(185-240) (853,8 kB) - Anwaltsblatt
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DeutscherAnwaltVerein<br />
Aus dem Inhalt<br />
Aufsätze<br />
Gerichtsstand des Erfüllungsortes<br />
(Henssler, Steinkraus) 186<br />
Gerichtskostennachforderungen im<br />
Mahnverfahren (Hambrecht) 188<br />
Anwaltshonorar im sozialhilferechtlichen<br />
Mandat (Zuck) 190<br />
Zeitschriftenlektüre des Juristen (Franke) 201<br />
Editorial<br />
Traum vom „freien“ Mitarbeiter (Kilger) 204<br />
Aus der Arbeit des DAV<br />
Parlamentarischer Abend 205<br />
Nordirische Kommission beim DAV 207<br />
Mitteilungen<br />
Anwaltstatistik 216<br />
Steuerabschreibung von Computern 220<br />
Rechtsprechung<br />
BGH: Vorsorge gegen erkrankungsbedingte<br />
Fristversäumnis 227<br />
OLG München: Erstberatungsgebühr 228<br />
Anwaltstag 1999 in Bonn 12. bis 15. Mai !<br />
4/99<br />
April DeutscherAnwaltVerlag
II<br />
Rechtsprechung<br />
Berufsrecht<br />
AGH Hamburg, Beschl. v. 6.1.1999 – II ZU 2/97<br />
BRAO § 59a; BerufsO § 31<br />
Die berufsrechtlichen Regelungen stehen der Beteiligung eines Rechtsanwalts an<br />
einer personenidentischen Zweitsozietät, deren Gegenstand (Geschäftszweck)<br />
keine berufstypischen (nur) dem Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten umfaßt,<br />
nicht entgegen. (LS der Redaktion) – S. 226<br />
BGH, Beschl. v. 26.11.1998 – IX ZB 84/98<br />
ZPO § 233<br />
Der Rechtsanwalt hat eine allgemeine, geeignete Vorsorge zu treffen, die gewährleistet,<br />
daß im Falle seiner Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht<br />
werden können. (LS der Redaktion) – S. 227<br />
Gebührenrecht<br />
OLG München (Augsburg), Urt. v. 17.9.1998 – 14 U 879/97<br />
BRAGO § 20<br />
1. Ein Rechtsanwalt kann eine schriftliche Auskunft nur mit der Erstberatungsgebühr<br />
des § 20 Abs.1 Satz 2 BRAGO abrechnen, wenn er, ohne bei Erhalt schriftlicher<br />
Unterlagen mit der Beratung begonnen zu haben, die erbetene Auskunft erst<br />
nach Durchsicht dieser Unterlagen erteilt.<br />
2. Schließt sich an diese Auskunft eine weitere an, bleibt es für die zunächst erteilte<br />
bei der Erstberatungsgebühr, auch wenn die zweite Auskunft mit der Erstberatung<br />
in einem engen gegenständlichen oder zeitlichen Zusammenhang steht<br />
oder diese fortsetzt.<br />
3. Die weitere Auskunft kann unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 5 BRAGO<br />
nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO abgerechnet werden. – S. 228<br />
AnwG Tübingen, Beschl. v. 11.12.1998 – 48/1999<br />
BRAO § 49b; BRAGO § 52<br />
Die Nichtberücksichtigung der Verkehrsgebühr in der Gebührenteilungsabrede<br />
zwischen Verkehrsanwalt und Prozeßanwalt ist berufsrechtswidrig.<br />
(LS der Redaktion) – S. 229<br />
Streitwert, Kosten, Erstattung<br />
AG Hamburg, Beschl. v. 7.3.1999 – 77 B L 002629/97<br />
GKG §§ 11, 61; GKG-KV Nr. 1201, 1202<br />
Gemäß Artikel 100 I GG wird das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des<br />
BVerfG zu folgender Frage eingeholt:<br />
Ist § 61 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. § 11 GKG und der Nr. 1201<br />
des Kostenverzeichnisses (KV) in der aufgrund des Gesetzes zur Änderung von<br />
Kostengesetzes und anderen Gesetzes vom 14.6.1994 (BGBl. I 1325, KostRÄndG<br />
1994) seit dem 1.7.1994 geltenden Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit<br />
auch dann die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen entsteht, wenn in einem<br />
Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides zwar für den Fall des Widerspruchs der<br />
Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt ist und Widerspruch<br />
auch erhoben wird, das Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit<br />
jedoch nicht an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht abgibt,<br />
weil der Antragsteller das Verfahren nicht weiter betreibt? – S. 230<br />
OLG München, Beschl. v. 9.7.1998 – 11 W 1411/98<br />
ZPO §§ 91, 485 ff.; BRAGO §§ 37 Nr. 3, 48<br />
Kosten des selbständigen Beweisverfahrens können nicht aufgrund einer Kostenentscheidung<br />
im Verfahren der einstweiligen Verfügung erstattet werden. – S. 234<br />
OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.2.1998 – 6 W 450/98<br />
ZPO § 91, §§ 485 ff.<br />
Wird in einem gerichtlichen Vergleich Kostenaufhebung vereinbart, werden im<br />
Zweifelsfall auch die Gerichtskosten eines dem Rechtsstreit vorangegangenen,<br />
selbständigen Beweisverfahrens zwischen den Parteien aufgeteilt. – S. 234<br />
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 13.2.1998 – 10 W 31/97<br />
ZPO § 494 a<br />
Allein die fehlende Klageerhebung innerhalb einer nach § 494 a Abs. 1 ZPO gesetzten<br />
Frist genügt nicht, um dem Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens<br />
ohne Berücksichtigung der weiteren Umstände die dem Antragsgegner<br />
entstandenen Kosten aufzuerlegen. (LS der Reaktion) – S. 235<br />
OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.5.1998 – 5 W 1070/98<br />
ZPO § 91 Abs. 2, §§ 688 ff.<br />
1. Die Kosten einer Partei für einen im Mahnverfahren tätigen Rechtsanwalt sind<br />
grundsätzlich erstattungsfähig (entgegen OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.7.1998 –<br />
8 W 2309/97 in NJW 1998, 388).<br />
2. Erstattungsfähig sind auch die höheren Kosten, die durch die Beauftragung eines<br />
weiteren Rechtsanwalts am Ort des Prozeßgerichts nach Widerspruchseinlegung<br />
entstanden sind, wenn ein vernünftig abwägender Antragsteller nicht damit<br />
rechnen mußte, daß der Antragsgegner gegen einen Mahnbescheid Widerspruch<br />
einlegen werde. (LS der Redaktion) – S. 235<br />
Prozeßrecht<br />
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1998 – 11 W 13/98<br />
ZPO § 42 Abs. 2<br />
1. Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende<br />
oder gar beleidigende Äußerungen des Richters in der mündlichen Verhandlung<br />
können die Besorgnis der Befangenheit begründen. Bei der Abgrenzung ist<br />
der Gesamtzusammenhang der konkreten Verhandlungssituation zu betrachten und<br />
insbesondere darauf abzustellen, ob die Äußerungen noch sachbezogen und aufgrund<br />
des Verhaltens der Beteiligten verständlich sind und ob mögliche Mißverständnisse<br />
vom Richter sogleich ausgeräumt werden.<br />
2. Die Würdigung des prozessualen Vorgehens einer Partei als „tricky“ rechtfertigt<br />
nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit. – S. 236<br />
BGH, Beschl. v. 22.10.1998 – VII ZB 15/98<br />
ZPO § 78 Abs. 1; BRAO § 53 Abs. 3<br />
Ein rechtswirksames Handeln eines nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts als amtlich<br />
bestellter Vertreter für einen postulationsfähigen Rechtsanwalt setzt voraus, daß<br />
dieses hinreichend deutlich (hier: in der Rechtsmittelschrift) erkennbar wird. – S. 236<br />
LG Berlin, Urteil v. 7.10.1997 – 64 S 278/97<br />
ZPO § 182<br />
1. Die wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Post nach § 182<br />
ZPO setzt voraus, daß der Empfänger der zuzustellenden Sendung die Wohnung,<br />
in der der Zustellungsversuch unternommen wird, tatsächlich noch inne hat, er in<br />
der Wohnung nicht angetroffen wird und ein Versuch der Ersatzzustellung nach<br />
§ 181 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zum Erfolg führt.<br />
2. Für den Begriff der „Wohnung“ kommt es darauf an, ob der Zustellungsempfänger<br />
sich dort regelmäßig aufhält, insbesondere dort schläft, nicht allein darauf, ob<br />
der Zustellungsempfänger dort polizeilich gemeldet ist.<br />
3. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich auf die Richtigkeit ihrer<br />
Durchführung, nicht jedoch darauf, ob der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift<br />
wohnt.<br />
4. Auf den vom Zustellungsempfänger erweckten Anschein, daß er unter einer angegebenen<br />
Anschrift wohnt, kommt es für die Zustellung nur dann an, wenn dieser Anschein<br />
gegenüber dem die Zustellung veranlassenden Gericht erweckt wird. – S. 237<br />
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.8.1997 – 2 UF 111/97<br />
ZPO §§ 233, 519 b<br />
Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den Absender zumindest bei<br />
fristgebundenen Schriftsätzen nicht von der Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren,<br />
daß alle zu sendenden Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen<br />
werden. Denn nur dann kann darauf vertraut werden, daß die Sendung vollständig<br />
erfolgt und beim Empfänger ankommt. Ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht ist<br />
schuldhaft i. S. d. § 233 ZPO. – S. 237<br />
BGH, Beschl. v. 8.10.1998 – VII ZB 21/98<br />
ZPO § 519 Abs. 2 Satz 3<br />
Die auf Antrag eines postulationsunfähigen Prozeßbevollmächtigten vom Vorsitzenden<br />
verfügte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist wirksam, ohne<br />
daß es darauf ankommt, ob der Prozeßbevollmächtigte bei sorgfältiger Prüfung erkennen<br />
konnte, daß sein Antrag unwirksam war (Bestätigung von BGH, Beschl. v.<br />
22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998, 1155). – S. 238<br />
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.6.1998 – 3 W 201/98<br />
ZPO § 890 Abs. 1, § 929 Abs. 2, § 936<br />
Die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung setzt deren fristgerechte Zustellung<br />
im Parteibetrieb oder eine anderweitige Vollziehungsmaßnahme des Gläubigers –<br />
etwa Bestrafungsantrag – innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist voraus. –<br />
S. 238
Im Auftrag des<br />
Deutschen Anwaltvereins<br />
herausgegeben von den<br />
Rechtsanwälten:<br />
Felix Busse<br />
Dr. Michael Kleine-Cosack<br />
Wolfgang Schwackenberg<br />
<strong>185</strong> Fritz Ostler €<br />
Aufsätze<br />
186 Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO für die<br />
anwaltliche Honorarklage<br />
Von Prof. Dr. Martin Henssler, Köln und Assessorin Astrid<br />
Steinkraus, wiss. Mitarbeiterin am Institut für Anwaltsrecht in<br />
Köln<br />
188 Gerichtskostennachforderungen im Mahnverfahren<br />
Von Rechtsanwältin Elke Hambrecht, Würzburg<br />
190 Wie verdient der Anwalt im sozialrechtlichen Mandat sein<br />
Geld?<br />
Von Rechtsanwalt Prof. Dr. Rüdiger Zuck, Stuttgart<br />
193 Das neue spanische Geschworenengericht<br />
Von Richter am Landgericht Dr. Michael Bohlander, Meiningen<br />
198 Die ausländerrechtlichen Regelungen des polnischen Anwaltsund<br />
Rechtsberatungsgesetzes<br />
Von Richter Andrzej Ryng, Warschau<br />
201 Zeitschriftenlektüre des Juristen<br />
Von Rechtsanwalt Dr. Karl Franke, Ellwangen<br />
Editorial<br />
204 Der Traum vom „freien“ Mitarbeiter (Nr. 2)<br />
Von Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Hechingen<br />
Aus der Arbeit des DAV<br />
Schriftleitung:<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Dr. Peter Hamacher<br />
Udo Henke<br />
Rechtsanwälte<br />
Bonn, Adenauerallee 106<br />
Jahrgang 49<br />
April 1999<br />
205 Parlamentarischer Abend des Deutschen Anwaltvereins 1999<br />
206 Anwaltstag 1999: Grußwort des Bonner Anwaltvereins<br />
Von Rechtsanwalt Robert Erdrich,<br />
Vorsitzender des Bonner Anwaltvereins<br />
<strong>Anwaltsblatt</strong>: Ludwig Koch, Felix Busse<br />
DAV international:<br />
Präsidentenkonferenz der deutschsprachigen Anwaltsverbände<br />
Von Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M., Bonn<br />
207 Nordirische Kommission besucht den DAV<br />
Von Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M., Bonn<br />
208 Deutsche Anwaltauskunft –<br />
starke Nachfrage in der Bevölkerung und den Medien<br />
209 PR-Referat<br />
Von Rechtsanwalt Swen Walentowski, Bonn<br />
212 Tagung der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht<br />
Personalien:<br />
Neue Vorsitzende von Anwaltvereinen<br />
Ulrich Stobbe Ehrensenator<br />
Heinz Brangsch€<br />
Von Hans-Jürgen Rabe, Hamburg<br />
b 4/99<br />
l<br />
Europa<br />
214 Änderungen des Kaufrechts durch EU-Verbrauchsgüterrichtlinie<br />
Von Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., Brüssel<br />
215 Europa, Geldwäsche und die organisierte Kriminalität –<br />
ein Kampf mit oder gegen den Rechtsanwalt?<br />
Von Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., Brüssel<br />
Glosse: Praktisches Leben<br />
Von Rechtsanwalt Rainer Eggert, Frankfurt a. M.<br />
Mitteilungen<br />
216 Anwaltstatistik: Mitglieder der<br />
Rechtsanwaltkammern am 1. Januar 1999<br />
Universität zu Köln: Ehrenpromotion Ludwig Koch<br />
Von Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />
218 Anwaltsrecht: Institut für Anwaltsrecht – Leipzig<br />
Gebührenfragen:<br />
Die Erstberatungsgebühr der BRAGO<br />
Von Referendarin Ramona Kühnel, Göttingen<br />
220 Steuerrecht:<br />
Steuerliche Abschreibung von Computern<br />
bei juristischen Tätigkeiten<br />
Von Rechtsreferendar Thorsten Vehslage, Hamburg<br />
223 Haftpflichtfragen:<br />
Vertrauensschutz für den Rechtsanwalt?<br />
Von Rechtsanwältin Antje Jungk,<br />
Allianz Versicherungs-AG, München<br />
Buchhinweis<br />
Arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren (Wohlfahrt)<br />
Rechtsprechung<br />
(Übersicht und Leitsätze siehe Seite II)<br />
226 Berufsrecht<br />
228 Gebührenrecht<br />
230 Streitwert, Kosten, Erstattung<br />
236 Prozeßrecht<br />
Rechtsprechung Nachschlag<br />
239 Rechtsprechung in Leitsätzen zum Bereich Streitwert, Kosten,<br />
Erstattung (Zivilrecht, Arbeitsrecht, Sonstiges)<br />
<strong>240</strong> Impressum<br />
Auf dem Umschlag<br />
Das <strong>Anwaltsblatt</strong> ist auf technisch chlorfreiem Recyclingpapier gedruckt.<br />
DAV-Service Seite IV<br />
DAV-Informationen Seite VI, VIII, XXXI<br />
Qualität in der Kanzlei Seite XXIV<br />
Internet-Aktuell Seite XXVI
VI<br />
4<br />
In diesem Heft:<br />
Lesen Sie in diesem Heft aus der<br />
Arbeit des DAV auf Seite 205 bis<br />
213:<br />
Parlamentarischer Abend des DAV /<br />
Anwaltstag 1999: Grußwort des<br />
Bonner Anwaltvereins / <strong>Anwaltsblatt</strong><br />
/ DAV international: Präsidentenkonferenz;<br />
Nordirische Kommission<br />
besucht den DAV / Deutsche<br />
Anwaltauskunft / PR-Referat / Personalien<br />
Gebührenrecht in AGS Nr. 4/99<br />
9 von Eicken: Anwaltsgebühren bei<br />
Ansprüchen aus dem ehelichen<br />
Güterrecht<br />
9 OLG München: Schriftliches Verfahren<br />
steht einer mündlichen Verhandlung<br />
nicht gleich<br />
9 OLG Schleswig: Telefonische Auskunfteinholung<br />
zur Sachverhaltsaufklärung<br />
keine Beweisaufnahme<br />
9 AG Darmstadt: Wert von Vergleichsverhandlungen<br />
über Abfindung<br />
im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens<br />
9 VGH Mannheim: Eine ausländerrechtliche<br />
Abschiebungsandrohung<br />
ist ein Akt der Zwangsvollstreckung<br />
9 OLG Düsseldorf: Erstattung von<br />
Dolmetscherkosten<br />
Infos<br />
Association Européenne des<br />
Barreaux des Cours SuprÞmes<br />
Der Vorsitzende des Vereins der<br />
beim Bundesgerichtshof zugelassenen<br />
Rechtsanwälte e.V., Rechtsanwalt<br />
beim BGH Dr. Dr. Norbert Gross, ist<br />
am 14. Dezember 1998 zum Präsidenten<br />
der Association Européenne des<br />
Barreaux des Cours SuprÞmes gewählt<br />
worden.<br />
Veranstaltungen Inland<br />
Deutsche Anwaltakademie<br />
Veranstaltungen im Mai/Juni ’99<br />
Taktik des Zivilprozesses<br />
Termin/Ort: 28. – 29. Mai 1999,<br />
Konstanz<br />
Referent: RA Günther Lausmann<br />
Gebühr: 390,– DM Mitglieder<br />
FORUM oder Mitglieder<br />
DAV, jeweils bis 2 Jahre<br />
nach Zulassung;<br />
590,– DM DAV-Mitglieder;<br />
650,– DM Nichtmitglieder<br />
DAV, jew. zzgl.<br />
16% USt.<br />
Seminar: R 12507-99<br />
Genauigkeit polizeilicher<br />
Meßverfahren / Der Bagatellunfall<br />
Termin 29. Mai 1999, Osnabrück<br />
Referent: Dipl.-Phys.<br />
Klaus Schmedding<br />
Gebühr: 190,– DM Mitglieder<br />
FORUM oder Mitglieder<br />
DAV, jeweils bis 2 Jahre<br />
nach Zulassung;<br />
390,– DM DAV-Mitglieder;<br />
430,– DM Nichtmitglieder<br />
DAV, jew. zzgl.<br />
16% USt.<br />
Seminar: R 12307-99<br />
Arbeitsrecht in der Insolvenz<br />
Termin/Ort: 29. Mai 1999,Augsburg<br />
Referent: RA Ulrich Spieker<br />
Gebühr: 490,– DM für DAV-Mitglieder;<br />
540,– DM Nichtmitglieder<br />
DAV; jew. zzgl.<br />
16% USt<br />
Seminar: R 21715-99<br />
Die Ein-Mann-Kanzlei<br />
Termin/Ort: 5. Juni 1999,<br />
Hannover<br />
Referentin: RAin<br />
Gerlinde Fischedick<br />
Gebühr: 190,– DM für Junganwälte<br />
bis 2 Jahre nach<br />
Zulassung und Referendare;<br />
290,– DM<br />
Seminar: R 82626-99<br />
Verhandlungen auf Französisch<br />
Termin: 11. – 12. Juni 199,<br />
Baden-Baden<br />
Referent: RA Christoph Kocks<br />
Gebühr: 990,– DM Mitglieder<br />
DAV; 1.090,– DM Nichtmitglieder<br />
DAV, jew.<br />
zzgl. 16 % USt.<br />
Seminar: R 21812-93<br />
Gewinnen mit Stimme – Aufbaukurs<br />
Termin/Ort: 11. – 12. Juni 1999,<br />
Heidelberg<br />
Referenten: Heike Schütze,<br />
Atem-, Sprech- und<br />
Stimmlehrerin<br />
Klaus Oerter, Logopäde<br />
Gebühr: 890,– DM Mitglieder<br />
DAV; 980,– DM Nichtmitglieder<br />
DAV: jeweils<br />
zzgl. 16 % USt.<br />
Seminar: R 22627-99<br />
Anmeldung und Info: Deutsche Anwaltakademie,<br />
Ellerstr. 48, 53119 Bonn,<br />
Tel. 02 28 /983 66-77, Fax 9 83 66-66<br />
AG Verkehrsrecht des DAV<br />
Veranstaltungen im Mai<br />
Regionale Veranstaltungen:<br />
Datum/Ort: 8. Mai 1999, München<br />
Thema: Die Verkehrsrechtsschutzversicherung<br />
und<br />
gebührenrechtliche<br />
Probleme in der täglichen<br />
Praxis<br />
Referent: RA’in Eichner<br />
Gebühr 150 DM für Mitglieder der<br />
ARGE und Referendare;<br />
250 DM für Nichtmitglieder<br />
(Fortsetzung auf Seite VIII)<br />
Im nächsten Heft u. a.:<br />
9 Bundesverfassungsgericht<br />
9 Französisches Anwaltsrecht<br />
9 Abschiebungshaftsachen<br />
9 Anwaltshaftung bei Internet und<br />
Telefax
VIII<br />
4<br />
(Fortsetzung von Seite VI)<br />
Sonderveranstaltungen:<br />
Datum/Ort 29./30. Mai 1999,<br />
Essen<br />
Thema: Verkehrsrecht für junge<br />
Kollegen und Referendare<br />
Referenten: RAuN Ziegert,<br />
RA Riedmeyer<br />
Gebühr: 250 DM für Rechtsanwälte,<br />
150 DM für<br />
Referendare;<br />
Datum/Ort: 8. Mai 1999, München<br />
Thema: Aktuelle Fragen der<br />
Schadenabwicklung<br />
von Verkehrsunfällen<br />
Gemeinsame Veranstaltung<br />
der ARGE Verkehrsrecht<br />
des BVSK<br />
und der GTÜ<br />
Referenten: RA Elmar Fuchs<br />
Gebühr: kostenlos<br />
Anmeldungen (bitte schriftlich) und<br />
weitere Informationen:<br />
Arbeitsgemeinschaften Verkehrs- und<br />
Strafrecht, Veranstaltungsorganisation,<br />
Hirschmannstr. 7, 53359 Rheinbach,<br />
Tel.: 022 26 / 91 20 91, Fax:<br />
022 26 / 91 20 95<br />
Aktuelle Fragen der<br />
Schadensabwicklung von<br />
Verkehrsunfällen<br />
– Gemeinschaftsseminar der Arbeitsgemeinschaft<br />
Verkehrsrecht im Deutschen<br />
Anwaltverein mit dem BVSK<br />
(Bundesverband) und der GTÜ (Gesellschaft<br />
für Technische Überwachung<br />
mbH) –<br />
Nächste Seminare:<br />
Datum/Uhrzeit: 28. April 1999, 18 Uhr<br />
Ort: Karlsbau am<br />
Stadtgarten,<br />
Großer Saal,<br />
Karlsplatz 1,<br />
79098 Freiburg i. Br.<br />
Seminarleiter: RA Dr. R. Härtel<br />
Referent: RA E. Fuchs, Berlin<br />
Datum/Uhrzeit: 14. Sept. 1999, 18 Uhr<br />
Ort: Universität Hannover,<br />
Audimax im<br />
Gebäude 1101,<br />
Welfengarten 1,<br />
30167 Hannover<br />
Seminarleiter: RAuN<br />
Dr. G. Greißinger<br />
Referent: RA E. Fuchs, Berlin<br />
Die Teilnahme ist kostenlos.<br />
Anmeldungen bitte an die GTÜ,<br />
Jahnstr. 12, 70597 Stuttgart, Tel.:<br />
07 11 / 97 67 60, Fax: 07 11 / 97 67 699<br />
Seminar zu aktuellen Fragen<br />
des Telekommunikationsrechts<br />
Telecommerce – Telebanking –<br />
Rund ums Internet<br />
Die Veranstaltung wird von der der<br />
Arbeitsgemeinschaft für Internationalen<br />
Rechtsverkehr im Deutschen<br />
Anwaltverein durchgeführt.<br />
Zeit und Ort:<br />
18./19. Juni 1999<br />
Hotel Grand Hyatt Berlin<br />
Beginn: Freitag, 18.6.99, 9.30 Uhr<br />
Ende: Samstag, 19.6.99, 13.00 Uhr<br />
Schätzungen gehen davon aus, daß im<br />
Jahr 2002 die Umsätze mit Internetund<br />
Online-Geschäften – also: im sogenannten<br />
Telecommerce und Telebanking<br />
– rd. 430 Millionen Teilnehmer<br />
weltweit erreichen werden, so daß der<br />
Umsatz bei ca. einer Billiarde Dollar<br />
liegen wird. Damit stellen sich schon<br />
jetzt weitreichende, neue Rechtsfragen,<br />
deren internationaler Bezug evident<br />
ist. Gleichzeitig sind die<br />
unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen<br />
aber auch ein Hinderungsgrund<br />
für die weltweite Ausbreitung<br />
des e-commerce, zumal das Risiko in<br />
unterschiedlichen Sicherheitsstandards<br />
besteht.<br />
Ziel dieses Seminars ist es, einen umfassenden,<br />
praxisnahen Überblick über<br />
die verschiedenen Rechtsfragen zu vermitteln,<br />
die mit dem E-Commerce verbunden<br />
sind. Die Referenten sind alle-<br />
samt in der Praxis und in der Wissenschaft<br />
gleichermaßen ausgewiesen; sie<br />
beschäftigen sich seit längerer Zeit mit<br />
den vielfältigen Problemen, die das<br />
Internet mit sich bringt.<br />
Info und Anmeldung:<br />
ARGE Internationaler Rechtsverkehr<br />
Deutsche Anwaltakademie, Frau Ruth<br />
Strack, Ellerstr. 48, D - 53119 Bonn,<br />
Telefon: 02 28 /983 66 33, Fax: 02 28 /<br />
9836667.<br />
Institut für Anwaltsrecht<br />
an der Universität München<br />
Veranstaltungen im<br />
Sommersemester 1999<br />
1. Ringvorlesung „Anwaltliche Berufsfelder“.<br />
Anwälte berichten über<br />
ihren Beruf.<br />
Jeweils Donnerstag, 18.00 Uhr c. t. /<br />
Universität, HS 217<br />
9 20.5.99: RA Ottheinz Kääb<br />
„Das Verkehrsrecht“<br />
9 10.6.99: RA Dr. Jobst Wellensiek<br />
„Der Anwalt als<br />
Konkursverwalter“<br />
9 17.6.99: RAin Dr. Gabriele Buder-<br />
Steinhoff<br />
„Rechtsanwalt in Deutschland und<br />
Österreich zugleich“<br />
9 24.6.99: Prof. Laurel S. Terry<br />
„Globalization of Lawyers –<br />
Multidisciplinary Partnerships“<br />
9 1.7.99: RA Michael Dudek<br />
„Aufbau einer Kanzlei“<br />
9 8.7.99: RAe Frau Dr. Mähler und<br />
Herr Dr. Mähler<br />
„Mediation im Familienrecht!<br />
9 15.7.99: RA Dr. Eberhard Seybold<br />
„Der Syndikus-Anwalt“<br />
Keine Anmeldung erforderlich, keine<br />
Teilnehmergebühr (Änderungen vorbehalten).<br />
Bei allen Veranstaltungen besteht im<br />
Anschluß Gelegenheit zu einer Diskussion.<br />
2. Gemeinschaftsveranstaltung zs. mit<br />
der gwmk (Ges. für Wirtschaftsmediation<br />
und Konfliktmanagement<br />
e.V.)<br />
(Fortsetzung auf Seite XXXI)
Im Auftrag des<br />
Deutschen Anwaltvereins<br />
herausgegeben von den<br />
Rechtsanwälten:<br />
Felix Busse<br />
Dr. Michael Kleine-Cosack<br />
Wolfgang Schwackenberg<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. Peter Hamacher<br />
Udo Henke<br />
Rechtsanwälte<br />
Bonn, Adenauerallee 106<br />
Jahrgang 49<br />
April 1999 AQl<br />
Nachrichten für die Mitglieder<br />
des Deutschen Anwaltvereins e. V.<br />
Der Deutsche Anwaltverein trauert um<br />
sein Ehrenmitglied, Herrn<br />
Rechtsanwalt<br />
Dr. Fritz Ostler<br />
1907 – 1999<br />
Der Verstorbene war Ehrenmitglied des Deutschen Anwaltvereins und fast 29 Jahre Vorstandsmitglied<br />
des Deutschen Anwaltvereins und von 1959 bis 1979 dessen Vizepräsident.<br />
Wir verlieren mit Dr. Fritz Ostler eine Anwaltspersönlichkeit von außerordentlichem Format.<br />
Sein Elan und seine Arbeitskraft beeindruckten noch bei seinem 50jährigen Berufsjubiläum.<br />
Neben vielen Veröffentlichungen und der Mitherausgeberschaft der NJW hat er<br />
sich durch sein Buch „Die deutschen Rechtsanwälte“ ausgezeichnet. Sein Engagement<br />
führte zur Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und dem Verdienstkreuz<br />
des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Verleihung der Hans-Dahs-<br />
Plakette im Jahre 1981 dankte ihm die deutsche Anwaltschaft seine Tätigkeit.<br />
Der Deutsche Anwaltverein wird ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren.<br />
Dr. Michael Streck<br />
Präsident<br />
Adenauerallee 106, 53113 Bonn<br />
Im März 1999
186<br />
l<br />
Der Gerichtsstand des<br />
Erfüllungsortes gem. § 29<br />
ZPO für die anwaltliche<br />
Honorarklage<br />
Professor Dr. Martin Henssler, Köln und Assessorin Astrid<br />
Steinkraus, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für<br />
Anwaltsrecht in Köln<br />
Der „besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes“<br />
scheint für die anwaltliche Honorarklage weiterhin gesichert<br />
zu sein. Die Rechtsprechung einiger Amtsgerichte,<br />
die für die Honorarklage eines Freiberuflers am Gericht<br />
seines Kanzlei- bzw. Praxisortes den Gerichtsstand des Erfüllungsortes<br />
gem. § 29 Abs. 1 ZPO nicht mehr anerkennen<br />
wollte 1 , ist erneut durch die Entscheidungen zweier Oberlandesgerichte<br />
korrigiert worden 2 .<br />
I. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des<br />
BGH<br />
Entscheidend für die Bestimmung des „Erfüllungsortes“<br />
nach § 29 Abs. 1 ZPO ist die Auslegung der §§ 269 Abs.<br />
1, 270 Abs. 1, 4 BGB. Gem. § 270 Abs. 1 BGB sind Geldschulden,<br />
wie die Honorarverbindlichkeiten, im Zweifel<br />
Schickschulden. § 270 Abs. 1 BGB enthält indes lediglich<br />
eine Auslegungsregel für die Bestimmung des Verlust- und<br />
Kostenrisikos. Die Vorschrift läßt den materiellrechtlichen<br />
Leistungsort, der dem prozessualen Begriff des Erfüllungsortes<br />
entspricht, unberührt (§§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4<br />
BGB). Der Schuldnerwohnsitz als Leistungsort tritt damit<br />
zurück, wenn für die Übermittlung von Geld etwas anderes<br />
bestimmt ist. Die anderweitige Regelung des Zahlungsortes<br />
kann durch Parteivereinbarung oder durch Gesetz erfolgen.<br />
Die nach § 269 Abs. 1 BGB vorrangige Bestimmung des<br />
Leistungsortes nach der Parteivereinbarung ist im Verbraucherprozeß<br />
ohne Bedeutung, da § 29 Abs. 2 ZPO Vereinbarungen<br />
zur Begründung eines Gerichtsstandes ihnen gegenüber<br />
ausschließt. In seiner zweiten Variante leitet § 269<br />
Abs. 1 BGB den Leistungsort aus den Umständen, insbesondere<br />
aus der Natur des Schuldverhältnisses, ab. Die<br />
obergerichtliche Rechtsprechung folgert aus der „Natur des<br />
Rechtsverhältnisses“ bei Anwaltsverträgen, daß für die Leistungspflicht<br />
beider Teile ein einheitlicher Erfüllungsort bestehe.<br />
Das sei der Ort, an dem die Leistung des Rechtsanwaltes<br />
erbracht werde, also typischerweise der Sitz seiner<br />
Kanzlei 3 . Auch der ganz überwiegende Teil des Schrifttums<br />
sieht den Kanzleisitz als Erfüllungsort für sämtliche aus<br />
einem Anwaltsvertrag entstehenden Verpflichtungen an4 .<br />
II. Aktuelle Tendenzen in der amtsgerichtlichen<br />
Rechtsprechung und dem jüngeren Schrifttum<br />
Gegen die gefestigte Rechtsprechung zum einheitlichen<br />
Erfüllungsort für Honorarklagen wenden sich einige Amtsgerichte<br />
sowie Teile des jüngeren Schrifttums 5 . Diese verbraucherschutzorientierte<br />
Auffassung verlangt, auch bei der<br />
Bestimmung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes auf<br />
den Leistungsort der „streitigen Erfüllung“ abzustellen.<br />
Beim gegenseitigen Vertrag habe jede Leistungspflicht,<br />
also auch die Geldschuld, ihren eigenen Leistungsort. Die<br />
Leistung eines Anwaltes könne im Verhältnis zur Gegenleistung,<br />
der Bezahlung durch den Mandanten, nicht grundsätzlich<br />
als die wichtigere angesehen werden 6 .<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
III. Stellungnahme<br />
1. Die gesetzliche Ausgangslage<br />
Der prozessuale Begriff des Erfüllungsortes ist mit dem<br />
materiellrechtlichen Leistungsort im Sinne der §§ 269, 270<br />
BGB identisch. Nach dem Konzept der §§ 269, 270 BGB<br />
sind für die Bestimmung des Leistungsortes die folgenden<br />
Kriterien in der angegebenen Rangfolge maßgeblich: 1. die<br />
vertragliche Vereinbarung – 2. die Vertragsumstände –<br />
3. der Wohnsitz des Schuldners. Die Maßgeblichkeit der in<br />
§ 269 Abs. 1 BGB verankerten Stufenordnung ergibt sich<br />
aus § 270 Abs. 4 BGB, der auch für die Geldschuld die allgemeine<br />
Regelung des Leistungsortes unberührt läßt. Bevor<br />
auf den Wohnsitz des Schuldners abgestellt wird, muß auch<br />
bei der Geldschuld je nach der Natur des Schuldverhältnis<br />
der Leistungsort festgestellt werden. Der Schuldnerwohnsitz<br />
erlaubt lediglich eine behelfsmäßige, „höchst subsidiäre“<br />
Festlegung des Erfüllungsortes.<br />
2. Die Interessenlage zwischen Anwalt und Mandant<br />
Allein überzeugend ist es, nach dem gesetzlichen Konzept<br />
der §§ 269, 270 BGB auf die besonderen Umstände des<br />
Schuldverhältnisses abzustellen. Grundsätzlich muß auch bei<br />
gegenseitigen Verträgen der Leistungsort für jede einzelne<br />
Verpflichtung gesondert bestimmt werden7 . Die Kernfrage<br />
für die Beurteilung des Leistungsortes bei Honorarfragen<br />
lautet daher: Folgt für den Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen<br />
einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten aus den<br />
Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses,<br />
die Einheitlichkeit des Leistungsortes im Sinne einer<br />
Ausrichtung der gesamten Vertragsbeziehung auf den Kanzleiort?<br />
Betrachtet man die Besonderheiten des anwaltlichen<br />
Geschäftsbesorgungsvertrages, so läßt sich – wie bei allen<br />
freiberuflichen Leistungen – eine starke Fixierung des gesamten<br />
Vertragsverhältnissses auf den Kanzleiort feststellen.<br />
Nach wie vor ist die freiberufliche Leistung durch ein enges<br />
persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten<br />
und seinem Berater geprägt. Dieser persönliche Kontakt zwischen<br />
den Vertragspartnern kommt in den Kanzleiräumen zustande.<br />
Im Regelfalle ist diese Kanzleibezogenheit des<br />
Schuldverhältnisses auch völlig unproblematisch. Der Rechtsuchende<br />
wählt normalerweise einen Rechtsanwalt in der<br />
Umgebung seines Wohnsitzes aus. In diesem Fall entsteht<br />
zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 13<br />
ZPO und dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes<br />
1 AG Köln NJW-RR 1995, <strong>185</strong>; AG Halle-Saalkreis v. 18.3.1996 (93 C 491/95).<br />
2 BayObLG NJW-RR 1996, 52 = MDR 1995, 1262; OLG Köln NJW-RR 1997,<br />
825.<br />
3 BGH FamRZ 1986, 347, 348; BGH NJW 1991, 3095, 3096; BayObLG MDR<br />
1992, 296; BayObLG MDR 1995, 1262 = NJW-RR 1996, 52, 53; OLG Köln<br />
NJW-RR 1997, 825; LG Köln AnwGeb 1998, 24; LG Darmstadt AnwBl 1984,<br />
503; LG Osnabrück AnwBl 1977, 217.<br />
4 MünchKomm-Keller, BGB 3. Auflage 1994, § 269 Rn 27; Palandt-Heinrichs,<br />
BGB 57. Auflage 1998, § 269 Rn 13; MünchKomm-Patzina, ZPO 1992, § 29<br />
Rn 22, 24; Baumbach/Lauterbach/Albers-Hartmann, ZPO 56. Auflage 1998,<br />
§ 29 Rn 18; Gerold/Schmidt/v.Eicken-Madert, BRAGO 13. Auflage 1997, § 1<br />
Rn 66; Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO 7. Auflage 1995, § 19 Rn 63;<br />
Hansen, NJW 1989, 1131, 1135 f.; Madert, Anwaltsgebühren in Zivilsachen,<br />
3. Auflage 1995, XVII. Rn 2.<br />
5 AG Köln, NJW-RR 1995, <strong>185</strong> f.; AG Halle-Saalkreis v. 18.3.1996 (93 C 491/<br />
95); AK/Röhl, ZPO 1987, § 29 Rn 6; Bosch, Anmerkung, FamRZ 1986, 349,<br />
350; Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen<br />
Privat- und Zivilprozeßrecht, 1985, Rn 37; Schmid, MDR 1993, 410;<br />
Wrangel, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im deutschen, italienischen<br />
und europäischem Recht, Diss. 1988, S. 70.<br />
6 Schmid, MDR 1993, 410, 411.<br />
7 RGZ 49, 72, 75; 65, 329, 332; 90, 162, 163; 140, 67, 69; OLG Karlsruhe NJW-<br />
RR 1986, 351; MünchKomm-Keller, aaO., § 269 Rn 9; Palandt-Heinrichs,<br />
aaO., § 269 Rn 7, 12.
