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Ausgabe vom Januar 2009 - Juden in Sachsen

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JJIS<br />

Journal <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong><br />

ISSN 1866-5853<br />

Herausgeber:<br />

Deutsch-Russisches Zentrum <strong>Sachsen</strong> e.V.<br />

Bernhard-Gör<strong>in</strong>g-Straße 152<br />

04277 Leipzig<br />

www.juden-<strong>in</strong>-sachsen.de


Inhaltsverzeichnis<br />

Thema: Die Leipziger Rauchwarenwirtschaft Teil 1<br />

Der E<strong>in</strong>fluss der jüdischen Geme<strong>in</strong>de Leipzigs auf den<br />

Rauchwarenhandel der Stadt 3<br />

Die Familie Harmel<strong>in</strong> und die Rauchwarenfirma<br />

Marcus Harmel<strong>in</strong>. Eckdaten der Familiengeschichte 7<br />

Der Brühl 10<br />

Rezensionen<br />

Bürgervere<strong>in</strong> Waldstraßenviertel: Familie Eit<strong>in</strong>gon und<br />

die Eit<strong>in</strong>gon-Stiftung 15<br />

Budzyn, Krzysztof: Dr. Hermann Schreiber. Rab<strong>in</strong> w<br />

Poszdamie. Wspom<strong>in</strong>a mlodosc w Sremie 16<br />

Buhbe, Matthes, Gorzka, Gabriele (Hrsg.): Russland heute.<br />

Rezentralisierung des Staates unter Put<strong>in</strong> 17<br />

Kurzbiografien<br />

Horst Blauste<strong>in</strong> 22<br />

Hermann Bittmann 23<br />

Familie Birnberg 23<br />

Meilich Birnbaum 24<br />

Max und Isaak Birnbaum 25<br />

Gustav Birkenruth 25<br />

Familie B<strong>in</strong>der 26<br />

Leipziger Biografien<br />

Materialsammlung: Biografische Artikel <strong>in</strong> den regionalen<br />

und überregionalen Tageszeitungen 27<br />

Impressum 29<br />

2


Thema. Die Leipziger Rauchwarenwirtschaft Teil 1<br />

Der E<strong>in</strong>fluss der jüdischen Geme<strong>in</strong>de Leipzigs<br />

auf die Rauchwarenwirtschaft der Stadt [1]<br />

Nachdem Herzog Moritz von <strong>Sachsen</strong> die <strong>Juden</strong> im Jahr 1543 aus se<strong>in</strong>en<br />

Besitzungen vertrieben hatte, war es ihnen auch untersagt, sich <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />

anzusiedeln. Das änderte sich erst im 18. Jahrhundert. Bis dah<strong>in</strong> waren <strong>Juden</strong><br />

hauptsächlich während der Messen <strong>in</strong> großer Zahl <strong>in</strong> der Stadt. Zwischen 1675<br />

und 1764 s<strong>in</strong>d Namen und Heimatort von 81.937 jüdischen Messbesuchern<br />

bekannt, davon waren 59.264 selbständige Kaufleute, die übrigen 22.673 waren<br />

Ehefrauen, Diener, Makler und Musikanten. In diesen Zahlen ist allerd<strong>in</strong>gs jene<br />

M<strong>in</strong>derheit von <strong>Juden</strong> nicht erfasst, die mittels Freipässen ihrer Landesherren den<br />

hohen Zöllen und Gebühren, die <strong>Juden</strong> im besonderen Maße zu zahlen hatten,<br />

entgehen konnten.<br />

Zu den Messen 1675 kamen <strong>in</strong>sgesamt über 500 jüdische Messbesucher, 1700<br />

bereits über 1000. Seit 1685 nahmen die Messjuden hauptsächlich am Brühl<br />

Quartier. Dort konnten sie auch mit Duldung der Landesregierung Gottesdienste<br />

abhalten. Der zuständige Rabb<strong>in</strong>er war der anhalt<strong>in</strong>ische Landesrabb<strong>in</strong>er von<br />

Dessau, <strong>in</strong> dessen Stadt auch die <strong>in</strong> Leipzig verstorbenen <strong>Juden</strong> verbracht<br />

wurden. 1710 erhielt Gerd Levi, e<strong>in</strong> Münzjude August des Starken, der seit 1688<br />

regelmäßig Leipziger Messen besuchte, als erster Jude dauerndes<br />

Aufenthaltsrecht <strong>in</strong> Leipzig.<br />

1747 waren die jüdischen Händler aus dem russisch-polnischen Gebiet so wichtig<br />

für die Leipziger Messen geworden, dass man darüber nachdachte, ihnen die<br />

Personalabgaben zu erlassen. Der Handel <strong>in</strong> nordöstlicher und südöstlicher<br />

Richtung war praktisch vollständig <strong>in</strong> der Hand von <strong>Juden</strong>, welche bis zu e<strong>in</strong>er<br />

halben Million Dukaten <strong>in</strong> bar mit auf die Messen brachten. Die dort erstandenen<br />

Waren wurden an den Hauptumschlagplatz Brody gebracht und von dort aus<br />

weiter nach Berditschew und Warschau.<br />

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden die ersten, jeweils nach<br />

der Herkunft der sie unterhaltenden und nutzenden Kaufleute benannten,<br />

Synagogen <strong>in</strong> Leipzig. Darunter auch die unmittelbar nach dem Siebenjährigen<br />

Krieg (1756-1763) von Kaufleuten aus Brody gegründete Brodyer Schul im Haus<br />

"Zum blauen Harnisch". Zu dieser Zeit waren die Brodyer Kaufleute e<strong>in</strong>e der<br />

bedeutenden Gruppen unter den jüdischen Messebesuchern. Sie besaßen e<strong>in</strong>e<br />

Vorrangstellung, die sie bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> behielten. Zur<br />

Neujahrsmesse 1781 führten Brodyer und Lissaer Kaufleute etwa 4.000 Zentner<br />

Waren aus. Trotz dieses umfangreichen Handelsaufkommens waren die<br />

Hauptmärkte für Rauchwaren aus dem Osten zu diesem Zeitpunkt noch <strong>in</strong><br />

Breslau, Groß-Glogau, Lübeck und Hamburg angesiedelt und der <strong>in</strong> Leipzig<br />

ansässige Rauchwarenhandel eher unbedeutend. 1784 gab es nur neun<br />

Rauchwaren- und Lederhandlungen, von denen nur zwei die Wirren der<br />

Napoleonischen Kriege überstanden.<br />

3


Nach dem Siebenjährigen Krieg waren sechs jüdische Familien <strong>in</strong> Leipzig<br />

ansässig. E<strong>in</strong> Protest der Leipziger Kaufmannschaft gegen ihre Ansiedlung blieb<br />

1787 erfolglos, sodass sich 1800 bereits 40-50 <strong>Juden</strong> dauerhaft <strong>in</strong> Leipzig<br />

aufhielten. Diesen war jedoch zum e<strong>in</strong>en nur der Kle<strong>in</strong>- und Hausierhandel<br />

gestattet und zum anderen war ihnen die Gründung e<strong>in</strong>er Religionsgeme<strong>in</strong>de<br />

nicht erlaubt. Sie durften aber außerhalb der Messezeiten die Berl<strong>in</strong>er Synagoge<br />

für Gottesdienste nutzen. 1811 erwirbt Joel Schless<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong> Grundstück im<br />

Johannistal, um dort den ersten jüdischen Friedhof Leipzigs anzulegen.<br />

Noch vor der Völkerschlacht 1813 wurde zur Stärkung der Messen beschlossen,<br />

öffentlich vereidigte Messmakler e<strong>in</strong>zusetzen. Allerd<strong>in</strong>gs blieb diese Position<br />

zunächst christlichen Kaufleuten vorbehalten. Ende 1813 entschloss man sich<br />

jedoch, bis zu sechs <strong>Juden</strong> zu diesem Zweck heranzuziehen. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>spruch<br />

dagegen wurde im Februar 1815 endgültig abgelehnt und so wurde dann am 4.<br />

April 1815 drei Brodyer und e<strong>in</strong>em Lissaer <strong>Juden</strong> die Makelerlaubnis, zunächst für<br />

e<strong>in</strong> Jahr, erteilt. Diese vier und e<strong>in</strong> weiterer Jude aus Dessau wurden dann 1816<br />

auf unbestimmte Zeit vereidigt. 1818 bestellte Leipzig weitere 23 <strong>Juden</strong> zu<br />

Messmaklern. Von den nunmehr 28 jüdischen Messmaklern stammte die Hälfte<br />

aus Brody. Die anderen kamen aus Dessau, Magdeburg, Breslau, Halberstadt,<br />

Leipzig und anderen Städten. Darunter befand sich auch Jacob Harmel<strong>in</strong>, dessen<br />

Sohn die Firma nach dem Tode des Gründers unter se<strong>in</strong>em eigenen Namen<br />

weiterführte und 1830 als Messmakler vereidigt wurde. Den Messmaklern war<br />

üblicherweise dauerndes Aufenthaltsrecht <strong>in</strong> Leipzig gewährt worden. Bis 1830<br />

gelang es jedoch auch e<strong>in</strong>igen <strong>Juden</strong>, die nicht als Messmakler tätig waren,<br />

Aufenthaltsrecht zu erhalten. Zur Michaelismesse 1832 gab es so bereits 70 mit<br />

dauerndem Aufenthaltsrecht versehene Kaufleute, die für 140 ständig <strong>in</strong> Leipzig<br />

lebende <strong>Juden</strong> standen. Das führte dazu, dass 1835 die Beschränkung auf den<br />

Kle<strong>in</strong>- und Hausierhandel für <strong>in</strong> Leipzig ansässige <strong>Juden</strong> aufgehoben wurde.<br />

Bereits 1820 gründeten Berl<strong>in</strong>er und Hamburger Kaufleute die Synagoge "Beth<br />

Jacob". In der Synagoge erklang Orgelmusik. Die Predigt wurde auf deutsch<br />

gehalten.<br />

1837 war die Zahl der <strong>in</strong> Leipzig ansässigen <strong>Juden</strong> auf 162 Personen<br />

angewachsen. In diesem Jahr erhielten die Leipziger und Dresdner <strong>Juden</strong> das<br />

Recht zur Gründung e<strong>in</strong>er öffentlich-rechtlichen Religionsgeme<strong>in</strong>de. Im selben<br />

Jahr begann man mit den Verhandlungen zum Ankauf e<strong>in</strong>es Grundstückes für<br />

e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>desynagoge. Diese konnten jedoch erst 1854 erfolgreich<br />

abgeschlossen werden. Bis dah<strong>in</strong> führte die Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>en liberalen<br />

Gottesdienst <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Synagoge durch, ohne die Bedürfnisse ihrer<br />

orthodoxen Mitglieder zu beachten. 1838 erhielten sächsische <strong>Juden</strong><br />

unbeschränktes Wohnrecht <strong>in</strong> Leipzig und Dresden. <strong>Juden</strong> mit anderer<br />

Staatsangehörigkeit benötigten weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Sondergenehmigung. 1846<br />

wurden die Statuten der Israelitischen Religionsgeme<strong>in</strong>de genehmigt. Sie<br />

be<strong>in</strong>halteten unter anderem die Zwangsmitgliedschaft aller <strong>in</strong> der<br />

Kreishauptmannschaft Leipzig lebenden <strong>Juden</strong>, mit Ausnahme derer, die <strong>in</strong> der<br />

Amtshauptmannschaft Döbbeln ansässig waren. Orthodoxen <strong>Juden</strong> war es zwar<br />

gestattet, Gottesdienste auf eigene Kosten abzuhalten, sie unterlagen jedoch<br />

trotzdem der Abgabenhoheit der Religionsgeme<strong>in</strong>de. Wahlrecht und<br />

Verwaltungsämter standen nur <strong>Juden</strong> mit sächsischer Staatsangehörigkeit offen.<br />

Der erste Geme<strong>in</strong>derabb<strong>in</strong>er wurde 1849 Adolf Jell<strong>in</strong>ek. 1855 wurde die<br />

Geme<strong>in</strong>desynagoge fertiggestellt und geweiht.<br />

4


In der Zeit bis zum deutsch-französischen Krieg 1870/71 bildete sich der Brühl<br />

als ganzjähriges Rauchwarenhandelszentrum heraus, das auch für Nicht-<strong>Juden</strong><br />

zunehmend <strong>in</strong>teressanter wurde. Viele jüdische Händler erhielten ihre Geschäfte<br />

<strong>in</strong> den Herkunftsstädten neben ihren Handlungen <strong>in</strong> Leipzig. Lebten 1858, als<br />

Abraham Mayer Goldschmidt Geme<strong>in</strong>derabb<strong>in</strong>er wurde, noch 713 <strong>Juden</strong> <strong>in</strong><br />

Leipzig, so war ihre Zahl bis 1871 auf 1768 angewachsen. 1869 war der erste<br />

deutsch-jüdische Geme<strong>in</strong>detag <strong>in</strong> Leipzig abgehalten worden. Der dort<br />

gegründete Deutsch-Israelitische Geme<strong>in</strong>debund verlegte 1882 se<strong>in</strong>en<br />

Verwaltungssitz von Leipzig nach Berl<strong>in</strong>.<br />

In Folge der Reichsgründung nahm die Bedeutung der Messen immer mehr ab<br />

und es wurde zunehmend ganzjährig gehandelt. Dies führte dazu, dass viele<br />

Firmen Filialen <strong>in</strong> Leipzig eröffneten bzw. ihren Geschäftssitz nach Leipzig<br />

verlegten. Es kam auch zu e<strong>in</strong>er umgekehrten Bewegung. Die erste von Leipzig<br />

aus im Ausland eröffnete Dependance wurde von N. Haendler & Sohn <strong>in</strong> London<br />

gegründet. In dieser Zeit gew<strong>in</strong>nen auch die Geschäftszweige<br />

