Bioenergie
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PRoFILe<br />
<strong>Bioenergie</strong>: Ludwigshof macht’s vor<br />
Unternehmensreport: Agrarprodukte Ludwigshof eG<br />
Es regnet ohne Unterlass. Auch Thüringens<br />
Umweltminister Jürgen Reinholz (CDU)<br />
und Louise Hauke, Vorstandsvorsitzende der<br />
Agrarprodukte Ludwigshof eG, greifen zum<br />
Regenschirm. Es gab schon bessere Begleitumstände<br />
für eine Pressekonferenz, zumal für<br />
eine, die mit der Besichtigung eines so interessanten<br />
weil innovativen Betriebes gekoppelt<br />
ist. Wir – das sind neben geladenen Journalisten<br />
<strong>Bioenergie</strong>experten des Freistaates und<br />
aus Thüringer <strong>Bioenergie</strong>regionen sowie zuständige<br />
Mitarbeiter der eG – stehen an der<br />
Biogasanlage der Genossenschaft in Rockendorf<br />
im Saale-Orla-Kreis. Doch wer spricht<br />
schon vom Wetter, wenn es um so ein – der<br />
Minister macht nicht nur einmal darauf aufmerksam<br />
– „brandaktuelles, aber eben auch<br />
erklärungsbedürftiges Thema wie Biomasse“<br />
geht. Und nun kommt noch ein Aspekt mit internationaler<br />
wirtschaftlicher und politischer<br />
Brisanz hinzu, wie Reinholz gleich zu Beginn<br />
betont: „Spätestens nach den jüngsten Ereignissen<br />
um die Atomreaktoren in Japan werden<br />
Alternativen zur herkömmlichen Energiegewinnung<br />
gesucht.“ Thüringen hat durchaus<br />
Antworten.<br />
Die Agrargenossenschaft Ludwigshof – bekannt<br />
dafür, über den betrieblichen Tellerrand<br />
zu blicken, offen für Neues zu sein, Produktionsbereiche<br />
zu schaffen, die wirtschaftlich<br />
und gesellschaftlich Sinn machen und Zukunft<br />
haben – überzeugt landesweit mit klaren Antworten<br />
auf die Frage nach alternativen Energien.<br />
Dafür versichern sie sich der Hilfe kompetenter<br />
Partner und setzen sich – was sehr<br />
notwendig erscheint – für das Zusammenstehen<br />
des Berufsstandes ein. Das Erfurter Fachministerium<br />
macht in einem zur Pressekonferenz<br />
vorgelegten Papier das Engagement der<br />
Ludwigshofer sichtbar: Als Ort für das Pressegespräch<br />
wurde der Agrarbetrieb gewählt,<br />
„weil er einen hervorragenden Überblick über<br />
die in Thüringen verfolgte Strategie der Biomasseerzeugung<br />
und -nutzung bietet. Damit<br />
steht er stellvertretend für jene Unternehmen<br />
des Freistaates, die sich mit Biomasseerzeugung<br />
und <strong>Bioenergie</strong> beschäftigen und zum<br />
hohen Anteil der <strong>Bioenergie</strong> – bezogen auf<br />
den Endenergieverbrauch – in Thüringen beitragen.“<br />
Der liegt zurzeit bei 17,6 Prozent und<br />
könnte – so die Prognose – bis 2015 auf etwa<br />
22 Prozent steigen. Die Biomasse soll dabei ca.<br />
86 Prozent aller regenerativen Energien liefern;<br />
zurzeit sind es knapp über 80 Prozent.<br />
<strong>Bioenergie</strong> als erwerbszweig<br />
Die Politik zollt der 230 Mitgliedern gehörenden<br />
Agrargenossenschaft Lob. Das ist durchaus<br />
angebracht, denn hier tut sich nicht erst<br />
seit heute etwas in puncto Erneuerbare Energien.<br />
„Seit 2003 ist <strong>Bioenergie</strong> für uns ein Erwerbszweig“,<br />
informiert beim Rundgang<br />
Louise Hauke, der man anmerkt, dass sie die<br />
