Pendeln - Mormon Bikers
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REPORT HIGHSPEED-PENDELN<br />
Die Angst fährt mit<br />
Von allen Formen der Fahrinstabilität bei Motorrädern ist<br />
84 TOURENFAHRER 9/2006<br />
Fotos: C.Güldenring, J. Meier<br />
das Hochgeschwindigkeitspendeln die gefährlichste.<br />
Was fahrphysikalisch passiert und was man dagegen tun<br />
kann, lesen Sie hier.<br />
A utobahn,<br />
Tempo 170,<br />
kein Verkehr. Ein<br />
Quäntchen schneller<br />
macht jetzt Freude, Fahrer und<br />
Motor haben noch Reserven,<br />
175, 180, dann ist auf einmal alles<br />
anders. Kalt kriecht die<br />
Angst den Rücken hoch, die<br />
Gedanken überschlagen sich.<br />
Der bis dato feste, spurstabile<br />
Untersatz, das treue Motorrad,<br />
fängt an zu wackeln, vollführt<br />
völlig unbekannte Eigenbewegungen.<br />
Der Bezugsrahmen, an<br />
Die Eigendämpfung des<br />
Schwingungssystems<br />
Motorrad nimmt rapide ab<br />
dem sich das Bewusstsein des<br />
Fahrers immer festhalten konnte,<br />
verändert sich, die Psyche<br />
wird Höchstbelastungen ausgesetzt.<br />
Alles am und im Motorrad<br />
schwingt. Langsam,<br />
schnell, einzeln, miteinander<br />
oder gegeneinander. Das Gesamtsystem<br />
Motorrad-Fahrer<br />
ist im Zusammenspiel mit der<br />
Fahrbahn schwingungsfähig.<br />
Ursachen sind die Drehmöglichkeiten<br />
des Vorderrades um<br />
die Lenkachse und die lose<br />
Koppelung zwischen Motorradreifen<br />
und Fahrbahn.<br />
Von allen Formen der Fahrinstabilität<br />
bei Motorrädern ist<br />
<strong>Pendeln</strong> die gefährlichste. Flattern<br />
und Lenkerschlagen<br />
(Kickback) können ebenfalls<br />
unangenehm sein, werden aber<br />
von modernen Fahrwerken oft<br />
besser verkraftet.<br />
Flattern bedeutet eine<br />
Schwingung des Lenksystems<br />
um die Lenkachse. Dabei<br />
schwingen Vor-<br />
derrad,Radführung, Lenker und<br />
Anbauteile. Die<br />
Schwingungsfrequenz<br />
liegt etwa<br />
zwischen fünf<br />
und zehn Hertz. Die Flatterresonanz,<br />
auch als »Shimmy-Effekt«<br />
bezeichnet, tritt gerne<br />
zwischen 40 und 80 km/h auf.<br />
Dann stimmt die Raddrehfrequenz<br />
des Vorderrades mit der<br />
Eigenfrequenz des gesamten<br />
Radaufhängungs- und Lenksystems<br />
überein, und es genügt<br />
nur eine Anregungsfrequenz,<br />
zum Beispiel eine Radunwucht,<br />
um den Shimmy-Effekt<br />
auszulösen.<br />
Die erste Honda Gold Wing kam 1977 und 1978 durch ihre <strong>Pendeln</strong>eigung in<br />
die Schlagzeilen. Mit lenkerfest montierter Verkleidung war sie gefährlich.<br />
Pendelgranate Kawasaki KH 750 Mach III: Rahmen, Radführungselemente<br />
und unterdimensionierte Schwingenlager kapitulierten vor der 2-Takt-Power.<br />
Beim Lenkerschlagen finden<br />
in schneller Folge wenige, sehr<br />
große Lenkwinkelausschläge<br />
statt. Voraussetzung ist ein Abheben<br />
des Vorderrades von der<br />
Fahrbahn und ein schräges<br />
Wiederaufsetzen. Bodenwel-<br />
Was ist <strong>Pendeln</strong>?<br />
Das für die Fahrsicherheit gefährliche<br />
<strong>Pendeln</strong> bezeichnet<br />
eine komplexe Schwingungsform,<br />