AnwBl 4/99 187<br />
Aufsätze l<br />
nach § 29 Abs. 1 ZPO keine Divergenz. Prozessuale<br />
Schwierigkeiten wirft die Bestimmung des Erfüllungsortes<br />
nur dann auf, wenn der potentielle Mandant sich an einen<br />
Rechtsanwalt in einem anderen Bezirk wendet. Der Grund<br />
für diese Wahl eines ortsfremden Rechtsanwaltes wird anders<br />
als bei Verträgen mit gewerblichen Leistungsanbietern<br />
aber gerade nicht darin liegen, daß der Anwalt den Mandanten<br />
an dessen Wohnsitz geworben hat und das Vertragsverhältnis<br />
nunmehr sachfremd an seinen Unternehmenssitz<br />
zieht. Vielmehr wird der Mandant typischerweise persönliche<br />
Gründe haben, weshalb er den auswärtigen Anwalt einschaltet.<br />
Er selbst wird von sich aus auf den Rechtsanwalt<br />
zugehen, weil er entweder dessen besondere Fachkompetenz<br />
in Anspruch nehmen möchte oder aber aus Gründen der Postulationsfähigkeit<br />
keinen in der Nähe seines Wohnsitzes tätigen<br />
Anwalt einschalten kann. Auch ist es denkbar, daß der<br />
Mandant wegen der Besonderheiten des Streitgegenstandes<br />
einen ortsfremden Anwalt einschaltet, weil er absolute Verschwiegenheit<br />
und Vertraulichkeit sicherstellen möchte und<br />
er jede Form der Publizität fürchtet, wie sie bei kleinen Orten,<br />
„wo jeder jeden kennt“, niemals auszuschließen ist. Für<br />
die Honoraransprüche von Rechtsanwälten deutet daher – in<br />
der Regel – alles auf einen gemeinsamen Erfüllungsort der<br />
vertragstypischen Leistung hin. Der Gesetzgeber hat diese<br />
Sichtweise in mehreren Vorschriften zumindest andeutungsweise<br />
aufgegriffen, wenn er in § 34 ZPO den Gerichtsstand<br />
des Hauptprozesses einführt und für das Kostenfestsetzungsverfahren<br />
in § 19 BRAGO am Gericht des ersten Rechtszuges<br />
anknüpft. Auf der Seite des Rechtsanwaltes stehen zudem<br />
schutzwürdige Belange. Liegt der Gerichtsstand für<br />
Honorarklagen stets am Wohnsitz des Mandanten, wäre<br />
selbst bei gegebener Postulationsfähigkeit eine zeitaufwendige<br />
An- und Abreise des Rechtsanwaltes erforderlich. Bei<br />
großen Honorarforderungen, die in den sachlichen Zuständigkeitsbereich<br />
der Landgerichte fallen, müßte sich der<br />
Rechtsanwalt sogar eines in dem betreffenden Bezirk zugelassenen<br />
Rechtsanwaltes bedienen.<br />
3. Folgerungen für die Bestimmung des Erfüllungsortes<br />
Den widerstreitenden Interessen – Schutz des Mandanten<br />
einerseits und Interesse des Rechtsanwaltes auf der anderen<br />
Seite – wird nur die differenzierende Betrachtung<br />
eines jeden Einzelfalles gerecht.<br />
a) Regelfall<br />
Im Regelfall eines Anwaltsvertrages wird der Mandant<br />
einen Rechtsanwalt in seinem Büro aufsuchen. Hier wird<br />
der Rechtsanwalt nach Abschluß des Anwaltsvertrages<br />
auch tätig. Der Schwerpunkt des gesamten Vertrages liegt<br />
in diesem Fall eindeutig am Kanzleisitz. Der Kanzleisitz<br />
als Leistungsort i. S. d. § 269 Abs. 1 BGB ergibt sich aus<br />
den umschriebenen besonderen Umständen des Anwaltsvertrages,<br />
also aus der Natur des Schuldverhältnisses „Anwaltsvertrag“.<br />
Der prägende Einfluß der Honorarzahlung<br />
tritt demgegenüber in den Hintergrund. Der Ort, an dem<br />
diese Verpflichtung erfüllt wird, ist in den Zeiten des bargeldlosen<br />
Zahlungsverkehrs und des home-banking nahezu<br />
beliebig variabel. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang,<br />
daß der Mandant typischerweise weder das Honorar<br />
noch einen Vorschuß in der Kanzlei in bar entrichtet,<br />
ein Umstand, auf den die Gegenansicht zu Unrecht abstellt.<br />
Für die Bestimmung eines einheitlichen Erfüllungsortes<br />
geht es ausschließlich um den dominierenden Charakter einer<br />
Leistungspflicht. Wie bereits ausgeführt wird sich der<br />
Mandant regelmäßig an einen Rechtsanwalt wenden, in<br />
dessen Einzugsbereich er auch wohnt. Wählt der Mandant<br />
aufgrund besonderer Empfehlung oder aufgrund von gewünschten<br />
Spezialkenntnissen einen Rechtsanwalt in einem<br />
anderen Bezirk aus, so erklärt er sich erkennbar bereit, diesen<br />
ortsfremden Schwerpunkt des Anwaltsvertrages zu akzeptieren.<br />
Die freie und durch Eigeninteressen bestimmte<br />
Wahl des Mandanten rechtfertigt es, den Ort des Kanzleisitzes<br />
als beiderseitigen Erfüllungsort anzusehen. Für den Regelfall<br />
des Anwaltsvertrages ist deshalb im Ergebnis mit<br />
der obergerichtlichen Rechtsprechung die örtliche Zuständigkeit<br />
des Gerichtes am Kanzleisitz des tätig gewordenen<br />
Rechtsanwaltes sowohl für Klagen gegen den Rechtsanwalt<br />
als auch für Klagen gegen den Mandanten nach § 29 Abs.<br />
1 ZPO zu bejahen.<br />
b) Ausnahmefälle<br />
Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des<br />
BGH schließt nicht aus, daß in besonderen Fällen des Anwaltsvertrages<br />
Erfüllungsort und Kanzleisitz gleichwohl<br />
auseinanderfallen können. In Fallgestaltungen, in denen<br />
Vertragsschluß und Vertragserfüllung ihren Schwerpunkt<br />
gerade nicht in der Kanzlei des Rechtsanwaltes haben,<br />
kann es interessengerecht sein, den Wohnsitz des Beklagten<br />
als Erfüllungsort i. S. d. § 29 Abs. 1 ZPO für die streitige<br />
Honorarverpflichtung anzusehen. Der Kanzleisitz des<br />
Rechtsanwaltes kann namentlich dann nicht als beidseitiger<br />
Erfüllungsort angesehen werden, wenn:<br />
– ein Rechtsanwalt oder Steuerberater seine Tätigkeit im<br />
Hause des Mandanten, sei es an dessen Privatwohnsitz oder<br />
an dessen Geschäftssitz, erbracht hat. War es dem Rechtsanwalt<br />
nach seiner eigenen Einschätzung zumutbar, für seine<br />
Beratungsleistung an den Wohnsitz des Mandanten zu reisen,<br />
so muß er sich an dieser Einschätzung auch bei der Bestimmung<br />
des Leistungs- und Erfüllungsortes festhalten lassen.<br />
– der Rechtsanwalt das Mandat selbst außerhalb des<br />
Kanzleisitzes akquiriert hat, z. B. im Anschluß an einen<br />
Vortrag des Rechtsanwaltes.<br />
– die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ganz überwiegend<br />
nur außerhalb der Kanzlei an einem durch die Vertragsumstände<br />
bedingten Ort erbracht werden kann. Beispiele bilden<br />
die Teilnahme an auswärtigen Beratungen und die<br />
Tätigkeit von Strafverteidigern, die ihre Mandanten vor<br />
auswärtigen Gerichten vertreten und ihre wesentliche Leistung<br />
vor Gericht während der Hauptverhandlung oder in<br />
einer Justizvollzugsanstalt erbringen. Von einem atypischen<br />
Leistungsort ist insbesondere dann auszugehen, wenn der<br />
Anwalt innerhalb einer Justizvollzugsanstalt auf sich aufmerksam<br />
macht, indem er etwa Visitenkarten durch Kontaktpersonen<br />
(Vollzugsbeamte, Häftlinge) verteilen läßt.<br />
Betont sei, daß es sich bei diesen Fällen um Ausnahmefälle<br />
handelt. Mit der Ausweitung der anwaltlichen Werbemöglichkeiten<br />
durch § 43b BRAO und die Bestimmungen der<br />
Berufsordnung wird die Bedeutung solcher Ausnahmekonstellationen<br />
aber wachsen.<br />
IV. Ergebnisse<br />
1. Bei der Bestimmung des Erfüllungsortes für die Verpflichtungen<br />
aus einem Anwaltsvertrag ist aufgrund der<br />
Vielgestaltigkeit anwaltlicher Tätigkeitsformen eine differenzierende<br />
Betrachtungsweise geboten.<br />
2. Für den Regelfall des Anwaltsvertrages steht allein<br />
die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes am Kanz-
188<br />
l<br />
leisitz in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Wertung<br />
und den beiderseitigen Parteiinteressen.<br />
3. In atypischen Konstellationen, in denen der Kanzleisitz<br />
nur von untergeordneter Bedeutung für die anwaltliche<br />
Vertragserfüllung ist, kann die prägende Wirkung dieses<br />
Ortes zurücktreten, so daß neben dem Gerichtsstand des<br />
§ 34 ZPO nur das Gericht am Wohnsitz des Mandanten für<br />
eine Honorarklage in Betracht kommt. Der Gerichtsstand<br />
des Erfüllungsortes gem. § 29 Abs. 1 ZPO entspricht in<br />
diesen Fällen demjenigen gem. § 12 ZPO.<br />
Gerichtskostennachforderungen<br />
im Mahnverfahren<br />
– Irritationen zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994?<br />
Rechtsanwältin Elke Hambrecht, Würzburg<br />
Beginnend ab Herbst 1996 wurde die Anwaltschaft bundesweit<br />
mit Gerichtskostenforderungen zu folgendem Sachverhalt<br />
konfrontiert:<br />
I. Sachverhalt:<br />
Der Antragsteller beantragt Mahnbescheid, zahlt 0,5<br />
Gerichtsgebühren für den Mahnbescheid ein und kreuzt<br />
gleichzeitig das Kästchen „im Falle des Widerspruchs beantrage<br />
ich die Durchführung des streitigen Verfahrens“ an.<br />
Der Antragsgegner legt Widerspruch ein, zahlt aber gleichzeitig<br />
die Mahnbescheidssumme vollständig. Der Antragsteller<br />
zahlt den mit der Widerspruchsnachricht angeforderten<br />
weiteren Gerichtskostenvorschuß für die Durchführung<br />
des streitigen Verfahrens und Abgabe des Verfahrens an<br />
das Prozeßgericht von 2,5 Gerichtsgebühren nicht ein und<br />
betreibt das Mahnverfahren nicht weiter.<br />
II. Begründung der Gerichtskostennachforderung:<br />
Rückwirkend ab dem 1.1.1995 gelte für Sachverhalte der<br />
vorbeschriebenen Art infolge des Kostenrechtsänderungsgesetzes<br />
1994 1 das Folgende:<br />
Eigentlich habe das streitige Verfahren bereits mit dem<br />
Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens begonnen<br />
(§ 61 GKG), welcher mit dem Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung<br />
unbedingt und wirksam geworden sei. 2<br />
Mit Widerspruchseinlegung seien hiernach 3,0 Gerichtsgebühren<br />
für das streitige Verfahren (GKG KV Nr. 1201) angefallen,<br />
worauf die gerichtete 0,5 Gerichtsgebühr für das<br />
Mahnverfahren (GKG KV Nr. 1100) angerechnet werde,<br />
weshalb noch 2,5 Gerichtsgebühren blieben. Das Nichtweiterbetreiben<br />
des Mahnverfahrens sei der Rücknahme des<br />
Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens gemäß<br />
§ 32 IV Kostenverfügung 3 gleichzusetzen, wodurch Gebührenermäßigung<br />
in Höhe von 2,0 Gerichtsgebühren (GKG<br />
KV Nr. 1202) eintrete, so daß noch verbliebene 0,5 Gerichtsgebühren<br />
nachzuzahlen seien. 4<br />
III. Bisherige Rechtsprechung:<br />
Bestätigt wurde die unter II. dargestellte Kostenfolge<br />
durch das LG Nürnberg-Fürth, 5 durch das OLG Düsseldorf 6<br />
und durch das LG Osnabrück. 7 Abgelehnt wurden die<br />
Rechtsansicht zur Kostenfolge vom LG Würzburg. 8<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
IV. Kritik an der bestätigenden Rechtsprechung:<br />
Bei dem Mahnverfahren gemäß § 688 ff. ZPO handelt<br />
es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und<br />
einhelligen Literaturmeinung um eine besondere Verfahrensart,<br />
welche mit dem erstinstanzlichen Prozeßverfahren<br />
nicht vergleichbar ist. 9<br />
Schnittstelle zwischen dem Mahnverfahren mit 0,5 Gerichtsgebühren<br />
(GKG KV Nr. 1100) und im Prozeßverfahren<br />
mit 3,0 Gerichtsgebühren (GKG KV Nr. 1201 f.) ist der<br />
Zeitpunkt, in welchem das Mahnverfahren zum Prozeßverfahren<br />
wird. Diesen Zeitpunkt hat der Gesetzgeber in § 696<br />
I 4 ZPO dahingehend konkretisiert, daß der Rechtsstreit in<br />
dem Zeitpunkt als bei dem Prozeßgericht anhängig gilt, in<br />
dem die Akten bei diesem eingehen. Bevor der Rechtsstreit<br />
nicht bei dem Prozeßgericht anhängig ist, hat ein Prozeßverfahren<br />
mithin nicht begonnen. Bevor nicht sein Prozeßverfahren<br />
begonnen hat, können hiernach nicht die Gebühren<br />
für ein Prozeßverfahren im allgemeinen, wie in GKG<br />
KV Nr. 1201 geregelt, angefallen sein. Sind bereits die 3,0<br />
Gerichtsgebühren für das Verfahren im allgemeinen deshalb<br />
nicht angefallen, weil ein Prozeßverfahren nie begonnen<br />
hat, so kommt es auf die weiter Frage, ob sich diese<br />
Gebühren durch nachfolgende Ereignisse ermäßigt haben,<br />
gemäß GKG KV Nr. 1202, nicht an.<br />
Hieran hat sich auch durch das Kostenrechtsänderungsgesetz<br />
1994 nichts geändert. Insbesondere wurde mit diesem<br />
kein kostenrechtlich vorgezogener Beginn des Prozeßverfahrens<br />
konstatiert.<br />
1.) Übersehen wird bei der unter II. dargestellten Ansicht<br />
zunächst, daß der Antrag auf Durchführung des streitigen<br />
Verfahrens nicht wirksam gestellt ist. Er ist zum Zeitpunkt<br />
der Verfahrenseinleitung – zugleich mit dem<br />
Mahnantrag – unter die aufschiebende Bedingung der Einlegung<br />
des Widerspruchs gestellt. Bedingte verfahrenseinleitende<br />
Prozeßhandlungen sind unwirksam und können<br />
auch nicht von innerprozessualen Bedingungen abhängig<br />
gemacht werden, da ein Prozeßrechtsverhältnis zum Zeitpunkt<br />
der Anbringung des Antrags noch nicht besteht. 10<br />
Die Unwirksamkeit der unzulässig bedingten Prozeßhandlung<br />
bleibt auch bestehen, ohne daß rückwirkende Heilung<br />
eintreten kann. 11 Unwirksame – weil bedingte – Prozeßhandlungen<br />
bleiben für das Verfahren „ohne Bedeutung“. 12<br />
Unzutreffend ist hiernach die Ansicht, daß der bedingte<br />
Antrag auf Durchführung de streitigen Verfahrens mit Widerspruchseinlegung<br />
unbedingt und wirksam gestellt sei<br />
1 Kostenrechtsänderungsgesetz vom 24.6.1994, BGBl I 1325, ber. 2591 u. 3471.<br />
2 Markl/Meyer, GKG KV Nr. 1202, Rdnr. 4; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG,<br />
GKG KV Nr. 1201, Rdnr. 3; Hartmann, Kostengesetz, 27. Aufl., GKG, GKG<br />
KV NR. 1201, Rdnr. 5.<br />
3 Kostenverfügung vom 1.3.1976, abgedruckt bei Hartmann, Kostengesetz,<br />
VII A.<br />
4 Mümmler, Gebühren beim Übergang vom Mahn- zum Streitverfahren, JurBüro<br />
1996, 296.<br />
5 LG Nürnberg-Fürth, Beschluß vom 26.9.1996, Az.: 11 T 7874/96, JurBüro 1997,<br />
144.<br />
6 OLG Düsseldorf, Beschluß vom 25.6.1996, Az.: 10 W 50/96, JurBüro 1997,<br />
145.<br />
7 LG Osnabrück, Beschluß vom 14.9.1995, Az.: 9 T 107/95, Nds. Rpfl. 1995, 393.<br />
8 LG Würzburg, Beschluß vom 18.4.1997, Az.: 3 T 647/97; bislang nicht veröffentlicht.<br />
9 BGHZ 103, 27 = NJW 1988, 1980, (1981); BGH, NJW-RR 1995, 1335 (1356).<br />
10 RGZ 144, 73; BGH, NJW-RR 1990, 68; OLG Zweibrücken, FamRZ 1982,<br />
1094; Stein/Jonas/Leipold, ZPO-Kommentar, 21. Aufl., 1994, vor § 128 ZPO,<br />
Rdnr. 208, 209, 212; Zöller, ZPO-Kommentar, 20. Aufl., vor § 128 ZPO, Rdnr.<br />
20; Thomas/Putzo, ZPO-Kommentar, 19. Aufl., 1995, Einl. III, Rdnr. 14;<br />
Münchner Kommentar zur ZPO, 21. Aufl., 1994, Einl. Rdnr. 275; Baumbach/<br />
Lauterbach, ZPO-Kommentar, 53. Aufl., 1995 Grundz. § 128 ZPO, Rdnr. 54.<br />
11 Stein/Jonas aaO, Rdnr. 218; Thomas/Putzo, aaO, Rdnr. 17; Baumbach/Lauterbach<br />
aaO, Rdnr. 55 a. E.<br />
12 BGH, NJW-RR 1990, 68.
AnwBl 4/99 189<br />
Aufsätze l<br />
und deshalb Gebührenfälligkeit für das streitige Verfahren<br />
gemäß § 61 1. Hs. GKG ausgelöst habe. Richtig ist vielmehr,<br />
daß der anfänglichbedingte verfahrenseinleitende Antrag<br />
auf Durchführung des streitigen Verfahrens unwirksam<br />
war, nicht nachträglich geheilt wurde und dieser infolge gemäß<br />
§ 61 1. Hs. GKG auslösen konnte.<br />
2.) Der mit dem Mahnantrag angebrachte Antrag auf Durchführung<br />
des streitigen Verfahrens wurde mit Widerspruchseinlegung<br />
im übrigen auch insoweit nicht unbedingt wirksam, als er<br />
unter der zusätzlichen Bedingung der Nichtzahlung der Mahnbescheidssumme<br />
durch den Antragsgegner gestellt war. Bei der<br />
Auslegung verfahrenseinleitender Anträge ist zugunsten der<br />
Prozeßpartei stets davon auszugehen „...daß sie im Zweifel mit<br />
ihrer Prozeßhandlung das bezweckt, was nach Maßstäben der<br />
Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage<br />
entspricht.“ 13 An der Durchführung des streitigen Verfahrens<br />
hat der Antragsteller dann, wenn der Antragsgegner<br />
trotz Widerspruchseinlegung die Mahnbescheidssumme vollständig<br />
zahlt, keinerlei wirtschaftliches Interesse. Die Durchführung<br />
des streitigen Verfahrens ist alsdann auch nicht nach der<br />
Rechtsordnung vernünftig, da dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis<br />
für seinen Hauptsacheantrag entfallen ist. Der<br />
zugleich mit dem Mahnantrag angebrachte Antrag auf Durchführung<br />
des streitigen Verfahrens ist hiernach nur unter der zusätzlichen<br />
Bedingung der Nichtzahlung der Mahnbescheidssumme<br />
durch den Antragsgegner vernünftig und verständlich und so<br />
zusätzlich bedingt zu verstehen. Auch insoweit liegt deshalb mit<br />
Widerspruchseinlegung kein unbedingter Antrag auf Durchführung<br />
des streitigen Verfahrens vor, welcher Gebührenfälligkeit<br />
nach § 61 1. Hs. GKG hätte auslösen können.<br />
3.) Verkannt wird weiterhin, daß § 61 2. Hs. GKG als speziellere<br />
Regelung dem § 61 1. Hs. GKG vorgeht. § 61 2. Hs.<br />
GKG sieht vor: „... soweit die Gebühr eine Entscheidung oder<br />
sonstige gerichtliche Handlung voraussetzt, wird sie mit dieser<br />
fällig.“ Zivilprozessual beginnt das Prozeßverfahren erster Instanz<br />
gemäß § 696 I 4 ZPO mit Eingang der Akten bei dem<br />
Streitgericht. Dazu ist vorher die „gerichtliche Handlung“ der<br />
Abgabe der Akten durch das Mahngericht an das Streitgericht<br />
erforderlich. Diese „gerichtliche Handlung“ der Abgabe löst<br />
gemäß § 61 2. Hs. GKG die Gebühren für das Prozeßverfahren<br />
im allgemeinen aus. Hiernach kommt die Konstruktion<br />
des kostenrechtlich vorgezogenen Beginns des Prozeßverfahrens<br />
nur durch die fehlerhafte Anwendung von § 61 1. Hs.<br />
GKG zustande. Bei zutreffender Anwendung der spezielleren<br />
Regelung des § 61. 2. Hs. GKG lassen sich demgegenüber<br />
problemlos zivilrechtlicher und kostenrechtlicher Beginn des<br />
Streitverfahrens in Einklang bringen.<br />
4.) Des weiteren kann § 61 GKG zur Rechtfertigung<br />
eines Gebührenansatzes überhaupt nicht herangezogen werden,<br />
da dieser ausweislich der gesetzlichen Bezeichnung nur<br />
Fälligkeitsbestimmung ist. Die endgültige Gebührenhöhe<br />
richtet sich ausschließlich nach § 11 I GKG, welcher wiederum<br />
ausschließlich auf das Kostenverzeichnis gemäß Anlage<br />
1 zum GKG verweist. 14 Ist hiernach im Kostenverzeichnis<br />
zum GKG (GKG KV) ein Gebührentatbestand nicht geregelt,<br />
so werden hierfür Kosten nicht erhoben (§ 11 I GKG). Im<br />
GKG KV hat der Gesetzgeber unter der Rubrik „I. Mahnverfahren“<br />
die Gebühren, welche im Mahnverfahren anfallen<br />
können, mit 0,5 Gerichtsgebühren in GKG KV Nr. 1100 abschließend<br />
geregelt. Unter der weiteren Rubrik „II. Prozeßverfahren“<br />
ist im GKG KV dann geregelt, welche Gebühren<br />
ab Beginn des Prozeßverfahrens erhoben werden. Mehr als<br />
0,5 Gerichtsgebühren nach GKG KV Nr. 1100 können im<br />
Mahnverfahren demgemäß nicht anfallen.<br />
5.) Auch aus dem Gebührenermäßigungstatbestand von<br />
GKG KV Nr. 1202 – hier: Zurücknahme des Antrags auf<br />
Durchführung des streitigen Verfahrens – ergibt sich nichts<br />
anderes. Als Gebührenermäßigungstatbestand ist die<br />
genannte Kostenstelle zunächst nicht geeignet, umgekehrt<br />
den Gebührenanfall zu rechtfertigen. Nach der Stellung im<br />
Gliederungssystem des GKG KV steht der genannte<br />
Gebührenermäßigungstatbestand weiterhin unter der Rubrik<br />
„II. Prozeßverfahren“ und setzt ein Solches voraus. Ist ein<br />
Prozeßverfahren begonnen, so hat sich das Streitgericht inhaltlich<br />
mit der Sache befaßt, was ausweislich der Gesetzesbegründung<br />
zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 der<br />
Grund dafür ist, daß die Gebühren des Prozeßverfahrens<br />
nicht vollständig entfallen, sondern sich lediglich ermäßigen.<br />
15 Ein Prozeßverfahren ist in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation<br />
aber noch nicht begonnen. Das Mahngericht<br />
befaßt sich mit dem Streitstoff nicht. Mangels<br />
Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht, sei es auch nur<br />
weil die angeforderte Gebühr (§ 65 I 2 GKG) nicht eingeht,<br />
ist das Mahnverfahrens als besondere Prozeßart vielmehr<br />
nicht beendet, sondern ist lediglich Stillstand des Mahnverfahrens<br />
eingetreten. 16 Stillstand des Mahnverfahrens laut<br />
BGH und nicht Stillstand des Prozeßverfahrens. Die Abgrenzung<br />
zwischen dem Mahnverfahrens als besondere Verfahrensart<br />
und dem Prozeßverfahren erster Instanz hat der<br />
Gesetzgeber im GKG KV auch in Übereinstimmung mit der<br />
zivilprozessualen Abgrenzung vorgenommen. Ausweislich<br />
der Gesetzesbegründung sollte durch das Kostenrechtsänderungsgesetz<br />
1994 ausschließlich die Kostenstruktur für das<br />
Prozeßverfahren erster Instanz und erstinstanzliche Verfahren<br />
über Anträge gemäß §§ 916 ff. ZPO geändert werden,<br />
während die übrigen Verfahrensarten ausdrücklich in der<br />
Kostenstruktur unverändert bleiben sollten. 17<br />
Der Gebührenermäßigungstatbestand des GKG KV<br />
Nr. 1202 gilt hiernach nur ab zivilprozessual begonnenen<br />
Prozeßverfahren. Eine zusätzliche 0,5 „Mahnverfahrensstillstandgebühr“<br />
wollte und hat der Gesetzgeber mit dem<br />
Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 nicht geschaffen.<br />
6.) Soweit über § 32 IV Kostenverfügung – eine pure<br />
Verwaltungsvorschrift – das Nichtweiterbetreiben des Mahnverfahrens<br />
der Zurücknahme des Antrags auf Durchführung<br />
des Streitigen Verfahrens gleichgesetzt wird, ist dies weiterhin<br />
unzulässig. Als Prozeßhandlung müßte die Zurücknahme<br />
des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens ausdrücklich<br />
erklärt werden und kann nicht durch Schweige fingiert<br />
werden. Solange der Antragsteller im Mahnverfahren<br />
schweigt, wäre außerdem zu seinen Gunsten zu berücksichtigen,<br />
daß er noch zwei Prozeßhandlungen vornehmen kann,<br />
welche beide im anhängigen Mahnverfahren keinen weiteren<br />
Gerichtskostenanfall auslösen. 1.) Er kann den Mahnantrag<br />
bis zur Abgabe in das streitige Verfahren zurücknehmen. 18<br />
13 BGH, NJW-RR 1995, 1183.<br />
14 Der Fälligkeitsbestimmung des § 61 GKG ist im übrigen eigentümlich, daß<br />
höhere Gebühren fällig werden können, als nach § 11 I GKG letztlich geschuldet<br />
sind, so z. B. bei Anbringung von Scheidungsantrag, mit welchem gemäß<br />
GKG KV Nr. 1510, 1,0 Gerichtsgebühren fällig werden, welche bei Antragsrücknahme<br />
gemäß GKG KV Nr. 1510 aber wieder völlig entfallen.<br />
15 BT-Drucks. 12/6962, Seite 69.<br />
16 BGH, NJW-RR 1992, 1021 (1022); BGHZ 103, 20 (27) = NJW 1988, 1980 =<br />
LM § 270 ZPO Nr. 10.<br />
17 BT-Drucks. 12/6962, Seiten 52 u. 68; und Antwort der Bundesregierung vom<br />
15.8.1994 auf die parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Löwisch, BT-<br />
Drucks. 12/8387, SS. 10 u. 11.<br />
18 Die Zurücknahme des Mahnantrags steht der Zurücknahme des Antrags auf<br />
Durchführung des streitigen Verfahrens nicht gleich. Vgl. Zöller, ZPO-Kommentar,<br />
20. Aufl., § 690 ZPO, Rdnr. 24; Zöller aaO § 696 ZPO, Rdnr. 2 ZPO;<br />
OLG Stuttgart, MDR 90, 557.
