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BuMa_2010_04 - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...

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4/<strong>2010</strong><br />

BUNSENMAGAZIN<br />

Leitartikel<br />

Schöne neue Welt –<br />

Wer kann sich das leisten? S. 121<br />

Unterricht<br />

Low-energy electron diffraction<br />

crystallography of surfaces and<br />

interfaces S. 124<br />

Aspekte<br />

Kernfusion –<br />

die Energiequelle der Zukunft? S. 132<br />

Bunsentagung/Aktuelles<br />

Ansprache des Ersten Vorsitzenden<br />

bei der Bunsentagung <strong>2010</strong> S. 150<br />

BBPCAX 101 (8) 1083-1196 (1998)<br />

ISSN 0005 – 9021<br />

No. 4 – JULI <strong>2010</strong>


IMPRESSUM<br />

Bunsen-Magazin<br />

Heft 4 Jahrgang 12<br />

Herausgeber:<br />

Vorstand der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bunsen-Gesellschaft<br />

Wolfgang von Rybinski<br />

Katharina Kohse-Höinghaus<br />

Wolfgang Grünbein<br />

Schriftleiter:<br />

Rolf Schäfer /Peter C. Schmidt<br />

Eduard-Zintl-Institut <strong>für</strong> Anorganische<br />

und <strong>Physikalische</strong> Chemie<br />

Technische Universität Darmstadt<br />

Petersenstr. 20<br />

D-64287 Darmstadt<br />

Tel.: 06151 / 16 27 07 oder 16 24 98<br />

Fax: 06151 / 16 60 24<br />

E-Mail: bunsenmagazin@bunsen.de<br />

Geschäftsführer der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bunsen-Gesellschaft<br />

Andreas Förster<br />

Theodor-Heuss-Allee 25<br />

D-6<strong>04</strong>86 Frankfurt<br />

Tel.: 069 / 75 64 620<br />

Fax: 069 / 75 64 622<br />

E-Mail: foerster@bunsen.de<br />

Technische Herstellung:<br />

VMK-Druckerei GmbH<br />

Faberstraße 17<br />

D-67590 Monsheim<br />

Tel.: 06243 / 909 - 110<br />

Fax: 06243 / 909 - 100<br />

E-Mail: info@vmk-druckerei.de


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Felix Geisler<br />

SCHÖNE NEUE WELT –<br />

WER KANN SICH DAS LEISTEN?<br />

Die Chemie ist angekommen in der<br />

schönen neuen Welt. Nach Jahrzehnten<br />

des Umbruchs nutzen die Studenten<br />

und Wissenschaftler heute<br />

chemische Literatur und Fachinformation<br />

großteils elektronisch. Vorbei<br />

sind die Zeiten, als man zur Abendstunde<br />

nicht an den benötigten Artikel<br />

kam, weil die Bibliothek bereits<br />

geschlossen hatte. Vorbei ist auch die<br />

mühevolle Suche nach Verbindungen<br />

und ihren Eigenschaften in unzähligen Bänden der Chemical<br />

Abstracts, des Beilstein und des Gmelin. Die betreffenden Zeitschriften-<br />

und Abstract-Bände verstauben heute ungenutzt in<br />

den Kellern der Bibliotheken. Nur das gedruckte Buch erfreut<br />

sich noch einer gewissen Beliebtheit. So wurde beobachtet, dass<br />

die Nutzung des gedruckten Exemplars zunimmt, wenn gleichzeitig<br />

Zugang zur elektronischen Fassung des entsprechenden<br />

Buches besteht.<br />

Die Welt der elektronischen Fachinformation bietet ihren Nutzern<br />

eine Vielzahl von Mehrwerten. Es ist möglich, Volltexte<br />

oder zumindestens Teile von Texten zu durchsuchen. Die Inhalte<br />

sind nicht selten untereinander umfangreich verlinkt und<br />

mit zusätzlichem Material angereichert. Besondere Relevanz<br />

<strong>für</strong> die (organische) Chemie hat die Eingabe von Suchanfragen<br />

mit einem Struktureditor. Noch größer ist der Mehrwert <strong>für</strong> den<br />

Nutzer allerdings, wenn mehrere Produkte gebündelt werden,<br />

zum Beispiel bibliographische Datenbanken und Faktendatenbanken<br />

mit elektronischen Zeitschriftenpaketen. Dies haben<br />

führende Verlage und Datenbankanbieter erkannt und darauf<br />

ihre Geschäftspolitik ausgerichtet. Welche Folgen ergeben sich<br />

daraus <strong>für</strong> die akademischen Nutzer elektronischer Fachinformation?<br />

Einige Überlegungen zu diesem Thema sind sicherlich<br />

sinnvoll, wenn man die Konkurrenzfähigkeit der deutschen<br />

Chemie-Institute und Chemie-Fachbereiche bei der Ausbildung<br />

und in der Forschung im Auge behalten möchte.<br />

Verlage, Datenbankanbieter und ihre Abonnenten befi nden<br />

sich in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis. Für viele<br />

Produkte fi ndet sich kein entsprechendes Konkurrenzangebot<br />

Dr. Felix Geisler, M.A. (LIS)<br />

Fachreferent Chemie, Maschinenbau, Allgemeines<br />

Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt<br />

Schloss, 64283 Darmstadt<br />

Telefon: 06151-16 5876<br />

E-Mail: geisler@ulb.tu-darmstadt.de<br />

LEITARTIKEL<br />

auf dem freien Markt. Die Zahl der Abonnenten von einzelnen<br />

Zeitschriften und Datenbanken liegt üblicherweise zwischen<br />

500 und 2000. Wissenschaftliche Institutionen und forschende<br />

Unternehmen sind die wichtigsten Kunden. Private Abos<br />

spielen keine fi nanzielle Rolle. Wie kommen nun die Preise <strong>für</strong><br />

einzelne Produkte zustande? Ein traditioneller Unternehmer<br />

würde vorrechnen: Personalaufwand plus Sachkosten plus<br />

Investitionskosten plus Vertriebskosten plus kalkulierter Gewinn<br />

geteilt durch die Anzahl der Abonnenten. Bei qualitativ<br />

hochwertigen Zeitschriften sind höhere Preise durch höhere<br />

Ablehnungsquoten bei den Zuschriften und den damit verbundenen<br />

zusätzlichen Organisationsaufwand zu rechtfertigen.<br />

Chemische Datenbanken sind komplexe Produkte, der Personalaufwand<br />

zu ihrer Erstellung und Pfl ege ist sehr groß, dies<br />

rechtfertigt einen besonderen Preis.<br />

Selbst wenn man diese Faktoren berücksichtigt kommt man zu<br />

dem Ergebnis, dass sich die Kosten <strong>für</strong> die Literatur- und Informationsversorgung<br />

in der Chemie (und auch in anderen Studienfächern)<br />

von den klassischen, betriebswirtschaftlich berechneten<br />

Kosten entkoppelt haben. Es liegt der Verdacht nahe,<br />

dass Produkte, die als unverzichtbar gelten, überteuert angeboten<br />

werden, um aus den zusätzlichen Gewinnen Produkte zu<br />

fi nanzieren, die von vielen Abonnenten als verzichtbar angesehen<br />

werden. Den Kunden werden also Zeitschriften-Pakete angeboten,<br />

die meist mehrere hundert Einzeltitel enthalten. Darin<br />

befi nden sich manchmal nur einige wenige dringend benötigte<br />

Zeitschriften, daneben Zeitschriften mit geringer und fehlender<br />

Nutzung. Die Summe der Einzelpreise <strong>für</strong> die als unverzichtbar<br />

eingestuften Zeitschriften wäre jedoch in vielen Fällen höher<br />

als der Preis <strong>für</strong> das gesamte Paket.<br />

Die Kosten <strong>für</strong> Literatur und Fachinformation in der Chemie haben<br />

sich in den vergangenen 10 Jahren insgesamt sehr stark<br />

erhöht, bei manchen Zeitschriften hat sich in dieser Zeit der<br />

Preis sogar verdreifacht. Dem Elsevier-Verlag ist es mit einer<br />

„beispiellosen“ Preispolitik gelungen, seine Umsatzrendite zeitweise<br />

auf über 30 % zu steigern. Von den Unterhaltsträgern der<br />

Universitäten wurde jedoch in den meisten Fällen nicht mehr<br />

Geld zum Erwerb von Literatur und Fachinformation zur Verfügung<br />

gestellt. Es gab lediglich Sonderprogramme zur Finan-<br />

121


LEITARTIKEL<br />

zierung einiger herausragender Produkte und zur erstmaligen<br />

Erwerbung von E-Books. Dies führte dazu, dass nicht so stark<br />

gefragte Produkte abbestellt werden mussten. Zunächst konnte<br />

durch Verzicht auf Einzeltitel oder auf die gedruckte Ausgabe<br />

von Zeitschriften Geld eingespart werden. Eine Kostenreduktion<br />

konnte auch durch die konsortiale Bündelung von Bestellungen<br />

mehrer Hochschulen erreicht werden. Diese „Verfügungsmasse“<br />

ist aber mittlerweile aufgebraucht. An vielen Einrichtungen<br />

wird daher in den nächsten Jahren eine Weichenstellung erfolgen.<br />

Entweder es wird seitens der Unterhaltsträger deutlich<br />

mehr Geld <strong>für</strong> den Erwerb von Literatur und Fachinformation<br />

zur Verfügung gestellt oder es wird schmerzliche Einschnitte bei<br />

der Informationsversorgung geben, weil größere Zeitschriften-<br />

Pakete oder Datenbanken nicht mehr fi nanziert werden können.<br />

Je dramatischer die Situation wird, desto größer wird der Ärger<br />

der Wissenschaftler, Dozenten, Studenten und Bibliothekare<br />

aus den Fachbereichen auf die Verlage und Datenbankanbieter.<br />

Es wird deutlich, dass diese das besondere Abhängigkeitsverhältnis<br />

mit den Abonnenten zu ihren Gunsten ausgenutzt<br />

haben, um den Umsatz und den Gewinn zu steigern. Und um<br />

den Unmut noch anzuheizen, muss man betonen, dass ein großer<br />

Teil des Publikationsprozesses in wissenschaftlichen Zeitschriften<br />

von den Wissenschaftlern selbst getragen wird, durch<br />

ihre Autoren- und Gutachtertätigkeit. Würde man also Druck,<br />

Textherstellung und Vertrieb zusätzlich in die eigenen Hände<br />

nehmen, könnte man in der Zukunft auf teure Verlagsprodukte<br />

vollständig oder zumindestens teilweise verzichten. Eigenpublikationen<br />

im Netz, ob in Zeitschriften, als Buch, in Schriftenreihen<br />

oder als Einzelbeiträge sind Open Access, also <strong>für</strong> alle<br />

122<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

frei zugänglich. Wissenschaftsorganisationen wie die DFG stellen<br />

zur Förderung des Open Access-Publizierens Mittel bereit.<br />

Stiftungen und Fachgesellschaften fi nanzieren komplette Open<br />

Access-Zeitschriften, teilweise sogar mit Peer-Reviewing-Prozess,<br />

oder unterstützen den Aufbau freier Datenbanken. Trotzdem<br />

sind Open Access-Produkte im Bereich der Chemie bisher<br />

nicht aus ihrer Nische herausgekommen. Es wird noch einige<br />

Zeit vergehen, bis wirkliche Alternativen zu den Verlagsprodukten<br />

und etablierten Datenbanken existieren.<br />

Was kann man also den Verlagen sagen? Dass wir machtlos<br />

sind als einzelne Hochschule oder Einrichtung? Keinesfalls!<br />

Wissenschaftsverlage, Anbieter wissenschaftlicher Datenbanken<br />

und wir, die institutionellen Abonnenten, sitzen im gleichen<br />

Boot. Wir können uns mit anderen Abonnenten zu größeren<br />

Einkaufsgemeinschaften zusammenschließen, gemeinsam<br />

auch mal ein überteuertes Angebot ablehnen. Wir können unseren<br />

Wissenschaftlern empfehlen, nicht in Zeitschriften zu<br />

publizieren und als Gutachter tätig zu werden, die wir uns nicht<br />

mehr leisten können. Wir können den Datenbankanbietern<br />

erläutern, dass Studenten und Doktoranden, die bestimmte<br />

Datenbanken heute <strong>für</strong> Arbeit und Studium nutzen, diese auch<br />

später bei einer Tätigkeit in der freien Wirtschaft eher nutzen<br />

werden. Wir können Dozenten das Verfassen von Open-Access-Lehrbüchern<br />

mit Forschungsfreisemestern oder zusätzlichen<br />

Forschungsgeldern „schmackhaft“ machen. Wir können<br />

uns beim kooperativen Aufbau von Open Access-Datenbanken<br />

und Open Access-Zeitschriften einbringen. Denn: Die schöne<br />

neue Welt gibt es nur, wenn sie <strong>für</strong> die Mehrheit der Nutzer<br />

bezahlbar bleibt.


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Leitartikel<br />

Unterricht<br />

Aspekte<br />

Tagung<br />

Buchbesprechung<br />

Bunsentagung/Aktuelles<br />

Nachrichten<br />

<strong>Physikalische</strong> Chemie<br />

Leserbriefe<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Felix Geisler<br />

Schöne neue Welt – Wer kann sich das leisten? 121<br />

Georg Held<br />

Low-energy electron diffraction 124<br />

crystallography of surfaces and interfaces<br />

Ulrich Schindewolf<br />

Kernfusion – die Energiequelle der Zukunft? 132<br />

Katharina Al-Shamery<br />

Aus den Hexenküchen der Materialwissenschaften II 144<br />

Jacob Bierwagen<br />

Erlebnisbericht zu den Nachwuchswissenschaftler Gesprächen<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft <strong>2010</strong> 145<br />

Emil Roduner<br />

Internationale Bunsen Diskussionstagung: Light Harvesting and Solar<br />

Energy Conversion, 29. - 31. März <strong>2010</strong>, Stuttgart-Hohenheim 147<br />

Frédéric Leroy<br />

Principles of Physical Chemistry 149<br />

Wolfgang von Rybinski<br />

Ansprache des Ersten Vorsitzenden zur Eröffnungssitzung der<br />

109. Hauptversammlung der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie in Bielefeld, 13. Mai <strong>2010</strong> 150<br />

Impressionen Bunsentagung <strong>2010</strong> in Bielefeld 152<br />

Preise/Ehrungen 154<br />

Harry Hoster<br />

Karrierewege zwischen Industrie und Hochschule –<br />

ein Rückblick auf das Karriereforum auf der Bunsentagung <strong>2010</strong> 158<br />

Personalia 161<br />

Veranstaltungen/Events 162<br />

Ausschreibungen 162<br />

Inhalt Heft 5 (<strong>2010</strong>) 163<br />

Zu Bunsenmagazin, <strong>2010</strong>, Heft 3, S. 112 163<br />

Zum Titelbild<br />

Surface geometry of the c(2x4) superstructure of CO on Ni{111}<br />

obtained by LEED-IV curves; see Georg Held, page 124.<br />

123


UNTERRICHT<br />

Georg Held<br />

124<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

LOW-ENERGY ELECTRON DIFFRACTION<br />

CRYSTALLOGRAPHY OF SURFACES AND INTERFACES<br />

METHOD SUMMARY<br />

Acronyms, Synonyms<br />

Low energy electron diffraction (LEED)<br />

Micro channel plate (MCP)<br />

Retarding fi eld analyzer (RFA)<br />

Intensity vs Voltage curves (IV curves)<br />

Intensity vs Energy curves (I(E) curves)<br />

Information available<br />

Technique is surface-sensitive.<br />

Periodicity of surface layers (superstructure) – LEED pattern.<br />

Degree of surface order (e.g. phase transitions, island size) –<br />

spot profi les of LEED pattern.<br />

Positions of atoms (± 1-10 pm) in the layers near the surface<br />

(< 1 nm) – LEED-IV structure determination.<br />

Information not available (limitations)<br />

Not element-specifi c.<br />

No information about bulk structure (> 1nm below surface).<br />

Requires long-range order (limited information about amorphous<br />

or random surface structures).<br />

1 INTRODUCTION<br />

When Clinton Davisson and Lester Germer conducted the very<br />

fi rst low-energy electron diffraction (LEED) experiments in April<br />

1925 at Bell Labs in New York it hit them – quite literally – like<br />

a lightening stroke: “At that time we were continuing an investigation<br />

... of the distribution in-angle of electrons scattered by<br />

a target of ordinary nickel. During the course of this work a<br />

liquid-air bottle exploded at a time when the target was at high<br />

temperature; the experimental tube was broken, and the target<br />

heavily oxidized by the inrushing air. The oxide was eventually<br />

reduced and a layer of the target removed by vaporization but<br />

only after prolonged heating at various high temperatures in<br />

hydrogen and in vacuum. When the experiments were contin-<br />

Dr. Georg Held<br />

Department of Chemistry, University of Reading<br />

Whiteknights Reading RG6 6AD<br />

United Kingdom<br />

Tel.: +44 (0)118 378 6347, Fax: +44 (0)118 378 6331<br />

E-Mail: g.held@reading.ac.uk<br />

ued it was found that the distribution-in-angle of the scattered<br />

electrons had been completely changed.” [Davi27] They added,<br />

“We must admit that the results obtained in these experiments<br />

have proved to be quite at variance with our expectations.”<br />

The prolonged heating treatment had transformed the crystallites<br />

of the polycrystalline nickel sample into mm size crystals<br />

and the intensity distribution of elastically back-scattered electrons<br />

now showed sharp maxima instead of the smooth angular<br />

distribution before the accident. Davisson and Germer soon realized<br />

that these were interference patterns and, thus, the fi rst<br />

experimental proof of the wave nature of electrons, which had<br />

been postulated only a few years before, in 1923, by Louis De<br />

Broglie. He had suggested that electrons have a wave length,<br />

which is proportional to the inverse of their momentum m ev:<br />

λ e = h / (m ev) = (1.50eV / E kin ) ½ [in nm] (1)<br />

and a wave vector of length<br />

k e = 2p / λ e = (2p/h) ∙ m ev (2)<br />

which is proportional to the momentum of the electron (h is<br />

Planck’s constant, m e the electron mass, v the velocity, and E kin<br />

the kinetic energy of the electron). For low kinetic energies between<br />

a few ten and a few hundred electron volts (eV) the wavelength<br />

is of the order of 0.1 nm, i.e. comparable to typical interatomic<br />

distances in crystals and molecules and it was soon<br />

realized that the angular interference patterns observed in lowenergy<br />

electron diffraction (LEED) can be used to determine the<br />

structure of well-ordered crystals, in analogy to X-ray diffraction.<br />

Due to the small inelastic mean free path of electrons in this<br />

energy range, typically around 1 nm, LEED samples only the topmost<br />

atomic layers of a crystal and is, therefore, best suited<br />

for the analysis of surface geometries. X-ray photons, on the<br />

other hand, have a much larger mean free path, typically a few<br />

μm. Therefore X-ray diffraction delivers crystallographic information<br />

about the bulk-structure of a crystal. Another important<br />

difference is that multiple scattering plays an important role in<br />

the diffraction process of electrons at solid surfaces, which is<br />

not the case for x-ray-photons. Therefore, the analysis of LEED


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

data with respect to the exact positions of atoms at a surface<br />

is somewhat more complicated and requires fully dynamical<br />

quantum mechanical scattering calculations.<br />

The use of LEED as a standard technique for surface analysis<br />

started in the early 1960’s when large enough single crystals<br />

and commercial instruments became available for surface<br />

studies. At fi rst the technique was only used for qualitative<br />

characterization of surface ordering and the identifi cation of<br />

two-dimensional superstructures. The quantitative information<br />

about the positions of the atoms within the surface is hidden<br />

in the energy-dependence of the diffraction spot intensities,<br />

the so-called LEED I-V, or I(E), curves. Computer programs and<br />

the computer power to analyze these data became available in<br />

the 1970’s. With the ever growing speed of modern computers<br />

LEED-IV structure determination has been applied to increasingly<br />

complex surface structures. To date LEED is the most precise<br />

and versatile technique for surface crystallography.<br />

For further information about the history, experimental setup,<br />

and theoretical approaches of LEED refer to the books by Pendry,<br />

[Pend74], Van Hove and Tong [Vanh79], Van Hove, Weinberg<br />

and Chan [Vanh86], and Clarke [Clar85]. The present article<br />

makes extensive use of these works.<br />

2 BASIC PRINCIPLES<br />

The basic principle of a standard LEED experiment is very simple:<br />

a collimated mono-energetic beam of electrons is directed<br />

towards a single crystal surface and the diffraction pattern of<br />

the elastically back-scattered electrons is recorded using a<br />

position-sensitive detector. For electrons, like for all wave-like<br />

objects, the angular intensity distribution due to the interference<br />

of partial waves back-scattered from a periodic array is<br />

described by Bragg’s law or, more conveniently, by a set of<br />

Laue equations, one for each dimension of periodicity, which<br />

predict a regular pattern of diffraction spots.<br />

2.1 SURFACE PERIODICITY AND RECIPROCAL LATTICE<br />

Because of the short penetration depth of low-energy electrons<br />

the diffraction process is determined by a small number<br />

of atomic layers at the crystal surface. The electrons do not<br />

probe the full crystal periodicity perpendicular to the surface.<br />

Therefore, the array of relevant scatterers is only periodic in<br />

two dimensions. The surface lattice can be described by a pair<br />

of lattice vectors a 1 and a 2, which are parallel to the surface<br />

plane, and the surface unit cell, i.e. the contents of the parallelogram<br />

spanned by a 1 and a 2. The surface consists of identical<br />

copies of the unit cell at every point<br />

R = m 1 a 1 + m 2 a 2<br />

with integer numbers m 1 and m 2. The left hand side of Figure<br />

1 illustrates common square, rectangular and hexagonal surfaces<br />

and the lattice vectors defi ning their unit cells.<br />

The two-dimensional Laue equations are based on reciprocal<br />

lattice vectors within the surface plane which are defi ned by<br />

(3)<br />

UNTERRICHT<br />

the real space lattice vectors through a set of four simultaneous<br />

equations:<br />

b 2<br />

a 1 ∙ a* 1 = 2p a 2 ∙ a* 2 = 2p (4a)<br />

a 1 ∙ a* 2 = 0 a 2 ∙ a* 1 = 0 (4b)<br />

a 2<br />

a 2<br />

b 1<br />

a 2<br />

a 1<br />

a 1<br />

a 1<br />

Figure 1 (left from top to bottom) arrangement of atoms in the {100} (square)<br />

{110} (rectangular) and {111} (hexagonal) surfaces of a simple face centered<br />

cubic crystal lattice and a p(2x1) superstructure on a square surface;<br />

the diagrams include lattice vectors defining the surface unit cell and the<br />

corresponding reciprocal lattices (right).<br />

In order for the scalar products in (4a) to be dimensionless, the<br />

reciprocal lattice vectors must have units of inverse length, nm -1 .<br />

As a consequence of (4b) a* 2 and a* 1 must be perpendicular<br />

to a 1 and a 2, respectively, which means that a rectangular realspace<br />

lattice will also have a rectangular reciprocal lattice. For<br />

non-rectangular lattices the angles are different in real space<br />

and reciprocal space. The right-hand column of Figure 1 shows<br />

the corresponding reciprocal lattices for each of the surfaces on<br />

the left. The reciprocal lattice vectors defi ne the positions of the<br />

diffraction maxima through the Laue equation (5).<br />

a * 2<br />

k ||,out (n 1,n 2) = k ||,in + n 1 a* 1 + n 2 a* 2<br />

k ||,out is the component of the wave vector of the diffracted<br />

electrons, which is parallel to the surface plane (by conven-<br />

a * 1<br />

a * 2<br />

a * 2<br />

b * 2<br />

b * 1<br />

a * 1<br />

a * 1<br />

(5)<br />

125


UNTERRICHT<br />

tion, this is the xy-plane). k ||,in is the parallel component of the<br />

wave vector of the incoming electron beam. Note that the Laue<br />

equation (5) defi nes a two-dimensional vector, hence it actually<br />

comprises two equations, one for each component. Each<br />

diffraction spot corresponds to the sum of integer multiples of<br />

a* 1 and a* 2. The integer numbers (n 1, n 2) are used as indices<br />

to label the spots.<br />

Energy conservation demands that the length of the k-vector<br />

is the same, (2m eE kin/h 2 ) ½ , for both the incoming and the elastically<br />

scattered electron wave. This defi nes the vertical or zcomponent,<br />

k z,out, of the back-diffracted electrons in the (n 1,n 2)<br />

spot:<br />

126<br />

k z,out (n 1,n 2)= [2m eE kin/h 2 – |k ||,out (n 1,n 2)| 2 ] ½ (6)<br />

Note that, unlike for X-ray diffraction, there is no Laue-condition<br />

for the z-component of k out. The only condition for diffraction<br />

into a spot (n 1,n 2) is that k z,out has a real value, i.e. the argument<br />

of the square root ( [ ] ½ ) on the right hand side of equation (6)<br />

must not be less than zero. This condition is synonymous with<br />

the obvious fact that the length of the parallel component of<br />

k cannot be greater than the length of the entire vector, but it<br />

also limits the number of observable LEED spots. The number<br />

of observable spots increases with increasing electron energy<br />

while the polar emission angle with respect to the specular<br />

spot (0,0) decreases for each spot. This is illustrated in Figure<br />

2 for normal incidence (k ||,in = 0); in this case k ||,out (n 1,n 2) =<br />

n 1 a* 1 + n 2 a* 2 is constant for a given pair of spot indices and<br />

only k z,out is affected by changes in the kinetic energy.<br />

k ||<br />

k z<br />

Only the specular spot does not change its position as a function<br />

of energy if the angle of incidence is kept constant.<br />

2.2 SUPERSTRUCTURES<br />

k 1 k2<br />

1 > 2<br />

Superstructures formed by adsorbates or rearrangements of<br />

the surface atoms can lead to a periodicity of the surface lattice<br />

greater than that of the bulk-truncated single crystal. In<br />

these cases, the lattice vectors for the superstructure, b 1 and<br />

b 2, can always be related to the lattice vectors of the bulk-truncated<br />

surface, a 1 and a 2, through<br />

b1 = m11 a1 + m12 a2 b2 = m21 a1 + m22 a2 E 1


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

2.4 SPOT PROFILES<br />

While the spot positions and intensities carry information<br />

about the size and the local geometry within the surface unit<br />

cell, the spot profi le, i.e. the shape and width of a diffraction<br />

spot, is determined by the long range relative arrangement the<br />

unit cells at the surface. Vertical displacements of the surface<br />

unit cells (e.g. steps, facets) lead to split spots and changes of<br />

the spot profi le as a function of electron energy. If all surface<br />

unit cells are in the same plane (over a length of at least 10nm,<br />

which is a typical coherence width of LEED instruments), the<br />

spot profi le does not change with energy.<br />

A periodic arrangement of equal steps at the surface causes<br />

spot splitting at energies, which lead to destructive interference<br />

between electrons refl ected from adjacent terraces (“outof-phase<br />

condition”). By measuring these energies the step<br />

height can be determined directly. For a more random arrangement<br />

of steps the analysis of energy dependent changes in<br />

the spot profi les allows in many cases the determination of the<br />

mean step height and a characterization of the step distribution<br />

[Henz77,Woll98]. Facets lead to extra spots which move in<br />

k || upon changes of the kinetic energy.<br />

SmallIslands<br />

LargeIslands<br />

TerracedSurface<br />

inphase<br />

outofphase<br />

Figure 3: Effect of island size on the spot profile (top) and spot splitting<br />

induced by regular steps (bottom); in phase: constructive interference between<br />

electrons reflected from adjacent terraces; out of phase: destructive<br />

interference. (According to [Henz91]).<br />

Point defects, static disorder, and thermally induced displacements<br />

lead to an increase of the background intensity between<br />

the spots. Depending on the correlation between the scatterers,<br />

the background is either homogeneous (no correlation)<br />

or structured (correlation). If the coherently ordered surface<br />

areas (islands, domains) are small (< 10nm) and at the same<br />

vertical height, the width of these areas, Δw, is inversely proportional<br />

to the width of the LEED spots, |Δk || |:<br />

|Δk || | = 2π / Δw (10)<br />

This relation holds for each direction parallel to the surface independently.<br />

