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Stellungnahme Heilmittelrevision - Stiftung für Konsumentenschutz

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Bern, 12. Februar 2010<br />

Bundesamt <strong>für</strong> Gesundheit<br />

Abteilung Biomedizin<br />

Sektion Heilmittelrecht<br />

3003 Bern<br />

Ordentliche Revision des Heilmittelgesetzes, 2. Etappe: Vernehmlassungsantwort<br />

Sehr geehrter Herr Bundesrat Burkhalter<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Wir bedanken uns <strong>für</strong> die Möglichkeit, zur 2. Etappe der ordentlichen Revision des<br />

Heilmittelgesetzes Stellung zu nehmen. Die <strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> <strong>Konsumentenschutz</strong> verzichtet<br />

darauf, zu den einzelnen Artikeln Stellung zu beziehen, legt aber ihre grundsätzliche Position<br />

zu verschiedenen, aus Konsumentensicht wichtigen Teilbereichen der Revision ab.<br />

Aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten ist diese Revision von grosser Bedeutung,<br />

da der Aspekt der Sicherheit und Gesundheit nicht vernachlässigt werden darf, in der neuen<br />

Gesetzgebung aber auch marktwirtschaftliche Komponenten eingebracht werden müssen.<br />

Im Grundsatz begrüssen wir deshalb die Stossrichtung der vorliegenden Gesetzesrevision.<br />

Wir betonen jedoch, dass die Ausgestaltung und Konkretisierung in den nachfolgenden<br />

Verordnungen von grosser Bedeutung sein wird. Die oben erwähnten, prioritären Aspekte<br />

des Heilmittelgesetzes - Sicherheit und Gesundheit - dürfen nicht vernachlässigt werden.<br />

Insbesondere im Bereich der neuen Absatzkanäle wird ein Monitoring, wie weit die Öffnung<br />

Lücken bezüglich der Sicherheit und Beratung aufweist, kaum realistisch sein.<br />

Von daher wird die neue Listen-Einteilung der Arzneimittel und die Öffnung der Absatzkanäle<br />

mit grösstmöglicher Sorgfalt vorzunehmen sein. Wir sind jedoch überzeugt, dass eine<br />

Neubewertung und -einteilung Sinn macht und weiter Bewegung in den Heilmittelmarkt<br />

bringen wird. Aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten wird ein Verbot der<br />

Selbstdispensation eine Einbusse an Komfort bringen. Wir sind jedoch überzeugt, dass<br />

dieser zumutbar ist und durch die Kosteneinsparungen wieder wettgemacht wird. Das Verbot<br />

der Selbstdispensation ist vor allem unter dem Blickwinkel einer sicheren, aber auch<br />

kostengünstigeren Medikamentenabgabe zu betrachten. Von daher macht es Sinn, dass<br />

HMO-Praxen sowie Ärztenetzwerke, welche einer Budgetverantwortung unterstehen, von<br />

diesem Verbot ausgenommen werden.


1. Kinderarzneimittel<br />

Es ist unbestritten, dass im Bereich der Kinderarzneimittel grosse Anstrengungen<br />

unternommen werden müssen, um auch dieser besonders sensiblen Patientengruppe<br />

sichere, erprobte Arzneimittel zur Verfügung stellen zu können. Wir begrüssen die<br />

Massnahmen, welche in der vorliegenden Revision vorgesehen sind. Eine Angleichung an<br />

die EU-Gesetzgebung macht aus unserer Sicht Sinn, da nur eine durchlässige<br />

Gesetzgebung ermöglicht, dass ein ohnehin kleiner und kostenintensiver Bereich der<br />

Heilmittel durch internationale Entwicklungen gefördert wird.<br />

2. Vereinfachte Zulassungsverfahren<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> <strong>Konsumentenschutz</strong> unterstützt in diesem Punkt die <strong>Stellungnahme</strong> des<br />

Schweizerischen Verbandes <strong>für</strong> komplementärmedizinische Heilmittel SVKH. Das heisst, wir<br />

begrüssen grundsätzlich die Einführung einer neuen Kategorie von Arzneimitteln ohne<br />

Indikation im Heilmittelgesetz. Wir lehnen jedoch den Vorschlag ab, dass die gesetzliche<br />

Anerkennung „im Rahmen von Ausführungsbestimmungen“ erfolgt, die der Bundesrat<br />

erlassen wird. Auch ist die vorgeschlagene Unterteilung in zwei Kategorien (Arzneimittel mit<br />

