Kompetenzbilanz aus Freiwilligen-Engagement - BBE
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Andrea Reupold <strong>BBE</strong>-Newsletter 20/2009<br />
<strong>Kompetenzbilanz</strong> <strong>aus</strong> <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong><br />
Freiwilliges und bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong> erfreuen sich zunehmend wachsender<br />
Aufmerksamkeit. Insgesamt engagierten sich bereits 2004 knapp 23,4 Millionen<br />
Menschen in Deutschland, also etwa 36% der über 14-jährigen in irgendeiner Form<br />
in verschiedensten Bereichen (BMFSFJ 2005, S. 3). Seit einigen Jahren wird die Bedeutung<br />
des bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong>s als Ort des Lernens, des Kompetenzaufbaues<br />
und damit der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten offensichtlich.<br />
Zudem wird erkannt, dass dort oder in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen<br />
erworbene Kompetenzen auch in der Berufs- und Erwerbsarbeit, nützlich sein können.<br />
Die in diesem Beitrag vorgestellte <strong>Kompetenzbilanz</strong> zielt darauf ab, festzustellen,<br />
welche Kompetenzen Menschen in ihrem freiwilligen <strong>Engagement</strong> erworben oder<br />
auch weiter entwickelt haben. Das dar<strong>aus</strong> resultierende Kompetenzportfolio führt zu<br />
einer Erweiterung des Selbstbildes und zeigt auf, wo zukünftig nutzbare Stärken liegen<br />
und auch wo ein eventueller Trainingsbedarf besteht.<br />
Kompetenzen <strong>aus</strong> <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong><br />
Allen im <strong>Freiwilligen</strong> <strong>Engagement</strong> geleisteten Aufgaben ist gemeinsam, dass durch<br />
die Bewältigung der jeweils gestellten Anforderungen neue Lernerfahrungen gewonnen<br />
werden, <strong>aus</strong> denen wiederum neue Handlungsmöglichkeiten generiert, bzw. bereits<br />
vorhandene Kompetenzen trainiert und weiter entwickelt werden. Mit Blick auf<br />
die Ergebnisse der dabei stattfindenden Lernprozesse bedeutet dies, dass diese<br />
sehr heterogen und in sehr unterschiedlicher Weise mit den Lernbiografien und sonstigen<br />
Erfahrungen der freiwillig Tätigen verknüpft sein können (Söker/Mutz 2003).<br />
Resultate dieser Lernerfahrungen sind also nicht isolierte besondere Kompetenzen<br />
sondern eng verwoben mit Vorerfahrungen und zum Teil auch Weiterentwicklungen<br />
von bereits anderswo erworbenen Handlungspotenzialen. Die Erfassung dieser<br />
Lernergebnisse kann also nicht den Anspruch haben, <strong>aus</strong>schließlich im <strong>Freiwilligen</strong><br />
<strong>Engagement</strong> erworbene Kompetenzen abzubilden, sondern hebt auf reflexive Methoden<br />
mit Blick auf Lernbiographien ab.<br />
1
Das Instrument „<strong>Kompetenzbilanz</strong> <strong>aus</strong> <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong>“<br />
Entwickelt wurde die <strong>Kompetenzbilanz</strong> im Rahmen des Projekts „Lernen im sozialen<br />
Umfeld“ (2004 bis 2006) als Kooperationsprojekts des Deutschen Jugendinstituts mit<br />
der kifas GmbH – Gemeinnütziges Institut der KAB für Fortbildung und angewandte<br />
Sozialethik. Das Projekt „Lernen im sozialen Umfeld“ war Bestandteil des Programmbereichs<br />
Lernen im sozialen Umfeld (LiSu) im Forschungs- und Entwicklungsprogramm<br />
„Lernkultur Kompetenzentwicklung“. Das Projekt wurde <strong>aus</strong> Mitteln des<br />
Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie <strong>aus</strong> Mitteln des Europäischen<br />
Sozialfonds gefördert. Projektauftrag war es, ein praktikables Instrument zur Erfassung<br />
und Anerkennung von Kompetenzen <strong>aus</strong> dem <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong> zu<br />
entwickeln, das zur beruflichen Nutzung eingesetzt werden kann.<br />
Das Instrument steht in zwei Versionen zur Verfügung:<br />
1. Eine Papierversion, die die <strong>Kompetenzbilanz</strong> selbst umfasst und durch eine<br />
Materialmappe, sowie durch Unterlagen für die Fremdeinschätzung und zur<br />
Kompetenzdokumentation ergänzt wird.<br />
2. Eine digitale Version, <strong>aus</strong> technischen Gründen ist hier das Format und die<br />
Textgestaltung verändert, Arbeitsweise und Arbeitsblätter sind unverändert auf<br />
CD-Rom und im Internet zum Download 1 .<br />
Die <strong>Kompetenzbilanz</strong> hat den Anspruch, ein sich selbst erklärendes Instrument zu<br />
sein, das ohne vorherige Einführung und ohne begleitende Beratung für viele Zielgruppen<br />
erfolgreich zu bewältigen ist. Dies wird sichergestellt durch<br />
- Geklärte Begrifflichkeiten: Alle Tätigkeits- und Kompetenzbegriffe sind im Instrument<br />
erläutert und an Beispielen verdeutlicht.<br />
- Transparenz des Arbeitsprozesses: Die zugrunde liegende Logik ist erkennbar<br />
und die einzelnen Schritte sind detailliert beschrieben und mit Beispielen verdeutlicht.<br />
- Ergebnisoffenheit: Es gibt keinerlei Vorentscheidungen und keine Bewertungen.<br />
- Freiwilligkeit: Die Ermittlung und Validierung von informellen Kompetenzen<br />
muss für die jeweilige Person grundsätzlich auf freiwilliger Basis erfolgen.<br />
- Eigenverantwortlichkeit und Nachhaltigkeit: Die jeweilige Person entscheidet,<br />
ob und wie sie mit den Ergebnissen umgeht.<br />
1 http://cgi.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=354&Jump1=LINKS&Jump2=67 / oder: www.kifas.org<br />
2
Die <strong>Kompetenzbilanz</strong> - Arbeitsprozess<br />
Der Arbeitsprozess geht vom „Praktischen zum Theoretischen“, von der konkreten<br />
Erfahrung zur reflektierten Benennung, was letztlich zu einer allgemeinen Befähigung<br />
im Umgang mit Kompetenzen führt.<br />
Dazu wird zunächst ein intensiver selbstreflexiver Prozess durchlaufen, bei dem das<br />
Individuum rückblickend in mehreren Arbeitsschritten sich der eigenen im <strong>Engagement</strong><br />
erworbenen und trainierten Verhaltensmöglichkeiten bewusst wird. Diese werden<br />
dokumentiert und allgemein gültigen Kompetenzbeschreibungen zugeordnet.<br />
Ergebnis dieses Selfassessments ist ein umfassendes Kompetenzportfolio, die darin<br />
enthaltenen Kompetenzen werden dann im nächsten Schritt anhand einer dreistufigen<br />
Bewertungsskala 2 eingeschätzt, allerdings nicht nach dem Grad des Könnens,<br />
sondern nach dem Grad der Transferierbarkeit in ähnliche oder völlig neuen Tätigkeitsfelder.<br />
Diese erste Fassung einer persönlichen <strong>Kompetenzbilanz</strong> wird anschließend mit einer<br />
oder auch mehreren Fremdeinschätzungen konfrontiert. Dieses strukturierte<br />
Feedback ermöglicht die kritische Überprüfung der Selbsteinschätzung und dient so<br />
zu ihrer Objektivierung und Validierung.<br />
Die konkreten Arbeitsschritte<br />
An die Nutzerinnen und Nutzer der <strong>Kompetenzbilanz</strong> <strong>aus</strong> <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong><br />
