Sprachkontakte - Universität Konstanz
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‘Schulter’ mit anschließender Grammatikalisierung zu ‘hinter’ ist typologisch ungewöhnlich<br />
(im Gegensatz etwa zu ‘Rücken’ oder ‘Hintern’); vgl. Heine/Kuteva (2005: 25, 201).<br />
Generell gilt, dass ein starkes Argument für die Annahme von Beeinflussung durch<br />
Sprachkontakt gerade auch dann vorliegt, wenn in den Sprachen eines Gebiets lexikalisches<br />
Material, welches zum Ausdruck grammatischer Strukturen umgebildet wird, nicht entlehnt,<br />
sondern nachgebildet (calquiert) wird. Dies eben umso mehr, wenn die dahinter stehenden<br />
lexikalischen Konzepte typologisch selten sind. Vgl. dazu Wälchli (2001: 434):<br />
„Lexical structure is richer and more specific than grammatical structure, and can therefore<br />
make a greater contribution to areal investigation. It is especially important to take into<br />
account lexical structure that interferes with grammatical structure whenever the origin of<br />
grammatical features of areal character is the object of the inquiry.”<br />
Man kann zeigen, daß ganze Verbände grammatischer Strukturen „areale Schieflagen“<br />
(„areal biases“) aufweisen (bis hin zu ganzen Kontinenten, s. Abschnitt 6). Dazu nun die<br />
folgenden Bemerkungen.<br />
Sprachkontakt als wesentlichen Faktor der strukturellen Veränderung von Sprachen<br />
anzusetzen, wird umso plausibler, je mehr derartige typologisch eher ungleichmäßig oder<br />
selten vorkommende Merkmale in demselben Gebiet (bei denselben Sprachen) auftreten –<br />
zumal wenn diese Merkmale aus verschiedenen strukturellen Bereichen stammen, die sich<br />
intern nicht bedingen 2 . Solche Gebiete hat man oft als ‘Sprachbünde’ bezeichnet. Dieser<br />
Begriff ist allerdings etwas überlastet, insofern als man an ihn oft andere Ziele geknüpft hat<br />
als das rein linguistische Ziel nachzuweisen, dass sprachliche strukturelle Veränderungen<br />
eingetreten sind, w e i l über Entlehnung, Calquierung und andere Vorgänge sich die<br />
beteiligten Sprachen gegenseitig beeinflusst haben (vgl. dazu Heine/Kuteva 2005: 173-177).<br />
Aus strukturell-typologischer Sicht könnte man neutraler von einer „kontaktlinguistischen<br />
Ballungszone“ sprechen und sich auf die linguistische Seite des Phänomens konzentrieren. Im<br />
Englischen wird dafür der neutrale Ausdruck ‘linguistic area’ verwendet; vgl. dazu<br />
Haspelmath (2001: 1492):<br />
„A linguistic area can be recognized when a number of geographically contiguous languages<br />
share structural features which cannot be due to retention from a common protolanguage and<br />
which give these languages a profile that makes them stand out among the surrounding<br />
languages.”<br />
Sprachen, die zu einem solchen Gebiet gehören, müssen sich also von ihren<br />
Nachbarsprachen abheben und müssen eine Reihe von Merkmalen teilen, die sich nicht als<br />
Weiterentwicklung einer grundsprachlich angelegten Entwicklung erfassen lassen. Letzteres<br />
lässt sich ermitteln (a) durch einen Vergleich mit anderen Folgesprachen derselben<br />
Grundsprache (z.B. innerhalb der romanischen, der slavischen, der germanischen Gruppe), (b)<br />
durch Ausschluß der Möglichkeit, dass einfach eine typologisch häufig belegte Veränderung<br />
vorliegt.<br />
3.2. Der Balkan-Sprachbund<br />
Einen der prototypischen Fälle einer kontaktlinguistischen Ballungszone, welcher zugleich<br />
den Begriff ‘Sprachbund’ geprägt hat, stellt der sog. Balkan-Sprachbund dar. Hierzu werden<br />
die folgenden Sprachen aus vier indoeuropäischen Gruppen gezählt:<br />
• Griechisch<br />
• Albanisch (in zwei Varianten: Toskisch im Süden, Gegisch im Norden)<br />
• Makedonisch, Bulgarisch (südslavisch)<br />
2<br />
Man kann eine solche Häufung von Merkmalen auch als Isoglossen-Bündel betrachten und damit Verfahren an<br />
die Ermittlung von Sprachkontakt-Zonen legen, welche aus der Dialektgeographie stammen. Es ergeben sich<br />
dabei dieselben methodischen Schwierigkeiten wie bei dem Begriff des ‘Sprachbunds’ (s.u.).<br />
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