Indikation und Arzneimittel ohne Indikation) zu wenig konkret.<br />

3. Geldwerte Vorteile<br />

Wir begrüssen grundsätzlich, dass die Bestimmungen zum Verbot von geldwerten Vorteilen<br />

im Heilmittelgesetz belassen wurden und beispielsweise mit der Aufnahme von bestimmten,<br />

zu definierenden Medizinprodukten ergänzt werden. Wir sehen auch, dass die Beschränkung<br />

auf die verschreibungspflichtigen Medikamente hinsichtlich der vorhandenen Ressourcen<br />

und des Sicherheitsaspektes seine Berechtigung hat. Dennoch bedauern wir, dass die OTC-<br />

Produkte ausgenommen werden: Wenn die in der Revision vorgeschlagene Ausweitung der<br />

Verkaufsstellen, bzw. Produkte stattfindet, wird sich auch hier die Konkurrenzsituation<br />

verschärfen. Dies bedeutet mehr Druck auf die Preise, aber auch mehr Anreiz, Rabatte zu<br />

gewähren. Werden diese nicht weitergegeben, weil keine gesetzliche Pflicht dazu besteht,<br />

können die Konsumentinnen und Konsumenten davon nicht profitieren.<br />

In der Vorlage ist weiterhin die Rede von „geldwerten Vorteilen von bescheidenem Wert“.<br />

Dieser Begriff ist, wie wir aus Erfahrung wissen, interpretier- und dehnbar und bedarf einer<br />

Konkretisierung.<br />

Wir sind überzeugt, dass die Trennung von Verschreibung und Abgabe von Medikamenten,<br />

wie sie das Verbot der Selbstdispensation vorsieht, diese Problematik stark entschärft. Bei<br />

den Spitälern fehlt unserer Ansicht nach jedoch ein solches wirksames Instrument.<br />

Eine Verschärfung der Strafbestimmungen begrüssen wir ausdrücklich. Da sich die<br />

Swissmedic in erster Linie um Sicherheitsaspekte kümmert, erachten wir es als folgerichtig,<br />

dass das BAG die Kontrolle und den Vollzug dieses Bereiches des Heilmittelgesetzes<br />

übertragen erhält. Die Frage ist allerdings berechtigt, ob es Sinn macht, zwei Bundesämter<br />

mit dem Vollzug eines Gesetzes zu beauftragen.


4. Abgabe von Arzneimitteln<br />

Grundsätzlich begrüssen wir die Absicht, in der vorliegenden Heilmittelverordnung eine<br />

vereinfachte Regelung <strong>für</strong> die Selbstmedikation einzuführen. Wir erachten es auch als<br />

konsequent, dass die Apotheken, welche durch die Aufhebung der Selbstdispensation zu<br />

mehr Umsatz gelangen, bei den Arzneimitteln der Kategorie D eine verstärkte Konkurrenz<br />

durch die Drogerien erhalten. Auch im Bereich der OTC-Produkte sind die Konsumentinnen<br />

und Konsumenten einer starren Preispolitik der Anbieter ausgesetzt. Diese gilt es zu<br />

durchbrechen und in Bewegung zu bringen: Ohne die Sicherheitsaspekte ausser Acht zu<br />

lassen, muss bezüglich der Listeneinteilung eine gewisse Durchlässigkeit stattfinden. Aus<br />

dieser Warte aus begrüssen wir zudem, dass im Gesetz vorgesehen wird, dass sich neben<br />

Drogerien auch andere Vertriebskanäle (wie zum Beispiel der Detailhandel) um eine<br />

Vertriebsbewilligung <strong>für</strong> Arzneimittel bemühen können.<br />

In umliegenden europäischen Ländern, etwa in Deutschland, wird die Abgabe von OTC-<br />