Rauchwarenveredlung und Borstenhandel an Bedeutung. In diesen<br />

Geschäftszweigen etablierten sich allerd<strong>in</strong>gs erst <strong>in</strong> den letzten Jahren des 19.<br />

Jahrhunderts die ersten jüdischen Unternehmer.<br />

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung wuchs auch die Zahl der Mitglieder der<br />

Israelitischen Religionsgeme<strong>in</strong>de. 1880 waren es 3265 Mitglieder, 1890 waren es<br />

4136 und 1900 schon 6171. Dieses Wachstum g<strong>in</strong>g hauptsächlich auf die<br />

E<strong>in</strong>wanderung osteuropäischer <strong>Juden</strong> zurück. Der <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten des<br />

19. Jahrhunderts wiedererstarkende Antisemitismus führte dazu, dass sich die<br />

E<strong>in</strong>wanderer vermehrt mit Schwierigkeiten bei der Naturalisation beschäftigen<br />

mussten. Dies hatte zum Ergebnis, dass um 1900 75% der <strong>in</strong> Leipzig lebenden<br />

<strong>Juden</strong> ke<strong>in</strong>e deutsche Staatsbürgerschaft hatten, was gerade im H<strong>in</strong>blick auf das<br />

an die Staatsbürgerschaft gebundene Partizipationsrecht an der<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Problemen führte. Die Anzahl der <strong>Juden</strong> im Raum Leipzig<br />

wuchs weiter (1910: 9434; 1925 13047). Im Jahr 1933 waren es 11.564.<br />

Ab 1925 wurde der veränderten Zusammensetzung der Geme<strong>in</strong>de Rechnung<br />

getragen. Es galt nun das une<strong>in</strong>geschränkte Wahlrecht für alle<br />

Geme<strong>in</strong>demitglieder. Allerd<strong>in</strong>gs mussten weiterh<strong>in</strong> 25 der 33<br />

Geme<strong>in</strong>deverordneten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Im selben Jahr<br />

wurde auch die Ez-Chaim Synagoge zur orthodoxen Geme<strong>in</strong>desynagoge.<br />

Die Rauchwarenbranche nahm nach dem Kriege 1870/71 e<strong>in</strong>e ebenso rasante<br />

Entwicklung. Bei der Volkszählung für das Deutsche Reich 1875 gab es <strong>in</strong> Leipzig<br />

70 Rauchwarenhändler und 7 Vertreter. Im Leipziger Adressbuch von 1898<br />

waren bereits 150 Rauchwarenhändler und Vertreter genannt und diese Zahl<br />

stieg bis 1914 auf 388. Da allerd<strong>in</strong>gs die Religionszugehörigkeit nicht mit<br />

erhoben wurde, ist der Anteil der <strong>Juden</strong> ungewiss. Während des ersten<br />

Weltkrieges kam es zu großen Verlusten im Außenhandel und man verlegte sich<br />

auf <strong>in</strong>ländische Rauchwaren wie zum Beispiel Kan<strong>in</strong>. Nach dem Krieg waren<br />

zunächst Schwierigkeiten <strong>in</strong> den Handelsbeziehungen zu Ländern der Entente zu<br />

überw<strong>in</strong>den. Im Handel mit der Sowjetunion warf der Wechsel von den<br />

persönlichen, privaten Handelsbeziehungen zu e<strong>in</strong>em staatlichen Handelspartner<br />

e<strong>in</strong>ige Probleme auf. Jedoch wurden ab 1921 Rauchwarenauktionen von<br />

sowjetischer Ware <strong>in</strong> Leipzig durchgeführt. Die Wirtschaft erholte sich rasch und<br />

es wurden auch zahlreiche Firmen neu gegründet.<br />

5


Ihren Höhepunkt hatte die Rauchwarenwirtschaft <strong>in</strong> den Jahren zwischen 1927<br />

und 1930. Durchschnittlich wurden während dieser Jahre 63.000 Felle im Wert<br />

von 270 Millionen Reichsmark pro Jahr e<strong>in</strong>geführt. Diesem stand 1929 e<strong>in</strong>e<br />

Ausfuhr von 47.000 Fellen im Wert von 393 Millionen Reichsmark gegenüber. In<br />

den Jahren 1926 bis 1928 erwirtschaftete die damals größte Leipziger<br />

Rauchwarenfirma Ch. Eit<strong>in</strong>gon AG bis zu 25 Millionen Reichsmark Jahresumsatz.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs wirkte sich auch die Weltwirtschaftskrise entsprechend aus. Zwischen<br />

1929 und 1931 verloren 50 Leipziger Rauchwarenunternehmen 60 Millionen<br />

Reichsmark, was e<strong>in</strong>em Drittel ihres Kapitals entsprach. Die Zahl der<br />

Unternehmen war bis zu diesem Zeitpunkt stetig gewachsen. 1928 gab es 546<br />

Rauchwarenhändler und 237 Vertreter. 1929 gab es 1220 Unternehmen <strong>in</strong> der<br />

Branche, von denen m<strong>in</strong>destens 513 <strong>in</strong> jüdischer Hand waren. Das waren 794<br />

Händler (m<strong>in</strong>. 460 jüdisch), 203 Veredler (23 jüdisch) und 231 Kürschner (30<br />

jüdisch). 687 Unternehmen waren im Handelsregister e<strong>in</strong>getragen. Davon<br />

beschäftigten 378 bis zu 5 Beschäftigte, 266 bis zu 50 Beschäftigte und 43 mehr<br />

als 50 Beschäftigte. 364 waren auch im Außenhandel tätig. Nachdem im Sommer<br />

1930 <strong>in</strong> Leipzig die erste Pelzfach-Ausstellung stattfand, verlor Leipzig nicht<br />

zuletzt durch den Holocaust und den Exodus der jüdischen<br />

Rauchwarenunternehmer se<strong>in</strong>e Bedeutung für diesen Wirtschaftszweig, die es<br />

auch nach dem Kriegsende aus politischen und nicht zuletzt personalen Gründen<br />

nicht zurückgew<strong>in</strong>nen konnte.<br />

[1] Der Text wurde auf der Grundlage des Artikels von Wilhelm Harmel<strong>in</strong>: <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> der<br />

Leipziger Rauchwirtschaft verfasst, <strong>in</strong>: Zeitschrift für Firmengeschichte und<br />

Unternehmerbiografien, 11/1966.<br />

Christian Böwe<br />

6


Die Familie Harmel<strong>in</strong> und die Rauchwarenfirma Marcus Harmel<strong>in</strong>.<br />

Eckdaten der Familiengeschichte<br />

Der Rauchwarenhändler Joseph Harmel<strong>in</strong> lebte um 1750 <strong>in</strong> Brody. Se<strong>in</strong> Sohn<br />

Jacob (1770-1825) besuchte regelmäßig die Leipziger Messe. 1818 wurde Jacob<br />

als Messmäkler <strong>in</strong> Leipzig vereidigt und gründete <strong>in</strong> der Messestadt die<br />

Rauchwarenfirma Jacob Harmel<strong>in</strong>.[1]<br />

Nach se<strong>in</strong>em Tod im Jahr 1825 führte der Sohn Marcus Harmel<strong>in</strong> (1796-1873)<br />

die Firma. Marcus Harmel<strong>in</strong> wurde 1830 <strong>in</strong> der Messestadt als Messmakler<br />

vereidigt. Im selben Jahr benannte er die Rauchwarenfirma Jacob Harmel<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Firma Marcus Harmel<strong>in</strong> um.[2]<br />

Die Firma Marcus Harmel<strong>in</strong> wurde durch die Aufnahme ebenfalls aus Brody<br />

stammender und der Familie durch Heirat verbundene Gesellschafter gestärkt.[3]<br />

In den Jahren 1839 bis 1869 gehörte der Schwiegersohn von Marcus Harmel<strong>in</strong>,<br />

der Kaufmann Isaak Barbasch (1818-1895), als Gesellschafter zur<br />

Geschäftsführung der Firma.[4] Isaak Barbasch war der Sohn des Brodyer<br />

Rauchwarenhändlers Baruch Samuel Barbasch, der geme<strong>in</strong>sam mit Jacob<br />

Harmel<strong>in</strong> 1818 als Messmakler vereidigt worden war. 1874 trat der<br />

Schwiegersohn des damals bereits verstorbenen Markus Harmel<strong>in</strong>, Joachim<br />

Garfunkel, als Gesellschafter <strong>in</strong> die Firma e<strong>in</strong>.[5]<br />

Trotz des wachsenden Geschäfts <strong>in</strong> Rauchwaren <strong>in</strong> der Messestadt blieb der<br />

Hauptsitz der Firma Marcus Harmel<strong>in</strong> zunächst <strong>in</strong> Brody, zum Teil wegen der<br />

relativen Nähe zu den russischen Märkten und zum Teil wegen der noch immer<br />

vorhandenen judenfe<strong>in</strong>dlichen Politik <strong>in</strong> der Messestadt.[6]<br />

Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes im Laufe des 19. Jahrhunderts verlor die<br />

Stadt Brody ihre Bedeutung als Messestadt. Die Sitz der Firma wechselte deshalb<br />

von Brody nach Leipzig. Obwohl Marcus Harmel<strong>in</strong> seit langem Messmakler <strong>in</strong> der<br />

Messestadt Leipzig war, musste er 1872 als Jude trotzdem e<strong>in</strong>e Bürgschaft im<br />

Hohe von 4.000 Taler <strong>in</strong> bar vorweisen, bevor se<strong>in</strong>e Firma <strong>in</strong> der Firmenregister<br />

e<strong>in</strong>getragen werden konnte. Im folgenden Jahr, 1873, starb Marcus Harmel<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Brody, als er sich dort aus Anlass der Auflosung se<strong>in</strong>er Firmenlager aufhielt.[7]<br />

Unter der Geschäftsleitung se<strong>in</strong>es Sohns Joachim, geboren am 31. Dezember<br />

1843 <strong>in</strong> Brody und dessen, später <strong>in</strong> das Firmengeschäft e<strong>in</strong>getretenen, ältesten<br />

Sohns Moritz Michael, geboren am 26. Dezember 1868 <strong>in</strong> Leipzig, wurde die<br />

Firma Marcus Harmel<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em bedeutenden Unternehmen und erlebte<br />

erfolgreiche Geschäftsjahre. 1912 besaß die Firma Marcus Harmel<strong>in</strong>, Borsten-und<br />

Rauchwarenhandlung e<strong>in</strong> Vermögen von 1,3 Millionen Mark. Seit dem Jahr 1894<br />

war der Kaufmann Joseph Garfunkel (1862-1936) Teilhaber der Firma Marcus<br />

Harmel<strong>in</strong>[8] Zwei Jahre später heiratete er die Tochter Joachim Harmel<strong>in</strong>s,<br />

Sophia.[9]<br />

Die familiären Bande, e<strong>in</strong>e der Geschäftsgrundlagen der Firma, festigten sich<br />

durch die Eheschließung zwischen Joachim Harmel<strong>in</strong> und Blume Gittel Barbasch,<br />

geboren am 4. August 1843 <strong>in</strong> Brody. Aus dieser Ehe g<strong>in</strong>gen sechs K<strong>in</strong>der<br />

7


hervor, die alle <strong>in</strong> Leipzig zur Welt gekommen s<strong>in</strong>d: der älteste Sohn Moritz<br />

Michael, Jacob (geboren am 30. Juni 1870), Sofia (geboren am 27. Februar<br />

1874), Elisabeth (geboren am 9. März 1876), Paula (geboren am 10. Oktober<br />

1879) und Marcus (geboren am 20. <strong>Januar</strong> 1884). Der jüngste Sohn Marcus<br />

starb als Soldat im I. Weltkrieg am 14. November 1914.<br />

Am 30. April 1894 heiratete der älteste Sohn Moritz Michael Harmel<strong>in</strong> die am 20.<br />

Oktober 1870 <strong>in</strong> Brody geborene Sophia Sara Garfunkel, die Tochter Joachim<br />

Garfunkels. Aus dieser Ehe stammen zwei Söhne, der Kaufmann Max Harmel<strong>in</strong>,<br />

der am 9. Februar 1895 <strong>in</strong> Leipzig geboren wurde, und der Rechtsanwalt Dr. jur.<br />

Wilhelm Harmel<strong>in</strong>, der am 8. November 1900 <strong>in</strong> Leipzig das Licht der Welt<br />

erblickte. Wilhelm Harmel<strong>in</strong> war von 1927 bis 1933 Rechtsanwalt <strong>in</strong> Leipzig und<br />

von 1935 bis 1939 Gesellschafter <strong>in</strong> der Firma Marcus Harmel<strong>in</strong>.[10]<br />

Unter der Leitung der Nachkommen Marcus Harmel<strong>in</strong>s überstand die Firma die<br />

Wirtschaftskrise <strong>in</strong> Folge des I. Weltkriegs. Joachim Harmel<strong>in</strong> starb am 31.<br />

August 1922 <strong>in</strong> Leipzig. Kurz darauf starb am 3. Juni 1925 Moritz Michael. Die<br />

Leitung der Firma wurde <strong>vom</strong> ältesten Sohn Moritz Michael Harmel<strong>in</strong>s, Max<br />

Harmel<strong>in</strong>, übernommen.[11] Unter der Leitung von Max Harmel<strong>in</strong> setzte sich die<br />

