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Heft 2/2011 - beim LCH

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BILDUNG SCHWEIZ 2 I <strong>2011</strong> ...................................................... AKTUELL<br />

System, wie der Neuropsycho-<br />

loge Lutz Jäncke betont: «Wenn<br />

wir bei einem siebenjährigen<br />

Knaben messen, dass das Stirn-<br />

hirn nicht richtig funktioniert,<br />

bedeutet das noch nicht<br />

zwangsläufig, dass es in zehn<br />

Jahren genau so ist.»<br />

Verzögerte Hirnreifung bei ADHS<br />

Besonders gut kann dies bei<br />

Menschen mit einer Aufmerk-<br />

samkeitsdefizit-/Hyperaktivi-<br />

tätsstörung (ADHS) gezeigt<br />

werden. Bei ihnen sind be-<br />

stimmte Regionen des Stirn-<br />

hirns bei Problemlöseaufgaben<br />

weniger aktiviert als bei ande-<br />

ren Kindern, was sich in plan-<br />

losem, ungestümem Verhalten<br />

niederschlägt. «Die Entwick-<br />

lung der meisten Hirnstruktu-<br />

ren ist bei Kindern und Ju-<br />

gendlichen mit ADHS um etwa<br />

drei Jahre, im Stirnhirn um bis<br />

zu fünf Jahren verzögert», ver-<br />

deutlicht der Neurobiologe Da-<br />

niel Brandeis die Besonderheit<br />

der Entwicklung.<br />

Ein wohldosierter pädagogi-<br />

scher Optimismus ist dennoch<br />

angebracht: Zwar ist die Ent-<br />

wicklung des Stirnhirns bei ei-<br />

ner ADHS verzögert, sie nor-<br />

malisiert sich in vielen Fällen<br />

aber bis ins Erwachsenenalter<br />

wieder. Allerdings sind hierbei<br />

pädagogische Massnahmen<br />

von grosser Bedeutung: Je<br />

strukturierter Aufgabenstel-<br />

lungen, Arbeitsblätter oder<br />

Rückmeldungen sind, desto<br />

mehr Anreize findet das Stirn-<br />

hirn vor, sich zu entwickeln.<br />

Bibliothek der Gefühle<br />

Die Hirnforschung zeigt also:<br />

Entwicklungsprobleme sind<br />

von aussen steuerbar – wenn<br />

man weiss, in welcher Ent-<br />

wicklungsphase welche Mass-<br />

nahmen zu treffen sind. Wie<br />

das konkret ausschaut, lässt<br />

sich am Beispiel des Autisten<br />

Sebastian zeigen: Er hat vor<br />

zwei Monaten begonnen, Emo-<br />

tionen auswendig zu lernen.<br />

Helfen soll ihm dabei eine neue<br />

Lernsoftware, deren Herzstück<br />

eine so genannte «Bibliothek<br />

der Gefühle» mit 412 verschie-<br />

denen Gesichtszügen ist. In-<br />

wieweit dieser Ansatz von Er-<br />

folg gekrönt ist, wird sich indes<br />

erst in ein paar Jahren zeigen.<br />

So lange würde es dauern, bis<br />

eine früh ausgereifte Hirnre-<br />

gion wie die Amygdala sich neu<br />

organisiert hat.<br />

Der Autor<br />

Dominik Gyseler ist Mitarbei-<br />

ter im Bereich Weiterbildung<br />

an der Hochschule für Heilpäd-<br />

agogik HfH. Er leitet den Zerti-<br />

fikatslehrgang«Neurowissen- schaften und Heilpädagogik»<br />

mit den Themenschwerpunk-<br />

ten Autismus, ADHS und Hoch-<br />

begabung.<br />

Ein Zertifikatslehrgang<br />

Im Mai beginnt an der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich<br />

