch / Stefan Eberstadt,<br />
E.ON Energie,<br />
Piazza<br />
37
Spiegelskulptur<br />
Reflektion, Repräsentation,<br />
Abstraktion<br />
Pavillon<br />
kontemplativer Raum, Entspannung,<br />
Begegnung, Ort der Konzentration<br />
Ausblick<br />
erhöhter Standort, Möglichkeit des<br />
Überblicks, Display, offene Landschaft<br />
Treffpunkt<br />
einladend, hinführend,<br />
Vitrine, Sitzgelegenheit,<br />
Lampen, Teppiche, Mittelpunkt
KUNST ODER ARCHITEKTUR?<br />
Tannert Stephan Fritsch, Stefan Eberstadt:<br />
Wir stehen hier in Mitten der Piazza der<br />
E.ON Energie AG, auf der Sie die künstlerische<br />
Arbeit „Betreten erlaubt“ realisiert haben.<br />
Erste Frage: „Betreten erlaubt“ ist das wörtlich<br />
zu nehmen und warum? Normalerweise<br />
besteht für Skulpturen, für künstlerische<br />
Arbeiten ein Berührungsverbot.<br />
Fritsch Das ist unbedingt wörtlich zu nehmen.<br />
Wir wollten ganz bewusst durch diese<br />
Arbeit erreichen, dass die Mitarbeiter im<br />
Haus diese Berührungsangst nicht haben,<br />
sondern unmittelbar mit Kunst zu tun haben.<br />
Dass sie den Charakter der Arbeit auf diese<br />
Art und Weise haptisch erfahren können. Die<br />
Arbeit versucht mit der Gesamtsituation<br />
umzugehen. Sie steht nicht als autarkes<br />
Kunstwerk da, sondern als eine benutzbare<br />
Fläche für den Mitarbeiter.<br />
Eberstadt Wir kommen ja eigentlich von<br />
ganz klassischen Bereichen her: Stephan<br />
Fritsch ist Maler, ich bin Bildhauer, aber uns<br />
stellen sich weitergehende Fragen: Welchen<br />
Anspruch kann Kunst über den klassischen<br />
Anspruch hinaus in einem belebten Raum<br />
noch haben? Das war hier die große Herausforderung.<br />
40 BETRETEN ERLAUBT<br />
Tannert Die Materialien, die Sie für „Betreten<br />
erlaubt“ verwendet haben, erinnern an<br />
die Ästhetik von Kinderzimmern, von Ikea<br />
Möbeln, wenn nicht gar an Elemente bekannter<br />
Kinder-Bausysteme. Was ist der Hintergrund<br />
hierfür?<br />
Eberstadt Wir haben bewusst damit<br />
gespielt. Kunst ist für uns einen Schritt weiter<br />
gedacht, hinaus aus dem „White Cube“,<br />
aus dem Museumskontext, wirklich hin auf<br />
einen Platz, wo der Aspekt der Benutzbakeit,<br />
der Funktion dazu kommt. Wenn man so<br />
einen Schritt macht, dann kommt auch das<br />
Spiel mit Materialien hinzu. Eben nicht nur<br />
die hehren Kunstmaterialien, wie Bronze oder<br />
Stein oder Ölmalerei, sondern ganz bewusst<br />
Materialien, die bestimmte Assoziationen zu<br />
unserem häuslichen Lebensumfeld auslösen.<br />
Tannert Sind Sie bewusst in einen Kontrast<br />
zu den Materialien gegangen, die Sie hier<br />
auf der Piazza vorgefunden haben?<br />
Fritsch Das ginge vielleicht zu weit. Wir<br />
wollten nicht eine Gegenveranstaltung<br />
aufziehen. Es geht darum, dass die Arbeit in<br />
sich eine gewisse Stimmigkeit und gleichzeitig<br />
eine gewisse Spannung trägt. Jede<br />
Intervention auf einem Platz bedeutet auch<br />
eine Spannung nach außen hin. Da muss<br />
man nicht mehr über das Material eins drauf<br />
setzen. Wir haben aber bewusst mit hartem<br />
und mit weichem Material gespielt: Einerseits<br />
Pressspanplatten und Spiegel, wie wir<br />
sie normalerweise aus dem Haushaltswarenbereich<br />
kennen, und dazu ein weiches Material,<br />
die Teppiche. Es sollte also nicht das<br />
Gefühl der reinen, kalten Nutzbarkeit assoziiert<br />
werden. Das Material sollte dazu einladen,<br />
dass man gerne auf die Flächen steigt.<br />
Tannert Hat Ihre Arbeit damit zu tun, eine<br />
Insel zu schaffen in Mitten eines hektischen<br />
Gefüges, wie es ein Unternehmensentrée<br />
eben darstellt?<br />
Eberstadt Das war eigentlich der zentrale<br />
Ausgangspunkt, als wir uns die Piazza das<br />
erste Mal anschauten. Man stellt fest, es<br />
gibt diesen fest gefügten Baukörper, diese<br />
große überdachte Plaza und wir fragten uns:<br />
wie funktioniert ein Platz im öffentlichen<br />
Raum? Wie muss man sich das vorstellen,<br />
wenn Leute zwischen den Gebäudeblöcken<br />
über den Platz hin und her gehen. Es gibt<br />
eine Cafeteria, es gibt Meeting-Points. Auf<br />
einmal wird dieses Thema „Platz“ so, wie es<br />
in der Geschichte der Architektur verankert<br />
ist: ein Platz als Treffpunkt zu unterschiedlichen<br />
Tageszeiten, für unterschiedliche Funktionen.<br />
Für uns war dann das Entscheidende,<br />
etwas zu schaffen, was den gewohnten<br />
Tagesablauf, durch eine neue Ebene, die<br />
darübergelegt wird, unterbricht und eine<br />
neue Frage stellt, indem ein Bild im weitesten<br />
Sinne geschaffen wird, was neugierig<br />
macht, motiviert, wo man sich aufhalten<br />
möchte.<br />
„Für uns war dann das Entscheidende,<br />
etwas zu schaffen, was den gewohnten<br />
Tagesablauf, durch eine neue Ebene, die<br />
darübergelegt wird, unterbricht und eine<br />
neue Frage stellt.“<br />
41
„Für uns ist Architektur eigentlich wichtiger,<br />
weil das der Raum ist, in dem Kunst<br />
stattfindet. Es geht um den belebten Raum<br />
und nicht nur um den „White Cube“.“<br />
Tannert Neben dem Raum als solchen – der<br />
ja eine interessante Architektur darstellt<br />
– hat Sie auch die Funktion des Raumes interessiert?<br />
Fritsch Man kann so eine Arbeit nicht realisieren,<br />
ohne über die Funktion des Raumes<br />
im Allgemeinen und im Speziellen nachzudenken.<br />
Der Raum ist ein Verbindungsraum.<br />
Der Platz wird ansonsten relativ zögerlich<br />
genutzt und wir wollten ein Angebot schaffen,<br />
das diese angedachte Funktion ein bisschen<br />
zu steigern vermag. Also, nicht primär<br />
