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Migrantenorganisationen als Träger von Freiwilligendiensten - BBE

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Irene Krug <strong>BBE</strong>-Newsletter 17/2009<br />

<strong>Migrantenorganisationen</strong> <strong>als</strong> <strong>Träger</strong> <strong>von</strong> <strong>Freiwilligendiensten</strong><br />

18,6% der Bevölkerung in Deutschland besteht aus Menschen mit Migrationshintergrund.<br />

Dieses Bild spiegelt sich gegenwärtig in den Jugendfreiwilligendiensten so<br />

aber nicht wieder. Die Evaluation der Freiwilligendienste für das Freiwillige Soziale<br />

und das Freiwillige Ökologische Jahr hat u.a. gezeigt, dass Migrantinnen und Migranten<br />

in den <strong>Freiwilligendiensten</strong> deutlich unterrepräsentiert sind. Hierfür gibt es eine<br />

Reihe <strong>von</strong> Gründen.<br />

Der Bekanntheitsgrad des FSJ und FÖJ ist unter Migrantinnen und Migranten nicht<br />

gleichermaßen ausgeprägt, gute Beispiele <strong>von</strong> Freunden und Familie über eine erfolgreiche<br />

Teilnahme sind nicht ausreichend vorhanden. Diese Traditionen müssen<br />

erst entwickelt werden. Aber auch kulturelle Aspekte, wie die beruflichen Zukunftsvorstellungen<br />

<strong>von</strong> jungen Migrantinnen und Migranten und deren Familien und die<br />

Bedeutung <strong>von</strong> zum Beispiel pflegerischer, betreuender und helfender Tätigkeit spielen<br />

dabei eine entscheidende Rolle.<br />

Gerade aber die Freiwilligendienste <strong>als</strong> besondere Form bürgerschaftlichen Engagements<br />

sind wegen ihrer informellen Bildungspotentiale vornehmlich geeignet, die<br />

Engagement- sowie Bildungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Freiwilligen zu fördern<br />

und so ihre soziale und berufliche Integration zu stärken. Junge Migrantinnen<br />

und Migranten in den Projekten des Freiwilligendienstes und <strong>Migrantenorganisationen</strong><br />

<strong>als</strong> <strong>Träger</strong> <strong>von</strong> Freiwilligendienste bereichern die Freiwilligendienste, eröffnen<br />

Möglichkeiten für neue Zielgruppen, erweitern die Vielfältigkeit der Angebote, fördern<br />

das interkulturelle Lernen im multiethnischen Kontext und stärken die Zivilgesellschaft.<br />

Es ist eine gemeinsame Verantwortung <strong>von</strong> Bund und Ländern, <strong>Träger</strong>n, Einsatzstellen<br />

und Akteuren, die Partizipation <strong>von</strong> Migrantinnen und Migranten an den Jungendfreiwilligendiensten<br />

zu verbessern. Um junge Menschen mit Migrationshintergrund für<br />

Projekte der Freiwilligendienste zu gewinnen, ihre Teilhabe zu stärken und die Zugänge<br />

zu erleichtern gilt es, <strong>Migrantenorganisationen</strong> dabei zu unterstützen, sich<br />

1


selbst <strong>als</strong> <strong>Träger</strong> in diesem Feld zu etablieren und geförderte Maßnahmen eigenständig<br />

durchzuführen.<br />

In diesem Kontext startete am 01. Dezember 2008 ein vom Bundesministerium für<br />

Familie, Senioren, Frauen und Jugend ( BMFSFJ ) und dem Land Berlin gemeinsam<br />

gefördertes dreijähriges Projekt „<strong>Migrantenorganisationen</strong> <strong>als</strong> <strong>Träger</strong> <strong>von</strong> <strong>Freiwilligendiensten</strong>“.<br />

Es ist einerseits eine Säule der Initiative ZivilEngagement des BMFSFJ<br />

und setzt anderseits unmittelbar die Selbstverpflichtung der Bundesregierung im Nationalen<br />