190<br />
l<br />
2.) Er kann den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />
als Erwirkungshandlung bis die zu erwirkende<br />
Handlung der „Abgabe an das Streitgericht“ vorgenommen<br />
wurde, gleichfalls noch widerrufen. 19<br />
7.) Bleibt noch der Blick auf die wirtschaftliche Seite<br />
der Gerichtskostennachforderungen, da das Kostenrechtsänderungsgesetz<br />
1994 geschaffen wurde, um den Zuschußbedarf<br />
für die Justiztätigkeit zurückzuführen. 20<br />
Nimmt das Mahngericht im Mahnverfahren den – unwirksamen<br />
– Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />
lediglich zur Kenntnis und benachrichtigt es den Antragsteller<br />
von der Widerspruchseinlegung, so entsteht<br />
hierdurch im Mahnverfahren keinerlei gesonderter Arbeitsaufwand.<br />
Zahlt der Antragsteller die Gerichtskostennachforderung<br />
über weitere 0,5 Gerichtsgebühren, so muß er zur Durchsetzung<br />
seines diesbezüglichen Erstattungsanspruchs bei dem Antragsgegner<br />
die Gerichte mit folgendem Arbeitsanfall befassen.<br />
Zunächst müßten 2,5 Gerichtsgebühren eingezahlt werden,<br />
um die Abgabe an das Prozeßgericht zu veranlassen,<br />
wozu entsprechende gerichtliche Verfügungen erlassen werden<br />
müssen und die Akte im Postversand an das meist auswärtige<br />
Prozeßgericht geschickt werden muß. Alsdann muß<br />
der Antragsteller den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt<br />
erklären und zur Begründung des Kostenantrags Verzug<br />
und dergleichen darlegen. Alsdann muß der Richter des<br />
Streitgerichts sich mit dem Sachverhalt befassen, an die Gegenseite<br />
Stellungnahmefristen verfügen und alsdann nach<br />
Wiedervorlage der Akten – gegebenenfalls nach mündlicher<br />
Verhandlung – einen Beschluß über die Kosten des Rechtsstreits<br />
nach Erledigterklärung veranlassen. Alsdann ist antragstellerseits<br />
Kostenfestsetzungsantrag zu stellen, in welchem<br />
insbesondere auch die fehlende 0,5 Gerichtsgebühr zu<br />
erfassen ist. Hiermit muß sich dann schließlich noch ein Kostenbeamter<br />
befassen, den Kostenfestsetzungsbeschluß erlassen,<br />
an die Gegenseite zur Zustellung herausgeben, die Zustellung<br />
beschleunigen und dergleichen.<br />
In der Summe wird also Arbeitsanfall der Justiz erstmalig<br />
dann verursacht, wenn man der Ansicht der Kostenrevision,<br />
wie unter II. dargestellt, folgt. Dies widerspricht der<br />
Gesetzgeberischen Absicht der Entlastung der Gerichte 21<br />
mit dem Erlaß des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994.<br />
V. Ergebnis:<br />
Für die Gerichtskostennachforderung in dem in Stillstand<br />
geratenen Mahnverfahren besteht keine Rechtsgrundlage.<br />
Der Gesetzgeber hat mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz<br />
1994 die Gebühren für das Mahnverfahren mit 0,5<br />
Gerichtsgebühren abschließend geregelt und die Schnittstelle<br />
zwischen Mahnverfahren, als besonderer Verfahrensart,<br />
und Prozeßverfahren erster Instanz in Übereinstimmung<br />
mit § 696 I 4 ZPO beinhalten. Für die Theorie des<br />
kostenrechtlich vorgezogenen Beginns des Prozeßverfahrens<br />
erster Instanz ergibt sich keinerlei Anhalt. Die entstandenen<br />
Irritationen beruhen primär auf der mangelnden Anwendung<br />
von § 61 2. hs. GKG, welcher zum Einklang von<br />
kostenrechtlichem und zivilprozessualem Prozeßverfahrens<br />
führt, und weiterhin der Nichtberücksichtigung der Unwirksamkeit<br />
von bedingten verfahrenseinleitenden Prozeßhandlungen.<br />
19 Münchener Kommentar zur ZPO, Einl. Rdnr. 266, 277, m. w. N.<br />
20 BT-Drucks. 12/6962, Seite 1.<br />
21 BT-Drucks. 12/6962, Seite 2.<br />
Wie verdient der Anwalt<br />
im sozialhilferechtlichen<br />
Mandat sein Geld?<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rüdiger Zuck, Stuttgart *<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
I. Dem Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft verantwortungsbewußt<br />
und anteilnehmend zu helfen, ist keine einfache<br />
Aufgabe. Das Sozialrecht ist weder eine gängige noch eine<br />
griffbereite Materie. Es gibt viele Schnittstellen zum Verwaltungsrecht,<br />
Arbeitsrecht und Zivilrecht. Das gilt auch für das<br />
Recht der Sozialhilfe. Aber gerade deshalb, weil qualifizierte<br />
juristische Arbeit hohe Anforderungen an Beratung und Vertretung<br />
der Hilfsbedürftigen stellt, darf sich der Anwalt dieser<br />
Aufgabe nicht entziehen, will er den Erwartungen gerecht<br />
werden, die die programmatischen Vorgaben des § 3 BRAO<br />
erwecken, er sei der berufene unabhängige Berater und Vertreter<br />
des Bürgers und der Bürgerin in allen Rechtsangelegenheiten.<br />
Der gelegentlich erhobene Einwand, der Anwalt sei<br />
zur sozialrechtlichen, insbesondere aber zur sozialhilferechtlichen<br />
Beratung gar nicht geeignet, weil diese mehr verlange<br />
als nur Rechtsberatung, ist sicher ernstzunehmen. Der Einwand<br />
ist aber nicht stichhaltig. Es ist wohl richtig, daß der<br />
Hilfsbedürftige zumeist in einer Situation ist, deren Bewältigung<br />
mehr erfordert als Rechtsrat oder -vertretung. Das gilt<br />
aber für andere Rechtsangelegenheit, etwa im Zusammenhang<br />
mit einer Scheidung, einem Verkehrsunfall oder einem Bauvorhaben,<br />
genauso. Will man das Problem, so wie es sich<br />
wirklich stellt, zufriedenstellend lösen, braucht man in vielen<br />
Fällen noch andere Fachleute, also z. B. den Sozialarbeiter,<br />
den Seelsorger, Ärzte oder Sachverständige. Gute Beratung erfordert<br />
deshalb häufig Gesamtrat. Der Rechtsrat ist, wie der<br />
Rat der anderen Fachleute auch, nur eine, freilich wichtige<br />
Seite der Beratung, und er ist es auch dann, wenn der Hilfsbedürftige<br />
glaubt, der Rechtsrat genüge. Der „Glaube“ des<br />
Hilfsbedürftigen verweist im übrigen auf den wichtigsten Teil<br />
des Gesamtrats, die Mitwirkungsfähigkeit und -bereitschaft<br />
des Hilfsbedürftigen selbst, um zu einer angemessenen Lösung<br />
seiner Probleme zu kommen. Dieser idealtypischen Notwendigkeit<br />
muß man eingedenk bleiben. Sie ändert aber<br />
nichts daran, daß auch die Beratung inzwischen segmentiert<br />
ist, was die Rechtsberatung angeht, auch mit Recht.<br />
Nun ist der Anwalt ein Dienstleistungsunternehmer,<br />
keine Sozialstation. Er muß von seiner beruflichen Tätig-<br />
* Diesem Text liegt ein (Kurz-)Vortrag zugrunde, den ich im Rahmen einer Fachveranstaltung<br />
für Rechtsanwälte über „Das sozialhilferechtliche Mandat“ im<br />
Auftrag der Arbeitsgruppe „Bundessozialhilfegesetz“ der Liga der freien Wohlfahrtspflege<br />
in Baden-Württemberg am 22.10.1998 in Stuttgart gehalten habe.<br />
Die Veranstaltung war von den vier Rechtsanwaltskammern in Baden-Württemberg<br />
unterstützt worden. Der Text ist in FuR 1/99 veröffentlicht.
AnwBl 4/99 191<br />
Aufsätze l<br />
keit leben können und er tut das ohne Absicherung durch<br />
Dritte. Der Anwalt ist also gezwungen, bei seiner Tätigkeit<br />
Kosten-Nutzen-Erwägungen anzustellen. Das Sozialrecht in<br />
seiner Gesamtheit erleichtert ihm unter dieser Prämisse den<br />
Einstieg in die Materie nicht. Das sozialrechtliche Mandat<br />
wird im wesentlichen durch die Vorgaben des § 116<br />
BRAGO bestimmt. § 116 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO führt für<br />
das Verfahren vor dem Sozialgericht nur zu einem Mittelwert<br />
von DM 700,00. Das wird dem anwaltlichen Aufwand<br />
sicher nicht gerecht. Die Anwaltschaft hatte deshalb versucht,<br />
§ 116 BRAGO vor dem BVerfG als unangemessene<br />
Lösung verfassungsrechtlich anzugreifen. Sie ist damit aber<br />
im Ergebnis gescheitert.<br />
Hinzu kommt, daß der Anwalt im Sozialrecht aus zwei<br />
Gründen mehr arbeiten muß, ihm also professionelle Tätigkeit<br />
besonders schwer gemacht wird. Zum einen erfährt er<br />
im Studium und in seiner Referendarzeit zum Sozialrecht<br />
wenig. Und zum anderen handelt es sich um einen Bereich,<br />
der sich rechtlich ständig wandelt. Denn da die Sozialstaatsprogrammatik<br />
des Art. 20 GG notwendigerweise der<br />
Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf, ist ständiger<br />
Wandel der gesetzlichen Grundlagen schon vom System<br />
her vorgegeben. Dies dokumentieren z. B. die Einführung<br />
eines ganz neuen Teilbereichs der Sozialversicherung, nämlich<br />
der Pflegeversicherung des SGB XI, die ständigen Änderungen<br />
des Rechts der Krankenversicherung im SGB V,<br />
aber auch die andauernde Umstrukturierung des BSHG in<br />
eindrucksvoller Weise. So mühsam danach der Einstieg und<br />
die dauerhafte Beschäftigung des Rechtsanwalts mit dem<br />
Sozialrecht auch ist: es handelt sich um eine rechtlich reizvolle,<br />
zukunftsträchtige und auch wirtschaftlich auskömmliche<br />
Tätigkeit. Sie ist rechtlich reizvoll, weil die schon<br />
erwähnte Schnittstellenproblematik zu ständig neuen rechtlichen<br />
Lösungen zwingt. Sie ist zukunftsträchtig: Der aus<br />
gesellschaftspolitischen, demographischen und vor allem<br />
aus finanziellen Gründen ständig steigende Anpassungsbedarf<br />
in unseren sozialen Systemen hat immer eine rechtliche<br />
Seite, weil es in einem Rechtsstaat westlicher Prägung<br />
keine rechtsfreien Räume geben kann. Die mit dieser Anpassung<br />
einhergehenden Umverteilungsprobleme führen<br />
zwingend zu Angriffs- und Verteidigungspositionen der Betroffenen,<br />
und damit zur Notwendigkeit anwaltlicher Beratung<br />
und Vertretung. Was im Arbeitsrecht schon vorgezeichnet<br />
ist und sich dort deutlich fortentwickelt, wird sich<br />
in noch stärkerem Maße im Sozialrecht zeigen, daß wir<br />
nämlich mehr und mehr auf dem Weg von einer Konsensgesellschaft<br />
in eine Konfliktgesellschaft sind. In einem<br />
Rechtsstaat müssen aber Konflikte letzten Endes mit den<br />
Mitteln des Rechts ausgetragen werden. Der damit verbundene<br />
„Kampf ums Recht“ ist die zentrale Aufgabe des<br />
Rechtsanwalts/der Rechtsanwältin. Das Sozialhilferecht ist,<br />
wie schon erwähnt, ein Ort rechtlicher Schnittstellen. Es ist<br />
aber auch eine (Um-)Baustelle für ständige Anpassungsvorgänge.<br />
Das BSHG ist deshalb ein geeignetes Feld, um die<br />
hier in Rede stehenden finanziellen Möglichkeiten anwaltlicher<br />
Tätigkeit an einem Beispiel aufzuzeigen.<br />
II. Finanzielle Möglichkeiten lassen sich nicht ohne<br />
einen Blick auf den Angebotsmarkt beurteilen. Wie in den<br />
meisten anderen Rechtsgebieten auch hat der Anwalt kein<br />
Beratungsmonopol. Das trifft auch für das Sozialhilferecht<br />
zu. Primärer Ansprechpartner des Hilfsbedürftigen sind<br />
nämlich die Behörden der Sozialhilfeträger selbst. § 14 Abs.<br />
1 SGB I ganz generell und § 8 Abs. 2 BSHG im besonderen<br />
verpflichtigen die zuständigen Behörden zur Beratung auch<br />
in Rechtsfragen, soweit es sich um ihren Zuständigkeitsbe-<br />
reich handelt. Mit dem Rechtsberatungsgesetz ist das vereinbar.<br />
Die Behörden dürfen darüber hinaus auch in anderen sozialrechtlichen<br />
Fragen, also außerhalb des Sozialhilferechts<br />
beraten. Da sie im Bereich ihrer Pflichtberatung einen gesetzlichen<br />
Auftrag haben, dürfen sie sich dieser Beratungspflicht,<br />
die für den Hilfsbedürftigen ja unentgeltlich ist, auch<br />
nicht im Hinblick auf die Beratungsmöglichkeiten durch<br />
Dritte entziehen. Insbesondere ist es ausgeschlossen, die<br />
Hilfsbedürftigen an die Beratungsstellen der Verbände der<br />
freien Wohlfahrtspflege zu verweisen. Die Behörden dürfen<br />
nur auf die Beratungsmöglichkeit hinweisen. Die für die Träger<br />
der Sozialhilfe knapper werdenden Mittel führen allerdings<br />
dazu, daß inzwischen eine steigende Neigung<br />
der Behörden, auf andere Beratungsmöglichkeiten zu verweisen,<br />
zu beobachten ist. Für die anwaltliche Beratung<br />
bedeutet das, daß sein Beratungs„aufkommen“ sich aus verschiedenen<br />
Quellen speist. Es sind das zunächst die Direktmandate,<br />
also die Fälle, in denen der Hilfsbedürftige die<br />
anwaltliche Beratung der Behördenberatung von Anfang an<br />
vorzieht. Daran schließt sich die Gruppe der Hinweisfälle,<br />
also die Gruppe derjenigen Hilfsbedürftigen, die zum<br />
Anwalt gelangen, wenn die Beratungsmöglichkeiten von Behörden/Beratungsstellen<br />
der freien Wohlfahrtspflege ausgeschöpft<br />
sind, aus welchen Gründen auch immer. Und<br />
schließlich steht dem Anwalt das Konfliktspotential zur Verfügung,<br />
das sich aus der Gruppe derjenigen Hilfsbedürftigen<br />
rekrutiert, die die bisherigen Auskünfte für unvollständig,<br />
überprüfungsbedürftig oder fehlerhaft halten.<br />
III. Für die Abrechnung eines sozialhilferechtlichen Mandats<br />
gilt zunächst ganz allgemein, daß die Ausgangsposition<br />
gegenüber dem nach § 116 BRAGO abzurechnenden Mandat<br />
verbessert ist. Das Recht der Sozialhilfe i. e. S. ist nämlich,<br />
eine verwaltungsrechtliche Materie. Zuständig sind die<br />
Verwaltungsgerichte. Abgerechnet wird nach den für diesen<br />
Bereich gültigen Maßstäben. Die Berechnung des Gegenstandswerts<br />
unterliegt infolgedessen § 13 GKG. Soweit sich<br />
das Anliegen des Hilfsbedürftigen quantifizieren läßt, gelten<br />
die im Streitwertkatalog des BVerwG entwickelten Maßstäbe<br />
als praxisrelevanter Anhaltspunkt. Es kommt dann also auf<br />
den Wert der (bezifferten) Leistung an, bei wiederkehrenden<br />
Leistungen ist (entsprechend § 17 GKG) der Jahreswert anzusetzen.<br />
Rückstände bleiben, in diesem Zusammenhang, anders<br />
als im Unterhaltsrecht, außer Betracht. Läßt sich der<br />
geltend gemachte Anspruch nicht beziffern, greift der Auffangwert<br />
(nicht etwa Regelwert) des § 13 GKG mit DM<br />
8.000,00. Eine 10/10 Gebühr beträgt dann immerhin noch<br />
DM 485,00. Da üblicherweise in Gerichtsverfahren zwei Gebühren<br />
anfallen, steht sich der Anwalt mit DM 970,00 auch<br />
deutlich besser als mit dem DM 700,00 Mittelwert des § 116<br />
BRAGO. Für die Abrechnung außerhalb des gerichtlichen<br />
Verfahrens, insbesondere also in einem Vorverfahren ist dagegen<br />
§ 118 BRAGO maßgebend. Zu beachten ist, daß eine<br />
Auskunft im sozialhilferechtlichen Bereich sehr oft auch im<br />
Rahmen der Erstberatungsgebühr des § 20 BRAGO erbracht<br />
werden kann, also ihre Obergrenze bei DM 350,00 findet.<br />
§ 20 BRAGO kann zwar insoweit abbedungen werden. Der<br />
Anwalt sollte jedoch sorgfältig prüfen, ob das der Sach- und<br />
Rechtslage, vor allem den finanziellen Möglichkeiten seines<br />
Auftraggebers gerecht wird.<br />
IV. Wenn der Hilfsbedürftige die Beratung nicht bezahlen<br />
kann, gibt es dann Alternativen? Der Hilfsbedürftige<br />
wird selten rechtsschutzversichert sein, und wenn er es ist,<br />
kaum für die Materie des Sozialhilferechts. Und das alles<br />
einmal beiseite gelassen: Rechtsschutzversicherer decken<br />
die reine Beratungsleistung in der Regel nicht ab. Dennoch
192<br />
l<br />
ist die Frage nach dem Bestehen einer Rechtsschutzversicherung<br />
geboten, ggf. sind die Einzelheiten zu klären.<br />
Eher kommt schon das Bestehen einer indirekten<br />
Rechtsschutzversicherung in Betracht, so, wenn Vereine,<br />
Verbände oder Gewerkschaften ihren Mitgliedern Rechtsschutz<br />
gewähren. Zu diesem Rechtsschutz gehört in aller<br />
Regel auch der Beratungsrechtsschutz. Diese Fallgruppe ist<br />
jedoch meist deswegen unproblematisch, weil entweder die<br />
rechtsschutzgewährende Einrichtung oder der Hilfsbedürftige<br />
selbst auf diesen Umstand vor Inanspruchnahme anwaltlicher<br />
Dienstleistung hinweisen.<br />
In einem nennenswerten Teil der Fälle kommt für den<br />
Hilfsbedürftigen die Inanspruchnahme von Beratungshilfe<br />
(vgl. § 2 Abs. 2 BerHG) in Betracht. Das wirft einige Fragen<br />
auf. So könnte eingewendet werden, und das geschieht<br />
gelegentlich auch, die Behördenberatung nach § 8 Abs. 2<br />
BSHG habe Vorrang. Das gilt sicher nicht bei den Fallgruppen<br />
der Hinweis- und Konfliktsfälle, könnte aber bei der<br />
Direktberatung eine Rolle spielen, freilich nur dann, wenn<br />
die Rechtsberatung einfach oder nachrangig (unbedeutend)<br />
ist. Der Anwalt muß das, wenn er im Rahmen des § 4<br />
BerHG unmittelbar in Anspruch genommen wird, selbst beurteilen<br />
und ggf. den Hilfsbedürftigen auf die Risiken hinweisen.<br />
Im übrigen sollte der Anwalt aber bedenken, daß<br />
seine unmittelbare Inanspruchnahme nach § 4 BerHG als<br />
Chance für die Anwaltschaft gedacht ist; er sollte deshalb<br />
nicht ohne Anlaß ängstlich verfahren, und den Hilfsbedürftigen<br />
zunächst an das Amtsgericht zur Beschaffung des<br />
Berechtigungsscheins verweisen. Berufsrechtlich ist<br />
schließlich noch wichtig, daß der Anwalt verpflichtet ist,<br />
bei begründetem Anlaß den Hilfsbedürftigen auf die Inanspruchnahme<br />
von Beratungshilfe hinzuweisen.<br />
Handelt es sich um die Vertretung des Hilfsbedürftigen<br />
nach außen, greifen die PHK-Vorschriften. Sie sind hier als<br />
bekannt vorauszusetzen. Abgesehen davon, daß es auch<br />
hier berufsrechtliche Hinweispflichten auf die Möglichkeit<br />
der Inanspruchnahme von PKH gibt, verdienen einige<br />
Aspekte aber einen (eher rekaptitulierenden) Vermerk. So<br />
sollte man sich im PKH-Verfahren an die neueste Rechtsprechung<br />
des BVerfG erinnern, wonach PKH-Entscheidungen<br />
nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache (zu Lasten<br />
des Antragstellers) führen dürfen. Und dann sollte man<br />
wissen, daß im PKH-Verfahren die Beschwerde gegen die<br />
PKH-Versagung der Zulassung bedarf, und daß auch für<br />
diesen Zulassungsantrag (für den Anwaltszwang besteht)<br />
PKH gewährt werden kann. Schließlich sollte man sich mit<br />
den überlangen Verfahrensdauern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />
nicht einfach abfinden. Der Fall des VG<br />
Düsseldorf, das drei Jahre über einen PKH-Antrag nicht<br />
entschieden hatte, und den das OVG Münster mit dem lapidaren<br />
Hinweis „erledigt“ hat, es gebe keine Unterlassungsbeschwerde,<br />
ist ein abschreckendes Beispiel. Die Anwaltschaft<br />
insgesamt ist aufgefordert, den grundrechtlich garantierten<br />
Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19<br />
Abs. 4 GG) durchzusetzen, und, wenn es denn sein muß,<br />
immer wieder neu zu erkämpfen.<br />
V. Ein aus Beratungshilfe/PKH fließendes Einkommen ist<br />
sowenig ein Anreiz für die Spezialisierung auf sozialhilferechtliche<br />
Mandate wie es § 116 BRAGO im allgemeinen Sozialrecht<br />
ist. Da ein Hilfsbedürftiger in der Regel ein wirtschaftlich<br />
Hilfsbedürftiger ist, ist die für den Anwalt bestehende ungünstige<br />
Gebührenausgangslage auch nicht veränderbar. Dennoch<br />
gibt es eine Reihe weiterführender Überlegungen. So darf der<br />
in diesem Bereich tätige Anwalt zwar nicht übersehen, daß er<br />
nicht mit dem Mengenargument operieren kann. Sozialhilfe-<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
rechtliche Mandate sind häufig arbeitsaufwendige Mandate,<br />
und sie bleiben es auch, wenn sie in großer Zahl anfallen. Der<br />
Gedanke, über große Umsätze auch in diesem Beratungsbereich<br />
gutes Geld zu verdienen, führt infolgedessen nicht weiter.<br />
Es gibt dazu aber eine ganz andere, gegenläufige Überlegung.<br />
Etwas vereinfacht gesagt zerfällt das Sozialrecht hinsichtlich<br />
seiner wirtschaftlichen Bedeutung in das „kleine“ und in das<br />
„große“ Sozialrecht. Das wird auch durch § 116 Abs. 2<br />
BRAGO, der für bestimmte sozialrechtliche Materien Wertgebühren<br />
vorsieht, belegt. Wer sich seine Meriten im BSHG verdient<br />
hat, hat soviel Sachkunde erworben, daß seine anwaltliche<br />
Dienstleistung auch auf anderen Gebieten des Sozialrechts<br />
und von anderen Auftraggebern in Anspruch genommen werden<br />
wird. Es ist im übrigen eine Erfahrungstatsache für Dienstleistungsmärkte,<br />
daß souveränes Herrschaftswissen nie ungenutzt<br />
bleibt.<br />
Ein anderer Aspekt betrifft die Art und Weise der Leistungserbringung.<br />
Sie ist keineswegs unmittelbar an den<br />
einzelnen Hilfsbedürftigen geknüpft. Die Verbände der freien<br />
Wohlfahrtspflege können spezialisierte Rechtsberatung<br />
aus Kostengründen nur in Einzelfällen und selten flächendeckend<br />
anbieten. Da die Einsparungszwänge auch hier in<br />
den nächsten Jahren dramatisch zunehmen werden, führen<br />
die damit verbundenen Personalkürzungen vermehrt zur<br />
Zusammenarbeit mit Dienstleistern auf dem freien Markt.<br />
Dazu gehört auch die Inanspruchnahme anwaltlicher<br />
Dienstleistung. In den Zentren der Verbände der freien<br />
Wohlfahrtspflege wird das jetzt schon auf wichtigen Teilgebieten<br />
des Sozialrechts praktiziert. Das erscheint ausbaufähig.<br />
Es ist auch denkbar, daß sich Bestrebungen verstärken<br />
werden, wie sie aus der Großindustrie, aber auch in der<br />
Steuer- und Wirtschaftsprüferberatung schon bekannt sind,<br />
Rechtsberatung aus den Einrichtungen im Wege des Outsourcing<br />
nach außen zu verlagern. Hier ist die Anwaltschaft<br />
gefragt, und sie ist es vor allem „vor Ort“ bei „ihren“<br />
Verbänden. Mit den Verbänden könnten Abreden getroffen<br />
werden, die nach Art der „indirekten Rechtsschutzversicherung“<br />
ausgestaltet sind. Der „Berechtigungsschein“ wird<br />
dann vom jeweils zuständigen Verband der freien Wohlfahrtspflege<br />
ausgestellt. Möglich erscheint aber auch eine<br />
Abrechnung je Einzelfall nach BRAGO, oder eine Vereinbarung<br />
mit dem jeweiligen Verband mit dem Gegenstand<br />
der Beratungshilfe für Drittbegünstigte, die dann ihrerseits<br />
die Leistung umsonst in Anspruch nehmen können.<br />
Für solche oder andere Lösungen, also auch für eine<br />
„freie“ sozialhilferechtliche Beratung, bieten sich auf der<br />
Anwaltsseite unter Umständen neue Organisationsformen<br />
an. Es ist interessant, daß sich der in den USA verbreitete<br />
(und erfolgreiche) legal-Clinic-Gedanke bislang in Europa<br />
überhaupt nicht hat durchsetzen können. Für einfache, ortsnahe,<br />
preisgünstige und schnelle Beratung besteht aber<br />
zunehmender Bedarf. Vielleicht bietet die Einführung der<br />
Rechtsanwaltsgesellschaft (Anwalts-GmbH) zum 1.3.1999<br />
für die Verwirklichung der Idee der sozialhilferechtlichen<br />
Beratung vor Ort eine neue organisatorische Möglichkeit.<br />
Unter einem Namen kann die Rechtsanwaltsgesellschaft<br />
nämlich Zweigniederlassungen errichten, vorausgesetzt, in<br />
der jeweiligen Zweigniederlassung ist verantwortlich zumindest<br />
ein geschäftsführender Rechtsanwalt tätig, für den<br />
die Kanzlei den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit<br />
bildet (§ 59 i Abs. 1 BRAO). Daß eine solche Sozialhilfe-<br />
(Sozialrechts-) Kanzlei in ihrer Firma keine Sachbezeichnung<br />
führen darf (§ 59 k Abs. 1 BRAO) ist für eine solche<br />
Lösung lediglich ein Schönheitsfehler.