bei der das Fahrzeug-Vorderteil<br />
(Lenker, Gabel, Vorderrad,<br />
ggf. Verkleidung) und das Hinterteil<br />
(Rahmen mit Antriebsstrang,<br />
Hinterrad und Fahrer) eine gekoppelte<br />
Schwingung ausführen.<br />
Vom grundsätzlichen Ablauf dem<br />
Slalom-Fahren durch eine Reihe<br />
von Pylonen ähnlich, vollzieht das<br />
Motorrad dabei eine ungewollte<br />
Eine Gierbewegung<br />
wird von einer Rollbewegung<br />
überlagert<br />
Schlingerbewegung um die<br />
Hochachse (Gierbewegung), die<br />
aufgrund der Kreiselkräfte der<br />
Räder von einer Kippbewegung<br />
um die Längsachse (Rollbewegung)<br />
überlagert wird.<br />
Die Frequenz des <strong>Pendeln</strong>s<br />
liegt mit zwei bis vier Schwingungen<br />
pro Sekunde (Hertz) niedriger<br />
als beim Flattern, allerdings tritt<br />
das Phänomen erst bei höheren<br />
len in Schräglage können das<br />
Phänomen auslösen, das aus<br />
Resonanzschwingungen zwischen<br />
der Anregung, der Hubeigenfrequenz<br />
des Vorderrades<br />
und der Eigenfrequenz des<br />
Lenksystems besteht.<br />
Geschwindigkeiten auf (oberhalb<br />
von 100 km/h, frühestens 50 km/h<br />
unterhalb der Höchstgeschwindigkeit).<br />
Das Wechselspiel von<br />
Lenkeinschlag, Kippen und Wiederaufrichten<br />
führt zu Überschwingungsvorgängen.<br />
Diese<br />
können vom mitschwingenden<br />
Fahrer weiter verstärkt werden<br />
und gefährliche Dimensionen annehmen,<br />
wenn die Amplitude der<br />
Pendel-Schwingung bei hoher<br />
Geschwindigkeit immer größer<br />
wird und außer<br />
Kontrolle gerät.<br />
Anfälligkeit<br />
und Ursprung<br />
der <strong>Pendeln</strong>eigung<br />
sind von<br />
Motorrad zu Motorrad unterschiedlich.<br />
Begünstigende Faktoren<br />
allerdings sind eine geringe<br />
Steifigkeit von Rahmen, Rädern<br />
und Radführungen, ein hohes<br />
Massenträgheitsmoment um die<br />
Lenkachse (lenkerfeste Verkleidung<br />
und Anbauteile, die das Gewicht<br />
am Lenker erhöhen) sowie<br />
ungünstige Reifeneigenschaften,<br />
geringe Profiltiefe und falscher<br />
Die ersten Versionen der XT 600 Z Ténéré pendelten schon ab 120 km/h. Vor<br />
allem der schwingende Kotflügel leitete Unruhe ins hochbeinige Fahrwerk.<br />
Shimmy und Flattern verdienen<br />
eine eigene Geschichte.<br />
Was uns aktuell beschäftigt, ist<br />
das Hochgeschwindigkeitspendeln.<br />
Ein Phänomen, das die<br />
Geschichte des Motorrades von<br />
Anfang an begleitet hat. Immer<br />
Reifenluftdruck. Ausgeschlagene<br />
Lager in Rädern, Lenkkopf und<br />
Schwinge können die Stabilität<br />
des Fahrzeuges nachhaltig verschlechtern<br />
und so die Fahrinstabilität<br />
einleiten oder erhöhen.<br />
Auch Zuladungen beeinflussen<br />
die <strong>Pendeln</strong>eigung erheblich. Seitenkoffer<br />
etwa wirken als Verstärker,<br />
weil der Fahrtwind über die<br />
am Heck montierten Koffer eine<br />
Kraft in das Rahmenheck einleiten<br />
kann und so zusätzlich destabilisierend<br />
wirkt. Ein beladenes Topcase<br />
macht viele ansonsten stabi-<br />
wieder sind Piloten pendelnder<br />
Maschinen gestürzt. Unvergessen<br />
der Skandal, dem sich Honda<br />