Kunst, die sich in den Weg stellt, sondern<br />
eher Kunst die dazu einlädt, diese Funktion,<br />
die man von dem Platz erwartet, dass man<br />
die noch interessanter findet und noch leichter<br />
nutzen kann.<br />
Tannert Haben Sie schon auf ähnliche Weise<br />
gearbeitet wie hier? Ähnliche Arbeiten realisiert,<br />
wo dieses Verhältnis von Formalem<br />
und Inhaltlichem zusammen gehen?<br />
42 BETRETEN ERLAUBT<br />
Eberstadt Wir arbeiten eigentlich unabhängig<br />
von einander, aber seit 1995 treffen<br />
wir uns immer wieder zu Projekten. Das hat<br />
angefangen, indem wir Hefte produziert<br />
haben, kleine Katalögchen, die nur mit Bildmaterial<br />
gefüllt waren. Bilder, z.B. aus Magazinen,<br />
und Bilder, die wir selber zu Themen<br />
wie Architektur, Innenarchitektur fotografiert<br />
haben. Das haben wir zusammen mit Abbildungen<br />
eigener Arbeiten zu einer Collage<br />
zusammengestellt, zu einem visuellen Alphabet<br />
im weitesten Sinne. Dann kamen gemeinsame<br />
Ausstellungen zustande in Ulm, in<br />
Basel, in Chicago. Die Arbeit hier ist aber<br />
eigentlich auch räumlich die größte Herausforderung<br />
gewesen…<br />
Fritsch …die größte und es markiert im Miteinander<br />
noch einen ganz entscheidenden<br />
Punkt: Es ist die erste Arbeit, wo wir beide<br />
ganz klar realisiert haben, dass wir eigene<br />
Positionen ein Stück weit aufgeben und<br />
jeder dem anderen ein bisschen reinpfuscht<br />
und das im positivsten Sinne. Es gibt nicht<br />
mehr diese Arbeitsaufteilung, dass Stefan<br />
fürs Dreidimensionale und ich fürs Flache<br />
zuständig bin. Sondern wir diskutierten über<br />
die einzelnen Bereiche.<br />
Tannert Sie haben sich beide – auch die<br />
Arbeit auf der Piazza zeigt das – weit entfernt<br />
vom klassischen Umgang mit Kunst, hinsichtlich<br />
der Inhalte und Präsentation. Ist das<br />
eine logische, konsequente Entwicklung oder<br />
ist es, zugespitzt gesagt, ein Zugeständnis<br />
an den Zeitgeist?<br />
Eberstadt Zugeständnis an den Zeitgeist,<br />
das weiß ich nicht. Unser Blick richtet sich<br />
auf Architektur, auf Formen des Designs,<br />
auf funktionale Sachen, auf die Frage: Wie<br />
besteht unser Umraum eigentlich? Für uns<br />
ist Architektur eigentlich wichtiger, weil<br />
das der Raum ist, in dem Kunst stattfindet.<br />
Es geht um den belebten Raum und nicht<br />
nur um den „White Cube“, wo man aus einer<br />
Distanz auf etwas guckt. Dafür gibt es Traditionen<br />
in der Kunstgeschichte, man schaue zum<br />
Futurismus oder zum Bauhaus zurück. Es<br />
ging nicht darum, Kunst als isolierte Einheit<br />
zu sehen, sondern als ein übergreifendes<br />
Feld, wo Architektur, Kunst, Design und<br />
natürlich auch scheinbar fachfremde Disziplinen<br />
noch eine Rolle spielen können wie<br />
Musik, Film und alles andere. Da haben wir<br />
überhaupt keine Berührungsangst als Künstler.<br />
Es macht uns nichts aus, eine Arbeit zu<br />
machen, auf der man auch sitzen kann.<br />
Fritsch Ich würde sogar widersprechen. Wir<br />
machen überhaupt kein Zugeständnis dem<br />
Zeitgeist, sondern wir versuchen eigentlich<br />
eher den Zeitgeist ein bisschen mit zu formen.<br />
Wir sind mittlerweile so selbstbewusst<br />
zu sagen, wir haben Ideen, die sich mit dieser<br />
Arbeit zeigen lassen und wir haben noch<br />
andere Ideen, die wir auch zeigen wollen.<br />
Wir wollen Teil von dem sein, was man als<br />
zeitgemäß und zeitgenössisch betrachtet<br />
und empfindet. Das was Zeitgeist ist und das<br />
daraus resultierende Zugeständnis ist meistens<br />
von Künstlern abgekupfert und nicht<br />
umgekehrt.<br />
Tannert Meine nächste Frage knüpft daran<br />
an: „Betreten erlaubt“ ist einmal Ort der<br />
Begegnung, der Kommunikation und zum<br />
anderen ist es eine autarke Skulptur. Wie<br />
geht das zusammen? Müssen wir uns von<br />
unserem traditionellen Kunstverständnis ein<br />
Stück verabschieden?<br />
43
„Dekoration ist eher etwas das verhübscht;<br />
was einen bestehenden Geschmack wohlwollend<br />
und affirmativ angeht. Kunst schafft<br />
ein klares Bild, ein Bild der Unterscheidung<br />
und will im Prinzip auch ein Stück weit die<br />
Wahrnehmung verändern…“<br />
Eberstadt Wir arbeiten immer von der Kunst<br />
aus. Also, unser Statement geht immer<br />
darum, Kunst zu schaffen und nicht Dekoration.<br />
Das ist ein wesentlicher Unterschied.<br />
Dekoration ist eher etwas das verhübscht;<br />
was einen bestehenden Geschmack wohlwollend<br />
und affirmativ angeht. Kunst schafft<br />
ein klares Bild, ein Bild der Unterscheidung<br />
und will im Prinzip auch ein Stück weit die<br />
Wahrnehmung verändern…<br />
Fritsch …und wenn man die Arbeit im Detail<br />
anschaut, unterscheidet sie sich von vielen<br />
anderen, ansonsten ähnlich erscheinenden<br />
Arbeiten. Dann sehen wir, was an Brechungen<br />
in dieser Arbeit drin ist. Dieser scheinbar<br />
einfache gelbe Raum ist an vielen Flächen<br />
in der Malerei gebrochen. Die Funktionalität<br />
wird oftmals auch wieder ad absurdum<br />
geführt. Der Wagen, in dem die Kataloge<br />
44 BETRETEN ERLAUBT<br />
präsentiert werden, ist herausgezogen ein<br />
drei Meter langes Ungetüm, das eigentlich<br />
wenig Sinn macht.<br />
Eberstadt …also gar nicht funktional ist.<br />
Fritsch Der Wagen macht optisch aber absolut<br />
Sinn, wenn diese Zunge rausgestreckt<br />
wird. Dann wird klar, was da für eine raumergreifende<br />
Maßnahme stattfindet. Das ist das<br />
Entscheidende: Als Künstler versuchen wir<br />
immer rein über das Bild eine neue Realität<br />