It is particularly useful for determining the size of<br />

k ||<br />

k<br />

UNTERRICHT<br />

adsorbate islands which lead to extra superstructure spots. A<br />

good introduction (in German) into spot profi le analysis is given<br />

in the book by Henzler and Göpel [Henz91].<br />

3 EXPERIMENT<br />

The standard modern LEED system is of the “rear view” type ,<br />

which is schematically depicted in Figure 4. The incident electron<br />

beam, accelerated by the potential V 0, is emitted from the<br />

electron gun behind a transparent hemispherical fl uorescent<br />

screen and hits the sample through a hole in the screen. Typically,<br />

the electron beam has a current of around 1 μA and a<br />

diameter of 0.5 to 1 mm. The surface is in the centre of the<br />

hemisphere so that all back-diffracted electrons travel towards<br />

the LEED screen on radial trajectories.<br />

Grid4<br />

Grid3(suppressor)<br />

Grid2(suppressor)<br />

Grid1<br />

ElectronGun<br />

V 0<br />

+56kV<br />

Screen<br />

e beam<br />

Sample<br />

Figure 4: Schematic diagram of a typical LEED instrument.<br />

(V 0 V)<br />

Before the electrons hit the screen they have to pass a retarding<br />

fi eld energy analyzer (RFA). It consists of four (sometimes<br />

three) hemispherical grids concentric with the screen, each<br />

containing a central hole, through which the electron gun is inserted.<br />

The fi rst grid (nearest to the sample) is connected to<br />

earth ground as is the sample, in order to provide a fi eld-free<br />

region between the sample and this grid. A negative potential<br />

–(V 0-ΔV) is applied to the second and third grid, the so-called<br />

suppressor grids. These repel all electrons that have undergone<br />

non-elastic scattering processes and have lost more than eΔV<br />

(typically around 5eV) of their original kinetic energy. Thus, only<br />

elastically scattered electrons and those with small energy losses<br />

can pass through to the fl uorescent screen. The fourth grid<br />

is usually on ground potential in order to reduce fi eld penetration<br />

of the screen voltage to the suppressor grids. The screen<br />

is at a potential of the order of 5-6 kV; it provides the electrons<br />

with enough energy to make the diffraction pattern visible on<br />

the fl uorescent screen. The pattern can be observed through a<br />

view-port from behind the transparent screen. Only the electron<br />

gun assembly (diameter < 15 mm) limits the view slightly.<br />

MCP-LEED systems with position sensitive “micro channel<br />

plate” (MCP) electron multipliers between the RFA grids and<br />

127


UNTERRICHT<br />

the fl uorescent screen have become commercially available in<br />

recent years for applications that require low incident beam<br />

currents, either to avoid beam damage (e.g. organic molecules)<br />

or charging of insulating samples (e.g. oxides). These systems<br />

can be operated with electron currents as low as 1 nA. Typical<br />

LEED systems have diameters of around 140 mm.<br />

The LEED pattern is recorded using a video camera with suitable<br />

image processing software. As with all methods that use<br />

electrons as probes, vacuum conditions are required because<br />

electrons cannot penetrate a gas atmosphere at normal pressures.<br />

In general, however, the vacuum conditions required to<br />

avoid contamination of clean surfaces are more rigorous (typically<br />

< 10 -9 mbar) than those imposed by the use of electrons<br />

(typically < 10 -6 mbar).<br />

4 APPLICATIONS<br />

In this section we will discuss a small selection of typical applications<br />

of LEED in order to illustrate the different levels<br />

at which this technique yields information about surface geometries.<br />

4.1 LEED PATTERN: CO ON NI{111}<br />

The adsorption of carbon monoxide on the {111} surface of<br />

nickel is a good example how LEED diffraction patterns can<br />

be used for a simple characterization of adsorbate structures.<br />

With increasing coverage of CO adsorbed on Ni{111} four different<br />

LEED patterns are observed between about 0.30 and<br />

0.62ML (1 ML corresponds to 1 molecule per substrate surface<br />

atom):<br />

• a diffuse [2 1; -1 1] or p(√3 x √3) R30° pattern between 0.3<br />

and 0.4 ML,<br />

• a sharp [2 0; 1 2] or c(2 x 4) pattern for coverage around<br />

0.5 ML,<br />

• a sharp [3 1; -1 2] or p(√7 x √7) R19° pattern between 0.56<br />

and 0.60 ML,<br />

• a more complicated [3 2; -1 2] pattern at the maximum coverage<br />

of 0.62 ML, which is described as “c(2√3 x 4)rect” in<br />

non-standard Wood notation.<br />

Images of the fi rst three patterns are depicted in Figure 5 together<br />

with the corresponding real-space unit cells (red arrows<br />

and dashed lines). The middle part of the Figure also shows<br />

the complete (2x4) unit cell (in black). Note that the “c” in the<br />

Wood notation c(2 x 4) means that the center and the corners<br />

of the (2x4) unit cell are lattice points. Therefore the primitive<br />

unit cell is only half the size, as indicated by the red arrows.<br />

The matrix notation always refers to the primitive unit cell. The<br />

yellow arrows in the LEED patterns (left) indicate the reciprocal<br />

lattice vectors corresponding to the unit cells marked in red.<br />

For the c(2 x 4) and p(√7 x √7) R19° structures it is not possible<br />

to reach all diffraction spots by adding integer multiples<br />

of these two vectors. This is because the observed pattern is<br />

a superposition of LEED patterns arising from different parts<br />

128<br />

=0.33ML:p(3x3)R30°<br />

=0.50ML:c(2x4)<br />

=0.57ML:p(7x7)R19°<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

21<br />

M=<br />

11<br />

M=<br />

20<br />

12<br />

31<br />

M=<br />

12<br />

Figure 5: Experimental LEED patterns formed by CO adsorbed on Ni{111}<br />

(left) and corresponding real-space unit cells (right): p(√3 x √3) R30° (top,<br />

E kin = 98eV) c(2 x 4) (middle, E kin = 129eV) and p(√7 x √7) R19° (bottom,<br />

E kin = 117eV). Note that the real space diagrams are rotated by about 30°<br />

with respect to the crystal orientation of the experiment; the dark structure<br />

extending from the top left to the middle of the LEED patterns is the shadow<br />

of the electron gun [Held98].<br />

of the surface, where the ordered arrangements of molecules<br />

are the same in principle but may have different orientations.<br />

Such rotation or mirror domains are usually observed if the<br />

superstructure has lower symmetry than the underlying substrate<br />

alone. Any symmetry operation of the substrate surface<br />

(rotation or mirror) that is not shared with the superstructure<br />

will therefore convert the superstructure unit cell into a unit<br />

cell that is equivalent but has a different orientation. This new<br />

unit cell has a different reciprocal lattice with a new set of diffraction<br />

spots. All orientation domains are equivalent and will,<br />

therefore, cover equal areas of the surface. In the case of the<br />

c(2 x 4) superstructure, which has a rectangular unit cell, the<br />

missing symmetry is the three-fold rotation of the hexagonal<br />

substrate surface; therefore there are two additional rotational<br />

a 2<br />

a 2<br />

a 2<br />

a 1<br />

a 1<br />

a 1


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

domains, indicated in green, each of which gives rise to a separate<br />

set of diffraction spots. The p(√7 x √7) R19° superstructure<br />

has a three-fold rotation symmetry but does not share the<br />

mirror symmetry plane with the substrate (dashed line) this<br />

leads to an extra mirror domain, again indicated in green, with<br />

a set of extra diffraction spots.<br />

If the adsorbate coverage is known from other methods, as<br />

in the present example, it is straight forward to work out the<br />

number of molecules per unit cell: there is one molecule in the<br />

p(√3 x √3) R30° unit cell (coverage 1/3), two in the c(2 x 4)<br />

(coverage 2/4) and four molecules in the p(√7 x √7) R19° unit<br />

cell (coverage 4/7).<br />

The diffraction spots of the p(√3 x √3) R30° pattern are signifi<br />

cantly broader than those of the other structures. This indicates<br />

that the ordered domains are considerably smaller than<br />

the coherence or transfer width of the LEED system. The radial<br />

spot width is about 1/5 of the length of the reciprocal lattice<br />

vectors, therefore the corresponding width of the domains is<br />

on average about fi ve unit cells or 2 nm.<br />

4.2 SPOT PROFILES<br />

Figure 6 shows an example of energy-dependent changes in<br />

the spot profi les of terraced surfaces [Woll98]. The data were<br />

collected from a vicinal Pd{100} surface, which is tilted by 1.1°<br />

with respect to the (100) plane. This leads to terraces with<br />

(100) orientation, like in at the top of Figure 1, separated by<br />

steps parallel to the [011] direction (vector a 1 in the top diagram<br />

of Figure 1). The scan direction for the spot profi les is perpendicular<br />

to the step edges, i.e. along a 2 in real space or a 2*<br />

in reciprocal space, respectively. The abscissa units of Figure 6<br />

are percent fractions of |a 2*|. The parameter S is a dimensionless<br />

quantity, which is proportional to k z,out (n 1,n 2) and, hence,<br />

depends on the electron energy through Equation (6). S describes<br />

the phase difference between electron waves emerging<br />

from different terraces in a convenient way: an integer value of<br />

S indicates the in-phase condition or constructive interference<br />

for all terraces, whereas an integer value plus 0.5 corresponds<br />

to maximum destructive interference (out-of-phase condition)<br />

between terraces separated by mono-atomic steps.<br />

The spot profi le changes very dramatically from a single sharp<br />

peak at the expected spot position (0) for S=4.0 to a double<br />

peak with a minimum at the actual spot position for S=3.5. The<br />

separation between the two peaks is 2.8% of |a 2*|, therefore<br />

the average terrace width in this direction is (0.028) -1 ∙ |a 2| =<br />

36 |a 2| or 9.8 nm, which is the value expected for a tilt angle<br />

of 1.1°. (Note that the factor 2p in Equation (10) is not needed<br />

when |Δk || | and Δw are expressed as multiples of real and<br />

reciprocal lattice vectors.) By fi tting the peak shape additional<br />

information about the width distribution and roughness of the<br />

surface can be obtained, which is described in detail by Wollschläger<br />

et al. in [Woll98].<br />

Obviously, this kind of information can also be obtained by<br />

scanning probe microscopy (STM, AFM) with less sophisticated<br />

data analysis. The advantage of LEED spot profi le analysis is<br />

that the data acquisition is fast and can easily be performed<br />

UNTERRICHT<br />

while the surface undergoes structural changes (e.g. varying<br />

temperature, during adsorption). LEED also provides an average<br />

over much larger surface areas (typically 1mm 2 ) than microscopic<br />

techniques can normally image simultaneously.<br />

Figure 6: Profiles of the (0,0) spot from a terraced (vicinal) Pd{100} surface<br />

recorded perpendicular to the step edges. The abscissa units are percent<br />

fractions of |a 2*|. Reprinted from Surface Science, 396, Wollschläger et al.,<br />

“Diffraction spot profile analysis for vicinal surfaces with long-range order”,<br />

94, Copyright (1998), with permission from Elsevier.<br />

4.3 LEED-IV STRUCTURE DETERMINATION<br />

As discussed in Section 2.3, the three-dimensional arrangement<br />

of atoms within the unit cell is responsible for the spotintensity<br />

variations as a function of electron energy, the LEED-<br />

IV curves. Modern electron scattering programs reproduce all<br />

features observed in LEED-IV curves, however, the dominance<br />

of multiple scattering in electron diffraction does normally not<br />

permit determining the surface geometry directly from a set of<br />

experimental IV curves. Instead, LEED-IV structure determination<br />

works on the principle of “trial and error”. Theoretical IV<br />

curves are calculated for a large number of model geometries<br />

and compared with the corresponding experimental curves.<br />

The agreement is quantifi ed by the means of a reliability factor<br />

or R-factor. There are several ways of defi ning such R-factors<br />

[Vanh86] with Pendry’s R-factor, R P, being the most common<br />

one [Pend80]. By convention, R P is 0 when the agreement is<br />

perfect and 1 for uncorrelated sets of IV curves. Usually, automated<br />

search procedures are used, which modify the model geometries<br />

until an R-factor minimum is found. The geometry with<br />

the lowest R-factor is the result of the structure determination.<br />

129


UNTERRICHT<br />

Figure 7: LEED-IV curves (70 to 270eV) and resulting surface geometry of the<br />

c(2x4) superstructure of CO on Ni{111} [Brau05a].<br />

The level of precision in the resulting crystallographic data<br />

depends on the lowest R-factor achieved and the total energy<br />

range of overlapping experimental and theoretical IV curves.<br />

The energy overlap is typically between 1000 and 3000eV, depending<br />

on the number of observable spots. Typically, R P values<br />

of around 0.1 can be expected for clean close packed metal<br />

surfaces, for more complex metal and semiconductor surfaces<br />

and adsorption structures of simple molecules one can reach<br />

R P-factors of around 0.15 to 0.25, and 0.25 to 0.35 for more<br />

complex molecular superstructures. The main reason for the<br />

gradually worse agreement between theoretical and experimental<br />

IV curves as the surface structures become more complex<br />

lies in the approximations in conventional LEED theory,<br />

which treat the atoms as perfect spheres with constant scattering<br />

potential in between (“muffi n-tin potential”). This description<br />

is somewhat inaccurate for the scattering potential of more<br />

open surfaces and organic molecules. As a consequence, a<br />

precision of 1-2pm can be achieved for atoms in close packed<br />

metal surfaces, whereas the positions of atoms within organic<br />

molecules are typically determined within ±10-20pm. The coordinates<br />

perpendicular to the surface are usually more precise<br />

that those parallel to the surface plane, because the main scattering<br />

direction is perpendicular to the surface.<br />

Examples of experimental and best-fi t theoretical IV curves for<br />

one of the previous examples, the c(2 x 4) structure of CO on<br />

Ni{111}, are shown at the top of Figure 7 [Brau05a]. The graph<br />

also lists the individual R-factors for each pair of theoretical<br />

130<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

and experimental IV-curves. The geometry with the lowest average<br />

R-factor, 0.172 (average weighted with the energy range of<br />

each individual IV curve), is shown at the bottom of Figure 7.<br />

The unit cell contains two CO molecules adsorbed on two different<br />

three-fold hollow sites. The coordinates of the molecules<br />

and the fi rst two layers of Ni atoms were determined within the<br />

structure analysis. The precision for the coordinates of the Ni<br />

atoms is between 3pm (z) and 9pm (x,y). Carbon and oxygen<br />

atoms are weak scatterers, therefore, their contribution to the<br />

intensity variations in the IV curves is smaller than that of the<br />

Ni atoms and consequently their coordinates are less precise,<br />

between 4pm (z) and 20pm (x,y).<br />

Owing to the vast increase in available computer power, close<br />

to thousand surface structures have been determined in the<br />

last three decades, the majority of which were clean metal<br />

and semiconductor surfaces and adsorbate structures of atoms<br />

and small molecules. Two review articles by Heinz et al.<br />

[Hein94] and Over [Over98] provide good overviews and discussions<br />

of LEED structure determinations of clean and adsorbate-covered<br />

surfaces and further references. The “NIST<br />

Surface Structure Data Base” compiled by Watson et al. contains<br />

a complete list of all structures up to 2002 [SSD_02].<br />

More recently, the capabilities of LEED-IV structure determination<br />

have been signifi cantly extended to solve more complex surface<br />

structures, such as those of quasi-crystals [Ferr<strong>04</strong>], graphene<br />

overlayers [Mori10] and adsorption structures of important<br />

organic molecules such as benzene [Held01] and C 60 [Li_09].<br />

4.4 LEED-IV ON DISORDERED LAYERS<br />

Usually, LEED-IV structure determination of adsorbed atoms<br />

or molecules requires single crystal surfaces with long-range<br />

ordered adsorbate layers. Structural information for adsorbatecovered<br />

surfaces without long-range order can be obtained,<br />

however, in a similar way, when the energy dependence of<br />

the diffusely scattered intensity is analyzed (Diffuse LEED<br />

[Hein91,Hein92]) or from the IV curves of integer-order spots,<br />

which are still observed even if the adsorbate layer is not ordered<br />

[Poon<strong>04</strong>,Brau05b]. In both cases, however, the data<br />

analysis must assume that the local adsorption geometry is the<br />

same for all adsorbates. The main problem in both approaches<br />

is the amount of data (energy overlap) available for the analysis.<br />

This problem can be solved by recording data for different<br />

angles of incidence. If the difference in incidence angles is suffi<br />

cient, each angle will provide an independent set of IV curves,<br />

which can greatly improve the reliability and precision of the<br />

structure determination [Held95].<br />

5 CONCLUSIONS AND PERSPECTIVES<br />

LEED is the most accurate and powerful experimental technique<br />

for surface crystallography at a level of precision that<br />

enables the chemical characterization of inter-atomic bonds.<br />

Often scanning probe microscopy (e.g. scanning tunneling microscopy,<br />

STM, atomic force microscopy, AFM) is seen as an alternative<br />

because it yields direct real-space images of surface


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

structures at the atomic level but the two techniques are really<br />

almost complementary. Scanning probe microscopy allows fast<br />

data acquisition and interpretation and the study of individual<br />

features, regardless of the degree of order, but it cannot deliver<br />

direct structural information about the three-dimensional arrangement<br />

of atoms at the pm level, in particular not for atoms<br />

below the outer-most surface layer. LEED can deliver precise<br />

crystallographic data but is restricted to relatively well-ordered<br />

surface structures. The results always refl ect the properties<br />

of a large ensemble of surface unit cells. Photoelectron diffraction<br />

(PhD) [Wood07] and surface X-ray diffraction (SXRD)<br />

[Feid89] are related surface sensitive electron and X-ray diffraction<br />

methods, which deliver crystallographic information at<br />

a similar level of accuracy. PhD is element specifi c and does<br />

not require long-range order; SXRD also works under high-pressure<br />

conditions where electrons cannot be used. These methods,<br />

however, require synchrotron radiation and are therefore<br />

not as readily available as LEED systems, which are part of the<br />

standard equipment of most surface science laboratories.<br />

In the previous sections we have highlighted only a small fraction<br />

of the research that can be carried out by LEED with an<br />

emphasis on simplicity in order to explain the basics of the<br />

technique. A number of recent innovations have opened up the<br />

technique to a variety of technically important surface and interface<br />

systems with relevance to biology and nano-electronics.<br />

Much of recent developments in LEED-IV structure determination<br />

were directed towards improving the model calculations<br />

involved in the data analysis. This includes approximations<br />

that replace parts of the full quantum mechanical scattering<br />

calculations and thus speed up the optimization process<br />

(e.g. “Tensor LEED” [Rous93], “molecular T matrix approach”<br />

[Blan05]), “direct methods” aiming at a direct conversion of<br />

IV curves into a three-dimensional structure [Seub00], and<br />

better mathematical descriptions of scattering potentials and<br />

thermal vibrations of semiconductors and organic molecules.<br />

To date, computer power is only a limiting factor for very large<br />

unit cells with many (> 20) geometrical parameters to be optimized.<br />

The determination of a medium size structure can be<br />

performed on a modern personal computer within a matter of<br />

hours or a few days. Often the lack of enough experimental<br />

data for comparison with model calculations is a more severe<br />

limitation for the analysis of more complex surface structures<br />

with large unit cells. This limitation can be overcome by recording<br />

IV curves at different angles of incidence, each creating<br />

an additional set of data [Held95]. The sum of these improvements<br />

enables the accurate characterization of structures at<br />

the interfaces between inorganic substrates and large organic<br />

molecules as they are found in biological interfaces or organic<br />

electronic devices, and thus open exciting new applications for<br />

surface and interface crystallography by LEED.<br />

Another exciting perspective is offered by the low-energy electron<br />

microscope (LEEM), a combination of imaging electron<br />

microscope and LEED. This microscopic technique has been<br />

developed by Bauer and Telieps already in the 1960’s and 70’s<br />

[Baue94,Baue98] but has become widely available only in the<br />

last decade or so. The combination of imaging and diffraction<br />

allows characterizing surface areas of the size of μm to nm.<br />

UNTERRICHT<br />

One application, often referred to as “micro-LEED”, is the collection<br />

of LEED-IV data from an area of a few μm in diameter<br />

or less. This way, surface structures of single domains on single<br />

crystal surfaces [Figu06], artifi cial nanostructures of semiconductor<br />

devices, or crystallites of polycrystalline material<br />

[Corn10] can be determined, which enables surface structure<br />

determination for completely new classes of materials with a<br />

wide range of applications.<br />

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Electron Diffraction“, Springer, Berlin, 1986.<br />

[Woll98] J. Wollschläger, F. Schäfer, K.M. Schröder, Surf. Sci. 396<br />

(1998) 94.<br />

[Wood64] E. A. Wood, J. Appl. Phys. 35 (1964) 1306.<br />

[Wood07] D. P. Woodruff, Surf. Sci. Rep. 62 (2007) 1.<br />

131


ASPEKTE<br />

Ulrich Schindewolf*<br />

In den vorausgegangenen Aufsätzen 1, 2 k amen wir zu dem<br />

Schluss, dass unsere Energieprobleme − die Erschöpfung<br />

unse rer fossilen Ressourcen, der beschworene Klimawandel<br />

durch Kohlendioxidemission, die vermeintliche Gefahr der<br />

Kernener gie, die Launenhaftigkeit der erneuerbaren Energien<br />

− gelöst werden könnten, wenn es uns gelingen würde, das<br />

Sonnenfeuer auf der Erde zum Glimmen zu bringen, d.h. die<br />

Kernfusion zur Energiegewinnung auszunutzen.<br />

Die Energie der Sonne wird im Sonnenkern durch Verschmelzen<br />

von Wasserstoff ( 1 H) zu Helium ( 4 He) produziert. Allein im<br />

innersten Kern, der ein Volumen von nur 0,1 % des Gesamtsonnenvolumens<br />

(1,4•10 27 m 3 ) und eine Masse von 10 % der<br />

Gesamtsonnenmasse (2,0•10 30 kg) hat, wird bei einer Wasserstoffdichte<br />

von 150 g/cm 3 und einer Temperatur um 15 Mio. K<br />

die Hälfte der Gesamtsonnenenergie erbracht. 3<br />

B( MeV )<br />

Die bei der Verschmelzung frei werdende Energie folgt aus<br />

der Bindungsenergie der Nukleonen (Protonen und Neutronen),<br />

die in Abb. 1 dargestellt ist. Die durchschnittliche<br />

Nukleonenbin dungsenergie B hat bei dem Atomkern der Massenzahl<br />

A = 56, das ist das Eisenisotop 56 Fe, einen Maximalwert<br />

von etwa 8,6 MeV. Die Nukleonen sind im Eisenkern am<br />

festesten gebunden, Eisen ist also das stabilste Element 4 , in<br />

das durch Fusion alle leichteren und durch Kernspaltung alle<br />

schwereren Elemente übergehen sollten, wie in Abb. 1 durch<br />

Pfeile angedeutet. Das Universum ist zwar weit von diesem<br />

Gleichgewichtszustand entfernt, aber Eisen hat, abgesehen<br />

von ein paar der leichtesten Elemente (H, He, C, O, Ne, Mg),<br />

bei weitem die höchste kosmi sche Häufi gkeit.<br />

132<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

KERNFUSION –<br />

DIE ENERGIEQUELLE DER ZUKUNFT? **<br />

4 He 8 B<br />

16O 12C Eisen<br />

Uran<br />

Kernfusion ====>


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

wodurch wir das Handwerkszeug <strong>für</strong> die sich anschließende<br />

Behandlung der menschgemachten Kernfusion erhalten. In<br />

Tab. 1 sind die relevanten physikalischen Daten der Sonne<br />

zusammengefasst, die sich allerdings von Autor zu Autor ein<br />

wenig unterscheiden.<br />

Sonnenmasse 2•1030 kg<br />

1H-Anteil 91,0 Atom %<br />

1H-Atommasse 1,008145 g/Mol<br />

4He-Anteil 8,9 Atom %<br />

4He-Atommasse 4,003874 g/Mol<br />

Energieproduktion 4•10 26 J/s<br />

Mittlere Dichte 1,4 g/cm³<br />

Maximale Dichte 150 g/cm³<br />

Maximaler Druck 220 Mrd. bar<br />

Maximale Temperatur 15,3 Mio. K entspr. 1319 eV<br />

Alter 4,5 Mrd. a<br />

Tab. 1: <strong>Physikalische</strong> Konstanten der Sonne (die Atommassen sind bezogen<br />

auf die von 16 O = 16,0000 g/Mol). Die Maximalwerte entsprechen ungefähr<br />

den Bedingungen im Sonnenkern<br />

Mechanismus der Fusionsreaktionen<br />

R. E. Atkinson und F. Houtermans 6 wiesen in ihrer 1929 erschienenen<br />

Arbeit „Zur Frage der Aufbaumöglichkeit der Elemente<br />

in Sternen“ als erste daraufhin, dass die Energieerzeugung<br />

der Sterne auf Fusionsreaktionen der Kerne der leichten<br />

Elemente bei Sterntemperaturen von vielen Mio. K beruhen.<br />

Bei der hohen Temperatur sind die Atome vollständig ionisiert,<br />

es liegt ein Plasma mit positiv geladenen Atomkernen und entsprechender<br />

Anzahl von Elektronen vor. Die wesentlichen Reaktionsketten,<br />

durch die die Sonnenenergie produziert wird,<br />

werden eingeleitet durch die pp-Reaktion (H. A. Bethe und C. L.<br />

Critchfi eld, 1938), in der aus zwei Protonen unter Freisetzung<br />

eines Positrons e + und eines Neutrinos n ein Deuteron (schwerer<br />

Wasserstoffkern) gebildet wird. Das Positron wird durch ein Elektron<br />

aus dem Plasma unter Emission von 2 g-Quanten annihiliert.<br />

Das Deuteron wird durch eine weitere p-Reaktion unter Freisetzung<br />

eines γ-Quants in einen 3 He ++ -Kern umgewandelt. Zwei dieser<br />

leichten He-Kerne bilden unter Emission von zwei Protonen<br />

schließlich das Endprodukt, einen normalen Heliumkern 4 He ++ :<br />

1 H + + 1 H + → 2 H + + e + + n 0,42 MeV (1)<br />

e + + e – → 2 g 1,02 MeV (2)<br />

1 H + + 2 H + → 3 He ++ + g 5,49 MeV (3)<br />

3 He ++ + 3 He ++ → 4 He ++ + 2 1 H + 12,86 MeV (4)<br />

Unter Berücksichtigung, dass die Reaktionen (1) bis (3) je zweimal<br />

ablaufen müssen, damit die beiden 3 He ++ Kerne in Reaktion<br />

(4) zur Verfügung stehen, folgt als Summenreaktion<br />

4 1 H + + 2 e – → 4 He ++ + 2n + 6 g 26,72 MeV (5)<br />

Etwa 84 % der in der Sonne produzierten Energie entstammen<br />

dieser sog. ppI-Kette. Die ppII-Kette, über die etwa 15 % der<br />

ASPEKTE<br />

Energie erzeugt werden, und die ppIII-Kette, die nur einen minimalen<br />

Energiebeitrag leistet, bauen auf den Reaktionen (1)<br />

bis (3) auf und führen dann über 7 Be und 7 Li bzw. über 7 Be, 8 B<br />

und 8 Be zu Helium.<br />

In einer weiteren Wasserstoff-Fusionskette (C. F. v. Weizsäcker,<br />

1938, H. A. Bethe, 1939) wirkt ein 12 C-Kern als „Katalysator“,<br />

der nach vier Reaktionsschritten mit Protonen und zweimaliger<br />

Positronenemission über 13 N, 13 C, 14 N, 15 O und 15 N einen<br />

He-Kern aufbaut und dabei wieder zurückgebildet wird; in einfacher<br />

Schreibweise (p Proton, ß + Positronzerfall mit Neutrinoemission):<br />

12 C(p, g) 13 N( ß + ) 13 C(p, g) 14 N(p, g) 15 O( ß + ) 15 N(p, 4 He) 12 C (6)<br />

Diese als CNO-Zyklus bezeichnete Reaktionskette liefert etwa<br />

1 % der Sonnenenergie, sie ist aber auf Wasserstoffsternen<br />

höherer Temperatur die Hauptenergiequelle.<br />

Die vier verschiedenen Reaktionsketten führen letztlich alle<br />

zur gleichen Bruttoreaktion, die durch Gl. (5) beschrieben<br />

wird, wobei allerdings die Anzahl der emittierten Neutrinos<br />

und γ-Quanten variiert. Die Reaktionsenergie ist natürlich <strong>für</strong><br />

alle gleich groß, nämlich 26,72 MeV. Da aber die Neutrinos,<br />

die einen mehr oder weniger großen Anteil der Reaktionsenergie<br />

tragen, die Sonne wechselwirkungsfrei verlassen 7 , ist die<br />

Effektivenergie der verschiedenen Reaktionszyklen doch unterschiedlich:<br />

26,2; 25,7; 19,2 und 26,7 MeV <strong>für</strong> die drei pp-<br />

Zyklen und den CNO-Zyklus.<br />

Kinetik der Fusionsreaktion<br />

In einer Kette mehrerer hintereinander geschalteter Reaktionen<br />

ist die langsamste geschwindigkeitsbestimmend. Grundsätzlich<br />

gilt:<br />

1) Reaktionen, die den schwachen Wechselwirkungen unterliegen<br />

(Emission von Neutrinos), z.B. Reaktion (1), sind extrem<br />

langsam;<br />

6 Z. Phys. 54, 656 (1929). – Fritz Houtermans (1903 - 1966), Sohn eines<br />

wohlhabenden Bankiers, Schüler von J. Franck in Göttingen und G. Hertz<br />

in Berlin, fl üchtete 1933 wegen seiner Zugehörigkeit zur kommunistischen<br />

Partei aus Deutschland nach England, zwei Jahre später zog es ihn in die<br />

Sowjetunion, wo er 1937 bei einer stalinistischen Säuberungsaktion inhaftiert<br />

wurde. Aufgrund des Nichtangriffspaktes zwischen Deutschland<br />

und der Sowjetunion wurde er von dem sowjetischen Geheimdienst GPU<br />

an die Gestapo ausgeliefert und von dieser wiederum inhaftiert. M. v. Laue<br />

konnte dann jedoch seine Freilassung erwirken und ihm eine Arbeitsmöglichkeit<br />

in dem privaten Forschungsinstitut von M. v. Ardenne verschaffen.<br />

wo er noch vor der Entdeckung des Transuranelementes Plutoniums durch<br />

G. T. Seaborg auf die Bedeutung der Transurane <strong>für</strong> die Energiegewinnung<br />

durch Kernspalt-Kettenreaktionen hinwies. Von 1952 bis zu seinem Tod<br />

1966 hatte Houtermans eine Professur am <strong>Physikalische</strong>n Institut der<br />