mit den ersten Gold-Wing-<br />
Modellen (K0 bis K3) ausgesetzt<br />
sah. Die Maschine begann<br />
auch aufgrund von lenkerfest<br />
le Motorräder zu Wackeleimern.<br />
Durch den langen Hebelarm vom<br />
Lenkkopf bis zum Fahrzeugheck<br />
wirkt das hoch montierte Gewicht<br />
besonders destabilisierend und<br />
begünstigt den Schwingungsvorgang<br />
enorm.<br />
Anregungen für Pendelschwingungen<br />
liegen in ungewollten<br />
Lenkbewegungen, wie sie etwa<br />
beim Überfahren von Spurrillen<br />
auftreten können, und in aerodynamischen<br />
Kräften durch Windböen,<br />
Seitenwind oder Wirbelschleppen<br />
von Lastkraftwagen.<br />
Technische Gegenmaßnahmen<br />
Fahrwerksseitig von enormer Bedeutung sind die Wahl der Reifen<br />
und der vom Reifenhersteller angegebene Luftdruck. Reifentests<br />
beurteilen die <strong>Pendeln</strong>eigung auf »anfälligen« Motorradmodellen.<br />
Auch die Abstimmung der Federelemente hat großen Einfluss auf die<br />
Fahrstabilität. Straffe, möglichst progressive Gabelfedern können bei<br />
manchen Modellen Wunder bewirken. Das gilt auch für eine Erhöhung<br />
der Federvorspannung hinten. Korrekt eingestellte und arbeitende<br />
Lager an Rädern, Schwinge und Lenkkopf sowie richtig angezogene<br />
Speichen beeinflussen das Fahrverhalten nachhaltig. Vorsicht<br />
ist bei der Beladung mit Gepäck geboten. Das vom Hersteller angegebene<br />
Gewichtslimit beachten und bei empfindlichen Fahrzeugen<br />
möglichst auf ein Topcase verzichten. Träger auf korrekte Verschraubung<br />
und Koffer auf festen Sitz überprüfen. Einige Hersteller<br />
setzen übrigens auf halbschwingend gelagerte Koffer.<br />
9/2006 TOURENFAHRER 85
REPORT HIGHSPEED-PENDELN<br />
montierten, nicht serienmäßigen<br />
Verkleidungen derartig zu<br />
pendeln, dass einige Fahrer zu<br />
Tode kamen. Zweitakt-Kawasakis<br />
der KH-Reihe, die mit<br />
leistungsstarken Motoren,<br />
dünn dimensionierten Rahmen<br />
und billigsten Lagern in<br />
Schwinge und Lenkkopf ausgerüstet<br />
waren, fielen ebenfalls<br />
durch extremes Highspeed-<br />
<strong>Pendeln</strong> auf. Doch sie waren<br />
nicht allein. Letztendlich<br />
krankten viele Motorräder dieser<br />
Zeit am Pendelphänomen,<br />
und es lag oftmals an den oben<br />
beschriebenen Fahrwerksschwächen<br />
in Kombination mit<br />
starken Motoren und im Vergleich<br />
zu heute schlechten Federelementen<br />
und Reifen.<br />
Hochbeinige Einzylinder-<br />
Enduros wie die Yamaha<br />
Ténéré, bei denen sich kurzer<br />
Radstand, hoher Schwerpunkt,<br />
lange Federwege, hochliegende,<br />
schwingungsbereite Kotflügel,<br />
ein Störimpulse ins Fahrwerk<br />
leitender, breiter Lenker, walkende<br />
Enduro-Reifen, schwache<br />
Rahmenhecks samt üppiger<br />
Koffer oder Gepäcktaschen und<br />
billige Lager zu einer pendelbereiten<br />
Gesamtkombination vermischten,<br />
gaben dem Phänomen<br />
eine neue Dimension: Das <strong>Pendeln</strong><br />
konnte schon bei 120 km/h<br />
beginnen, und wenn die Fahrer<br />
nicht stürzten, brauchten sie oft<br />
mehr als eine Fahrbahnbreite,<br />
um die eiernden Wüstenschiffe<br />