zu schaffen.<br />
Tannert Wo befindet sich Ihrer Meinung<br />
nach die Schnittstelle von Kunst und Architektur<br />
und an welcher Stelle ist diese ihren<br />
architektonischen und auch sozialen Funktionen<br />
enthoben und im Sinne eines Kunstanspruches<br />
zweckfrei?<br />
Fritsch Also, Schnittstelle zur Architektur ist,<br />
dass wir versucht haben mit diesem riesigen<br />
Raum, mit seiner gigantischen Höhe umzugehen<br />
und eine Arbeit darzustellen, die zwar<br />
diese Höhe überhaupt nicht aufweist, aber<br />
durch kleine Details damit spielerisch umgeht,<br />
z.B. durch das Kabel, das von oben hereinhängt.<br />
Wir versuchen eine Arbeit nicht nur<br />
flupp einzusetzen, sondern sie muss mit der<br />
direkten Umgebung auch umgehen und wenn<br />
das auf eine witzige oder humorige Art und<br />
Weise geschieht…<br />
Eberstadt …ich glaube Humor oder Hintergründigkeit<br />
ist immer wichtig bei der Arbeit.<br />
Wir haben die Arbeit auch nicht einfach am<br />
Reißbrett entworfen, sondern sie ist entwickelt<br />
und wir haben uns über alle Details<br />
unterhalten: Welches Material nimmt man?<br />
Lässt man die Schrauben sichtbar? Wie wird<br />
die Farbe aufgetragen? Welche Farbe? Wie<br />
sieht die Form letztendlich aus? Nichts was<br />
am Anfang skizziert war, war am Schluss das,<br />
was heute hier steht. Wir entwickeln unsere<br />
Arbeiten irgendwo am Menschen, an der<br />
Proportion, am Raum und nicht anonym.<br />
Fritsch Wir argumentieren dabei immer aus<br />
einer Sicht des Künstlers heraus, auch rein<br />
formal. Wir sind im Grunde ein lange Zeit<br />
verpönter Begriff – der aber wieder moderner<br />
wird – wir sind Formalisten, uns geht es um<br />
eine formal stimmige Lösung.<br />
Eberstadt Ja, das Konzept ist da, aber das<br />
Konzept existiert nicht, wenn nicht auch<br />
eine klare Form geschaffen wird. Okay, ich<br />
sehe z.B. eine Form, die dazu dient, dass<br />
Leute sich hinsetzen können. Aber wie ist es<br />
im Detail gebaut, warum diese Form? Man<br />
könnte ja auch eine ganz einfache Bank<br />
machen. Aber das ist die Art und Weise, wie<br />
vielleicht ein Schreiner oder ein Architekt<br />
an das Problem herangehen würde. Uns sind<br />
die Begriffe klar, aber wir versuchen sie an<br />
dieser Stelle genauso zu brechen, wie an<br />
einer anderen Stelle, wo man Farbe anders<br />
erwartet als sie tatsächlich da ist. Diese Irritationen,<br />
diese Details, wollen wir schaffen,<br />
um die Leute dazu zu bringen hin zu schauen,<br />
denn Kunst ist auch immer ein Begreifen.<br />
Tannert Die Kunst steht also im Vordergrund.<br />
Sind die einzelnen Elemente der Landschaft<br />
immer auch Verkürzungen tatsächlich<br />
funktionierender Architektur? Also, das Haus,<br />
das noch menschliches Haus sein könnte,<br />
aber eben gar nicht mehr dafür angelegt.<br />
45
Fritsch …das sind Verkürzungen, es sind<br />
Bilder, es sind Symbole.<br />
Tannert Wie schätzen Sie Sinn und Zweck<br />
eines Ausstellungskonzeptes ein, das sich<br />
inhaltlich, formal mit Arbeitsräumen auseinandersetzt<br />
im Sinne von Sensibilisierung<br />
von Wahrnehmung?<br />
Fritsch Das ist für uns ein ganz wichtiger<br />
Punkt. Uns interessiert immer weniger das<br />
Konzept des „White Cube“, also das Konzept<br />
eines Ortes an dem man extra als Kunstinteressierter<br />
hingeht. Uns stellt sich die Frage:<br />
Wie kann man mit dem was wir an Vorstellungen<br />
haben, die wir ganz klar als Kunst<br />
begreifen, wie kann man damit auch an<br />
Leute herantreten? Welche Räume kann man<br />
in Beschlag nehmen? Wie kann man einen<br />
Raum so ändern, dass die künstlerische<br />
Setzung bewusst, aber nicht unangenehm<br />
erscheint? Wo kann sich der Betrachter mit<br />
Kunst beschäftigen, ohne belehrt zu werden?<br />
Das ist ein Thema, das uns mehr und mehr<br />
interessiert. Und ich glaube, das betrifft<br />
nicht nur uns. Das ist eine Herausforderung,<br />
mit der sich Kunst heute zunehmend auseinandersetzt.<br />
46 BETRETEN ERLAUBT<br />
Eberstadt Ich glaube, die Kunst hat sich<br />
immer damit auseinandergesetzt. Es gibt<br />
nur so einen Schnitt, wo die Autonomie des<br />
Künstlers und seine Empfindlichkeit und<br />
sein Rückzug sehr stark formuliert wurde und<br />
dadurch auch der „White Cube“ formuliert<br />
wurde, in dem sozusagen die Kunst stattfand,<br />
die, hochgeistig wie sie ist, auch nur sehr elitär<br />
zur Verfügung stand. Kunst die wir machen,<br />
hat auch einen Anspruch: Sie muss gelesen<br />
werden, sie greift auf Geschichte, auf Konzepte<br />
zurück und muss auch identifiziert werden.<br />
Es ist für uns wichtig, trotzdem den Dialog<br />
herzustellen und nicht nur die Heiligkeit<br />
und die Unberührbarkeit zu formulieren.<br />
„Uns interessiert immer weniger das<br />
Konzept des „White Cube“, also das Konzept<br />
eines Ortes an dem man extra als<br />
Kunstinteressierter hingeht.“<br />
Stefan Eberstadt hat unter dem<br />
Begriff „Parasitic Architecture“ das<br />
Rucksack House entwickelt, das 2005 in Leipzig und<br />
ein Jahr später in Köln im Rahmen der Ausstellung<br />
„Extrem Houses“ zu sehen sein wird. Rucksack House<br />
ist wörtlich zu verstehen. Es handelt sich um ein Haus,<br />
das außerhalb an der Fassade eines bestehenden Hauses<br />
hängt. Es ist mobil wie ein Rucksack, kann auf- und<br />
abgehängt werden und wird durch ein Fenster betreten.<br />
Das Rucksack House ist eine begehbare Skulptur,<br />
ein Raum mit vielen Öffnungen; ein privater Raum, der<br />
im öffentlichen Raum hängt. Innerhalb des Raumes<br />