Erfolgsgeschichte der Firma Marcus Harmel<strong>in</strong> zunächst fort. Im Jahr 1930 wurde<br />

der 100. Jahrestag der Firmengründung gefeiert.[12]<br />

Das Jahr 1933 markierte e<strong>in</strong>en Wendepunkt <strong>in</strong> der Firmengeschichte. Die<br />

Geschäfte liefen schlecht. Im Jahr 1939 liquidierten die Nationalsozialisten die<br />

Firma Marcus Harmel<strong>in</strong>. Von den fünf K<strong>in</strong>dern Joachim und Blume Gittel<br />

Harmel<strong>in</strong>s (die schon am 2. Oktober 1914 verstorben war), starben drei durch<br />

die Hände der Nationalsozialisten: Jacob am 10. <strong>Januar</strong> 1943 im Polizeigefängnis<br />

Magdeburg; Sophia, verheiratet mit Joseph Garfunkel und seit 1935 verwitwet,<br />

am 25. November 1942 <strong>in</strong> Theresienstadt (ihre Tochter g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> die Emigration);<br />

Elisabeth am 16. Februar 1943, ebenfalls im Ghetto Theresienstadt.[13]<br />

Die Witwe von Michael Moritz, Sophia Sara, Mutter von Max und Wilhelm<br />

Harmel<strong>in</strong>, starb am 22. April 1949 <strong>in</strong> Leipzig. Sie war am 19. September 1942<br />

nach Theresienstadt deportiert worden und überlebte das Ghetto<br />

Theresienstadt.[14]<br />

Max Harmel<strong>in</strong> emigrierte am 16. Juni 1939 nach London. Wenig später, am 22.<br />

Juni 1939, folgte ihm der Bruder Wilhelm Harmel<strong>in</strong>. Der Versuch <strong>in</strong> London, das<br />

Familiengeschäft <strong>in</strong> Rauchwarenwesen wieder aufzubauen, gelang ihnen nicht.<br />

Max Harmel<strong>in</strong> starb im Jahr 1951 <strong>in</strong> London.[15] Mit se<strong>in</strong>em Tod fand das<br />

Rauchwarengeschäft der Familie Harmel<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ende. Wilhelm Harmel<strong>in</strong> starb am<br />

9. Oktober 1967 ebenfalls <strong>in</strong> London.[16]<br />

[1] Diamant, Adolf: Chronik der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig, Heimatland <strong>Sachsen</strong>, Chemnitz,<br />

Leipzig, 1993, S. 100.<br />

[2]Das Amt e<strong>in</strong>es Messmaklers, laut des Rechtsanwaltes, Dr. jur. Wilhelm Harmel<strong>in</strong>,<br />

wurde von ausländischen <strong>Juden</strong> namentlich deshalb geschätzt, weil se<strong>in</strong>en Trägern im<br />

allgeme<strong>in</strong>en das Vorrecht des dauernden Wohnrechts <strong>in</strong> Leipzig gewährt wurde. Anfangs<br />

pflegten die Kaufleute ihre Zeit zwischen ihren Heimatstädten und Leipzig aufzuteilen,<br />

wobei sie das Geschäft an beiden Plätzen unter demselben Firmennamen betrieben.<br />

Siehe Harmel<strong>in</strong>, Wilhelm: <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> der Leipziger Rauchwarenwirtschaft, <strong>in</strong>: Zeitschrift für<br />

Firmengeschichte und Unternehmerbiographien 11 (1966), 6, S. 255. Wilhelm Harmel<strong>in</strong><br />

war e<strong>in</strong> Urenkel von Marcus Harmel<strong>in</strong> – siehe unten.<br />

[3] Diamant, Adolf: Chronik der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig, S. 100.<br />

8


[4] Ebenda.<br />

[5] Die Tochter Marcus Harmel<strong>in</strong>s (Blume Garfunkel, geb. Harmel<strong>in</strong> ( geboren am 15.<br />

Dezember 1830 <strong>in</strong> Brody, gestorben am 22. Juli 1915 <strong>in</strong> Leipzig) war die Ehefrau von<br />

Joachim Garfunkel (geboren am 29. November 1827 <strong>in</strong> Brody, gestorben am 25. August<br />

1910 <strong>in</strong> Leipzig). Siehe Ebenda und Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Polizeimeldebuch<br />

1876, 11445K, Nr. 151, 18019, Folie 31. Aus dieser Ehe stammen e<strong>in</strong> Sohn, der<br />

Kaufmann Josef (geboren am 25. Mai 1862 <strong>in</strong> Brody) und die Tochter Sophia Sara<br />

(geboren am 20. Oktober 1870 <strong>in</strong> Brody), Cous<strong>in</strong>e und zukünftige Ehefrau von Michael<br />

Moritz Harmel<strong>in</strong>.<br />

[6] Ephraim-Carlebach-Stiftung Leipzig [Hrsg.], Judaica Lipsiensia: Zur Geschichte der<br />

<strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig, Edition Leipzig, Leipzig, 1994. S. 272.<br />

[7] Ebenda.<br />

[8] Diamant, Adolf: <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig, S. 405.<br />

[9] Siehe Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Polizeimeldebuch 1876, 11446K, Nr. 159,<br />

18020, Folie 78.<br />

[10] Siehe Vorbemerkung zu: Harmel<strong>in</strong>, Wilhelm: <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> der Leipziger<br />

Rauchwarenwirtschaft, S. 249.<br />

[11] Max Harmel<strong>in</strong> kämpfte im I. Weltkrieg und wurde am 9. Dezember 1933 Mitglied im<br />

Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. Siehe Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, PP-V Akte<br />

Nr. 4508, Mitgliederliste 1. Oktober 1938 Reichsbund jüdischer Frontsoldaten.<br />

[12] Diamant, Adolf: Chronik der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig, S. 392.<br />

[13] Siehe Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Polizeimeldebuch 1876, 11446K, Nr. 160,<br />

18020, Folie 334 (b).<br />

[14] Siehe Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Meldekartei SF 9127/0463f.<br />

[15] Kirchhof, Heike: Jüdisches Leben <strong>in</strong> Leipzig: Gestern - Heute – Morgen: E<strong>in</strong><br />

Literatur- und Bestandsverzeichnis der Rolf-Kralovitz-Bibliothek der ECS Stiftung Leipzig,<br />

Leipzig, 2006, S. 117.<br />

[16] Siehe Bundesrechtsanwaltskammer (Hrsg.): Anwalt ohne Recht: Schicksale<br />

jüdischer Anwälte <strong>in</strong> Deutschland nach 1933, be.bra verlag, 2007, S. 65.<br />

Dr. Keith Barlow<br />

9


Der Brühl<br />

Der Brühl ist e<strong>in</strong>e der ältesten Geschäftsstraßen <strong>in</strong> Leipzig und hat e<strong>in</strong>e Länge<br />

von 579 Metern. Er bef<strong>in</strong>det sich zentral, am nördlichen Ende des Stadtkerns.<br />

Der Brühl ist nur wenige M<strong>in</strong>uten <strong>vom</strong> Leipziger Augustusplatz entfernt. Nicht alle<br />

wissen, dass der Leipziger Brühl über e<strong>in</strong>e große, traditionsreiche Geschichte<br />

verfügt. Er war seit Mitte des 19. Jahrhunderts Synonym für den Pelzhandel.<br />

Die Bedeutung der jüdischen Messebesucher und der Aufstieg Leipzigs zur<br />

Handelsstadt<br />

Der Name Brühl weist darauf h<strong>in</strong>, dass sich unter dem Stadtgebiet viele<br />

Jahrhunderte zuvor e<strong>in</strong> unzugänglicher Sumpf befand. Mit dem Bau der<br />

Stadtmauer zwischen 1265 und 1270 erhielt der Teil der „via regia“, der <strong>in</strong> das<br />

Stadtgebiet e<strong>in</strong>bezogen war, den Namen Brühl. Als e<strong>in</strong> Teil der „via regia“, der<br />

alten Handelsstraße, die von Westen (Paris) nach Osten (Kiew) führte, war er<br />

bereits im Mittelalter e<strong>in</strong> Umschlagplatz von Waren jeglicher Art.[1] Auf Grund<br />

se<strong>in</strong>er Lage am nördlichen Rand der Stadt und der Hauptstraßen, die von hier <strong>in</strong><br />

der Stadtzentrum führten, war der Brühl Stauraum für Waren und Frachten.<br />

Schon frühzeitig konzentrierte sich der Handel mit Fellen und Ledern, aber auch<br />

mit Wolle, Tuchen und Le<strong>in</strong>en auf dieses Gebiet. Trotz der zwischenzeitlichen<br />

Zerstörung des Brühl wurde dieses Viertel immer wieder für den<br />

Rauchwarenhandel neu aufgebaut.[2]<br />

Die Geschichte des Brühl ist eng mit der Geschichte der Leipziger Messe<br />

verbunden, und besonders mit der Geschichte der jüdischen Messebesucher. Die<br />

jüdischen Rauchwarenhändler nahmen besonders seit Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

<strong>in</strong> steigender Zahl an der Leipziger Messe teil. In der Geschichte nehmen vor<br />

allem die jüdischen Händler aus der ostgalizischen Stadt Brody e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Rolle e<strong>in</strong>.[3] Sie nahmen seit 1728 <strong>in</strong> ständig steigender Zahl an den Messen teil,<br />

die <strong>in</strong> Leipzig dreimal jährlich stattfanden, und standen <strong>in</strong> bezug auf die Höhe der<br />

E<strong>in</strong>- und Verkäufe mit an der Spitze der ausländischen Messebesucher. Damit<br />

beförderten die jüdischen Händler den Anstieg der Bedeutung der Messe seit der<br />

zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Entwicklung der Stadt Leipzig zu<br />

e<strong>in</strong>em Handelszentrum von <strong>in</strong>ternationalem Rang.<br />

Die Ansiedlung der Rauchwarenhändler am Brühl<br />

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts siedelten sich am Brühl die<br />

Rauchwarenhändler an. Dem war die allmähliche rechtliche und wirtschaftliche<br />

Gleichstellung der jüdischen Händler im Geschäftsleben vorausgegangen. Bereits<br />

ab 1772 hatten die Behörden der Stadt Leipzig auf e<strong>in</strong>en Teil der bis dah<strong>in</strong><br />

erhobenen landesherrlichen und städtischen <strong>Juden</strong>abgaben verzichtet, wenn der<br />

jeweilige jüdische Kaufmann beim Messebesuch E<strong>in</strong>käufe <strong>in</strong> Höhe von mehr als<br />

1000 Reichstalern getätigt hatte. Damit sollte der wachsenden Bedeutung der<br />

jüdischen Messebesucher für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Leipzig<br />

Rechnung getragen werden. Mit dem Anschluss des Kurfürstentums <strong>Sachsen</strong> an<br />

den Norddeutschen Bund im Jahre 1866 fielen die letzten Ausnahmegesetze<br />

gegen die <strong>Juden</strong>. Vor der E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es unbeschränkten Aufenthaltsrechts für<br />

10


die <strong>Juden</strong> wanderten nur wenige <strong>Juden</strong>, vorwiegend aus deutschen Städten, e<strong>in</strong>.<br />

Nach der rechtlichen Gleichstellung der <strong>Juden</strong> setzte relativ schnell e<strong>in</strong> Zustrom<br />

jüdischer E<strong>in</strong>wanderer, die vorwiegend aus Osteuropa kamen, e<strong>in</strong>.[4]<br />

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts siedelten sich, begünstigt durch den Wegfall der<br />

Benachteiligungen für jüdische E<strong>in</strong>wanderer, die Rauchwarenhändler am Brühl<br />

an.[5] In dieser Zeit kamen auch die Rauchwarenhändler Chaim Eit<strong>in</strong>gon (1857-<br />

1932) und Julius Ariowitsch (1867-1908) nach Leipzig. Ariowitsch siedelte 1877<br />

aus Slom<strong>in</strong> nach Leipzig über. Als se<strong>in</strong>en Firmensitz wählte er das alte Gasthaus<br />

„Zum blauen Harnisch“, Brühl 71, <strong>in</strong> dem die Landsmannschaft der Brodyer-<br />

Messjuden zugleich ihre erste Betstube e<strong>in</strong>richten.[6]<br />

Mit der Ansiedlung der jüdischen Händler nahm auch das jüdischen Leipzig<br />

se<strong>in</strong>en Aufschwung. Die jüdischen Geme<strong>in</strong>den vergrößerten sich, und die<br />

Geme<strong>in</strong>desynagoge <strong>in</strong> der Keilstraße 4 konnte sich etablieren. Zugleich erwarben<br />

die Brodyer-Messjuden im Jahre 1814 e<strong>in</strong>e Konzession für e<strong>in</strong>en eigenen<br />

jüdischen Friedhof, so dass der erste jüdische Friedhof im Johannisthal entstand.<br />

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Brühl zu e<strong>in</strong>em wichtigen<br />

Zentrum des europäischen Pelzhandels, des Handels mit Fellen und Leder.<br />

Zwischen 1875 und 1928 waren mehr als 800 Betriebe, die mit Fellen handelten,<br />

sie zurichteten oder färbten, <strong>in</strong> Leipzig ansässig. Die meisten der<br />

Rauchwarenbetriebe befanden sich am Brühl und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er näheren Umgebung.<br />

In der Literatur sprach man <strong>vom</strong> Basarcharakter des Brühls, auf dem viele<br />

Kürschnergesellen, die aus vielen Teilen der Welt kamen, und viele Pelzhändlern,<br />

die <strong>in</strong> zahlreichen Gastwirtschaften und Cafés saßen, über neue Geschäfte<br />

verhandelten.[7]<br />

Die <strong>in</strong>ternationale Berühmtheit, die der Brühl als Pelzstraße erlangte, dauerte<br />

zwischen den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis zur Machtergreifung<br />

der Nationalsozialisten an. Um 1900 wurde e<strong>in</strong> Drittel der weltweiten<br />