AnwBl 4/99 193<br />
Aufsätze l<br />
Das neue spanische<br />
Geschworenengericht<br />
Richter am Landgericht Dr. Michael Bohlander, Meiningen;<br />
Honorary Research Fellow, University of Exeter 1<br />
I. Einleitung<br />
Die spanische Rechtspolitik des Jahres 1995 2 hat auf strafrechtlichem<br />
Gebiet gleich zwei umwälzende Veränderungen hervorgebracht:<br />
Zum einen wurde das neue Strafgesetzbuch vom<br />
23.11.1995 3 verabschiedet, welches sechs Monate nach seiner Veröffentlichung<br />
zum weit überwiegenden Teil in Kraft getreten ist 4 ,<br />
zum andern wurde eine jahrzehntelange Forderung der spanischen<br />
Verfassung von 1978 eingelöst und mit Gesetz vom 22. Mai 1995 5<br />
das Geschworenengericht (wieder) eingeführt. Das Gesetz trat<br />
sechs Monate nach der Verkündung im Boletín Oficial del Estado<br />
in Kraft, mit Ausnahme der 3. Übergangsvorschrift über die ersten<br />
Geschworenenlisten und Kapitel II über die Voraussetzungen des<br />
Geschworenendienstes, die aus organisatorischen Gründen verständlicherweise<br />
früher, nämlich zwei Monate nach der Verkündung<br />
wirksam wurden. 6<br />
Art. 125 der Verfassung von 1978 bestimmte, daß die Bürger<br />
des Landes an der Rechtsprechung in der Form des Geschworenengerichts<br />
teilnehmen, stellte die genauere Gestaltung aber unter<br />
einen Gesetzesvorbehalt. Dieser Gesetzgebungsauftrag wurde nunmehr<br />
umgesetzt – ein mutiger Schritt, bedenkt man die starke Kritik,<br />
welche das Geschworenenverfahren in den es bisher schon verwendenden<br />
Rechtsordnungen vor allem im anglo-amerikanischen<br />
Raum z. T. erfahren hat. 7<br />
Im folgenden soll die Gestalt das spanischen Geschworenengerichts<br />
überblicksartig 8 dargestellt werden, die es im Gewande der<br />
Ley del Tribunal del Jurado gefunden hat. Die Darstellung folgt<br />
dabei dem Aufbau und der Gliederung des Gesetzes.<br />
II. Kurzer geschichtlicher Abriß<br />
Wie schon erwähnt, ist das Tribunal del Jurado nach dem Gesetz<br />
von 1995 nicht das erste Geschworenengericht, welches die<br />
spanische Rechtsgeschichte kennt. Abgesehen von einigen der älteren<br />
Institutionen wie dem Fuero Juzgo und den Cartas Forales,<br />
die aber wohl entgegen mancher Auffassung eigentlich keine direkte<br />
Beziehung zum Geschworenengericht besitzen 9 , dürfte sich<br />
der erste Hinweis auf das Geschworenengericht in dem Estatuto<br />
de Bayona von 1808 finden, in dem aber lediglich das Studium<br />
und gegebenenfalls die Einführung des Tribunal del Jurado angeordnet<br />
wurde. Ähnliches gilt für den Discurso Preliminar de la<br />
Constitación de Cádiz von 1812.<br />
Die Ley de Imprental von 1820 in Verbindung mit dem Zusatz<br />
von 1822 errichtete zum ersten Mal das Geschworenengericht, und<br />
zwar für Pressedelikte, wobei zwischen Jurado de Acusación und<br />
Jurado de Calificación unterschieden wurde: Ersteres entschied<br />
über die Anklageerhebung, letzteres sprach das Urteil. 10<br />
Es folgte die Verfassung von 1869, die in Art. 93 für Amtsdelikte<br />
und, unter ausführendem Gesetzesvorbehalt, für allgemeine<br />
Straftaten das Geschworenenverfahren vorsah; allerdings wurde<br />
auch die Gestaltung des Verfahrens vor dem Geschworenengericht<br />
dem einfachen Gesetzgeber überlassen. Die Ley Orgánica Provisional<br />
sobre Organizzación del Poder Judicial vom 15. September<br />
1870 dehnte die Zuständigkeit des Geschworenengerichts auf alle<br />
Straftaten aus, für die eine Strafe von über 6 Jahren Gefängnis angedroht<br />
wurde (presidio mayor), sowie unabhängig von der Strafandrohung<br />
für Majestätsbeleidigung, Rebellion und Landesverrat.<br />
Eine Zusammenfassung der bisher Genannten Zuständigkeiten<br />
mit einigen Veränderungen zu den der Gerichtsbarkeit des Geschworenengerichts<br />
unterliegenden Personen 11 brachte die Ley<br />
Provisional de Enjuiciemiento Criminal vom 22. Dezember 1872.<br />
Das Gesetz, dem die bisher längste Geltungsdauer beschieden<br />
war, die Ley de Jurado vom 20. April 1888, schuf endlich ein Geschworenengericht,<br />
welches über Tat- und Schuldfrage sowie über<br />
schuldausschließende Umstände entschied. Seine Zuständigkeit erstreckte<br />
sich nunmehr auf eine Vielzahl von Straftaten, von denen<br />
nur einige genannt 12 sein sollen:<br />
– Hochverrat<br />
– Straftaten gegen die innere Sicherheit<br />
– Fälschungsdelikte<br />
– Amtsdelikte<br />
– Tötungs- und schwere Körperverletzungsdelikte<br />
– Schwangerschaftsabbruch<br />
– Vergewaltigung und sexueller Mißbrauch<br />
– Taten gegen die persönliche Freiheit<br />
– Raub und Brandstiftung<br />
– Pressedelikte<br />
Nicht mehr zur Zuständigkeit gehörten nunmehr die Majestätsbeleidigung,<br />
Verleumdungen und Beleidigungen sowie solche Taten,<br />
über deren Aburteilung das Oberste Gericht (Tribunal Supremo)<br />
erkannte.<br />
Es folgten in den Jahren 1894 und 1896 noch wenige Einzelgesetze,<br />
welche geringfügige Zuständigkeitsveränderungen mit sich<br />
brachten.<br />
Mit Gesetz vom 1. Januar 1900 begann der Niedergang des Geschworenengerichts,<br />
dem das neue Jahrhundert nicht wohlgesonnen<br />
war. Das Gesetz nahm weitere Delikte von der Zuständigkeit aus.<br />
Mit Dekret vom 4. Februar 1907 wurden in den Provinzen Barcelona<br />
und Gerona die verfassungsmäßigen Garantien suspendiert<br />
und weitere Delikte der Gerichtsbarkeit des Tribunal del Jurado<br />
entzogen, bis sich die Suspendierung im September 1923 auf alle<br />
spanischen Provinzen erstreckte.<br />
Während der sogenannten Zweiten Republik wurde das Gesetz<br />
von 1888 am 27. April 1931 wieder in Kraft gesetzt, allerdings mit<br />
weiteren Einschränkungen hinsichtlich der Zuständigkeit (Fälschungsdelikte<br />
und das Duell), die über das Dekret vom 22. September 1931<br />
noch stärker reduziert wurden (Raub und vorsätzliche Delikte).<br />
Schließlich wurde durch das Gesetz vom 27. Juli 1933 das gesamte<br />
Gesetz von 1888 reformiert und die Gerichtsbarkeit eingeschränkt,<br />
bis die Geschworenengerichte ihre Tätigkeit 1936 gänzlich beendeten.<br />
13<br />
1 Das Manuskript wurde im Dezember 1997 abgeschlossen.<br />
2 Zur Entwicklung der Kriminalpolitik bis 1992/93 siehe Madlener in: Eser/Huber<br />
(Hrsg.) Strafrechtsentwicklung in Europa 4.2., Max-Planck-lnstitut für ausländisches<br />
und internationales Strafrecht Freiburg, 1994.<br />
3 Ley Orgánica 10/1995 vom 23.11.1995 über den Código Penal, Boletín Official<br />
del Estado Nr. 281 vom 24.11.1995.<br />
4 Disposicíones Finales Nr. 7 – Ausgenommen wurde Art. 19 des Código Penal,<br />
der Personen unter 18 Jahren von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach<br />
dem Strafgesetzbuch ausnimmt und die Ahndung ihrer Taten einem besonderen<br />
Gesetz überträgt.<br />
5 Ley Orgánica 5/1995 vom 22.5.1995 über das Geschworenengericht (Tribunal<br />
del Jurado), Boletín Oficial del Estado Nr. 122 vom 23.5.1995 in der Fassung<br />
der Leyes Orgánicas 8/95 vom 16.11.1995 und 10/1995 vom 23.11.1995.<br />
6 Disposiciones Finales Nr. 5.<br />
7 Vgl. nur etwa Findlay/Duff (Hrsg.), The Jury Under Attack, London, 1988 und<br />
Jung (Hrsg.) Alternativen zur Strafjustiz und die Garantie individueller Rechte<br />
der Betroffenen, Bonn-Bad Godesberg, 1989, Teil III., jeweils mit umfangreichen<br />
Nachweisen.<br />
8 Die rechtspolitische und -geschichtliche Literatur zu diesem Thema ist mittlerweile<br />
fast unüberschaubar geworden. Für eine Übersicht siehe z. B.: Consejo<br />
General del Poder Judicial/Ministerio de Justicia e Interior (Hrsg.) El Tribunal<br />
del Jurado, Cuadernos del Derecho Judicial, Madrid, 1995 und Tome García,<br />
El Tribunal del Jurado: Competencia, composición y procedimiento, Madrid,<br />
1996. Zu den parlamentarischen Vorarbeiten s. Delgado-lribarren García-Campero,<br />
Ley Orgánica del Tribunal del Jurado, Trabajos parlamentarios, Madrid,<br />
1996; ein Praktikerhandbuch haben herausgegeben Mora Alarcon/Mora Alarcon,<br />
Manual práctico del proceso ante el Tribunal del Jurado, Madrid, 1996,<br />
sowie Pugnaire Hernandez, Comentarios y formularios a la Ley del Tribunal<br />
del Jurado, Madrid, 1996.<br />
9 So Gimeno Jubero, Ambito objetivo del proceso del Tribunal del Jurado, in El<br />
Tribunal del Jurado (aaO Fußn. 8), 113.<br />
10 Gimeno Jubero, aaO.<br />
11 Art. 663: Z. B. nicht Kardinäle, Richter, Generäle etc., auch wenn sie nicht in<br />
Ausübung ihres Dienstes gehandelt hatten – Gimeno Jubero, aaO (Fußn. 8).<br />
12 Vgl. ausführlich Gimeno Jubero, aaO (Fußn. 8).<br />
13 Zu allem Gimeno Jubero, aaO (Fußn. 8).
194<br />
l<br />
III. Allgemeiner Teil (Art. 1-5. 14 )<br />
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Tribunal del Jurado<br />
regeln Art. 1 in der Fassung der Disposición Final Nr. 2 der<br />
Ley Orgánica über den Código Penal vom 23.11.1995 i. V. m.<br />
Art. 5. Danach werden in Art. 1 Abs. 1 15 sieben Oberkategorien<br />
von Delikten festgelegt, welche der Gerichtsbarkeit des Geschworenengerichts<br />
zugeführt werden:<br />
a) Straftaten gegen das Leben 16<br />
b) Straftaten im Amt<br />
c) Straftaten gegen die Ehre<br />
d) Unterlassene Hilfeleistung i. w. S.<br />
e) Taten gegen die Intimsphäre und den Hausfrieden<br />
f) Straftaten gegen die persönliche Freiheit<br />
g) Straftaten gegen die Umwelt.<br />
Art. 1 Abs. 2 konkretisiert sodann anhand der Artikelnummern<br />
des neuen Código Penal enumerativ einige Vorschriften, die in die<br />
Zuständigkeit des Tribunal del Jurado fallen.<br />
Art. 1 Abs. 3 ordnet das Tribunal del Jurado im Instanzenzug<br />
den Audiencias Provinciales 17 zu und Art. 5 Abs. 4 bestimmt die<br />
örtliche Zuständigkeit nach dem allgemeinen strafprozessualen Gerichtsstand.<br />
Art. 1 Abs. 3 nimmt aber alle in die Zuständigkeit der<br />
Audiencia Nacional fallenden Strafsachen grundsätzlich aus. 18 Zudem<br />
kann aus Gründen des besonderen persönlichen Gerichtsstands<br />
(aforamiento) des Angeklagten die Zuständigkeit des Obersten<br />
Gerichts (Tribunal Supremo) 19 oder des Obergerichts einer<br />
Comunidad Autónoma (Tribunal Superior de Justicia) 20 gegeben<br />
sein, weswegen das Verfahren dann vor diesen Gerichten, aber mit<br />
Geschworenen stattfindet. 21<br />
Art. 5. Abs. 2 und 3 erstrecken die Zuständigkeit des Tribunal<br />
del Jurado auf Fälle der Gesetzeskonkurrenz und des Fortsetzungszusammenhangs<br />
sowie auf verbundene Straftaten, wenn entweder<br />
a) mehrere Mittäter gleichzeitig die unterschiedlichen Delikte<br />
begehen,<br />
b) wenn mehrere Personen verschiedene Taten zu verschiedenen<br />
Zeiten und an verschiedenen Orten, aber gemäß einem vorher<br />
gefaßten einheitlichen Entschluß begehen, oder<br />
c) es sich um Verdeckungs- oder Ermöglichungstaten handelt.<br />
Von der Verbindung sind grundsätzlich ausgeschlossen Taten<br />
der Rechtsbeugung durch Richter oder andere Amtsträger 22 sowie<br />
solche, die (ohne prozessuale Probleme) getrennt verhandelt werden<br />
können.<br />
Nach Art. 2 setzt sich ein Geschworenengericht aus neun Geschworenen,<br />
zwei Ergänzungsgeschworenen 23 und dem Vorsitzenden<br />
zusammen. Letzterer muß der Audiencia Provincial angehören;<br />
im Falle der Zuständigkeit des Tribunal Supremo bzw. eines<br />
Tribunal Superior de Justicia sind die jeweiligen Vorsitzenden der<br />
Strafsenate dieser Gerichte oder der Präsident des Tribunal Superior<br />
de Justicia zum Vorsitz berufen.<br />
Nach Art. 3 entscheiden die Geschworenen über die Tat- und<br />
Schuldfrage. Sie genießen in dieser Funktion die gleiche Unabhängigkeit<br />
wie Berufsrichter nach Art. 117 der spanischen Verfassung.<br />
Wegen der Besorgnis der Bedrohung oder Einschüchterung im<br />
Hinblick auf ihre Unabhängigkeit können sie sich ähnlich wie Berufsrichter<br />
24 an das Präsidium (Sala de Gobierno) des übergeordneten<br />
Tribunal Superior de Justicia wenden.<br />
Der Berufsrichter als Vorsitzender ist außer für die Verhandlungsleitung<br />
auch für die Strafzumessung und eventuelle Adhäsionsentscheidungen<br />
wegen zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche<br />
des Geschädigten zuständig (Art. 4 S. 2). Seine Pflichten und Befugnisse<br />
werden im einzelnen im weiteren Verlauf bei den jeweiligen<br />
Verfahrensabschnitten dargestellt.<br />
III. Die Geschworenen (Juradas) (Art. 6-23)<br />
Art. 6 stellt fest, daß der Dienst als Geschworener das Recht<br />
und die Pflicht aller Bürger ist, soweit sie nicht aufgrund der gesetzlichen<br />
Bestimmungen davon ausgeschlossen sind. Art. 7 regelt<br />
die Entschädigung für den Dienst als Geschworener dem Grunde<br />
nach und erklärt die Heranziehung zum Sitzungsdienst als vorrangig<br />
gegenüber arbeitsrechtlichen oder amtlichen Dienstpflichten.<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
Nach Art. 8 müssen folgende Voraussetzungen vorliegen, um<br />
für das Amt eines Geschworenen wählbar zu sein:<br />
a) Spanische Staatsangehörigkeit<br />
b) Volljährigkeit<br />
c) Vollbesitz der bürgerlichen Rechte<br />
d) Der Betreffende muß lesen und schreiben können (!).<br />
e) Zum Zeitpunkt der Ernennung muß der Betreffende seinen<br />
Wohnsitz in der Provinz haben, in der die Tat begangen worden<br />
ist.<br />
f) Es dürfen keine physischen oder psychischen Mängel vorliegen,<br />
welche den Geschworenen an der ordnungsgemäßen Ausübung<br />
des Dienstes hindern würden.<br />
Art. 9 schließt folgende Personengruppen grundsätzlich von der<br />
Wählbarkeit aus (Incapacidad):<br />
a) Wegen vorsätzlicher Delikte Verurteilte, solange sie nicht rehabilitiert<br />
worden sind.<br />
b) Personen, gegen die das Hauptverfahren eröffnet worden ist,<br />
oder die sich in Untersuchungshaft, Strafvollzug oder Unterbringung<br />
befinden.<br />
c) Personen, die aufgrund eines Strafverfahrens mit einem Berufsoder<br />
Amtsverbot belegt worden sind, für die Dauer dieses Verbotes.<br />
Art. 10 erklärt eine ganze Reihe von Stellungen und Berufen<br />
für mit dem Geschworenendienst unvereinbar (Incompatibilidad).<br />
Dies beginnt mit den Mitgliedern der königlichen Familie über<br />
Regierungsmitglieder, juristische Ämter etc. bis hin zu Professoren<br />
in den Disziplinen Rechtswissenschaft und Medizin, Rechtsanwälten<br />
und diplomatischen Beamten. Eine genaue Aufzählung soll hier<br />
unterbleiben, da sich keine wesentlichen Unterschiede zu den<br />
Grundgedanken des Schöffendienstes in Deutschland ergeben.<br />
14 Artikel ohne Gesetzesbezeichnung sind solche des Gesetzes über das Tribunal<br />
del Jurado.<br />
15 Das Gesetz verwendet die arabische Numerierung, also etwa Art. 24, 1. Die<br />
jeweilige Nummer wird hier mit „Absatz (Abs.)“ wiedergegeben, da auch die<br />
spanische Zitierweise für diese Nummern den Begriff „apartado“ verwendet.<br />
16 Allerdings nur, soweit die Tat vollendet worden ist – Art. 5 Abs. 1 Satz 2.<br />
17 Diese Gerichte entsprechen ungefähr den deutschen Landgerichten.<br />
18 Die Audiencia Nacional ist ein für ganz Spanien zuständiges Gericht, welches<br />
als Strafgericht erstinstanzlich über politische und terroristische Straftaten,<br />
Drogen- und Wettbewerbsdelikte, die über die Bezirke mehrerer Audiencias<br />
Provinciales hinausgehen, und bestimmte im Ausland begangene Straftaten<br />
entscheidet, solange sie nicht in die niedere Zuständigkeit der Juzgados Centrales<br />
de lo Penal oder die höhere des Tribunal Supremo fallen – Art. 62 ff.<br />
der Ley Orgánica del Poder Judicial.<br />
19 Z. B. Art. 57 der Ley Orgánica del Poder Judicial (z. B. Verfahren gegen den<br />
Präsidenten der Regierung, des Kongresses und Senats, des Obersten Gerichts<br />
etc., sowie gegen Richter des Tribunal Supremo, der Audiencia Nacional oder<br />
eines Tribunal Superior de Justicia).<br />
20 Art. 73 Nr. 3 der Ley Orgánica del Poder Judicial (Sonderzuweisung durch<br />
die gesetzgebenden Körperschaften der Comunidades Autónomas sowie Verfahren<br />
gegen Richter oder Staatsanwälte der Comunidad Autónoma, solange<br />
nicht die Zuständigkeit das Tribunal Supremo gegeben ist).<br />
21 Ob Art. 1 Abs. 2 im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 1 abschließend ist, d. h.<br />
eine Zuständigkeit nach den Oberkategorien nur vorliegt, wenn diese in Art. 1<br />
Abs. 2 oder einem Spezialgesetz konkretisiert wird, ist wegen Art. 1 Abs. 3<br />
und 5 Abs. 1 fraglich, nach denen das Tribunal nur im Zuständigkeitsbereich<br />
der Audiencia Provincial angesiedelt ist und seine Zuständigkeit von der absoluten<br />
Strafdrohung abhängt. Nach Art. 14 Abs. 3 und 4 LECr ist die Audiencia<br />
für Taten zuständig, die mit Freiheitsstrafe über sechs Jahren bedroht sind,<br />
was z. B. bei Taten gegen die Ehre fraglich ist. Art. 1 Abs. 2 ist nach Gimeno<br />
Gubero, aaO (Fußn. 9) so zu verstehen, daß er die abschließende Auflistung<br />
der Zuständigkeit darstellt und Art. 1 Abs. 3 ohne Verweis zu Art. 14 LECr<br />
das Tribunal funktionell der Audiencia zuweist. Dann wäre aber die Bezugnahme<br />
auf die Strafdrohung überflüssig. Gubero gibt zu, daß nach Statistiken<br />
der Audiencia von Barcelona für 1993/94 von 275 Taten, die nunmehr in die<br />
Zuständigkeit das Jurado fallen, 160 (= 58,18 %) eigentlich dem Juzgedo de<br />
lo Penal zuzuordnen wären. Außerdem sind nicht alle Kategorien des Art. 1<br />
Abs. 1 in Abs. 2 aufgegriffen. M.E. stellt Art. 1 Abs. 2 daher eine Ausnahme<br />
von Art. 5 Abs. 1 dar.<br />
22 Z. B. Art. 404 ff. und 446 ff. des Código Penal.<br />
23 Für die Eröffnung der Hauptverhandlung ist allerdings nach Art. 38 eine Zahl<br />
von 20 anwesenden Geschworenen erforderlich.<br />
24 Für diese gilt Art. 14 der Ley Orgánica del Poder Judicial, auf den Art. 3<br />
Abs. 4 verweist. Berufsrichter können außer dem zuständigen gerichtlichen<br />
Organ auch den Consejo General del Poder Judicial, den Generalrichterrat,<br />
anrufen, der in Spanien als Verfassungsorgan (Art. 122 der Verfassung von<br />
1978) die Spitze der richterlichen Selbstverwaltung darstellt – Vgl. dazu demnächst<br />
Bohlander, DRiZ 1997, Heft 1.
AnwBl 4/99 195<br />
Aufsätze l<br />
Eine Liste von Gründen für den Ausschluß von Gesetzes wegen<br />
(Prohibición) enthält Art. 11, der auf dem Gedanken der Vermeidung<br />
von Interessenkonflikten beruht.<br />
Ausgeschlossen sind demnach Privat- und Nebenkläger, zivilrechtlich<br />
aus der Tat Verantwortliche, Verwandte der Parteien oder<br />
der amtlichen Verfahrensbeteiligten wie Rechtsanwalt, Staatsanwalt,<br />
Richter etc. sowie Zeugen, Dolmetscher und Sachverständige,<br />
die zuvor in der Angelegenheit tätig waren. Art. 11 Abs. 5 enthält<br />
schließlich eine Auffangklausel, nach der alle Personen<br />
ausgeschlossen sind, welche ein direktes oder indirektes Interesse<br />
am Ausgang des Verfahrens besitzen.<br />
Es besteht nach Art. 12 die Möglichkeit, sich von dem Geschworenendienst<br />
aus Altersgründen, wegen starker familiärer Inanspruchnahme,<br />
Ausübung des Geschworenendienstes in den letzten<br />
vier Jahren, Unabkömmlichkeit aus dienstlichen Gründen oder<br />
Wohnsitz im Ausland befreien zu lassen.<br />
Die Art. 13-23 regeln das Wahlverfahren der Geschworenen,<br />
das dem deutschen Schöffenwahlverfahren ähnelt und daher nicht<br />
vertieft werden soll, sowie die Auswahl der Geschworenen für ein<br />
bestimmtes Verfahren. Letztere erfolgt nach Ladung der Verfahrensbeteiligten<br />
auf Anordnung des Vorsitzenden in der Sache durch<br />
dessen Sekretär in öffentlicher Sitzung. Die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten<br />
ist allerdings nicht erforderlich. Die Geschworenen<br />
müssen binnen fünf Tagen nach der Benachrichtigung über<br />
ihre beabsichtigte Heranziehung einen Fragebogen ausfüllen, auf<br />
dem sie eventuelle Hinderungsgründe angeben müssen. Die Staatsanwaltschaft<br />
und anderen Verfahrensbeteiligten haben innerhalb<br />
von fünf Tagen ab Bekanntgabe des Auswahlergebnisses das<br />
Recht, die Geschworenen unter Angabe von Beweismitteln abzulehnen.<br />
Der Vorsitzende beraumt in diesem Falle einen Termin zur<br />
Verhandlung über die Ablehnung an und entscheidet binnen drei<br />
Tagen über die Ablehnung (Art. 21 und 22). Sinkt die Zahl der<br />
Ausgelosten durch begründete Ablehnungen unter die für die Verhandlungseröffnung<br />
nach Art. 38 erforderliche Zahl von 20 Geschworenen,<br />
so ist nach Art. 23 eine Nachwahl erforderlich, auf<br />
die allerdings die Vorschriften über die Ablehnung ebenfalls Anwendung<br />
finden.<br />
IV. Ermittlungs- und Zwischenverfahren (Art. 24-37)<br />
Das Gesetz über das Tribunal del Jurado enthält eigene Regelungen<br />
zum Ermittlungsverfahren, zu denen die allgemeinen Bestimmungen<br />
der Ley de Enjuiciamiento Criminal (LECr) lediglich<br />
subsidiären Charakter tragen, solange sie dem Sinn und Zweck das<br />
Verfahrens vor dem Tribunal del Jurado nicht widersprechen<br />
(Art. 24 Abs. 2).<br />
Nach Art. 24 Abs. 1 leitet der Untersuchungsrichter (juez de instruccíon)<br />
durch Beschluß das Vorverfahren nach dem Gesetz über<br />
das Tribunal del Jurado ein, sobald er durch Anzeige oder Strafantrag<br />
von dem Verdacht einer Straftat erfahren hat, welche im Falle<br />
ihrer Begehung zur Zuständigkeit des Tribunal del Jurado gehören<br />
würde. Gleichzeitig nimmt er alle unaufschiebbaren zur Ermittlung<br />
nötigen weiteren Amtshandlungen vor.<br />
Nach Einleitung des Verfahrens teilt der Untersuchungsrichter<br />
dem Beschuldigten dieselbige mit und beraumt binnen fünf Tagen<br />
eine Verhandlung an, zu der die Staatsanwaltschaft und anderen<br />
Verfahrensbeteiligten zu laden sind. In der Ladung ist der Beschuldigte<br />
auf seine prozessualen Rechte hinzuweisen. In der Verhandlung<br />
können die Beteiligten Beweis- und sonstige Anträge stellen<br />
(Art. 25).<br />
Aufgrund der Verhandlung entscheidet der Untersuchungsrichter<br />
über die Einstellung oder die Fortsetzung es Ermittlungsverfahrens<br />
und ordnet im letzteren Falle gegebenenfalls die beantragten<br />
oder von Amts wegen ihm erforderlich erscheinenden Maßnahmen<br />
an. Nach Art. 26 Abs. 2 können die Beteiligten und die Staatsanwaltschaft<br />
binnen drei Tagen nach dem letzten Tag der Beweisaufnahme<br />
vor dem Untersuchungsrichter weitere Beweisanträge stellen.<br />
Ordnet der Untersuchungsrichter keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen<br />
an, so übersendet er der Staatsanwaltschaft und den<br />
Beteiligten eine Aufforderung, binnen fünf Tagen zur Frage der Eröffnung<br />
der Hauptverhandlung Stellung zu nehmen. Beantragen<br />
weder die Staatsanwaltschaft noch die anderen Beteiligten die Eröffnung<br />
innerhalb der Frist, stellt der Untersuchungsrichter das<br />
Verfahren ein, und zwar je nach Verfahrenslage endgültig<br />
(Art. 637 LECr) oder vorläufig (Art. 641 LECr).<br />
Ist der Untersuchungsrichter nach dem Abschluß der Ermittlungen<br />
der Auffassung, daß hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines<br />
anderen Deliktes oder anderer Täter vorliegt, die aber nicht der<br />
Strafgewalt des Tribunal del Jurado unterliegen, so legt er dies in<br />
der o.g. Form des Art. 25 nieder und leitet das dem betreffenden<br />
Vorwurf entsprechende Verfahren ein.<br />
Gemäß Art. 29 i. V. m. Art 650 LECr muß die Staatsanwaltschaft<br />
den Antrag auf Eröffnung der Hauptverhandlung in einer<br />
der deutschen Anklageschrift entsprechenden Form stellen, zu welchem<br />
die Beteiligten wiederum Stellung nehmen können.<br />
Nach Eingang des Antrags auf Eröffnung der Hauptverhandlung<br />
bestimmt der Untersuchungsrichter einen Vorbereitungstermin<br />
(Art. 30), auf welchen der Beschuldigte aber verzichten kann. In<br />
letzterem Falle beschließt der Untersuchungsrichter sofort die Eröffnung<br />
der Hauptverhandlung.<br />
In dem Vorbereitungstermin können die Beteiligten weitere<br />
Anträge stellen. Der Untersuchungsrichter hat aber weitreichende<br />
Befugnisse, alle Anträge abzuweisen, welche nicht für die Entscheidung<br />
über die Eröffnung der Hauptverhandlung erforderlich<br />
sind. Auch nach diesem Termin wird den Parteien Gelegenheit zur<br />
Stellungnahme gegeben (Art. 31).<br />
Nach Art. 32 hat der Untersuchungsrichter binnen drei Tagen<br />
zu entscheiden, ob er die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt<br />
oder das Verfahren einstellt. Er kann allerdings auch zusätzliche<br />
Ermittlungen anordnen oder das Verfahren, wenn die Zuständigkeit<br />
des Tribunal del Jurado nicht gegeben ist, vor dem Strafrichter<br />
(juez de lo penal) oder der Audiencia Provincial eröffnen und an<br />
diese abgeben.<br />
Artikel 33 und 34 regeln den Inhalt des Eröffnungsbeschlusses,<br />
der sich weitgehend an die Anklageschrift anlehnt, aber auch die<br />
Unterlagen über Beweismittel erfassen muß, die dem Beschluß beizufügen<br />
und an das zuständige Gericht zu übermitteln sind. Auch<br />
in dieser Phase können die Parteien noch Beweismittel für die<br />
Hauptverhandlung benennen.<br />
Der Untersuchungsrichter bestimmt sodann eine Frist von 15<br />
Tagen, binnen derer die Parteien vor dem Prozeßgericht erscheinen<br />
müssen. Sobald die Akten bei der Audiencia Provincial eingegangen<br />
sind, wird der Vorsitzende des Tribunal del Jurado nach dem<br />
Geschäftsverteilungsplan bestimmt.<br />
In dem genannten ersten Termin können die Parteien<br />
– Einwände nach Art. 666 LECr erheben, zu denen Unzuständigkeit,<br />
res judicata, Verjährung etc. gehören, sowie andere Stellungnahmen<br />
zum Fortgang des Verfahrens abgeben,<br />
– die Verletzung von Grundrechten rügen 25 ,<br />
– die Erstreckung des Verfahrens auf einen Teil, bezüglich dessen<br />
der Untersuchungsrichter die Eröffnung abgelehnt hat, beantragen,<br />
– den Ausschluß von Taten aus dem Eröffnungsbeschluß beantragen,<br />
falls diese nicht in der Anklageschrift enthalten waren,<br />
– Einwendungen gegen die von den anderen Beteiligten eingeführten<br />
Beweismittel erheben und neue Beweiserhebungen beantragen,<br />
zu deren Zulassung jene binnen drei Tagen wiederum<br />
Stellung nehmen sollen.<br />
Zu den vorgebrachten Einwendungen wird gegebenenfalls eine<br />
Art Zwischenverfahren nach Art. 668-677 LECr durchgeführt.<br />
Ist im Ergebnis die Fortsetzung des Hauptverfahrens zulässig,<br />
so erläßt der Vorsitzende des Geschworenengerichts (Magistradopresidente)<br />
sofort einen Beschluß, der die nach dem Zwischenverfahren<br />
noch relevanten Anklagepunkte sowie die Einwendungen<br />
der Verteidigung in wertneutraler Weise zusammenfaßt und welcher<br />
sich zu der Frage der Beteiligung, des Begebungsstadiums der<br />
Straftat und strafschärfenden bzw. -mildernden Umständen etc. verhalten<br />
muß.<br />
25 Die explizite Nennung der Grundrechte entspricht dem in Spanien m.E. vor<br />
dem Hintergrund der Diktatur geschärften verfassungsrechtlichen Gewissen,<br />
welches vor allem durch das Tribunal Constitucional, dem spanischen Pendant<br />
zum BVerfG, wachgehalten wird. Die Judikatur des BVerfG genießt großes<br />
Ansehen, wird aber in ihrer Stringenz von den Spaniern z. T. noch übertroffen.