Integrationsplan sowie die Aufforderung des Bundestages an die Bundesregierung<br />

aus dem Entschließungsantrag zum Jugendfreiwilligendienstegesetz um,<br />

eine gleichberechtigte Teilhabe <strong>von</strong> Migrantinnen und Migranten zu gewährleisten<br />

und <strong>Migrantenorganisationen</strong> dabei zu unterstützen, selbst <strong>Träger</strong> geförderter Maßnahmen<br />

zu werden. Auch das Land Berlin hat in seinem Integrationskonzept die Aktivierung<br />

und Teilhabe <strong>von</strong> Migrantinnen und Migranten <strong>als</strong> Grundsatz und Hauptanliegen<br />

zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements <strong>von</strong> Migrantinnen und<br />

Migranten herausgestellt und bietet besonders gute Voraussetzungen für die Durchführung<br />

des Projekts.<br />

Die in Berlin ansässige Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) vertritt die zahlenmäßig<br />

größte Migrantengruppe in Deutschland und ist die erste Migrantenorganisation,<br />

die gleichzeitig anerkannte <strong>Träger</strong>in des Freiwilligen Sozialen Jahres ist. Aufgrund<br />

vorhandener Projekterfahrungen, vorhandener hauptamtlicher Strukturen und<br />

nicht zuletzt einem großen Interesse hat sie die Pilotfunktion im Projekt zur Entwicklung<br />

einer eigenen <strong>Träger</strong>schaft für Jugendfreiwilligendienste übernommen. Im Verlauf<br />

des dreijährigen Projektes werden andere <strong>Migrantenorganisationen</strong>, auch in anderen<br />

Bundesländern folgen.<br />

<strong>Migrantenorganisationen</strong>, die selbst <strong>Träger</strong> <strong>von</strong> Jugendfreiwilligendiensten werden,<br />

schaffen durch ihre Angebote gute Beispiele, vermitteln jungen Migrantinnen und<br />

Migranten Wissen über die Freiwilligendienste, eröffnen Zugänge und bauen Brücken<br />

für eine aktive Teilhabe an der Zivilgesellschaft. Damit <strong>Migrantenorganisationen</strong><br />

diesen Weg erfolgreich gehen können, brauchen sie Informations- und Kompetenztransfer,<br />

Strukturen, Begleitung und Partner. So hat das Institut für Sozialarbeit und<br />

Sozialpädagogische (ISS) die Aufgabe des Projektträgers übernommen, zu denen in<br />

erster Linie die Konzeptionierung, die Projektkoordination, Beratung und Qualifizierung<br />

gehören.<br />

Das Qualifizierungsangebot richtet sich dabei in erster Linie an <strong>Migrantenorganisationen</strong>,<br />

die sich interkulturell öffnen indem sie junge Menschen unterschiedlicher Her-<br />

2


kunft und auch deutsche Jugendliche ansprechen und mit anderen <strong>Migrantenorganisationen</strong><br />

und den traditionellen deutschen <strong>Träger</strong>n zusammen arbeiten.<br />

Zum Stand Der Projektentwicklung:<br />

( 1. Projektphase 2008/2009)<br />

• Die Türkische Gemeinde in Deutschland wurde <strong>als</strong> <strong>Träger</strong>in für das Freiwillige<br />

Soziale Jahr zugelassen.<br />

• Die Pädagogische Rahmenkonzeption mit dem Profil der TGD wurde erstellt,<br />

zur Zeit werden die Seminarkonzeptionen qualifiziert.<br />

• Im Mittelpunkt stehen gegenwärtig die Prozesse der Einsatzstellengewinnung,<br />

der verstärkten Akquise <strong>von</strong> jungen Freiwilligen, die intensive Vorbereitung<br />

des kommenden Projektjahres (09/09 – 08/10) und die Öffentlichkeitsarbeit.<br />

• Angelaufen ist darüber hinaus die Gewinnung weiterer <strong>Migrantenorganisationen</strong>.<br />