Genossenschaft energisch, mit Leidenschaft<br />
und Sachkenntnis lenkt und leitet. „Mittlerweile<br />
hat <strong>Bioenergie</strong> einen Anteil an unseren<br />
Umsatzerlösen von annähernd zehn Prozent.<br />
Eine Entwicklung, die wir so wollten, die aber<br />
noch nicht abgeschlossen ist. Dennoch bleibt<br />
es natürlich dabei, dass die Erzeugung von<br />
Bauer Hubert und das Stromkuh-Rätsel<br />
Das 2006 vom Thüringer Landwirtschaftsministerium veröffentlichte Thüringer <strong>Bioenergie</strong>programm<br />
gilt als Leitlinie für die Entwicklung der <strong>Bioenergie</strong>strategie im Freistaat.<br />
Neben den Potenzialen der <strong>Bioenergie</strong> wird die Bedeutung der Biomasse als Beitrag zur<br />
Energieversorgung und zum Klimaschutz betont. Viele Partner und Kooperationen stellen<br />
sich dem brandaktuellen Thema, darunter das Fachministerium, Agrarbetriebe, TLL,<br />
BIOBETH und <strong>Bioenergie</strong>regionen. Gemeinsam wird auch auf eine breite Öffentlichkeitsarbeit<br />
zu nachwachsenden Rohstoffen Wert gelegt (Abb.).<br />
32 5/2011<br />
Louise Hauke führt den Agrarbetrieb mit Leidenschaft.<br />
hochwertigen Nahrungs- und Futtermitteln<br />
unsere Hauptaufgabe ist.“<br />
Die 1991 gegründete Agrarprodukte Ludwigshof<br />
eG bei Ranis (siehe auch „WIR“<br />
9/2007) ist ein landwirtschaftlicher Gemischtbetrieb.<br />
113 Mitarbeiter, vier Lehrlinge und<br />
etwa 60 Saisonkräfte bewirtschaften über 4<br />
300 Hektar LF. Über die Landesgrenzen hinaus<br />
macht das Unternehmen sich einen Namen als<br />
Produzent von Arznei- und Gewürzpflanzen.<br />
Mit fasst 800 Hektar Anbaufläche gehört es<br />
zu den Branchengrößten in Deutschland. Allein<br />
auf 540 Hektar gedeiht Kamille. Etwa<br />
1 000 Tonnen Trockenware Arzneipflanzen<br />
verlassen jährlich die Trocknungsanlage der<br />
LuRa Agrarhandelsgesellschaft mbH, einem<br />
hundertprozentigen Tochterunternehmen der<br />
eG.<br />
Neben der Pflanzenproduktion bildet die Tierproduktion<br />
einen weiteren wirtschaftlich<br />
wichtigen Produktionszweig. Hervorzuheben<br />
ist die Milchviehanlage mit ca. 1 000 Milchkühen<br />
(Milchquote: ca. 9,4 Millionen kg). Zudem<br />
hält die Agrargenossenschaft 2 800 Schweine,<br />
900 Schafe und Ziegen, 140 000 Masthähnchen<br />
und 18 Pferde. Die Agrarprodukte Ludwigshof<br />
eG ist überdies mit 100 Prozent an<br />
der LuMaRi Kuhhaltungsgesellschaft mbH und<br />
zu 71,25 Prozent an der Tour Papilio GmbH,<br />
einer Kinder-, Jugend- und Familienpension<br />
beteiligt. – Die Ludwigshofer Genossenschaft<br />
ist ein veritables Unternehmen, das strikt auf<br />
funktionierende Kreislaufwirtschaft setzt und<br />
ein regional bedeutsamer Wirtschafts- und Arbeitsmarktfaktor<br />
ist.<br />
Zurück zu den Erneuerbaren Energien. Für die<br />
>>>
Ludwigshofer war in dieser Hinsicht das Jahr<br />
2003 ein entscheidendes. In jenem Jahr nahmen<br />
sie in Rockendorf eine Biogasanlage mit<br />
zwei Gas-Otto-Motoren mit je 240 kW elektrischer<br />
Leistung in Betrieb. „Neben der Rindergülle<br />
aus der benachbarten Milchviehanlage<br />
bilden Hähnchenkot aus der Trannrodaer<br />
Mast, Getreide und Silage das Substrat für die<br />