Universität Bern, Schweiz, inne und verschaffte dem Institut als Direktor<br />

internationales Ansehen.<br />

7<br />

Für den Energieverlust heißer Sterne durch Neutrinos hat Gamow den<br />

Ausdruck Urca-Prozess geprägt, angeregt durch seine Erfahrungen in dem<br />

brasilianischen Spielcasino Urca, wo das Einsatzgeld ebenso unkontrollierbar<br />

verschwindet wie die Neutrinoenergie.<br />

133


ASPEKTE<br />

2) Reaktionen mit elektromagnetischen Wechselwirkungen<br />

(Emission von g-Quanten), z.B. Reaktion (3), sind unter<br />

sonst gleichen Bedingungen um viele Zehnerpotenzen<br />

schneller;<br />

3) Reaktionen, die den starken Wechselwirkungen unterliegen<br />

(Reaktionen ohne Neutrinos und ohne γ-Quanten), z.B.<br />

Reak tion (4), sind extrem schnell.<br />

In den pp-Zyklen, durch die die Sonnenenergie produziert wird,<br />

ist also Reaktion (1) geschwindigkeitsbestimmend. Sie wird<br />

ausgelöst durch den Zusammenstoß zweier Protonen. Ihre<br />

Geschwindigkeit folgt dem kinetischen Zeitgesetz einer bimolekularen<br />

Reaktion, das wir mit den Ansätzen der kinetischen<br />

Gastheorie durch die Stoßzahl und durch den Arrhenius-Term<br />

mit der Aktivierungsenergie E a beschreiben:<br />

134<br />

v = {½ s u r (N / V) 2 } exp(-E a/ kT) (7)<br />

Der erste eingeklammerte Ausdruck ist die Stoßzahl Z pro Volumen-<br />

und Zeiteinheit, also hier Anzahl der Stöße zwischen je<br />

zwei Protonen mit dem Stoßquerschnitt s, der mittleren Relativgeschwindigkeit<br />

der Protonen u r und der Protonendichte<br />

N/V (s = p d 2 ; d Protonendurchmesser = 2,6•10 -15 m; u r =<br />

(8 R T / (p m)) 1/2 = 8•10 5 m/s; N/V = 9•10 31 /m 3 . R Gas-Konstante,<br />

m reduzierte Protonenmasse = (m 1*m 2)/(m 1+m 2) = 0,5<br />

g/Mol. Den Rechnungen liegen die Maximalwerte der Temperatur<br />

T und der Dichte N/V aus Tab. 1 zugrunde).<br />

Unter den gegebenen Bedingungen ist Z ≈ 7•10 40 /(m 3 s). Damit<br />

der Zusammenstoß wirklich zur Reaktion führt, müssen die<br />

Protonen nach dem klassischen Ansatz den Aktivierungsberg<br />

E a, hier den Coulomb-Abstoßungswall der Höhe E c überwinden<br />

(Abb. 2):<br />

E c = e 2 / (4p e o d ) (8)<br />

(Elementarladung e = 1,6•10 -19 As, Infl uenzkonstante e 0 =<br />

8,85•10 -12 A s/(V m), d = Berührungsabstand = Protonendurchmesser).<br />

Die Höhe des Coulomb-Walls ist 8,8•10 –14 VAs oder umgerechnet<br />

0,55 MeV. Damit hat der Arrheniusfaktor selbst bei der<br />

maximalen Sonnentemperatur (Tab. 1) einen Wert um 10 –184 .<br />

Zusammen mit der oben angegebenen Stoßzahl wäre die Fusionsrate<br />

in der Größe von 10 -143 /(m 3 s). Die Sonne wäre ein<br />

kalter Stern. Die tatsächliche Fusionsrate im innersten Sonnenkern<br />

ist in der Größe von 3•10 13 /(m 3 s), wie aus den eingangs<br />

gemachten Angaben über das Volumen und die Energieproduktion<br />

des innersten Sonnenkerns und die Energie je<br />

Fusionsereignis folgt.<br />

Im klassischen Bild kann ein Proton gegen den Potentialwall<br />

eines anderen Protons nur bis zum Umkehrpunkt hoch laufen,<br />

in dem seine kinetische Energie in potentielle Energie umgewandelt<br />

ist. Dann läuft es den Potentialwall wieder runter. Der<br />

Tunneleffekt, den Gamow mit Erfolg <strong>für</strong> die Erklärung der Geschwindigkeit<br />

des a-Zerfalls angewandt hat, erlaubt dem Proton<br />

jedoch, im Umkehrpunkt den Potentialwall eines anderen Protons<br />

zu durchdringen und dadurch mit diesem zu fusionieren.<br />

Coulomb Potentielle Energie (MeV)<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

Ec = 0,55 MeV<br />

bei r = d = 2,6 fm<br />

Protonen E kin = 0,2 MeV<br />

r = d + = 7,15 fm<br />

0,0 0 5 10 15 20 25 30<br />

p-p-Schwerpunktsabstand r (fm)<br />

Abb. 2. Coulomb-Abstossungspotential E(r) zweier Protonen bei der Annäherung<br />

bis zur Berührung (r = d = 2,6 fm (fm = 10 -15 m)). – Protonen mit Energie<br />

E kin < E c können den verbleibenden Potentialwall E c - E kin der Dicke δ durchtunneln;<br />

prinzi piell könnte damit Reaktion (1) unter Abgabe der Reaktionsenergie<br />

ablaufen (also die beiden Protonen in den (nicht maßstabsgetreu<br />

eingezeichneten) Potentialtopf des Produktkerns fallen).<br />

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen der Masse m und<br />

der kinetischen Energie E kin einen Potentialwall E(r) durchtunnelt,<br />

ist gegeben durch den Ausdruck<br />

DE = exp {-4 π /h ∫ d [2 m (E(r) – Ekin)] 1/2 d+σ<br />

dr}<br />

Das Integral ist in den Grenzen von r = d (Berührungsabstand)<br />

bis r = d + d (Umkehrpunkt) zu bilden, wobei der Umkehrpunkt<br />

von der kinetischen Energie abhängt (s. Abb. 2). Die Tunnelwahrscheinlichkeit<br />

hängt von Breite und Höhe des Potentialwalls<br />

und der Masse des tunnelnden Teilchens ab.<br />

Wenn die kinetische Energie E kin sehr viel kleiner ist als die<br />

Coulomb-Energie E(d) = E c bei Berührung der Teilchen (Gl. (8)),<br />

kann Gl. (9) <strong>für</strong> die hier zu behandelnde pp-Reaktion angenähert<br />

werden 5 durch<br />

(9)<br />

DE = exp {- p e 2<br />

/ (ε0 h ur) (10)<br />

Anstelle von E kin und m in Gl. (9) tritt in der Nährungsformel die<br />

schon in Gl. (7) eingeführte mittlere Relativgeschwindigkeit der<br />

Protonen auf, die deren reduzierte Masse enthält.<br />

Die nach Gl. (10) berechnete Tunnelwahrscheinlichkeit der Protonen<br />

ist in Abb. 3 (blauer Kurvenzug) gegen die Protonenenergie<br />

aufgetragen: Bei 20 keV (d = 71,5 fm) ist die Tunnelwahrscheinlichkeit<br />

etwa 0,7 %. Sie nimmt mit abnehmender Energie ab.<br />

Um die Gesamtzahl der möglichen Tunnelereignisse zu bestimmen,<br />

benötigen wir die Maxwell-Boltzmann-Energieverteilungsfunktion,<br />

die den Anteil der Protonen mit der Energie zwischen<br />

E und E + dE beschreibt:<br />

dN E /(N dE) = 4 p [(2 p R T) –3/2 ] [2 1/ 2 E 1/2 exp {-E / (R T)] (11)<br />

Die Verteilungsfunktion ist <strong>für</strong> die Sonnentemperatur 15 Mio. K<br />

ebenfalls in Abb. 3 eingezeichnet (roter Kurvenzug); sie nimmt<br />

nach Durchlaufen eines steilen Maximums um 1 keV mit zunehmender<br />

Energie stark ab (die Energie der Protonen ist in<br />

Elektronenvolt angegeben, deshalb haben die Zahlen werte der<br />

Kurve die Dimension 1/V).


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

normierte Werte<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

MBV GP TW<br />

3,7E-4<br />

2,8E-27<br />

7,0E-3<br />

0,0<br />

0 5 10 15 20<br />

Protonenenrgie Protonenenergie (keV)<br />

Abb. 3. Maxwell - Boltzmann - Energieverteilung (MBV, berechnet <strong>für</strong> 15 Mio .<br />

K), Tunnelwahrscheinlichkeit (TW) und Gamow-Peak (GP), aufgetragen gegen<br />

die Protonenenergie (normierte Darstellung). Die eingetragenen Ziffern geben<br />

die Absolutwerte der Funktionen bei den jeweiligen Protonenenergien<br />

an; TW dimensionslos; MBV 1/V; GP m³/(s V).<br />

Es gibt also relativ viele Teilchen niedriger Energie, deren Tunnelwahrscheinlichkeit<br />

äußerst gering ist, und umgekehrt gibt<br />

es extrem wenige Teilchen hoher Energie, deren Tunnelwahrscheinlichkeit<br />

relativ hoch ist.<br />

Das Produkt der Tunnelwahrscheinlichkeit D E bei der Energie<br />

E und der Verteilungsfunktion bei gleicher Energie dN E/(N dE)<br />

gibt die Anzahl der fusionsfähigen Teilchen der Energie zwischen<br />

E und E + dE relativ zur Gesamtzahl N aller Teilchen<br />

an. Das Produkt hat irgendwo zwischen den Extremen niedriger<br />

Energie, bei dem die Tunnelwahrscheinlichkeit gegen Null<br />

geht, und hoher Energie, bei dem die Verteilungsfunktion gegen<br />

Null strebt, ein Maximum.<br />

Damit die Fusionsreaktion der fusionsfähigen Teilchen im<br />

Energiebereich zwischen E und E + dE wirklich stattfi ndet,<br />

müssen diese zusammenstoßen; wir müssen – wie in Gl. (7)<br />

– ihre Stoßzahl berechnen, die durch die mittlere Relativgeschwindigkeit<br />

und den Stoßquerschnitt der Protonen im angegebenen<br />

Energiebereich gegeben ist.<br />

Die mittlere Relativgeschwindigkeit der Protonen mit der Energie<br />

E und der reduzierten Masse μ ist u E = (2 E / μ) 1/2 .<br />

Wir hatten in Gl. (7) wie bei chemischen Reaktionen als Reaktionsquerschnitt<br />

s den aus dem Protonendurchmesser folgenden<br />

geometrischen Querschnitt (p d 2 ) eingesetzt. Wir müssen<br />

aber den Wellencharakter der Protonen berücksichtigen, der<br />

durch ihre de-Broglie-Wellenlänge l E (und damit durch deren<br />

Impuls p E = m u E bzw. Energie E) beschrieben wird und der ihre<br />

wirksame Größe bestimmt:<br />

2<br />

sE ≈ p lE (12)<br />

lE = h / pE = h / (m uE) = h / (2 m E) 1/2 ;<br />

Bei einer Energie von 10 keV hat ein Proton eine Wellenlänge<br />

von 3•10 -13 m (zum Vergleich: Protonendurchmesser<br />

2,6•10 -15 m); damit ist sein Reaktionswirkungsquerschnitt<br />

etwa 10.000-mal größer als sein geometrischer Querschnitt.<br />

ASPEKTE<br />

Die Werte <strong>für</strong> die Anzahl der Protonen dN E/(N dE), ihre wellenmechanische<br />

Tunnelwahrscheinlichkeit D E, ihre Relativgeschwindigkeit<br />

u E und ihren wellenmechanischen Reak tionsquerschnit t<br />

s E, alle bei der Energie E, werden nun als Produkt zusammengefasst<br />

zur differentiellen Fusionsgeschwindig keitskonstante<br />

(Dimension m 3 /s/V).<br />

In Abb. 3 ist als Funktion der Energie aufgetragen<br />

(schwarzer Kurvenzug). Die als Gamow-Peak bezeichnete<br />

Kurve hat unterhalb 2 und oberhalb 16 MeV vernachlässigbar<br />

kleine Werte; sie hat ein Maximum von 2,8•10 –27 (m 3 /s/V)<br />

bei 5,8 keV. − Durch Integration des Gamow-Peaks über die<br />

Energie (in Volt) wird die integrale Fusionsgeschwindigkeitskonstante<br />

= 1,6•10 –23 m 3 /s erhalten (≈ Produkt aus<br />

Halbwertsbreite (5,4 keV) und Höhe des Gamow-Peaks).<br />

Der klassische Ausdruck der Fusionsgeschwindigkeit Gl. (7) wird<br />

ersetzt durch den die Wellenmechanik enthaltenden Ausdruck<br />

v = ½ (N / V) 2 (13)<br />

Mit den oben angegebenen Werten <strong>für</strong> die Protonendichte<br />

folgt aus Gl. (13) die Fusionsgeschwindigkeit im Sonnenkern<br />

v ≈ 6•10 40 /(m 3 s). − Der tatsächliche Wert ist in der Größe von<br />

nur 3•10 13 /(m 3 s), wie weiter oben gezeigt.<br />

Der Unterschied von weit über 20 Zehnerpotenzen liegt nicht<br />

in der mit der Wellenmechanik aufgebesserten klassischen<br />

Theorie der Reaktionskinetik; er ist vielmehr dadurch bedingt,<br />

dass die die Fusion auf der Sonne auslösende pp-Reaktion den<br />

schwachen Wechselwirkungen (Emission eines Neutrinos) unterliegt<br />

und daher extrem verzögert ist. Das Proton kann zwar – wie<br />

beschrieben – schnell durch den Potentialwall eines anderen<br />

hindurchtunneln, da aber die Stabilisierung des entstehenden<br />

hoch angeregten Zwischenkerns ( 2 He) durch Emission eines<br />

Elektron-Neutrino-Paars nur langsam erfolgt, kann es ebenso<br />

schnell wieder heraustunneln. Der Zusammenstoß zwischen<br />

den beiden Protonen war also erfolglos. Dies wird durch den<br />

nuklearen oder astrophysikalischen S-Faktor beschrieben, mit<br />

dem die Fusionsgeschwindigkeit nach Gl. (13) zu korrigieren ist.<br />

Er kann jedoch experimentell nur bei hohen Energien (> 1 MeV)<br />

bestimmt werden, bei denen die Reaktionsausbeute hoch genug<br />

<strong>für</strong> die Messungen ist. Bei den hier interessierenden niedrigen<br />

Energien (um 10 keV) ist er experimentell nicht zugänglich. –<br />

Wir werden jedoch im nächsten Abschnitt bei der Besprechung<br />

der Fusionsreaktion von Deuterium und Tritium, die den starken<br />

Wechselwirkungen unterliegt, sehen, dass unsere Rechnungen<br />

sehr gut mit dem Experiment übereinstimmen.<br />

So können wir hier abschließend nur qualitativ argumentieren:<br />

Die schwache Wechselwirkung verhindert, dass ein Wasserstoffstern<br />

wie unsere Sonne wie eine Wasserstoffbombe explodiert;<br />

die Sonne kann über 10 Mrd. Jahre stabil brennen.<br />

Sie hat jetzt ein Alter von etwa 4,5 Mrd. Jahren.<br />

Nach der Wasserstoff-Brennphase wird sich der Sonnenkern<br />

unter Temperatursteigung kontrahieren, dann setzt die Helium-Brennphase<br />

ein, der sich nach weiteren Kontraktionen<br />

mit Temperatursteigerungen weitere Brennphasen bis zur Si-<br />

Brennphase anschließen.<br />

135


ASPEKTE<br />

KERNRFUSION AUF ERDEN<br />

Die dt-Reaktion<br />

Wenn wir die Kernfusion auf der Erde zur Energiegewinnung<br />

realisieren wollen, brauchen wir die eben erwähnten höheren<br />

Fusionsprozesse nicht zu berücksichtigen, da bei diesen wegen<br />

der höheren Ladung der Coulomb-Abstoßungswall höher<br />

und breiter und damit <strong>für</strong> die Teilchen höherer Masse immer<br />

undurchdringlicher wird. Wir können uns also auf die Wasserstofffusion<br />

beschränken. Mit den drei Wasserstoffi sotopen H,<br />

D und T sind sechs verschiedene Fusionsreaktionen möglich,<br />

die zu 3 He bzw. 4 He führen. Von diesen ist aber nur die dt-Reaktion<br />

(Deuterium-Tritium-Reaktion) von Interesse:<br />

2 H + 3 H → 4 He + n 17,5 MeV (14)<br />

Denn sie hat die höchste Reaktionsenergie und die höchste<br />

Fusionsgeschwindigkeitskonstante , und sie unterliegt<br />

nicht den schwachen Wechselwirkungen wie die pp-Reaktion,<br />

d.h. wir können ihre Fusionsgeschwindigkeitskonstante mit<br />

den <strong>für</strong> die pp-Reaktion dargestellten Methoden berechnen.<br />

Mit den bei der dt-Reaktion entstehenden Neutronen wird Tritium,<br />

das im Gegensatz zum Deuterium in der Natur nicht in<br />

nennenswerten Mengen vorkommt, 8 gebrütet:<br />

n + 6 Li → 3 H + 4 He 4,8 MeV (15)<br />

Die Summe der Reaktionen ergibt<br />

2 H + 6 Li → 2 4 He 22,3 MeV (16)<br />

Bei den vorausgegangenen Betrachtungen der pp-Reaktion in<br />

der Sonne waren wir auf die Sonnentemperatur festgelegt, die<br />

in Bezug auf die Fusionsgeschwindigkeit keineswegs optimal<br />

ist. Bei der dt-Reaktion auf Erden können wir uns die in Bezug<br />

auf maximale Geschwindigkeit der dt-Reaktion (mehrere hundert<br />

Mio. K, Abb. 4) und technische Realisierbarkeit optimale<br />

Temperatur auswählen. Sie liegt bei 100 bis 200 Mio. K.<br />

Reaktionswahrscheinlichkeit (cm 3 /s)<br />

136<br />

10 -16<br />

10 -18<br />

10 -20<br />

10 -22<br />

O<br />

O<br />

10 100 1000 10000<br />

Temperatur (Millionen Grad)<br />

Abb. 4. Temperaturabhängigkeit der Fusionsreaktionsgeschwindigkeitskonstante<br />

9 . (Die beiden eingezeichneten Werte bei 15 und 150 Mio. K<br />

sind hier mit den <strong>für</strong> die pp-Reaktion beschriebenen Methoden berechnet).<br />

Das Lawson-Kriterium<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

Der Fusionsreaktor muss mehr Energie durch Kernfusion erzeugen<br />

als zu seinem Betrieb aufzuwenden ist. Die Mindestbetriebsenergie<br />

ist gegeben durch den Energiebedarf zur Aufheizung des<br />

Brennstoffplasmas auf die Fusionstemperatur. Das Plasma mit<br />

N/V Wasserstoffatomen je m 3 (Deuterium und Tritium) enthält<br />

je ½N/V Deuteronen und Tritonen und N/V Elektronen, insgesamt<br />

also 2N/V Teilchen. Je Teilchen muss die Energie 3/2 kT<br />

zugeführt werden, um es auf die Temperatur T aufzuheizen. Die<br />

Heizenergie pro Volumeneinheit ist also 3kT•N/V.<br />

Die Fusionsgeschwindigkeit ist durch dN/dt = (N/2V) 2<br />

gegeben. Das Plasma wird während der Zeit t, der sog. Einschlusszeit<br />

(containment time) am Brennen gehalten, bevor es<br />

durch Wärmeabstrahlung soweit abgekühlt oder durch thermische<br />

Expansion soweit verdünnt ist, dass die Fusionsreaktion<br />

abstoppt. Die Anzahl der Fusionsereignisse während der Haltezeit<br />

ist also •(N/2V) 2 •t; dieser Ausdruck multipliziert mit<br />

der Energiefreisetzung je Fusionsereignis e f ergibt die Fusionsenergie<br />

je Volumeneinheit während der Haltezeit.<br />

Um als Energiequelle dienen zu können, muss im Fusionsreaktor<br />

der Energiegewinn durch die Fusion größer sein als die<br />

Betriebsenergie, wir erhalten also die Ungleichung.<br />

(N/2V) 2 t e f > 3 kT N/V (17)<br />

e f = 22,3 MeV 1,6•10 –19 As = 3,6•10 –12 J wird Gl. (16) entnommen;<br />

als Temperatur wählen wir 100 Mio. K; hat dann<br />

nach Abb. 4 den Wert 1•10 –22 m 3 /s. Nach den nicht festgelegten<br />

Variablen N/V•t aufgelöst und nach Einsatz der anderen<br />

Werte erhalten wir<br />

N/V•t > 12 k T / ( e f ) = 5•10 19 s/m 3 (18)<br />

Das ist das von Lawson aufgestellte und nach ihm benannte<br />

Kriterium, 10 das die unterste theoretische Grenze <strong>für</strong> das Produkt<br />

aus Einschlusszeit t und Teilchendichte N/V des Plasmas<br />

angibt, bei der unter idealen Bedingungen die Energiebilanz<br />

gerade positiv ist. Unter praktischen Bedingungen liegt die<br />

Grenze um das zehn- bis hundertfache höher.<br />

Damit ist das technische Problem defi niert: Das Fusionsgemisch<br />

aus Deuterium und Tritium muss auf eine Temperatur<br />

von 100 Mio. K aufgeheizt werden, das entstehende Plasma<br />

muss auf eine Mindestdichte komprimiert und in diesem Zustand<br />

<strong>für</strong> eine Mindestzeit eingeschlossen bleiben. Das heiße<br />

Plasma darf nicht mit der Wand des Reaktionsgefäßes in Kontakt<br />

kommen, da diese sonst oberfl ächlich verdampfen und<br />

damit das Plasma verunreinigen oder sogar zerstören würden.<br />

8 Tritium wird in der Atmosphäre durch Neutronen der Höhenstrah lung<br />

durch die Reaktion 14 N(n,t) 12 C gebildet. Da es mit einer Halb wertszeit von<br />

12,3 Jahren in 3 He zerfällt, liegt es in der Natur nur in geringen Mengen vor.<br />

9<br />

Die Daten der Abbildung sind durch Auswertung experimenteller Untersuchungen<br />

mehrerer Autoren gewonnen: H. -S. Bosch und G. M. Hale, Nuclear<br />

Fusion, Vol.32, No.4 (1992).<br />

10<br />

J. D. Lawson, “Some Criteria for a Useful Thermonuclear Reactor”.<br />

A.E.R.E. report GP/R 1807, December 1955.