196<br />
l<br />
Gleichzeitig wird über die Zulassung bzw. den Ausschluß von<br />
Beweismitteln entschieden. Gegen die Zulassung ist kein Rechtsmittel<br />
zulässig. Falls Beweismittel ausgeschlossen werden, so müssen<br />
die betroffenen Parteien hierzu ihren Widerspruch erklären,<br />
um ihre Auffassung im Rechtsmittelverfahren gegen das abschließende<br />
Urteil geltend machen zu können (Art. 37). Ein Zwischenrechtsbehelf<br />
scheint damit in dieser Phase des Verfahrens nicht<br />
mehr statthaft zu sein, da schon zuvor ausreichend Gelegenheit bestand,<br />
die Verwertung von Beweismitteln zu beeinflussen.<br />
Schließlich enthält der Beschluß die Terminsbestimmung und<br />
die vorbereitenden Maßnahmen für die Durchführung der Hauptverhandlung<br />
nach Art. 660-664 LECr.<br />
V. Die Hauptverhandlung (Art. 38-51)<br />
Die Hauptverhandlung beginnt mit der Auswahl der Geschworenen<br />
und Ersatzgeschworenen (suplentes). Der Vorsitzende befragt<br />
die Geschworenen nochmals zu möglichen Ausschlußgründen;<br />
den Parteien steht das Recht zu, die Geschworenen zu<br />
befragen und wegen der weiter oben genannten Gründe abzulehnen.<br />
Eine Beschränkung der Zahl an Ablehnungen scheint es nicht<br />
zu geben.<br />
Über die Ablehnung entscheidet der Vorsitzende; gegen seine<br />
Entscheidung ist kein Rechtsmittel statthaft, sondern nur der Einspruch<br />
zu Protokoll für die Zwecke der Anfechtung des Urteils.<br />
Kommt in der ersten Hauptverhandlung die erforderliche Zahl<br />
von 20 Geschworenen nicht zusammen, so bestimmt der Vorsitzende<br />
binnen weiterer 15 Tage einen neuen Termin zur Fortsetzung.<br />
Dies geschieht solange, bis die nötige Zahl von Geschworenen und<br />
Ersatzgeschworenen erreicht ist.<br />
Der Vorsitzende hat außerdem die erforderlichen Maßnahmen<br />
zu treffen, um die Durchführung der Beweisaufnahme zu sichern,<br />
sobald das Gericht vollständig besetzt ist.<br />
Ist eine ausreichende Zahl von Geschworenen und Ersatzgeschworenen<br />
anwesend, so werden die neun Mitglieder des Gerichts<br />
und zwei Ersatzgeschworene durch Los ermittelt. Erst in diesem<br />
Stadium haben Anklage und Verteidigung die Möglichkeit, jeweils<br />
drei der Ausgelosten ohne Angabe von Gründen abzulehnen, was<br />
den „peremptory challenges des anglo-amerikanischen Verfahrensrechts<br />
entspricht. Sind mehrere Ankläger und Angeklagte vorhanden,<br />
so müssen sie dieses Ablehnungsrecht jeweils aufgrund gegenseitiger<br />
Abstimmung ausüben, d. h. z. B. daß nicht jedem Angeklagten<br />
drei Ablehnungen zustehen. Das gleiche Verfahren wird<br />
auf die Ersatzgeschworenen angewandt, bis nur noch zwei übrig<br />
sind, auch wenn dann noch Ablehnungsrechte offen wären.<br />
Ist die Auswahl beendet, werden die Geschworenen vereidigt<br />
bzw. geben eine eidesgleiche Bekräftigung ab; ohne diese kann der<br />
Betreffende den Geschworenendienst nicht ausüben. Im Falle der<br />
Eidesverweigerung wird Ordnungsgeld bis zur Höhe von 50.000<br />
Ptas. angedroht. Weigert sich der Betreffende weiter, so wird eine<br />
angemessene Geldbuße verhängt und der nächste Ersatzgeschworene<br />
nimmt seinen Platz ein.<br />
Das spanische Verständnis des Geschworenendienstes als Bürgerpflicht<br />
hat wohl auch dazu geführt, daß Art. 41 Abs. 3 dem Vorsitzenden<br />
ausdrücklich befiehlt, nach der Vereidigung folgenden<br />
Satz zu sprechen:<br />
„Wenn Ihr demgemäß handelt, werden es Euch Eure Mitbürger<br />
lohnen, falls nicht, werden sie Euch zur Verantwortung ziehen.“<br />
Die Hauptverhandlung läuft in der Folge gemäß den allgemeinen<br />
Vorschriften der Art. 680 ff. LECr über die mündliche Verhandlung<br />
ab. Art. 42 Abs. 2 bestimmt ausdrücklich, daß die Angeklagten<br />
so zu plazieren sind daß die direkte Kommunikation mit<br />
den Verteidigern gewährleistet ist. 26<br />
Nach der Verlesung der Anklage haben die Parteien Gelegenheit,<br />
sich mit „opening Statements an die Geschworenen zu wenden.<br />
Auch zu diesem Zeitpunkt können neue Beweisanträge gestellt<br />
werden, über deren Zulassung nach Anhörung der übrigen<br />
Beteiligten durch den Vorsitzenden entschieden wird.<br />
Art. 45 sagt nichts über eine Rechtsmittelmöglichkeit hinsichtlich<br />
der Entscheidung über die Beweismittel, ebensowenig hilft ein<br />
Blick in Art. 680 ff. LECr über die Hauptverhandlung im allgemeinen.<br />
Man wird aber aus der Systematik des Gesetzes schließen dürfen,<br />
daß hier ebenso wie im Zwischenverfahren nach Art. 37 nur<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
noch der Einspruch zu Protokoll zum Zwecke der Anfechtung des<br />
Urteils zulässig ist.<br />
Die Geschworenen können über den Vorsitzenden an die Zeugen,<br />
Sachverständigen und Angeklagten Fragen stellen, wobei<br />
diese der Zulassung durch den Vorsitzenden bedürfen. Dokumente<br />
und Beweisstücke können sie selbst in Augenschein nehmen sowie<br />
am Ortstermin teilnehmen. Die Ermittlungen des Untersuchungsrichters<br />
können den Geschworenen vorgelegt werden.<br />
Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie Nebenkläger können<br />
an die Zeugen, Sachverständigen und Angeklagten im Wege des<br />
Vorhalts Fragen hinsichtlich ihrer Aussagen im Ermittlungsverfahren<br />
stellen. Die Verlesung aus den Ermittlungsakten ist unzulässig.<br />
Generell kommt den Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren<br />
in der Hauptverhandlung kein Beweiswert zu, es sei denn, es handele<br />
sich um beweissichernde Maßnahmen wegen Gefahr des Beweisverlustes.<br />
Für den Fall, daß die Aussetzung der Hauptverhandlung nach<br />
den allgemeinen Vorschriften notwendig wird, kann der Vorsitzende<br />
die Geschworenen entlassen; er muß dies tun, wenn die Unterbrechung<br />
länger als fünf Tage dauert.<br />
Nach Abschluß der Beweisaufnahme erhalten die Parteien Gelegenheit,<br />
ihre Schlußanträge zu stellen. Der Vorsitzende kann in entsprechender<br />
Anwendung des Art. 793, Abs. 6 und 7 LECr ausführliche<br />
Stellungnahmen verlangen und nunmehr gegebenenfalls die<br />
Hauptverhandlung bis zu zehn Tagen unterbrechen, falls eine Prozeßlage<br />
eintritt, die nach deutschem Recht, insbesondere § 265<br />
StPO, einen Hinweis wegen verändertem rechtlichen Gesichtspunkt<br />
erfordern würde, z. B. weil die Staatsanwaltschaft die rechtliche<br />
Qualifikation der Tat nach der Beweisaufnahme anders betrachtet.<br />
Sollte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehen, daß<br />
nur eine Tat nachgewiesen werden kann, die nicht zur Zuständigkeit<br />
des Tribunal del Jurado gehört, so ordnet Art. 48 Abs. 3 eine<br />
perpetuatio fori zugunsten des Tribunal del Jurado an.<br />
Nach Art. 49 kann der Vorsitzende von Amts wegen oder auf<br />
Antrag der Verteidigung nach dem Schlußvortrag der Anklage die<br />
Geschworenen entlassen, wenn er der Auffassung ist, daß die Beweisaufnahme<br />
keinen Beweis für eine Verurteilung des Angeklagten<br />
erbracht hat. Der Vorsitzende kann seine Entscheidung auch<br />
auf Teile der Anklage beschränken; in jedem Falle muß er binnen<br />
drei Tagen ein mit Gründen versehenes freisprechendes Urteil verkünden.<br />
Dieses Institut entspricht in etwa der anglo-amerikanischen<br />
„Submission of no case to answer bzw. „motion to dismiss,<br />
nur daß diese i. d. R. vor der Beweisaufnahme oder nach der Einvernahme<br />
der Zeugen der Anklage erhoben wird. Sie stellt vor<br />
dem Hintergrund der Tatsache, daß die Geschworenen nach Sinn<br />
und Zweck des ganzen Verfahrens die eigentlichen Richter hinsichtlich<br />
der Tat- und Schuldfrage sind, einen nicht unerheblichen<br />
Eingriff in das systematische Gefüge des Tribunal del Jurado dar,<br />
vor allem weil die Beweisaufnahme schon beendet ist und die Geschworenen<br />
sich eigentlich nunmehr selbst ein vollständiges Bild<br />
machen könnten.<br />
Ähnlich wie im anglo-amerikanischen Recht existiert auch in<br />
Spanien eine Form der „guilty plea. Diese scheint stets möglich zu<br />
sein, obwohl Art. 50 Abs. 3 a. E. darauf hindeutet, daß die Vorschrift<br />
den Regelfall der beendeten Beweisaufnahme voraussetzt.<br />
Der Vorsitzende kann auf Antrag beider Seiten eine „sentencia<br />
de conformidad“ verkünden, die allerdings nicht auf Freiheitsstrafe<br />
über 6 Jahre einschließlich zusätzlicher Geldstrafe und Aberkennung<br />
von Bürgerrechten lauten darf. Art. 50 Abs. 2 gewährt bemerkenswerterweise<br />
dem Vorsitzenden ein eigenes Ermessen, das Verfahren<br />
streitig fortführen zu lassen, wenn er der Auffassung ist,<br />
daß ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die angeklagte<br />
Tat nicht oder nicht von dem Angeklagten begangen worden<br />
ist, oder Strafmilderungs- bzw. -ausschließungsgründe vorliegen.<br />
Schließlich ist nach Art. 51 das Geschworenengericht ebenfalls<br />
aufzulösen und sind die Geschworenen zu entlassen, wenn die Anklage<br />
auf die weitere Strafverfolgung verzichtet; auch in diesem<br />
Falle muß der Vorsitzende ein freisprechendes Urteil verkünden.<br />
26 Damit dürften Probleme, wie sie in BVerfG, StV 1996, 620 f. geschildert werden,<br />
ausgeschlossen sein.
AnwBl 4/99 197<br />
Aufsätze l<br />
VI. Der Urteilsspruch der Geschworenen (Art. 52-66)<br />
Nach dem Ende der Beweisaufnahme und den Schlußanträgen<br />
sowie dem letzten Wort der Angeklagten faßt der Vorsitzende den<br />
Gegenstand der Beratung (objeto del veredicto) durch die Geschworenen<br />
schriftlich zusammen. Dabei hat er für jeden Angeklagten<br />
bzw. Ankläger separat die zu beurteilenden Tatsachen ausführlich<br />
nach Absätzen getrennt und danach aufzulisten, ob sie<br />
dem Angeklagten günstig oder ungünstig sind. Er hat sich u. a.<br />
auch zu dem Begebungsstadium, Strafmilderungs- und -ausschließungsgründen<br />
zu äußern.<br />
Die Parteien haben Gelegenheit, vor der Abfassung Stellung zu<br />
nehmen und den Ausschluß bzw. die Hinzufügung bestimmter Ausführungen<br />
zu beantragen. Auch hier entscheidet der Vorsitzende<br />
unanfechtbar mit der Folge, daß nur für die Zwecke des Rechtsmittels<br />
gegen das Urteil die Einwendungen zu Protokoll erklärt werden<br />
können.<br />
Die schriftliche Beratungsgrundlage wird den Parteien und jedem<br />
Geschworenen übergeben. In öffentlicher Sitzung belehrt der<br />
Vorsitzende die Geschworenen sodann über ihre Pflichten und die<br />
Abstimmungsregeln. Er faßt unter Bezugnahme auf die schriftliche<br />
Beratungsgrundlage die Rechtslage noch einmal zusammen, so daß<br />
die Geschworenen sie laienhaft verstehen können und wissen, unter<br />
welche Rechtsbegriffe sie welche Tatsachen zu subsumieren haben.<br />
Dabei muß er sich jeglicher Bewertung das Beweisergebnisses<br />
enthalten, soweit er die Geschworenen nicht darauf hinweisen<br />
muß, daß bestimmte Beweismittel von ihm als unverwertbar ausgeschlossen<br />
worden sind. Schließlich belehrt er die Geschworenen<br />
darüber, daß sie im Falle von Zweifeln stets die dem Angeklagten<br />
günstigste Entscheidung treffen müssen.<br />
Die Geschworenen ziehen sich sodann in ein Beratungszimmer<br />
zurück, wo sie bis zum Urteilsspruch von jeglichem Kontakt zur<br />
Außenwelt abgeschirmt sind. Sie wählen aus ihren Reihen einen<br />
Sprecher. Bei Unklarheiten können sie den Vorsitzenden bitten,<br />
weitere Erklärungen abzugeben, was aber in öffentlicher Sitzung<br />
in Anwesenheit der Parteien geschehen muß.<br />
Sollten nach zwei Tagen der Beratung die Geschworenen noch<br />
zu keinem Ergebnis gelangt sein, ohne Fragen hinsichtlich der<br />
schriftlichen Beratungsgrundlage zum Ausdruck gebracht zu haben,<br />
kann der Vorsitzende sie in öffentlicher Sitzung auf die Folgen<br />
nach Art. 64 Abs. 1 und 65 hinweisen, d. h. auf die, welche eintreten,<br />
wenn die Geschworenen sich endgültig nicht einigen können<br />
27 : Nach der dritten Einberufung, d. h. spätestens nach sechs<br />
Tagen, ist das Geschworenengericht nach Art. 65 Abs. 1 zwingend<br />
aufzulösen und ein neues Verfahren anzuberaumen.<br />
Die Abstimmung erfolgt im Geschworenenzimmer offen durch<br />
Bekundung der Ansicht jedes Geschworenen zu den einzelnen<br />
Punkten der schriftlichen Beratungsgrundlage. Die Weigerung,<br />
seine Stimme abzugeben, hat zuerst ordnungsrechtliche Folgen und<br />
führt bei beharrlicher Weigerung zur Strafverfolgung nach Nr. 2<br />
der Disposiciones Adicionales, welche Geldstrafe von 100.000 bis<br />
500.000 Ptas. androht, und für den Fall der Verletzung des Beratungsgeheimnisses<br />
auch Haftstrafe (arresto mayor).<br />
Die Geschworenen müssen über jeden einzelnen Absatz der<br />
Beratungsgrundlage, d. h. über die Tat- und Schuldfrage bzw. die<br />
Aussetzung zur Bewährung und Gnadenerweise gesondert abstimmen,<br />
wobei dem Angeklagten nachteilige Entscheidungen mindestens<br />
mit einem Verhältnis von 7:2 Stimmen ergehen müssen, bei<br />
günstigen Entscheidungen hingegen schon eine Mehrheit von 5:4<br />
ausreicht.<br />
Dabei können die Geschworenen zu den vom Vorsitzenden im<br />
objeto del veredicto genannten Punkten Abänderungen oder Zusätze<br />
anbringen, solange dadurch nicht eine erhebliche Abweichung<br />
zum bisherigen Verfahrensgegenstand eintritt. In diesem<br />
Falle gelten sie nicht als geschrieben (Art. 63 Abs. 2).<br />
Über die Ergebnisse der Abstimmung wird durch einen von<br />
den Geschworenen aus ihrer Mitte zu wählenden Schriftführer ein<br />
anonymes, aber ausführliches Protokoll errichtet, daß die wesentlichen<br />
Gründe für die Entscheidung zu jedem Punkt mit den jeweiligen<br />
Mehrheiten enthalten muß. Namentlich protokolliert wird allerdings<br />
jede Stimmverweigerung.<br />
Nach der Abfassung des Protokolls wird dies dem Vorsitzenden<br />
zugeleitet.<br />
Sind keine Mängel vorhanden, so werden die Parteien benachrichtigt<br />
und das Verdikt vom Sprecher in öffentlicher Sitzung verlesen.<br />
Bei folgenden Mängeln weist jedoch der Vorsitzende die Geschworenen<br />
unter Ablehnung das Verdikts in Anwesenheit der Parteien<br />
nach deren Stellungnahme auf diese hin und belehrt sie nochmals<br />
über die Vorgehensweise zur Heilung der Mängel (devolucíon<br />
del acta):<br />
– Die Abstimmung hat sich nicht auf alle Tatfragen erstreckt;<br />
– es fehlt eine (vollständige) Abstimmung zur Schuldfrage;<br />
– zu einem oder mehreren Punkten wurde die erforderliche Mehrheit<br />
nicht erreicht;<br />
– die Abstimmungsergebnisse zu den einzelnen Tat- und/oder<br />
Schuldfragen sind widersprüchlich, oder<br />
– es wurde ein Verfahrensfehler bei der Beratung oder Abstimmung<br />
gemacht.<br />
Ungewöhnlich erscheint die zwingend notwendige Begründung<br />
und Erörterung des Abstimmungsergebnisses vor dem endgültigen<br />
Schuldspruch. Dies widerspricht den anglo-amerikanischen Grundsätzen<br />
über die Verfahrensweise in Geschworenenprozessen, nach<br />
denen die Geschworenen in aller Regel mit dem Beginn der Beratungen<br />
dem Einfluß des Berufsrichters oder der Parteien entzogen<br />
sind, und nur auf ihren eigenen Wunsch weitere Erörterungen angestellt<br />
werden dürfen. Einer Begründung bedarf das Verdikt ebensowenig.<br />
Dies alles zeigt m. E., daß die spanische Rechtsordnung<br />
erheblich stärkere Bedenken gegen die unbeschränkte Macht der<br />
Geschworenen zeigt, als etwa die des anglo-amerikanischen<br />
Rechtskreises.<br />
Können sich die Geschworenen nach dreimaliger devolucíon<br />
nicht auf ein ordnungsgemäßes Verdikt einigen, löst der Vorsitzende<br />
das Gericht auf und ein neues Verfahren wird angeordnet. Falls<br />
auch in diesem Verfahren die Geschworenen sich nicht einigen<br />
können, muß der Vorsitzende den Angeklagten freisprechen und<br />
das Geschworenengericht auflösen.<br />
Nach der Verlesung des Verdikts obliegt dem Vorsitzenden<br />
nach Anhörung der Parteien die Strafzumessung, falls die Geschworenen<br />
nicht auf einen Freispruch erkannt haben.<br />
Das Urteil des Tribunal del Jurado und die Beschlüsse und Verfügungen<br />
des Vorsitzenden, soweit sie der gesonderten Anfechtung<br />
nicht entzogen sind, sind mit dem Rechtsmittel der apelacíon zum<br />
Tribunal Superior de Justicia der jeweiligen Comunidad Autónoma<br />
anfechtbar (Art. 846 bis b) ff. LECr i.V.m. Disposicíon Final I<br />
Nr. 14). 28<br />
VII. Schlußbemerkung<br />
Das spanische Gesetz über das Tribunal del Jurado vereint bekannte<br />
Elemente aus dem anglo-amerikanischen Rechtssystem mit<br />
neuen Facetten, welche eine größere Kontrolle des Berufsrichters<br />
und der Parteien über die Urteilstätigkeit der Geschworenen beinhalten.<br />
Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich dieses System bewährt.<br />
Vielleicht könnten sogar von dem Tribunal del Jurado Impulse<br />
für England und die USA ausgehen.<br />
Das Gesetz selbst sieht in der Disposicíon Final Nr. 4 vor, daß<br />
die Regierung den Cortes Generales binnen eines Jahres nach seiner<br />
Verabschiedung einen ausführlichen Bericht über eine Harmonisierung<br />
des Verfahrens vor dem Tribunal del Jurado und der allgemeinen<br />
Strafprozeßordnung vorzulegen hat, der zum einen eine<br />
Stellungnahme zu der verfassungsrechtlichen Forderung, daß das<br />
akkusatorische Parteienprinzip verstärkt gefördert werden soll, abgeben,<br />
und zum anderen Vorschläge zur Vereinfachung und Verkürzung<br />
des Ermittlungsverfahrens enthalten soll. Man darf gespannt<br />
sein, wie das innovationsfreudige Spanien diese nicht leichte Aufgabe<br />
bewältigen wird.<br />
27 Die Verweisung auf Art. 64 Abs. 1 ist insoweit etwas ungenau, da dort auf die<br />
Situation abgestellt wird, daß die Geschworenen zwar ein Verdikt gefunden<br />
haben, dies aber fehlerhaft ist. Der Vorsitzende muß ihnen dann Hinweise geben,<br />
wie die Mängel zu beheben sind. – S. dazu Fernández Entralgo, in: El<br />
Tribunal del Jurado, aaO (Fußn. 8), 588 f.<br />
28 Auf eine nähere Darstellung der komplizierten Rechtsmittelregelung soll aus<br />
Platzgründen hier verzichtet werden. Vgl. dazu ausführlich Carmona Ruano<br />
in: El Tribunal del Jurado, aaO (Fußn. 8), 605 ff.
198<br />
l<br />
Die ausländerrechtlichen<br />
Regelungen des polnischen<br />
Anwalts- und<br />
Rechtsberatergesetzes *<br />
Richter Andrzej Ryng, Warschau<br />
I. Einführung<br />
1. Das Ziel meiner Darstellung ist die Darstellung des Novellierungsgesetzes<br />
vom 22. Mai 1997 zum Anwalts- und Rechtsberatergesetz<br />
sowie zu einigen weiteren Gesetzen in dem Bereich, in welchem<br />
es die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten von ausländischen<br />
Investoren regelt. Die Novelle trat am 15. September 1997 in Kraft<br />
und verursachte weitgehende Änderungen in dem angesprochenen<br />
Bereich. Man soll dabei berücksichtigen, daß die Änderungen ausschließlich<br />
einen Aspekt des Zugangs ausländischer Investoren<br />
zum polnischen Markt der rechtlichen Dienstleistungen betreffen,<br />
und zwar die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten im Rahmen eines<br />
Unternehmens, das zu diesem Zweck gegründet worden ist, z. B.<br />
einer Gesellschaft oder einer Kanzlei, also des sogenannten right<br />
of establishment. Die Novelle bezieht sich aber nicht auf den anderen<br />
Aspekt des Problems, und zwar auf die Ausübung rechtlicher<br />
Tätigkeiten vom grenzüberschreitenden Charakter – ausgeübt einmalig,<br />
vorübergehend, ohne daß dazu in Polen ein Unternehmen<br />
gegründet wird, z. B. die ad hoc Rechtsvertretung vor dem Gericht.<br />
Deswegen soll dieser andere Aspekt, der übrigens in der Praxis<br />
von geringfügiger Bedeutung ist, nicht Gegenstand meiner Darstellung<br />
sein.<br />
2. Ferner möchte ich nicht nur auf die in der Novelle enthaltenen<br />
Lösungen hinweisen, sondern auch auf ihren Ursprung und<br />
ihre Begründung zurückgreifen, d. h. die Argumente herbeiführen,<br />
welche der Gesetzgeber bei der Formulierung einzelner Vorschriften<br />
berücksichtigt hat, sowie auch die Gegenargumente, die man<br />
während des Legislationsprozesses deutlich gemacht hat. Ich will<br />
auch die Folgen und die Bedeutung einzelner Lösungen darstellen.<br />
Die Beurteilung der Novelle soll jedoch schon Ihnen gelassen werden,<br />
ich möchte mich hier zurückhalten.<br />
Damit das Wesen und das Gewicht der Änderungen, die die<br />
Novelle vom 22. Mai 1997 verursachte, besser verständlich werden,<br />
möchte ich Ihnen zuerst kurz die Lage schildern, bevor die<br />
Novelle in Kraft getreten ist.<br />
II. Möglichkeiten ausländischer Investoren, rechtliche<br />
Tätigkeiten im Rahmen eines Unternehmens auszuüben,<br />
das zu diesem Zweck in Polen gegründet worden ist –<br />
vor dem 22. Mai 1997, also vor dem Inkrafttreten der<br />
Novelle zum Rechtsanwalts- und Rechtsberatergesetz sowie<br />
zu einigen weiteren Gesetzen<br />
Bevor die Novelle in Kraft trat, durften ausländische Investoren<br />
in Polen ihre Tätigkeit im Bereich der rechtlichen Dienstleistungen<br />
ausschließlich aufgrund des Gesetzes vom 4. Juni 1991 zu Gesellschaften<br />
mit ausländischer Beteiligung ausüben. D. h. sie konnten<br />
zu diesem Zweck Kapitalgesellschaften gründen – AG oder<br />
GmbH. Die Ausländer hatten keinen Zugang zum Beruf des<br />
Rechtsanwalts oder des Rechtsberaters, der den polnischen Bürgern<br />
vorbehalten war, und infolgedessen konnten sie ihre Tätigkeiten<br />
nicht in den Rechtsformen ausüben, die den beiden Berufen<br />
vorbeschrieben wurden, z. B. Rechtsanwaltskanzlei oder Kollegium<br />
der Rechtsanwälte.<br />
Was die Aktivität der oben genannten Gesellschaften anbelangt,<br />
dann – nach der Novelle des Gesetzes zu Gesellschaften mit ausländischer<br />
Beteiligung vom März 1996 (am 4. Mai 1996 in Kraft<br />
getreten) – war zur Gründung einer solchen Gesellschaft keine<br />
Erlaubnis mehr nötig. Es gab auch keine Einschränkungen, was die<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
Gesellschafter (sowohl ausländische als auch polnische) betrifft,<br />
welche eine Gesellschaft gründen und sich daran beteiligen<br />
konnten – jeder konnte Gesellschafter sein, unabhängig von seinen<br />
beruflichen Befähigungen (also sogar ohne jede juristische Vorbereitung).<br />
Der Bereich der Tätigkeiten, die eine Gesellschaft ausüben<br />
durfte, war auch nicht eingeschränkt, mit einer Ausnahme:<br />
die Vertretung der Parteien vor dem Gericht, die alleine denjenigen<br />
Personen vorbehalten war, welche in Polen als Rechtsanwalt oder –<br />
in einem gewissen Bereich – Rechtsberater zugelassen wurden.<br />
Diese Regelung, obwohl sie keinen Zugang zum Beruf des<br />
Rechtsanwalts und Rechtsberaters für Ausländer ermöglichte und<br />
obwohl die Rechtsformen dieser beruflichen Aktivität vorbestimmt<br />
wurden, verschaffte jedoch in der Praxis breite und sehr günstige<br />
Bedingungen für die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten in Polen im<br />
Rahmen eines zu diesem Zweck gegründeten Unternehmens.<br />
III. Zum Ursprung der Novelle vom 22. Mai 1997<br />
zum Rechtsanwalts- und Rechtsberatergesetz<br />
sowie zu manchen weiteren Gesetzen und der darin<br />
vorhandenen Regelungen, die sich auf ausländische<br />
Investoren beziehen<br />
Nach diesem geschichtlichen Erklärungen lassen Sie mich zu<br />
der Novelle selbst übergehen.<br />
Der Gesetzesentwurf war eine Parlamentsinitiative. Er sollte<br />
vor allem zwei Ziele verfolgen:<br />
– die Gleichstellung oder mindestens die Annäherung der Berufe<br />
des Rechtsanwalts und Rechtsberaters,<br />
– die Ausschließung aus dem Markt der rechtlichen Tätigkeiten<br />
in Polen derjenigen Investoren, welche keine formellen Befähigungen<br />
dazu hatten.<br />
Das Ziel der Novelle war also nicht, oder nicht vor allem, die<br />
Reform der Grundsätze und Bedingungen, welche die Ausübung<br />
rechtlicher Tätigkeiten in Polen von ausländischen Investoren<br />
regeln. Die Änderungen, die schließlich auch in diesem Bereich<br />
durchgeführt worden sind, waren also teilweise eine direkte Folge<br />
der Regelungen, die die Novelle für die polnischen Investoren,<br />
oder für die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten als solche, eingeführt<br />
hat.<br />
Die übrigen Änderungen wurden sozusagen nebenbei eingeführt,<br />
z. B. weil der Gesetzgeber sich dessen bewußt war (oder<br />
es wurde ihm während der Leigslationsarbeit klar gemacht), daß<br />
die Novelle auch für die Verwirklichung mancher – ich betone<br />
mancher – Verpflichtungen dienen kann, die dann sowieso während<br />
der Vorbereitung Polens auf die Mitgliedschaft in der Europäischen<br />
Union notwendig sind.<br />
Die oben genannten Umstände scheinen mir von großer Relevanz<br />
zu sein für das Verständnis und die Beurteilung der im Gesetz<br />
vorgesehenen Regelungen. Sie deuten nämlich darauf hin, daß die<br />
Regelungen:<br />
– erstens, innerhalb eines breiteren Rahmens der Reform der<br />
Ausübung rechtlicher Tätigkeiten zu deuten sind,<br />
– zweitens, keine geschlossene, d. h. endgültige Lösung sind<br />
und zweifellos – vor allem hinsichtlich der Verpflichtungen Polens<br />
in der Vorbereitungsphase auf die EU-Mitgliedschaft – in der nächsten<br />
Zukunft weiter verändert oder ergänzt werden.<br />
IV. Änderungen, die in der Novelle vom 22. Mai 1997<br />
eingeführt wurden und die sich auf ausländische Investoren<br />
beziehen<br />
Bevor ich auf die Einzelheiten eingehe, möchte ich kurz die<br />
von der Novelle eingeführten Änderungen allgemein schildern.<br />
Die Änderungen, die sich auf ausländische Investoren beziehen,<br />
betreffen drei Probleme:<br />
1. den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und Rechtsberaters<br />
für die Ausländer;<br />
2. zusätzliche Erleichterungen für Rechtsanwälte und -berater<br />
aus der Europäischen Union beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts<br />
und Rechtsberaters;<br />
* Vortrag des Verfassers auf einer Veranstaltung der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung.<br />
Die Vortragsform ist beibehalten.