Biogasanlage“, informiert die Vorstandsvorsitzende<br />
ihre Gäste. „Der erzeugte elektrische<br />
Strom fließt nach den Vergütungssätzen des<br />
Erneuerbare-Energien-Gesetzes ins öffentliche<br />
Netz“, ergänzt Volkmar Geilsdorf, der Technische<br />
Leiter der Genossenschaft. Die entstehende<br />
Wärme dient der Beheizung der Fermenter<br />
und sorgt am Standort für die benötigten<br />
Wärmegrade in den Sozial- und Stallgebäuden.<br />
Nutzen für die Region<br />
Louise Hauke und ihr Team begnügen sich<br />
nicht mit dem Status quo einer Sache. „Im<br />
Rahmen der Anlagenoptimierung nahmen<br />
wir 2010 ein weiteres Satelliten-Blockheizkraftwerk<br />
an der Arzneipflanzen-Trocknungsanlage<br />
in Betrieb“, so Technikchef Geilsdorf.<br />
Elektrische Leistung: 366 kW. Am Standort der<br />
MVA mit Biogasanlage ging dafür ein 240-kW-<br />
BHKW vom Netz. Wie bei der Biogasanlage<br />
wird der im Satelliten-BHKW erzeugte Strom<br />
vollständig ans öffentliche Netz abgegeben –<br />
pro Jahr 4,7 Millionen Kilowattstunden. Die<br />
gesamte Wärme dient der Trocknung der Arzneipflanzen.<br />
Nützlicher Effekt: Tochter LuRa<br />
spart in der jährlich 180 Tage dauernden<br />
Trocknungszeit an die 140 000 Kubikmeter<br />
Erdgas ein. (Nicht nur nebenbei erwähnt: Der<br />
Bau der erforderlichen ca. 1,5 Kilometer langen<br />
Biogasleitung wurde über das Thüringer<br />
Landesförderprogramm für Wärme- und Biogasleitungen<br />
mit etwa 65 000 Euro bezuschusst.)<br />
Einsparungen sind dadurch nun auch<br />
in der Milchviehanlage möglich. „Dort verzichtet<br />
unsere Genossenschaft auf 28 000 Liter<br />
Heizöl und 3 000 Liter Diesel für die Notstromaggregate“,<br />
rechnet Louise Hauke vor.<br />
Sie ist sich sicher: „Mit kritischem Blick auf die<br />
Kosten, auf die steigenden Energiepreise ha-<br />
ben wir den richtigen Weg eingeschlagen.“<br />
Aber damit lassen es die Ludwigshofer nicht<br />
bewenden.<br />
Vom Tellerrand war die Rede, über den die Genossenschafter<br />
zu blicken sich zur Aufgabe gemacht<br />
haben. Minister Reinholz hebt nach der<br />
Rockendorfer Exkursion in der Presserunde im<br />
vorbildlich sanierten Genossenschaftsdomizil in<br />
Ludwigshof nicht nur das bioenergetische Volumen<br />
des Agrarbetriebes und dessen „ruheloses<br />
Suchen nach Lösungsvarianten“ hervor. Er<br />
betont zudem, wie wichtig das Unternehmen<br />
in dieser Hinsicht für die Region werden kann.<br />
Beispiel: Die eG will Bürgermeister jener Gemeinden,<br />
in denen sie tätig ist, für die Erzeugung<br />
und Nutzung von <strong>Bioenergie</strong> begeistern.<br />
Louise Hauke wartet vor der Presse mit konkreten<br />
Vorstellungen auf. „Denkbar ist, dass<br />
wir am Standort des Jungrinderstalles und Güllelagers<br />
in Gössitz eine <strong>Bioenergie</strong>- und Hackschnitzel-Heizanlage<br />
bauen.“ Die Wärme<br />
könnte so das benachbarte Mehrfamilienwohnhaus<br />
– in dessen Nähe es übrigens viel<br />
Holz gibt – mit heizen. „Nicht große Fernwärmenetze<br />
sind das Thema, machbar sind in Rockendorf<br />
vielmehr Nahwärme-Leitungen. Voraussetzung<br />
dafür ist aber das Interesse der<br />
Hausbesitzer.“ Hintergrund: Von Ende November<br />
bis Anfang Mai produziert das Satelliten-<br />