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Zwei Möglichkeiten werden experimentell verfolgt, um dieses<br />

Ziel zu erreichen: der Trägheitseinschluss mit extrem hoher<br />

und der magnetische Einschluss des Plasmas mit sehr niedriger<br />

Teilchendichte.<br />

Trägheitseinschluss<br />

Die Massenträgheit eines aus einem Kügelchen festen Deuterium-Tritium-Gemischs<br />

durch Laserblitze erzeugten und gezündeten<br />

Deuterium-Tritium-Plasmas verzögert dessen Expansion<br />

lange genug, um die Fusionsreaktion nahezu vollständig ablaufen<br />

zu lassen. Der Vorgang wird höchstens einen Zeitraum im<br />

Nanosekundenbereich beanspruchen; das Lawson-Kriterium<br />

fordert damit unter idealen Bedingungen eine Plasmadichte<br />

von wenigstens 5•10 28 Deuterium- und Tritiumionen je m 3 . Unter<br />

praktischen Bedingen sollte die Dichte hundertfach höher sein.<br />

Bei einem Fusionszyklus wird ein Kügelchen (Pellet) von einem<br />

Durchmesser weniger Millimeter durch die simultanen<br />

Lichtimpulse einer Vielzahl von Hochleistungslasern (Pulsdauer<br />

3•10 -10 s, Gesamtenergie 3•10 6 J) allseitig bestrahlt<br />

(Abb. 5a). Die Laserenergie wird in thermische Energie umgewandelt,<br />

die nach innen weitergeleitet wird, die aber auch<br />

eine Schicht von wenigen mm aus der Oberfl äche des Pellet<br />

explosionsartig verdampft (Abb. 5b); durch die dadurch entstehende<br />

Druckwelle wird das Pellet auf ein tausendstel seines<br />

ursprünglichen Volumens komprimiert (Abb. 5c), wobei<br />

sich ein Plasma mit N/V ≈ 10 32 / m 3 und T ≈ 10 8 K bildet. Die<br />

Forderungen des Lawson-Kriteriums sind also erfüllt. Die Fusion<br />

wird gezündet, breitet sich nach außen aus und erfasst<br />

schließlich auch den Bereich des vorher verdampften Fusionsgemisches<br />

(Abb. 5d). − Es sind somit Miniwasserstoffbomben,<br />

die hier zur Energiegewinnung eingesetzt werden.<br />

a b c d<br />

a b c d<br />

Abb. 5. Laserinduzierte Fusion eines Deuterium-Tritium-Pellets (Pfeile blau:<br />

Laserstrahlung, gelb: verdampfte äußere Schicht, rot: in thermische Energie<br />

umgewandelte Laserenergie.<br />

Für ein Fusionskraftwerk von 1 GW(thermisch) müsste jede Sekunde<br />

ein Pellet von etwa 2 mg der Laserfusion zugeführt werden.<br />

Das Konzept sieht verlockend aus, aber es erscheint nicht sicher,<br />

ob es zur Energiegewinnung taugt. Um das Plasma auf<br />

die angegebene Temperatur aufzuheizen, ist pro Deuteron und<br />

Triton und den dazugehörenden zwei Elektronen, also <strong>für</strong> vier<br />

Teilchen die Energie 8,3•10 –15 J (= 4•3/2 kT) als Laserenergie<br />

aufzuwenden; die freiwerdende Fusionsenergie (s. oben) ist<br />

4,2•10 –12 J (= 26,2•10 6 V•1,6•10 –19 As); d.h. der Energiegewinn<br />

ist etwa 500-mal größer als die eingestrahlte Laserenergie.<br />

Aber der Wirkungsgrad der Hochleistungslaser ist in der Größe<br />

von nur 1 %, und bei Berücksichtigung des normalen Carnot-<br />

Umwandlungsfaktors <strong>für</strong> die Erzeugung elektrischer Energie<br />

aus thermi scher Energie ist der Bruttoenergiegewinn marginal.<br />

ASPEKTE<br />

Abb. 6. Behälter <strong>für</strong> das Trägheitsfusionsexperiment NIF: In die rund zehn<br />

Meter große Kammer werden die Strahlen von 192 Hochleistungslasern<br />

geleitet und auf ein Deuterium-Tritium-Pellet von nur wenigen Millimetern<br />

Durchmesser fokussiert (SPIEGEL ONLINE 05.03.2009).<br />

Trotzdem ist in den USA (Lawrence Livermore National Laboratories)<br />

die National Ignition Facility (NIF) mit einem Kostenaufwand<br />

von mehreren Mrd. $ gebaut worden, die mit 192 von<br />

allen Seiten auf ein Pellet von ein paar mm Durchmes ser fokussierten<br />

Lasern die Fusion auslösen soll (Abb. 6). Dabei werden<br />

kaum mehr als 5 Fusionsexperimente je Tag möglich sein. Die<br />

Anlage ist im letzten Jahr in Erprobung genommen worden mit<br />

der erfolgreichen Überprüfung des gesamten Lasersystems. 11<br />

Es gibt jedoch kritische Stimmen, die nicht an die Realisierbarkeit<br />

der wirtschaftlichen Energiegewinnung durch laserinduzierte<br />

Kernfusion mit Trägheitseinschluss glauben, sondern<br />

vermuten, dass die Untersuchungen eher militärischen Zielen<br />

dienen, z.B.: 12 „NIF …. will be able to create the extreme conditions<br />

of tempe rature and pressure that exist on Earth only in<br />

exploding nuclear weapons and that are therefore relevant to<br />

understanding the operation of our modern nuclear weapons.”<br />

Als Alternative zur laserinduzierten Fusion wird diskutiert, die<br />

Kompression und Aufhei zung der Pellets mit Hilfe von Schwerionenbeschleunigern<br />

zu erzwingen. 13 Die Versuche hier<strong>für</strong> sind<br />

jedoch noch nicht soweit fortgeschritten wie beim Laserverfahren;<br />

die Schwierigkeiten aber erscheinen immens: um etwa die<br />

gleiche Beschleuniger leistung wie mit den 192 Hochleistungslasern<br />

des NIF zu erzeugen (3•10 6 J in 3•10 -10 s, d.h. ≈ 10 16<br />

W) müsste bei einer Beschleunigungsspannung von z.B. 10 GV<br />

ein Ionenimpulsstrom von 1 MA erzielt werden!<br />

Magnetischer Einschluss 14<br />

Das Konzept, das Plasma in einer magnetischen „Flasche“ einzuschließen,<br />

erscheint dagegen eher realisierbar.<br />

11 D. Clery, Science, Band 327, S. 514 (<strong>2010</strong>)<br />

12<br />

Plasma <strong>2010</strong> Commity, Plasma Sciende: Adcvancing knowledge in the<br />

National Interest. National Research Council, 2007.<br />

Physik Journal, 9 (<strong>2010</strong>), Nr. 6.<br />

13<br />

GSI-Nachrichten 3/99, S. 18.<br />

14<br />

Kernfusion, Berichte aus der Forschung: Max-Planck-Institut <strong>für</strong> Plasmaphysik,<br />

2002.<br />

137


ASPEKTE<br />

Bewegte geladene Teilchen werden in einem Magnetfeld durch<br />

die Lorentzkraft auf Kreis- und Schraubenbahnen um die Feldlinien<br />

gezwungen. Die Teilchen sind auf diese Weise an die<br />

Feldlinien angebunden. In Längsrichtung der Magnet feldlinien<br />

können sie sich dagegen unbeeinfl usst bewegen. In einem ringförmig<br />

geschlossenen Magnetfeldkäfi g kann ein Plasma daher<br />

eingeschlossen werden. Allerdings nimmt die Feldstärke nach<br />

außen hin ab, die Teilchen können daher dem magnetischen<br />

Einschluss doch entkommen. Erst durch die Verdrillung der<br />

Feldlinien wird ein dauerhafter Einschluss des Plasmas möglich.<br />

Dies wird experimentell mit zwei verschiedenen Anordnungen<br />

angestrebt.<br />

a) Tokamak: (russische Abkürzung <strong>für</strong> Toroidale Kammer mit<br />

Magnetspulen). A. Sacharow 15 konzipierte 1952 den toroidalen<br />

Fusionsreaktor mit magnetischem Einschluss, dessen erste<br />

Prototypen im Kurtchatov Institut in Moskau entwickelt wurden.<br />

Der Torus (ein Hohlring wie ein Schwimmreifen, rot/gelb<br />

in Abb. 7) ist auf seinem Umfang von einer Vielzahl Toroidalfeldspulen<br />

umschlossen, die in Ringrichtung ein magnetisches<br />

Feld (toroidales Feld) erzeugen.<br />

Abb. 7. Schema des Tokamak mit Toroidal- und Vertikalspulen, so wie den<br />

Primärtrafospulen und dem Torus (rot), der mit dem Plasma die Sekundärtrafospule<br />

bildet. Die Vertikalspulen dienen der Stabilisierung des Plasmarands.<br />

Bei einem mit der Zeit steigendem Strom durch die Primärtrafospulen<br />

im Zentrum des Torus wird in diesem, als der Sekundärspule<br />

des Trafos, ein toroidaler Ringstrom im Plasma induziert<br />

(mehrere Mio. A), der ein poloidales Magnetfeld erzeugt (kreisförmige<br />

Magnetfeldlinien gleicher Geometrie wie die Torodialspulen).<br />

Torodiales und poloidales Feld überlagern sich zum<br />

verdrillten Feld, in das das Plasma eingeschlossen wird.<br />

Das Plasma wird durch den induzierten Plasmaringstrom auf<br />

20 bis 30 Mio. K. aufgeheizt; dann aber wird sein elektrischer<br />

Widerstand so klein, dass die Ohmsche Heizung nicht mehr<br />

wirksam ist. Zusätzliche Heizung ist erforderlich, um die zur<br />

Fusion erforderlichen 100 Mio. K zu erreichen.<br />

Verschiedene Methoden werden hier<strong>für</strong> erprobt:<br />

138<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

1) magnetische Kompression durch Erhöhung des einschließenden<br />

Magnetfelds; die Kompression bewirkt gleichzeitig<br />

eine Erhöhung der Fusionsgeschwindigkeit infolge der Erhöhung<br />

der Teilchenzahl.<br />

2) Injektion schneller Atome des Fusionsgemisches, die durch<br />

Beschleunigung der entsprechenden Ionen und anschließender<br />

Neutralisation hergestellt werden. Die Atome können<br />

die Magnetfelder durchqueren und werden, sobald sie<br />

ins Plasma eintreten, wieder ionisiert.<br />

3) Mikrowellenheizung mit Zyklotronresonanzfrequenzen, 10<br />

bis 100 MHz <strong>für</strong> die Ionen, 60 bis 150 GHz <strong>für</strong> Elektronen<br />

(entsprechend den Frequenzen der Kreisbewegungen der<br />

Teilchen um die Magnetfeldlinien).<br />

Der Primärtrafostrom, der den Plasmaringstrom und damit verbunden<br />

das poloidale Magnetfeld erzeugt, kann nicht beliebig<br />

gesteigert werden, vielmehr muss der Trafohub, das ist der mit<br />

der Zeit ansteigende Strom, unterbrochen werden, der Plasmaeinschluss<br />

geht verloren und die Fusion setzt aus. Erst durch<br />

erneuten Trafohub und erneute Aufheizung wird die Plasmafusion<br />

wieder gezündet. Der Tokamak lässt sich also auch nur<br />

diskontinuierlich betreiben.<br />

Mit Einschlusszeiten von Sekunden folgt aus dem Lawson-Kriterium<br />

die Mindestteilchendichte von Deuteronen plus Tritonen) N/V<br />

≈ 3•10 19 /m 3 ; das entspricht einem guten Hochvakuum (Zum Vergleich:<br />

Teilchendichte unter Normalbedingungen: 2,7•10 25 /m 3 ,<br />

aber entsprechend der hohen Temperatur hat das Plasma (Ionen<br />

+ Elektronen) doch einen Druck in der Größe von einem bar). Die<br />

Leistungsdichte eines so verdünnten Fusionsplasmas ist natürlich<br />

gering, kaum größer als die einer Glühbirne, wie die Autoren<br />

des MPI-Kernfusionsberichtes schreiben 14 (mit N/V ≈ 10 20 /m 3 ,<br />

≈ 10 -21 m 3 /s und der Fusionsenergie aus Gl. (14) ergibt sich<br />

eine Leistungsdichte von wenigen Watt je cm 3 ).<br />

Etwa 30 Versuchsanlagen nach dem Tokamak-Prinzip sind seit<br />

Mitte des vorigen Jahrhunderts gebaut worden, 20 davon sind<br />

noch in Betrieb; sie dienen der Grundlagenforschung sowie der<br />

Entwicklung technischer Details. Abb. 8 mag einen Eindruck<br />

über die Größe einer solchen Versuchsanlage geben.<br />

b) Stellarator: 16 Im Tokamak wird die Verdrillung der Feldlinien,<br />

die <strong>für</strong> den Einschluss des Plasmas notwendig ist, durch Über-<br />

15 Sacharow (1921 – 1989), Russischer Kernphysiker, bekannt als Vater der<br />

sowjetischen Wasserstoffbombe, hat auch den Vorschlag <strong>für</strong> die kontrollierte<br />

Kernfusion durch Trägheitseinschluss erarbeitet, sowie den <strong>für</strong> die sog. kalte,<br />

durch Myonen katalysierte Kernfusion. – Um 1955 entwickelte sich Sacharow<br />

zum Dissidenten und Menschenrechtler, die Sowjetregierung verbot ihm die<br />

Reise nach Oslo, sodass er den ihm 1975 zuerkannten Nobelpreis <strong>für</strong> seine<br />

Friedensbemühungen nicht entgegennehmen konnte; 1980 wurde er verhaftet<br />

und nach Gorki (Nischni Nowgorod) verbannt. 1986 bat ihn M. Gorbatschow<br />

nach Moskau zurückzukehren und seine politische Tätigkeit fortzusetzen.<br />

16<br />

Das Konzept des Stellarators wurde 1951 von L. Spitzer in Princeton entworfen.<br />

Seine erste Anlage, Modell A, die auf einem Labortisch aufgebaut wurde,<br />

erreichte 1952 eine Temperatur von 1 Mio. K. Schon Anlage D sollte eine<br />

energieliefernde Maschine sein. Anderen Ortes war man vorsichtiger in der<br />

Formulierung der Ziele; die erste in Los Alamos geplante Versuchsanlage hatte<br />

den Namen „Perhapsatron“.


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Abb. 8. Blick in das Plasmagefäß der Versuchsanlage ASDEX des Instituts<br />

<strong>für</strong> Plasmaphysik der MPG in Garching 14 . Die Anlage, die seit 1991 in Betrieb<br />

ist, hat ein Gesamtvolumen (äußere Abmessungen) von 2800 m 3 . Das<br />

Plasma im inneren der Kammer nimmt ein Volumen von etwa 13 m 3 ein und<br />

enthält 3 mg Wasserstoff (N/V ≈ 7 10 19 m -3 ; Plasmastrom 1,4 MA, Plasmatemperatur<br />

100 Mio. K, Magnetfelder 3,9 Tesla.<br />

lagerung des durch Magnetspulen erzeugten toroidalen Feldes<br />

und des durch den Plasmastrom erzeugten poloidalen Feldes<br />

erzwungen. Im Stellarator wird die schraubenförmige Verdrillung<br />

der Feldlinien um die Torusseele durch ein System speziell<br />

geformter Einzelspulen erreicht, die poloidal um den Torus<br />

angeordnet sind (Abb. 9 oben).<br />

Deshalb kann auf den Plasmastrom, der durch die Primärtrafospulen<br />

im Torus induziert wird, verzichtet werden. Und damit ist<br />

es auch möglich, den Stellarator kontinuierlich zu betreiben. Und<br />

Plasmainstabilitäten, die durch den Plasmastrom hervorgerufen<br />

werden können, sind hier natürlich auch nicht zu erwarten.<br />

Zur Aufheizung des Plasmas bis zur Zündung muss – wie beim<br />

Tokamak beschrieben – Energie von außen zugeführt werden,<br />

entweder durch Injektion schneller Atome oder durch Mikrowellenheizung.<br />

Abb. 9 zeigt eine Stellaratoranordnung mit Vertikalfeld- und<br />

weiteren Zusatzspulen, mit denen die Feldverdrillung verändert<br />

und das Plasma korrigiert werden kann.<br />

Neutral-<br />

Teilchen-<br />

Heizung<br />

Plasma<br />

Vertikalfeldspulen<br />

Zuatzspulen<br />

Stellaratorspulen<br />

Plasmagefäß<br />

Abb. 9. Schematische Darstellung des Stellaratortorus mit dem verdrillten<br />

Plasma (oben); Stellaratortorus mit Zusatzspulen und Plasmaheizung durch<br />

Neutralteilchen.<br />

ASPEKTE<br />

Lange Zeit galt das Tokamakkonzept als die bessere Lösung; infolge<br />

der großen Fortschritte bei der Gestaltung der Stellaratorspulen<br />

in den letzten Jahren erscheinen Stellarator- und Tokamakkonzept<br />

gleichwertig. Der neueste Stellarator-Versuch, der<br />

jetzt vom Institut <strong>für</strong> Plasmaphysik der MPG in Greifswald aufgebaut<br />

wird (Wendelstein 7X), soll die Kraftwerkstauglichkeit<br />

der Stellaratoren belegen. In den Abmessungen, im Plasmavolumen<br />

und Plasmagewicht übertrifft dieser Versuchsneubau<br />

den Vorgänger (Abb. 10), der in Garching betrieben wird.<br />

Abb. 10. Aufbau der Stellaratorversuchsanlage Wendelstein 7AS des Instituts<br />

<strong>für</strong> Plasmaphysik der MPG in Garching. Die Anlage wurde 1988 in<br />

Betrieb genommen. Bei einem äußeren Volumen von 670 m 3 kann sie mit<br />

einem Magnetfeld bis 2,5 Tesla ein Plasmavolumen von 1 m 3 mit 1 mg Wasserstoff<br />

aufnehmen.<br />

INTERNATIONAL THERMONUCLEAR<br />

17, 18<br />

EXPERIMENTAL REAKTOR<br />

Die Abkürzung <strong>für</strong> den neuen internationalen experimentellen<br />

Fusionsreaktor, ITER, ist an das lateinischen Wort <strong>für</strong> „Weg“<br />

angelehnt und soll den Weg zu neuen Energien weisen. Aber<br />

der Weg bis jetzt war lang und er wird bis zum Erreichen des<br />

Ziels wohl auch noch lang sein. Abb. 11 veranschaulicht die<br />

Entwicklung der vorausgegangenen 50 Jahre. Gegen die Plasmatemperatur<br />

ist das sog. Fusionsprodukt der bisherigen Experimente<br />

aufgetragen, das ist das Produkt aus erzielter Plasmadichte,<br />

Plasmahaltezeit und Plasmatemperatur.<br />

Die Fusion im Plasma aus Deuterium und Tritium zündet nur<br />

und wird dann ohne Energiezufuhr aufrecht erhalten, wenn<br />

das Fusionsprodukt bei vorgegebener Temperatur in einem<br />

Bereich liegt, der in der Abbildung rot gekennzeichnet ist,<br />

also z.B. bei 100 Mio. K muss das Fusionsprodukt > 2,5•10 28<br />

m -3 s K sein. Bei einer Einschlusszeit von 1 sec. folgt daraus die<br />

Mindestteilchendichte zu etwa 2,5•10 20 je m 3<br />

Die Zündgrenze ist gegeben durch die Forderung, dass die<br />

beim Fusionsprozess an das Plasma abgegebene Energie grö-<br />

17 P. Gruss und F. Schüth, Herausgeber, Die Zukunft der Energie. Ein Report<br />

der Max-Planck-Gesellschaft. C. Beck, München, 2008.<br />

18<br />

G. Janeschitz, Technik der Kernfusion. Manfred-Eigen-Nachwuchswissenschaftler-Gespräche<br />

„Chemie und Energie“, Herrenalb, 2008.<br />

139


ASPEKTE<br />

Fusionsprodukt (m -3 s K)<br />

ßer ist als die Energie zur Aufheizung des Plasmas. Wir erhalten<br />

damit eine Ungleichung analog der des Lawson-Kriteriums<br />

Gl. (17 und 18); aber anstelle der Gesamtfusionsenergie von<br />

22,3 MeV nach Gl. (16) dürfen wir hier nur den Energiebetrag<br />

einsetzen, der im Plasma verbleibt; das ist die kinetische<br />

Energie des 4 He aus Gl. (14); sie ist entsprechend dem Impulssatz<br />

nur 1/5 der Gesamtenergie, 4/5 der Energie wird vom<br />

ladungsfreien Neutron aus dem Plasma herausgetragen.<br />

Im Verlauf der letzten knapp 50 Jahre konnten Temperatur<br />

und Fusionsprodukt der Experimente von etwa 2 Mio. K und<br />

2•10 23 m -3 s K (links unten, Moskau) bis auf etwa 500 Mio. K<br />

und 8•10 27 m -3 s K (rechts oben, Princeton und Naka (Japan))<br />

gesteigert werden. Mit dem Joint European Torus (JET) in Culham,<br />

Großbritannien, an dem fast alle europäischen Staaten<br />

beteiligt sind, ist in den letzten Jahren die Zündgrenze fast erreicht<br />

worden.<br />

ITER wurde seit über einem Jahrzehnt unter Beteiligung von<br />

China, den Europäischen Ländern, Indien, Japan, Russland,<br />

Südkorea und der USA mit den Erfahrungen, die weltweit und<br />

jahrelang mit den Tokamak-Experimenten gesammelt worden<br />

sind, geplant; vor einem Jahr haben die Bauarbeiten in Cadarache<br />

(Departement Bouches-du-Rhône, nahe Marseille) begonnen,<br />

der Versuchsbetrieb soll 2018 aufgenommen werden<br />

(vergl. Abb. 13 in Ref. 2).<br />

Ein paar Daten mögen die Größe des Versuchsreaktors belegen:<br />

Plasmavolumen 840 m 3 , Plasmamasse 500 mg Deuterium-Tritiumgemisch,<br />

Plasmatemperatur 100 - 200 Mio. K, Magnetfeld<br />

5,4 Tesla, maximaler Plasmastrom 15 MA.<br />

Aus den gegebenen Daten <strong>für</strong> Plasmavolumen, -Masse und<br />

-Temperatur folgt, dass das Zündkriterium schon bei einer<br />

Einschlusszeit von etwa 1 sec. erfüllt ist; bei den geplanten<br />

vielfach höheren Einschlusszeiten ist also mit Sicherheit zu erwarten,<br />

dass das Fusionsgemisch zündet und die Fusion ohne<br />

weitere Energiezufuhr aufrecht erhalten werden kann. – Bei<br />

einer Fusionsleistung von 0,5 GW (rein rechnerisch folgt aus<br />

140<br />

E29<br />

E27<br />

E25<br />

E23<br />

Wendelstein<br />

Abb. 11. Fusionsprodukt (Produkt aus Plasmadichte, -Einschlusszeit und<br />

-Temperatur) der Fusionsexperimente seit 1965. Damit das dt-Plasma zündet,<br />

müssen Werte im eingezeichneten roten Bereich erreicht werden.<br />

JET<br />

Garching<br />

geplant<br />

bis 2002<br />

bis 1986<br />

bis 1977<br />

bis 1965<br />

1 10 100 200 500<br />

Plasmatemperatur (Mio. K)<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

den gegebenen Daten eine Leistung von 1,5 GW) soll ein Energiegewinnungsfaktor<br />

von etwa 10 erzielt werden, d.h. etwa das<br />

zehnfache der zur Plasmaaufheizung aufgewandten Energie<br />

wird als Fusionsenergie gewonnen.<br />

Mit ITER wird erstmalig auch die Gewinnung von Tritium getestet,<br />

das neben dem Deuterium als Fusionsbrennstoff<br />

eingesetzt wird. Hierzu ist der Torus umgeben von einem<br />

Lithium-haltigen Mantel (Blanket), in dem die energiereichen<br />

Neutronen aus Gl. (14), die 80 % der Energie mit sich führen,<br />

abgebremst werden und dann in der Reaktion nach Gl. (15)<br />

mit 6 Li Tritium bilden. Dieses wird laufend aus dem Blanket<br />

ausgespült und – mit Deuterium gemischt – dem Brennstoffkreislauf<br />

zugeführt.<br />

Mit den Fusionsneutronen alleine ist ein Tritiumbrüten mit<br />

Überschuss, der die unvermeidlichen Neutronen- und Verarbeitungsverluste<br />

decken könnte, nicht möglich, da die Fusionsreaktion<br />

nur genau 1 Neutron pro verbrauchtem Tritiumatom<br />

liefert. Deshalb müssen die Neutronen im Blanket um etwa<br />

30 % bis 50 % vermehrt werden. Hierzu eignen sich Beryllium<br />

oder Blei, da die (n,2n)-Kernreaktion an diesen Materialien relativ<br />

niedrige Energieschwellen hat.<br />

Die im Blanket freiwerdende Wärme, das sind knapp 19 MeV<br />

je Fusionsereignis (Neutronenenergie aus Gl. (14) + Energie<br />

aus Gl. (15)) wird mit Helium abgeführt und über Wärmeaustauscher,<br />

Dampferzeuger und Turbogeneratoren in elektrische<br />

Energie umgewandelt. – Das Blanket ist von einer abschirmenden<br />

Hülle umgeben, die die supraleitenden Magnetspulen und<br />

die weitere Ausrüstung gegen Strahlungen aus dem Blanket<br />

und dem Plasma schützt.<br />

Durch außerhalb des Torus angebrachter Magnetspulen<br />

wird das äußere Feld im Torus so verändert, dass Ionen höherer<br />

Ladung, also das bei der Fusion entstehende Helium<br />

und sonstige Verunreinigungen, z.B. Luft, aus dem Plasma<br />

ausgelenkt und auf Prallplatten geleitet werden, wo sie neutralisiert<br />

und als normale Gase abgepumpt werden können<br />

(Divertoren). Denn wenn diese im Fusionsgas auf zu hohe<br />

Konzentration ansteigen, wird der Fusionsprozess gestoppt.<br />

Etwa 10 % Luft sind in einem dt-Plasma von 150 Mio. K<br />

tolerierbar.<br />

Das klingt nicht sehr dramatisch; aber es ist doch eine technische<br />

Herausforderung: 500 mg Fusionsgas, also 0,2 Mol in<br />

einem Volumen von 837 m 3 haben unter Normalbedingungen<br />

einen Druck von 5 mbar; der Luftdruck im Torus darf deshalb<br />

0,5 mbar nicht überschreiten. Diese wenigen Zahlen beleuchten<br />

die Anforderungen in Bezug auf die Vakuumdichtigkeit des<br />

fast tausend Kubikmeter großen Torus und die Pumpleistung,<br />

die zur Aufrechterhaltung des Vakuums erforderlich ist. Hier<br />

sind Kryopumpen vorgesehen.<br />

Zur Ergänzung von durch die Fusion verbrauchtem Brennstoff<br />

kann das D/T-Gasgemisch durch Düsen in den Torus eingeblasen<br />

werden; wegen der schnellen Ionisation wird es allerdings<br />

nur in den Plasmarandschichten angereichert. Als aussichtsreiche<br />

Alternative gilt die schon erprobte Möglichkeit, mgschwere<br />

Pellets von gefrorenem D/T-Gemisch mittels Gaska-


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

nonen oder Zentrifugen ins Plasma hineinzuschießen. Mit der<br />

in Garching entwickelten Pelletzentrifuge können bis zu 80 Pellets<br />

je sec. mit Geschwindigkeiten bis zu 1200 m/s ins Plasma<br />

injiziert werden. Wegen der langsamen Verdampfung gelangen<br />

die Pellets bis zur Plasmamitte – sie werden keinesfalls wie bei<br />

der laserinduzierten Fusion infolge des Trägheitseinschlusses<br />

explodieren.<br />

Auf weitere Einzelheiten soll nicht eingegangen werden; wir<br />

wollen jedoch in Abb. 12 die Gesamtgröße des Experimental-<br />

Fusions-Reaktors (und damit verknüpft die Größe der technischen<br />

Probleme) zeigen: unten rechts im Kreise ist maßstabsgetreu<br />

ein Mensch eingezeichnet.<br />

ITER ist das weltweit zweitgrößte wissenschaftlich-technische<br />

Experiment. Aber Größe hat Ihren Preis. Ursprünglich war ITER<br />

mit einer Leistung von 1500 MW geplant. Wegen der immensen<br />

Kosten wurde die Planung auf 500 MW reduziert. Bei Vertragsunterzeichnung<br />

der teilnehmenden Staaten 2005 lagen<br />

die Kostenabschätzungen bei 5 Mrd. € <strong>für</strong> die Investitionen<br />

und nochmals 5 Mrd. € <strong>für</strong> die zwanzigjährige Betriebsperiode<br />

(40 % der Investitionskosten sollen von den Europäern übernommen<br />

werden, 10% alleine von Deutschland). Nach jüngsten<br />

Schätzungen der Europäischen Kommission liegen die<br />

Investitionskosten nunmehr bei 15 Mrd. € – unter anderem<br />

Primär-<br />

Trafospulen<br />

Blanket<br />

Toroidalspulen<br />

Torusvolumen V: 840 m 3<br />

Fusionsleistung: > 500 MW<br />

ASPEKTE<br />

wegen gestiegener Rohstoffpreise und neuer Sicherheitsanforderungen.<br />

Dazu ein Kommentar der deutschen Presse 19 : „Scheitert eines<br />

der größten Forschungsvorhaben der Welt an Geldmangel? .....<br />

die Baukosten explodieren ….. die Bundesregierung geht jetzt<br />

auf Distanz zu dem Mega-Projekt ….. Aus dem Forschungsministerium<br />

heißt es, die Bundesregierung stehe weiter zur<br />

Fusionsforschung – um sich <strong>für</strong> die Energieversorgung möglichst<br />

viele Optionen offen zu halten. „Das gilt aber nicht um<br />

jeden Preis“, warnt Ministerin Schavan.“<br />

ITER wird in Bezug auf die Kosten nur noch von der International<br />

Space Station (ISS) übertroffen. Aber von ITER erwarten wir<br />

praktische Ergebnisse, die wir verwerten können. Bei ISS ist in<br />

dieser Hinsicht Skepsis angebracht.<br />

PROBLEME DES FUSIONSREAKTORS UND IHRE LÖSUNG<br />

Abschließend müssen wir noch einige Themen streifen, die mit<br />

dem Betrieb eines Kernfusionskraftwerks zusammenhängen.<br />

19 SPIEGEL ONLINE, 21.05.<strong>2010</strong>.<br />

Abb. 12. Schematische Darstellung des International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER).<br />