Pelzprodukte <strong>in</strong> Leipzig am Brühl umgeschlagen. Um 1920 gab es <strong>in</strong> Leipzig 184<br />

Kürschnereien und 794 Pelzhändler, und bis zu 11.000 Leipziger fanden <strong>in</strong> der<br />

Rauchwaren<strong>in</strong>dustrie Lohn und Brot.<br />

Der Umbau des Brühl seit dem 19. Jahrhundert<br />

Im 19. Jahrhundert wurde der Brühl baulich umgestaltet.[8] Der H<strong>in</strong>tergrund der<br />

erforderlichen baulichen Umgestaltung bestand dar<strong>in</strong>, dass sich seit Mitte dieses<br />

Jahrhunderts <strong>in</strong> dieser Geschäftsstraße viele Rauchwarenhändler niedergelassen<br />

hatten. Die meisten Häuser verfügten damals nicht über ausreichende Speicher<br />

und Verkaufskontore, die für die Pelzwaren<strong>in</strong>dustrie benötigt wurden.<br />

Entsprechend wurde das E<strong>in</strong>zugsgebiet zu e<strong>in</strong>em Viertel mit moderner<br />

Straßenführung und zweckmäßigen Geschäftshäusern umgebaut. Mit dem<br />

Straßendurchbruch bzw. der Raumgew<strong>in</strong>nung <strong>in</strong> östlicher Richtung erhielt der<br />

Brühl se<strong>in</strong> heutiges Bild.[9]<br />

Se<strong>in</strong>e endgültige Gestalt als Geschäftsstraße nahm der Brühl um 1914 an.<br />

Während sich die Läden <strong>in</strong> den Vordergebäuden <strong>in</strong> den Erdgeschosszonen<br />

befanden, waren die Büroräume <strong>in</strong> den oberen Stockwerken untergebracht.<br />

Außerdem gab es die Innenhöfe, die oft Durchgangshöfe waren. Die<br />

mehrstöckigen Magaz<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> denen die Felle e<strong>in</strong>gelagert wurden, befanden sich<br />

um diese Höfe herum.[10]<br />

11


Zu den bedeutenden Pelzfirmen, die ihren Sitz am Brühl hatten, gehörten die<br />

Chaim Eit<strong>in</strong>gon AG am Brühl Nr. 37 - 39, der Plauensche Hof von S. F<strong>in</strong>kelste<strong>in</strong><br />

und C. Wirth am Brühl Nr. 23, das Rauchwarenhaus M. Harmel<strong>in</strong> am Brühl Nr.<br />

47 und das frühere Gasthaus „Zum blauen Harnisch“ von M. Ariowitsch am Brühl<br />

Nr. 71. Zudem prägten zahlreiche jüdische Bankhäuser das Bild dieser<br />

Geschäftsstraße.[11]<br />

Die Veränderung des Brühl durch die Verfolgung der Nationalsozialisten und die<br />

Entwicklung nach 1945<br />

Die Verfolgung der jüdischen Bürger war für die jüdischen Kaufleute e<strong>in</strong> schwerer<br />

Schlag, genauso wie der Antisemitismus der Nationalsozialisten zu e<strong>in</strong>em<br />

E<strong>in</strong>bruch bei dem Rauchwarenhandel führte.[12] Der Antisemitismus führte zur<br />

Drangsalierung und zur Verhaftung vieler jüdischer Händler. Es gibt aus dieser<br />

Zeit auch entsprechende Augenzeugenberichte: „Der amerikanische Konsul <strong>in</strong><br />

Leipzig gab an das State Department e<strong>in</strong>en Bericht über den Boykottverlauf <strong>in</strong><br />

Mitteldeutschland (<strong>Sachsen</strong>, Prov<strong>in</strong>z <strong>Sachsen</strong>, Anhalt und Thür<strong>in</strong>gen), <strong>in</strong> dem es<br />

hieß, dass <strong>in</strong> Leipzig übereifrige Nationalsozialisten bereits am 31. März mit dem<br />

Boykott begonnen hätten, <strong>in</strong> Uniform dreimal <strong>in</strong> das Kaufhaus Brühl, auch <strong>in</strong><br />

andere Geschäfte e<strong>in</strong>gedrungen seien, die Kunden vertrieben und Angestellte<br />

festgenommen hätten.“[13]<br />

In den folgenden Jahren wurde die Verfolgung der <strong>Juden</strong> durch die<br />

Nationalsozialisten noch forciert. Zudem wurden große Teile des Brühls, vor<br />

allem die westliche Nordseite und die mittlere Südseite, durch den Bombenangriff<br />

<strong>vom</strong> 4. Dezember 1943 komplett zerstört.[14] Zugleich verzeichnete auch das<br />

Kürschnerhandwerk e<strong>in</strong>en totalen Niedergang. Von der e<strong>in</strong>stigen Weltmetropole<br />

des Pelzhandels war nach 1933 und nach 1945 wenig zu spüren, und der Brühl<br />

verlor se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>stige Bedeutung. Da auch die DDR der Rehabilitierung der <strong>Juden</strong><br />

wenig Aufmerksamkeit schenkte, blieb die jüdische Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Leipzig nach<br />

1945 sehr kle<strong>in</strong> und erlangte erst seit 1990 durch den Zustrom von <strong>Juden</strong><br />

(vorwiegend) aus der früheren Sowjetunion wieder ihre jetzige Größe.<br />

Mit dem Aufbau der Neubauten <strong>in</strong> den sechziger Jahren verlor der Brühl<br />

endgültig se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiges Aussehen. Es entstanden u.a. das Konsument-<br />

Warenhaus und das Firmengebäude der Firma Brühlpelz sowie das Bürohaus des<br />

Chemieanlagenbaus. Des weiteren wurden <strong>in</strong> der DDR-Zeit großräumige und<br />

hochgeschossige Wohnkomplexe gebaut, mit denen möglichst kostensparend und<br />

rationell Wohnraum zur Verfügung gestellt werden sollte.[15] Außerdem wurden<br />

zwischen den Wohngebäuden e<strong>in</strong>ige neue Handelse<strong>in</strong>richtungen errichtet.<br />

Nach der Wende wurden das Forum am Brühl mit dem Ibis-Hotel, das Novotel-<br />

Hotel und das Marriot-Hotel neu errichtet. Auf der anderen Seite entstanden<br />

neue Bürohäuser und Geschäftshäuser, zudem wurden andere Gebäude und der<br />

Denkmalschutzauflagen restauriert.[16]<br />

Mit dem Abriss der Wohne<strong>in</strong>heiten der sechziger Jahre und dem Aufbau neuer<br />

Büro- und Geschäftshäuser wurde im Jahr 2007 begonnen. Durch den Bau von<br />

E<strong>in</strong>kaufscenter, Büros und Wohnungen soll der Brühl e<strong>in</strong> modernes Antlitz<br />

erhalten. Ob und <strong>in</strong>wieweit der Brühl wenigstens ansatzweise an se<strong>in</strong>e glorreiche<br />

Vergangenheit als Geschäftsstraße <strong>in</strong> Leipzig anknüpfen kann, muss die Zukunft<br />

zeigen.<br />

12


Literatur<br />

Diamant, A., 1993: Chronik der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig, Chemnitz 1993.<br />

Engelhardt, H., 1994: Er<strong>in</strong>nern – Entdecken – Erleben: Leipzig, Stuttgart –<br />

Zürich – Wien, 1994.<br />

Fellmann, Walter: Der Leipziger Brühl : Geschichte und Geschichten des<br />

Rauchwarenhandels, Leipzig, Fachbuchverlag, 1989.<br />

Friedman, P., 1929: Die galizischen <strong>Juden</strong> im Kampfe um ihre Gleichberechtigung<br />

(1848-1868): 1848-1868, o.O. 1929.<br />

Hocquél, W., 1990: Leipzig – Baumeister und Bauten. Von der Romanik bis zur<br />

Gegenwart, Berl<strong>in</strong> – Leipzig, 1990.<br />

Loh-Kliesch, A., 1998-2008: Der Brühl, <strong>in</strong>: Leipzig-Lexikon, Lexikon/Enzyklopädie<br />

zur Geschichte und Gegenwart der Stadt Leipzig, Leipzig 1998-2008, <strong>in</strong>:<br />

http://www.leipzig-lexikon.de/STRASSEN/01009.htm, Zugriff <strong>vom</strong> 26. Juni 2008.<br />

Pauli, M., 2005: Öffentliche und private Steuerung von Stadtentwicklung <strong>in</strong><br />

unterschiedlichen Stadtentwicklung <strong>in</strong> unterschiedlichen Gesellschaftssystemen.<br />

E<strong>in</strong> Vergleich ost- und westdeutscher Städte, Hamburg - Münster 2005.<br />

Riedel, H., 2005: Leipziger Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig,<br />

Leipzig, 2005.<br />

Rosenfeld, M., 1933: Oberrabb<strong>in</strong>er Hirsch Perez Chajes: Se<strong>in</strong> Leben und Werk,<br />

o.O. 1933.<br />

ter Vehn, E./Kother, B., 2004: Leipzig: Reisen mit Insidertipps, Ostfildern, 2004.<br />

[1]Vgl. zur Lage Leipzigs an den zwei großen Handelsstraßen „via regia“ und „via imperii“<br />

u.a. Engelhardt, H., 1994: Er<strong>in</strong>nern – Entdecken – Erleben: Leipzig, Stuttgart – Zürich –<br />

Wien 1994, S. 9.<br />

[2]Vgl. Riedel, H., 2005: Leipziger Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig,<br />

Leipzig 2005, S. 71f.<br />

[3]Vgl. zur Geschichte der Brodyer jüdischen Geme<strong>in</strong>de: Rosenfeld, M., 1933:<br />

Oberrabb<strong>in</strong>er Hirsch Perez Chajes: Se<strong>in</strong> Leben und Werk, o.O. 1933, S. 10; Friedman, P.,<br />

1929: Die galizischen <strong>Juden</strong> im Kampfe um ihre Gleichberechtigung (1848-1868): 1848-<br />

1868, o.O. 1929, S. 9.<br />

[4]Vgl. Riedel, H., 2005: Leipziger Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig,<br />

Leipzig 2005, S. 276.<br />

[5]Vgl. Loh-Kliesch, A., 1998-2008: Der Brühl, <strong>in</strong>: Leipzig-Lexikon, Lexikon/Enzyklopädie<br />

zur Geschichte und Gegenwart der Stadt Leipzig, Leipzig 1998-2008, <strong>in</strong>:<br />

http://www.leipzig-lexikon.de/STRASSEN/01009.htm, Zugriff <strong>vom</strong> 26. Juni 2008, S. 2.<br />

[6]Vgl. zum Leben von Chaim Eit<strong>in</strong>gon ausführlicher Riedel, H., 2005: Leipziger<br />

Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig, Leipzig 2005, S. 129.<br />

[7]Vgl. ter Vehn, E./Kother, B., 2004: Leipzig: Reisen mit Insidertipps, Ostfildern 2004,<br />

S. 26.<br />

[8]Vgl. z.B. Hocquél, W., 1990: Leipzig – Baumeister und Bauten. Von der Romanik bis<br />

zur Gegenwart, Berl<strong>in</strong> - Leipzig 1990, S. 34<br />

[9]Vgl. Riedel, H., 2005: Leipziger Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig,<br />

Leipzig 2005, S. 72.<br />

[10]Vgl. Riedel, H., 2005: Leipziger Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig,<br />

Leipzig 2005, S. 72.<br />

[11]Vgl. Loh-Kliesch, A., 1998-2008: Der Brühl, <strong>in</strong>: Leipzig-Lexikon,<br />

Lexikon/Enzyklopädie zur Geschichte und Gegenwart der Stadt Leipzig, Leipzig 1998-<br />

2008, <strong>in</strong>: http://www.leipzig-lexikon.de/STRASSEN/01009.htm, Zugriff <strong>vom</strong> 26. Juni<br />

2008, S. 2; Riedel, H., 2005: Leipziger Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig,<br />

Leipzig 2005, S. 72.<br />

[12]Vgl. Engelhardt, H., 1994: Er<strong>in</strong>nern – Entdecken – Erleben: Leipzig, Stuttgart –<br />

Zürich – Wien 1994, S. 54.<br />

[13]Diamant, A., 1993: Chronik der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig, Chemnitz 1993, S. 509.<br />

13


[14]Vgl. Loh-Kliesch, A., 1998-2008: Der Brühl, <strong>in</strong>: Leipzig-Lexikon,<br />

Lexikon/Enzyklopädie zur Geschichte und Gegenwart der Stadt Leipzig, Leipzig 1998-<br />

2008, <strong>in</strong>: http://www.leipzig-lexikon.de/STRASSEN/01009.htm, Zugriff <strong>vom</strong> 26. Juni<br />

2008, S. 2.<br />

[15]Vgl. Pauli, M., 2005: Öffentliche und private Steuerung von Stadtentwicklung <strong>in</strong><br />

unterschiedlichen Stadtentwicklung <strong>in</strong> unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. E<strong>in</strong><br />

Vergleich ost- und westdeutscher Städte, Hamburg - Münster 2005, S. 28; Loh-Kliesch,<br />

A., 1998-2008: Der Brühl, <strong>in</strong>: Leipzig-Lexikon, Lexikon/Enzyklopädie zur Geschichte und<br />

Gegenwart der Stadt Leipzig, Leipzig 1998-2008, <strong>in</strong>: http://www.leipziglexikon.de/STRASSEN/01009.htm,<br />

