2011-04-15 JAZZ Pieronczyk spielt Komeda - Noglik-Text

15.04.2011 / 21:00 / Polnisches Institut / Markt 10 / Eintritt frei
– an die Originale in phantasievollen Klangversionen erinnern, so nähert sich die Musik
dieses Albums den Kompositionen Komedas vergleichsweise von außen, entdeckt sie
neu, umkreist sie, re-arrangiert und aktualisiert sie.
Der Titel „Komeda – The Innocent Sorcerer“ bezieht sich auf einen Film von Andrzej
Wajda aus dem Jahr 1960, der das Milieu einer jungen Bohème in Warschau einfängt
und in dem Roman Polanski und Krzysztof Komeda in den Rollen von Schauspielern zu
erleben sind, gewiss zu einem Teil auch sich selbst spielend. „Niewinni czarodzieje“ –
„The Innocent Sorcerers“ zeigt den Ausbruch einer westlich orientierten Generation aus
der Nachkriegszeit. Der Titel des Films wurde als Überschrift für ein Festival gewählt,
veranstaltet vom Museum des Warschauer Aufstandes, und eben jene Zeit
thematisierend – eine Phase des intellektuellen Aufbegehrens in Literatur, Film,
Fotografie, Musik und bildender Kunst, das Streben nach Freiheit unter den Vorzeichen
des Kalten Krieges und der kommunistischen Diktatur. Es ist dies eine Welt der
Schwarzweißfilme, der Debatten bis zum Morgengrauen, des existentiellen Eintauchens
in die Tiefen der Kunst.
Adam Pierończyk gelingt es, sich diese Welt, die er nur aus Erzählungen kennt, zu
imaginieren, in sie einzutauchen. Das Staccato der Schreibmaschine in tiefer Nacht ist
ebenso präsent wie die Weite der masurischen Seenplatte oder das jugendliche
Herumtollen, aus dem bald bitterer Ernst werden kann. Dabei entwickeln die
vielschichtigen Klangbilder, getränkt mit den Essenzen der Musik von Komeda, ein
Eigenleben. Sie bedürfen nicht mehr des Verweises auf die Quellen. Dennoch erscheint
es interessant, dass “Wicker Basket” von Komeda 1965 für einen Zeichentrickfilm von
Mirosław Kijowicz komponiert wurde. „Kattorna“ entstand für den gleichnamigen Film
des dänischen Regisseurs Henning Carlsen und findet sich auch auf Komedas
herausragendem Album „Astigmatic“. „Sleep Safe and Warm“, eine der bekanntesten
Kompositionen Komedas, ist Teil der Filmmusik für Roman Polanskis „Rosemary’s
Baby“. „Crazy Girl“, eine Widmung Komedas an seine Frau Zofia, erlebte seine
Uraufführung beim Festival Jazz Jamboree 1961 in Warschau und wurde ein Jahr
später auch in den Soundtrack von Polanskis „Das Messer im Wasser“ integriert. „After
The Catastrophe“ komponierte Komeda für die Jazz- &Lyrik-Platte „Meine süße
europäische Heimat“, benannt nach einem Gedicht von Czesław Miłosz. „Roman II“,
eine der frühesten Kompositionen Komedas, entstand 1958 in Krakau.
Adam Pierończyk hat von Komeda gelernt, dass man mit Klängen wie mit Farben oder
Licht umgehen kann. Tomasz Stanko bezeichnete Krzysztof Komeda als „seinen ersten
Guru“, der ihm Richtungen aufzeigte, so wie Pablo Picasso und Miles Davis Wege
gewiesen haben. Komeda bleibt der große Zauberer und seine Musik zugleich auch ein
Band der Generationen im Jazz.
Bert Noglik