Plasmastrom : 15 MA<br />

Toroidalfeld : 5,4 T<br />

Toroidales<br />

Vakuumgefäß<br />

Kryopumpe<br />

Divertor<br />

141


ASPEKTE<br />

Brennstoffbereitstellung<br />

Für eine elektrische Leistung von 1000 MW verbraucht ein<br />

Fusionskraftwerk bei einem Wirkungsgrad von 30 % pro Jahr<br />

knapp 100 kg Deuterium und 150 kg Tritium bzw. 300 kg 6 Li,<br />

aus dem im Reaktorblanket durch die Brutreaktion mit Neutronen<br />

das Tritium hergestellt wird. Die Beschaffung dieser<br />

Brennstoffe bereitet keine Schwierigkeit.<br />

a) Deuterium ist in den Weltmeeren in praktisch unerschöpfl ichen<br />

Mengen vorhanden.<br />

b) Lithium ist weniger reichlich vorhanden, aber die bekannten<br />

Lagerstätten würden ausreichen, den globalen Energiebedarf<br />

durch Kernfusion <strong>für</strong> Zehntausende Jahre zu decken; neuerdings<br />

wird jedoch be<strong>für</strong>chtet, dass der Bedarf an Li-Ionen-Akkus<br />

<strong>für</strong> die jetzt propagierten Elektroautomobile bald zu einer<br />

Erschöpfung der wenigen leicht zugänglichen Li-Lagerstätten<br />

führen könnte, 20 aber in den Ozeanen steht dann noch immer<br />

eine tausendfach größere Menge zur Verfügung.<br />

Die Fusionsbrennstoffe können also aus den allen Staaten zugänglichen<br />

Weltmeeren gewonnen werden. Konfl ikte über Energiequellen<br />

sollte es damit in Zukunft nicht mehr geben. – Allerdings<br />

ist es notwendig, die benötigten Isotope anzureichern.<br />

Deuterium muss von seiner natürlichen Häufi gkeit 0,015 % auf<br />

99 %, 6 Li von 7,5 % auf 50 bis 90 % angereichert werden. – Für<br />

die erstmalige Inbetriebnahme eines Fusionsreaktors muss das<br />

Tritium aus anderen Quellen bereitgestellt werden, z.B. durch<br />

Abtrennen aus tritiumhaltigen Prozessströmen einer Kernbrennstoff-Wiederaufbereitungsanlage.<br />

Für die Anreicherung der Isotope gibt es verschiedene Verfahren,<br />

die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Es sei<br />

hier bescheiden eingefügt, dass wir <strong>für</strong> die drei erwähnten<br />

Isotopentrennaufgaben neue Verfahren konzipiert haben, von<br />

denen eines auch im großtechnischen Maßstab eingesetzt<br />

worden ist. 21<br />

Umweltbelastung<br />

a) Klimaschädlichkeit: Wie beim Kernspaltungsreaktor ist<br />

auch beim Fusionsreaktor die Energieproduktion frei von der<br />

Emission von Kohlendioxid. Die beim Bau eines Fusionsreaktors<br />

anfallende Kohlendioxidmenge dürfte in der gleichen Größenordnung<br />

liegen wie beim Spaltungsreaktor, umgerechnet<br />

kleiner als 30 g/kWh (zum Vergleich: über 1000 g(CO 2)/kWh<br />

bei Braunkohlekraftwerken, etwa 520 g(CO 2)/kWh beim deutschen<br />

Energiemix).<br />

b) Radioaktive Abfälle: Einzelne Bauelemente, wie die Divertoren<br />

und das Blanket sind einem intensiven Fluss energiereicher<br />

Neutronen ausgesetzt; das führt zu einer langsamen<br />

Zerstörung der Mikrostruktur der Bauelemente, sie müssen<br />

deshalb während der Laufzeit des Reaktors mehrfach ausgetauscht<br />

werden. Die Bauteile sind wegen der Neutronenbestrahlung<br />

radioaktiv und müssen daher sicher gelagert werden.<br />

Zusammen mit den bei späterem Abriss des Reaktors<br />

anfallenden Materialien entsteht ein Abfallvolumen in ver-<br />

142<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

gleichbarer Größe wie bei Spaltreaktoren gleicher Leistung.<br />

Dessen Abfälle enthalten aber die hoch aktiven Spaltprodukte<br />

mit teilweise sehr langen Zerfallshalbwertszeiten, die über<br />

Jahrtausende in einem Endlager untergebracht werden müssen.<br />

Die Abfälle der Fusionsreaktoren haben dem gegenüber<br />

eine erheblich niedrigere Aktivität mit kürzeren Halbwertszeiten,<br />

ihre Lagerung über maximal ein Jahrhundert erscheint<br />

unproblematisch.<br />

c) Tritium: Im Kernfusionsreaktor wird Tritium als Brennstoff<br />

im Torus verbraucht und im Blanket durch die Brutreaktion<br />

wieder erzeugt. Es läuft also nur im Inneren des Kraftwerks<br />

um. Trotzdem enthält ein Fusionsreaktor ein Tritiuminventar<br />

von ein paar kg, also vielleicht eine Wochenration, die fest in<br />

Speichern gebunden sind. Nach den bisherigen technischen<br />

Erfahrungen wird angenommen, dass pro Jahr nur etwa 1 g<br />

aus dem Kraftwerk entweichen kann, was durchaus tolerierbar<br />

erscheint. – Die plötzliche Freisetzung des gesamten Tritiuminventars<br />

durch einen Flugzeugabsturz, ein Erdbeben oder<br />

einen terroristischen Akt wäre der GAU eines Fusionsreaktors.<br />

Bei Wind, der konstant in eine Richtung weht, würde eine zwei<br />

km 2 große Fläche so stark durch Tritium verseucht, dass sich<br />

dort aufhaltende Personen im Verlauf einer Woche durch Bestrahlung<br />

und Einatmen einer Strahlenbelastung von 0,5 Sv<br />

(Sievert) ausgesetzt werden. Hier wären Evakuierungsmaßnahmen<br />

einzuleiten (Evakuierungsgrenze 0,1 Sv).<br />

Reaktorsicherheit<br />

a) Energieinhalt eines Fusionsreaktors: Das Reaktorunglück<br />

in Tschernobyl (1986) mit der weltweiten Verbreitung von radioaktiven<br />

Spaltprodukten hat viel zur Ablehnung der Kernenergie<br />

beigetragen. Und da den Kernfusionreaktoren die gleiche<br />

Reaktion zugrunde liegt wie den Wasserstoffbomben mit<br />

ihrem mächtigen Zerstörungspotential, könnte auch die Energiegewinnung<br />

durch Kernfusion auf Ablehnung stoßen.<br />

Ein Fusionsreaktor ist aber keine Wasserstoffbombe. Wie<br />

vorher dargestellt, läuft die kontrollierte Fusion in einem von<br />

Magnetfeldern eingeschlossenen hoch verdünnten Plasma ab.<br />

Eine äußere Störung, sei es durch einen Flugzeugabsturz, ein<br />

Erdbeben oder einen terroristischen Akt oder eine interne Störung,<br />

sei es durch Versagen der Kontrolleinrichtungen, Ausfall<br />

der Stromversorgung oder ein Leck im Torus, wird immer zum<br />

Zusammenbruch des Plasmas führen und damit zum Abbruch<br />

der Fusionsreaktion.<br />

Das Brennstoffi nventar des Plasmas eines Fusionsreaktors<br />

reicht <strong>für</strong> etwa 1000 Betriebssekunden; im Vergleich zu einem<br />

Kernspaltungsreaktor, dessen Brennstoffi nventar <strong>für</strong> mehre-<br />

20 FOCUS ONLINE, 06.011.2009.<br />

21 S. Walter und U. Schindewolf, Chem. Ing. Tech.<br />

(1965), 37, 1185. (Schwerwasseranreicherung).<br />

U. Schindewolf und Th. Reheis, Ber. der Bunsenges.<br />

(1996), 100, 1280. ( 6 Li-anreicherung).<br />

U. Schindewolf und H. Mangold, Chem. Ing. Tech.<br />

(1988), 60, 557. (Tritiumabtrennung).


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

re Betriebsjahre reicht, ist das sehr wenig. Aber bei einem 1<br />

GW(e)-Reaktor entspricht es doch dem Energieinhalt von 1 to<br />

TNT (Faustformel 1 kg TNT = 1 Mcal = 4,18 MJ). Deshalb ist es<br />

doch beruhigend zu wissen, dass ein Fusionsreaktor nicht außer<br />

Kontrolle geraten kann. – Zum Vergleich: die größten amerikanischen<br />

und russischen Wasserstoffbomben haben eine<br />

Sprengkraft von 25 bzw. 50 Mio. t TNT!<br />

b) Nachwärme: Beim Harrisburg-Reaktor fi el 1979 das Kühlsystems<br />

aus, worauf der Reaktor sofort automatisch abgeschaltet<br />

wurde; die durch den radioaktiven Zerfall akkumulierter<br />

Spaltprodukte entstehende Nachwärme verursachte jedoch<br />

die Kernschmelze, durch die große Radioaktivitätsmengen frei<br />

gesetzt wurden. Auch bei einem Fusionsreaktor führt der Ausfall<br />

des Kühlsystems durch die Nachwärme, die durch die neutronenaktivierten<br />

und damit radioaktiven Bauelemente (s. o.)<br />

bedingt ist, zu einem Temperaturanstieg bis zu 900 °C. Die den<br />

Neutronen ausgesetzten Bauteile müssen deshalb aus Materialen<br />

mit hohem Schmelzpunkt und niedrigem Neutroneneinfangwahrscheinlichkeit<br />

hergestellt werden.<br />

KOSTEN DER FUSIONSENERGIE<br />

Ziel von ITER ist nicht nur, die technische Durchführbarkeit der<br />

Energiegewinnung durch Kernfusion zu belegen, sondern auch<br />

ihre ökonomische Durchführbarkeit.<br />

ITER könnte mit seiner Fusionsleistung von 500 MW bei einem<br />

Umwandlungswirkungsgrad von 35 % und einer Betriebszeit von<br />

8000 h/a (Auslastung 91 %) jährlich 1,4 Mrd. kWh elektrischer<br />

Energie erzeugen. Bei einem Zinssatz von 5% auf das investierte<br />

Kapital von 15 Mrd. € ergäben sich jährlich 750 Mio. €<br />

Kapital kosten, hinzu kämen die jährlichen Betriebskosten von<br />

250 Mio. €. Die Energiekosten von ITER wären also 0,7 €/kWh.<br />

Die Voraussagen der Planer des Experiments und der Kostenfachleute<br />

22 gehen aber davon aus, dass Kernfusionsenergie<br />

um die nächste Jahrhundertwende mit anderen Energieerzeugungsmethoden<br />

konkurrenzfähig sein wird.<br />

Diese Aussagen basieren auf folgenden realistischen Voraussetzungen:<br />

a) Steigende Weltbevölkerung und steigender Energieverbrauch<br />

des Einzelnen führen in den nächsten 50 Jahren zu<br />

einer Verdreifachung des weltweiten Primärenergiebedarfs.<br />

22<br />

SERF, Socio-Economic Research on Fusion, 1998 vom europäischen<br />

Fusionsprogramm gegründet.<br />

ASPEKTE<br />

Dem stehen die begrenzten Weltvorräte an Erdgas und Erdöl<br />

gegenüber. Die Folgen von beidem sind Energiepreissteigerungen.<br />

Eine weitere Preissteigerung ergibt sich durch die Forderung,<br />

dass der Kohlendioxidausstoß der konventionellen Kraftwerke<br />

weiterhin deutlich reduziert werden soll.<br />

b) Kommerzielle Fusionsanlagen werden bis zum zehnfachen<br />

der Leistung von ITER erbringen, wodurch sich eine erhebliche<br />

Verminderung der spezifi schen Investitions- und Betriebskosten<br />

ergibt. – Mit den durch ITER und späteren Versuchseinrichtungen<br />

gewonnenen Erkenntnissen (Lerneffekt) wird sich eine<br />

weitere Kostenverminderung ergeben.<br />

Und so ist zu erwarten, dass sich die Kurven der mit der Zeit<br />

steigenden Energiekosten und abnehmenden Kernfusionsenergiekosten<br />

schneiden werden und damit die Kernfusion<br />

konkurrenzfähig sein wird. Das kann allerdings bis zur nächsten<br />

Jahrhundertwende dauern.<br />

AUSBLICK<br />

Nach zehnjährigem Betrieb von ITER sollen genügend Informationen<br />

und Erfahrungen gesammelt sein, um 2028 mit der<br />

Planung von DEMO zu beginnen, eines Kraftwerks, mit dem<br />

demonstriert werden soll, dass die Kernfusion technisch zur<br />

Energiegewinnung eingesetzt werden kann: DEMO soll ab 2<strong>04</strong>0<br />

im Langzeitbetrieb Energie erzeugen, auch wenn es noch nicht<br />

wirtschaftlich arbeiten wird. Mit dem Bau eines kommerziellen<br />

Fusionskraftwerks wird kaum vor 2050 gerechnet.<br />

Die Überschrift dieses Aufsatzes hatten wir mit einem Fragezeichen<br />

versehen: “Kernfusion – die Energiequelle der Zukunft?“.<br />

Erst nach Ablauf der Experimente der nächsten 40 Jahre werden<br />

wir wissen, ob wir das Fragezeichen durch ein Ausrufungszeichen<br />

ersetzen können, ob die Kernfusion unsere Energieprobleme<br />

lösen wird.<br />

Manch einer von uns wird es nicht mehr erleben – aber im Interesse<br />

unserer Nachkommen hoffen wir auf den technischen und<br />

wissenschaftlichen Erfolg der weltweiten Bemühungen um die<br />

Kernfusion.<br />

Die erneuerbaren Energien werden in Zukunft zwar einen Teil<br />

unseres Energiehungers stillen, aber die Grundlast werden<br />

sie nicht decken können. Und da der Verbrauch fossiler Energien<br />

wegen der Problematik der Kohlendioxid-Emission eingeschränkt<br />

und die Kernkraftwerke wegen der Problematik<br />

der Endlagerung der radioaktiven Abfälle ganz abgeschaltet<br />

werden sollen, bleibt uns die Hoffnung auf die Kernfusion,<br />

das ewige Feuer der Sonne auf unserer Erde.<br />

143


TAGUNG<br />

Katharina Al-Shamery<br />

Goethe war fasziniert vom Harz und bereiste ihn als Forschungsreisender<br />

in den Bereichen Geologie und Bergbau<br />

gleich drei Mal. Auch sein literarisches Werk blieb von seinen<br />

Eindrücken nicht unberührt. Berühmt ist die Walpurgisfeier auf<br />

dem Brocken in seinem Meisterwerk „Faust“. Sicher nicht so<br />

wild, da<strong>für</strong> aber mindestens ebenso inspirierend ging es pünktlich<br />

zur Walpurgisnacht auf der Tagung „Aus den Hexenküchen<br />

der Materialwissenschaften“ am 30.4.<strong>2010</strong> zu, die nunmehr<br />

zum zweiten Mal im Museumsbergwerk und UNESCO-Weltkulturerbe<br />

Rammelsberg bei Goslar stattfand. Das Thema war,<br />

wie sollte es in diesem Jahr auch anders sein, „Energie“. Die<br />

Tagung wurde breit von der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft,<br />

dem Arbeitskreis Chancengleichheit in der Chemie (AKCC) der<br />

GDCh und dem Center of Interface Science der Universitäten<br />

Oldenburg, Osnabrück und Bremen getragen.<br />

40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 8 Ländern lauschten<br />

den ausschließlich weiblichen Referentinnen in der urigen<br />

Schmiede des Bergwerkes bei brennendem Schmiedefeuer.<br />

Nach der Begrüßung durch den Oberbürgermeister der Stadt<br />

Goslar, Henning Binnewies, gab Frau Professor Dr. Angelika<br />

Heinzel vom Institut <strong>für</strong> Technische Thermodynamik an der<br />

144<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

AUS DEN HEXENKÜCHEN<br />

DER MATERIALWISSENSCHAFTEN II<br />

Die Referentinnen mit einigen TagungsteilnehmerInnen<br />

(Foto Christiane Lienau).<br />

Prof. Dr. Katharina Al-Shamery<br />

Carl v. Ossietzky Universität Oldenburg und Center of Interface Science<br />

Postfach 2503, D-26111 Oldenburg<br />

Telefon: +49-441-798 3853, FAX: +49-441-798 2809<br />

E-Mail: Katharina.Al.Shamery@uni-oldenburg.de<br />

„Ideen“-Schmiede des Museumsbergwerks Rammelsberg bei Goslar<br />

(Foto Christiane Lienau).<br />

Universität Duisburg-Essen, gleichzeitig Direktorin des Center<br />

for Fuel Cell Technology, den fulminanten Auftakt zu den<br />

Vorträgen mit ihrer Vorstellung, wie sich das Thema „Energie“<br />

aus heutiger Sicht darstellt und wie der Bedarf von morgen<br />

ist. Frau Dr. Anke Hagen stellte anschließend eindrücklich vor,<br />

wie man an ihrem Institut, dem National Laboratory for Sustainable<br />

Energy, Risøe DTU in Roskilde in der Fuel Cell and Solid<br />

State Division, deren Leitung sie innehat, von der Grundlagenforschung<br />

auf dem Gebiet der SOFC-Brennstoffzellen 1 zur<br />

Marktanwendung gelangt. Frau Professor Dr. Pooi See Lee von<br />

der Nanyang Technological University, die den langen Weg von<br />

Singapur nach Deutschland nur <strong>für</strong> die eintägige Tagung auf<br />

sich genommen hatte, brillierte mit ihrem Beitrag über oxidbasierte<br />

Energiespeicher. Die erst kürzlich mit einem Emmy-<br />

Noether-Stipendium ausgezeichnete und frischgebackene Professorin<br />

an der Universität Stuttgart, Frau Professor Dr. Sabine<br />

Ludwigs faszinierte mit ihren Arbeiten über nanostrukturierte<br />

Block-Copolymere <strong>für</strong> organische Solarzellen. Ertl-Schülerin<br />

Frau Dr. Dai Zhang von der Universität Tübingen zeigte auf,<br />

was heutzutage weltweites „state of the art“ ist, wenn man mit<br />

Nano meteraufl ösung die lokale Photophysik an den Grenzfl ächen<br />

in organischen Solarzellen verstehen möchte. Passend<br />

dazu wurden die Zeitabläufe in Energietransferprozessen auf<br />

1 SOFC=solid oxide fuel cell


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

der unteren Femtosekundenskala von Humboldt-Stipendiatin<br />

und Schlumberger Preisträgerin Frau Dr. Parinda Vasa von der<br />

Carl v. Ossietzky Universität Oldenburg dargestellt. Aus den<br />

Posterbeiträgen wurde ein Beitrag ausgewählt, der als „selected<br />

young researcher contribution“ von einer jungen Doktorandin<br />

als Vortrag vorgestellt werden durfte. Ausgewählt wurde<br />

Henry Ford-Preisträgerin Frau Martina Neises vom Institut <strong>für</strong><br />

Technische Thermodynamik der DLR in Köln. Sie zeigte auf,<br />

auf welchem Stand die heutige solarthermische Wasserspaltung<br />

ist und welche Probleme es noch zu lösen gibt. Für viele<br />

ungewöhnlich war der Abschluss der Tagung mit einem Beitrag<br />

von Frau Professor Dr. Ilka Parchmann, kürzlich zur Leiterin des<br />

Departments <strong>für</strong> Chemiedidaktik an einem der beiden bundesweit<br />

bestehenden Leibniz-Institute, dem IPN in Kiel ernannt.<br />

Frau Parchmann begeisterte mit ihrer Darstellung am Beispiel<br />

der Energiethematik, wie spannend heutzutage Chemieunterricht<br />

sein kann. Da im Hörsaal Frauen aus den unterschiedlichsten<br />

Ländern aus Europa, Asien, dem mittleren Osten und<br />

Jakob Bierwagen<br />

Thema der Tagung war die Wechselwirkung von Licht und Materie<br />

aus physikochemischer Sicht. Die Tagung fand in den hervorragend<br />

da<strong>für</strong> geeigneten Räumlichkeiten der Robert Bosch<br />

Stiftung im Heidehof, der historischen Villa von Robert Bosch<br />

statt. Nach einer kurzen Begrüßung durch die Organisatoren<br />

Herr Prof. von Rybinski (DBG), Herr Dr. Alkemade (Bosch), Herr<br />

Dr. Geelhaar (Merck) und Herr Prof. Meerholz (Uni Köln) hielt<br />

Herr Prof. Hell (MPI BPC) einen sehr eindrucksvollen Vortrag.<br />

Er zeigte die Entwicklung der Lichtmikroskopie hin zur Nanoskopie<br />

auf, wobei durch die Ausnutzung der physikochemischen<br />

Eigenschaften von Fluoreszenzfarbstoffen Abbes Auflösungsgrenze<br />

durchbrochen werden konnte. Im Anschluss<br />

verdeutlichte Herr Prof. Müllen (MPI Polymerforschung), wie<br />

man durch chemische Veränderung solcher Fluorophore ge-<br />

TAGUNG<br />

Nordafrika saßen, die in den verschiedensten politischen Regimen<br />

sozialisiert worden sind, stellte sie die Frage, warum diese<br />

Frauen sich <strong>für</strong> Chemie begeistert haben. Die Antwort war verblüffend,<br />

denn die überwiegende Mehrzahl wurde durch engagierte<br />

Lehrerinnen und Lehrer geprägt. In der anschließenden<br />

Postersitzung konnte man sich über diese und andere wissenschaftliche<br />

Fragen nochmals richtig intensiv austauschen. Die<br />

lebhaften Gespräche wurden beim Conference Dinner, einem<br />

zünftigen Hexenessen, fortgesetzt, und Netzwerke wurden gesponnen.<br />

Den Abend ließen viele noch in dem regen Treiben<br />

der Walpurgisnacht in den mittelalterlichen Gässchen Goslars<br />

ausklingen. Das durchwegs positive Feedback macht klar: Im<br />

nächsten Jahr muss es wieder eine Hexenküchentagung geben.<br />

Da der 30.4.2011 auf einen Samstag fällt, werden viele<br />

Frauen ihre Kinder mitbringen, denen ein tolles Programm im<br />

Museumsbergwerk geboten werden wird. Das Schwerpunktthema<br />

steht auch schon fest: biofunktionalisierte Grenz- und<br />

Oberfl ächen.<br />

ERLEBNISBERICHT ZU DEN NACHWUCHS-<br />

WISSENSCHAFTLER GESPRÄCHEN DER<br />

DEUTSCHEN BUNSEN-GESELLSCHAFT <strong>2010</strong><br />

Dipl. Chem. Jakob Bierwagen<br />

Max Planck Institute for biophysical Chemistry<br />

Am Faßberg 11, D-37077 Göttingen<br />

Telefon: +49-551-201 2517, FAX: +49-551-201 2505<br />

E-Mail: jbierwa@gwdg.de<br />

Der Schirmherr Herr Prof. Eigen beim Gespräch mit den Nachwuchswissenschaftlern<br />

am Abend (Foto: Ulrich Alkemade).<br />

145


TAGUNG<br />

zielt bathochrome Effekte einstellen kann. Eine spannende<br />

Einführung in die aktuelle Energiepolitik und die Möglichkeiten<br />

zur umweltfreundlichen Strom- und Wasserversorgung der<br />

Maghreb-Staaten und Europas durch das DESERTEC-Projekt<br />

haben wir durch Herrn Prof. Müller-Steinhagen (DLR Stuttgart)<br />

bekommen. Dieser Vortrag zeigte, wie viel Einfl uss die Forschung<br />

zur Wechselwirkung von Licht und Materie auf gesellschaftliche<br />

Belange hat und welchen Nutzen sie haben kann,<br />

wenn man sie auch fördert. Bei dem anschließenden Dinner<br />

gab der Schirmherr und Namensgeber Herr Prof. Eigen (MPI<br />

BPC) einen sehr interessanten und humoristisch eingefärbten<br />

Einblick in seine Karriere als Nachwuchswissenschaftler in<br />

Göttingen kurz nach dem 2. Weltkrieg. So erzählte er, dass sich<br />

die Doktoranden von Herrn Prof. Eucken aus einer „geheimen“<br />

Flasche in Deutschland nicht erhältliches Quecksilber abzapften,<br />

um ihre Barometer und Thermometer zu füllen, aber die<br />

Flasche, damit der Betrug nicht auffl og, mit einem Silberspiegel<br />

versahen. Nachdem der Betrug aber dann doch auffl og,<br />

hat Herr Eucken wochenlang nicht mit seinen Doktoranden<br />

gesprochen.<br />

Herr Prof. Psaltis (EPFL Lausanne) gab am nächsten Morgen<br />

eine gute Zusammenfassung von nichtlinearen Abbildungsverfahren<br />

wie 2-Photonenmikroskopie und Structured-Illumination-<br />

Microscopy (SIM). Bei der SIM wird die Probe in mehreren Achsen<br />

mit einem gleichmäßigen Muster beleuchtet, wodurch mit<br />

Hilfe mathematischer Entfaltung der Abbildung die Aufl ösung<br />

erhöht werden kann. Im Anschluss konnte Herr Prof. Sandoghdar<br />

(ETH Zürich) auf eindrucksvolle Weise zeigen, wie dramatisch<br />

sich die Eigenschaften von Farbstoffmolekülen in extrem<br />

kalter Umgebung sowie durch Nahfeldeffekte benachbarter metallischer<br />

Nanopartikel verändern können. Herr Prof. Schlemmer<br />

(Uni Köln) gab einen Vortrag über Laser-induzierte Reaktionen<br />

unter Bedingungen wie sie in interstellaren Nebeln vorgefunden<br />

werden, wodurch eine dramatische Deuteriumanreicherung in<br />

größeren (organischen) Molekülen verstanden werden konnte.<br />

Nach dem Mittagessen wurden in zwei Vorträgen von Herrn Prof.<br />

Weller (Uni Hamburg) und Frau Prof. de Cola (Uni Münster) neue,<br />

nicht organische Fluorophorklassen vorgestellt. Einerseits aus<br />

Halbleitermaterialien bestehende Quantumpunkte, die durch geschickte<br />

Verwendung von verschiedenen Hüllen sehr stabil und<br />

blink-arm sind und andererseits Metallkomplexe, hier insbesondere<br />

Iridium- und Rutheniumkomplexe, die besonders in organischen<br />

Lösungsmitteln herausragende optische Eigenschaften<br />

zeigen. Nach diesen hochinteressanten Vorträgen wurde der Tag<br />

mit einer Exkursion in das städtische Weingut von Stuttgart beschlossen,<br />

bei der noch viele interessante Gespräche und Diskussionen<br />

entstanden.<br />

Am letzten Tag waren noch zwei Vorträge angesetzt. Herr Prof.<br />

Giessen (Uni Stuttgart) hat die in der letzten Zeit häufi ger in<br />

den Medien auftauchenden Metamaterialien vorgestellt und<br />

die physikalischen Grundlagen sowie die sich nun weit öffnenden<br />

Anwendungsmöglichkeiten sehr einleuchtend erklärt. Einen<br />

besonderen Fokus hat er dabei auf Quanteneffekte gelegt<br />

die durch die neuen Materialien nun fast makroskopische Ausmaße<br />

bekommen. Bei dem Vortrag von Herrn Dr. Pankert (Philips)<br />

stand schließlich die Entwicklung in der Beleuchtungstechnik<br />

im Zentrum. So entwarf er ein Szenario, nach dem in<br />

ca. 10-15 Jahren 90 % aller verkauften Leuchtkörper auf LED<br />

146<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

beziehungsweise OLED-Basis beruhen werden, was mit sich<br />

bringt, dass sich die Industrie einerseits vollständig umstellen<br />

muss, andererseits aber auch riesige Effi zienzsteigerungen<br />

bei der Lichtausbeute erreicht werden können. Des Weiteren<br />

wird sich die Beleuchtungstechnik verstärkt auf Unterhaltungsmedien<br />

einstellen, wodurch der Austausch einer Lampe nicht<br />

mehr durch ihre Lebensdauer bestimmt wird, sondern durch<br />

die Entwicklung neuer Nachfolgeprodukte wie dies schon bei<br />

den Computern der Fall ist.<br />

Die Tagung hat mir als Teilnehmer sehr viel gebracht. Als Doktorand<br />

im ersten Jahr habe ich viele interessante Ideen mitbekommen<br />

und auch neue Kooperationspartner gefunden, mit<br />

denen ich in Zukunft zusammenarbeiten werde. Da die Tagung<br />

auf relativ wenige und nur angehende Wissenschaftler ausgelegt<br />

ist, konnte man mit allen leicht in Kontakt kommen. Auch<br />

die Diskussion mit den Vortragenden nach den Vorträgen sowie<br />

in den Pausen waren dabei sehr lebendig, was vielleicht in<br />

einem größeren Rahmen nicht möglich gewesen wäre. Daher<br />

habe ich es als Ehre empfunden an der Tagung teilnehmen<br />

zu dürfen und wünsche <strong>für</strong> die nächsten Jahre diesem Projekt<br />

der Bunsen-Gesellschaft viel Erfolg dabei, auch weiterhin so<br />

hochkarätige Vortragende zu gewinnen. Auch möchte ich den<br />

Unterstützern dieser Veranstaltung, der Robert Bosch GmbH<br />

und der Merck KGaA herzlich danken, die durch ihre fi nanzielle<br />

und logistische Hilfe eine kostenlose Teilnahme und den reibungslosen<br />

Ablauf der Tagung ermöglichten.<br />

Die Teilnehmer der Manfred-Eigen Nachwuchswissenschaftler Gespräche<br />

mit den Organisatoren (Foto: Ulrich Alkemade).