Zugriff <strong>vom</strong> 26. Juni 2008, S. 3.<br />

[16]Vgl. Riedel, H., 2005: Leipziger Stadtlexikon von A bis Z, hrsg. von Pro Leipzig,<br />

Leipzig 2005, S. 72.<br />

Von Dr. Andreas Willnow<br />

14


Rezensionen<br />

Familie Eit<strong>in</strong>gon und die Eit<strong>in</strong>gon-Stiftung. Kultour im<br />

Waldstraßenviertel. Herausgegeben <strong>vom</strong> Bürgervere<strong>in</strong><br />

Waldstraßenviertel e.V. mit freundlicher Unterstützung durch die<br />

Erbengeme<strong>in</strong>schaft Eit<strong>in</strong>gon sowie durch die Stiftung Mitarbeit Bonn,<br />

Leipzig, 2006<br />

Das vorliegende Buch entstand <strong>in</strong> Anknüpfung an e<strong>in</strong>e gleichnamige Ausstellung,<br />

die anlässlich der Leipziger Jüdischen Woche 2005 <strong>vom</strong> Vere<strong>in</strong><br />

Waldstraßenviertel präsentiert wurde. Im ersten Teil des Buches wird e<strong>in</strong> kurzer<br />

Abriss über die zaristische <strong>Juden</strong>politik gegeben und die geographische Herkunft<br />

der Familie des bekannten Leipziger Rauchwarenhändlers Chaim Eit<strong>in</strong>gon<br />

verortet, e<strong>in</strong>schließlich e<strong>in</strong>es Überblicks über den Familienstammbaum. In e<strong>in</strong>er<br />

Kurzbiografie des Rauchwarenhändlers und Arztes Max Eit<strong>in</strong>gon stellen die<br />

Autoren den Lebensweg des Psychiaters hauptsächlich anhand se<strong>in</strong>es schulischen<br />

und beruflichen Werdegangs dar. Ausführlich wird auf Max Eit<strong>in</strong>gons<br />

Freundschaft zu Sigmund Freud und se<strong>in</strong>e Arbeit <strong>in</strong> verschiedenen<br />

psychoanalytischen Gruppen e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Der zweite Teil der Veröffentlichung erzählt die Geschichte des Leipziger Brühl,<br />

der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Leipzig und der Firma „Fa. Chaim Eit<strong>in</strong>gon – Rauchwaren“: von ihrer<br />

Gründung 1882 <strong>in</strong> Moskau über die Zeit von 1917 bis zu den dreißiger Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts, als die Firma „Fa. Chaim Eit<strong>in</strong>gon - Rauchwaren“<br />

ihren Hauptsitz am Leipziger Brühl hatte.<br />

Die Autoren widmen auch der "Aktiengesellschaft für Geschäftshausbau, Leipzig"<br />

mehrere Abschnitte und stellen "Mäzenatentum und Wohltätigkeit" der Familie<br />

Eit<strong>in</strong>gon überwiegend <strong>in</strong> Zusammenhang mit der Errichtung der Ez-Chaim-<br />

Synagoge sowie der Geschichte des Sächsischen Israelitischen Krankenhauses<br />

dar. Vorläufer des Sächsischen Israelitischen Krankenhauses war das israelitische<br />

Krankenheim. Zunächst werden die Gründung des Krankenheims, die se<strong>in</strong>er<br />

Überlastung geschuldete Entscheidung, e<strong>in</strong> Krankenhaus errichten zu wollen, die<br />

Entwicklung der zu diesem Zweck errichteten Stiftung geschildert und die<br />

Grundsätze und Lage des neuen Krankenhauses abgehandelt. Drei<br />

Kurzbiografien der Mitarbeiter und Ärzte des Krankenhauses, Dr.med. Pascal<br />

Deuel, Dr.med. Ludwig Frankenthal und Professor Dr. Mart<strong>in</strong> Nothmann,<br />

ergänzen diesen Abschnitt. Daran schließt sich e<strong>in</strong>e Betrachtung zur Geschichte<br />

des Krankenhauses <strong>in</strong> den Jahren des Nationalsozialismus an. Das Buch endet<br />

mit e<strong>in</strong>em kurzen Abriss der Geschichte des Krankenhauses nach 1945 bis heute.<br />

Neben dem Text wartet das Werk mit Fotografien der wichtigsten Personen und<br />

der relevanten Schauplätze des Geschehens auf. Trotz der Knappheit des Platzes,<br />

vierzig Seiten, ist es den Autoren gelungen, e<strong>in</strong>e umfassende Darstellung der<br />

Geschichte der Familie Eit<strong>in</strong>gon und des Sächsischen Israelitischen<br />

Krankenhauses – Eit<strong>in</strong>gon Stiftung zu geben und diese <strong>in</strong> die kulturelle,<br />

personale und vor allem wirtschaftliche Umgebung e<strong>in</strong>zubetten.<br />

Christian Böwe<br />

15


Budzyn, Krzysztof: Dr. Hermann Schreiber. Rab<strong>in</strong> w Poszdamie.<br />

Wspom<strong>in</strong>a mlodosc w Sremie, <strong>in</strong>: Sremski Notatnik Historyczny, Nr. 2,<br />

Srem Grudzien, 2008<br />

Der polnische Historiker Krzysztof Budzyn aus Srem hat die "Schrimmer<br />

Jugender<strong>in</strong>nerungen" des Potsdamer Rabb<strong>in</strong>ers Dr. Hermann Schreiber, e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>zigartiges Dokument der jüdischen Geschichte der wielkopolnischen Geme<strong>in</strong>de<br />

Srem bei Poznan, herausgegeben. Achtzig Jahre nach dem Ersche<strong>in</strong>en des Textes<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ist er jetzt <strong>in</strong> Srem angekommen, schreibt Budzyn. Die Broschüre<br />

"Schrimmer Jugender<strong>in</strong>nerungen" ist das Textmanuskript e<strong>in</strong>es Vortrags, den Dr.<br />

Hermann Schreiber am 6. März 1927 im "Vere<strong>in</strong> der Schrimmer zu Berl<strong>in</strong>" hielt.<br />

E<strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>al der Berl<strong>in</strong>er <strong>Ausgabe</strong> des Buches bef<strong>in</strong>det sich im Besitz des<br />

Chemnitzers Michael Müller, der Budzyn den Text zur Herausgabe <strong>in</strong> Polnisch zur<br />

Verfügung gestellt hat. Im Sommer 2008 suchte Budzyn <strong>in</strong> Potsdam nach den<br />

Spuren Schreibers, der <strong>in</strong> Srem geboren, mehr als e<strong>in</strong> Viertel Jahrhundert als<br />

Rabb<strong>in</strong>er die Geschicke der Potsdamer Synagoge geleitet hatte.<br />

Als Hermann Schreiber im Jahr 1882 <strong>in</strong> Srem als Sohn e<strong>in</strong>es Synagogendieners<br />

geboren wurde, hatte die jüdische Geme<strong>in</strong>de des Ortes ihren Zenit bereits<br />

überschritten. Fast 1000 Jahre hatten <strong>in</strong> Srem, Dolsk, Korniku und Ksiazu <strong>Juden</strong><br />

gelebt. In den Jahren 1835 bis 1860 betrug der Anteil der jüdischen E<strong>in</strong>wohner <strong>in</strong><br />

Srem rund 30 Prozent. Zwischen den Jahren 1836 und 1838 wurde die Synagoge<br />

des Ortes gebaut.<br />

Beg<strong>in</strong>nend <strong>in</strong> den 1830er Jahren und rasant ab 1860 wanderte die überwiegende<br />

Mehrheit der <strong>Juden</strong> um Poznan jedoch aus. 1898 waren nur noch 10 Prozent<br />

(607) der 5.800 E<strong>in</strong>wohner der Stadt Srem <strong>Juden</strong>. Die Synagoge musste<br />

geschlossen werden. Nur zwei der im Jahr 1939 26 noch <strong>in</strong> Srem lebenden <strong>Juden</strong><br />

überlebten den Holocaust. Im Jahr 1968 wurde die Synagoge, die auf dem<br />

Titelblatt des Buches abgebildet ist, abgerissen.<br />

Auch Hermann Schreiber kehrte nach e<strong>in</strong>em theologischen Studium <strong>in</strong> Wroclaw<br />

und Philosophie-Promotion nicht nach Srem zurück, sondern folgte e<strong>in</strong>em Ruf als<br />

Rabb<strong>in</strong>er an die Potsdamer Synagoge. Um so wertvoller ersche<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>e nun <strong>in</strong><br />

Polnisch veröffentlichten Er<strong>in</strong>nerungen an e<strong>in</strong>e damals <strong>in</strong>takte, aber mittlerweile<br />

<strong>in</strong> alle Welt zerstreute Geme<strong>in</strong>de. Schreiber er<strong>in</strong>nerte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vortrag an das<br />

Gymnasium, das er im Jahr 1901 abschloss. Ausführlich schilderte er religiöse<br />

Feiertage, das Geme<strong>in</strong>deleben und die Geme<strong>in</strong>demitglieder se<strong>in</strong>es Geburtsortes.<br />

16


Dr. Hermann Schreiber war 27 Jahre, bis zu se<strong>in</strong>er Verhaftung 1938 und se<strong>in</strong>er<br />

Emigration nach Großbritannien im Jahr 1939, Rabb<strong>in</strong>er der Potsdamer<br />

Synagoge. In Großbritannien schloss er sich als jüdischer Gelehrter und Rabb<strong>in</strong>er<br />

der Westm<strong>in</strong>ster Synagoge und der Association of Synagoges <strong>in</strong> Great Brita<strong>in</strong><br />

an. Er starb 1954 während e<strong>in</strong>es Aufenthalts <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong> Grab bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong><br />

der Ehrenreihe des jüdischen Friedhofs Berl<strong>in</strong>-Weißensee. Schreibers<br />

Nachkommen erwarben sich bleibende Verdienste um die Neugründung der<br />

Brandenburger jüdischen Geme<strong>in</strong>de Anfang der 90er Jahre.<br />

Budzyn hat die <strong>Ausgabe</strong> der "Jugender<strong>in</strong>nerungen" mit ausführlichen<br />

Kommentaren, e<strong>in</strong>em Lexikon jüdischer Begriffe sowie e<strong>in</strong>em Abriss der<br />

Geschichte jüdischen Lebens <strong>in</strong> Srem versehen. Auch die Geschichte der<br />

Potsdamer Synagoge, der langjährigen Wirkungsstätte Schreibers, und e<strong>in</strong><br />

Nachruf des Vorstands und Rabb<strong>in</strong>ers der Westm<strong>in</strong>stersynagoge, Harold<br />

Re<strong>in</strong>hart, auf Hermann Schreiber aus dem Jahre 1954 s<strong>in</strong>d der Broschüre<br />

beigefügt worden.<br />

Die polnische <strong>Ausgabe</strong> des Vortrags Hermann Schreibers aus dem Jahr 1927 ist<br />

wiederum e<strong>in</strong> Beweis für den Aufschwung, den die jüdischen Lokalhistoriografie<br />

<strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa <strong>in</strong> den letzten zwei Jahrzehnten genommen hat.<br />

SW<br />

Buhbe, Matthes, Gorzka, Gabriele (Hrsg.): Russland heute.<br />

Rezentralisierung des Staates unter Put<strong>in</strong>. VS Verlag für<br />

Sozialwissenschaften, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2007<br />

Im November 2005 tagte im Ost-West-Wissenschaftszentrum der Universität<br />

Kassel der "Schönfelder Kreis", e<strong>in</strong>e Gruppe von Sozialwissenschaftlern und<br />

Russlandspezialisten, die sich dem Ziel verschrieben hat, die sozial-politischen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für den Wissenstransfer und die wissenschaftliche<br />

Kooperation zwischen Russland und Deutschland auszuloten und zu begleiten.<br />

Der Sammelband "Russland heute" veröffentlicht die Tagungsbeiträge und die<br />

Resultate, zu denen die Wissenschaftler <strong>in</strong> den Konferenzdebatten gelangt<br />

s<strong>in</strong>d.[1]<br />

Von se<strong>in</strong>em Anliegen her erweitert das Projekt des "Schönfelder Kreises" den im<br />

Bereich des technologischen Wissenstransfers erfolgreichen Slogan "Kooperation<br />

und Modernisierung" auf die Sozialwissenschaften und macht ihn so für die<br />

Analyse der politischen Prozesse <strong>in</strong> Russland fruchtbar. Der Begriff<br />

"Modernisierungskooperation" ist mittlerweile e<strong>in</strong> anerkanntes Paradigma der<br />

deutschen Außenpolitik <strong>in</strong> den Beziehungen zu Russland.[2] Die Notwendigkeit<br />

und das Bemühen um Kooperation mit Russland erfordert demnach e<strong>in</strong>en<br />

realistischen, unambitionierten und doch zugleich kritischen Blick auf die<br />

russische Politik, e<strong>in</strong>e unvore<strong>in</strong>genommene Analyse der russischen Positionen<br />

und der Interessen des Partnerlandes <strong>in</strong> der <strong>in</strong>ternationalen Politik. Auch aus<br />

diesem Grund hat das Buch nichts von se<strong>in</strong>er Aktualität e<strong>in</strong>gebüßt.<br />

17


Die Herausgeber Matthes Buhbe und Gabriele Gorzka würdigen im Vorwort<br />

offensichtliche und erklärte Bemühungen der russischen Eliten um wirtschaftliche<br />

und technische Modernisierung nach westlichen Standards.[3] Probleme, die sich<br />

<strong>in</strong>folge der fortschreitenden Vertikalisierung autoritär-zentralistischer<br />