•<br />

Erfahrungen aus der ersten Projektphase:<br />

• Eine Migrantenorganisation steht beim Aufbau <strong>von</strong> Jugendfreiwilligendienst-<br />

Projekten vor den gleichen Aufgaben, Herausforderungen und Schwierigkeiten<br />

wie die etablierten <strong>Träger</strong>. Sich <strong>als</strong> <strong>Träger</strong>in <strong>von</strong> Jugendfreiwilligendiensten<br />

zu etablieren, bedeutet auch für eine Migrantenorganisation neue Aufgabenstellungen<br />

zu meistern und sich weiter zu qualifizieren. Es gilt insbesondere<br />

die nachwachsende Generation mit Migrationshintergrund zu mobilisieren,<br />

den Bekanntheitsgrad <strong>von</strong> Projekten wie das Freiwillige Soziale Jahr zu<br />

erhöhen und sich selbst <strong>als</strong> <strong>Träger</strong> ins Gespräch zu bringen. Das braucht immer<br />

einen gewissen Anlauf, für eine Migrantenorganisation ist es absolutes<br />

Neuland.<br />

• Der erste Arbeitsschwerpunkt ist die konzeptionelle Ausgestaltung des Freiwilligen<br />

Sozialen Jahres. Gerade der konzeptionelle Rahmen bietet die Möglichkeit,<br />

den speziellen Ansatz eines FSJ-Projektes bei der TGD, mit seinen Integrations-<br />

und Diversity-Potentialen zu verankern und das Interesse <strong>von</strong> zukünftigen<br />

Freiwilligen insbesondere auch unter diesen Aspekten zu wecken.<br />

• Einsatzstellen konnten aus verschiedenen Einsatzfeldern auch mit türkischem<br />

und anderem Migrationshintergrund gewonnen werden und werden auch weiterhin<br />

mit dem Ziel der Angebotserweiterung und der multiethnischen Bereicherung<br />

akquiriert. Deutlich sichtbar zeigte sich bei der Einsatzstellengewinnung,<br />

dass viele Einsatzstellen sich gerade durch den multiethnischen Ansatz<br />

des Projektes angesprochen und motiviert fühlen. Trotzdem gibt es auch Ein-<br />

3


ichtungen, die vorerst das Gelingen des Projektes abwarten, ehe sie sich<br />

selbst für eine Teilnahme entscheiden, obwohl sie sich sehr interessiert an<br />

dem Projekt zeigen. Das ist das normale Bild, welches sich den etablierten<br />

deutschen <strong>Träger</strong>n auch bietet.<br />

• Die Akquise <strong>von</strong> Bewerberinnen und Bewerbern für das FSJ-Projekt bei der<br />

TGD in Deutschland ist die zentrale Aufgabe. Ein neuer <strong>Träger</strong> braucht immer<br />

1-2 Jahre, um so bekannt zu werden, dass sich Interessenten ohne spezielle<br />

Werbemaßnahmen bei ihm melden und sich aus eigenem Antrieb für die Angebote<br />

interessieren. Das ist innerhalb der etablierten <strong>Träger</strong>landschaft immer<br />

wieder zu beobachten, gilt aber um so mehr für eine Migrantenorganisation,<br />

die <strong>als</strong> <strong>Träger</strong>in im Jugendfreiwilligendienst Neuland betritt. Es zeigt sich aber<br />

auch, dass unter den Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Bekanntheit<br />

<strong>von</strong> Maßnahmen des Jugendfreiwilligendienstes nicht so ausgeprägt ist, <strong>als</strong><br />

das sie nur auf die entsprechenden Zugänge gewartet hätten. Ein neuer <strong>Träger</strong>,<br />

wie die TGD, muss eine spezielle Akquise betreiben, um geeignete Freiwillige<br />

für die Projekte zu gewinnen.<br />

Die Evaluation der Jugendfreiwilligendienste hat immer wieder gezeigt, dass eine<br />