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Emil Roduner<br />

Die Sonne strahlt das 10 000-fache des gesamten Weltenergiebedarfs<br />

auf die Erde ein und bietet damit eine äußerst<br />

attraktive Möglichkeit, die fossilen Energiequellen langfristig<br />

durch CO 2-neutrale, regenerierbare Alternativen zu ersetzen.<br />

Die Nutzung der Solarenergie zur Stromgewinnung war bisher<br />

vor allem eine Sache <strong>für</strong> Ingenieure und Halbleiterphysiker,<br />

alternative Projekte aber beruhen mehr und mehr auf chemischen<br />

Prinzipien und stellen eine attraktive Herausforderung<br />

an die kommende Generation von Chemikern dar.<br />

Der aktuelle Anlass der Tagung<br />

war der 100. Jahrestag der Geburt<br />

von Theodor Förster am 15.<br />

Mai 1910. Förster war von 1951<br />

bis zu seinem viel zu frühen Tod<br />

am 20. Mai 1974 Inhaber des<br />

Lehrstuhls in <strong>Physikalische</strong>r Chemie<br />

an der TU Stuttgart. Zu seinen<br />

größten wissenschaftlichen Verdiensten<br />

gehören die Beschreibung<br />

des Förster-Zyklus, die Entdeckung<br />

der Excimere sowie des<br />

nach ihm benannten Resonanten<br />

Energie-Transfers (FRET) elektronisch<br />

angeregter Moleküle, der<br />

Prof. Dr. Emil Roduner<br />

Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie<br />

Universität Stuttgart<br />

Pfaffenwaldring 55, 70569 Stuttgart<br />

E-Mail: e.roduner@ipc.uni-stuttgart.de<br />

Tel. +49 (0)711/685-64490, Fax +49 (0)711/685-64495<br />

TAGUNG<br />

INTERNATIONALE BUNSEN DISKUSSIONSTAGUNG:<br />

LIGHT HARVESTING AND SOLAR ENERGY CONVERSION<br />

29. - 31. MÄRZ <strong>2010</strong>, STUTTGART-HOHENHEIM<br />

Theodor Förster<br />

15.05.1910 – 20.05.1974.<br />

ohne Emission und Reabsorption eines Photons strahlungslos<br />

durch Dipol-Dipol-Wechselwirkung über Distanzen im Bereich<br />

von 0.5 - 1.0 nm stattfi ndet. Dieser Mechanismus spielt eine<br />

große Rolle in den Lichtsammelkomplexen der Photosynthese,<br />

der Biolumineszenz sowie beim Betrieb organischer Halbleiter<br />

in Leuchtdioden und Lasern.<br />

Die Tagung begann mit einer Gedenksitzung,<br />

zu der zusätzlich zu<br />

den rund 75 regulären Teilnehmern<br />

über 50 ehemalige Mitarbeiter<br />

Theodor Försters sowie seine<br />

beiden Söhne Eberhard und<br />

Dietrich mit deren Familien anreisten.<br />

Horst E. A. Kramer rief die<br />

wesentlichen wissenschaftlichen<br />

Verdienste Försters in Erinnerung,<br />

und Herbert Dreeskamp ergänzte<br />

sie durch persönliche Erinnerungen.<br />

Gion Calzaferri, Inhaber der<br />

Theodor-Förster-Gedächtnisvorlesung<br />

2007, leitete mit seinem<br />

Vortrag über die Manipulation<br />

der Energietransferprozesse von<br />

Lichtsammelmolekülen in den<br />

H.E.A. Kramer,<br />

Schüler von Theodor Förster.<br />

Kanälen von Zeolithen in den wissenschaftlichen Teil der Tagung<br />

über.<br />

Thematisch befasste sich die Tagung mit den spektroskopischen<br />

Grundlagen des Lichtsammelns in biologischen, biomimetischen<br />

und technischen Systemen in der vollen Breite, mit<br />

deren theoretischem Verständnis sowie mit den Anwendungen<br />

in der Photovoltaik und der solaren Wasserspaltung. Bei<br />

diesen Vorgängen läuft eine Vielzahl komplex zusammenspielender<br />

Teilprozesse ab, beispielsweise die effi ziente Diffusion<br />

positiver und negativer Ladungsträger, welche in der Photovoltaik<br />

<strong>für</strong> die Ladungstrennung unerlässlich ist. Die beteiligten<br />

Zustände müssen in ihrer Energetik und die Vorgänge in ihrer<br />

Geschwindigkeit detailliert aufeinander abgestimmt sein,<br />

damit der Gesamtprozess mit hoher Effi zienz geführt werden<br />

kann.<br />

147


TAGUNG<br />

Schema der solaren Wasserspaltung an Halbleiter-Nanopartikeln.<br />

Bei der solaren Wasserspaltung, die oft auch artifi zielle Photosynthese<br />

genannt wird, faszinierte Akihiko Kudo die Zuhörer<br />

mit seinem Bericht über die Entwicklung einfacher, kostengünstiger<br />

Pulverkatalysatoren, die unter Licht in wässriger Lösung<br />

spontan zu Blasenentwicklung führen, was die Spaltung<br />

von Wasser eindrücklich nachweist. Zentral <strong>für</strong> die Funktion<br />

ist der Photokatalysator, der die Lichtanregung mit anschließender<br />

Ladungstrennung erlauben und an der Oberfl äche getrennte<br />

aktive Plätze <strong>für</strong> die Bildung von Wasserstoff und Sauerstoff<br />

zur Verfügung stellen muss. Mit Genugtuung wurde der<br />

grundlegende Fortschritt auf diesem <strong>für</strong> Chemiker vielleicht<br />

wichtigsten Gebiet der solaren Energieforschung zur Kenntnis<br />

genommen.<br />

Hand in Hand mit der Aufklärung<br />

der Grundlagen geht die praktische<br />

Umsetzung. Arndt Jäger<br />

von OSRAM setzte als Vertreter<br />

der Industrie den Fokus auf anwendungsbezogene<br />

Aspekte wie<br />

die Erhöhung der Lebensdauer<br />

durch die Vermeidung von Degradationsprozessen<br />

in organischen<br />

Leuchtdioden (OLEDs), sozusagen<br />

inversen Solarzellen, in de-<br />

nen Licht aus Strom statt Elektrizität aus Licht gewonnen wird.<br />

Das Auditorium ließ sich beeindrucken vom quecksilberfreien,<br />

angenehm weißen Flächenstrahler, der bei einer Lebensdauer<br />

von 5000 Stunden – deutlich mehr als bei einer Halogenlampe<br />

– mit relativ kleinem Verlust elektrische Energie in Licht<br />

umwandelt und in naher Zukunft als Tisch- oder Zimmerbeleuchtung<br />

eingesetzt werden soll.<br />

148<br />

Weiße OLED-Leuchte ORBEOS TM<br />

von OSRAM.<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

Auf bemerkenswert hohem Niveau trugen die Konferenzteilnehmer<br />

mit Kurzvorträgen und Postern ihren Teil zum Erfolg der Tagung<br />

bei. Die drei besten Poster wurden mit einem von der Royal<br />

Society of Chemistry gestifteten Posterpreis ausgezeichnet. Als<br />

Jüngste unter den Teilnehmern waren auch Carolin Huber und<br />

Benedikt Rau vom Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck,<br />

die im vergangenen Jahr bei Jugend forscht mit einer Arbeit<br />

zur lichtinduzierten Wasserspaltung als Landessieger Baden-<br />

Württemberg hervorgegangen waren. Zusammen mit weiteren<br />

Studenten und Nachwuchswissenschaftlern stehen sie <strong>für</strong> die<br />

Generation der Jugend, die sich von der Tagung haben inspirieren<br />

lassen, das zentrale Problem der Energieversorgung unserer<br />

Gesellschaft auf nachhaltige Weise zu lösen.<br />

Jane Hordern von der RSC und der Tagungsvorsitzende überreichen die<br />

Posterpreise.


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

H. Kuhn, H.-D. Försterling, D.H.Waldeck<br />

Principles of Physical Chemistry<br />

1036 Seiten, 2. Aufl age<br />

John Wiley&Sons, 105,99 €<br />

The second edition of “Principles of Physical Chemistry” by H.<br />

Kuhn, H.-D. Försterling and D. H. Waldeck aims to unify knowledge<br />

in the fi eld of physical chemistry. The book has clear pedagogical<br />

intentions: the authors aim to provide a global scientifi<br />

c methodology for the comprehension of chemical systems<br />

at different length scales, solidly based on general principles.<br />

The authors choose to progress along the length scale from<br />

atoms to their assemblies, molecules, and from individual<br />

molecules to their assemblies, gas and condensed phases,<br />

rather than treating the subjects independently. For this purpose,<br />

they build bridges from the quantum theory of atoms to<br />

complex molecular assemblies.<br />

Their goal is reached mainly due to the way in which the book<br />

is organized. In each chapter, the authors remind the reader<br />

of the current position on the path, summarize what has been<br />

learnt and show in which direction the argument will proceed.<br />

The unity of the approach is thus clearly visible. The book<br />

therefore achieves something which is not possible in the usual<br />

series of lectures on physical chemistry, where subjects are<br />

taught by different lecturers at different times during a scientifi<br />

c education.<br />

The fi rst two chapters, where the authors educate the reader<br />

about the fundamentals of the scientifi c approach, are particularly<br />

important. These two chapters are especially enjoyable,<br />

and teachers in particular will benefi t from thinking about the<br />

ideas expounded in these pages. The way in which wave-particle<br />

duality and the concept of the wave function are introduced<br />

is based on simple physical arguments about waves and is particularly<br />

instructive.<br />

The authors want the reader to develop an intuitive understanding<br />

of chemical phenomena. They show that theories<br />

are built step by step, with examples given throughout the<br />

text. The authors thus do not wait for a theory to be formally<br />

derived before using it to explain experimental facts. Complexity<br />

is shown to arise from simple building blocks. In this respect,<br />

the example of the particle in a box plays a central role<br />

in the fi rst part of the book, where one progresses from the<br />

fundamentals of quantum theory to intermolecular forces. The<br />

authors take advantage of the simplicity of this model to introduce<br />

several concepts of the quantum theory of atoms and<br />

molecules. It is also used to describe π-electrons in molecular<br />

systems and the emission of light. It is employed in such a way<br />

that it appears natural to introduce electron density functional<br />

Dr. Frédéric Leroy<br />

Theoretical Physical Chemistry Group,<br />

Eduard-Zintl-Institute for Inorganic and Physical Chemistry, Darmstadt University of Technology<br />

Petersenstraße 22, D-64287 Darmstadt<br />

E-Mail: f.leroy@theo.chemie.tu-darmstadt.de<br />

BUCHBESPRECHUNG<br />

theory and one is not astonished to see it again in the quantum<br />

approach to the chemistry of solids.<br />

By the end of Chapter 13, the authors have fi nished treating<br />

quantum theory, from wave-particle duality to the electronic<br />

structure of molecules. A quantitative view of chemical bonding<br />

has been introduced and the absorption and emission of light<br />

has been covered. Several spectroscopic methods have been<br />

introduced and related to the quantum mechanical properties<br />

of molecules and intermolecular forces.<br />

Starting from the fourteenth chapter, the authors begin to set<br />

up the basis of thermodynamics. Here again they follow their<br />

initial approach of introducing ideas about how an assembly<br />

of molecules behaves on the basis of what has been learnt<br />

from their individual description. This allows the gradual introduction<br />

of statistical mechanical concepts. The idea of entropy<br />

and its application to phase equilibria then sound natural.<br />

Although formal thermodynamics is given an entire chapter,<br />

it comes after concepts such as heat, work, and energy have<br />

been introduced and fully discussed.<br />

It is a characteristic of the book that mathematics are never<br />

given a dominant role. Nevertheless, rigorous and detailed<br />

derivations can be found on the supporting CD-ROM, where<br />

the authors take care not to neglect any step in a derivation.<br />

The CD-ROM also contains problems, as well as conventional<br />

and interactive Mathcad exercises.<br />

The central role played by thermodynamics is convincingly illustrated<br />

in the chapter devoted to reaction equilibria in aqueous<br />

solutions and biological systems. The chapter dealing with electrochemical<br />

cells illustrates the interplay between fundamental<br />

and practical concepts in the conversion of energy. There are<br />

also chapters dealing with real gases and equations of states,<br />

real solutions, chemical kinetics, and transition state theory.<br />

The two chapters that introduce soft matter complement very<br />

well the aim of presenting a unifi ed approach. A chapter devoted<br />

to supramolecular machines puts the reader in contact<br />

with current applied research.<br />

The book ends with Chapter 29, entitled: “Origin of Life: Matter<br />

Carrying Information”. The statistical approach and the other<br />

concepts introduced in the book are used here to discuss the<br />

physical approach to the ultimately complex system: life. This<br />

chapter is as enjoyable to read as the fi rst two. Here, all that<br />

which makes this book unique can be found.<br />

The book is broadly intended for scientists whose activities are<br />

related to physical chemistry. It is also intended for undergraduate<br />

and graduate students, although only the most advanced<br />

of these will be able to fully benefi t from its contents.<br />

Frédéric Leroy<br />

149


BUNSENTAGUNG/AKTUELLES<br />

150<br />

ANSPRACHE DES<br />

ERSTEN VORSITZENDEN ZUR<br />

ERÖFFNUNGSSITZUNG DER<br />

109. HAUPTVERSAMMLUNG<br />

DER DEUTSCHEN<br />

BUNSEN-GESELLSCHAFT FÜR<br />

PHYSIKALISCHE CHEMIE<br />

IN BIELEFELD, 13. MAI <strong>2010</strong><br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder und Freunde<br />

der Bunsen-Gesellschaft, liebe Gäste!<br />

Im Namen des Vorstandes der Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />

Chemie möchte ich Sie sehr herzlich in Bielefeld<br />

begrüßen und es ist mir eine besondere Ehre, die Bunsentagung<br />

offi ziell eröffnen zu können. Ich freue mich, dass so viele<br />

Freunde der <strong>Physikalische</strong>n Chemie zur diesjährigen Bunsentagung<br />

gekommen sind - trotz des langen Wochenendes und<br />

des Feiertags. Ich hoffe daher, dass sich <strong>für</strong> Sie alle der Einsatz<br />

lohnt, und dass Sie hier bei der Bunsentagung wieder ein<br />

spannendes Forum fi nden, bei dem Sie Ihre Ergebnisse vorstellen,<br />

neue Resultate aus anderen Arbeitsgruppen erfahren,<br />

alte Kontakte vertiefen und neue knüpfen können.<br />

Das Hauptthema der Tagung in diesem Jahr lautet:<br />

“Interfacial Systems Chemistry: Out of the Vacuum, Through<br />

the Liquid, Into the Cell”<br />

Die Chemie an Grenzfl ächen bestimmt in entscheidender Weise<br />

die Funktion unzähliger technischer und natürlicher Systeme<br />

bis zu uns trivial erscheinenden Alltagsanwendungen. Wir sind<br />

alle heute schon, auch wenn wir nicht wissenschaftlich tätig waren,<br />

mit Grenzfl ächen in Kontakt gekommen, so beim Frühstück<br />

oder beim morgendlichen Duschen. Die <strong>Physikalische</strong> Chemie<br />

hat nur in wenigen anderen Gebieten von Forschung und Technologie<br />

so deutliche Erfolge auch als Brückenfunktion gezeigt<br />

wie in der Grenzfl ächenforschung, wobei zunehmend komplexere<br />

Fragestellungen einbezogen werden. Traditionsgemäß ist<br />

bei diesem Gebiet eine enge Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung<br />

und Anwendung gegeben und ich hoffe, dass<br />

sehr viele Gelegenheiten bestehen werden <strong>für</strong> einen intensiven<br />

Austausch zwischen Forschern beider Richtungen, was wie viele<br />

wissen, mir als Vertreter der industriellen Forschung besonders<br />

am Herzen liegt. Das Thema „Grenzfl ächen“ wird in den<br />

nächsten zwei Tagen sicher unsere ganze Aufmerksamkeit ha-<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

ben und ich danke Herrn Prof. Dr. Armin Gölzhäuser und Herrn<br />

Prof. Dr. Christof Wöll sehr herzlich <strong>für</strong> die wissenschaftliche<br />

Vorbereitung dieser hochaktuellen Tagung.<br />

Bei der letzten Bunsentagung haben wir zum ersten Mal die Eröffnung<br />

auf den Donnerstagabend verlegt. Hintergrund hier<strong>für</strong><br />

war unser Bestreben, dem wissenschaftlichen Programm, der<br />

Diskussion und den Postern so viel Platz wie möglich einzuräumen.<br />

So werden wir heute Abend auch noch das Vergnügen haben,<br />

dass zunächst Herr Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum<br />

zur industriellen Anwendung sprechen und anschließend Herr<br />

Prof. Dr. George M. Whitesides von der Harvard University uns in<br />

einem Festvortrag das Thema „Interfacial Systems Chemistry“<br />

näher bringen wird.<br />

Ich danke speziell auch Frau Dr. Paula Barreleiro und Herrn Dr.<br />

Klaus Griesar, die diesmal das Industriesymposium vorbereitet<br />

haben. Diese Veranstaltung erweitert seit einigen Jahren das<br />

Programm der Bunsentagung und soll die Zusammenarbeit<br />

mit Forschern aus der Anwendung vertiefen. Als Vertreter der<br />

industriellen Forschung hoffe ich natürlich auf rege Teilnahme<br />

an dem Industriesymposium und interessante Gespräche. Es<br />

ist eine wichtige Aufgabe, die Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> junge<br />

Leute noch attraktiver zu machen. Junge Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler sind bei der Bunsentagung oft diejenigen,<br />

die vortragen, oder noch häufi ger diejenigen, die Poster<br />

über Ihre Arbeit vorstellen.<br />

Damit ihre Poster noch sichtbarer werden, gibt es wie im vergangenen<br />

Jahr die von PCCP gestifteten Posterpreise und bis<br />

zu 10 „hot Topic“ Poster. Alle ausgewählten Poster werden in<br />

der Abschluss-Plenarsitzung kurz vorgestellt.<br />

Wie kommt man vom Postdoc zum Professor? Das Karriere forum<br />

der Bunsen-Gesellschaft hat sich dieser Zielgruppe gewidmet.<br />

Begonnen haben wir mit dieser Aktivität in Graz. In diesem Jahr<br />

wurde das Thema erweitert. In der gerade zu Ende gegangenen<br />

Veranstaltung wurde über Karrierewege zwischen Industrie und


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Hochschule diskutiert. Das Karriereforum ist dieses Jahr mit<br />

über 150 Anmeldungen auf ein außergewöhnlich hohes Interesse<br />

gestoßen. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Dr. Harry Hoster,<br />

der diese Veranstaltung federführend organisiert hat, sehr<br />

herzlich danken. Besonderer Dank gebührt aber allen, die diese<br />

Tagung hier vor Ort erfolgreich vorbereitet haben – stellvertretend<br />

möchte ich Frau Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus sowie<br />

Herrn Dr. Andreas Brockhinke und Herrn Prof. Dr. Armin Gölzhäuser<br />

nennen, die diesen Dank den vielen Studierenden und<br />

weiteren Helfern hier in Bielefeld weiterleiten werden.<br />

Obwohl der Schwerpunkt der Tagung natürlich das wissenschaftliche<br />

Programm ist, möchte ich Ihnen nun noch in selektiver<br />

persönlicher Sicht einige Ereignisse und Themen in unserer<br />

Gesellschaft aus dem Jahr seit der letzten Bunsentagung<br />

in Köln berichten. Dies soll aufzeigen, dass die Bunsentagung<br />

zwar ein wichtiges Event der Bunsen-Gesellschaft ist, aber<br />

darüber hinaus auch viele weitere wichtige Aktivitäten laufen.<br />

Bevor ich dazu komme, möchte ich zuerst zu den Mitgliedern<br />

und Veränderungen bei dem Mitgliederstand der Bunsen-Gesellschaft<br />

etwas sagen. Seit Mai 2009 haben wir wiederum<br />

viele neue Mitglieder gewinnen können. Es freut mich besonders,<br />

hierbei auch zahlreiche junge Wissenschaftler zu fi nden,<br />

die sich <strong>für</strong> uns entschieden haben.<br />

Aber wir trauern auch um Kollegen aus unserem Kreis, die seit<br />

der letzten Bunsentagung in Köln verstorben sind. Wir sollten<br />

ein ehrendes Andenken an sie bewahren.<br />

Zum Thema Kommunikation ist zu berichten, dass die Bunsen-<br />

Gesellschaft seit der letzten Bunsentagung wiederum zahlreiche<br />

erfolgreiche Konferenzen mit getragen hat. Bereits zum<br />

3. Mal fanden die Manfred-Eigen Nachwuchswissenschaftlergespräche<br />

der Bunsen-Gesellschaft diesmal zum Thema „Wechselwirkung<br />

von Licht und Materie“ unter Teilnahme des Schirmherrn,<br />

Herr Prof. Dr. Manfred Eigen im Bosch-Haus in Stuttgart<br />

statt. Sehr renommierte Experten zu verschiedenen Gebieten<br />

fanden sich zu einer Diskussion mit jungen Wissenschaftlern<br />

in kleinem Kreis. Ich danke Herrn Prof. Dr. Klaus Meerholz,<br />

Herrn Dr. Ulrich Alkemade und Herrn Dr. Thomas Geelhaar <strong>für</strong><br />

die Organisation und den Sponsoren, insbesondere der Robert-<br />

Bosch GmbH und der Merck KGaA <strong>für</strong> ihre Unterstützung, so<br />

dass eine kostenlose Teilnahme und Verpfl egung möglich war.<br />

Sie, die jungen Leute, die von dieser Veranstaltung profi tieren<br />

konnten, hoffen wir überzeugt zu haben, dass sich eine Mitgliedschaft<br />

und aktive Mitarbeit bei uns lohnt.<br />

Wir bemühen uns und haben auch – wie ich glaube – großen<br />

Erfolg damit, das Bunsen-Magazin ansprechend und anregend<br />

zu gestalten, und Ihnen mit Leitartikeln und aktuellen Beiträgen<br />

eine nützliche und gern gelesene Mitgliederzeitschrift zu bieten.<br />

An dieser Stelle möchte ich unserem langjährigen Schriftleiter,<br />

Herrn Prof. Dr. Peter Schmidt, Darmstadt, sehr herzlich <strong>für</strong> sein<br />

herausragendes Engagement danken. Seine Nachfolge hat Herr<br />

Prof. Dr. Rolf Schäfer, ebenfalls aus Darmstadt, angetreten und<br />

ich freue mich auf eine weiterhin sehr gute Zusammenarbeit mit<br />

ihm und die Weiterentwicklung des Formats des Bunsen-Magazins.<br />

PCCP als unsere wissenschaftliche Zeitschrift ist erfolgreicher<br />

und schneller als jemals zuvor. Ich möchte Sie auf das spezielle<br />

Themenheft aufmerksam machen, das gerade erschienen<br />

BUNSENTAGUNG/AKTUELLES<br />

ist mit Artikeln zum Hauptthema dieser Bunsentagung.<br />

Meine Damen und Herren dies ist ein kurzer Überblick über Aktionen<br />

und Ereignisse der Bunsen-Gesellschaft – wenn Sie diese<br />

Aktivitäten gut und wichtig fi nden: engagieren Sie sich, sagen<br />

Sie es weiter, machen Sie Vorschläge. Wir unterstützen Sie<br />

dabei, die Bunsen-Gesellschaft lebt aber von Ihren Mitgliedern!<br />

Kommen wir nun zurück zu aktuellen Herausforderungen und<br />

Themen. In einer Zeit, in der sich langfristige Fragen den Naturwissenschaften<br />

stellen, wie das Thema Nachhaltigkeit oder eine<br />

gesicherte Energieversorgung, muss eine physikalisch-chemische<br />

Gesellschaft ein Ort der Diskussion und des Wissens über<br />

entsprechende quantitative Zusammenhänge sein. Hierbei ist<br />

wiederum die enge Interaktion zwischen Grundlagenforschung<br />

und Anwendung von herausragender Bedeutung, um die Rolle<br />

der <strong>Physikalische</strong>n Chemie weiter zu stärken. Wir beteiligen uns<br />

aktiv an der aktuellen Diskussion um die Bachelor- und Masterstudiengänge.<br />

So haben wir u.a. eine gemeinsame Erklärung<br />

verschiedener Gesellschaften zur Bedeutung der Promotion in<br />

den Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland mit<br />

erstellt, eine Stellungnahme der GDCh und der DPG zum Stand<br />

des Bologna-Prozesses unterstützt, aber auch eine eigene Initiative<br />

zur Erstellung von Empfehlungen zur Vereinheitlichung<br />

der Modulgrößen der Bachelor- und Promotionsstudiengänge<br />

im Bereich der <strong>Physikalische</strong>n Chemie gestartet.<br />

In den vergangenen Jahren haben wir das Thema Energie und<br />

die damit zusammenhängenden physikalisch-chemischen Vorgänge<br />

intensiv verfolgt. Ich erinnere an unsere Energiebroschüre<br />

oder auch nochmals an unsere Manfred-Eigen Nachwuchswissenschaftlergespräche.<br />