Machtstrukturen ergeben, könnten sich als Übergangsersche<strong>in</strong>ungen erweisen.<br />

Politische Protektion, Korruption und Interessenkoalitionen des Elitenkartells, das<br />

die russische Politik derzeit beherrscht, werden absehbar im Zuge der<br />

Modernisierung und der Entwicklung e<strong>in</strong>er zunehmend erfolgreichen Mittelschicht<br />

"e<strong>in</strong>er harten Belastungsprobe ausgesetzt" se<strong>in</strong>. Im Verlaufe der wirtschaftlichen<br />

Modernisierung wachsen die auf Leistung aufbauenden Gesellschaftsstrukturen<br />

und deren öffentliche Artikulation, so die Prognose der Herausgeber.<br />

Der Sammelband "Russland heute" analysiert ausgehend von diesen Prämissen<br />

die politischen, wirtschaftlichen und außenpolitischen Entwicklungen <strong>in</strong> der<br />

zweiten Amtszeit Put<strong>in</strong>s etwa bis Mitte 2006 und gibt darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en<br />

Ausblick auf die Wahlen 2007/2008. Im Rahmen der Konzepte Stabilität,<br />

Legitimität und Effizienz befassen sich die Autoren der Aufsätze im ersten Teil<br />

des Buches mit der Wechselbeziehung zwischen Zentrum und Regionen und<br />

h<strong>in</strong>terfragen im zweiten Teil die Möglichkeiten und Grenzen e<strong>in</strong>er<br />

wachstumsorientierten Modernisierung der Wirtschaft bei zunehmender<br />

bürokratischer Zentralisierung der Politik. Die Aufsätze im dritten Teil des<br />

Buches beschäftigen sich mit den Reformen des Wahl- und Parteiensystems, die<br />

den Eliten vorhersehbare Wahlergebnisse und Stabilität sichern.<br />

Die <strong>in</strong>nenpolitischen Analysen vermeiden die Verwendung<br />

demokratietheoretischer Transitionsansätze. Die Argumente für dieses<br />

Herangehen liefert Hans-Henn<strong>in</strong>g Schröder <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>leitenden Beitrag.<br />

Demnach geben normative demokratietheoretische Transitionsmodelle auf<br />

entscheidende Fragen und Probleme der russischen Gesellschaft im Umbruch<br />

ke<strong>in</strong>e Antwort. Schröder schlägt deshalb vor, sich gänzlich von den Transitions-<br />

und Hybridansätzen zu lösen und das Modell des kompetitiven Autoritarismus als<br />

Ausgangspunkt für die Analyse der politischen Prozesse <strong>in</strong> Russland zu wählen.<br />

Darauf aufbauend konstatiert er die Herausbildung e<strong>in</strong>es Elitenkartells, dessen<br />

Grundzüge sich bereits Mitte der 90er Jahre formiert hatten. Die Lösung der vor<br />

der russischen Gesellschaft stehenden Probleme: Staatsbildung, Stabilisierung<br />

und gesellschaftliche Neukonstituierung könne ausgehend von den Indikatoren<br />

Legitimität, Effizienz und politische Stabilität (Risiken) abgefragt werden. Se<strong>in</strong><br />

Fazit: In der fragilen gesellschaftlich-politischen Konstruktion Russlands ist der<br />

Präsident, geschützt durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligente Medienregie, der e<strong>in</strong>zige<br />

Integrationspunkt. Die demokratischen Kräfte s<strong>in</strong>d schwach. Radikale Kräfte<br />

dagegen erhalten durch Elitenkonflikte und latente soziale Probleme Aufschwung.<br />

Jacob Fruchtmann belegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bilanz des russischen Föderalismus die<br />

positiven Effekte der bürokratischen Zentralisierung. Im Unterschied zu Jelz<strong>in</strong><br />

habe Put<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e föderationspolitische Konzeption vorzuweisen. Die Zeit des<br />

personengebundenen, <strong>in</strong>formellen und <strong>in</strong>dividuellen "barga<strong>in</strong><strong>in</strong>gs" zwischen<br />

Zentrum und regionalen Politikern sei zu Ende, der politischen Fragmentierung<br />

e<strong>in</strong> Riegel vorgeschoben.<br />

Im Gegensatz zu Fruchtmann verweisen die russischen Regionalforscher Anna<br />

Tschirikowa und Nikolaj Petrow darauf h<strong>in</strong>, dass sich die <strong>in</strong>formellen<br />

"barga<strong>in</strong><strong>in</strong>g"-Prozesse und die Individualisierung der föderalen Beziehungen<br />

ungeachtet der bürokratischen Zentralisierung fortsetzen, auch wenn die Formen<br />

18


und die Art der Ressourcen der regionalen Politiker sich wandeln (Tschirikowa).<br />

Petrow warnt vor e<strong>in</strong>er extremen Schwächung der regionalen Akteure. Der<br />

Autoritarismus ist ke<strong>in</strong>e Alternative zum Föderalismus, der derzeit daran<br />

scheitert, dass die Eliten nicht zu langfristigen Kompromissen fähig s<strong>in</strong>d und die<br />

rechtlichen und <strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen fehlen. Mommsen und<br />

Nussberger weisen nach, dass es gerade die <strong>in</strong>formellen Zusammenhänge im<br />

derzeitigen "Elitenkartell" s<strong>in</strong>d, die der "Kreml-AG" zum Durchbruch verhelfen.<br />

Im Falle der Abschaffung der regionalen Gouverneurswahlen 2004 habe sich<br />

zudem gezeigt, dass das Verfassungsgericht <strong>in</strong> der "gelenkten Demokratie" nicht<br />

gewillt ist, e<strong>in</strong>e Wächterfunktion zu übernehmen.<br />

Die Zentralisierung der Macht im Zuge der Reformen der föderalen Strukturen<br />

und e<strong>in</strong>er von oben <strong>in</strong>stallierten "Quasi-Zivilgesellschaft" wirft Fragen nach den<br />

Risiken der "gelenkten" Demokratie für die politische Stabilität und nach der<br />

Effizienz der von Put<strong>in</strong> <strong>in</strong>itiierten "Stabilisierungsstrategie" auf.<br />

Risiken birgt die Zentralisierung im Rahmen e<strong>in</strong>es Elitenkartells aus Sicht der<br />

Autoren aufgrund e<strong>in</strong>er fehlenden gesellschaftlichen Rückkopplung, sodass sich<br />

Russland <strong>in</strong>folge als "Riese auf tönernen Füßen" darstellt. Dies betrifft sowohl die<br />

Regionalpolitik als auch die "Quasi-Zivilgesellschaft" und die Parteienlandschaft.<br />

Petra Stykow zeigt, dass die "<strong>in</strong>stallierten" politischen Räte, Kammern und<br />

Konsultationsregime e<strong>in</strong>er "Quasi-Zivilgesellschaft" nur begrenzt als Gegenstück<br />

zur Zentralisierung funktionieren. Sie scheitern wie Stykow am angestrebten<br />

"Konsultationsregime" zwischen der politischen Elite und den<br />

Unternehmerverbände plausibel zeigt, an ihrer vertikalen Organisation und<br />

willkürlich veränderten Spielregeln. Die Unternehmerverbände s<strong>in</strong>d schwache<br />

politische Akteure: "Staatlich geschaffene Gelegenheitsstrukturen s<strong>in</strong>d für ihre<br />

Entwicklung systematisch von größerer Bedeutung als endogene Eigenschaften<br />

der betreffenden Bus<strong>in</strong>ess Communities, denen residuale Erklärungskraft<br />

zukommt", schreibt Stykow.<br />

Die mit dem russischen Wirtschaftswachstum und der Wirtschaftspolitik<br />

befassten Autoren stellen <strong>in</strong> den Vordergrund, dass <strong>in</strong> den Jahren 2004/2005 die<br />

ursprünglichen Wachstumsimpulse nach der Krise von 1998 erschöpft waren und<br />

spätestens seit diesem Zeitpunkt e<strong>in</strong> Wechsel <strong>in</strong> der Wirtschaftspolitik erwartet<br />

und e<strong>in</strong>gefordert wird (Dynk<strong>in</strong>, Deljag<strong>in</strong>). Alexander Dynk<strong>in</strong> sieht e<strong>in</strong>e wachsende<br />

Rolle des Staates <strong>in</strong> der Wirtschaft voraus und Michail Deljag<strong>in</strong> warnt vor e<strong>in</strong>er<br />

Fortsetzung der monetären Rubelstabilisierung aus dem Stabilitätsfond. Die Folge<br />

seien Rentabilitätsprobleme <strong>in</strong> der verarbeitenden Industrie und zu ger<strong>in</strong>ge<br />

Investitionen. Die Entwicklungen im <strong>in</strong>terregionalen F<strong>in</strong>anzausgleich seien<br />

katastrophal, so Deljag<strong>in</strong>. Parallel zur Umverteilung der Haushaltse<strong>in</strong>nahmen von<br />

den Regionen <strong>in</strong>s Zentrum wachsen die f<strong>in</strong>anziellen Hilfen an die Regionen <strong>in</strong><br />

besorgniserregendem Ausmaß. Der "regionale F<strong>in</strong>anzausgleich" orientiere sich<br />

zudem ausschließlich am Lebensstandard. Axel Lebahn analysiert die<br />

Investitionsbed<strong>in</strong>gungen für <strong>in</strong> Russland tätige ausländische Unternehmen.<br />

Aufgrund der abgeschwächten Wachstumsimpulse verschlechtert sich das<br />

wirtschaftliche Umfeld der Unternehmen zusehends. Betroffen seien vor allem<br />

kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen. Er fordert mit Blick auf die außenpolitisch<br />

widersprüchliche Konstellation Deutschland - Russland - USA zudem mehr<br />

politische Beratung für Unternehmen, die <strong>in</strong> Russland <strong>in</strong>vestieren wollen.<br />

Peter W. Schulze br<strong>in</strong>gt im Schlussartikel des Buches zum Ausdruck, dass das<br />

Jahr 2006 politisch und ökonomisch, <strong>in</strong> Deutschland wenigstens, als e<strong>in</strong>e erhoffte<br />

19


Zäsur wahrgenommen wurde. Als Symbol e<strong>in</strong>es Wechsels fasst Schulze <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang auch den Slogan von der "Souveränen Demokratie", formuliert<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rede des damaligen Vizeleiters der Präsidialadm<strong>in</strong>istration und<br />

Assistenten von Präsident Put<strong>in</strong>, Vladislav Surkov, im Februar 2006, auf.<br />

Die ausschließlich positive und fast schon an Wunschdenken grenzende<br />

Interpretation der Rede Surkovs als Reformsignal war nicht völlig unbegründet.<br />

Das politische Modell Put<strong>in</strong> hatte sich mit der E<strong>in</strong>führung der präsidialen<br />

Ernennung der Gouverneure, der Installation e<strong>in</strong>er "Quasi-Zivilgesellschaft" und<br />

den Reformen des Wahlgesetzes langfristig politisch abgesichert. Die<br />

Stabilisierung mit den entsprechenden politischen E<strong>in</strong>schnitten schien somit<br />

abgeschlossen. Die neu aus der Taufe gehobenen Nationalen<br />

Entwicklungsprogramme, e<strong>in</strong>e vorsichtige Dezentralisierung von Kompetenzen an<br />

die Regionen und selbst der Aktionismus bürokratischer Akteure <strong>in</strong> der Wirtschaft<br />

deuteten Veränderungen an. Die wirtschaftspolitischen Schritte der Regierung<br />

konnten als Antwort auf die befürchtete Stagnation <strong>in</strong>folge sich erschöpfender<br />

Wachstumsfaktoren gewertet werden.<br />

Unabhängig von den widersprüchlichen Impulsen, die seit 2006 von den<br />

politisch-bürokratischen Akteuren und der Wirtschaftspolitik ausg<strong>in</strong>gen, der hohe<br />

Ölpreis und e<strong>in</strong>e offensive Kreditpolitik der russischen Banken haben, bis <strong>in</strong> das<br />

erste Amtsjahr des neuen Präsidenten Dmitrij Medvedjev h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, tatsächlich zu<br />

wachsendem E<strong>in</strong>kommen und Investitionen des russischen Mittelstands<br />

beigetragen, wohl aber auch e<strong>in</strong>en Aufschub grundlegender Reformen des<br />

Modernisierungsmodells ermöglicht.[4] Es kam nicht zu dem 2006 erhofften<br />

neuen Reformschub, vielmehr rückten der Ausbau der Machtvertikale, die<br />

Ausweitung der staatlichen Kontrolle strategischer Wirtschaftsbereiche und<br />

außenpolitisch die Betonung der russischen Souveränität <strong>in</strong> den Mittelpunkt, so<br />

Axel Lebahn, e<strong>in</strong> Teilnehmer des damaligen OWWZ-Projekts zu den jüngsten<br />

Entwicklungen.[5]<br />

Unter Berücksichtigung dieser Tendenzen rät Lebahn zu e<strong>in</strong>er Intensivierung der<br />

"Modernisierungskooperation" zwischen Russland und Deutschland, auch um der<br />

Reformdynamik neuen Schwung zu verleihen. Alexander Rahr und Michael<br />

Stürmer vertreten <strong>in</strong> ihren jüngsten Veröffentlichungen ebenfalls die Auffassung,<br />

dass nur e<strong>in</strong>e realistische Sicht auf das heutige Russland konstruktive<br />

Beziehungen ermöglicht.[6] "Modernisierungskooperation" be<strong>in</strong>haltet sowohl das<br />