AnwBl 4/99 199<br />
Aufsätze l<br />
3. neue Grundsätze und Bedingungen, nach denen Gesellschaften<br />
mit ausländischer Beteiligung auf dem Markt der rechtlichen<br />
Dienstleistungen funktionieren sollen – sowohl die bereits existierenden<br />
Gesellschaften als auch die Neugründungen.<br />
Die Probleme, die von mir im Punkt 1 und 2 genannt worden<br />
sind, haben allerdings geringere praktische Bedeutung als das<br />
letzte Problem und sind deswegen – mindestens bei ausländischen<br />
Beobachtern – kaum bemerkt oder jedenfalls unterschätzt worden.<br />
Sie waren auch nie – anders als das dritte Problem – der Gegenstand<br />
großer Auseinandersetzungen. Alle drei scheinen mir jedoch<br />
wichtig zu sein, sei es auch nur wegen ihrer Bedeutung im Angleichungsprozeß<br />
der polnischen Gesetze an das Europarecht. Sie werden<br />
eingehend im weiteren Teil meiner Vorführung dargestellt.<br />
V. Die Eröffnung des Zugangs zum Beruf des Rechtsanwalts und<br />
Rechtsberaters für Ausländer<br />
Fangen wir mit der Eröffnung des Zugangs zum Beruf des<br />
Rechtsanwalts und Rechtsberaters für Ausländer an. Die Änderungen,<br />
die in diesem Bereich eingeführt wurden, hängen eng mit denjenigen<br />
Verpflichtungen Polens zusammen, die sich aus dem Assoziierungsabkommen<br />
und überhaupt dem Angleichungsprozeß des<br />
polnischen Rechts an das Europarecht ergeben. Es handelt sich um<br />
Artikel 44 des Assoziierungsabkommens, wodurch Polen verpflichtet<br />
wurde, den Investoren aus der Europäischen Union, im Bezug<br />
auf die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten<br />
sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen allmählich dieselben<br />
Bedingungen zu verschaffen wie den inländischen Investoren,<br />
und um Artikel 52 des Römischen Vertrages, der jede Diskriminierung<br />
wegen der Staatsbürgerschaft in diesem Bereich<br />
verbietet. Die Änderungen sehen folgendermaßen aus:<br />
Die Novelle schaffte die bis dahin geltende Voraussetzung der<br />
polnischen Staatsangehörigkeit ab als eine der Bedingungen für die<br />
Zulassung zum Beruf des Rechtsanwalts oder Rechtsberaters.<br />
Diese Voraussetzung war expressis verbis im Artikel 65 des<br />
Rechtsanwaltsgesetzes und im Artikel 24 des Rechtsberatergesetzes<br />
ausgedrückt worden. Gleichzeitig wurde eine neue Voraussetzung<br />
für die Zulassung eingeführt, und zwar die Beherrschung der<br />
polnischen Sprache in Rede und Schrift. Dies soll aber kein Grund<br />
zum Wundern sein: Die Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwalts<br />
oder Rechtsberaters, die u. a. auf der Vertretung vor polnischen Gerichten<br />
beruht, scheint – objektiv gesehen – ohne die effektive<br />
Kommunikation mit dem Mandanten und vor allem mit dem Gericht<br />
kaum möglich zu sein.<br />
Die oben angesprochene Änderung bedeutet also eine Öffnung<br />
beider Berufe für Ausländer (darunter selbstverständlich auch für<br />
die Bürger der EU-Mitgliedstaaten). Sie können als Rechtsanwälte<br />
oder Rechtsberater in Polen zugelassen werden, und zwar unter<br />
gleichen Bedingungen wie polnische Staatsangehörige. Infolgedessen<br />
dürfen sie ihre rechtlichen Tätigkeiten in Polen in allen Rechtsformen<br />
ausüben, die für die beiden Berufe vorgesehen sind, d. h. in<br />
möglichst breitem Ausmaß. Im Fall der Rechtsanwälte kommen<br />
solche Formen in Frage, wie Anwaltskanzlei, Kollegium der<br />
Rechtsanwälte, offene Gesellschaft und Gesellschaft des bürgerlichen<br />
Rechts – mit Alleinbeteiligung der Rechtsanwälte und<br />
Rechtsberater, sowie die Kommanditgesellschaft, in welcher alleine<br />
Rechtsanwälte bzw. -berater Komplementär sein können. Die<br />
Rechtsberater dagegen verfügen über solche Rechtsformen wie<br />
die Rechtsberaterkanzlei, offene Gesellschaft und Gesellschaft des<br />
bürgerlichen Rechts – mit Alleinbeteiligung der Rechtsanwälte<br />
bzw. -berater sowie die Kommanditgesellschaft, in welcher nur<br />
Rechtsanwälte bzw. -berater Komplementär sein können, ferner ein<br />
Zivilvertrag und das Arbeitsverhältnis.<br />
VI. Zusätzliche Erleichterungen für Rechtsanwälte und -berater<br />
aus den EU-Staaten beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts<br />
und Rechtsberaters in Polen<br />
Wir kommen jetzt zu dem Problem der zusätzlichen Erleichterungen<br />
beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und -beraters in<br />
Polen für Rechtsanwälte und -berater aus den EU-Staaten. Auch<br />
diesbezüglich schließt sich die Regelung – in einem gewissen Ausmaß<br />
– europäischen Lösungen an und ist als Teil des gesamten Angleichungsprozesses<br />
des polnischen Rechts an das Europarecht zu<br />
betrachten. Es handelt sich dabei um diejenigen Regelungen, die<br />
bei der Aufnahme und Ausübung der Erwerbstätigkeit von Ausländern<br />
berufliche Befähigung berücksichtigen lassen, welche in dem<br />
jeweiligen Herkunftsland erworben wurden, d. h. Artikel 57 des<br />
Römischen Vertrages und die Richtlinie des Europäischen Rates<br />
Nr. 89/48 vom 21. Dezember 1988 zum allgemeinen System der<br />
Diplomanerkennung.<br />
Die Erleichterungen beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts<br />
und -beraters, welche die Novelle einführt, beruhen darauf,<br />
daß es möglich ist, von der Bedingung des Referendariats für<br />
Rechtsanwälte und Rechtsberater befreit zu werden. Das Referendariat<br />
ist normalerweise eine der Voraussetzungen für die Zulassung<br />
zum Beruf. Um die Befreiung von der Bedingung des Referendariats<br />
für Rechtsanwälte können sich ausschließlich die Bürger<br />
der EU-Staaten bewerben, die in ihrem Herkunftsland als Rechtsanwälte<br />
zugelassen sind und dort diesen Beruf ausüben, wenn sie<br />
ein in Polen als gleichwertig anerkanntes Jurastudium absolviert<br />
haben (in Praxis bedeutet es die Notwendigkeit einer früheren Anerkennung<br />
des Hochschuldiplomas) und die polnische Sprache in<br />
Schrift und Rede beherrschen. Ähnliche Voraussetzungen muß man<br />
bei der Befreiung von der Bedingung des Referendariats für<br />
Rechtsberater erfüllen. Über die Befreiung entscheiden in beiden<br />
Fällen die Organe der beruflichen Selbstverwaltung: im Falle der<br />
Rechtsanwälte der Regionale Rechtsanwaltsrat, im Falle der<br />
Rechtsberater – ausschließlich nach dem Grundsatz der Reziprozität<br />
– der Landesrat der Rechtsberater. Die von dem Referendariat<br />
befreiten Personen legen ein für jede Berufsgruppe übliches Examen<br />
ab.<br />
Die angesprochene Änderung bedeutet, zumindest theoretisch,<br />
eine wesentliche Erleichterung für die Bürger der EU-Staaten beim<br />
Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und Rechtsberaters in Polen,<br />
und infolgedessen beim Zugang zu allen Rechtsformen, in denen<br />
der Rechtsanwalt oder Rechtsberater seine Tätigkeiten ausüben<br />
kann. Ob diese Erleichterungen wirklich so attraktiv sind, daß von<br />
ihnen in der Praxis oft Gebrauch gemacht werden soll, wird sich<br />
bald zeigen. Es werden allerdings schon jetzt Proteste seitens der<br />
Amerikaner laut – die Erfahrung im Justizministerium zeigt es –,<br />
daß die besprochene Regelung alleine auf EU-Investoren eingeschränkt<br />
ist und andere sie nicht wahrnehmen können.<br />
VII. Neue Grundsätze, nach denen die Gesellschaften mit<br />
ausländischer Beteiligung rechtliche Tätigkeit ausüben<br />
Ich komme jetzt auf die Problematik neuer Grundsätze, welche<br />
die Ausübung von rechtlichen Tätigkeiten durch Gesellschaften<br />
mit ausländischer Beteiligung regeln.<br />
Dieses Problem wurde schon seit Anfang der Legislationsarbeiten<br />
heftig diskutiert. Es wurde vor allem vorgeworfen, daß die<br />
Rechtsformen, in denen die Gesellschaften vorkommen – Aktiengesellschaft<br />
und Gesellschaft mit beschränkter Haftung – zur Ausübung<br />
rechtlicher Tätigkeiten ungeeignet seien. Das besondere<br />
Wesen dieser Tätigkeiten erfordere nämlich, daß der Investor eine<br />
persönliche und uneingeschränkte Verantwortung für die Folgen<br />
seiner Handlungen trage, die Konstruktion der Kapitalgesellschaft<br />
schließe dagegen ein umgekehrtes Verständnis der Verantwortung<br />
ein.<br />
Es wurde auch erörtert, daß die rechtliche Tätigkeit, die in den<br />
Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung ausgeübt wird, praktisch<br />
keiner Kontrolle unterliege, sowohl was die Qualität der Tätigkeiten<br />
als auch die Einhaltung der Berufsethik betreffe, was zur<br />
Bedrohung der Interessen von Konsumenten – Empfänger einer<br />
Dienstleistung – führen könnte. Die Gesellschaft, die rechtliche<br />
Tätigkeiten ausübe, konnte dann nämlich von jedem gegründet<br />
werden, wer über entsprechendes Kapital verfügen habe, und die<br />
Möglichkeit, in ihrem Rahmen rechtliche Tätigkeiten auszuüben,<br />
sei nicht – mit Ausnahme der Vertretung vor dem Gericht – vom<br />
Besitz irgendwelcher formellen Befähigungen abhängig.<br />
Es wurde schließlich darauf hingewiesen, daß die existierende<br />
Regulierung ausländische Investoren im Vergleich zu polnischen<br />
bevorzuge und die Interessen der letzteren nicht genug schütze.<br />
Das Gesetz verschaffe nämlich ausländischen Investoren die Möglichkeit,<br />
rechtliche Tätigkeit in Form der Gesellschaften auszuüben,<br />
ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob polnischen Investoren<br />
ähnliche Möglichkeiten im Ausland zur Verfügung stünden. Das<br />
Gesetz berücksichtige auch den offensichtlichen wirtschaftlichen<br />
Vorsprung der ausländischen Investoren nicht, was dazu führe, daß
200<br />
l<br />
polnische Juristen in den Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung<br />
in der Regel nicht als Partner (Gesellschafter), sondern als<br />
Angestellte tätig seien.<br />
Als Schlußfolgerung haben die Gegner der damaligen Rechtslage<br />
auf die Notwendigkeit einer neuen Regulierung hingewiesen. Es<br />
gab diesbezüglich unterschiedliche Vorschläge, von ganz extremen<br />
Forderungen, die Möglichkeit der Ausübung rechtlicher Tätigkeiten<br />
von Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung (Kapitalgesellschaften)<br />
ganz abzuschaffen, zu Forderungen, die Möglichkeit<br />
zu bewahren, aber mit einer gleichzeitigen Einführung solcher Änderungen<br />
der Rahmenbedingungen für die Betätigung der Gesellschaften,<br />
die Interessen der Mandanten und polnischer Juristen<br />
schützen würden.<br />
Natürlich gab es auch Befürworter des status quo. Sie haben<br />
darauf hingewiesen, daß die Kapitalgesellschaft eine Grundform,<br />
wenn nicht die einzige Rechtsform sei, die den ausländischen Investoren<br />
aufgrund der geltenden Gesetzgebung zur Ausübung der<br />
Tätigkeiten in Polen zur Verfügung stehe. Sie deuteten darauf hin,<br />
daß die Einführung von wesentlichen Änderungen in diesem Bereich,<br />
und schon gewiß die Abschaffung der Möglichkeit, rechtliche<br />
Tätigkeiten in der Rechtsform von solchen Gesellschaften<br />
auszuüben, eine rechtswidrige Tätigkeiten in der Rechtsform von<br />
solchen Gesellschaften auszuüben, eine rechtswidrige Enteignung<br />
und ein Entzug der erworbenen Rechte bedeuten könne, und dadurch<br />
relevante Folgen haben werde, einschließlich erheblichen<br />
Entschädigungen.<br />
Wie es so üblich vorkommt, mündete die Auseinandersetzung<br />
in eine Kompromißlösung ein. Die neue Regelung, die im<br />
Artikel 10 Absatz 2 und im Artikel 11 des Novellierungsgesetzes<br />
vom 22. Mai 1997 verzeichnet ist, wurde sogar von der Vertretung<br />
der Europäischen Kommission in Warschau begrüßt. Die Vertretung<br />
selbst hat besonders in der Abschlußphase der Legislationsarbeiten,<br />
intensiv mit dem polnischen Justizministerium beim Ausarbeiten<br />
einer Formel zusammengearbeitet, die für alle Parteien<br />
akzeptabel wäre. Aber die neue Regelung stellt natürlich nicht alle<br />
zufrieden. Außerdem enthält die Novelle, wie es oft vorkommt,<br />
wenn man unterschiedliche Positionen zu vereinbaren versucht und<br />
nach Formeln strebt, die für alle befriedigend wären, einige (technische)<br />
Legislationsfehler, die ihre Deutung erschweren können.<br />
Wie sieht also diese Kompromißlösung aus?<br />
Im großen und ganzen wurde den ausländischen Investoren die<br />
Möglichkeit gelassen, ihre rechtliche Tätigkeit in der Rechtsform<br />
einer Kapitalgesellschaft zu gründen und zuführen. Wesentlich dagegen<br />
haben sich die Bedingungen für ihre Gründung und Geschäftsführung<br />
geändert. In Einzelheiten sieht die neue Regelung<br />
folgendermaßen aus:<br />
Das Gesetz regelt getrennt die Problematik der Gesellschaften<br />
mit ausländischer Beteiligung, die bereits existieren – und genau<br />
gesagt existiert haben am 1. Oktober 1996 (Verweis im Art. 10<br />
Abs. 2) und derjenigen Gesellschaften, die erst in Zukunft, d. h.<br />
nach dem Inkrafttreten der Novelle zu gründen sind (darauf verweist<br />
Art. 11). Es wird sofort klar, daß es keine dichotome Einteilung<br />
ist; infolgedessen entstehen Zweifel zum Rechtsstatus der<br />
Gesellschaften, welche zwischen dem 1. Oktober 1996 und dem<br />
14. September 1997 (Inkrafttreten) gegründet worden sind.<br />
Als man während des Gesetzgebungsverfahrens auf diese<br />
Schwächen hingewiesen hat, haben die Verfasser der angesprochenen<br />
Lösung geantwortet, daß das Problem nur scheinbar und theoretisch<br />
sei, weil nach dem 1. Oktober 1996 keine Gesellschaft mit<br />
ausländischer Beteiligung entstanden sei, welche rechtliche Tätigkeiten<br />
ausübe. Außerdem müsse man sich für ein Grenzdatum entscheiden,<br />
und das könne das Datum des Inkrafttretens der Novelle<br />
nicht sein – solche Konstruktion würde dazu führen, daß kurz vor<br />
dem Inkrafttreten im verstärkten Ausmaß Gesellschaften auf bisherigen<br />
Grundsätzen gegründet worden wären. Das wollte der Gesetzgeber<br />
vermeiden. Diese Argumente scheinen nicht überzeugend<br />
zu sein. Auf jeden Fall ändern sie nichts daran, daß es im<br />
Gesetz – mindestens theoretisch – eine Lücke gibt, welche wahrscheinlich<br />
durch die Auslegung ausgefüllt werden soll. Diese wiederum<br />
muß nicht unbedingt eindeutig sein.<br />
Kommen wir aber zu den Problemen zurück, welche von der<br />
Novelle reguliert werden. In bezug auf die Gesellschaften mit ausländischer<br />
Beteiligung, welche am 1. Oktober 1996 bereits existiert<br />
haben, ändert die Novelle wesentlich die Grundsätze und Bedin-<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
gungen für ihre weitere Tätigkeit. Im Art. 10 Abs. 2 nämlich bestimmt<br />
sie, daß diese Gesellschaften innerhalb von drei Jahren<br />
nach dem Inkrafttreten der Novelle ihre Rechtsform, ihre personelle<br />
Zusammensetzung und den Gegenstand ihrer Tätigkeit an<br />
neue Regelungen, mit Berücksichtigung von Art. 11, anpassen sollen<br />
oder in dieser Übergangszeit ihre rechtliche Tätigkeit einstellen<br />
müssen. Solche Regelung bedeutet, daß die bestehenden Gesellschaften<br />
generell zwischen zwei Möglichkeiten auswählen können.<br />
1. Sie können sich in eine der Rechtsformen umwandeln, in<br />
welcher laut Gesetz Rechtsanwälte und Rechtsberater ihren Beruf<br />
ausüben dürfen, d. h. in der Praxis in Personengesellschaften – des<br />
bürgerlichen Rechts oder offene, mit Rechtsanwälten und Rechtsberatern<br />
als Gesellschafter (die in Polen zugelassen sind) und mit<br />
dem Betätigungsfeld eingeschränkt auf rechtliche Tätigkeiten, oder<br />
in die Kommanditgesellschaft, welche die von mir früher genannten<br />
Bedingungen erfüllt. Diese Regelung kann auf den ersten Blick<br />
Zweifel aufkommen lassen, ob sie nicht mit dem Gesetz zu Gesellschaften<br />
mit ausländischer Beteiligung im Widerspruch steht. Dies<br />
ist jedoch nicht der Fall. Obwohl Art. 1 Abs. 2 dieses Gesetzes als<br />
eine Regel vorsieht, daß ausländische Investoren alleine Kapitalgesellschaften<br />
(AG oder GmbH) gründen und führen dürfen, läßt<br />
Art. 2 des besprochenen Gesetzes dagegen Ausnahmen von dieser<br />
Regel zu, sofern sie sich aus anderen Gesetzen ergeben. Zweifellos<br />
ist es bei dem Novellierungsgesetz vom 22. Mai 1997 gerade der<br />
Fall.<br />
2. Existierende Gesellschaften können – wenn sie wollen – die<br />
Rechtsform der Kapitalgesellschaft bewahren, aber die Gesellschaft<br />
muß dann alle Bedingungen erfüllen, welche die Novelle für<br />
die neu zu gründenden Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung<br />
vorsieht. Solche Neugründungen sind zwar möglich, aber unter<br />
geänderten Voraussetzungen.<br />
Die zweite der genannten Möglichkeiten wurde in der Novelle<br />
nicht gerade besonders glücklich formuliert und kann deswegen<br />
häufig unbemerkt bleiben. Diese Möglichkeit wurde in Art. 10<br />
Abs. 2 „versteckt“, und zwar im Ausdruck: mit Berücksichtigung<br />
des Art. 11, was bedeutet, daß die existierende Gesellschaft ihre<br />
Pflicht, sich den neuen Regelungen anzupassen, auch dadurch erfüllen<br />
kann, daß sie diejenigen Bedingungen erfüllt, welche für<br />
eine Neugründung vorgesehen wurden und welche gerade im<br />
Art. 11 genannt worden sind. Eine andere Deutung wäre unlogisch:<br />
es wäre schwer nachvollziehbar, daß der Gesetzgeber einerseits<br />
die Neugründung in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft<br />
mit ausländischer Beteiligung zuläßt und andererseits die Bewahrung<br />
dieser Rechtsform für die bereits existierenden Gesellschaften<br />
nicht vorsieht.<br />
Was die Neugründung der Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung<br />
im rechtlichen Betätigungsfeld anbelangt, dürfen sie in<br />
der Rechtsform der Kapitalgesellschaften gegründet werden, aber<br />
die Bedingungen dafür wurden geändert, und zwar:<br />
1. alle ausländischen Gesellschafter müssen berechtigt sein, in<br />
ihrem Herkunftsland den Beruf des Rechtsanwalts bzw. -beraters<br />
auszuüben, oder müssen eine Gesellschaft mit Alleinbeteiligung<br />
von solchen Personen bilden; alle polnischen Gesellschafter müssen<br />
dagegen Rechtsanwälte bzw. -berater sein;<br />
2. ausländische Gesellschafter müssen die Reziprozität seitens<br />
ihres Herkunftsstaates aufweisen, und im Falle der Gesellschaften,<br />
die selbst Gesellschafter sind, seitens des Staates, wo sie ihren<br />
Sitz haben;<br />
3. polnische Rechtsanwälte und Rechtsberater können rechtliche<br />
Tätigkeiten in diesem Gesellschaften nur dann ausüben, wenn<br />
sie selbst Gesellschafter sind.<br />
Es ist also offensichtlich, daß die neue Regelung keine Investoren<br />
zur Gründung und Beteiligung an der Gesellschaft zuläßt, welche<br />
nicht die entsprechende berufliche Befähigung haben, wodurch<br />
der Empfänger einer rechtlichen Dienstleistung – der Mandant –<br />
besser geschützt werden soll. Die Regelung verbietet auch, polnische<br />
Rechtsanwälte und -berater als Angestellte anzustellen, was<br />
ohne Zweifel zur Stärkung ihrer Position in Gesellschaften mit ausländischer<br />
Beteiligung beiträgt.<br />
Zusammenfassend kann man also feststellen, daß neue Lösungen,<br />
die die Aktivität der Gesellschaft mit ausländischer Beteiligung<br />
im Bereich der rechtlichen Tätigkeiten regeln, mehr restriktiv<br />
und weniger günstig für ausländische Investoren sind als die bisher
AnwBl 4/99 201<br />
Aufsätze l<br />
geltenden Vorschriften. Deswegen kann man Bedenken haben, ob<br />
sie nicht mit Art. 44 Abs. 2 des Assoziierungsabkommens, der die<br />
stand still-Regel enthält, im Widerspruch stehen. Lassen Sie mich<br />
daran erinnern, daß diese Regel besagt, daß Polen keine neuen<br />
Maßnahmen treffen darf, welche die ausländischen Investoren gegenüber<br />
polnischen benachteiligen würden. Meiner Meinung nach<br />
sind diese Bedenken eher unbegründet. Man soll nämlich nicht vergessen,<br />
daß ähnliche, manchmal sogar weitergehende Einschränkungen<br />
auch im Bezug auf polnische Investoren eingeführt worden<br />
sind. Art. 10 Abs. 1 besagt hierzu ausdrücklich, daß polnische Investoren,<br />
welche bis jetzt ihre rechtliche Tätigkeit in der Rechtsform<br />
der Gesellschaft ausgeübt haben, sich ebenfalls der neuen Regelung<br />
anpassen müssen, dabei beträgt die Übergangszeit in ihrem<br />
Fall nur ein Jahr – wesentlich weniger als für ausländische Investoren.<br />
Darüber hinaus wurde ihnen die Möglichkeit einer Ausübung<br />
der Tätigkeit in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft völlig entzogen.<br />
Die Kapitalgesellschaft ist auch für diejenigen polnischen<br />
Investoren unerreichbar, welche ihre Aktivität im Bereich der<br />
rechtlichen Tätigkeiten erst jetzt aufnehmen möchten. Aus den<br />
oben genannten Gründen kann die Regulierung nicht als eine Benachteiligung<br />
ausländischer Investoren gegenüber den polnischen<br />
betrachtet werden.<br />
VIII. Zusammenfassung<br />
Dies waren die Auszüge der neuen Regelung, die sich auf ausländische<br />
Investoren bezieht und die in der Novelle vom<br />
22. Mai 1997 zum Rechtsanwalt- und Rechtsberatergesetz sowie<br />
zu einigen weiteren Gesetzen formuliert wurde. Ich hoffe, daß Sie<br />
nach meiner Vorführung über ein mehr vollständiges Bild verfügen.<br />
Falls Sie Fragen oder Zweifel haben, stehe ich gerne bereit, sie<br />
beantworten zu versuchen.<br />
Zeitschriftenlektüre des<br />
Juristen<br />
Rechtsanwalt Dr. Karl Franke, Ellwangen<br />
I. Einleitung<br />
„Wissen ist Macht“; das wissen manche, seit Francis<br />
Bacon dieses heutzutage geflügelte Wort in seinem Werk<br />
„Novum organum“ 1 erfunden hat; viel zu wenigen Personen<br />
ist bewußt, daß Information heutzutage ein wichtiger,<br />
wenn nicht der bedeutsamste „Produktions“-Faktor ist. Der<br />
Begriff von der Informationsgesellschaft ist nicht zufällig<br />
gerade modern. Freilich ist nicht allein die Information bedeutsam,<br />
ihr besonderes Gewicht erhält sie durch die Menge<br />
heutzutage verarbeitbarer Daten und die Übermittlungsgeschwindigkeit.<br />
Als Beispiele seien genannt einmal die<br />
sog. „Just-in-time“-Produktion mit ihren rollenden Lagern,<br />
die penibelsten Austausch riesiger Datenmengen zwischen<br />
Lieferant und Abnehmer in kürzester Zeit verlangt. Daneben<br />
die „schlanke Produktion“, die mit ihrer dezentralisierten<br />
Informationsverarbeitung und Informationsbeschaffung<br />
wiederum größte übergeordnete Datensammlungen mit Datenverarbeitung<br />
und Datenweitergabe bedingt.<br />
Die „Produktions-Weise“ oder das Produktionsergebnis<br />
juristischer Tätigkeit sind seit längerer Zeit geringen Veränderungen<br />
zur Anpassung unterworfen; ihre Produktionsmittel<br />
sind der Sache nach ebenfalls seit langem gleich, jedoch<br />
ist hier ein immenses quantitatives Wachstum des Rechts in<br />
Form geschriebener rechtlicher Regelungen zu verzeichnen.<br />
Dies wirft natürlich die Frage auf, ob das Handwerkszeug<br />
der Juristen, gemeint hier vor allem im Gestalt von dessen<br />
Vermittlung durch Ausbildung und ihrer Inhalte, noch aktuell<br />
ist: Ich meine, nein! Dies kann in diesem Zusammenhang<br />
jedoch nicht vertieft werden.<br />
Wer sich bei seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt<br />
nicht hinreichend über die neuere Rechtsprechung der Gerichte<br />
aus den Fachgebieten, auf denen er beratend oder<br />
forensisch tätig ist, informiert, wird zu Recht mit dem Vorwurf<br />
konfrontiert, seine vertraglichen Pflichten verletzt zu<br />
haben!<br />
Richter haften für vergleichbares Fehlverhalten nicht.<br />
Sie sorgen nur dafür, daß andere haften müssen. Wenn sich<br />
ein Richter im <strong>Anwaltsblatt</strong> mit der Zeitschriftenlektüre der<br />
Rechtsanwälte befaßt, dann erwartet der die Zeitschrift lesende<br />
Rechtsanwalt subtile Ausführungen zur Haftung von<br />
Rechtsanwälten wegen der Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten<br />
durch mangelhafte oder mangelnde Information.<br />
So auch bei dem Beitrag Fischers 2 . Es erscheint mir aus<br />
der Sicht eines Anwalts 3 angebracht, hierzu einige Anmerkungen<br />
zu machen. Vorweg so viel: Die haftungsrechtlichen<br />
Aussagen Fischers sind m. E. zutreffend, die einschlägige<br />
Rechtsprechung und Literatur vollständig erfaßt. Wer<br />
die kleine Abhandlung mit ihrem prägnanten Titel „links<br />
liegen läßt“, ist auf eigenes Glück ein Narr 4 .<br />
II. Hauptteil<br />
1. Vergleichbare Ausgangslage – vergleichbare<br />
Konsequenzen?<br />
Es ist durchaus richtig: Die Informationsflut im juristischen<br />
Arbeitsleben ist erdrückend. Ein großer Teil dessen,<br />
was an Informationen vermittelt wird, ist überflüssig.<br />
Eine genaue Einschätzung der Menge dessen, was überflüssig<br />
sei, wird sich niemand zutrauen können. Ein nachdenklicher<br />
Ministerialbeamter von der Bundesfinanzakademie<br />
Siegburg 5 hat diesen „wertlosen“ 6 Teil „Informationsmüll“<br />
genannt.<br />
Mit diesem Informationsmüll verhält es sich wie mit all<br />
dem sonstigen Müll, den die Menschen produzieren. Es<br />
fehlt nur noch an einem „dualen System“. Der Müll muß<br />
zunächst gesammelt, dann nach Verwertbarkeit getrennt<br />
werden usw. Am Ende des Kreislaufs steht die „thermische“<br />
Verwertung 7 ohne Wiederkehr als anderer Artikel<br />
des Werkstoffes Papier, zwei- oder dreilagig.<br />
Der Informationsflut wird auch ein Richter nicht besser<br />
Herr als ein Rechtsanwalt. Er genießt freilich einen fundamentalen<br />
und entscheidenden Vorteil: Über ihm kreist keine<br />
Schar schwarzer Geier, die sich mit Wonne auf ihn stürzen,<br />
wenn er unachtsam wäre. Seine Entscheidungen werden<br />
rechtskräftig oder, was unter finanziellen Aspekten noch<br />
weit schädlicher für die Parteien sein kann, werden in der<br />
1 Francis Bacon, Novum organum, Kap. I, 3; der vollständige Text des Zitates<br />
lautet „Nam et ipsa scientia potestas est. Scientia et potentia humana in idem<br />
coincidunt, quia ignoratio causae destituit effectum“.<br />
2 Abgedruckt in AnwBl 1993, 597, vgl. auch den Beitrag „Lesen-Management“,<br />
AnwBl 1994, S. XXIV von Michelmann.<br />
3 Übrigens Kommilitone des Richters Fischer.<br />
4 Ich möchte eindringlich auf den Text in der Fußnote 4 im Beitrag Fischers verweisen.<br />
5 Helsper, BB 1992, 1500.<br />
6 Wertlos in Hinsicht auf die Verwertbarkeit für einen „gewöhnlichen“ Rechtsanwalt<br />
mit Allgemeinpraxis. Andere, wie z. B. Informationswissenschaftler, werden<br />
dies zu Recht abweichend beurteilen.<br />
7 Welche eine geniale Umschreibung für Müll-Verbrennung; zu der herrschenden<br />
Sprachverwirrung vgl. R. Olt, Wörter und Unwörter, F.A.Z. Nr. 30 vom<br />
5.2.1994, S. 1.
202<br />
l<br />
Rechtsmittelinstanz aufgehoben. Die Arbeitswissenschaftler<br />
würden diesen eminent bedeutsamen Befund als „Abstraktion<br />
der Tätigkeit vom Arbeitsergebnis, dem Produkt<br />
der Arbeit“ beschreiben 8 .<br />
2. Rechtsanwaltstypen – Richtertypen<br />
In der Bundesrepublik gibt es 1999 ca. 100.000 Rechtsanwälte,<br />
ca. 26000 Richter und Staatsanwälte; etwa 10.000<br />
Absolventen der juristischen Ausbildung kommen in den<br />
nächsten Jahren hinzu.<br />
Von den 100.000 Rechtsanwälten sind mindestens 75 %<br />
verhinderte Richter; sie sind an der alles entscheidenden<br />
Meßlatte für die Einstellung in den Richterdienst, ihren Ergebnissen<br />
der juristischen Staatsexamina, gescheitert. Wer<br />
das Ziel nicht erreicht, geht – genügen die Ergebnisse „wenigstens“<br />
hierfür – in die öffentliche Verwaltung, zum<br />
Landratsamt, der Finanzverwaltung usw. Das warme, weiche<br />
Wams des öffentlichen Dienstes, dazu Besoldung nach<br />
R 1, dies hat geradezu magische Anziehungskraft. Bei vielen<br />
kommt die – nicht falsche – Einschätzung hinzu, die<br />
Arbeitszeiten und die Leistungsanforderungen seien, weil<br />
(selbst) kalkulierbar, erheblich geringer.<br />
Dieser Umstand ist voranzustellen, weil es den Rechtsanwaltstypus,<br />
zu Anbeginn der Berufstätigkeit und damit<br />
für zahlreiche Kollegen, gar nicht geben kann, mit vielen<br />
Auswirkungen auf die Berufsausübungsfähigkeit dieser<br />
„zum Richteramt Befähigten“.<br />
Ich unterscheide hier vier Typen von Rechtsanwälten,<br />
was die Informationsbeschaffung anbelangt:<br />
a) den Ahnungslosen,<br />
b) den Vielbeschäftigten,<br />
c) den Spezialisten und<br />
d) den Ignoranten.<br />
a) Der Ahnungslose ist regelmäßig bei den anwaltlichen<br />
„Neulingen“ anzutreffen. Sein Einkommen erlaubt ihm<br />
nicht, Zeitschriften zu abonnieren, aktuelle Kommentare zu<br />
kaufen usw.<br />
Regelmäßig richtet er keinen oder wenig Schaden in,<br />
weil er für die ihm zuwachsenden Fälle mit Alt-Auflagen<br />
von Palandt und Dreher/Tröndle, dem nicht nachsortierten<br />
Schönfelder und den Skripten von Alpmann/Schmidt o. ä.<br />
hinreichend ausgestattet ist. Unter Entbehrungen angespart<br />
und gekauft hat er sich ein Prozeß-Formularbuch, sozusagen<br />
als „geistige“ Gehhilfe beim Laufenlernen. Die Forderung<br />
der Rechtsprechung, er müsse anwaltlichen Sorgfaltspflichten<br />
gemäß die NJW lesen, ist weltfremd.<br />
Dieser Kollege hätte wohl Zeit zur Lektüre, er kauft die<br />
NJW jedoch, so jedenfalls meine Ergebnisse eigener Feldforschungen,<br />
aus Kostengründen nicht.<br />
b) Der Vielbeschäftigte hat keine Zeit, sich zu informieren.<br />
Er hätte ausreichend Geld, sich das nötige Informationsmaterial<br />
zu kaufen, er findet aber wegen seiner falschen<br />
Arbeitsplanung und -organisation keine Zeit, das Informationsmaterial<br />
auszuwerten, obwohl er weiß, daß er dies eigentlich<br />
müßte und ihm dies auch „Gewinn“ für seine tägliche<br />
Arbeit brächte.<br />
Dieser Kollege müßte seine Arbeits-Organisation ändern.<br />
Oft hilft hier ein altes Rezept von Lehrstrategen und<br />
Zeit-Managern: Ein fester Zeitraum, etwa freitags 18 Uhr<br />
bis 19.30 Uhr wird für die – wenigstens grobe – Zeitschriftenschau<br />
von vornherein und unabänderlich reserviert.<br />
c) Der (Lese-) Spezialist ist der ärmste Tropf unter unseren<br />
Vieren. Er ist ein Viel-Leser. Er hechelt jeder Recht-<br />
AnwBl 4/99<br />
Aufsätze<br />
sprechungsänderung hinterher, prüft neueste Aspekte aus<br />
europarechtlicher Sicht auch dann, wenn er eine rein „deutsche“<br />
Rechtssache vor sich hat. Er verschleißt sich in seinem<br />
Bestreben, immer „on top“ zu sein. Jedes Problem<br />
analysiert er anhand einer „Entscheidung des BGH, vor kurzem<br />
ergangen – ich teile Ihnen die Fundstelle gerne mit“;<br />
auf den Anruf wartet man im allgemeinen vergeblich.<br />
Nachgefragt ergibt sich, daß die Entscheidung auf den zu<br />
bearbeitenden Fall nicht paßt. Dieser Kollege ist der Musterschüler,<br />
für den der BGH seine Entscheidungen über<br />
den Inhalt anwaltlicher Sorgfaltspflichten bei der Fach-Information<br />
gemacht hat. Ihm entgeht nichts – ob ihm daneben<br />
noch Zeit bleibt, seine Mandanten mit ökonomisch<br />
sinnvollen Problemlösungen zu „versorgen“, daran wage<br />
ich zu zweifeln.<br />
d) Der Ignorant (hier im eigentlichen Wortsinne, also<br />
nicht abwertend gemeint) ist fraglos der angenehmste unter<br />
den Kollegen. Informations-„Probleme“ plagen ihn – offenkundig<br />
– nicht. Oft ist er ein besserer Schauspieler als Kollegen<br />
der Typen a –c, der seine „Lücken“ gekonnt kaschiert.<br />
Seine Mandanten sind deswegen mit ihm zufrieden, er hat<br />
Erfolg.<br />
Gerichte bringt er manchmal zur Verzweiflung, gleichermaßen<br />
Kollegen, Gerichtsvollzieher oder Notare: Sie alle<br />
werden beiläufig um die notwendigen Informationen „angehauen“.<br />
Haftungsrisiken belasten ihn nicht. Irgendwie kommt<br />
ein Kunstgriff zur Anwendung, der das Unheil gerade noch<br />
abwendet.<br />
Der „ideale“ Kollege ist die Mischung aller vier vorgestellten<br />
Typen, die hier natürlich überzeichnet sind.<br />
In der Wirklichkeit gibt es den ausschließlich einem Typ<br />
zuzuordnenden Kollegen natürlich nicht, und das ist auch<br />
gut so.<br />
Auch die Juristen-Kollegen im Richteramt lassen sich –<br />
notgedrungen auch hier überzeichnet – bei ihrer Informationsbeschaffung<br />
in diverse Typen einteilen. Auch bei ihnen<br />
trifft man die bei Rechtsanwälten vorgestellten Typen an;<br />
jedoch ist hier der bereits in der Einleitung (unter I.) beschriebene<br />
grundsätzliche Unterschied zu beachten: Die<br />
Richter „erfinden“ erst die Sorgfaltspflichten, die dem<br />
Rechtsanwalt im konkreten Fall das Genick brechen können;<br />
sie haben in der Regel eine Bibliothek kostenlos zur<br />
Verfügung, ihnen kann, wenn sie dennoch – wie öfter – in<br />
Hinsicht der Informationsbeschaffung faul sind, keiner etwas;<br />
auf die institutionellen Unterschiede der ausgeübten<br />
Berufe (öffentlicher Dienst – freier Beruf) mit ihren unterschiedlichen<br />
Arbeitsbedingungen weise ich nur ergänzend<br />
hin; für entscheidend halte ich den Unterschied in der zur<br />
Informationsbeschaffung durch Zeitschriften-Lektüre verfügbaren<br />
Zeit.<br />
Ich bin mir natürlich darüber im klaren, daß ich mit der<br />
Behauptung, Richter hätten mehr Zeit als Rechtsanwälte,<br />
Zeitschriften zu lesen (mindestens beinahe) eine Ehrverletzung<br />
begehe. So weit allerdings nur die offizielle Reaktion.<br />
Spricht man mit Richter-Kollegen, ohne ein Blatt vor den<br />
Mund nehmen zu müssen, dann wird meine These rundum<br />
bestätigt!<br />
8 Ein Hinweis auf die Bestrebungen zur „lean production“ der Automobil-Industrie<br />
sei erlaubt; ihr Ziel ist es gerade, diese durch extrem durchorganisierte<br />
Fließbandarbeit entfallene Produkt- (d. i. Kosten) Verantwortung wieder zu beleben;<br />
vgl. Schaub u. a., BB 1993, Beilage 15.