richtet sich die Aufforderung auf der ersten Seite des Instruments: „Nutzen Sie die<br />
<strong>Kompetenzbilanz</strong>, um sich Ihre Erfahrungen bewusst zu machen, um zu erfassen,<br />
was Sie gelernt haben und um zu bewerten, über welche Kompetenzen Sie verfügen!“<br />
Die Erarbeitung und Transparentmachung eigener Ressourcen in Form von erworbenen<br />
Kompetenzen ist ein freiwilliger und sehr persönlicher Prozess, der auf Reflexion,<br />
Bewusstwerdung, aber auch auf der Bewertung des eigenen Kompetenz-<br />
Portfolios basiert. Grundsätzlich unterliegen die Ergebnisse dieses Prozesses dem<br />
Datenschutz und jede Person entscheidet individuell, ob und wenn ja, welche Ergebnisse<br />
sie für welchen Zweck und welche Adressaten sichtbar machen möchte. Diesem<br />
persönlichen Portfolio-Prozess folgt also ein weiterer „öffentlicher“ Prozess, in<br />
dem – den individuellen Zielen entsprechend – <strong>aus</strong> dem Pool an eigenen Kompetenzen<br />
eine Auswahl <strong>aus</strong> den entdeckten Potenzialen getroffen wird. Das Instrument<br />
„<strong>Kompetenzbilanz</strong> <strong>aus</strong> dem <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong>“ bietet eine mögliche Verwendung<br />
an: Für die berufliche Nutzbarmachung dieser Kompetenzen liegt eine Vorlage<br />
in Form eines Kompetenzprofils bei, denn dieses kann als Zusatzqualifikation, z.B.<br />
einer Bewerbung beigelegt werden.<br />
2 Official Journal of the European Union C 111/1 06.05.2008<br />
3
Dieser Arbeits- und Lernprozess umfasst mehrere aufeinander folgende Arbeitsschritte<br />
die jeweils mit Arbeitsblättern inkl. Beispielen unterlegt sind:<br />
Schritt 1: Das <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong> im Überblick<br />
Das Ziel: Vergewisserung anhand einer eher quantitativen Darstellung des inhaltlichen<br />
und zeitlichen Umfangs des <strong>Engagement</strong>s.<br />
Was ist zu tun: „Beschreiben Sie, wo Sie sich derzeit engagieren oder früher<br />
bereits engagiert haben. Erläutern Sie, was Ihre Aufgabe dabei ist beziehungsweise<br />
war. Geben Sie an, seit wann und wie lange sie sich hier engagieren<br />
bzw. engagiert haben“ (<strong>Kompetenzbilanz</strong> S. 9).<br />
Schritt 2: Das Tätigkeitsfeld/die Tätigkeitsfelder im <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong><br />
Das Ziel: Erkennen der Rahmenbedingungen und der damit gegebenen<br />
Lernmöglichkeiten durch die genaue qualitative Erfassung eines oder auch<br />
mehrerer Tätigkeitsfelder.<br />
Was ist zu tun: „Beschreiben Sie das <strong>aus</strong>gewählte Tätigkeitsfeld genau: Welche<br />
Organisation ist es? Wie ist die Organisation aufgebaut? Was ist Ihre Aufgabe<br />
und Ihre Position? An wen richtet sich Ihre Tätigkeit? Wie wird die Qualität<br />
Ihrer Tätigkeit geprüft? Welche Lernmöglichkeiten bietet die Tätigkeit usw.“<br />
(<strong>Kompetenzbilanz</strong> S. 10f.).<br />
Schritt 3: Ihre Tätigkeiten und Ihre Lernerfahrungen<br />
Das Ziel: Die individuellen Lernerfahrungen können konkret benannt werden.<br />
Was ist zu tun: „Anhand eines Katalogs von möglichen Tätigkeiten (mit Erläuterungen<br />
und Ergänzungsfeldern) ordnen Sie ihre <strong>Freiwilligen</strong>tätigkeit zu, beschreiben<br />
die dabei zu bewältigenden Anforderungen und die dar<strong>aus</strong> resultierenden<br />
Lernerfahrungen“ (<strong>Kompetenzbilanz</strong> S. 12f.).<br />
Schritt 4: Ihre Kompetenzen – die Selbsteinschätzung<br />
Das Ziel: Die individuellen Lernerfahrungen sind in Kompetenzbegriffe übersetzt<br />