wieder einzufangen.<br />
Heutzutage ist das Problem<br />
deutlich entschärft. Die meisten<br />
Motorradhersteller können<br />
dank stabiler Rahmen, steifer<br />
Radführungselemente, sensibel<br />
ansprechender Federelemente,<br />
moderner Reifen, hochwertiger<br />
Lager und niedriger<br />
Massenträgheitsmomente um<br />
die Lenkachse das Pendelphänomen<br />
sehr klein halten oder<br />
völlig eliminieren. Zumindest<br />
im Serienzustand.<br />
Werden Gepäcksysteme<br />
oder Verkleidungen zusätzlich<br />
angebaut, sieht die Sache anders<br />
aus. Hochgeschwindigkeitspendeln<br />
wird durch eine<br />
Verlagerung des Schwerpunktes<br />
nach hinten und oben be-<br />
86 TOURENFAHRER 9/2006<br />
günstigt. Wer also Koffer und<br />
Topcase beispielsweise an eine<br />
Honda Transalp, Varadero, an<br />
eine Suzuki DL 1000 V-Strom<br />
oder auch eine KTM 990 Ad-<br />
Zu weiche Reifenflanken<br />
können für Fahrwerksunruhen<br />
sorgen<br />
venture baut, kann auch heute<br />
noch im Highspeed-Bereich<br />
unangenehmes Aufschaukeln<br />
erleben. Außerdem: Wenn<br />
handliche Motorräder mit hohem<br />
Schwerpunkt, kurzem<br />
Radstand und steilem Lenkkopf<br />
wie die Buell Ulysses auf<br />
TF-Messverfahren<br />
Reifen mit weicher, zum Walken<br />
neigender Karkasse laufen,<br />
ist eine <strong>Pendeln</strong>eigung vorprogrammiert.<br />
Dabei hatte es<br />
Dunlop gut gemeint und wollte<br />
der XB 12 X ex-<br />
traleichte Reifen<br />
mit auf den Weg<br />
geben.<br />
Tatsache ist,<br />
dass das Pendelphänomen<br />
aus<br />
vielen hochsensiblen, aufeinander<br />
Einfluss nehmenden Parametern<br />
besteht, die oft auch<br />
nicht mit einem einzigen Patentrezept<br />
abgestellt werden<br />
können. Eine wesentliche Rolle<br />
beim <strong>Pendeln</strong> spielt die mit<br />
steigender Geschwindigkeit<br />
fallende Eigendämpfung des<br />
Schwingungssystems Motorrad.<br />
Diese tendiert bei schweren,<br />
schnellen Motorrädern gegen<br />
null. Dann wirkt der<br />
menschliche Körper als dämpfende<br />
Masse. In der Regel hat<br />
selbst ein Beifahrer, obwohl<br />
das Vorderrad entlastet und der<br />
Schwerpunkt nach hinten verlagert<br />
wird, einen günstigen Einfluss<br />
auf die <strong>Pendeln</strong>eigung.<br />
Was beim <strong>Pendeln</strong> fahrphysikalisch<br />
genau passiert und<br />
was man technisch dagegen tun<br />
kann, lesen Sie auf Seite 85.<br />
Maßnahmen, um das <strong>Pendeln</strong><br />
abklingen zu lassen, erläutern<br />
wir im Kasten auf der rechten<br />
Seite. MB/MK<br />
Um die Bewegung des Test-<br />
Fahrzeugs, hier eine Honda<br />
Varadero, sichtbar zu machen,<br />
verwendet der TOU-<br />
RENFAHRER wie bei allen<br />
Test-Prozeduren das Mess-<br />
System von 2D-Datarecording(www.2d-datarecording.com).<br />
In diesem Falle<br />
haben wir ein Kreiselinstrument<br />
(Gyroskop) am Lenker<br />
befestigt und dessen Daten<br />
zusammen mit einer GPSgestütztenGeschwindigkeitsmessungaufgezeichnet.<br />
Sichtbar werden bei der<br />
folgenden Auswertung die<br />
gefahrene Geschwindigkeit<br />
(blaue Kurve) und parallel<br />