Diese Aktivitäten sind <strong>für</strong> mich als Industrievertreter<br />

von besonderem Stellenwert, da sie unseren jungen<br />

Wissenschaftlern die Bedeutung der <strong>Physikalische</strong>n Chemie <strong>für</strong><br />

die Anwendung aufzeigen und wir mit ihnen gemeinsam aktuelle<br />

Fragestellungen aus industrieller und wissenschaftlicher Sicht<br />

diskutieren und bearbeiten können. Das ist ein Aufgabengebiet,<br />

dem sich die <strong>Deutsche</strong> Bunsen-Gesellschaft auch in Zukunft<br />

weiterhin intensiv widmen muss, damit dringende gesellschaftliche<br />

Probleme durch gut ausgebildete Wissenschaftler zielstrebig<br />

und fundiert angegangen werden können. Die Begeisterung<br />

der jungen Wissenschaftler <strong>für</strong> die <strong>Physikalische</strong> Chemie und<br />

ihre Anwendungen in der Industrie ist dabei selbstverständlich<br />

nur ein Aspekt – genauso wichtig ist die gute wissenschaftliche<br />

Ausbildung unseres Nachwuchses an den Hochschulen und die<br />

Fähigkeit, eigene Ideen in Projekten zielstrebig zu verfolgen.<br />

Hier sehe ich die <strong>Deutsche</strong> Bunsen-Gesellschaft mit ihren spezifi<br />

schen Veranstaltungen wie auch dem Karriereforum bereits<br />

gut aufgestellt. Ich werde mich mit dem Vorstand der Bunsen-<br />

Gesellschaft da<strong>für</strong> einsetzen, dass wir auch in Zukunft unserem<br />

wissenschaftlichen Nachwuchs die Möglichkeiten <strong>für</strong> die Karriereplanung<br />

sowohl in der Industrie als auch in der Hochschule<br />

mit all ihren Vorteilen und Risiken aufzeigen und ihn bestmöglich<br />

auf seinem Weg begleiten.<br />

Meine Damen und Herren, ich möchte damit meinen zusammenfassenden<br />

Überblick über die Aktivitäten der Bunsen-Gesellschaft<br />

beenden und uns allen spannende und angenehme<br />

Tage mit interessanten Diskussionen wünschen.<br />

Wolfgang von Rybinski<br />

151


Fotos:<br />

Andreas Brockhinke<br />

Heiko Link<br />

Impressionen<br />

Bunsentagung <strong>2010</strong><br />

in Bielefeld


PREISE/EHRUNGEN<br />

Dr. Henning Schmidgen<br />

[Foto: Heiko Link]<br />

Arbeitsplatz der Wissenschaftler.<br />

154<br />

PAUL-BUNGE-PREIS <strong>2010</strong><br />

AN DR. HENNING SCHMIDGEN<br />

Wissenschaftliche Instrumente<br />

sind Teil unseres wissenschaftlich–kulturellen<br />

Erbes. Sie liefern<br />

Erkenntnisse über die Genese<br />

von Wissen und über die<br />

Beziehungen zwischen Wissenschaft,<br />

Wirtschaft, Kultur und<br />

Gesellschaft. Ihre historische<br />

Erforschung ist ein junges Arbeitsgebiet<br />

der Wissenschaftsgeschichte.<br />

Ausgangspunkt in<br />

den 1980er Jahren war die<br />

Erfahrung einer nachhaltigen<br />

Transformation der Forschungspraxis<br />

durch den Einzug von<br />

Elektronik und Computer am<br />

Von der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft und der Gesellschaft<br />

<strong>Deutsche</strong>r Chemiker gemeinsam getragen, fördert die Hans R.<br />

Jenemann-Stiftung die historische Erforschung wissenschaftlicher<br />

Instrumente. Von Hans R. Jenemann, dem 1996 verstorbenen<br />

Sammler und Historiker der Chemischen Analysenwaage,<br />

ins Leben gerufen, verleiht die Stiftung seit 1993 den<br />

international ausgeschriebenen Paul-Bunge-Preis. Der Name<br />

des Preises erinnert an den bedeutendsten Konstrukteur chemischer<br />

Analysenwaagen im 19. Jahrhundert.<br />

Der diesjährige Preisträger ist Dr. Henning Schmidgen. Als<br />

Psychologe ausgebildet und mit einem Zweitstudium in Philosophie,<br />

nach der Promotion zunächst <strong>für</strong> zwei Jahre in der<br />

klinischen Psychologie tätig, arbeitet er seit 1997 am Max-<br />

Planck-Institut <strong>für</strong> Wissenschaftsgeschichte in Berlin – unterbrochen<br />

durch Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren<br />

an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in<br />

Paris, der Stanford University und der Harvard University. Im<br />

Rahmen eines Projekts zur Geschichte der Experimentalisierung<br />

der Lebenswissenschaften bearbeitet Schmidgen die<br />

Instrumentalisierung der kognitions- und neurophysiologischen<br />

Forschung im 19. und 20. Jahrhundert. Daneben ist er<br />

maßgeblich an der Schaffung einer Bild- und Text-Datenbank<br />

zur Geschichte von Experiment und Instrument beteiligt, die<br />

als „Virtual Laboratory“ als<br />

Referenz international genutzt wird. Von 2000 bis 2005 war<br />

Schmidgen Gründungsmitglied der „Jungen Akademie“ an der<br />

Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Akademie der Naturforscher Leopoldina.<br />

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Henning Schmidgen sind<br />

von theoretischen Überlegungen geleitete historisch-empirische<br />

Fallstudien zur Instrumentalisierung des Labors im 19. Jhdt. Im<br />

Zentrum stehen die damit verbundenen Experimentalpraktiken.<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

Besondere Aufmerksamkeit gilt der Messung rasch ablaufender<br />

Sinnesvorgänge, ein Gebiet an der Schnittstelle von Philosophie,<br />

Psychologie, Physiologie und Experimentalphysik, dem<br />

in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. ein ähnlicher Stellenwert zukam<br />

wie der Kognitions- und Hirnforschung heute. Schmidgens Aufsätze<br />

zum Hippschen Chronoskop und zur Donders-Maschine,<br />

Apparate zur Messung der Geschwindigkeit psychophysischer<br />

Reaktionen, gelten bereits heute als Klassiker. Sie gehen aus<br />

von konkreten Objekten, rekonstruieren die Praxisbezüge, in<br />

denen diese verwendet wurden, das materielle und technologische<br />

Umfeld, ohne das sie nicht möglich gewesen wären,<br />

ferner den methodologischen und philosophischen Diskurs<br />

und stellen schließlich theoretische Fragen wie die nach der<br />

Grenze zwischen individuellem Instrument, Experimentalsystem<br />

und technisch-materiellem Kontext.<br />

In seinem kürzlich erschienenen Buch „Die Helmholtz’ Originalkurven:<br />

Auf der Spur der verlorenen Zeit“ (Berlin: Merve-<br />

Verlag, <strong>2010</strong>) geht Schmidgen aus von einem singulären<br />

Archivfund: Helmholtz’ Originalkurven von 1850/51 zur Fortpfl<br />

anzungsgeschwindigkeit der Nervenreizung, einem der<br />

Schlüsselexperimente <strong>für</strong> die Begründung der modernen Lebenswissenschaften.<br />

Helmholtz’ Zeitexperimente untersuchen<br />

das Intervall zwischen Reiz und Reaktion, Wahrnehmung und<br />

Handlung, und machen die „verlorene Zeit“ zur intrinsischen<br />

Dimension des Organismus. Die Arbeit stellt Helmholtz’ Untersuchungen<br />

in den historischen Kontext der Experimentalisierung<br />

und Instrumentalisierung von Wahrnehmungsprozessen<br />

sowie in den systematischen Kontext des wechselseitigen<br />

Bezugs von digitalen und analogen Inskriptions- bzw. Repräsentationspraktiken.<br />

Dabei kontextualisiert Schmidgen die<br />

Kymograph nach Carl Ludwig mit fortlaufendem Registrierstreifen; aus: Elie<br />

de Cyon, Atlas zur Methodik der Physiologischen Experimente und Vivisectionen<br />

(Giessen/St. Petersburg: Ricker, 1876). [Quelle: http://vlp.mpiwgberlin.mpg.de]


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Experimentalpraktiken der Physiologen mit den Vernetzungs-<br />

und Dynamisierungstechnologien des 19. Jhdts. (Telegraphie,<br />

Zentraluhren, Publikationsmedien), der Geschichte von Photographie,<br />

Kinematographie und künstlerischen Bewegungsstudien<br />

und weitet den Blick damit zu einer Kultur- und Mediengeschichte<br />

der Wahrnehmung, die zunehmend als instrumentell<br />

vermittelte Wahrnehmung zu verstehen ist.<br />

Prof. Dr. Christoph Meinel<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Wissenschaftsgeschichte<br />

Universität Regensburg<br />

D-93<strong>04</strong>0 Regensburg, Germany<br />

Tel. +49-941-943 3661, Fax +49-941-943 1985<br />

http://www-wissenschaftsgeschichte.uni-regensburg.de<br />

PREISE/EHRUNGEN<br />

Für diese Arbeiten und <strong>für</strong> den Aufbau des „Virtual Laboratory“<br />

wurde Dr. Henning Schmidgen im Rahmen der 109. Hauptversammlung<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />

Chemie in Bielefeld am 13. Mai <strong>2010</strong> der Paul-Bunge-<br />

Preis verliehen.<br />

VERLEIHUNG DES<br />

NERNST-HABER-BODENSTEIN-PREISES<br />

AN PROF. DR. JENS MICHAELIS<br />

Prof. Dr. Jens Michaelis<br />

[Foto: Heiko Link]<br />

Der Nernst-Haber-Bodenstein-<br />

Preis wird von der Bunsen-Gesellschaft<br />

jährlich ausgeschrieben<br />

und zur Anerkennung<br />

hervorragender wissenschaftlicher<br />

Leistungen in der <strong>Physikalische</strong>n<br />

Chemie im Gedächtnis<br />

an Max Bodenstein, Fritz<br />

Haber und Walther Nernst an<br />

jüngere Wissenschaftler verliehen.<br />

Der Nernst-Haber-Bodenstein-Preis<br />

ging in diesem<br />

Jahr an Herrn Prof. Dr. Jens<br />

Michaelis, München. Mit dem<br />

Preis wurden seine Arbeiten<br />

auf dem Gebiet der Entwick-<br />

lung modernster Einzelmolekülfl uoreszenztechniken und deren<br />

Anwendung auf die strukturelle Untersuchung von Proteinkomplexen<br />

ausgezeichnet.<br />

Herr Michaelis studierte Physik in Ulm und Oregon. Sein Studium<br />

schloss er 1996 mit dem Master of Science der Universität<br />

Oregon ab und promovierte im Jahr 2000 bei Herrn Prof. Mlynek<br />

in Konstanz. Anschließend kehrte Herr Michaelis zurück in die<br />

USA an die Universität von Kalifornien in Berkeley, wo er in der<br />

Gruppe von Prof. Bustamante als Postdoktorand forschte.<br />

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland arbeitete er an der<br />

LMU München anfangs als Leiter der Arbeitsgruppe “Nanomechanics“<br />

und seit Ende 2008 auf einer W2 Tenure Track Professur<br />

am Department of Chemistry and Biochemistry.<br />

Sein Arbeitsgebiet besteht in der Entwicklung modernster Einzelmolekülfl<br />

uoreszenzmethoden, die er sehr erfolgreich auf<br />

verschiedene biophysikalische Problemstellungen anwendet.<br />

Besonders herausragend ist die Struktur- und Funktionsaufklärung<br />

von Proteinkomplexen. Hier ist es Herrn Michaelis<br />

erstmals gelungen, durch Einzelmolekülfl uoreszenznachweis<br />

die Struktur und Position von fl exiblen Bereichen in den Proteinkomplexen<br />

zu ermitteln.<br />

In einem zweiten Ansatz hat er ein anderes zentrales Thema<br />

zum Verständnis der Expression des Genoms aufgenommen.<br />

Wiederum mit Hilfe von Einzelmolekülfl uoreszenzspektroskopie<br />

konnte er die Konformationsumwandlungen von ATPase<br />

während des mechano-chemischen Zyklusses entschlüsseln.<br />

Diese Entschlüsselung bildet die Grundlage <strong>für</strong> das heutige<br />

Verständnis der Positionierung von Nukleosomen in Eukaryonten,<br />

die <strong>für</strong> die Bindung von Proteinen an bestimmte DNA<br />

Sequenzen verantwortlich sind.<br />

Für diese grundlegenden Beiträge zur biophysikalischen Chemie<br />

wurde er auf der Bunsentagung in Bielefeld mit dem<br />

Nernst-Haber-Bodenstein-Preis ausgezeichnet.<br />

155


PREISE/EHRUNGEN<br />

156<br />

POSTERPREISE<br />

DER BUNSENTAGUNG <strong>2010</strong><br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

Mit über 200 Postern präsentierte die Posterausstellung einen wesentlichen Teil des wissenschaftlichen Programms der Bunsentagung<br />

<strong>2010</strong>. Damit die Poster noch sichtbarer werden, wurden durch ein Gutachtergremium nicht nur die drei Posterpreise ausgewählt,<br />

sondern auch „hot Topic“ Poster. Alle ausgewählten Poster wurden in der Abschluss-Plenarsitzung von den Posterautoren<br />

mit aussagekräftigen Folien vorgestellt.<br />

POSTERPREISE<br />

Posterpreisträger (von links) Konrad Meister, Wolfgang Christen, Sebastian<br />

Weiße mir Erstem Vorsitzenden der Bunsen-Gesellschaft Wolfgang von<br />

Rybinski (rechts).<br />

P16<br />

Metal-carbonyl complexes as a new modality for label-free live<br />

cell imaging by Raman microspectroscopy<br />

Konrad Meister, Johanna Niesel, Ulrich Schatzschneider, Nils<br />

Metzler-Nolte, Diedrich A. Schmidt, Martina Havenith<br />

With the help of confocal Raman microspectroscopy we were<br />

able to localize the biological active metal compound [Mn(tpm)<br />

(CO) 3]Cl in living cells. The goal of the collaboration between<br />

the research groups of Professor Havenith and Professor Metzler-Nolte<br />

within the Research Department of Interfacial Systems<br />

Chemistry in Bochum is to provide new insights into the<br />

mode of actions of metal-containing drugs.<br />

3D Raman intensity images of HT29 colon cancer cells incubated<br />

with an aqueous solution of [Mn(tpm(CO) 3]Cl show that this<br />

compound penetrates the cell and selectively accumulates in<br />

the nuclear membrane and the nucleolus. The C ≡ O stretching<br />

vibration of the compound serves as an intrinsic spectroscopic<br />

marker since the C≡O bond is in a region where no cellular<br />

bands are present. This work shows that a label-free detection<br />

of metal-carbonyls in living cells is possible. The localization of<br />

the compound in the nucleus gives the synthetic chemists new<br />

valuable hints on the biological mode of action and possible<br />

improvements of the compound.<br />

See e .g.: K. Meister, J. Niesel, U. Schatzschneider, N. Metzler-Nolte,<br />

D. A. Schmidt, M. Havenith, “Label-Free Imaging of solvated Metal-<br />

Carbonyl Complexes in Live Cells by Raman Microspectroscopy”,<br />

Angewandte Chemie International Edition 49, 3310-3312 (<strong>2010</strong>)<br />

P74<br />

4D-Tracking of pathogens by Digital In-line Holographic Microscopy<br />

Sebastian Weiße, Matthias Heydt, Niko Heddergott, Markus<br />

Engstler, Michael Grunze, Axel Rosenhahn<br />

The blood parasite Trypanosoma brucei is the causative agent<br />

of the lethal African Sleeping Sickness. One possible mechanism<br />

by which the parasite evades the host’s immune system<br />

is based on the self-propulsion of the pathogen (Engstler et<br />

al., Cell 2007). Since to date there is not known much about<br />

the complex swimming patterns of Trypanosoma brucei we<br />

investigate the organism‘s motility by using digital in-line holographic<br />

microscopy (Xu et al., Opt Lett 2003; Heydt et al., Journal<br />

of Adhesion 2007). This technique enables us to conduct<br />

a fully three-dimensional and therefore quantitative motility<br />

analysis. We developed a transportable holographic microscope<br />

allowing measurements under the control of experimental<br />

parameters such as temperature and viscosity under<br />

fl ow or static conditions and therefore a systematic variation<br />

of these factors.<br />

Engstler, M. et al. „Hydrodynamic fl ow-mediated protein sorting<br />

on the cell surface of trypanosomes.“ Cell 131, 505-515<br />

(2007).<br />

Heydt, M et al. „Digital in-line holography as a three-dimensional<br />

tool to study motile marine organisms during their exploration<br />

of surfaces.“ Journal of Adhesion 83, 417-430 (2007).<br />

Xu, W. et al. „Tracking particles in four dimensions with in-line<br />

holographic microscopy.“ Optics Letters 28, 164-166 (2003).


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

P99<br />

Supersonic Beams at High Particle Densities Chemical Physics<br />

beyond the Ideal Gas Approximation<br />

Wolfgang Christen, Björn Kobin, Oliver Korup, Tim Krause,<br />

Klaus Rademann<br />

We are investigating the physicochemical properties of nanosized<br />

particles employing high pressure supersonic jet expansions.<br />

Both neutral and singly charged clusters from molecules<br />

such as H 2O, CO, CO 2, C xH y with sizes between 2 and 20,000<br />

units serve as well defi ned, wall-free test tubes. Advanced<br />

mass spectrometric methods are combined with ultrahigh<br />

vacuum surface science techniques for the exploration of fundamental<br />

processes such as homogeneous and heterogeneous<br />

condensation, collision-induced dissociation, metastable<br />

fragmentation, ion-molecule, molecule-surface, and clustersurface<br />

reactions. These studies are relevant for analytical<br />

and atmospheric chemistry, and also for materials science and<br />

chemical engineering.<br />

http://clusterlab.de<br />

Representative publications are: J. Phys. Chem. A 102, 9420<br />

(1998); Int. J. Mass Spectrom. Ion Proc. 174, 35 (1998).<br />

J. Chem. Phys. 125, 174307 (2006); Phys. Scr. 80, <strong>04</strong>8127<br />

(2009).<br />

HOT TOPIC POSTER<br />

PREISE/EHRUNGEN<br />

P35<br />

Multi-scale modeling of solid oxide fuel cells: From pattern anodes<br />

to a hybrid power plant system<br />

W. G. Bessler, F. Leucht, M. Henke, V. Yurkiv, M. Vogler<br />

P39<br />

Towards the engineering of functional molecular architectures:<br />

the infl uence of substrate-molecule and molecule-molecule interactions<br />

on the assembly of porphyrins on different surfaces<br />

Florian Buchner, Elisabeth Zillner, Michael Röckert, Stephanie<br />

Gläßel, Hans-Peter Steinrück, Hubertus Marbach<br />

P48<br />

Freestanding polymer carpets<br />

André Beyer, Ihsan Amin, Martin Steenackers, Ning Zhang, Xianghui<br />

Zhang, Rainer Jordan, Armin Gölzhäuser<br />

P110<br />

Chemistry of hydrated transition metal cluster and their reactivity<br />

with nitrogen oxides in the gas phase<br />

Christian van der Linde, Robert F. Höckendorf, O. Petru Balaj,<br />

Martin K. Beyer<br />

P125<br />

Photon Density Wave spectroscopy for in-line particle sizing<br />

Dorit Munzke, Roland Hass, Oliver Reich<br />

P127<br />

Annealing effects on the magnetic properties of Mn-doped<br />

CdSe/CdS semiconductor nanoparticles<br />

Shih-Hao Kung, Christina Graf, Andreas Hofmann, Krischan<br />

Jeltsch, Christine Boeglin, Eckart Rühl<br />

P170<br />

In situ SEM study of the electrode system Pt(O 2)YSZ<br />

Hendrik Pöpke, Eva Mutoro, Bjoern Luerßen, Jürgen Janek<br />

P178<br />

Detailed investigation of the growth kinetics and mechanism of<br />

ZnO nanorods in methanol<br />

Martin Klaumünzer, Michael Voigt, W. Peukert<br />

P208<br />

Predicting enthalpies of vaporization of Imidazolium-based<br />

ionic liquids from far Infrared spectra<br />

Alexander Wulf, Koichi Fumino, Ralf Ludwig, S. P. Verevkin, A.<br />

Heintz<br />

P216<br />

In situ assembly of macromolecular comlexes triggered by light<br />

Christian Grunwald, Katrin Schulze, Annett Reichel, Victor U.<br />

Weiss, Dieter Blaas, Jacob Piehler, Karl-Heinz Wiesmüller,<br />

Robert Tampé<br />

157


BUNSENTAGUNG/AKTUELLES<br />

Harry Hoster<br />

Als „Karriere“ (von französisch „carrière“) bezeichnet man<br />

die persönliche Laufbahn eines Menschen in seinem Berufsleben.<br />

Wörtlich kann man „Karriere“ mit „Fahrstraße“ übersetzen.<br />

Das Karriereforum, das seit 2007 jährlich im Rahmen<br />

der Bunsentagung stattfi ndet, richtete sich als Informationsveranstaltung<br />

zunächst an alle Fahrer auf jener Straße, die in<br />

der <strong>Physikalische</strong>n Chemie von der Promotion bis zur ersten<br />

Professur führt. Dass diese Straße abschnittsweise weniger<br />

dem Champs-Élysées als dem Brenner gleicht, hat sich herumgesprochen.<br />

Klar ist aber auch, dass niemand gezwungen<br />

ist, sich als autodidaktischer Einzelkämpfer auf diesen Weg<br />

zu machen. Als Netzwerk promovierter Physikochemiker 1 hat<br />

sich der so genannte „aktive Kern des Karriereforums“ gebildet,<br />

dem momentan zwölf Wissenschaftler zuzurechnen sind<br />

(Namensliste siehe unten). Sowohl der aktive Kern als auch<br />

das Karriereforum als Informationsveranstaltung sucht mittlerweile<br />

zum erweiterten Wissens-, Informations- und Erfahrungsaustausch<br />

bewusst auch den Kontakt zu Kollegen, die sich <strong>für</strong><br />

eine Tätigkeit in der freien Wirtschaft entschieden haben. Einige<br />

Ideen und Gedanken aus der Mitte dieses Netzwerkes sind<br />

in den vergangenen Jahren in Form von Artikeln im Bunsenmagazin<br />

(5/2008, 2/2009, 3/2009, 4/2009) oder den Nachrichten<br />

aus der Chemie (11/2009) sichtbar geworden.<br />

Wie in den drei Jahren zuvor war auch das Karriereforum <strong>2010</strong><br />

darauf ausgerichtet, den etwa 80 Teilnehmern dabei zu helfen,<br />

sich klarer über die eigenen berufl ichen Ziele zu werden und<br />

sie mit den Verkehrsregeln und möglichen Antriebshilfen auf<br />

dem Weg dorthin vertrauter zu machen. In einem von vielen<br />

Fragen begleiteten Beitrag gab Wiltrud Christine Radau vom<br />

<strong>Deutsche</strong>n Hochschulverband eine Übersicht über „Qualifi kationsprofi<br />

le und –wege <strong>für</strong> Nachwuchs wissenschaftler“. Schwerpunkt<br />

waren die verschiedenen, <strong>für</strong> promovierte Wissenschaftler<br />

in Frage kommenden Arbeitsverhältnisse sowie damit<br />

verbundene Rechte und Pfl ichten, Probleme und Perspektiven.<br />

Besonders wichtig: die Beschränkung der Beschäftigungsdau-<br />

158<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

KARRIEREWEGE ZWISCHEN<br />

INDUSTRIE UND HOCHSCHULE –<br />

EIN RÜCKBLICK AUF DAS KARRIEREFORUM<br />

AUF DER BUNSENTAGUNG <strong>2010</strong><br />

Dr. Harry Hoster<br />

Universität Ulm, Institut <strong>für</strong> Oberfl ächenchemie und Katalyse<br />

89069 Ulm<br />

Tel.: +49 (0)731/50-25469, Fax: +49 (0)731/50-25452<br />

E-Mail: harry.hoster@uni-ulm.de<br />

er in einem befristeten Arbeitsverhältnis auf maximal 12 Jahre<br />

(§2 Abs. 1 WissZeitVG). Vielen ist nicht bewusst, dass in diese<br />

12 Jahre auch die Promotionszeit eingeht, selbst wenn diese<br />

nicht mit einem Angestelltenverhältnis verknüpft, sondern z.B.<br />

über ein Stipendium fi nanziert war. Abziehbar sind lediglich<br />

längere Auslandsaufenthalte. Auch die Segnungen des Föderalismus<br />

kamen zur Sprache, die den ohnehin fi nanzstarken<br />

Bundesländern über die länderspezifi sche Professorenvergütung<br />

weitere (potenzielle) Vorteile im Wettbewerb um die besten<br />

Köpfe verschaffen. Skurril muten auch andere Folgen einiger<br />

jüngerer Reformen an: wer als frisch berufener Professor<br />

das Glück hat, in seiner neuen Position auf die Unterstützung<br />

durch einen nach A-Besoldung bezahlten akademischen Rat<br />

zählen zu können, sollte nicht zögern, diesen bei Gelegenheit<br />

auch um fi nanziellen Beistand zu bitten – denn der Rat verdient<br />

vermutlich mehr als sein neuer Vorgesetzter.<br />

Als Referentin <strong>für</strong> Chemie und Verfahrenstechnik bei der DFG<br />

gab anschließend Kathrin Winkler einen Überblick über Förderprogramme<br />

mit besonderer Relevanz <strong>für</strong> Naturwissenschaftler<br />

vor der ersten Berufung. Hier gab es eine Reihe von Rückfragen<br />

zu den Konzepten der Nachwuchsgruppen oder auch der<br />

Heisenberg- und Lichtenbergprofessuren. Dabei stellte sich<br />

heraus, dass man sich um viele individuelle Förderprogramme<br />

möglichst schon bei Abgabe der Dissertation kümmern sollte,<br />

um dann nach der Promotion in den Genuss einer möglichst<br />

nahtlosen Anschlussfi nanzierung kommen zu können.<br />

Wie die Überschrift dieses Artikels andeutet, lag der thematische<br />

Schwerpunkt des Karriereforums <strong>2010</strong> jedoch nicht auf<br />

rein akademischen Berufsbildern. Vielmehr wollten wir einen<br />

Eindruck gewinnen, wie durchlässig denn in Deutschland die<br />

Barrieren zwischen akademischer Forschung einerseits und<br />

Arbeit in der Industrie andererseits sind. Hierzu hatten wir vier<br />

Wissenschaftler, die beide Seiten kennen, zu einer Podiumsdiskussion<br />

eingeladen. Dies waren Michael Dröscher (Apl. Pro-<br />

1 Wir weisen darauf hin, dass die im Text der Einfachheit halber verwendeten<br />

maskulinen Formen (Physikochemiker, Kollege, Wissenschaftler, Professor,<br />

Gruppenleiter, Mitarbeiter etc.) Frauen und Männer gleichermaßen<br />

umfassen.