(HfH) ein Zertifikatslehrgang «Neurowissenschaften und Heil-<br />

pädagogik». Alle im Text genannten Fachpersonen und viele<br />

weitere werden dort als Dozierende auftreten. Auch die dritte<br />

Ausgabe dieses CAS basiert auf dem Leitgedanken, dass aktu-<br />

elle Befunde aus der Hirnforschung helfen, Besonderheiten der<br />

Entwicklung (Autismus, ADHS, Hochbegabung, Rechenstö-<br />

rung, Legasthenie etc.) besser zu verstehen und gezielt darauf<br />

einzugehen.<br />

Der CAS richtet sich an heilpädagogisch und pädagogisch-the-<br />

rapeutisch tätige Fachpersonen aller Stufen. Die Teilnehmen-<br />

den erhalten zudem Zugang zu einer Website, in der aktuelle<br />

Befunde aus der Hirnforschung exklusiv für sie aufbereitet<br />

werden.<br />

Anmeldeschluss ist der 28. Februar <strong>2011</strong><br />

Weitere Informationen unter www.hfh.ch/weiterbildung<br />

Wirkung von privater Nachhilfe auf die Leistungen<br />

In jüngster Zeit wird das Thema Nachhilfeunterricht unter dem Schlagwort «Gekaufte Bildung?»<br />

erörtert. Eltern sind bereit, erhebliche Mittel in den privaten Nachhilfeunterricht ihrer Kinder zu<br />

investieren. In welchem Umfang wird Nachhilfeunterricht genutzt und wie wirkt sich dieser auf<br />

den schulischen Erfolg von Kindern aus? Diesen und weiteren Fragen und Aspekten (z. B. unter-<br />

richtlich-zwischenmenschliche Prozesse) geht eine Studie nach, welche der Schweizerische Nati-<br />

onalfonds (SNF) unterstützt. Das Zentrum Schule als öffentlicher Erziehungsraum der Pädagogi-<br />

schen Hochschule Nordwestschweiz führt die Studie mittels einer Online-Vollerhebung im März<br />

<strong>2011</strong> durch; Projektleiter ist Prof. Dr. phil. I Hans-Ulrich Grunder. Gefragt sind Antworten von<br />

Schülerinnen und Schülern der 5. bis 9. Klassen der obligatorischen öffentlichen Schulen in den<br />

deutschsprachigen Kantonen der Schweiz sowie ihrer Nachhilfelehrkräfte.<br />

In einer vier Monate später stattfindenden Befragung geht es dann in einer kleinen Stichprobe aus<br />

der Online-Vollerhebung um die Wirkungen des privaten Nachhilfeunterrichts auf die Schulnoten<br />

im Nachhilfefach resp. in den Nachhilfefächern sowie in anderen Fächern und die Veränderung<br />

des schulischen Selbstkonzepts von Nachhilfeschülerinnen und -schülern.<br />

Gefragt sind Antworten von Schülerinnen und Schülern der 5. bis 9. Klassen der obligatorischen<br />

öffentlichen Schulen (Gesamt: 279 000) in den deutschsprachigen Kantonen der Schweiz sowie<br />

ihrer Nachhilfelehrkräfte. Schulleitungen sollen Mitte Februar per Mail angefragt werden. Die<br />

Projektleitung bittet um Unterstützung bei der Durchführung der Erhebung.<br />

Nutzen für Praxis, Politik und Forschung<br />

Aufgrund der Ergebnisse soll die Lehrerschaft Fakten und daraus abgeleitete Einschätzungen zu<br />

Verbreitung und Wirkungen privaten Nachhilfeunterrichts sowie zu den dort lernrelevanten As-<br />

pekten erhalten. Zu erwarten sind auch Diskussionsanstösse in schulpolitischer Hinsicht, d.h.<br />

etwa Antworten auf die Frage, ob ein Zusammenhang bestehe zwischen dem sozioökonomischen<br />

Hintergrund der Schülerinnen und Schüler und privater Nachhilfe («Gekaufte Bildung?»). Die<br />

Dozierendenschaft der Pädagogik an den Universitäten und Fachhochschulen/Pädagogischen<br />

Hochschulen sollen ausbildungsrelevante Hinweise erhalten zur Bedeutung (Verbreitung, Wir-<br />

kung) privaten Nachhilfeunterrichts im Kontext des schulischen Selbstkonzepts von Schülerinnen<br />

und Schülern.<br />

Für die Forschung ergeben sich empirisch gesicherte, aufbereitete/interpretierte und weiterfüh-<br />

rende Erkenntnisse zur Verbreitung und zu den Wirkungen (hinsichtlich Schulleistungen resp.<br />

Zensuren) privaten Nachhilfeunterrichts sowie zu unterrichtlich-zwischenmenschlichen Prozes-<br />

sen während des privaten Nachhilfeunterrichts von Deutschschweizer Schülerinnen und Schülern<br />

der 5. bis 9. Klasse. B.S.<br />

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