Medikamenten weniger strikte gehandhabt als dies bisher in der Schweiz der Fall war. Wir<br />

sind auch überzeugt, dass etliche Arzneimittel der Liste D in der Regel ohne Fachberatung<br />

bezogen werden, weil sie bereits lange bekannt sind.<br />

Bestimmte, rezeptpflichtige Medikamente, welche von den Apotheken gemäss<br />

Gesetzesvorschlag direkt abgegeben werden dürften, sind gut bekannt. Eine direkte Abgabe<br />

durch die Apotheken würde unnötige Arztkonsultationen ersparen.<br />

Wir betonen jedoch, dass die Ausführungsbestimmungen und die Neueinteilung in die<br />

verschiedenen Listen von grosser Bedeutung sind bezüglich der angestrebten Sicherheit <strong>für</strong><br />

die Patientinnen und Patienten. Eine Neueinteilung der Listen muss auch unter dem Aspekt<br />

des allfälligen Beratungsbedarfes erfolgen.<br />

5. Verbot der Selbstdispensation<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> <strong>Konsumentenschutz</strong> begrüsst die Regelung, wie sie im vorliegenden Entwurf<br />

vorgeschlagen wird: Ein generelles, schweizweites Verbot der Selbstdispensation mit der<br />

Möglichkeit <strong>für</strong> die Kantone, bestimmten kantonalen Gegebenheiten Rechnung in Bezug auf<br />

die Distanz Praxis - Apotheke zu tragen. Sie verlangt jedoch, dass dieses Verbot der<br />

Selbstdispensation unter dem Aspekt der Kostenkontrolle betrachtet wird und deshalb nur <strong>für</strong><br />

jene Praxen gilt, welche keinem Ärztenetzwerk angeschlossen sind und über kein Instrument<br />

zur Budgetkontrolle verfügen.<br />

Aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten hat die Selbstdispensation den Vorteil,<br />

dass nach dem Besuch der Ärztin, des Arztes der Gang zur Apotheke entfällt. Dieser<br />

Komfort wird jedoch nicht wettgemacht durch die Unsicherheit, nun tatsächlich das am<br />

besten geeignete Medikament erhalten zu haben oder lediglich jenes, welches der Arzt<br />

verfügbar hat. Dank Versandapotheken und Spitex haben insbesondere Chronischkranke die<br />

Möglichkeit, bequem zu ihren Medikamenten zu gelangen.<br />

Wir begrüssen insbesondere die Entkoppelung von Verschreibung und Abgabe - dies wird<br />

auf die Kostenentwicklung im Medikamentenbereich positive Auswirkungen haben. Ärztinnen<br />

und Ärzte erzielen durch die Abgabe von Medikamenten einen zusätzlichen und<br />

wesentlichen Beitrag zu ihrem Einkommen. Dies stellt einen nicht zu unterschätzenden<br />

Anreiz dar, Medikamente zu verschreiben und abzugeben.


Dieser Anreiz entfällt jedoch in HMO-Praxen und Ärztenetzwerken, welche einer<br />

Budgetkontrolle unterliegen. Von daher sprechen wir uns <strong>für</strong> ein Verbot der<br />

Selbstdispensation aus mit Ausnahme dieser Praxen.<br />

Wir begrüssen ausdrücklich, dass die Kantone vorsehen können, dass die Abgabe von<br />

komplementärmedizinischen Arzneimitteln weiterhin durch die medizinischen Fachpersonen<br />

abgegeben werden dürfen. Eine Abgabe allein in den Apotheken oder Drogerien hätte den<br />

Bezug der Mittel <strong>für</strong> die Konsumentinnen und Konsumenten in vielen Fällen verteuert.<br />

6. Arzneimittelinformation<br />

Eine vollständige und auch verständliche Arzneimittelinformation ist <strong>für</strong> die Patientinnen und<br />

Patienten eminent wichtig. Sie trägt dazu bei, dass die Arzneimittel bewusst, informiert und<br />

auch richtig eingenommen oder angewendet werden.<br />

Eine Regelung, dass grundsätzlich zu jedem Arzneimittel eine entsprechende Information<br />

zur Verfügung stehen muss, begrüssen wir ausdrücklich. Eine Publizierung fehlender<br />

Informationen auf Kosten der Zulassungsinhaberinnen durch Swissmedic ist deshalb positiv.<br />

Eine Verbesserung und Vervollständigung der Information - etwa über allergieauslösende<br />

oder bedenkliche Wirk- und Hilfsstoffe ist unserer Ansicht nach unbedingt notwendig. Es gilt<br />

auch zu prüfen, wie die Arzneimittelinformation qualitativ verbessert werden kann, so dass<br />

sie verständlicher wird.<br />

7. Offenlegungspflicht<br />

Die Verflechtungen der Personen, die Heilmittel verschreiben, abgeben oder anwenden, sind<br />