können von den Wandflächen Möbelelemente ausgeklappt<br />
werden, wodurch multiple Nutzungsmöglichkeiten<br />
entstehen.<br />
Im Jahr 2005 werden Stefan Eberstadt und Stephan<br />
Fritsch eine Bürogemeinschaft gründen, um bestimmte<br />
Ideen und gemeinsame Arbeiten leichter realisieren zu<br />
können.<br />
Stephan Fritsch wird sich an der<br />
Ausstellung „Universal Painting“<br />
beteiligen. Die Ausstellungsreihe wird in verschiedenen<br />
Städten in China gezeigt und soll die erste große Ausstellung<br />
zeitgenössisch abstrakter Malerei in China<br />
sein. Es geht darum, in wie weit abstrakte Malerei die<br />
vermeintliche Weltsprachenabsicht einlösen kann.<br />
Weiterhin wird Stephan Fritsch die Farbgestaltung<br />
eines Kirchenraums übernehmen und anlässlich einer<br />
Ausstellung in Aschaffenburg die Außenfassade eines<br />
Gebäudes gestalten.<br />
47
LYRIK IM AUFZUG Ja, Sie haben ganz<br />
richtig gelesen: Bei uns in den Aufzügen fahren Gedichte spazieren. Lustige, traurige, besinnliche,<br />
freche, provokante, jahreszeitliche, nachdenkliche…so vielschichtig wie das Leben<br />
selber. Immer auf der Suche nach einem Leser, den das gerade angesprochene Thema<br />
berührt, ihm aus dem „Herzen spricht“ oder ihn mit Kraft für den Tag versieht. Denn Gedichte<br />
sind kleine Kraftpakete, die uns in verdichteter Weise etwas über uns und unser Verhältnis<br />
zur Welt erzählen. Sie sind wie ein Lebensmittel, welches nicht satt macht, aber uns öffnet<br />
für das Hauptgericht, das Leben heißt. Und damit die Speise nicht langweilig wird, gibt es<br />
jeden Monat ein neues Gedicht. Zeit genug, um es von Herzen mit allen Sinnen zu genießen,<br />
es sich im Munde zergehen zu lassen, es zu verdauen, um sich dann auf ein neues Speisenangebot<br />
freuen zu können.<br />
Die Gedichte sind kurz, die Gedichte sind lang; vielleicht benötigt der eine oder andere<br />
Leser – je nachdem, wohin ihn sein Weg führt – ein Stockwerk mehr, um den Text in Gänze<br />
zu lesen; aber er sei beruhigt, denn wie wir wissen „Umwege erhöhen die Ortskenntnis“. __<br />
49
NOTIZEN ZUR POESIE<br />
__ Gedichte geben im allgemeinen<br />
recht wenig und im besonderen recht viel.<br />
Sie sind geizig, und wer etwas von ihnen<br />
haben will, muß sich um sie bemühen. Sie<br />
sind wie Geschenke (…), die man mit Bereitschaft<br />
aufschnüren und mit Muße enthüllen<br />
muß, bevor sie einem zu denken und zu<br />
fühlen geben. (…)<br />
Gedichte sind nicht zu fassen, Wer eben noch<br />
denkt, dass sie auf der Hand liegen, bemerkt<br />
fassungslos die Taube auf dem Dach. Wer<br />
sich hasenflink am Ziel wähnt, stolpert über<br />
ihre Igel. Wer sie in seiner Tasche glaubt, hat<br />
hinterher nichts im Sack. „Es ist mit den<br />
Versen wie mit manchen schönen Frauen, in<br />
denen Eigenart und Strenge sich verschmolzen<br />
haben: Man definiert sie nicht, man liebt sie.“<br />
(Baudelaire)<br />
„Gedichte sind nicht unverständlich. Sie<br />
besitzen nur einen anderen Verstand. Es gibt<br />
Gedichte, die einen hereinbitten, und Gedichte,<br />
zu denen man sich einladen muß. Nur „Ach<br />
und O sind zwei Gedichte, die jeder versteht.“<br />
(Günter Eich)<br />
„Gedichte sind nicht unschuldig. Sie erinnern<br />
uns an ungetane Gedanken und nicht gelebte<br />
50 LYRIK IM AUFZUG<br />
Gefühle. Sie lesen sich wie Bankauszüge unserer<br />
Seelen, und je mehr wir davon in unserer<br />
Brust haben, desto mehr erhöhen sie<br />
unser Schuldkonto und die Sucht nach neuen<br />
Auszügen. (…)<br />
Gedichte sind nicht demokratisch. Ihre Verse<br />
leben auf eigenem Fuß und taugen nicht zu<br />
Kratzfüßen vor und nach Mehrheitsentscheidungen.<br />
Ihre Fähigkeit zum Kompromiß entspricht<br />
der von Kindern. Deshalb hört man<br />
sie auch öfters weinen und lachen als andere<br />
Erwachsene. Das Auswiegen überlassen sie<br />
Marktfrauen und Marktmännern. Wenn sich<br />
die Poesie mit der Politik vergleicht, hinken<br />
ihre Haupt- und Eigenschaftsworte.<br />
Gedichte sind ungläubig, wiewohl sie von<br />
gläubigen Menschen verfasst oder gelesen<br />
werden können. Dann streuen sie allerdings<br />
und allerhand Zweifel unter ihre geneigten<br />
Leser und ihre geneigten Verfasser, und ihre<br />
sorgfältig gesetzten Kommas, Gedankenstriche<br />
und Fragezeichen haben schon manchen<br />
gesenkten Kopf aufgerichtet. Gedichte<br />
haben neben ihren eigenen auch immer<br />
andere Götter.“<br />
Peter Maiwald, Wortkino, Fischer, 1993
„Das reimt sich und was<br />
sich reimt ist gut“<br />
Pumuckl<br />
Lutz Bähr | E.ON Sales & Trading „Das Gedicht<br />
für Mäuse war Weltklasse. Hätte noch einen Vorschlag<br />
für die Katzen von Bertolt Brecht.“<br />
Wilhelm Tietje | E.ON Kernkraft „Vielen Dank für<br />
die Lyrik im Aufzug, die immer wieder gut<br />
tut. Bitte schicken Sie mir die Nietzsche Zeilen.“<br />
Sandra Meisinger | E.ON Energie „Ich finde das<br />
„Lyrik im Aufzug“ Gedicht so schön, dass ich es zu<br />
Weihnachten in dieser Form jedem zum Geschenk<br />
dazu packe.“<br />
Marco Jeschke | is:energy „Ich kann nur hoffen<br />
das R.M. Rilkes Worte mehr Gehör bekommen,<br />
da ich denke, dass er unsere heutigen Probleme<br />
punktgenau in seinen Gedichten rüberbringt.<br />
Zumindest deren Herkunft.“<br />
Marie-Theres Schmid | E.ON Sales & Trading<br />
„Die Idee und ihre Umsetzung – Kunst und Lyrik in<br />
den Arbeitsalltag einzubinden – finde ich bereichernd<br />
und gelungen.“<br />
Zahira Herter | E.ON Sales & Trading „Der Schnarcher<br />
selbst schläft wunderbar“ ist ein Beispiel für<br />