Ausloten und Gestalten von Kooperationschancen als auch Kritik und das<br />

Aufzeigen der Risiken aktueller Modernisierungsstrategien des Partners, so der<br />

deutsche Außenm<strong>in</strong>ister Frank-Walter Ste<strong>in</strong>meier dazu <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rede im Mai 2008<br />

<strong>in</strong> Jekater<strong>in</strong>burg.[7]<br />

[1] Im Jahr 2004 veröffentlichte der Schönfelder Kreis das Buch "Woh<strong>in</strong> steuert Russland<br />

unter Put<strong>in</strong>?", erschienen im Campus Verlag Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, herausgegeben von<br />

Gabriele Gorzka und Peter W. Schulze. Vgl. http://www.owwz.de.<br />

[2] Vgl. Dr. Axel Lebahn: Russland heute: Tauwetter ade und kalter Krieg? 23. August<br />

2008. http://www.solon-l<strong>in</strong>e.de, 27.01.<strong>2009</strong>.<br />

[3] Dr. Gabriele Gorzka ist Leiter<strong>in</strong> des OWWZ. Matthes Buhbe war zur Zeit der<br />

Veröffentlichung des Buches Leiter des Moskauer Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

(FES). Heute leitet er das Referat Mittel- und Osteuropa der FES. "Russland heute"<br />

entstand <strong>in</strong> Kooperation des OWWZ mit der FES.<br />

[4] Vgl. Fischer, Peter A.: Quer durch das neue Russland. Reportagen zur russischen<br />

Wirtschaft und Gesellschaft, Verlag Neue Züricher Zeitung, Zürich, 2008.<br />

[5] Dr. Axel Lebahn: Russland heute: Tauwetter ade und kalter Krieg?<br />

20


[6] Rahr, Alexander: Put<strong>in</strong> nach Put<strong>in</strong>. Das kapitalistische Russland am Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er<br />

neuen Weltordnung, Universitas Verlag, Wien, <strong>2009</strong>; Stürmer, Michael: Russland. Das<br />

Land, das aus der Kälte kam, Murman Verlag, Hamburg, 2008.<br />

[7] Dr. Axel Lebahn: Russland heute: Tauwetter ade und kalter Krieg?<br />

SW<br />

21


Kurzbiografien<br />

Horst Blauste<strong>in</strong><br />

Horst Blauste<strong>in</strong> wurde am 27.01.1915 <strong>in</strong> Leipzig geboren. Se<strong>in</strong> Großvater<br />

väterlicherseits war im 19. Jahrhundert aus Galizien kommend nach Leipzig<br />

zugewandert. Der Vater, Hugo Blauste<strong>in</strong>, gehörte der Israelitischen<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Leipzig an. Die Mutter, Margarethe Blauste<strong>in</strong>, geborene<br />

Blume, war evangelisch-lutherischen Glaubens wie auch Horst Blauste<strong>in</strong> selbst.<br />

Horst Blauste<strong>in</strong> engagierte sich als Mitglied im aktiven Widerstand <strong>in</strong> der "Zelle-<br />

Zentrum". Bis zu se<strong>in</strong>em politischen Engagement <strong>in</strong> den 1930er Jahren hatte er<br />

kaum Beziehungen zur jüdischen Religion. Erst durch die Politik der<br />

Nationalsozialisten wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e "jüdische" Rolle gedrängt und als "Halbjude"<br />

bezeichnet. Blauste<strong>in</strong> wurde 1935 verhaftet und von den Nationalsozialisten für<br />

e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong>s Gefängnis gesperrt. Blauste<strong>in</strong>s Vater, Hugo Blauste<strong>in</strong>, und weitere<br />

Verwandte wurden im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Horst Blauste<strong>in</strong><br />

überlebte den Holocaust. 1946 heirate er Ursula Wunderlich. Die Blauste<strong>in</strong>s<br />

haben e<strong>in</strong>en Sohn namens Manfred. Anfang der 90er Jahre lebte Blauste<strong>in</strong> als<br />

Witwer <strong>in</strong> Leipzig-Schönefeld.<br />

Ephraim-Carlebach-Stiftung Leipzig [Hrsg.], Judaica Lipsiensia: Zur Geschichte der <strong>Juden</strong><br />

<strong>in</strong> Leipzig, Edition Leipzig, Leipzig, 1994, S. 162.<br />

Solvejg Höppner: Die "Zelle Zentrum" im antifaschistischen Widerstand <strong>in</strong> Leipzig<br />

1933/1934. Diplomarbeit. Universität Leipzig, 1991, S. 58f.<br />

Hermann Hersch Bittmann<br />

Hermann Bittmann wurde am 05.02.1896 <strong>in</strong> Kolomea geboren. Er kam 1907<br />

nach Leipzig und eröffnete 1909 <strong>in</strong> Leipzig e<strong>in</strong>en Warenhandlung mit Obst,<br />

Gemüse und Getränken. Seit 1919 handelte er mit Fellen. Se<strong>in</strong><br />

Rauchwarenhandel befand sich <strong>in</strong> der Nordstraße 24, zweite Etage. Bittmann<br />

wurde im September 1939 <strong>in</strong> das KZ Buchenwald verschleppt, wo er am<br />

16.03.1942 starb.<br />

Bertram, Ellen: Menschen ohne Grabste<strong>in</strong>: Die aus Leipzig deportierten und ermordeten<br />

<strong>Juden</strong>. Herausgegeben von Rolf und Brigitte Kralovitz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der Ephraim<br />

Carlebach Stiftung und der Israelitischen Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Leipzig, Leipzig, 2001, S.<br />

69.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>, 13.<br />

Kowalzik, Barbara: Jüdisches Erwerbsleben <strong>in</strong> der <strong>in</strong>neren Nordvorstadt Leipzigs 1900 -<br />

1933, Leipziger Universitätsverlag, Leipzig, 1999, S. 49.<br />

22


Familie Birnberg<br />

Sarah Birnberg<br />

Sarah Birnberg, geborene Rub<strong>in</strong>, kam am 05.02.1896 <strong>in</strong> Leipzig zur Welt. Sie<br />

hatte den Kaufmann Markus Birnberg geheiratet. Die K<strong>in</strong>der der Birnbergs, Chaje<br />

und Osias Birnberg, kamen während des Holocaust ums Leben. Ihr Ehemann,<br />

Markus Birnberg, wurde im Juni 1938 während der Sonderaktion "Arbeitsscheue<br />

Reich" verhaftet und <strong>in</strong> das KZ <strong>Sachsen</strong>hausen deportiert. Er starb 1942 im KZ<br />

Groß Rosen. Sarah Birnberg musste <strong>in</strong> das <strong>Juden</strong>haus Humboldtstraße 13 ziehen<br />

und wurde am 21.02.1942 nach Riga deportiert. Sie gilt als verschollen.<br />

Bertram, Ellen: Menschen ohne Grabste<strong>in</strong>: Die aus Leipzig deportierten und ermordeten<br />

<strong>Juden</strong>. Herausgegeben von Rolf und Brigitte Kralovitz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der Ephraim<br />

Carlebach Stiftung und der Israelitischen Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Leipzig, Leipzig, 2001, S.<br />

69.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>, 13.<br />

www.yadvashem.org, 26.06.2008<br />

.<br />

Osias Birnberg<br />

Osias Birnberg kam 1930 als Sohn des Kaufmanns Markus Birnberg und dessen<br />

Ehefrau Sarah, geborene Rub<strong>in</strong>, zur Welt. Zum Zeitpunkt se<strong>in</strong>er Deportation war<br />

er Schüler. Er starb während des Holocaust.<br />

Bertram, Ellen: Menschen ohne Grabste<strong>in</strong>: Die aus Leipzig deportierten und ermordeten<br />

<strong>Juden</strong>. Herausgegeben von Rolf und Brigitte Kralovitz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der Ephraim<br />

Carlebach Stiftung und der Israelitischen Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Leipzig, Leipzig, 2001, S.<br />

69.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>, 13.<br />

www.yadvashem.org, 26.06.2008<br />

Markus Birnberg<br />

Markus Birnberg wurde am 03.10.1903 <strong>in</strong> Graudenz (Westpreußen) geboren. Er<br />

war verheiratet mit Sarah Birnberg, geborene Rub<strong>in</strong>. Zwei K<strong>in</strong>dern der Birnbergs,<br />

Chaje Birnberg, geboren 1929 <strong>in</strong> Leipzig und Osias Birnberg, geboren 1930 <strong>in</strong><br />

Leipzig, kamen während des Holocaust ums Leben. Markus Birnberg verhafteten<br />

die Nationalsozialisten im Rahmen e<strong>in</strong>er Sonderaktion "Arbeitsscheue Reich" im<br />

Juni 1938. Er wurde <strong>in</strong> das KZ <strong>Sachsen</strong>hausen deportiert und starb 1942 im KZ<br />

Groß Rosen.<br />

Bertram, Ellen: Menschen ohne Grabste<strong>in</strong>: Die aus Leipzig deportierten und ermordeten<br />

<strong>Juden</strong>. Herausgegeben von Rolf und Brigitte Kralovitz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der Ephraim<br />

Carlebach Stiftung und der Israelitischen Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Leipzig, Leipzig, 2001, S.<br />

69.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>, 13.<br />

www.yadvashem.org, 26.06.2008<br />

23


Meilich Birnbaum<br />

Der Rabb<strong>in</strong>er und Kaufmann Meilech Birnbaum wurde am 20.03.1886 <strong>in</strong><br />

Ropczyce (Galizien) geboren. Nach dem Tod se<strong>in</strong>er ersten Ehefrau im Jahr 1914<br />

heiratete er im September 1916 <strong>in</strong> Leipzig Ester Gewürtz (1890). Birnbaum<br />

wurde im August 1915 <strong>in</strong>s Heer e<strong>in</strong>gezogen. und im Februar 1918 demobilisiert.<br />

Die Birnbaums hatten vier K<strong>in</strong>der: Hermann, Heni, Rachel und Gusti. Die Familie<br />

lebte <strong>in</strong> der Löhrstraße 23, später <strong>in</strong> der Walter-Blümel-Straße 23. Birnbaum<br />

gründete <strong>in</strong> Leipzig mehrere Geschäfte, unter anderem 1922 e<strong>in</strong>en Laden für<br />

Trikotagen- und Postenwaren aller Art., 1919 e<strong>in</strong>en Trödelladen, Die Birnbaums<br />

verließen Leipzig im <strong>Januar</strong> 1936.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>, S. 13.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Meldekartei SF 7416.<br />

Moses Max Birnbaum<br />

Der Vertreter Max (Moses) Birnbaum wurde am 04.12.1903 <strong>in</strong> Petrikau<br />

(Russisch-Polen) geboren. Er war der Sohn des Bürstenmachers Hersch David<br />

Birnbaum und Pflegek<strong>in</strong>d. Die Birnbaums kamen 1907 von Berl<strong>in</strong> nach Leipzig.<br />

Max Birnbaum starb am 31.07.1937 <strong>in</strong> Leipzig.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Meldekartei SF 7416.<br />

Isaak Birnbaum<br />

Der Drogist und Handelsreisende Isaak (Izak) Birnbaum wurde am 27.11.1911<br />

als Sohn des Bürstenmachers Hersch David Birnbaum <strong>in</strong> Petrikau (Russisch-<br />

Polen) geboren und war wie se<strong>in</strong> Bruder Max Birnbaum e<strong>in</strong> Pflegek<strong>in</strong>d . Isaak<br />

Birnbaum heiratete Golde Birnbaum, geborene Weiser, aus Leipzig (27.02.1898).<br />

Die Birnbaums hatten zwei K<strong>in</strong>der, e<strong>in</strong>en Sohn namens He<strong>in</strong>rich und e<strong>in</strong>e Tochter<br />

namens Sylvia. Sie wohnten <strong>in</strong> der Wiesenstraße 14. Im Juni 1938 wanderten die<br />

Birnbaums nach Paris aus.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Meldekartei SF 7416.<br />

24


Gustav Birkenruth<br />

Der Zahnarzt Dr. Gustav Birkenruth wurde am 04.07.1898 <strong>in</strong> Fulda geboren. Er<br />

wohnte <strong>in</strong> der Richard-Wagner-Straße 13. Birkenruth trat im Jahr 1931 <strong>in</strong> den<br />

Reichsbund jüdischer Frontsoldaten e<strong>in</strong>. In den Jahren zwischen 1929 und 1933<br />

leitete er den Sportklub "Bar Kochba" Leipzig e.V.<br />

Ephraim Carlebach Stiftung [Hrsg.]: Leipziger Jüdisches Jahr- und Adressbuch 1933,<br />

arani, 1994, Berl<strong>in</strong>, 13.<br />

Höppner, Solvejg; Jahn, Manfred: Jüdische Vere<strong>in</strong>e und Organisationen <strong>in</strong> Chemnitz,<br />

Dresden und Leipzig 1918 bis 1933: E<strong>in</strong> Überblick, Sächsisches Druck- und Verlagshaus,<br />

Dresden, 1997, S. 43.<br />

Sächsisches Staatsarchiv<br />

- Mitgliederliste des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, Ortsgruppe Leipzig, 1.<br />

Oktober 1938, PP-V Akte Nr, 4509.<br />

Familie B<strong>in</strong>der<br />

Monika B<strong>in</strong>der<br />

Monika B<strong>in</strong>der kam am 23.02.1937 <strong>in</strong> Leipzig als Tochter des<br />

Rauchwarenhändlers Markus Leib (genannt Leo) B<strong>in</strong>der , geboren am<br />

24.09.1889, und dessen Ehefrau Hannah B<strong>in</strong>der, geborene Zucker, zur Welt.<br />