AnwBl 4/99 203<br />
Aufsätze l<br />
Ich unterscheide also:<br />
a) den Desinteressierten,<br />
b) den Alles-Besserwisser,<br />
c) den Informierten.<br />
Auch hier wird der „normale“ Kollege wieder eine gute<br />
Kombination aller drei Typen sein.<br />
a) Der Desinteressierte hat seine letzte juristische Abhandlung<br />
zur Vorbereitung seines 2. juristischen Staatsexamens<br />
gelesen. Er arbeitet mit antiquierten Auflagen von<br />
Palandt und Zöller oder Dreher/Tröndle und Kleinknecht/<br />
Meyer, wenn er denn überhaupt Literatur zu Rate zieht. Andere<br />
Rechtsprechung als die des zuständigen Landgerichts<br />
bzw. Oberlandesgerichts interessiert ihn nicht. Hinweise<br />
auf Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen wie dem zu<br />
entscheidenden werden, hat man im Prozeß mit ihm zu tun,<br />
mit abwertender Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen.<br />
Dieser Kollege ist – im Grunde – für alle Prozeßbeteiligten<br />
eine Qual; er verhindert von vornherein jede sinnvolle und<br />
angemessene Entscheidung, bei der neue Wege beschritten<br />
werden müssen – und das ist oft der Fall.<br />
b) Der Alles-Besserwisser liest viel oder gibt es wenigstens<br />
vor; er liest allerdings zu viel, zu ungenau oder versteht<br />
das Gelesene falsch. Seit er den Ölwechsel am Familien-Passat<br />
selbst vorgenommen und ein Haus gebaut hat,<br />
fühlt er sich als Spezialist in allen Lebenslagen, insbesondere<br />
auch in Fragen, die besondere technische Sachkunde<br />
verlangen. Eine Frage nach der Sachkunde des Richters bei<br />
einer Feststellung zu schwierigen technischen Fragen wurde<br />
einmal mit entwaffnender Offenheit – bejahend – beschieden<br />
wie folgt: „Man fahre schließlich selbst Auto“!<br />
Der Alles-Besserwisser ist im vorliegenden Zusammenhang<br />
streng genommen falsch angesiedelt; bei ihm ist nicht<br />
die Informationsbeschaffung das Problem, sondern sein<br />
Charakter. Man könnte ihn als die mißlungene Variante des<br />
sogleich unter c) folgenden Typen ansehen.<br />
Ein Beispielsfall:<br />
Ein Richter konfrontiert den Rechtsanwalt zur Stützung<br />
einer Auffassung mit einer Publikation des Rechtsanwalts<br />
selber. Die aus dem Zusammenhang gerissene Stelle ist inhaltlich<br />
für den zu entscheidenden Fall nicht passend.<br />
Dennoch läßt sich der Richter auch von dem quasi authentischen<br />
Interpreten nicht überzeugen.<br />
Solche Kollegen kann man natürlich auch im Lager der<br />
Rechtsanwälte antreffen. Originalzitat: Bei vergleichbarer<br />
Rechtslage hat das OLG soeben in einem von mir geführten<br />
Rechtsstreit meine Ansicht bestätigt; außerdem auch der<br />
Referent einer von mir besuchten Fortbildung.<br />
c) Diesen Typen vorzustellen lohnt sich, denn es gibt ihn<br />
nicht sehr häufig.<br />
Auch „einfache“ Fälle löst er mit der gebotenen Gründlichkeit<br />
und dem erforderlichen Tiefgang. Er erzielt bei den<br />
Prozeßparteien deswegen hohe Akzeptanz, weil er ihnen<br />
auf der Basis sicherer Information die Möglichkeit zu Diskussion<br />
und Argumentation gibt. Ohne Geschrei und mit<br />
großer Selbstsicherheit führt er seine Verhandlungen durch.<br />
Vergleichsversuche werden beendet, wenn sie nur noch<br />
zwanghaft und mit Druck weiterzuführen wären, weil er<br />
überzeugend zu urteilen vermag. Den armseligen Hinweis<br />
auf die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung nimmt er<br />
mit Ruhe und gelassen zur Kenntnis – mehr nicht.<br />
Die Vorstellung verschiedener Juristen-Typen aus der<br />
täglichen juristischen Praxis mag überraschend sein. Sie<br />
kann – notgedrungen – nur typisierend und generalisierend<br />
sein. Wer mit der Einteilung nicht „zufrieden“ ist, mag sie<br />
ändern oder ergänzen. Er mag sie auch anders benennen:<br />
Was bleibt, ist die Tatsache, daß alle Änderungen in der<br />
Darstellung an dem Problem nichts ändern: Wie beschaffen<br />
sich Juristen ihre Informationen, wie gehen sie mit ihnen<br />
um, wie verwerten sie sie usw. Es ist in der modernen Informationswissenschaft<br />
inzwischen eine banale Erkenntnis,<br />
daß natürlich unser Charakter, unsere Stellung usw., die äußeren<br />
und inneren Umstände eben, unser „Vorverständnis“,<br />
unsere Informationsbeschaffung und auch -verwertung lenken.<br />
Ich bin deswegen der Auffassung, daß, alle vordergründigen<br />
Ursachen mangelnder Information beachtend, der<br />
Grund für mangelhafte Informationsbeschaffung und -verwertung<br />
im Unverständnis für den richtig eingeschätzten<br />
Wert von Informationen liegt.<br />
Womit wir wieder bei dem Ausgangspunkt dieser Darstellung<br />
angelangt wären: Man muß sich bewußt machen,<br />
daß richtige und umfassende Information Erfolg und deswegen<br />
Macht bedeutet. Wer dies verstanden hat, der begreift<br />
und weiß auch relativ schnell, welche Informationen<br />
er sich beschaffen muß, welche Zeit er aufwenden muß und<br />
wie er diese Informationsbeschaffung lenken muß.<br />
Die tägliche Praxis lehrt: Wer dieses Bewußtsein hat,<br />
der muß seinen Informationsbedarf eher zügeln und in verträgliche<br />
Bahnen lenken. Zuviele Informationen gibt es<br />
dann (beinahe) nicht.<br />
III. Schluß<br />
Und was bleibt nach alledem am Schluß als Feststellung<br />
übrig:<br />
Die größte Gefahr für alle Juristen bei ihrer Berufsausübung<br />
ist die Selbstgefälligkeit und Bequemlichkeit, die<br />
häufig durch Routine verursacht oder gar verstärkt wird.<br />
Selbstgefälligkeit („mich kann nichts mehr überraschen“)<br />
und Bequemlichkeit („das bringt mir nichts mehr – es geht<br />
auch so“) verhindern, daß wir an jedem neuen Fall seine Eigenheiten<br />
wahrnehmen (wollen). Wenn diese Eigenheiten<br />
gesucht und beachtet werden, dann wird schnell das Bedürfnis<br />
offenkundig, seine Rechtskenntnise erneut daraufhin<br />
zu überprüfen, ob sie auf diesen Fall noch „passen“.<br />
Diese Überprüfung zwingt sodann dazu, neue Informationen<br />
in Gestalt neuer Rechtsprechung und neuen Schrifttums<br />
zu sichten und auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen.<br />
Der Rechtsanwender bleibt bei diesem Vorgehen auf dem<br />
Laufenden, zugleich steuert er den Informationsfluß durch<br />
den jeweiligen Fallbezug.<br />
Wer sich in der gestaltenden Beratung sicher bewegen<br />
will, wird ohnedies seine Informationspolitik ganz anders<br />
gestalten, als hier beschrieben. Für solche Kollegen werden<br />
deswegen die vorgestellten Probleme nur beschränkt verständlich<br />
sein.
204<br />
0<br />
Der Traum<br />
vom „freien“<br />
Mitarbeiter (Nr. 2)<br />
Im Januar-Heft des <strong>Anwaltsblatt</strong>es habe<br />
ich über das „Gesetz zu Korrekturen in der<br />
Sozialversicherung und Versicherung der<br />
Arbeitnehmerrechte“ berichtet. Ich erhielt<br />
zahllose Anrufe von Kollegen, von denen<br />
viele entgeistert die Frage stellten, ob das<br />
Gesetz denn wirklich in Kraft getreten sei.<br />
Es ist! Der Gesetzgeber hat seine „Brutalpädagogik“,<br />
über die ich unter obigem Titel<br />
schon im AnwBl 1992, Seite 212 berichtet<br />
hatte, auf die Spitze getrieben. Bei den erwähnten<br />
Anrufen war ich in der Situation<br />
des Boten, der jedenfalls im Mittelalter als<br />
Überbringer einer schlechten Nachricht vorsorglich<br />
erschlagen worden ist. Aber es<br />
hilft nichts: Das Gesetz ist in Kraft. Wir<br />
haben mit ihm zu leben. Das gilt unabhängig<br />
von der Rechtslage, die bis zum Jahreswechsel<br />
gegolten hat.<br />
Zur Erinnerung: Ab dem Neujahrstag<br />
ist gemäß § 7 Abs. 4 SGB IV in vollem<br />
Umfang sozialversicherungspflichtig, wer<br />
erwerbsmäßig tätig ist und im Zusammenhang<br />
mit seiner Tätigkeit mit Ausnahme<br />
von Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen<br />
Arbeitnehmer beschäftigt<br />
sowie regelmäßig und im wesentlichen nur<br />
für einen Auftraggeber arbeitet. Zwar bewirkt<br />
dies nur eine gesetzliche Vermutung,<br />
die widerlegt werden kann. Diese Widerlegung<br />
wird aber in vielen Fällen schwierig<br />
sein, da zwei weitere Tatbestandsmerkmale<br />
(für Beschäftigte typische Arbeitsleistung<br />
und mangelndes Auftreten am Markt) zur<br />
Erfüllung der Vermutung ebenfalls ausreichen.<br />
Und: wer die Vermutung widerlegt<br />
hat, wird von § 2 Nr. 9 SGB VI eingefangen,<br />
wonach jedenfalls BfA-pflichtig ist,<br />
wer – wenn auch selbständig – ohne versicherungspflichtigen<br />
Arbeitnehmer regelmäßig<br />
und im wesentlichen nur für einen<br />
Auftraggeber tätig ist. Er ist dann „arbeitnehmerähnlicher<br />
Selbständiger“.<br />
Was tun? Zunächst einmal: den<br />
Gesetzestext selbst noch einmal gründlich<br />
lesen (eine kleine Broschüre ist unter<br />
http:\www.bma.bund.de abrufbar). Dann<br />
aber auch die §§ 28a bis 28 p (vor allem<br />
letzeren) zur Kenntnis nehmen, auch § 107<br />
SGB IV und die Beitragsüberwachungsverordnung<br />
(BGBl. 1997 I, Seite 1930). Nur<br />
wer die Rechtsquellen kennt, kann richtig<br />
handeln. Wie ernst soll ich Meldepflichten<br />
nehmen? § 28 a Abs. 1 SGB IV verlangt<br />
nun einmal die Meldung aller „Kraft Gesetzes<br />
versicherten Beschäftigten“. Grundsätzlich<br />
sind das auch die Beschäftigten Kraft<br />
Vermutung. Wer also zwei vermutungsaus-<br />
lösende Merkmale kennt, muß melden. Im<br />
Zweifel spart die Meldung ohnehin größeren,<br />
wenn auch späteren Verdruß. Denn die<br />
Prüfer der Rentenversicherung (nicht mehr<br />
die AOK-Prüfer wie früher) prüfen umfassend<br />
und lückenlos – und dies nach § 28 p<br />
Abs. 1, Satz 1, 2. Halbsatz SGB IV alle vier<br />
Jahre. Immerhin haben diese Prüfer im Jahre<br />
1997 knapp 600 Millionen DM Beiträge<br />
für die Sozialversicherung nacherhoben.<br />
1.000 Prüfer waren dort im Einsatz, 1999<br />
sollen es 3.000 Prüfer sein. Da stellt sich<br />
schon die Frage, ob man nicht selbst vorsorglich<br />
von seinem Recht Gebrauch<br />
macht, im kürzeren Zeitabstand nach § 28 p<br />
eine Betriebsprüfung mit Feststellungsbescheid<br />
nach Abs. 1 S. 5 selbst zu verlangen,<br />
damit man Klarheit hat. Denn man<br />
wird kaum darauf zählen können, es werde<br />
alles nicht so heiß gegessen, wie gekocht.<br />
Natürlich gibt es erhebliche Mängel am<br />
Gesetz; es ist mit heißer Nadel gestrickt.<br />
Schon gibt es Äußerungen, die den Standpunkt<br />
vertreten, es komme nicht darauf an,<br />
ob man tatsächlich einen versicherungspflichtigen<br />
Arbeitnehmer beschäftige und<br />
ob man tatsächlich nur für einen Auftraggeber<br />
tätig ist. Nach dieser Meinung reicht<br />
es aus, wenn man nur berechtigt ist, einen<br />
eigenen Arbeitnehmer zu beschäftigen und<br />
mehrere Auftraggeber zu haben. Wird man<br />
damit durchkommen? Bescheide über die<br />
Nachzahlung angeblich rückständiger Beiträge<br />
sind – wie bei allen Abgaben – im<br />
allgemeinen sofort vollziehbar; die höchstrichterliche<br />
Rechtsprechung wird mit der<br />
Klärung der Zweifelsfragen Jahre in Anspruch<br />
nehmen. Völlig offen ist: hat das<br />
Gesetz arbeitsrechtliche Auswirkungen? Es<br />
beschränkt sich zwar auf die Sozialversicherung<br />
– aber werden die Arbeitsgerichte<br />
das auch so sehen? Warum nimmt<br />
man mit dem Gesetz die Erschwerung von<br />
Existenzgründungen in Kauf – die nun einmal<br />
durchaus auch mit einem einzigen Auftraggeber<br />
ohne Angestellte vonstatten gehen?<br />
Natürlich gibt es auch<br />
verfassungsrechtliche Bedenken. Wie ist es<br />
zu rechtfertigen, daß ich selbständig bin,<br />
wenn ich einen versicherungspflichtigen<br />
Auszubildenden beschäftige, abhängig beschäftigt<br />
jedoch dann, wenn ich nur meine<br />
Ehefrau anstelle? Wieso eigentlich konnte<br />
man Handelsvertreter ausnehmen mit dem<br />
Argument, sie seien traditionell selbständig<br />
tätig, andere Berufsgruppen jedoch nicht?<br />
Sicher ist das Bundesverfassungsgericht<br />
wird beschäftigt werden. Möglicherweise<br />
wird man auch noch Gesetzänderungen erleben.<br />
Aber an der Grundtendenz des Gesetzes<br />
wird das nichts ändern. Denn letztlich<br />
ist das Gesetz nur ein Schritt in eine<br />
Richtung, die in nicht ferner Zukunft die<br />
Versicherungspflicht aller, auch der Selbständigen,<br />
jedenfalls in der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung zum Ziel hat.<br />
AnwBl 4/99<br />
Drei Aspekte sind für uns Anwälte von<br />
Bedeutung:<br />
a) Gleich, welche Lösungen man in Sozietätsverträgen<br />
und Vertragsverhältnissen<br />
wählt: zwischen dem selbständigen Unternehmer<br />
einerseits und dem abhängig beschäftigten<br />
Angestellten andererseits gibt<br />
es kein Zwischending mehr. Mit einem<br />
Graubereich kann nicht mehr gerechnet<br />
werden. Die Traumgefilde des Freien Mitarbeiters<br />
sind geschlossen. Der Gesetzgeber<br />
will ein Entweder/Oder.<br />
b) Auch Selbständige beginnen in den<br />
Sog jedenfalls der Rentenversicherung zu<br />
geraten. Das bestätigt die Richtigkeit des<br />
bei der Schaffung von Versorgungswerken<br />
herrschenden Grundgedankens. Das Gesetz<br />
gibt ein positives Signal: echte Selbständigkeit<br />
ist auch für Berufsanfänger mehr als<br />
bisher gefragt!<br />
c) Soweit unsere Mandanten betroffen<br />
sind, ist das Gesetz ein gigantisches Beschäftigungsprogramm<br />
für Anwälte.<br />
Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Hechingen,<br />
Vizepräsident des DAV
AnwBl 4/99 205<br />
5 %<br />
Parlamentarischer Abend des Deutschen Anwaltvereins 1999<br />
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin<br />
In diesem Jahr hatte der Parlamentarische<br />
Abend, der traditionell zum Programm<br />
der Frühjahrssitzung des Vorstandes<br />
des Deutschen Anwaltvereins gehört,<br />
einen zusätzlichen Reiz. Der Regierungswechsel<br />
bringt es mit sich, daß andere<br />
Persönlichkeiten und Formationen die<br />
Akzente setzen. So war es denn eine große<br />
Freude für den Vorstand, eine große<br />
Zahl der Mitglieder des Deutschen Bundestages,<br />
angeführt von dem Vorsitzenden<br />
des Rechtsausschusses, Prof. Dr.<br />
Rupert Scholz, zu begrüßen. Ein besonderes<br />
Willkommen galt auch der Bundesministerin<br />
der Justiz Prof. Dr. Herta<br />
Däubler-Gmelin.ZuAnfangeinerLegislaturperiode<br />
ist noch nicht die Zeit, im<br />
Gespräch ernst, gelegentlich auch fordernd,<br />
speziellere Fachfragen oder Partikel<br />
von Gesetzentwürfen zu erörtern,<br />
sondern es herrscht ein heiterer und die<br />
Dinge großzügig betrachtender Geist, der<br />
danach trachtet, auch in Zukunft eine<br />
angenehme, fruchtbare Atmosphäre der<br />
Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs<br />
zwischen Parlamentariern und<br />
Verband zu stiften. In diesem zweckvollen<br />
Rahmen hielten sich die Ansprachen<br />
von Dr. Michael Streck, Prof. Dr. Rupert<br />
Scholz und Prof. Dr. Herta Däubler-<br />
Gmelin die, schön anzuhören, künftige<br />
Aufgaben und Probleme bezeichneten<br />
und Perspektiven des Nachdenkens eröffneten.<br />
Bei dem parlamentarischen Abend<br />
tritt das Offizielle ganz zurück. Man<br />
spricht oder plaudert, zu zweit oder mehr<br />
bis in den späten Abend. So war es am<br />
24. Februar 1999.<br />
Parlamentarier und Vorstandsmitglieder im Gespräch<br />
Dr. Michael Streck, Prof. Dr. Rupert Scholz<br />
MN
206<br />
MN<br />
Anwaltstag 1999<br />
Grußwort<br />
des Bonner Anwaltvereins<br />
Bonn und seine hier praktizierenden<br />
Anwälte freuen sich, daß der<br />
50. Anwaltstag hier in Bonn stattfindet.<br />
Wir heißen Sie alle herzlich willkommen!<br />
Bonn stand und steht für über<br />
50 Jahre Aufbau eines demokratischen<br />
Staates, der maßgeblichen Anteil an<br />
der Ausdehnung zwischen Osten und<br />
Westen hatte und der auch dazu beitrug,<br />
das Haus Europa zu bauen.<br />
Sie kommen in einer spannenden<br />
Zeit – einer Zeit des großen Umbruchs –<br />
nach Bonn. Die Bundesregierung verzieht<br />
mit einigen Ministerien nach<br />
Berlin. In die Lücke stoßen zur Zeit an<br />
anderen Orten untergebrachte Bundesbehörden,<br />
insbesondere aber Unternehmen<br />
mit großen Zukunftsaussichten<br />
(Telekommunikation, Logistik,<br />
wissenschaftliche Forschung). Außerdem<br />
lassen sich immer mehr internationale<br />
Organisationen in Bonn nieder.<br />
Bonn und seine Umgebung meistert<br />
diesen Wechsel mit dem Charme und<br />
der Kompetenz seiner Einwohner.<br />
Hierbei kommt den in Bonn tätigen<br />
Rechtsanwälten eine besondere Rolle<br />
zu, da mit dem Umbruch natürlich<br />
eine Vielzahl von Problemen zu lösen<br />
ist, die von den Rechtsanwälten als<br />
kompetenten Beratern gelöst werden<br />
können. Die Bonner Rechtsanwälte<br />
stellen sich gerne dieser Herausforderung.<br />
Kommen Sie also nach Bonn! Lassen<br />
Sie sich von dem besonderen Flair<br />
mitreißen! Genießen Sie die wunderschöne<br />
Stadt mit ihren unendlichen<br />
kulturellen Highlights! Überzeugen<br />
Sie sich davon, daß eine Stadt mit einer<br />
über 2000jährigen Geschichte<br />
auch heute die ihr gestellten Heraus-<br />
forderungen annimmt und entstehende<br />
Probleme lost!<br />
Wir wünschen allen Teilnehmern<br />
und Besuchern wunderschöne Tage in<br />
Bonn!<br />
Robert Erdrich,<br />
Vorsitzender des Bonner Anwaltvereins e.V.<br />
<strong>Anwaltsblatt</strong><br />
Ludwig Koch, Felix Busse<br />
Der aufmerksame Leser des<br />
<strong>Anwaltsblatt</strong>es hat bemerkt, daß auf<br />
der Herausgeberleiste der Name Felix<br />
Busse an die Stelle des Namens Ludwig<br />
Koch getreten ist. Ludwig Koch<br />
hat über fast ein Jahrzehnt als liberaler<br />
und stets Spielraum gewährender<br />
Herausgeber viele Anregungen, Hilfen<br />
und Beiträge zur Gestaltung des<br />
<strong>Anwaltsblatt</strong>es gegeben. Dafür dankt<br />
das <strong>Anwaltsblatt</strong> sehr. Es freut sich<br />
auf den neuen Herausgeber Felix Busse,<br />
der auf seine Art nicht minder tatkräftig<br />
sein wird.<br />
DAV international<br />
Präsidentenkonferenz<br />
der deutschsprachigen<br />
Anwaltsverbände<br />
Am 7. Dezember 1998 fand in Bremen<br />
auf Einladung des Präsidenten<br />
der Bundesrechtsanwaltskammer,<br />
Rechtsanwalt Dr. Eberhard Haas zum<br />
dritten Mal die sogenannte Präsidentenkonferenz<br />
der deutschsprachigen<br />
Anwaltsverbände und -kammern und<br />
des Nerderlandse Orde van Advocaten<br />
(NOVA) statt. Zu der Konferenz wird<br />
in einem jedes Jahr alternierenden<br />
Rhythmus abwechselnd vom DAV und<br />
der BRAK eingeladen. Ziel der Konferenz<br />
ist der mehr oder weniger informelle<br />
Austausch zwischen den Präsidenten<br />
der deutschsprachigen<br />
Anwaltsverbände und -kammern sowie<br />
des NOVA. Bei den teilnehmenden<br />
Staaten handelte es sich um die Niederlande,<br />
die Schweiz, Österreich,<br />
Liechtenstein und Deutschland.<br />
AnwBl 4/99<br />
Aus der Arbeit des DAV<br />
Themenschwerpunkte waren u. a.<br />
die europäische Gesetzgebung zur<br />
Geldwäsche und Organisierten Kriminalität,<br />
die GATS 2000 – WTO-Liberalisierungsverhandlungen<br />
sowie der<br />
EU-Richtlinienentwurf zum Zahlungsverzug<br />
im Handelsverkehr.<br />
In bezug auf die gesetzgeberischen<br />
Aktivitäten der EU zur Geldwäsche<br />
und Organisierten Kriminalität war<br />
Tenor der Konferenz, daß man zwar<br />
die Notwendigkeit eines Tätigwerdens<br />
im Prinzip sehe, gleichwohl sich aber<br />
dagegen wende, daß nunmehr die freien<br />
Berufe in den Anwendungsbereich<br />
der geplanten Gesetzgebung fallen<br />
könnten. Es wurde allgemein als interessant<br />
empfunden, daß es in allen<br />
oben genannten Staaten inzwischen<br />
Gesetzgebung zur Geldwäsche gibt.<br />
Schließlich wurde eine sog. Charta der<br />
Europäischen Berufsverbände zur Bekämpfung<br />
der Organisierten Kriminalität<br />
erörtert. Diese Charta, eine von<br />
der Kommission der Europäischen<br />
Gemeinschaft geplante politische Absichtserklärung,<br />
sieht vor, daß die<br />
Pflicht für den Rechtsanwalt zur Niederlegung<br />
des Mandats schon bei dem<br />
bloßen Eindruck, der Rechtsanwalt<br />
könne für kriminelle Aktivitäten mißbraucht<br />
werden, besteht. Anders ausgedrückt<br />
genüge ein bloßer Verdacht<br />
des Anwaltes, sein Mandant könne etwas<br />
mit Geldwäsche zu tun haben, um<br />
eine Verpflichtung zur Niederlegung<br />
des Mandates zu konstatieren. Dies sei<br />
ein typisches Beispiel für ein Überdas-Ziel-Hinausschießen<br />
der europäischen<br />
Gesetzgebung, auch wenn es<br />
sich wie hier „nur“ um eine politische<br />
Erklärung handele. Allerdings sei offensichtlich,<br />
daß eine solche Erklärung<br />
lediglich dazu diene, das Terrain für<br />
künftige Richtlinien vorzubereiten.<br />
Es folgte ein Meinungsaustausch<br />
zu den im Jahr 2000 anstehenden Verhandlungen<br />
zum GATS (General<br />
Agreement on Trade in Services), die<br />
im Rahmen der Welthandelsorganisation<br />
(WTO) stattfinden werden. Bei<br />
diesen Verhandlungen wird es darum<br />
gehen, inwieweit Anwälten aus Mitgliedstaaten<br />
der WTO die Möglichkeit<br />
eröffnet werden soll, anwaltliche<br />
Dienstleistungen auf dem Gebiet eines<br />
anderen Staates zu erbringen.<br />
Die Haltung der deutschen Anwaltschaft,<br />
die bis auf einige deutsche Spezifika<br />
von den anderen anwesenden<br />
Nationen geteilt wurde, läßt sich wie<br />
folgt zusammenfassen:
AnwBl 4/99 207<br />
Aus der Arbeit des DAV MN<br />
Es besteht grundsätzlich ein Interesse<br />
daran, das vom EuGH gebilligte<br />
Rechtsberatungsgesetz zu erhalten.<br />
Auch nach bereits geltendem Recht<br />
(§ 206 II BRAO) kann nur derjenige<br />
als sog. Foreign Legal Consultant tätig<br />
werden, der auch die Qualifikation<br />
als Anwalt besitzt. Es ist erstrebenswert,<br />
daß dies auch durch die nun anstehenden<br />
Verhandlungen nicht geändert<br />
wird. Auch eine automatische<br />
Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs<br />
der drei europäischen<br />
Richtlinien über die anwaltliche<br />
Berufsausübung auf Anwälte aus<br />
Drittstaaten kommt aus deutscher<br />
Sicht nicht in Betracht. Außerdem<br />
sollte der Marktzugang nur auf der<br />
Basis von Niederlassung und nicht<br />
von Dienstleistung geschehen, da nur<br />
so die Kontrolle der Voraussetzungen<br />
für das Tätigwerden durch die örtlichen<br />
Aufsichtsorgane sichergestellt<br />
werden kann. Weiteres Petitum der<br />
deutschen wie europäischen Anwaltschaft<br />
ist, daß die Rechtsberufe bei<br />
den anstehenden Verhandlungen in<br />
Welthandelsorganisatiom nicht mit<br />
anderen Professionen gemeinsam beraten,<br />
sondern entsprechend ihres Gewichts<br />
und Besonderheit separat verhandelt<br />
werden. Es bleibt abzuwarten,<br />
wie sich die Verhandlungen entwikkeln<br />
werden. In diesem Zusammenhang<br />
ist anzumerken, daß sich der<br />
CCBE weitgehend für die gleichen<br />
Ziele einsetzt und dies als<br />
unmittelbarer Ansprechpartner für die<br />
v. l. n. r.: Deckers, Salditt, Dolmetscherin, Klein, Martin, Grant, White, Paisley, Blair<br />
Nordirische Kommission<br />
besucht den DAV<br />
Am 28. Januar diesen Jahres stattete<br />
eine Kommission nordirischer Justizbeamter<br />
und Barrister dem Deutschen<br />
Anwaltverein einen Besuch ab.<br />
Die Kommission, der u. a. der Leiter<br />
der Abteilung Strafrecht im britischen<br />
Nordirland-Ministerium, Mr. Brian<br />
White, der Rechtsberater des Justizministers,<br />
Mr. David Seymour und der<br />
ehemalige Vorsitzende des General<br />
Council of the Bar of Northern Ireland<br />
(Standesvertretung der Barrister in<br />
Nordirland) Mr. Eugene Grant QC, angehörten,<br />
hat die Aufgabe, die Strafgerichtsbarkeit<br />
in Nordirland zu über-<br />
prüfen. Es geht bei dieser Überprüfung<br />
langfristig um eine Reform des Strafrechtes<br />
in Nordirland, das zur Zeit<br />
noch sehr stark von den Erfahrungen<br />
im nordirischen Bürgerkrieg geprägt<br />
ist. Um die Reform so auszugestalten,<br />
daß sie einem modernen rechtsstaatlichen<br />
Standard genügt, hat sich die<br />
Kommission für insgesamt drei Tage<br />
in der Bundesrepublik aufgehalten.<br />
Nach Auskunft der Nordiren hielten<br />
sich zum gleichen Zeitpunkt mehrere<br />
andere nordirische Delegationen in<br />
anderen Mitgliedstaaten der Europäischen<br />
Union auf, um gleiches in<br />
Erfahrung zu bringen.<br />
Die nordirische Kommission wurde<br />
von den Rechtsanwälten JR Professor<br />
Europäische Kommission bereits<br />
mehrfach deutlich artikuliert hat.<br />
Die nunmehr abgespeckte Fassung<br />
des Richtlinienentwurfs zum Zahlungsverzug<br />
im Handelsverkehr (vgl. AnwBl<br />
1998, 261 f.) wurde von den Teilnehmern<br />
einhellig begrüßt. Insbesondere<br />
wurde der Umstand für gut geheißen,<br />
daß den Inkassobüros nun doch keine<br />
Postulationsfähigkeit – und sei sie auch<br />
nur beschränkter Natur – zugewiesen<br />
wurde. Ebenso einhellige Zustimmung<br />
fand die Tatsache, daß die Richtlinie es<br />
den Mitgliedstaaten überlasse, weitere<br />
Schritte in bezug auf die Vertretung vor<br />
den Gerichten selbst zu regeln.<br />
Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M.,<br />
Bonn<br />
Dr. Franz Salditt, und Rüdiger Deckers,<br />
beide Mitglied im Strafrechtsausschuß<br />
des DAV, und dem Unterzeichner in<br />
seiner Eigenschaft als Leiter der internationalen<br />
Abteilung des DAV empfangen.<br />
Es fand ein reger Austausch über<br />
verschiedenste Themenbereiche, die<br />
im Zusammenhang mit der Reform<br />
des nordirischen Strafrechts stehen,<br />
statt. So wollten die Kollegen aus<br />
Nordirland insbesondere über den<br />
Aufbau der Strafgerichtsbarkeit und<br />
die Rechte der Verteidigung bzw. des<br />
Angeklagten in der Bundesrepublik<br />
unterrichtet werden. Auch wurden das<br />
Für und Wider des Geschworenensystems<br />
besprochen und mit dem inquisitorischen<br />
System der Bundesrepublik
208<br />
MN<br />
verglichen. Die Diskussion wurde dadurch<br />
geprägt, daß Großbritannien erst<br />
im Jahre 1998 die Europäische Menschenrechtskonvention<br />
(EMRK) ratifiziert<br />
hat und diese auch erst seit diesem<br />
Zeitpunkt innerstaatliche Wirkung<br />
hat entfalten können. Die Ratifizierung<br />
und die damit einhergehende teilweise<br />
Unvereinbarkeit des nordirischen Rechts<br />
mit den Rechtssätzen der EMRK war<br />
nach Auskunft der nordirischen Kollegen<br />
mitursächlich für das Einsetzen<br />
der Kommission.<br />