<strong>für</strong> die Konsumentinnen und Konsumenten relevant: Die Beteiligung oder andere<br />

Interessenbindungen an Unternehmen, die die Heilmittel herstellen oder in Verkehr bringen,<br />

können die Art und Weise, ob und welche Medikamente verschrieben werden, beeinflussen.<br />

Es ist allerdings darauf zu achten, dass die Hürde <strong>für</strong> die Konsumentinnen und<br />

Konsumenten nicht zu hoch sein darf, um an diese Informationen zu gelangen. Sie muss<br />

einfach und ersichtlich sein, bei Arztpraxen soll sie dem Publikum in geeigneter und<br />

sichtbarer Form in der Praxis zugänglich gemacht werden. Über Internet müssen die<br />

gesamten Informationen verfügbar sein, also sowohl von Institutionen wie von<br />

Einzelpersonen.<br />

8. Tierarzneimittel<br />

Ein striktes Verbot der Selbstdispensation im Bereich der Tierarzneimittel erscheint uns<br />

wenig praktikabel, da die Tierhalter durch dieses Verbot zum Teil einen erheblichen<br />

Mehraufwand auf sich nehmen müssten.<br />

Durch die Kontrolle des Tierarztes über die Abgabe der Medikamente erwarten wir jedoch<br />

auch, dass die Tierärzte hier mehr Verantwortung übernehmen, bzw. weitergehende<br />

Verpflichtungen übernehmen. Während in anderen Ländern die Tierärzte verpflichtet sind,<br />

Standardbehandlungen einzuhalten, kennen Schweizer Tierärzte keine solchen<br />

Verpflichtungen. Es bestehen auch keine spezifischen Behandlungsschemata <strong>für</strong>


outinemässige Eingriffe. Der Tierarzt verfügt demzufolge über eine grosse Freiheit bei der<br />

Wahl der Therapie und kann beispielsweise auch frei entscheiden, welches Antibiotikum<br />

über welchen Zeitraum eingesetzt wird.<br />

Die Antibiotika-Statistik der Schweiz zeigt, dass seit 2005 die jährlich in Verkehr gebrachte<br />

Menge um insgesamt 6,8 Prozent (+ 4'696 kg) zugenommen hat. Im Jahr 2008 wurden<br />

insgesamt 73'252 kg Antibiotika <strong>für</strong> die Veterinärmedizin in Verkehr gebracht.<br />

Im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit müssen hier die Tierärzte, die<br />

Futtermittelhersteller und die Tierhalter stärker in die Pflicht genommen werden und klare<br />

Leitlinien erhalten. Im vorliegenden Heilmittelgesetz besteht die Möglichkeit, zumindest in<br />

Bezug auf die Tierärzte geeignete Massnahmen zu treffen:<br />

Tierärzte verdienen an den verschriebenen Medikamenten und sind damit einem nicht zu<br />

unterschätzenden Anreiz ausgesetzt, mehr Medikamente als notwendig zu verschreiben. Wir<br />

fordern deshalb auch in diesem Bereich eine starke Einschränkung der Selbstdispensation<br />

und klarere Leitlinien <strong>für</strong> die Standardtherapien und Medikamentenabgabe in der<br />

Tiermedizin.<br />

9. Good Corporate Governance<br />

Die Schweiz ist auf eine gut organisierte, kompetente Heilmittelbehörde angewiesen. Wir<br />

begrüssen deshalb Massnahmen, welche die Behörde in ihrer Kompetenz und in ihrer<br />

Struktur bestärken. Die langen Fristen <strong>für</strong> die Bearbeitung der Dossiers und die<br />

Ungleichbehandlung der Antragsteller haben in der Vergangenheit <strong>für</strong> Missmut gesorgt.<br />

Wichtig ist zudem, dass eine engere Zusammenarbeit mit der europäischen<br />

Zulassungsbehörde EMA angestrebt wird.<br />

Wie eingangs erwähnt, sind wir überzeugt, dass in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit, den<br />

Ausführungen zur geldwerten Vorteilen sowie dem Verbot der Selbstdispensation den<br />

Verordnungen eine grosse Bedeutung zukommen wird.<br />

Wir bedanken uns <strong>für</strong> die Berücksichtigung unserer Bemerkungen und verbleiben<br />

mit freundlichen Grüssen<br />

Sara Stalder Josianne Walpen<br />

Geschäftsleiterin Leiterin Gesundheit und Ernährung

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