dazu die Bewegung der Vorderradführung<br />
um die Lenkachse<br />
in Form von Amplituden<br />
(grüne Kurve). Die obere<br />
Messung zeigt eine Solo-<br />
Fahrt, die untere Messung<br />
die gleiche Situation, jetzt<br />
allerdings mit Koffern und<br />
Topcase, jeweils bis ans<br />
zulässige Limit beladen.<br />
Hier erkennt man gut die zunehmendePendelschwingung<br />
ab einer Geschwindigkeit<br />
von etwa 170 Stundenkilometern.<br />
Fahrinstabilität <strong>Pendeln</strong>: Das sagt die Industrie<br />
BMW<br />
Grundsätzlich handelt es sich beim <strong>Pendeln</strong><br />
um eine »Entartung« des normalen Stabilisierungsvorganges.<br />
In<br />
der Praxis sind Tourer<br />
und Reise-Enduros<br />
aus mehreren Gründen<br />
stärker betroffen:<br />
Ihre Verkleidung bietetStrömungseinflüssen<br />
(z. B. Wirbelschleppen<br />
) mehr Angriffsfläche.Außerdem<br />
werden sie häu-<br />
BMW-Pressesprecher<br />
Jürgen<br />
Stoffregen über<br />
Maßnahmen von<br />
BMW zur Vermeidung<br />
von Fahrinstabilität <br />
fig mit hoher Beladung<br />
gefahren. Wenn<br />
zum Beispiel durch<br />
viel Gepäck im Heck<br />
das Vorderrad stark<br />
entlastet wird, kann<br />
der Reifen eine aufkommendeSchwingung<br />
weniger gut<br />
dämpfen. Wesentli-<br />
che Einflussfaktoren sind die Steifigkeit des<br />
gesamten Fahrwerks und der Reifen, doch<br />
auch Beladung bzw. Radlastverteilung spielen<br />
eine Rolle. Die Zahl der konstruktiven Gegenmaßnahmen<br />
ist vielfältig, am wichtigsten ist<br />
ein steifes Fahrwerk, und zwar nicht nur hinsichtlich<br />
des Rahmens, sondern auch der Radführungen<br />
und der Räder. Um dies zu berechnen,<br />
sind bei BMW Motorrad Simulationsprogramme<br />
seit Jahren ein fester Bestandteil der<br />
Fahrwerksauslegung und Entwicklung. Sie<br />
ermöglichen eine effiziente Analyse und eine<br />
Variation aller Parameter schon bei der Konzeption<br />
und Erstauslegung des Fahrwerks. Damit<br />
haben die ersten Prototypen bereits einen<br />
sehr hohen Stand bezüglich der Fahrstabilität.<br />
Sofortmaßnahmen auf dem Motorrad beim <strong>Pendeln</strong><br />
Was tun, wenn das Motorrad trotz aller Vorsichtsmaßnahmen<br />
unruhig wird? Als<br />
Erstes den kritischen Geschwindigkeitsbereich<br />
verlassen. Dabei behutsam vom Gas gehen und<br />
ausschließlich mit der Hinterradbremse verzögern.<br />
In den meisten Fällen stabilisiert sich ein<br />
Motorrad bei dieser Vorgehensweise spürbar.<br />
Wilbers Products<br />
Das Hochgeschwindigkeitspendeln hat verschiedene<br />
Gründe, ist aber letztlich eine Kettenreaktion.<br />
Wenn<br />
der Auftrieb an der<br />
Fahrzeugfront bei<br />
schneller Fahrt entsprechend<br />
hoch ist<br />
und weiche Federn in<br />
der Gabel arbeiten,<br />
nimmt das Unheil oft<br />
schon seinen Lauf.<br />
Gerne spannt man<br />
die soften Federn ex-<br />
Benny Wilbers,<br />
Fahrwerks-Papst<br />
und Vertreiber<br />
edler Federelemente,<br />
zu fahrwerksseitigen<br />
Antipendel-Tricks<br />
trem vor, doch dadurch<br />
wird das Motorrad<br />
noch schneller<br />
aus der Null-Stellung<br />
ausgefedert.<br />
Der so nach hinten<br />
verlagerte Schwerpunkt<br />