vieles. Man muss nur reflektieren können und das<br />
bietet sich im Fahrstuhl besonders an.“<br />
55
LIEBER MALER,<br />
MALE MIR …ganz so weit gehen wir natürlich nicht, im Bemühen<br />
unsere Mitarbeiter mit einem Bild ihrer Wahl für die individuelle Ausgestaltung ihrer Büros<br />
zu versehen.<br />
Aber: eine Ausleihe aus dem Bestand unserer Kunstsammlung ist allemal möglich und wird<br />
reichlich genutzt. Langweilige Büros mit kahlen Wänden dürfen, müssen aber nicht sein.<br />
Jeder Bilderwunsch wird intensiv betreut: Beratungen über die Grundstruktur des jeweiligen<br />
Büros stehen am Anfang. Informationen zu Künstlern und Kunstrichtungen bilden dann die<br />
Grundlage für die Auswahl der Kunst am Arbeitsplatz. Ganz nach Vorliebe des Suchenden.<br />
Zu finden ist fast alles, nur keine Reproduktion. Ob gestreift, kariert, figurativ oder abstrakt,<br />
die Kunst bei uns ist echt. Und wenn’s mal gar nicht mehr passt: Die Bilder dürfen gegen<br />
neue getauscht werden. __<br />
57
Martin Assig<br />
o.T., 1992<br />
58 ARTOTHEK<br />
Nicole Schirner | Leiterin Markenmanagement<br />
„In unserem Archiv entdeckte ich diese Serie<br />
bei der Vorbesichtigung zur E.ON Energie Kunstauktion.<br />
Ich fand sie wegen der rot-weißen<br />
Farbgebung sofort passend für mein Büro. So<br />
begleitet mich das E.ON Rot nun auch künstlerisch<br />
interpretiert bei meinen täglichen Aufgaben<br />
im Markenmanagement.“<br />
59
Wolfgang Kessler<br />
o.T., 1993<br />
60 ARTOTHEK<br />
Harry Schmitz | Geschäftsführung<br />
E.ON Energy Projects „An Wolfgang Kesslers<br />
Bild, mit seinen wunderbaren Proportionen,<br />
reizt mich unter anderem die Spannung<br />
zwischen dem mächtigen schwarzen Hintergrund<br />
und der sich davor behauptenden<br />
Figur. Auch fesselt mich deren ausgeglichene,<br />
aber so merkwürdige Haltung, wie sie die<br />
Neonröhren scheinbar schützend umfasst.”<br />
61
Teuscher<br />
o.T., 1995<br />
o.T., 1997<br />
62 ARTOTHEK<br />
Maximilian Faltlhauser | Referent Unternehmensentwicklung/Projektcontrolling<br />
„Ich<br />
hatte eine langweilige weiße Wand vor mir.<br />
Wenn ich jetzt von meinem Schreibtisch aufblicke,<br />
sehe ich klare Linien und beruhigende<br />
Farben. Für mich ist das ein entspannender<br />
Kontrast zu dem was sich bisweilen auf meinem<br />
Schreibtisch abspielt. Sich Bilder aus<br />
dem firmeneigenen Fundus aussuchen zu<br />
können, halte ich für ein bemerkenswertes<br />
Angebot hier bei E.ON Energie.“<br />
63
Gerd Jansen<br />
„Holztafelserie graugrün“, 1998<br />
64 ARTOTHEK<br />
Angela Ettl | Referentin Politik „In diese<br />
Bilderserie habe ich mich sofort „verguckt“ –<br />
in ihre Einfachheit, Klarheit und Harmonie.<br />
Wenn ich am Schreibtisch sitze und die<br />
Bilder anschaue, kann ich auf wunderbare<br />
Weise meine Gedanken sortieren.“<br />
65
Karl Möllers<br />
„Grüne Tulpen“, o.J.<br />
66 ARTOTHEK<br />
Thomas Kästner | Leiter Politik „Wenngleich<br />
ich Hoffnung in der Politik nicht unbedingt<br />
mit Grün verbinde, habe ich mich spontan aus<br />
dem Bauch heraus für diese Bildserie entschieden.<br />
Grün scheint in der Kunst zu wirken,<br />
da mein Arbeitsplatz nun heller und freundlicher<br />
ist.“<br />
67
Heinz-Günter Prager<br />
o.T., 1992<br />
68 ARTOTHEK<br />
Alexander Fenzl | Leiter Vorstandsbüro<br />
„Kunst muss aus meiner Sicht in erster Linie<br />
gefallen. Als ich die Möglichkeit hatte, aus<br />
dem Bestand von E.ON Energie ein Bild<br />
für mein Büro auszuwählen, hat mich die<br />
abstrakte Arbeit von Heinz-Günter Prager<br />
sofort angesprochen. Nachdem ich ein großer<br />
Freund von klaren und geometrischen<br />
Formen bin, begeistert mich das Bild jeden<br />
Tag aufs Neue!“<br />
69
1<br />
70 ARTOTHEK<br />
VON REMBRANDT BIS PICASSO<br />
__ Die Vorstellungen von Aufbau<br />
und rotem Faden einer Kunstsammlung<br />
können sehr unterschiedlich sein. Welchen<br />
Kriterien soll gefolgt werden? Malerei,<br />
Zeichnung, Skulptur? Oder vielleicht doch<br />
lieber Druckgraphik, die zudem auch noch<br />
günstiger zu haben ist? Überhaupt! Ist es<br />
nicht vielleicht gescheiter, eine Sammlung<br />
unter dem Gesichtspunkt einer sich steigernden<br />
Wertbildung auf dem Kunstmarkt<br />
anzulegen? Lieber „alte Meister“ oder<br />
„junge Wilde“? Abstrakt, konkret oder figurativ?<br />
Fragen über Fragen, die sich jeder<br />
Sammler stellen muss.<br />
Die Sammlung der E.ON Energie verlässt ein<br />
wenig den Weg eines klassischen Sammlungskonzeptes.<br />
Sie verbindet medienübergreifend<br />
die klare Strenge konkreter Kunst, der<br />
es ihrem Wesen nach darum geht, objektiv<br />
nachvollziehbar zu sein, mit Werken, die<br />
mehr von einer narrativen Art des Denkens<br />
geprägt sind.<br />
„Äpfel und Birnen“…werden Sie vielleicht<br />
sagen. „Ganz im Gegenteil“ halten wir<br />
dagegen, treffen sich doch beide Sammlungsstränge<br />
dort, wo die Wahrnehmung der<br />
Betrachter, ihre Vorlieben beim Sehen in all<br />
ihrer individuellen Vielfalt angesprochen<br />
werden sollen.<br />
Das ist uns wichtig. Die Sammlung richtet<br />
sich vor allem an die Neugierde und das Interesse<br />
unserer Mitarbeiter. Und die wollen wir<br />
erhalten als wichtige Antriebsfeder für den<br />
jeweils eigenen Arbeitsbereich. Ein „Stückchen<br />
Welt“ können wir in allem finden, ganz<br />
besonders aber in der reichen Palette künstlerischer<br />
Ausdrucksmöglichkeiten.<br />
Werfen Sie auf den folgenden Seiten einen<br />
Blick auf eine Auswahl von Arbeiten, die<br />
2004 für unsere Sammlung erworben wurden.<br />