Blockheizkraftwerk am Standort der Arzneipflanzentrocknung<br />
in Rockendorf überschüssige<br />
Wärme. Wohin damit? Papier für Bertelsmann<br />
hat das Unternehmen schon getrocknet,<br />
auch der Bau eines Gewächshauses war im Gespräch.<br />
„Doch ökonomisch macht es am meisten<br />
Sinn, wenn diese Wärme Haushalten der<br />
Umgebung zugutekommt“, so Hauke. „Am<br />
Thema bleiben wir dran.“<br />
Fazit: Wenn von Nachhaltigkeit und Wertschöpfung<br />
in der Landwirtschaft und im ländlichen<br />
Raum die Rede ist, oder auch, wie erzeugte<br />
<strong>Bioenergie</strong> im eigenen Betrieb und in der Region<br />
nutzbringend einzusetzen ist, kann auf die<br />
Erfahrungen der Agrarprodukte Ludwigshof<br />
eG schwerlich verzichtet werden. Denn hier hat<br />
man die Zeichen der Zeit erkannt und passende<br />
Antworten parat. Diethart Schall<br />
5/2011<br />
Minister-Visite<br />
……………Zahlen und Fakten……………<br />
Agraprodukte Ludwigshof eG,<br />
Ranis, oT Ludwigshof<br />
> das Unternehmen: Gelegen am<br />
Rande der Vorgebirgslagen des Thüringer<br />
Waldes (Höhe über Nn: 230<br />
bis 530 m, durchschnittliche Bodenwertzahl:<br />
37, Niederschlagsmenge:<br />
500 bis 550 mm), verfügt die eG<br />
über eine Betriebsfläche von 4 349<br />
ha. Es ist ein moderner Landwirtschaftsbetrieb<br />
mit vielen Produktionszweigen<br />
in den Richtungen Getreide-,<br />
Öl- und Eiweißpflanzen- sowie<br />
Futteranbau. Besonderheit: Arzneipflanzenanbau<br />
auf 770 ha. Die eG<br />
ist aktiv in der Erzeugung tierischer<br />
Produkte wie Milch, Rind-, Schweineund<br />
Geflügelfleisch sowie in der<br />
Landschaftspflege mit Schafen und<br />
Pferden. Von sich reden macht der<br />
Betrieb, der zwei Tochtergesellschaften<br />
hat, zudem in der Erzeugung Erneuerbarer<br />
Energien.<br />
> Unternehmenssitz: 07389 Ranis,<br />
Ludwigshof Nr. 14<br />
Ruf: (0 36 47) 44 05-0,<br />
Fax: (0 36 47) 44 05-2 50,<br />
E-Mail:<br />
agrar-ludwigshof@t-online.de<br />
> Mitglieder: 230<br />
> Mitarbeiter der eG: 113; vier Lehrlinge<br />
> Vorstand: Louise Hauke,<br />
Erhard Silge, Hans-Joachim Sickel<br />
> Aufsichtsratsvorsitzender:<br />
Volker Hirt<br />
PRoFILe<br />
Betriebsrundgang in der Agrarprodukte Ludwigshof<br />
eG am 17. März zum Thema <strong>Bioenergie</strong><br />
mit Thüringens Umweltminister Jürgen<br />
Reinholz (li.). In der Schaltzentrale der Biogasanlage<br />
der Genossenschaft hat Anlagenfahrer<br />
Marcus Illgen alles im Griff. – Der Gemischtbetrieb<br />
Agrarprodukte Ludwigshof ist auch ein<br />
bedeutender Arznei- und Gewürzpflanzenproduzent.<br />
In diesem Jahr stehen Pfefferminze,<br />
Baldrian, Melisse, Kamille, Johanniskraut,<br />
Spitzwegerich, Kapuzinerkresse, Goldrute,<br />
Tollkirsche, Kalmus und Rosenwurz auf<br />
dem Anbauplan. Foto: Tags zuvor gerodeter,<br />
frischgewaschener Baldrian wird in die Boxentrocknung<br />
gefahren. Die Wärme dafür liefert<br />
die Biogasanlage. – Von 2001 bis 2005 wurden<br />
die Gründerzeitvilla, heute Sitz der Genossenschaft,<br />
und die Wirtschaftsgebäude<br />
des Ludwighofes saniert.<br />
Fotos: D. Schall, W. Schmidt<br />
> Umsatz 2010: ca. zehn Millionen<br />
Euro (Unternehmensgruppe)<br />
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