belastet das oft<br />
zu weiche hintere Federbein,<br />
was dann in<br />
einer Bodenwelle auf Block gehen kann und<br />
die Energieumwandlung dem Reifen überlässt.<br />
Der ist damit überfordert, beginnt zu<br />
walken und leitet die Schwingung in das Motorrad.<br />
Wir empfehlen härtere Gabelfedern<br />
mit wenig Vorspannung, die das schnelle<br />
Ausfedern verhindern und zudem mehr Reserven<br />
auf der Bremse bieten. Hinten sollte<br />
ein einstellbares, längeres Federbein zum<br />
Einsatz kommen, das zu schnelles Einfedern<br />
unterbindet und mehr Gewicht auf das Vorderrad<br />
bringt. Auch defekte Lenkkopflager<br />
oder Lenkungsdämpfer sowie ein Hinterradreifen<br />
mit zu geringer Traglast können<br />
<strong>Pendeln</strong> auslösen. Genaue Analysen sollten<br />
durch Fachleute erfolgen.<br />
Entgegen der Logik den Lenker locker lassen.<br />
Verkrampftes Festhalten am Lenker bewirkt eine<br />
Übertragung der Bewegung auf den Fahrer.<br />
Dieser kann als Resonanzkörper die Schwingung<br />
sowohl begünstigen als auch dämpfen. Bei<br />
beginnendem <strong>Pendeln</strong> hilft oft, eine Hand vom<br />
Lenker zu nehmen und die andere locker auflie-<br />
Continental<br />
<strong>Pendeln</strong> ist eine Schwingungsform, bei der<br />
praktisch der hintere Teil des Motorrades<br />
um die Lenkachse<br />
schwingt. Beeinflusst<br />
wird <strong>Pendeln</strong><br />
von der Schwerpunkthöhe,<br />
dem Radstand,<br />
dem Nachlauf,<br />
den Kreiselkräften<br />
der Räder – also auch<br />
der Fahrgeschwindigkeit<br />
–, dem Massenträgheitsmoment<br />
Wolfgang Zeyen,<br />
Pressesprecher<br />
Continental-Reifen,<br />
zum Thema<br />
<strong>Pendeln</strong> und den<br />
Gedanken der Reifenhersteller<br />
dazu<br />
des Motorrades um<br />
die Längsachse, das<br />
sich z. B. durch hoch<br />
angebrachtes Gepäck<br />
ändern kann.<br />
Selbstverständlich<br />
spielt der Reifen in<br />
einem Schwingungssystem<br />
eine entscheidende<br />
Rolle.<br />
Unserer Erfahrung nach sind möglichst »stabile«<br />
Hinterrad-Reifen (die möglichst wenig<br />
»Instabilität« in das Gesamtsystem bringen)<br />
geeignet, <strong>Pendeln</strong> weitestgehend zu unterdrücken.<br />
Der Vorderrad-Reifen beeinflusst<br />
die <strong>Pendeln</strong>eigung kaum. Dennoch ist von<br />
Mischbereifungen abzuraten. Bestimmte<br />
Motorräder werden beinahe immer pendeln,<br />
ganz gleich, welchen Reifen man für<br />
sie konstruieren würde. Insbesondere bei<br />
Maschinen mit hoher Zuladung ist es<br />
schwierig, bei allen Beladungszuständen<br />
die Fahrstabilität sicherzustellen. Man sollte<br />
darauf achten, nicht mit zu geringem Luftdruck<br />
oder eckig gefahrenen Reifen unterwegs<br />
zu sein.<br />
gen zu lassen. Geringe <strong>Pendeln</strong>eigung kann bei<br />
manchen Modellen auch durch Gewichtsverlagerung<br />
des Fahrers zum Heck hin kompensiert<br />
werden. Bei Sozius-Betrieb möglichst eng zusammen<br />
und nach hinten rutschen. Eine Verlagerung<br />
des Schwerpunktes zum Heck entlastet<br />
das Vorderrad, der Nachlauf wird verlängert.<br />
9/2006 TOURENFAHRER 87