71
72 ARTOTHEK<br />
2<br />
1 Matthias Mücke<br />
„Bild 9“, 2004<br />
2 Antje Smollich<br />
„fluo - gelb/ vertikal“, 1997<br />
3 Antje Smollich<br />
„re - belote V - VII“, 2003<br />
4 Sybille Loew<br />
„Gesichter“, o.J.<br />
3<br />
4
5<br />
74 ARTOTHEK<br />
5 Doubrawa<br />
„Doubrawa erklärt die Welt“, o.J.<br />
6 Jobst Tilmann<br />
o.T., 2004<br />
7 Jobst Tilmann<br />
„Horizon Vertical“, 2004<br />
6<br />
7
8<br />
76 ARTOTHEK<br />
8 Sybille Rath<br />
„In Arcadia“, 2000<br />
9 Michael Jäger<br />
„Freunde“, 2003<br />
10 Michael Jäger<br />
„Aurora“, 2003<br />
11 Michael Jäger<br />
„Gemenge 34“, 2004<br />
9<br />
10 11
LILALU bedeutet für München zwei Wochen Kinderferienprogramm auf<br />
dem Umsonst & Draußen-Festival im Olympiapark. Im Mittelpunkt steht der Kinderzirkus<br />
LILALU. Hier verwandeln sich für je eine Woche insgesamt 800 Kinder in Clowns, Jongleure<br />
und Raubtierdompteure. Daneben gibt es auf dem Festivalgelände ein umfangreiches<br />
Programm mit Kino, Lesungen und Konzerten für Kinder und Erwachsene. Großer Höhepunkt<br />
sind die Galashows zum Abschluss des Ferienprogramms. Dort präsentieren die LILALU<br />
Zirkuskinder im Zirkuszelt vor mehr als 2.000 Zuschauern was sie gelernt haben. E.ON Energie<br />
ist Hauptsponsor für das vom Sozialreferat der Stadt München veranstaltete Festival, das<br />
2004 mit 135.000 Besuchern einen neuen Rekord erzielte. __<br />
79
ES WAR EINMAL…<br />
80 LILALU<br />
__ oder wie eine Zirkusidee geboren<br />
wurde. Als Pädagogin hat mich der Zirkus<br />
seit Roncalli fasziniert und begeistert. Wie<br />
wunderbar wäre es, so dachte ich, als ich das<br />
erste Mal die „Reise zum Regenbogen“ gesehen<br />
habe, wenn die ganze Manege voller<br />
Kinder wäre, ohne einen einzigen Erwachsenen.<br />
Gedacht, geschrieben! Ich entwickelte<br />
ein Konzept im Rahmen meiner Arbeit und<br />
fortan hieß es in den Sommerferien 6 Wochen<br />
lang „Vorhang auf! Manege frei!“ Das war<br />
1983 im Ruhrgebiet.<br />
LILALU in München geht ursprünglich auf<br />
eine Initiative von Dr. Gertraud Burkert zurück.<br />
Im Arbeitskreis „Stadt-Umland-Aktivitäten“<br />
wurden verschiedene Projekte diskutiert, die<br />
alle München umgebenden Landkreise einbeziehen<br />
sollten. Das Zirkusprojekt, das ich<br />
1996 dort vorschlug, fand den Zuspruch aller<br />
Anwesenden und sogleich wurde ich mit der<br />
Geschäftsführung zur Realisierung dieses<br />
Festivals beauftragt.<br />
Hintergrund für die Befürwortung der Projektidee<br />
war die Tatsache, dass es in ganz<br />
Bayern keine professionell organisierte<br />
Zirkusschule für Kinder gab und dass der<br />
Wunsch im Raum stand, mit dem Thema<br />
Zirkus ein attraktives Ferienprogramm zu<br />
verwirklichen, was alle Kinder und Familien<br />
in und um München herum einbezieht.<br />
Meine erste Aufgabe war die Organisation<br />
des Sponsorings, was mich vor die Herausforderung<br />
stellte, in 9 Monaten 200.000 DM zu<br />
akquirieren. Ein erster großer Sponsor war<br />
mit der Stadtsparkasse München gefunden,<br />
was mir und allen Beteiligten Mut machte.<br />
Letztlich konnte diese Aufgabe bis zum Sommer<br />
1997 bewältigt werden und so fand mit<br />
großer Pressebegleitung das erste Zirkus-<br />
Projekt auf dem Theater-Festival-Gelände statt.<br />
Inzwischen ist LILALU gewachsen, neue Partner<br />
wurden gefunden. E.ON Energie wurde<br />
Hauptsponsor und der Stadtrat lobte in einer<br />
der letzten Sitzungen LILALU als qualitativ<br />
herausragendes Projekt und hob besonders<br />
die Teamleistung hervor.<br />
Pädagogisch betrachtet setzt LILALU auf den<br />
Erwerb von sogenannten soft skills, Schlüsselkompetenzen<br />
im außerschulischen Bildungskontext.<br />
Es beinhaltet also den Erwerb<br />
von kreativen, sozialen, kommunikativen<br />
und künstlerischen Kompetenzen, die in der<br />
kindlichen Entwicklung unverzichtbare<br />
Elemente sind. LILALU sieht die Kinder als<br />
Protagonisten, als handelnde Subjekte und<br />
bezieht sich auf die Tradition der emanzipatorischen<br />
Theaterarbeit mit Kindern. LILALU<br />
ist in München inzwischen bei jedem Kind<br />
ein Begriff und auch die Eltern wissen, was<br />
sich mit LILALU verbindet. Inzwischen sind<br />
wir bei der Vorbereitung des 7. LILALU Festivals<br />
und haben mit E.ON Energie AG im<br />
zweiten Jahr einen soliden und tragfähigen<br />
Hauptsponsor gefunden, der dafür Sorge<br />
trägt, dass die Zirkusidee in Bayern weiterlebt.<br />
Die Zusammenarbeit mit E.ON Energie<br />
als sehr aktiver, kulturell und künstlerisch<br />
kompetenter Partner hat bereits im letzten<br />
Jahr dazu geführt, dass neue Ideen geboren<br />
worden sind, die nun dieses Jahr auch<br />
umgesetzt werden können.<br />
Monika-Anna Seliger Dipl. Sozialpädagogin,<br />
Projektleiterin LILALU,<br />
Sozialreferat der Stadt München.<br />
81
„Applaudiert, Bürger!“<br />
__ Heiß ist es an diesem Sommertag<br />
auf dem Festivalgelände. „Die Kinder<br />
kommen bei jedem Wetter, ob Sonnenschein<br />
oder Regen“, sagt Workshop-Leiterin<br />
Christiane Fuchs. Außer ein paar Müttern<br />
und Vätern, die verstreut an einigen Büdchen<br />
sitzen, ist aber nicht viel zu sehen. Beim<br />
Betreten eines der Übungszelte ändert sich<br />
die Szenerie allerdings vollständig. Von der<br />
Decke hängen Kinder an Tüchern, drum<br />
herum wird mit Keulen und Bällen jongliert,<br />
irgendwo fordert der Ghettoblaster zu<br />
Breakdance Übungen auf. Der Lärmpegel ist<br />
gewöhnungsbedürftig.<br />
Bärbel Tannert hat ihren Arbeitsplatz bei<br />