Die Familie B<strong>in</strong>der wohnte <strong>in</strong> der Nordstraße 32. Sie hatten vier K<strong>in</strong>der: David,<br />

Gisela (Golda), Ephraim und Monika. Ephraim, Monika, Gisela sowie e<strong>in</strong><br />

höchstwahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong> weiteres K<strong>in</strong>d der B<strong>in</strong>ders starben am 09.04.1943 <strong>in</strong><br />

Sobibor.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Geburtsbücher 1924, 1926, 1937.<br />

- Oberf<strong>in</strong>anz Präsidium Leipzig (OFP), Akte Nr. 1149, SF 11180.<br />

www.yadvashem.org, 09.07.2008.<br />

Markus Leib B<strong>in</strong>der<br />

Der Rauchwarenhändler Markus Leib (genannt Leo) B<strong>in</strong>der wurde am 24.09.1889<br />

<strong>in</strong> Kaluss (Stanislau, Polen) geboren. Er war der Sohn von David und Chaje Golde<br />

B<strong>in</strong>der. Se<strong>in</strong>e Ehefrau Hannah B<strong>in</strong>der, geborene Zucker, kam am 03.08.1900 <strong>in</strong><br />

Magdeburg als Tochter von Ephraim und Charlotte Zucker, geborene Strom zur<br />

Welt. Die Familie B<strong>in</strong>der wohnte <strong>in</strong> der Nordstraße 32. Sie hatten vier K<strong>in</strong>der:<br />

David, Gisela (Golda), Ephraim und Monika. Leo B<strong>in</strong>der starb während des<br />

Holocaust.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Oberf<strong>in</strong>anz Präsidium Leipzig (OFP), Akte Nr. 1149, SF 11180.<br />

www.yadvashem.org, 26.06.2008.<br />

25


Hannah B<strong>in</strong>der<br />

Hannah B<strong>in</strong>der, geborene Zucker, kam am 03.08.1900 <strong>in</strong> Magdeburg als Tochter<br />

von Ephraim und Charlotte Zucker, geborene Strom zur Welt. Sie war mit dem<br />

Buchhalter und Rauchwarenhändler Markus Leib (genannt Leo) B<strong>in</strong>der<br />

verheiratet. Die B<strong>in</strong>ders wohnten <strong>in</strong> der Nordstraße 32. Sie hatten vier K<strong>in</strong>der:<br />

David, Gisela (Golda), Ephraim und Monika.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Oberf<strong>in</strong>anz Präsidium Leipzig (OFP), Akte Nr. 1149, SF 11180.<br />

www.yadvashem.org, 26.06.2008.<br />

.<br />

Gisela B<strong>in</strong>der<br />

Gisela B<strong>in</strong>der kam am 09.08.1926 <strong>in</strong> Leipzig als Tochter des Rauchwarenhändlers<br />

Markus Leib (genannt Leo) B<strong>in</strong>der , geboren am 24.09.1889 und dessen Ehefrau<br />

Hannah B<strong>in</strong>der, geborene Zucker, zur Welt. Die Familie B<strong>in</strong>der wohnte <strong>in</strong> der<br />

Nordstraße 32. Sie hatten vier K<strong>in</strong>der: David, Gisela (Golda), Ephraim und<br />

Monika. Ephraim, Gisela, Monika und höchstwahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong> weiteres K<strong>in</strong>d der<br />

B<strong>in</strong>der starben am 09.04.1943 <strong>in</strong> Sobibor.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Geburtsbücher 1924, 1926, 1937.<br />

- Oberf<strong>in</strong>anz Präsidium Leipzig (OFP), Akte Nr. 1149, SF 11180.<br />

www.yadvashem.org, 26.06.2008.<br />

Ephraim B<strong>in</strong>der<br />

Ephraim B<strong>in</strong>der kam am 30.04.1929 <strong>in</strong> Leipzig als Sohn des Rauchwarenhändlers<br />

Markus Leib (genannt Leo) B<strong>in</strong>der , geboren am 24.09.1889 und dessen Ehefrau<br />

Hannah B<strong>in</strong>der, geborene Zucker, zur Welt. Die Familie B<strong>in</strong>der wohnte <strong>in</strong> der<br />

Nordstraße 32. Sie hatten vier K<strong>in</strong>der: David, Gisela (Golda), Ephraim und<br />

Monika. Ephraim starb am 09.04.1943 <strong>in</strong> Sobibor.<br />

Sächsisches Staatsarchiv:<br />

- Geburtsbücher 1924, 1926, 1937.<br />

- Oberf<strong>in</strong>anz Präsidium Leipzig (OFP), Akte Nr. 1149, SF 11180.<br />

www.yadvashem.org, 26.06.2008.<br />

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Leipziger Biografien<br />

Felix Mendelssohn-Bartholdy<br />

Felix Mendelssohn-Bartholdy steht im Mittelpunkt der Kulturnachrichten der<br />

Leipziger Volkszeitung und auch der Tagesspiegel widmet dem Komponisten aus<br />

Anlass se<strong>in</strong>es 200. Geburtstages e<strong>in</strong>en ganzseitigen Artikel. Der Tagesspiegel<br />

weist außerdem auf Berl<strong>in</strong>er und deutschlandweite Veranstaltungen und<br />

Veröffentlichungen zum Mendelssohnjubiläum h<strong>in</strong>. Peter Korfmacher stellt <strong>in</strong> der<br />

Leipziger Volkszeitung die wachsende Bedeutung Mendelssohns im Leipziger<br />

Musikerbe heraus. Laut Darstellung Korfmachers gibt es sogar Stimmen, die sich<br />

für die Durchführung der Mendelssohn-Festtage als jährliche Veranstaltung<br />

neben dem Bachfest aussprechen. Der Artikel <strong>in</strong> der Volkszeitung gibt e<strong>in</strong>en<br />

Überblick über die Konzerte und Glanzpunkte der Leipziger Mendelssohn-<br />

Festtage und des Mendelssohn-Jahres <strong>2009</strong> (Leipziger Volkszeitung, 05.01.<strong>2009</strong>,<br />

S. 9).<br />

Die Dresdner Neuesten Nachrichten veröffentlichen anlässlich des 200.<br />

Geburtstags Felix Mendelssohn-Bartholdys e<strong>in</strong>e ausführliche Darstellung von<br />

Tobias Niederschlag über die Beziehungen des Komponisten und<br />

Gewandhauskapellmeisters zu Dresden und zum sächsischen Königshaus.<br />

Friedrich August II. habe mehrmals versucht, Mendelssohn <strong>in</strong> Dresden zu<br />

engagieren, zuletzt 1844 nachdem es Mendelssohn nicht gelungen war, sich <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong> zu etablieren. So sei geplant gewesen, dass Mendelssohn die Konzerte der<br />

Dresdner Hofkapelle und die Gottesdienste der Hofkirche musikalisch leiten<br />

sollte. Das Angebot habe der sächsische König Mendelssohn ohne Rücksicht auf<br />

andere Kapellmeister, darunter Wagner, gemacht, betont Niederschlag. Aus<br />

Angst vor Intrigen lehnte Mendelssohn den Vorschlag ab, fand sich aber zu<br />

gelegentlichen Auftritten <strong>in</strong> Dresden bereit. Dieser Sonderstatus Mendelssohns<br />

am sächsischen Hof sei wohl auch der Grund dafür, dass se<strong>in</strong> Engagement <strong>in</strong><br />

Dresden bis heute relativ unbekannt sei. Die Dresdner Neuesten Nachrichten<br />

kündigen e<strong>in</strong> Sonderkonzert der Staatskapelle Dresden aus Anlass des<br />

Mendelssohn-Geburtstages am 18.01.<strong>2009</strong> an. Solist und Dirigent des Konzerts<br />

ist der Geigenvirtuose Nikolaj Znaider (Dresdner Neueste Nachrichten,<br />

15.01.<strong>2009</strong>, S. 9).<br />

Die Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung und die Berl<strong>in</strong>er Zeitung berichten über die<br />

Eröffnung des Mendelssohn-Jahres <strong>2009</strong> vorgestern <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Zum Auftakt der<br />

Würdigung des 200. Geburtstages Felix Mendelssohn Bartholdys gab die<br />

Sächsische Staatskapelle geme<strong>in</strong>sam mit Musikern des Israel Philharmonic<br />

Orchestra unter der Leitung des Geigers und Dirigenten Nikolaj Znaider e<strong>in</strong><br />

Konzert. Die Berl<strong>in</strong>er Zeitung hebt das virtuose, experimentierfreudige<br />

Geigenspiel Znaiders und dessen unorthodoxe Führung des Orchesters hervor.<br />

Im "Streit" darüber, wer Mendelssohn Bartholdys Erbe für sich beanspruchen<br />

kann: Berl<strong>in</strong>, Leipzig, Düsseldorf oder Dresden, weist Tomasz Kurianowicz <strong>in</strong> der<br />

Berl<strong>in</strong>er Zeitung auf e<strong>in</strong> historisches Detail h<strong>in</strong>, das aufschlussreich Mendelssohns<br />

Scheitern <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> erklärt. So seien es die Mitglieder der Berl<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>g-Akademie<br />

gewesen, die sich mehrheitlich gegen e<strong>in</strong> Engagement Mendelssohns als<br />

Nachfolger des 1833 verstorbenen Direktors Carl-Friedrich Zelter ausgesprochen<br />

hatten. Das Argument der S<strong>in</strong>g-Akademie - e<strong>in</strong> religiös motiviertes<br />

judenfe<strong>in</strong>dliches Ressentiment: Die S<strong>in</strong>g-Akademie sei e<strong>in</strong> christliches Institut. Es<br />

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sei "unerhört, dass man ihr e<strong>in</strong>en <strong>Juden</strong>jungen als Direktor aufreden wolle".<br />

Eckhard Fuhr schreibt <strong>in</strong> der Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>en Zeitung, die Dresdner seien<br />

verärgert, dass es ihnen e<strong>in</strong>st nicht gelang, Mendelssohn an die Stadt zu b<strong>in</strong>den.<br />

Nach Leipzig, Berl<strong>in</strong> und Düsseldorf müsse sich Dresden mit e<strong>in</strong>em h<strong>in</strong>teren Platz<br />

unter den Wirkungsstätten des Komponisten abf<strong>in</strong>den. Dessen unverdrossen<br />

feiere Dresden den Komponisten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Jubiläumsjahr und zwar <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, das<br />

der Stadt den Komponisten vor 168 Jahren weggeschnappt hatte (Frankfurter<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung, 22.01.<strong>2009</strong>, S. 24).<br />

Eit<strong>in</strong>gon<br />

Zur Ausstellung des Leipziger Bürgervere<strong>in</strong>s Waldstraßenviertel "Gesichter<br />

unserer Nachbarn", die von September bis November 2008 <strong>in</strong> Leipzig zu sehen<br />

war, ist e<strong>in</strong>e 50-seitige Broschüre mit 15 Interviews und Fotos erschienen. Die<br />

<strong>Ausgabe</strong> der Broschüre ermöglichten der Eit<strong>in</strong>gon-Fond, die Sparkasse Leipzig<br />

und das Ökumenische Zentrum, berichtet das Geme<strong>in</strong>deblatt der Israelitischen<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Leipzig (IRGL). Die Interviews vermitteln e<strong>in</strong>e Vorstellung<br />

von den Mitgliedern der IRGL (Geme<strong>in</strong>deblatt der Israelitischen<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>de zu Leipzig, 27/<strong>2009</strong>, S. 2).<br />

Henriette Goldschmidt<br />

Laut Ankündigung der Leipziger Volkszeitung wurde am Montag <strong>in</strong> der Henriette-<br />

Goldschmidt-Schule die Ausstellung "Arisierung <strong>in</strong> Leipzig. Verdrängt. Beraubt.<br />

Ermordet" eröffnet. Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig hat der Schule die<br />

Exposition auf Basis e<strong>in</strong>es Leihvertrags übergeben, so die Sächsische<br />

Bildungsagentur. Ergänzend zur Ausstellung erarbeiten die Schüler der<br />

Goldschmidtschule Facharbeiten zum Thema (Leipziger Volkszeitung,<br />

17./18.01.<strong>2009</strong>, S. 19).<br />

Von Klemperer<br />

Heidrun Hannusch schreibt <strong>in</strong> den Dresdner Neuesten Nachrichten über die<br />

Rückgabe des Gemäldes "E<strong>in</strong> Dudelsackspieler" an die Erben der Bankiersfamilie<br />

Klemperer durch das Kölner Wallraf-Richartz-Museum vor e<strong>in</strong>em Jahr. Aus Anlass<br />

der für <strong>Januar</strong> angekündigten Versteigerung des Gemäldes bei Sotheby´s <strong>in</strong> New<br />

York für vier bis sechs Millionen Dollar schildert Hannusch das Schicksal des<br />

Gemäldes und se<strong>in</strong>es Besitzers, des ehemaligen Dresdner-Bank-Vorstandes<br />

Gustav von Klemperer. Die Rückübereignung sei ohne großes Aufsehen nach<br />

e<strong>in</strong>em Rückübertragungsantrag der Klemperer-Erben erfolgt. So habe sich auch<br />

niemand gefragt, weshalb das Bild nicht schon sehr viel eher und auf Initiative<br />

des Museums zurückgegeben worden sei und dies angesichts der Großzügigkeit<br />

des Kunstsammlers Gustav von Klemperer, der beispielsweise 1912 der Dresdner<br />

Skulpturensammlung e<strong>in</strong>e Mahler-Büste von Auguste-Rod<strong>in</strong> geschenkt hatte<br />

(Dresdner Neueste Nachrichten, 14.01.<strong>2009</strong>, S. 9).<br />

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ISSN 1866-5853<br />

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