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

fessor an der Uni Münster | Corporate Senior Vice President<br />

Innovation Management bei Evonik), Yvonne Joseph (Gastdozentin<br />

<strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie an der Uni Stuttgart | Wissenschaftlerin<br />

bei Sony Deutschland), Hubert Gasteiger (Professor<br />

<strong>für</strong> technische Elektrochemie an der TU-München, vormals<br />

Technical Manager <strong>für</strong> Brennstoffzellenmaterialentwicklung<br />

bei General Motors), und Peter Broekmann (Dozent <strong>für</strong> Elektrochemie<br />

und Gruppenleiter an der Uni Bern | Berater des<br />

BASF Kupferplating-Teams). Die Diskussion orientierte sich an<br />

den folgenden fünf Leitfragen:<br />

1. Welches sind Einsatzgebiete von Physikochemikern in<br />

der Industrie?<br />

2. Welche Qualifi kationsprofi le sind in der Industrie besonders<br />

gefragt?<br />

3. Welche Erfahrungen und Qualifi kationen kann nur die Industrie<br />

bieten?<br />

4. Welche Hindernisse gibt es beim Wechsel in die eine oder<br />

andere Richtung?<br />

5. Wie gefragt sind Kandidaten aus der Industrie bei Berufungsverfahren?<br />

Die wesentlichen Antworten zu jeder dieser fünf Fragen sind im<br />

Folgenden zusammengefasst.<br />

Welches sind Einsatzgebiete von Physikochemikern in der<br />

Industrie?<br />

Physikochemiker werden generell als vielseitig einsetzbar<br />

wahrgenommen. Bedingt vor allem durch das stark gestiegene<br />

Interesse an der elektrochemischen Energiewandlung besteht<br />

momentan insbesondere ein Bedarf an Elektrochemikern.<br />

Weitere wichtige fachspezifi sche Aufgabengebiete liegen in der<br />

Materialcharakterisierung (Spektroskopie/Mikroskopie), der<br />

Entwicklung diagnostischer Prozeduren sowie der Einbindung<br />

solcher Prozeduren in komplexere Gesamtprozesse. Physikochemiker<br />

werden eher in fachübergreifenden Teams als in zentralen<br />

Prüf- und Untersuchungslabors eingesetzt. Generell gilt,<br />

dass die eigentlichen PC-Fachqualifi kationen nur in den ersten<br />

Jahren einer Industrietätigkeit zum Tragen kommen.<br />

Welche Qualifi kationsprofi le sind in der Industrie besonders<br />

gefragt?<br />

Zum stark branchen- und konjunkturabhängigen Bedarf an<br />

Spezialqualifi kationen (z.B. Elektrochemie, s.o.) sind keine<br />

generellen Aussagen zu machen. Klar ist aber, dass Persönlichkeit<br />

und Auftreten eines Bewerbers mindestens ebenso<br />

wichtig sind wie fachliche Qualifi kationen. Wichtig erschienen<br />

den Podiumsteilnehmern vor allem Fähigkeiten a) zum Aufbau<br />

und zur Leitung interdisziplinärer Teams, b) zum analytischen<br />

Denkvermögen und zur systematischen Planung und Dokumentation<br />

von Projektarbeiten sowie c) zur interdisziplinären<br />

Kommunikation, was nicht zuletzt <strong>für</strong> die Vermittlung von Ergebnissen<br />

an höhere Hierarchieebenen bedeutsam ist. Eng<br />

mit den genannten Punkten verknüpft sind ein erwünschter<br />

hoher Enthusiasmus und eine hohe Motivation, die im Idealfall<br />

auch auf Mitarbeiter ausstrahlen sollte.<br />

BUNSENTAGUNG/AKTUELLES<br />

Welche Erfahrungen und Qualifi kationen kann nur die Industrie<br />

bieten?<br />

Der vormals akademisch tätige Forscher hat in der Industrie<br />

oft seine erste Berührung mit betriebswirtschaftlichen Konzepten.<br />

Auch Fragen des Patentrechts oder Produktmarketings<br />

waren vormals oft nicht seine zentrale Herzensangelegenheit.<br />

Statt wissenschaftlicher Originalität zählen in der Industrie die<br />

ökonomische Relevanz von Forschungsergebnissen: neue, verbesserte,<br />

oder verbilligte Produkte. Ferner wächst der Druck,<br />

sich ein effektives Zeit- und Personalmanagement anzueignen.<br />

Der Forscher mutiert also zum Forschungsmanager. Für<br />

diesen sollte die Forschung dann auch weniger Herzens- als<br />

Kopfsache sein, da selbst das erfolgreichste Projekt, wie Michael<br />

Dröscher zu berichten wusste, von höherer Stelle aus<br />

heiterem Himmel <strong>für</strong> beendet erklärt werden kann – und dann<br />

sollte man ihm keine Träne nachweinen.<br />

Sehr positiv wurden die ausgezeichneten Ressourcen (technische<br />

Ausstattung und Humankapital) gesehen, die in der Industrie<br />

zur Verfügung stehen. Hubert Gasteiger betonte besonders<br />

den Wert der Horizonterweiterung durch die Zusammenarbeit<br />

mit anderen Firmen und fachlich anders spezialisierten Kollegen.<br />

So war es an ihm, den mit ihm arbeitenden Ingenieuren<br />

zu erklären, wie Protonen in einer Brennstoffzellenmembran<br />

gebremst werden, während diese ihm schonend beizubringen<br />

hatten, dass nicht jede Brennstoffzellen konstruktion die erste<br />

Vollbremsung eines Fahrzeuges mechanisch überleben würde.<br />

Industriespezifi sche Erfahrungen behalten ihren Wert auch<br />

nach einer Rückkehr in die akademische Forschung. Sie helfen,<br />

weniger wertvolle Tätigkeiten als solche zu erkennen und<br />

die darin investierte Zeit entsprechend anzupassen. Auch die<br />

Strategien zur zielorientierten Kommunikation, ohne die kein<br />

Vorstand vom Sinn eines Vorhabens zu überzeugen ist, werden<br />

bei der nächsten wissenschaftlichen Begutachtung sicher<br />

nicht von Schaden sein. Fazit: Die Tätigkeit eines erfolgreichen<br />

Hochschulprofessors gleicht mit wachsendem Rang immer<br />

stärker der eines Forschungsmanagers als der eines Forschers.<br />

Erfahrungen in der freien Wirtschaft sind vor diesem<br />

Hintergrund eher gut investierte als verlorene Zeit.<br />

Welche Hindernisse gibt es beim Wechsel in die eine oder<br />

andere Richtung?<br />

Einem Wechsel in die Industrie kann, so die einhellige Meinung<br />

der Podiumsteilnehmer, allenfalls eine mangelnde Bereitschaft<br />

zur ggf. notwendigen Anpassung des eigenen Arbeitsverhaltens<br />

im Wege stehen. Akademisch erfahrene und entsprechend<br />

spezialisierte Kandidaten sollten darauf achten, sich in der<br />

Industrie möglichst nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip zu bewerben,<br />

sprich, auf Stellen, in denen ihre fachliche Erfahrung<br />

die Einstufung in eine adäquate Hierarchiestufe zulässt. Überqualifi<br />

zierte Mitarbeiter, die sich insgeheim als unter Wert eingestellt<br />

fühlen, gelten als Gift <strong>für</strong> das Arbeitsklima.<br />

Der Wechsel zurück an die Hochschule wurde hingegen deutlich<br />

kritischer gesehen. Peter Broekmann brachte <strong>für</strong> die notorische<br />

Geringschätzung anwendungsnaher Forschung in<br />

akademischen Kreisen den Begriff der „europäischen Krankheit“<br />

ein. Für den Weg zurück an die Hochschule sind vor allem<br />

zwei Dinge entscheidend. Erstens hilft eine gute Sichtbarkeit<br />

159


BUNSENTAGUNG/AKTUELLES<br />

der eigenen Tätigkeit, die sich am ehesten durch einen wenn<br />

auch verminderten so doch nicht versiegenden Fluss von Publikationen<br />

erreichen lässt. In der Praxis stellt hier Zeitmangel<br />

das größte Hindernis dar. Zweitens wollen die akademischen<br />

Netzwerke gepfl egt sein, die entweder bereits existieren,<br />

oder die es andernfalls aufzubauen gilt. Hier dürften sich<br />

Kooperations projekte mit Hochschulen oder Forschungsinstituten<br />

als hilfreich erweisen. Yvonne Joseph brachte außerdem<br />

Mentoringprogramme zur Sprache, in denen Doktorarbeiten an<br />

Hochschulen beratend von erfahrenen Industriemitarbeitern<br />

begleitet werden. Entsprechende Organisations- und Vermittlungskonzepte<br />

existieren, und eine Intensivierung entsprechender<br />

Aktivitäten im Bereich der <strong>Physikalische</strong>n Chemie könnte<br />

mit Hilfe der Bunsen-Gesellschaft vorangetrieben werden.<br />

Wie gefragt sind Kandidaten aus der Industrie bei Berufungsverfahren?<br />

Hier gibt es einen großen Unterschied zwischen technisch und<br />

naturwissenschaftlich orientierten Fakultäten und Universitäten.<br />

Während die ersteren in den Firmenkontakten, die ein Bewerber<br />

aus der Industrie mit in eine Professur bringen könnte,<br />

einen Bonus sehen, scheinen sich die letzteren eher auf die<br />

Haare in der Suppe zu konzentrieren, sprich, die geringeren<br />

Publikationsleistungen und die geringeren Erfahrungen in Drittmitteleinwerbung<br />

und Lehre (letzteres wird weniger kritisch gesehen).<br />

Hier machte Hubert Gasteiger auf die deutlich offenere<br />

Einstellung nordamerikanischer Universitäten aufmerksam,<br />

in denen industrielle und akademische Erfahrungen als mindestens<br />

ebenbürtig angesehen werden. Entsprechend durchlässiger<br />

ist dort das System Industrie|Hochschule, und zwar<br />

160<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

in beide Richtungen. In Deutschland ist, wie Michael Dröscher<br />

hervorhob, die Dynamik des Wechsels auch eigentlich nicht primär<br />

durch eine mangelnde Nachfrage der Hochschulen nach<br />

Industriebewerbern eingeschränkt, sondern vor allem auch<br />

durch das starre Besoldungssystem. Überspitzt ausgedrückt ist<br />

eine mäßig bezahlte W2-Stelle mit Option zur Erreichung der<br />

Arbeitsfähigkeit über selbst einzuwerbende Drittmittel sicher<br />

nicht der Köder, um den sich Kandidaten aus gut bezahlten und<br />

ausgestatteten Industrieposten balgen werden.<br />

In einer Gesamtbilanz waren sich Michael Dröscher, Yvonne<br />

Joseph, Hubert Gasteiger und Peter Broekmann einig: sie würden<br />

den Schritt in die Industrie, ob <strong>für</strong> immer oder auf Zeit, jederzeit<br />

wieder gehen. Klar ist auch: Industrie und akademische<br />

Forschung würden beide von einer stärkeren Quervernetzung<br />

profi tieren. Wichtiger Knotenpunkt hier<strong>für</strong> könnte die Bunsen-<br />

Gesellschaft sein – und nicht zuletzt das Karriereforum 2011.<br />

Das Karriereforum versteht sich als Plattform zum Erfahrungs-, Informations-<br />

und Gedankenaustausch unter Physikochemikern mit Karriereabsichten<br />

im akademischen Bereich oder in der freien Wirtschaft. Den aktiven<br />

Kern des Karriereforums bilden momentan die folgenden Personen:<br />

Naoufal Bahlawane, Wolfgang Bessler, Andreas Brockhinke, Ute Dawin, Katrin<br />

Domke, Elke Goos, Harry Hoster, Yvonne Joseph, Gregor Jung, Jochen<br />

Küpper, Thomas Risse, Thomas Zeuch<br />

Das Karriereforum ist im Ständigen Ausschuss der Bunsen-Gesellschaft<br />

vertreten durch Wolfgang Bessler und Harry Hoster. Erreichbar sind wir<br />

unter karriereforum@bunsen.de.


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

EHRUNGEN/PREISE/<br />

AUSZEICHNUNGEN<br />

Prof. Dr. Rudi van Eldik, Institut <strong>für</strong> Anorganische<br />

Chemie, Universität Erlangen,<br />

Mitglied der Bunsen-Gesellschaft, erhielt<br />

den Inorganic Mechanisms Award<br />

der RSC, London, <strong>für</strong> seine Arbeiten bei<br />

der Anwendung von Hochdrucktechniken<br />

zur Untersuchung anorganischer<br />

Reaktionsmechanismen und <strong>für</strong> seine<br />

mechanistischen Studien der Reaktionen<br />

zweiatomiger Substrate mit Übergangsmetallzentren.<br />

Prof. Dr. Hartmut Herrman, Leibnitz-<br />

Institut <strong>für</strong> Troposphärenforschung, Mitglied<br />

der Bunsen-Gesellschaft, erhielt<br />

den Gay-Lussac-Humboldt-Forschungspreis<br />

<strong>für</strong> seine Arbeiten zur atmosphärischen<br />

Multiphasenchemie durch Laboruntersuchungen,<br />

Modellierungen und<br />

Felduntersuchungen sowie <strong>für</strong> seine<br />

Verdienste um die deutsch-französische<br />

Forschungszusammenarbeit in der Chemie<br />

der Atmosphäre.<br />

Prof. Dr. Manfred<br />

Martin, Inhaber des<br />

Lehrstuhls <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />

Chemie I<br />

der RWTH Aachen,<br />

Mitglied der Bunsen-<br />

Gesellschaft, wurde<br />

von der Akademie<br />

der Wissenschaften zu Göttingen, die<br />

jährlich die Wilhelm-Jost-Gedächtnisvorlesung<br />

zur Wahrung des Andenkens<br />

an Wilhelm Jost und zur Förderung der<br />

<strong>Physikalische</strong>n Chemie vergibt, zum<br />

Vortragenden der Wilhelm-Jost-Gedächtnisvorlesung<br />

<strong>2010</strong> ausgewählt.<br />

RUFE, BERUFUNGEN,<br />

ERNENNUNGEN, WAHLEN<br />

Prof. Dr. Martina Havenith-Newen,Inhaberin<br />

des Lehrstuhls <strong>für</strong><br />

<strong>Physikalische</strong> Chemie<br />

II der Ruhr-Universität<br />

Bochum, Mitglied der<br />

Bunsen-Gesellschaft,<br />

wurde zum 1. April<br />

<strong>2010</strong> in den Vorstand der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Physikalische</strong>n Gesellschaft (DPG) gewählt.<br />

Dr. Jochen Küpper,<br />

Fritz-Haber-Institut<br />

der MPG, Berlin, Mitglied<br />

der Bunsen-Gesellschaft,<br />

hat einen<br />

Ruf auf eine W2-Professur<br />

am Center for<br />

Free Electron Laser<br />

Science (CFEL), DESY und Universität<br />

Hamburg, erhalten.<br />

GEBURTSTAGE<br />

IM JULI <strong>2010</strong><br />

Michael Brenk, Dr.,<br />

Wiesbaden:<br />

60. Geburtstag am 06.07.<br />

Rüdiger Iden, Prof. Dr.,<br />

Ludwigshafen:<br />

60. Geburtstag am 16.07.<br />

Valeri Grigoryan, Dr.,<br />

Saarbrücken:<br />

60. Geburtstag am 20.07.<br />

Peter Sckuhr, Dr.,<br />

Neuötting:<br />

70. Geburtstag am <strong>04</strong>.07.<br />

Wolfgang Laqua, Prof. Dr.-Ing.,<br />

Fernwald:<br />

75. Geburtstag am 07.07.<br />

Helmut Knözinger, Prof. Dr.,<br />

München:<br />

75. Geburtstag am 10.07.<br />

Wolfgang Göring, Dr.,<br />

Münster:<br />

80. Geburtstag am 13.07.<br />

Hartmann Rüppel, Prof. Dr.,<br />

Berlin:<br />

80. Geburtstag am 22.07.<br />

Rolf E. Bühler, Prof. Dr.,<br />

Zürich:<br />

80. Geburtstag am 27.07.<br />

GEBURTSTAGE<br />

IM AUGUST <strong>2010</strong><br />

Volker Benz, Dr.,<br />

Höchst:<br />

60. Geburtstag am 28.08.<br />

NACHRICHTEN<br />

Rudi Eldik, Prof. Dr. Dr.h.c.,<br />

Erlangen:<br />

65. Geburtstag am 08.08.<br />

Horst H. Klump, Prof. Dr.,<br />

Rondebosch:<br />

70. Geburtstag am 03.08.<br />

Jürgen Troe, Prof. Dr. Dr.h.c.mult.,<br />

Göttingen:<br />

70. Geburtstag am <strong>04</strong>.08.<br />

Dieter Meuser, Dr.,<br />

Erftstadt:<br />

70. Geburtstag am 09.08.<br />

Ernst Ohmes, Dr.,<br />

Freiburg:<br />

70. Geburtstag am 27.08.<br />

Werner Seiler, Prof. Dr.,<br />

Berlin:<br />

75. Geburtstag am 05.08.<br />

Klaus Mangold, Prof. Dr.,<br />

Steinfurt:<br />

75. Geburtstag am 21.08.<br />

Ulrich Neumann, Dr.,<br />

Kaiserslautern:<br />

80. Geburtstag am 21.08.<br />

Eberhard Klein, Prof. Dr.,<br />

Bergisch Gladbach:<br />

85. Geburtstag am 12.08.<br />

GEBURTSTAGE<br />

IM SEPTEMBER <strong>2010</strong><br />

Karl-Heinz Feller, Prof. Dr.,<br />

Jena:<br />

60. Geburtstag am 05.09.<br />

Nikolaus P. Ernsting, Prof. Dr.,<br />

Berlin:<br />

60. Geburtstag am 26.09.<br />

Peter Bachmann, Dr.-Ing.,<br />

Aachen:<br />

60. Geburtstag am 28.09.<br />

Harald Morgner, Prof. Dr.,<br />

Leipzig:<br />

65. Geburtstag am 02.09.<br />

Gerhard Kreysa, Prof. Dr.,<br />

Frankfurt:<br />

65. Geburtstag am 21.09.<br />

161


NACHRICHTEN<br />

Joachim Heitbaum, Prof. Dr.,<br />

Bonn:<br />

70. Geburtstag am 30.09.<br />

Karl H. Becker, Prof. Dr.,<br />

Wuppertal:<br />

75. Geburtstag am 21.09.<br />

Manfred Zeidler, Prof. Dr.,<br />

Aachen:<br />

75. Geburtstag am 25.09.<br />

Fritz Thieme, Prof. Dr.,<br />

Hamburg:<br />

85. Geburtstag am 10.09.<br />

VERSTORBEN<br />

Dr. Hans-Werner Jochims, Berlin,<br />

im Alter von 67 Jahren<br />

NEUANMELDUNGEN<br />

ZUR MITGLIEDSCHAFT<br />

Marco Esters,<br />

Im Johannistal 30,<br />

52064 Aachen<br />

Jun.-Prof. Dr. Thomas Kühne,<br />

Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Staudingerweg 9,<br />

55128 Mainz<br />

Dr. Christoph Nottbohm,<br />

Technische Universität Darmstadt,<br />

<strong>Physikalische</strong> Chemie,<br />

Petersenstr. 20,<br />

64287 Darmstadt<br />

Jakob Sidoruk,<br />

Georg-August-Universität Göttingen,<br />

Tammannstr. 6,<br />

37077 Göttingen<br />

Dr. rer. nat. Michael Schmitt,<br />

Universität des Saarlandes,<br />

<strong>Physikalische</strong> Chemie,<br />

Campus B22,<br />

66123 Saarbrücken<br />

Prof. Dr. Frank Schreiber,<br />

Eberhard-Karls Universität Tübingen,<br />

Institut <strong>für</strong> Angewandte Physik,<br />

Auf der Morgenstelle 10,<br />

72076 Tübingen<br />

162<br />

VERANSTALTUNGEN/EVENTS<br />

Tagungen der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bunsen-Gesellschaft<br />

Bunsentagung 2011<br />

2.-4. Juni, Berlin<br />

Thema: „Analyse und Steuerung ultraschneller<br />

photoinduzierter Prozesse“<br />

Wissenschaftliche und lokale Organisation:<br />

E. Rühl (Berlin)<br />

Bunsentagung 2012<br />

17.-19. Mai, Leipzig<br />

Thema: „Ionische Flüssigkeiten“<br />

Wissenschaftliche Vorbereitung: F. Endres<br />

(Clausthal-Zellerfeld), P. Wasserscheid<br />

(Erlangen), M. Antonietti (Golm)<br />

Lokale Organisation: B. Abel (Leipzig)<br />

Allgemeine Informationen zu den Bunsentagungen:<br />

www.bunsen.de oder Geschäftsstelle<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft<br />

AUSSCHREIBUNGEN<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

Bunsen Kolloquien<br />

Grenzfl ächen in Lithium Ionen Batterien<br />

24./25.03.2011, Goslar<br />

Organisation: Frank Endres (TU-Clausthal)<br />

WEITERE TAGUNGEN<br />

<strong>Deutsche</strong> Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie<br />

awards the<br />

3 rd EuCheMS Chemistry Congress<br />

Chemistry – the Creative Force<br />

29. August - 2. September <strong>2010</strong>, Nürnberg<br />

www.euchems-congress<strong>2010</strong>.org<br />

Electrochemistry: From microscopic<br />

understanding to global impact<br />

13.-15. September <strong>2010</strong>, Universität<br />

Bochum<br />

Organisation: Wolfgang Schuhmann<br />

(Ruhr-Universität Bochum);<br />

Gunther Wittstock (Universität Oldenburg)<br />

www.gdch.de/vas/tagungen/tg/5407/<br />

prog__e.htm<br />

NERNST-HABER-BODENSTEIN PRIZE 2011<br />

in memory of Max Bodenstein, Fritz Haber and Walter Nernst. The prize will<br />

be presented at the 110 th Annual General Meeting of the German Bunsen-<br />

Society from 2-4 June 2011 in Berlin.<br />

The prize will be awarded to a distinguished younger scientist (of up to 40<br />

years of age) for outstanding scientifi c achievements in the fi eld of physical<br />

chemistry. Suitable candidates of international visibility in their research fi eld<br />

will be evaluated by a high level expert selection panel with respect to the<br />

scientifi c quality, originality and independence of their research. Candidates<br />

should come from a German-speaking region of Europe or work there at the<br />

time of their nomination.<br />

Nominations from established scientists in the area of physical chemistry<br />

should include a short CV of the candidate, an overview of the candidate’s<br />

scientifi c achievements and publications, and a supporting statement.<br />

Nominations should be submitted by 1 October <strong>2010</strong> to<br />

<strong>Deutsche</strong> Bunsen Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie e.V.<br />

Erika Wöhler<br />

Theodor-Heuss-Allee 25<br />

6<strong>04</strong>86 Frankfurt am Main<br />

Germany


DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

INHALT HEFT 5 (<strong>2010</strong>)<br />

A. Emelianov, A. Eremin, H. Jander, H. Gg. Wagner<br />

Formation of Condensed Particles in Premixed Flames<br />

Catalyzed by Metal Carbonyls 715<br />

G. Bandyopadhyay, S. Dutta, S. C. Lahiri<br />

Determination of Surface Tension, Structural and Related<br />

Properties of Aquo-alcoholic Mixtures at 298 K 729<br />

E. Molinari, M. Tomellini<br />

The Interplay of Energy Disposal and Reaction Rates in<br />

Exoergic Processes at Metal Surfaces: Desorption Rates<br />

in Vibrationally Excited Adlayers 743<br />

DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Ziel meines Artikels (Bunsenmagazin, <strong>2010</strong>, Heft1, S. 23-26),<br />

zu dem die o. g. Stellungnahme von Herrn Kollegen Plieth im<br />

Bunsenmagazin abgedruckt ist, war nicht in erster Linie die<br />

Herleitung der grundlegenden Gleichung D r G = –n e F E. Ziel war<br />

vielmehr, auf falsche Aussagen und Fehlschlüsse in den kritisierten<br />

Lehrbüchern hinzuweisen. Dazu gehören (i) die Aussage,<br />

dass allgemein die EMK einer elektrochemischen Zelle<br />

die Differenz der Galvanispannungen (Differenz der Galvanipotentiale<br />

von Metall und Elektrolytlösung) der Elektroden sei,<br />

und (ii) die Behauptung – meist implizit in den Lehrbuchtexten<br />

enthalten –, dass das chemische Potential der Elektronen in<br />

allen Metallen den gleichen Wert aufweise. Die o. g. Gleichung<br />

ZEITSCHRIFT FÜR<br />

PHYSIKALISCHE CHEMIE<br />

E. Molinari, M. Tomellini<br />

Evidence for Vibrational Excitation of the Adlayer in<br />

Exoergic Processes at Metal Surfaces: H-atom Abstraction<br />

and Recombination and Adsorption-stimulated<br />

Desorption of CO 761<br />

B. Erdem, A. İzci<br />

Heterogeneous Catalysed Esterifi cation of Propionic Acid<br />

with n-Amyl Alcohol over a Microporous Cation-exchange<br />

Resin Dowex 50Wx4 781<br />

B. Marczewska, K. Marczewski<br />

First Glass Electrode and its Creators F. Haber and<br />

Z. Klemensiewicz – On 100 th Anniversary 795<br />

LESERBRIEFE<br />

ANMERKUNGEN ZU DER STELLUNGNAHME VON WALDFRIED PLIETH<br />

BUNSENMAGAZIN, <strong>2010</strong>, HEFT 3, S. 112<br />

ergibt sich in meinem Artikel zwangsläufi g, sozusagen nebenbei.<br />

Im Hinblick auf diese Zielsetzung war die Kenntnis des<br />

Lehrbuches von Herrn Kollegen Plieth nicht relevant.<br />

Die Herleitung und Begründung der Gleichung D r G = –n e F E<br />

habe ich in der Grundvorlesung der <strong>Physikalische</strong>n Chemie in<br />

ähnlicher Weise vorgebracht, wie sie Herr Plieth in seiner Stellungnahme<br />

skizziert. Allerdings habe ich die in seinem Beitrag<br />

aufgestellte Gleichung argumentativ begründet.<br />

Prof. Dr. Bruno Boddenberg<br />

163


<strong>Deutsche</strong> Bunsen-Gesellschaft Mitgliederverwaltung:<br />

<strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie e.V. Fax: 069/7564-622<br />

Theodor-Heuss-Allee 25 e-mail: woehler@bunsen.de<br />

6<strong>04</strong>86 Frankfurt am Main<br />

Antrag auf Mitgliedschaft<br />

in der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie Jahresbeitrag<br />

persönliches, studentisches Mitglied (bitte Studienbescheinigung beifügen) 30 €<br />

persönliches Jungmitglied (bis zu 3 Jahren nach erfolgter Promotion/Eintritt in das Berufsleben) 65 €<br />

persönliches Doppelmitglied mit Mitglied in der DECHEMA, DPG, GDCh (Mitglieds-Nr.:) _________________________ 75 €<br />

persönliches, ordentliches Mitglied 100 €<br />

nichtpersönliches Mitglied (Institute, Bibliotheken, Firmen usw.) 485 €<br />

in der Flüssigkristall-Gesellschaft<br />

persönliches, studentisches Mitglied (bitte Studienbescheinigung beifügen) 8 €<br />

persönliches, ordentliches Mitglied 16 €<br />

in der AG Theoretische Chemie<br />

persönliches, ordentliches Mitglied 13 €<br />

_______________________________________________________________________________________________________________<br />

geworben von: _________________________________________________ Mitglieds-Nr.:___________________________<br />

___________________________________________________________________________________________________<br />

_<br />

Daten zur Person<br />

Frau Herr <br />

Name ______________________________________ Vorname _________________________ Titel ________________________<br />

Geburtsdatum _______________________________ Geburtsort _________________________ Land (LKZ) __________________<br />

Privatanschrift Universitäts- bzw. Dienstanschrift<br />

___________________________________________ ___ Firma ________________________________________________________<br />

___________________________________________ ___ _____________________________________________________________<br />

___________________________________________ ___ _____________________________________________________________<br />

Strasse _____________________________________ ___ Strasse ______________________________________________________<br />

Postfach ________________________________________ Postfach _____________________________________________________<br />

PLZ _____ Ort _____________________ Land ________ PLZ _______ Ort ________________________________ Land _________<br />

Kommunikationsdaten privat Kommunikationsdaten dienstlich<br />

Tel.:(__________) ____________________________ Tel.: (___________) __________________________________<br />

Fax (__________) ____________________________ Fax: (___________) __________________________________<br />

E-Mail ______________________________________ E-Mail _____________________________________________<br />

Bitte senden Sie die Mitteilungen und Zeitschrift(en) an meine Privatanschrift Dienstanschrift<br />

Datenschutz<br />

Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten zu Zwecken der Mitgliederverwaltung und Mitgliederbetreuung<br />

elektronisch gespeichert und verarbeitet werden.<br />

Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis<br />

Ich bin mit der Aufnahme meines Geburtsdatums und meiner Adress- und Kommunikationsdaten in gedruckte Mitgliederverzeichnisse der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie einverstanden.<br />

ja nein<br />

Ich bin mit der Aufnahme meines Geburtsdatums und meiner Adress- und Kommunikationsdaten in Onlinemitgliederverzeichnisse der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie einverstanden.<br />

ja nein<br />

Studium /Ausbildung<br />

Studienfach/Ausbildung _____________________ Studien-/Ausbildungsbeginn (tt.mm.jj) ___________ Abschluss (tt.mm.jj) ___________<br />

Bestehende Doppelmitgliedschaften<br />

Promotion (tt.mm.jj) _____________ Berufseintritt (tt.mm.jj) _________<br />

________________________________________________________________________________________________________________<br />

Ort/Datum _______________________ Unterschrift __________________________________________________<br />

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