E.ON Energie für zwei Wochen gegen den<br />
Übungsleiterjob im Zirkuszelt gewechselt:<br />
„Es ist sehr schön – dies ist ein wunderbares<br />
und sinnvolles Projekt und man benötigt<br />
viel Energie für die Betreuung und Organisation<br />
der Kinder.“ Dabei müssen nicht nur<br />
die Workshops organisiert werden. Jedes<br />
Kind bekommt sein individuelles Outfit. Da<br />
fließen im Ankleidezelt schon mal Tränen.<br />
Das Kleid für die Fee passt nicht, es fehlt<br />
noch eine Clownshose. Gleichzeitig staksen<br />
(Rundruf im Circus Maximus)<br />
schon Astronauten in Raumfahrermanier<br />
durchs Zelt. Und dann geht es ab in die Maske,<br />
hier werden Tränen nur noch aufgemalt<br />
und überhaupt, die zirkuseigene Schneiderin<br />
kann auch noch einiges ausrichten.<br />
Dass Proben und Probieren hungrig macht,<br />
finden zwei Tiger die mittags als erste, noch<br />
im Raubtierkostüm, aber auf zwei Pfoten, zur<br />
Nahrungsquelle streben. Dem Beispiel folgen<br />
Fakire, Seiltänzer und andere kleine Zirkuskünstler.<br />
Das Festivalgelände belebt sich und<br />
an den Büdchen herrscht zur Mittagszeit<br />
Hochkonjunktur. Die „echten“ Tiere werden<br />
vom Zirkus May gefüttert. Für das Proben der<br />
Pferde- und Ziegennummern stellt der Zirkus<br />
auch sein Zirkuszelt und seine Mitarbeiter<br />
zur Verfügung. Hier disziplinieren Kinder<br />
im Grundschulalter mit eisernem Willen die<br />
störrischen Ziegen. Valerie (7) wollte eigentlich<br />
einen der heißbegehrten Plätze beim<br />
Voltigieren, sagt sie aber: „Die Ziegen dazu<br />
zu bringen, über die hohen Bretter zu laufen<br />
macht auch Spaß.“<br />
Spätestens wenn es am Ende zur Galashow<br />
im Zirkuszelt vor mehr als 2.000 Eltern,<br />
83
84 LILALU<br />
Freunden und Verwandten heißt: „Vorhang<br />
auf, Manege frei“ sind alle Strapazen und<br />
Leiden, auch für die Workshopleiter, vergessen.<br />
Der Zirkus brodelt und jeder einzelne<br />
Zuschauer, ob groß oder klein, scheint selber<br />
im Lampenfieber zu sein. „Es ist erstaunlich,<br />
was die Kinder in einer Woche lernen“, stellt<br />
E.ON Energie-Mitarbeiterin Sonja Geyer<br />
fest, die mit ihren kleinen Nichten die Show<br />
besuchte und „wenn zum Schluss noch einmal<br />
alle Kinder zur Musik in die Manage<br />
einlaufen, hat das einen echten Gänsehaut-<br />
Effekt.“<br />
Gänsehaut-Effekt ist auch auf der Wintergala<br />
des Kinderzirkus LILALU im Zirkus Krone<br />
garantiert. Noch einmal geht es für die Zirkuskinder<br />
in die Manege. Diesmal ist alles<br />
noch ist ein bisschen glamouröser. Popsternchen<br />
und Münchner Schauspielgrößen, die<br />
den Kinderzirkus unterstützen, tummeln<br />
sich im Zelt. Die Kinder lassen sich ein ums<br />
andere mal mit den Prominenten ablichten.<br />
Diese sind den Zirkuskindern genauso egal<br />
wie die hochrangigen Vertreter der Sponsoren<br />
und das ist gut so, schließlich stehen<br />
sie im Mittelpunkt. Als der Vorstandsvorsitzende<br />
des Hauptsponsors aber ankündigt<br />
den Einsatz für 2005 zu verdoppeln, wird es<br />
doch richtig laut im Zelt…<br />
Saskia Vester | Schauspielerin Ich unterstütze<br />
LILALU weil, dieses Projekt Kinderträume<br />
lebendig macht. Kinder können ihrer Phantasie<br />
freien Lauf lassen, sich selbst ausprobieren<br />
und aktiv gestalterisch tätig werden, was<br />
einen wichtigen Beitrag zu ihrer Persönlichkeitsentwicklung<br />
leistet.<br />
Carolin Fink | Schauspielerin Egal welcher<br />
Herkunft, egal welchen sozialen Hintergrund,<br />
egal welche individuelle Begabung…Eine<br />
Woche Zirkuskind sein: Zirkus hat nur eine<br />
Sprache!!!!!!!<br />
Michael Mendl | Schauspieler Ich bin Mentor<br />
von LILALU, weil wenn Kinder nicht nur<br />
spielen, sondern vorspielen können, sich also<br />
„vorstellen“ dürfen, dann ist das sicherlich<br />
Balsam auf ihrer Seele: Darum jedes Jahr<br />
LILALU.<br />
Patrick Lindner | Sänger Ich unterstütze<br />
LILALU, weil ich es sehr wichtig finde, dass<br />
die Körperkoordination und die Kreativität<br />
von Kindern spielerisch gefördert wird.<br />
Barbara Schöneberger | TV-Moderatorin Ich<br />
finde LILALU super und verspreche nächstes<br />
Jahr wieder zu kommen.<br />
Uschi Dämmrich von Luttitz | TV-Moderatorin<br />
LILALU leistet in München eine sehr wichtige<br />
Integrationsaufgabe. Hier wird wirklich etwas<br />
Sinnvolles für Kinder organisiert, deren Familien<br />
nicht auf Rosen gebettet sind. Besonders<br />
begeistert bin ich jedes Jahr vom Zirkus<br />
LILALU. Die Kinder, deren Eltern sich keine tollen<br />
Sommerreisen leisten können, bekommen<br />
hier ein super Programm geboten, bei dem sie<br />
ihre Kreativität voll ausleben können.<br />
85
DIE GEDANKEN<br />
SIND FREI Ohne das Detail zu vernachlässigen, darf sich unser<br />
Nachdenken und Handeln nicht auf die Lösung einzelner Probleme beschränken. Carl<br />
Friedrich von Weizsäcker-Stiftung und -Gesellschaft bemühen sich darum wesentlich um die<br />
zwar unerlässlichen, heute jedoch oft vernachlässigten richtungsweisenden Konzeptionen.<br />
In diesem Zusammenhang sind Kooperationen charakteristisch, beispielsweise in Form der<br />
Piazza-Vorträge, die die E.ON Energie AG und die Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung halbjährlich<br />
gemeinsam durchführen. __<br />
87
__ Carl Friedrich von Weizsäcker-<br />
Gesellschaft „Wissen und Verantwortung e.V.“<br />
und Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung<br />
– zwei Wege, ein Ziel: Was sollen wir wissen?<br />
Was müssen wir tun? Was dürfen wir hoffen?<br />