und dadurch bewertet, dass ihre Transferfähigkeit in andere Bereiche erfasst<br />
wird.<br />
Was ist zu tun: „Es geht darum, Ihre vorher benannten Lernerfahrungen in allgemein<br />
gültige Kompetenzbegriffe zu übertragen; dazu steht eine Liste von 44<br />
möglichen Kompetenzen inkl. Erläuterung als Hilfe zur Verfügung. Die für Sie<br />
zutreffenden Kompetenzen werden auf ihre Anwendbarkeit/Transferfähigkeit<br />
4
Ausblick<br />
in andere Bereiche hin überprüft und bewertet. Die Bewertungsskala auf dem<br />
Arbeitspapier bietet dazu drei Möglichkeiten“ (<strong>Kompetenzbilanz</strong> S. 19ff.).<br />
Schritt 5: Ihre Kompetenzen – die Fremdeinschätzung<br />
Das Ziel: Die Qualität und Stimmigkeit der Selbsteinschätzung wird durch eine<br />
oder mehrere Fremdeinschätzung(en) sichergestellt.<br />
Was zu tun ist: „Gewinnen Sie eine oder mehrere Personen für eine Rückmeldung<br />
zu Ihrer Selbsteinschätzung. Die Person kann sowohl <strong>aus</strong> dem privaten<br />
wie auch beruflichen Umfeld kommen, ebenso <strong>aus</strong> dem <strong>Engagement</strong>feld; die<br />
Auswahl orientiert sich am geplanten Nutzen. Im Dialog über Selbst- und<br />
Fremdeinschätzung trainieren Sie bereits den künftigen Nutzen und schärfen<br />
dabei Ihr Profil“ (<strong>Kompetenzbilanz</strong> S. 22).<br />
Schritt 6: Das Ergebnis – Ihre <strong>Kompetenzbilanz</strong><br />
Das Ziel: Erstellung eines aktuellen Kompetenzprofils mit der Option zur vielfältigen<br />
Nutzung.<br />
Was zu tun ist: „In der Gegenüberstellung von Selbst- und Fremdeinschätzung<br />
prüfen Sie nochmals Ihre Auswahl und Ihre Bewertung. Sie treffen letztendlich<br />
die Entscheidung über die Gestaltung Ihres Profils.“ (<strong>Kompetenzbilanz</strong> S. 23<br />
ff.)<br />
Die Weiterarbeit mit der Kompetenzdokumentation: Aus dem umfangreichen<br />
Kompetenzprofil werden – orientiert am jeweils angestrebten Nutzen – die dafür<br />
relevanten Kompetenzen <strong>aus</strong>gewählt und in ein überschaubares Kompetenzprofil<br />
eingeordnet. Dabei gilt: „Keep it short and simple“ 3 .<br />
Abschließend kann festgehalten werden, dass die Reflexion über das eigene <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong><br />
und damit über die erworbenen Kompetenzen zu einer Stärkung<br />
des Selbst sowie zu einem verbesserten Überblick über ein Stück der eigenen Lernbiographie<br />
führen kann. Damit werden die Nutzerinnen und Nutzer in die Lage versetzt,<br />
selbstgesteuert die künftige Planung für Ihr <strong>Freiwilligen</strong>-<strong>Engagement</strong> oder auch<br />
ihr berufliches Fort- und Weiterkommen zu übernehmen. Für die betriebliche Praxis<br />
kann aufgrund der aktuellen Entwicklungen, z.B. im Zusammenhang mit dem<br />
Europäischen oder Deutschen Qualifikationsrahmen festgestellt werden, dass die<br />
Bedeutung von Kompetenzen und ihrem Management weiter zunehmen wird. Für die<br />
Zukunft ist daher zu wünschen, dass dieses Instrument immer häufiger zum Einsatz<br />
3 Zitat Rühl, Beiratssitzung 2005<br />
5
kommt und damit persönliche wie organisatorische Prozesse z.B. der Aus- und<br />
Weiterbildung unterstützt werden können.<br />
Dr. Andrea Reupold arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pädagogik<br />
und Bildungsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München.<br />
Kontakt: reupold@lmu.de<br />
089/2180-4822<br />
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