Reihe <strong>von</strong> Bewerberinnen und Bewerbern über Freunde, Bekannte, Familie, sprich<br />

über Vorbilder zum Freiwilligen Sozialen und Freiwilligen Ökologischen Jahr kommen.<br />

Diese positiven Beispiele fehlen für junge Menschen mit Migrationshintergrund<br />

noch.<br />

Auch die Familie spielt eine ungewöhnlich größere Rolle bei der Bildungs- und Berufsorientierung<br />

der jungen Menschen mit Migrationshintergrund. So zeigt sich die<br />

Notwendigkeit für die TGD bei der Freiwilligengewinnung auch das familiäre Umfeld<br />

der Jugendlichen mit zu berücksichtigen. Es geht <strong>als</strong>o nicht nur um die Gewinnung<br />

<strong>von</strong> jungen Menschen, sondern auch um Überzeugung der Eltern, Großeltern, Geschwister<br />

etc. und die Entwicklung <strong>von</strong> Traditionen zum ganztägigen freiwilligen Engagement<br />

junger Menschen mit Migrationshintergrund. Darüber hinaus ist die Ausgangssituation<br />

in Berlin so, dass ein Teil der jungen Generation aus den türkischen<br />

Einwandererfamilien über den Hauptschulabschluss verfügt, bzw. mitunter auch ohne<br />

Abschluss die Schule verlässt.<br />

Hier bedarf es vielmehr Anstrengung, diese Jugendlichen für eine freiwillige Tätigkeit<br />

zu gewinnen und ihnen mit dem FSJ auch eine berufliche Perspektive zu geben. Ein<br />

Teil <strong>von</strong> ihnen lebt in Familien, in denen das Familieneinkommen über Arbeitslosengeld<br />

II realisiert wird und dann das Taschengeld für das FSJ zum Teil in der Bedarfsgemeinschaft<br />

verrechnet wird. Gerade jungen Menschen mit Migrationshintergrund<br />

4


fällt es noch schwer, die Absolvierung eines FSJ unter diesen Aspekten <strong>als</strong> persönlichen<br />

und beruflichen Kompetenzgewinn zu sehen.<br />

Die geschilderten Probleme treten ebenso bei den etablierten <strong>Träger</strong>n für Jugendfreiwilligendienste<br />

auf, sind aber bei <strong>Migrantenorganisationen</strong>, sie sich zu <strong>Träger</strong>n<br />

<strong>von</strong> Jugendfreiwilligendiensten entwickeln wollen, aufgrund nicht vorhandener Traditionen,<br />

mangelnder positiver Erfahrungen und guten persönlichen Beispielen mitunter<br />

verstärkt zu beobachten. Am 01. September 2009 beginnt bei der Türkischen<br />

Gemeinde der neue Projektdurchgang für das Freiwillige Soziale Jahr 2009/2010 mit<br />

einer gemeinsamen Auftaktveranstaltung. Die zukünftigen Freiwilligen mit ihren<br />

Familien, die Betreuerinnen und Betreuer aus den Einsatzstellen und die<br />

Vertreterinnen und Vertreter der Türkischen Gemeinde in Deutschland und des<br />

Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik haben die Gelegenheit, gemeinsam ins<br />

Gespräch zu kommen, Erfahrungen auszutauschen und die nächsten Projektziele<br />

abzustecken. Am nachfolgenden Tag beginnt für die Freiwilligen dann die Tätigkeit in<br />

der Einsatzstelle.<br />

Weitere Informationen unter www.MO-freiwilligendienste.de<br />

Irene Krug leitet am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. das Projekt<br />

„<strong>Migrantenorganisationen</strong> <strong>als</strong> <strong>Träger</strong> <strong>von</strong> <strong>Freiwilligendiensten</strong>“.<br />

Kontakt: irene.krug@iss-ffm.de<br />

www.iss-ffm.de<br />

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