Carl Friedrich von Weizsäcker ist einer der<br />
wenigen großen Denker und Physiker, der<br />
die Perspektiven der Wissenschaft, der Philosophie,<br />
Religion und Politik mit Blick auf<br />
die Herausforderungen, aber auch auf die<br />
Verantwortung unserer Zeit zusammenführt.<br />
In ihm hat der heute mehr denn je notwendige<br />
interkulturelle und interdisziplinäre<br />
Dialog einen seiner bedeutenden Anreger<br />
gefunden. Zwei Zitate charakterisieren sein<br />
Anliegen in besonderer Weise: „Ich bin dann<br />
bereit, eine Position zu kritisieren, wenn ich<br />
sie ebenso gut verteidigen könnte.“ Und:<br />
„Unsere Ethik darf nicht hinter der Entwicklung<br />
unserer Technik zurückbleiben, unsere<br />
wahrnehmende Vernunft nicht hinter unserem<br />
analytischen Verstand, unsere Liebe<br />
nicht hinter unserer Macht.“ Die Carl Friedrich<br />
von Weizsäcker-Gesellschaft gibt es seit dem<br />
88 CARL FRIEDRICH VON WEIZSÄCKER-STIFTUNG<br />
6. Juni 1994. Fünf Grundannahmen sind für<br />
die Gesellschaft kennzeichnend. Physik, als<br />
eine „Schlüsselwissenschaft“ unserer Zeit.<br />
Philosophie als Mahnerin: „Weißt Du, was Du<br />
sagst, und weißt Du, was Du tust.“ Theologie,<br />
um zu verstehen, was uns religiöse Überlieferung<br />
für heute und morgen lehren kann.<br />
Ökonomie als eine Basis für das Begreifen<br />
sozialer, ökologischer und politischer Zusammenhänge.<br />
Das fünfte Arbeitsfeld, Bewusstseinswandel,<br />
steht für Fragen der ethischen<br />
Orientierung in der wissenschaftlich-technisch<br />
geprägten Welt.<br />
Die Gesellschaft widmet sich unter anderem<br />
der Entwicklung von vier Projektbereichen,<br />
in denen mit der Frage nach einer Ethik der<br />
wissenschaftlich-technisch geprägten Welt<br />
wesentliche Herausforderungen unserer Zeit<br />
zum Ausdruck kommen: Zukunft der Aufklärung,<br />
der Bildung, der Politik und der „Arbeit<br />
in hochentwickelten Gesellschaften.“ Die Carl<br />
Friedrich von Weizsäcker-Stiftung besteht<br />
seit dem 28. Juni 2002. Die Präambel formuliert<br />
den Anspruch: Langfristig wirksame<br />
„Unternehmen sind dominante Spieler bei<br />
der Entwicklung einer neuen Weltordnung<br />
geworden. Sie können diese Rolle gar nicht<br />
ablehnen... Unternehmen haben nur die<br />
Wahl, diesen Job gut oder schlecht, kompetent<br />
und transparent oder stümperhaft und<br />
privat (Lobbyismus) zu erledigen.“<br />
Einsichten gewinnen, die dazu beitragen,<br />
im Spannungsfeld von Herausforderung und<br />
Verantwortung die notwendigen Wege<br />
wahrnehmen, bahnen und gehen zu können.<br />
Stiftung und Gesellschaft ergänzen sich in der<br />
Projekt- wie in der Öffentlichkeitsarbeit. Zur<br />
Zeit konzentriert sich die Stiftung auf den<br />
wissenschaftlichen Nachlass von Carl Friedrich<br />
von Weizsäcker, den sie als Zustiftung<br />
erhalten hat.<br />
Dr. Bruno Redeker Geschäftsführender<br />
Vorstand der Carl Friedrich von<br />
Weizsäcker-Gesellschaft „Wissen und Verantwortung<br />
e.V.“; Vorstand der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung,<br />
Lithograph, zweiter Bildungsweg, ehem. Lehrer<br />
im Hochschuldienst an den Universitäten Paderborn<br />
und Bielefeld, Fachbereich für Physik (Physik und ihre<br />
Didaktik).<br />
Karl Hohmann<br />
89
Peter Vogel,<br />
„Farbkombinationen“,<br />
2001
Kunst im Alltag
Pressekonferenz<br />
Kinderzirkus LILALU,<br />
E.ON Energie, Piazza
KALENDER 2005<br />
96<br />
Ausstellungen Symposien<br />
Vorträge<br />
Lesungen<br />
18.03.05 – 22.04.05<br />
Installation<br />
Gunda Förster „Noise“<br />
17.03.05<br />
Vernissage<br />
Installation Gunda Förster<br />
Theater<br />
Konzerte<br />
18.04.05<br />
Vortrag Dr. Lesch<br />
Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung<br />
28.04.05<br />
come.on Forum special<br />
Vortrag Dr. Bublath<br />
03.06.04 – 12.06.04<br />
KALLI – Kinderliteraturfestival<br />
München<br />
24.05.05<br />
„Chaverim“<br />
Freundeskreis liberales Judentum<br />
München e.V.<br />
03.09.05. – 30.10.05<br />
Kunstverein Hannover<br />
Gregory Crewdsen<br />
18.08.05 – 04.09.05<br />
LILALU<br />
Umsonst &<br />
Draußen Festival<br />
12.08.05<br />
Pressekonferenz<br />
Kinderzirkus LILALU<br />
14.09.05<br />
Pressekonferenz<br />
Franz Marc<br />
17.09.05<br />
Eröffnung<br />
Franz Marc-Retrospektive<br />
bis 18.01.06<br />
25.10.05<br />
come.on Art special<br />
Vortrag Prof. Menke<br />
11.12.05<br />
LILALU<br />
Wintergala im Zirkus Krone<br />
05.10.05<br />
Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung<br />
Vortrag Bischöfin Käßmann<br />
97
98<br />
„Es ist dumm, alles mit einer bis ins Detail<br />
gehenden Logik erklären zu wollen, in all<br />
seinen Folgen und Ursachen, da die Realität<br />
um uns herum vibriert und uns mit<br />
Teilstücken von Fragmenten miteinander<br />
verbundener Ereignisse bombardiert, die<br />
ineinandergeschoben, verwickelt, verwirrt,<br />
gemischt und chaotisch sind.“<br />
Filippo Tommaso Marinetti<br />
IMPRESSUM E.ON Energie AG<br />
Kommunikation und Politik<br />
Brienner Straße 40<br />
80333 München<br />
T 089 - 1254 - 01<br />
F 089 - 1254 - 1401<br />
info@eon-energie.com<br />
www.eon-energie.com<br />
Redaktion und Inhalte<br />
Bärbel Tannert,<br />
Daniela Busse<br />
Konzept und Design<br />
Milch design, München<br />
Fotos<br />
Urban Zintel, Irmi Gessner,<br />
Winfried Petzi, Getty Images,<br />
Stefan Müller-Naumann<br />
(Architekten Ganzer + Unterholzner),<br />
Thomas Rocher<br />
Produktion<br />
E.ON Facility Management,<br />
München<br />
99