Andere, im Rahmen des Gesprächs<br />
diskutierte Themen, waren Strukturen<br />
und Regelungen im Bereich der Verbrechensverhütung/Schutz<br />
der Allgemeinheit,<br />
der Täter-Opfer-Ausgleich,<br />
die Jugendgerichtsbarkeit, das System<br />
der Haftentlassung von Strafgefangenen<br />
sowie Strukturen und Regelungen<br />
bei der Prüfung von Rechtsreformen.<br />
Bei letzterem kam v.a. die derzeit in<br />
der Bundesrepublik stattfindende Diskussion<br />
zur möglichen Änderung des<br />
Sanktionensystems im Strafrecht zur<br />
Sprache.<br />
Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M.,<br />
Bonn<br />
Anwaltauskunft<br />
Deutsche Anwaltauskunft –<br />
starke Nachfrage in der<br />
Bevölkerung und den Medien<br />
Die Deutsche Anwaltauskunft ist<br />
im Februar überaus erfolgreich gestartet.<br />
Im ersten Monat wurden bereits<br />
über 7.100 Anrufe bearbeitet. Dies<br />
zeigt, welch großes Bedürfnis in der<br />
Öffentlichkeit vorhanden ist, den passenden<br />
Anwalt benannt zu bekommen.<br />
Dieser größte Anwaltssuchdienst in<br />
der Bundesrepublik hilft, die bestehende<br />
Nachfrage nach anwaltlicher<br />
Dienstleistung mit dem bestehenden<br />
Angebot in Übereinstimmung zu bringen.<br />
Den größten Bedarf nach anwaltlicher<br />
Beratung gab es hier im Eheund<br />
Familienrecht, dem Sozialtrecht,<br />
Arbeitsrecht, Mietrecht und Verkehrsrecht.<br />
Aber auch nach kundigen Anwälten<br />
im Leasingrecht und Strafverteidigern<br />
wegen Haftsachen wurde<br />
gefragt. Die Palette der Nachfragen ist<br />
letztlich, wie die der anwaltlichen<br />
Dienstleistung, groß.<br />
Es gab auch schon bereits positive<br />
Reaktionen von Anwältinnen und An-<br />
wälten, die über die Deutsche Anwaltauskunft<br />
neue Mandate bekommen<br />
haben.<br />
Kleinere Startschwierigkeiten, die<br />
aufgetreten waren – so konnte zum<br />
Beispiel nur eine Fachanwaltschaft in<br />
den Daten enthalten sein – werden<br />
künftig ausgeräumt werden. Solche<br />
„Kinderkrankheiten“ lassen sich leider<br />
bei einer solch großen Unternehmung,<br />
wie der Etablierung der Deutschen<br />
Anwaltauskunft, nicht ganz vermeiden,<br />
werden aber abgestellt. Die Daten<br />
werden monatlich auf den neuesten<br />
Stand gebracht.<br />
Die Daten bezieht die Deutsche<br />
Anwaltauskunft von der Deutschen<br />
Anwaltadresse. In der Deutschen Anwaltadresse,<br />
der Anschriftenzentrale<br />
des Deutschen Anwaltvereins, werden<br />
die Daten gesammelt und gepflegt.<br />
Vier Mitarbeiter sind ständig damit befaßt,<br />
aufgrund der Mitteilungen der<br />
Rechtsanwaltskammern und insbesondere<br />
aufgrund der ständigen Änderungsanzeigen<br />
durch die Anwältinnen<br />
und Anwälte selbst, den Datenbestand<br />
zu aktualisieren. Monatlich werden ca.<br />
5.000 Datensätze aktualisiert, Adreßänderungen<br />
und Änderungen in den<br />
persönlichen Merkamalen eingepflegt,<br />
Neuzulassungen aufgenommen und<br />
die Rückgaben der Zulassung vermerkt.<br />
Der von der Deutschen Anwaltadresse<br />
(Tel.: 0228 /96365 –34, Fax:<br />
0228 / 96365 –36) vorgehaltende Datenbestand,<br />
dürfte der aktuellste Datenbestand<br />
der deutschen Anwaltschaft<br />
sein, den es überhaupt gibt. Das<br />
Procedere der Datenänderung ist in<br />
AnwBl. 1/99 Seite 27 f. beschrieben.<br />
Auch die Berichterstattung über die<br />
Deutsche Anwaltauskunft läuft erfolgreich<br />
weiter (siehe auch AnwBl 3/99,<br />
Seite 153 f.).<br />
So gab Rechtsanwalt Swen Walentowski,<br />
der Sprecher des Deutschen<br />
Anwaltvereins, am 18. Februar 1999<br />
dem Stadtradio Duisburg und am<br />
26. Februar 1999 dem Mitteldeutschen<br />
Rundfunk ein Interview zur<br />
Deutschen Anwaltauskunft. Hervorgehoben<br />
wurde hierbei die Bedeutung<br />
dieses neuen Service für die ratsuchenden<br />
Bürgerinnen und Bürger. Der<br />
Hauptvorteil der Deutschen Anwaltauskunft<br />
ist schließlich deren Datenbestand.<br />
Nur allein die Deutsche<br />
Anwaltauskunft ist in der Lage, flächendeckend<br />
Rechtsanwältinnen und<br />
Rechtsanwälte nach Rechtsgebieten zu<br />
benennen. Hierüber berichtete auch<br />
die Oldenburgische Volkszeitung am<br />
AnwBl 4/99<br />
Aus der Arbeit des DAV<br />
8. Februar 1999, die Oberhessische<br />
Presse am 6. Februar 1999, das Freie<br />
Wort am 4. Februar 1999 und die Peiner<br />
Allgemeine Zeitung am 10. Februar<br />
1999.<br />
Über die Werbepräsenz in Düsseldorfs<br />
Straßenbahnen der Deutschen<br />
Anwaltauskunft unterrichtete recht<br />
intern am 10. Februar 1999. Der Vorsitzende<br />
des Tübinger Anwaltvereins,<br />
Rechtsanwalt Horst Schmid, berichtete<br />
im Reutlinger General-Anzeiger vom<br />
15. Februar 1999, daß der entscheidende<br />
Vorteil der Deutschen Anwaltauskunft<br />
gegenüber der bisherigen, regionalen<br />
Auskunftsstelle sei, daß es jetzt<br />
anhand des Datenkatalogs der Deutschen<br />
Anwaltauskunft möglich wäre,<br />
bei ganz speziellen Fachgebieten Anwälte<br />
benannt zu bekommen. Auch<br />
sonst wäre das neue Angebot des DAV<br />
mehr als die lokalen Auskunftsstellen<br />
könnten. Über die zentrale Einrichtung<br />
hat der Ratsuchende jetzt auch die<br />
Möglichkeit, sich in einer fremden<br />
Stadt einen Anwalt z. B. für eine<br />
Erbschaftsangelegenheit zu besorgen.<br />
Über den Datenbankkatalog der Deutschen<br />
Anwaltauskunft, in dem ca. 170<br />
Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte<br />
verzeichnet sind, berichtete<br />
auch die Märkische Oderzeitung am<br />
15. Februar 1999. Dieser neue Service<br />
war auch Gegenstand eines Berichts<br />
im Schwäbischen Tagblatt am 13. Februar<br />
1999 und in der Bodensee Zeitung<br />
am 15. Februar 1999.<br />
Die Zeitschrift Motorrad informierte<br />
am 6. Februar 1999 ebenso wie<br />
Auto und Straßenverkehr am 17. Februar<br />
1999 ihre Leser. recht intern berichtete<br />
am 24. Februar 1999 darüber,<br />
daß die Deutsche Anwaltauskunft gut<br />
anlaufe. Weiter wird ausgeführt: „Die<br />
Deutsche Anwaltauskunft ist ständig<br />
bemüht, in Zusammenarbeit mit der<br />
Deutschen Anwaltadresse den Adressenbestand<br />
und auch die Schwerpunktgebiete,<br />
auf denen die registrierten<br />
Anwälte tätig sind, auf dem neuesten<br />
Stand zu halten. Mitglieder einer<br />
Arbeitsgemeinschaft im DAV werden<br />
selbstverständlich (ohnehin) berücksichtigt.<br />
Wer seine Daten überprüfen<br />
und ggf. ergänzen will, möge bei der<br />
Deutschen Anwaltadresse (Tel. 02 28/<br />
963 65-34) seinen Datenbogen abrufen.“<br />
Der Vorsitzende des Berliner Anwaltvereins,<br />
Rechtsanwalt Uwe Kärgel,<br />
informierte im Tagesspiegel am<br />
27. Februar 1999 die Leser über den<br />
neuen Verbraucher-Service. Über die<br />
Qualifikationsmerkmale sagte Kärgel:<br />
„Als Tätigkeitsschwerpunkt darf man
AnwBl 4/99 209<br />
Aus der Arbeit des DAV MN<br />
auch nur ein Gebiet angeben, auf dem<br />
man seit mindestens zwei Jahren nachhaltig<br />
tätig gewesen ist.“ Aus dem Tätigkeits-<br />
und Intressenschwerpunktkatalog<br />
dürfe man höchstes fünf<br />
Bereiche benennen. Eine Erleichterung<br />
dürfte die Kartei auch für Ausländer<br />
mit rechtlichen Problemen bringen,<br />
da auch die sprachlichen<br />
Qualifikationen der Rechtsanwältinnen<br />
und Rechtsanwälte gespeichert sind.<br />
Der Verfasser gab der Ostthüringer<br />
Zeitung Gera ein Interview, welches<br />
am 15. Februar 1999 abgedruckt<br />
wurde. Auch hier war der zentrale<br />
Punkt die Bedeutung des Datenbankkataloges<br />
mit der Folge, daß die Deutsche<br />
Anwaltauskunft von der Zugspitze<br />
bis zur Ostsee genutzt werden<br />
könne. Im übrigen sei es ausgeschlossen,<br />
daß ein Thüringer Ratsuchender<br />
an einen Anwalt aus Hamburg verwiesen<br />
werde, es sei denn, daß er dies<br />
wünscht.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt der<br />
Öffentlichkeitsarbeit für die Deutsche<br />
Anwaltauskunft liegt in den vom PR-<br />
Referat herausgegebenen „Tips des<br />
Monats“. Dabei handelt es sich um in<br />
Verbrauchersprache gekleidete Rechtsfragen<br />
des alltäglichen Lebens. Auch<br />
diese fanden großen Anklang in der<br />
Presse:<br />
„Ältere Menschen, die ihren letzten<br />
Willen regeln wollen, greifen oft auf<br />
vertrauensvolle Hilfe aus dem Freundes-<br />
und Bekanntenkreis zurück. Wem<br />
das Schreiben schon schwerfällt, der<br />
freut sich über fremde Schreibhilfe.<br />
Dabei wird aber übersehen, daß dies<br />
in der Regel zur völligen Unwirksamkeit<br />
des Testamentes führt. Denn ein<br />
Testament muß insgesamt eigenhändig<br />
geschrieben sein“, berichtet ADN am<br />
8. Februar 1999. Die selbe Nachrichtenangentur<br />
vermeldet am 3. Februar<br />
1999: „Rauchen gefährdet die Gesundheit!“,<br />
so warnen die EU-Gesundheitsminister<br />
schon seit langem auf Zigarettenpackungen<br />
und Werbetafeln.<br />
Leidenschaftliche Raucher können<br />
dies kaum noch hören. Nun gibt es für<br />
die Freunde des blauen Dunstes einen<br />
kleinen Lichtblick. Das Landgericht<br />
Köln (AZ: 9 S 188/98) hat entschieden,<br />
daß selbst „starkes Rauchen den<br />
Geldbeutel des Mieters nicht gefährde,<br />
da selbst starkes Rauchen den Mieter<br />
nicht zur Renovierung verpflichte.“<br />
Diese Meldung fand Eingang in einen<br />
Bericht der Ostthüringer Zeitung<br />
vom 15. Februar 1999 und in den<br />
Nordkurier am 17. Februar 1999.<br />
Autofahrer sollten sich auch bei<br />
vermeintlich geringem Sachschaden<br />
nicht von einer Unfallstelle entfernen,<br />
berichtete die Braunschweiger Zeitung<br />
am 6. Februar 1999. Nach der<br />
Neufassung des Unfallfluchtparagraphen<br />
kann die Strafe zwar gemildert<br />
oder gar von Strafe abgesehen werden,<br />
wenn sich ein Unfallbeteiligter innerhalb<br />
von vier Stunden nachträglich<br />
meldet. Das gelte aber nur für Unfälle,<br />
die sich nicht im fließenden Verkehr<br />
ereignet haben, sondern etwa beim<br />
Einparken. Außerdem darf nicht mehr<br />
als 2.000 DM Schaden an dem fremden<br />
Fahrzeug entstanden sein. In den<br />
Genuß des Straferlasses kann nach<br />
Angaben des DAV auch nur kommen,<br />
wer sich freiwillig meldet.<br />
Ergänzende Sozialhilfe für Senioren<br />
könne auf die Kinder abgewälzt<br />
werden, berichtete die Pforzheimer<br />
Zeitung am 13. Februar 1999. Sie<br />
schließt mit der Feststellung: „Bei Fragen<br />
des Unterhalts sollte wegen der<br />
schwierigen rechtlichen Lage regelmäßig<br />
anwaltlicher Rat eingeholt werden.“<br />
Aus den „Tips des Monats“ wird<br />
ersichtlich, wie notwendig es ist, sich<br />
in vielen Dingen des alltäglichen<br />
Lebens von einem Rechtsanwalt beraten<br />
zu lassen. Diesen findet der Ratsuchende<br />
nun über die Deutsche<br />
Anwaltauskunft.<br />
PR-Referat<br />
Sog. Rechtsberatungs-Hotlines<br />
Gegenstand vieler Anfragen, auch<br />
bei solchen hinsichtlich der Deutschen<br />
Anwaltauskunft, war die Meinung des<br />
Deutschen Anwaltvereins hinsichtlich<br />
der telefonischen Rechtsberatung, sog.<br />
Hotlines. Der Deutsche Anwaltverein<br />
steht dieser Entwicklung positiv gegenüber.<br />
Eine Hotline kann ein Instrument<br />
sein, die Schwellenangst vor<br />
dem Besuch einer Anwaltskanzlei herabzusetzen.<br />
Oftmals geht es darum<br />
herauszufinden, ob der Ratsuchende<br />
überhaupt ein rechtliches Problem hat.<br />
Dies kann er leicht in einem kurzen<br />
Gespräch mit einem Anwalt am anderen<br />
Ende der Leitung feststellen.<br />
Davon zeugt die durchschnittliche Gesprächsdauer<br />
der verschiedenen Anbieter<br />
von ca. sechs Minuten. Die telefonische<br />
Rechtsberatung kann auch<br />
den Weg in eine Anwaltskanzlei weisen.<br />
Allerdings eigne sich eine Hotline<br />
nur für eine bestimmte Art von Fällen,<br />
führte der Hauptgeschäftsführer des<br />
Deutschen Anwaltvereins, Dr. Dierk<br />
Mattik, im WDR Fernsehen in der<br />
Sendung „Servicezeit Geld“ am 18. Februar<br />
1999 aus. Es dürfe sich um nur<br />
um „einfache“ Fälle handeln, da oftmals<br />
die Vorlage von Urkunden, intensivere<br />
Gespräche u. ä. notwendig<br />
wäre. So äußerte sich auch der Sprecher<br />
des Deutschen Anwaltvereins,<br />
Rechtsanwalt Swen Walentowski, im<br />
MDR am 26. Februar 1999. Die Telefongebühren<br />
würden auch nicht von<br />
einer späteren Beratung umfaßt, berichtete<br />
die FAZ am 20. Februar 1999.<br />
Aufhebung der Zusammenlegung<br />
von Innen- und Justizministerium<br />
in NRW<br />
Außerordentlich begrüßt wurde das<br />
Urteil des Verfassungsgerichtshofs für<br />
das Land Nordrhein Westfalen, daß die<br />
Zusammenlegung des Innen- und des<br />
Justizministeriums in Nordrhein-Westfalen<br />
für verfassungswidrig erklärt hat.<br />
Zunächst wollte es der Ministerpräsident<br />
Wolfgang Clement allerdings bei<br />
der „Behrens-Lösung“ belassen, wobei<br />
Fritz Behrens das Justizministerium<br />
lediglich kommissarisch geleitet hätte.<br />
Der DAV forderte, hier zügig einen<br />
zweiten Minister zu ernennen, berichtete<br />
dpa am 10. Februar 1999. Bekanntlich<br />
hat sich der Ministerpräsident<br />
dann doch entschlossen, dem<br />
Justizministerium eine eigenständige<br />
Leitung in Gestalt von Rechtsanwalt<br />
Reinhard Rauball zuzuweisen. „Erfreulich<br />
ist hierbei, daß die Entscheidung<br />
auf einen Mann der Praxis, einen<br />
Anwalt, fiel“, erklärte DAV-Präsident<br />
Dr. Michael Streck in Bonn, meldet<br />
die dpa am 17. Februar 1999. Rechtsanwalt<br />
Andreas Klein, Geschäftsführer<br />
im Deutschen Anwaltverein, sagte<br />
in den Sendungen des WDR Fernsehens<br />
„Lokalzeit NRW“ und „NRW<br />
Spezial“, daß der DAV das Urteil des<br />
Verfassungsgerichtshofs für das Land<br />
Nordrhein-Westfalen außerordentlich<br />
begrüße und es eben nicht bei der „Behrens-Lösung“<br />
verbleiben dürfe, sondern<br />
daß das Justizressort eine eigenständige<br />
Leitung durch einen Minister<br />
bekommen müsse, denn nur so könnten<br />
die Interessen der Justiz nachhaltig<br />
vertreten werden.<br />
„Altfallregelung“ bei Asylanträgen<br />
Das Thema des vom PR-Referat<br />
des DAV ausgerichteten Jour fixe im<br />
Februar 1999 war der Umgang mit<br />
den unerledigten Asylanträgen. Hier<br />
hat der Deutsche Anwaltverein die<br />
Bundesregierung aufgefordert, unter<br />
die seit Jahren unerledigten tausenden<br />
von Asylanträgen großzügig einen
210<br />
MN Schlußstrich zu ziehen. Dies wird damit<br />
begründet, daß die Justiz nicht in<br />
der Lage sei, die annähernd 200.000<br />
offenen Verfahren, teilweise noch aus<br />
dem Jahr 1991, aufzuarbeiten. Im übrigen<br />
sei es für die Betroffenen unzumutbar,<br />
jahrelang in Ungewißheit über<br />
ihre Zukunft zu leben, sagte Rechtsanwältin<br />
und Notarin Veronika Arendt-<br />
Rojahn, die Vorsitzende des Ausländer-<br />
und Asylrechtsausschusses des<br />
DAV, meldet dpa am 11. Februar 1999.<br />
Die von der alten Regierung 1996 erlassene<br />
Altfallregelung sei viel zu eng<br />
gefaßt worden. Von auch damals rund<br />
200.000 betroffenen Flüchtlingen hätten<br />
etwa 8.000 ein Aufenthaltsrecht<br />
bekommen. Die Frankfurter Rundschau<br />
berichtete am 12. Februar 1999:<br />
„Der Anwaltverein empfahl, zunächst<br />
Aufenthaltsbefugnisse für ein Jahr zu<br />
erteilen, damit die Flüchtlinge überhaupt<br />
in Lohn und Brot gehen. Die<br />
Verlängerung der Duldung sollte dann<br />
von einem Arbeitsplatz abhängig gemacht<br />
werden. Ferner solle bei der geplanten<br />
Altfallregelung nicht mehr<br />
zwischen Alleinstehenden und Familien<br />
unterschieden werden.“ Die dpa-<br />
Meldung fand auch Eingang in die<br />
Märkische Allgemeine, die Potsamer<br />
Tageszeitung, die Neue Osnabrücker<br />
Zeitung, die Offenbacher Post und<br />
weitere Tageszeitungen am 12. Februar<br />
1999.<br />
Fallstricke der Versicherer<br />
für Geschädigte<br />
Seit einiger Zeit versuchen die Versicherer,<br />
den Geschädigten von unabhängigen<br />
Beratern, wie Sachverständige<br />
und Rechtsanwälte, abzuschneiden.<br />
Dies wird als „Schadensmanagement<br />
der Versicherer“ bezeichnet. Der Verbraucher,<br />
der sich direkt an die Werkstätten<br />
wendet, läuft nun Gefahr, letztlich<br />
bei einem Helfer der Versicherung<br />
gelandet zu sein. Hierzu der Vorsitzende<br />
der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht<br />
im Deutschen Anwaltverein,<br />
Rechtsanwalt Hans-Jürgen Gebhardt,<br />
in der Freien Presse vom 13. Februar<br />
1999: „Die Versicherer versuchen den<br />
Eindruck zu erwecken, daß sie auch<br />
ohne unabhängige Beratung fair regulieren.<br />
Dabei muß aber klar sein, daß<br />
der Schädiger kein Berater des Geschädigten<br />
sein kann. Die Versicherung<br />
ist schließlich der Gegner des<br />
Geschädigten.“ Dies vermeldet auch<br />
recht intern am 10. Februar 1999.<br />
Hierzu gab Gebhardt auch dem Saarländischen<br />
Fernsehen am 2. Februar<br />
1999 ein Interview. Vor diesem Hintergrund<br />
ist auch das Engagement der<br />
Versicherungswirtschaft bei den Notrufsäulen<br />
zu sehen. Es gehe letztlich<br />
nur darum, so schnell wie möglich<br />
beim Geschädigten zu sein, damit er<br />
von unabhängiger Beratung abgeschnitten<br />
werde, erläuterte Gebhardt<br />
anläßlich des Verkehrsgerichtstages in<br />
Goslar dem Südwestrundfunk. Daß<br />
der Verkehrsgerichtstag in Goslar auch<br />
vor solchen Praktiken gewarnt hat,<br />
war ebenfalls Thema eines Interviews<br />
im Hessischen Rundfunk am 25. Februar<br />
1999. Die Zeitschrift Finanzen<br />
Ausgabe 3/99 berichtet: „Nach Einschätzung<br />
des Deutschen Anwaltvereins<br />
erfolgt die Übernahme allerdings<br />
nicht aus wohltätigen Zwecken. Sie<br />
zielt allein darauf ab, die Schadensersatzquote<br />
zu senken. Autoversicherer<br />
versuchen schon lange, Unfallgeschädigte<br />
davon abzubringen, unabhängige<br />
Sachverständige und Rechtsanwälte zu<br />
konsultieren. Ist der Versicherungsberater<br />
als erster am Unfallort, wird er<br />
den Geschädigten „beraten“.„ Über<br />
die Praktiken der Versicherer gab auch<br />
das PR-Referat dem Hamburger<br />
Abendblatt am 11. Februar 1999 Auskunft.<br />
Keine Strafverschärfung anläßlich<br />
der Kurdenkrawalle<br />
Der Deutsche Anwaltverein verurteilt<br />
mit Nachdruck die Gewalttätigkeiten<br />
anläßlich der Kurdendemonstrationen.<br />
Wenn in diesem<br />
Zusammenhang allerdings verschiedentlich<br />
nach einer Verschärfung des<br />
Strafgesetzbuches gerufen wird, so<br />
lehnt der DAV solche Forderungen ab.<br />
„Bei schweren Landfriedensbruch sei<br />
beispielsweise eine Strafe bis zu zehn<br />
Jahren, bei Freiheitsberaubung bis zu<br />
fünf Jahren und bei Geiselnahme sogar<br />
nicht unter fünf Jahren möglich“, informierte<br />
der DAV. Dies fand Eingang<br />
in eine Meldung der dpa am 23. Februar<br />
1999. Im Nachrichtensender berlin<br />
aktuell 100,6 erläuterte Dr. Dierk<br />
Mattik, Hauptgeschäftsführer des DAV,<br />
am 26. Februar 1999 den Standpunkt<br />
des DAV. Der Präsident des DAV, Dr.<br />
Michael Streck, erklärte, auch in Fällen,<br />
in denen in „unerträglicher Weise“<br />
gegen die geltende Rechtsordnung verstoßen<br />
werde, wie dies z.Zt. teilweise<br />
durch die Kurdenkrawalle geschehe,<br />
reiche das bisherige Instrumentarium<br />
des Strafrechts aus, um die Täter zu<br />
bestrafen. Dies meldete ADN am 23.<br />
Februar 1999. Die Welt berichtete hierüber<br />
am 24. Februar 1999.<br />
Ehrendoktorwürde für<br />
Rechtsanwalt Ludwig Koch<br />
AnwBl 4/99<br />
Aus der Arbeit des DAV<br />
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät<br />
der Universität zu Köln hat am<br />
6. Februar 1999 an Rechtsanwalt Ludwig<br />
Koch, Köln, die Würde eines<br />
Doktors der Rechte ehrenhalber verliehen.<br />
Koch erhielt die Auszeichnung<br />
für seinen „unermüdlichen Einsatz“<br />
für die Belange der deutschen Anwaltschaft,<br />
seine Bemühungen um die Reform<br />
der Juristenausbildung und seine<br />
wissenschaftliche Tätigkeit, vor allem<br />
auf dem Gebiet des anwaltlichen Berufsrechts,<br />
so die Laudatio von Prof.<br />
Dr. Klaus Luig, Dekan der Rechtswissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität<br />
zu Köln, schreibt der Kölner<br />
Stadtanzeiger am 9. Februar 1999.<br />
Hierüber berichtete auch recht intern<br />
am 24. Februar 1999.<br />
Situation der Anwaltschaft<br />
Der Konkurrenzdruck innerhalb der<br />
Anwaltschaft ist groß. In diesem Jahr<br />
wird der hunderttausendste Rechtsanwalt<br />
eine Zulassung erhalten. Seit<br />
langem schon drängen Berater aus<br />
dem europäischen Ausland und von<br />
Übersee auf den Rechtsmarkt, meldet<br />
die Hannoversche Allg. Zeitung am<br />
13. Februar 1999. Den von Spezialisten<br />
herablassend als „Feld-, Waldund<br />
Wiesenanwalt“ bezeichneten Generalisten<br />
wird es weiter geben, als<br />
Einzelkämpfer oder in einem Büro mit<br />
wenigen Mitstreitern. „Wie ein guter<br />
Hausarzt wird er Mandanten zu Fachleuten<br />
weiterschicken“, wird Rechtsanwalt<br />
Dr. Peter Hamacher, stellv.<br />
Hauptgeschäftsführer des DAV, zitiert.<br />
Er wies auch darauf hin, daß sich in<br />
den USA riesige Anwaltsfirmen neuerdings<br />
wieder verkleinerten. „Rechtsrat<br />
ist letztlich personenbezogen“,<br />
führt Dr. Hamacher aus. Die deutschen<br />
Sozietäten hätten allerdings die<br />
Schallgrenze noch lange nicht erreicht.<br />
Über die Situation der Anwaltschaft<br />
in Berlin unterrichtet Rechtsanwalt<br />
Andreas Hagenkötter, Geschäftsführer<br />
des DAV in Berlin, in der Welt<br />
am Sonntag vom 7. Februar 1999.<br />
Demnach verläßt die Berliner Anwaltschaft<br />
ihr angestammtes Inseldasein.<br />
Fusion und Kooperation mit Kanzleien<br />
in anderen Städten und der Anschluß<br />
an internationale Sozietäten werden<br />
häufiger. „Jeder will einen Partner in<br />
der Hauptstadt“, wird Hagenkötter zitiert.<br />
Rund ums Verkehrsrecht<br />
Die Verkehrsrechtsanwälte im<br />
Deutschen Anwaltverein haben die<br />
Pläne der Bundesregierung für ein<br />
schärferes Gesetz gegen Alkohol-
AnwBl 4/99 211<br />
Aus der Arbeit des DAV MN<br />
sünder im Straßenverkehr als „konsequent“<br />
begrüßt. Der Vorsitzende der<br />
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im<br />
Deutschen Anwaltverein, Rechtsanwalt<br />
Hans-Jürgen Gebhardt, sagte am<br />
15. Februar 1999 im Saarländischen<br />
Rundfunk, es sei richtig, „schon bei<br />
0,5 Promille mit dem Fahrverbot zu<br />
beginnen“. Dies vermeldet auch die<br />
Schwäbische Zeitung am 16. Februar<br />
1999. Die Bremer Nachrichten führen<br />
am gleichen Tage weiter aus: „Die<br />
bisherige Regelung, die seit dem 1.<br />
Mai 1998 gilt, bezeichnete Gebhardt<br />
als halbschwangere Lösung. Gebhardt<br />
forderte mehr Kontrollen im Straßenverkehr.<br />
Eine Norm würde nur dann<br />
eingehalten, wenn ein gewisses Risiko<br />
bestehe, aufzufallen.“ Die Nachrichtenagentur<br />
AP hat am 15. Februar<br />
1999 das Interview des Saarländischen<br />
Rundfunks wiedergegeben. Diese Meldung<br />
erschien auch in der Lippischen<br />
Zeitung, in der Neuen Westfälischen<br />
und im Tagesspiegel Berlin vom<br />
16. Februar 1999.<br />
Breiten Raum in der Berichterstattung<br />
nahm auch wieder der Pressedienst<br />
der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht<br />
ein:<br />
Kunden, die von ihrer Werkstatt<br />
kostenlos einen Leihwagen gestellt bekommen,<br />
dürfen darauf vertrauen, daß<br />
dieser vollkaskoversichert ist. Deshalb<br />
haften sie bei einem selbstverschuldeten<br />
Unfall auch nur in Höhe des<br />
Selbstbehalts der Kaskoversicherung,<br />
entschied das Amtsgericht Duisburg<br />
(AZ: 45/2 C 557/97). Hierüber berichtete<br />
Rechtsanwalt Hans-Jürgen Gebhardt<br />
im Radio berlin aktuell 100,6<br />
am 25. Februar 1999 und im Hessischen<br />
Rundfunk am gleichen Tag.<br />
Auch die ARD-Sendung „Plusminus“<br />
bezog sich auf den Deutschen Anwaltverein.<br />
In diesem Fall hatte eine Werkstatt<br />
einem ihrer „guten“ Kunden ohne<br />
jeden weiteren Hinweis unentgeltlich<br />
einen Leihwagen zur Verfügung gestellt,<br />
während das Auto des Kunden<br />
repariert wurde. Dieser verursachte<br />
mit dem geliehenen Wagen einen Unfall.<br />
Mangels einer Vollkaskoversicherung<br />
wollte die Werkstatt den Schaden<br />
von dem Kunden ersetzt bekommen.<br />
Das Gericht sprach der Klägerin lediglich<br />
1.000 DM zu – den „üblicherweise<br />
im Rahmen einer durchschnittlichen<br />
Vollkaskoversicherung“ zu tragenden<br />
Selbstbehalt –, wie es hieß, meldete<br />
ADN am 23. Februar 1999. Diese<br />
Meldung fand auch Eingang in einen<br />
Beitrag der Zeitschrift Motor und Verkehr<br />
am 20. Februar 1999 sowie in<br />
den Nordkurier am 30. Januar 1999.<br />
Auf ausgewiesenen Wirtschaftswegen<br />
müssen Radfahrer mit größeren<br />
Hindernissen rechnen. Stürzt ein Radler<br />
an einer Gefahrenstelle, kann er<br />
keinen Schadensersatz von der örtlichen<br />
zuständigen Kommune fordern,<br />
entschied das Landgericht Aachen<br />
(AZ: 4 0 25/98), meldete ADN am<br />
2. Februar 1999.<br />
Wird der Inhaber eines Führerscheins<br />
auf Probe zur Teilnahme an einer<br />
Nachschulung aufgefordert, sollte<br />
er dieser Anordnung folgen. Ansonsten<br />
riskiert er seine Fahrerlaubnis, beschloß<br />
das Saarländische Verwaltungsgericht<br />
(AZ: 3 F 67/98), berichtete die<br />
Freie Presse am 6. Februar 1999.<br />
Allerlei<br />
Am 3. Februar 1999 verstarb der<br />
langjährige Hauptgeschäftsführer des<br />
DAV, Rechtsanwalt Dr. Heinz Brangsch.<br />
Ohne ihn hätte der DAV als angesehene<br />
berufsständische Organisation nach<br />
dem 2. Weltkrieg nicht so schnell seinen<br />
Aufstieg genommen, meldet die<br />
FAZ am 9. Februar 1999.<br />
Bei der Diskussion um die alternativen<br />
Strafformen stand Rechtsanwalt<br />
JR Prof. Dr. Franz Salditt, Mitglied<br />
des Strafrechtsausschusses des Deutschen<br />
Anwaltvereins, dem Südwestrundfunk<br />
für Informationen zur Verfügung.<br />
Auch hier konnte Dr. Salditt<br />
die Vorschläge des DAV zur Meldestrafe<br />
unterbreiten. Danach wäre als<br />
Strafe denkbar, daß sich der Verurteilte<br />
zwei- bis dreimal täglich bei einer<br />
Polizeistation melden müsse.<br />
Bezüglich des Problems „Honorar<br />
und Geldwäsche“ führte Rechtsanwalt<br />
Eberhard Kempf, Vorsitzender des<br />
Strafrechtsausschusses des Deutschen<br />
Anwaltvereins, aus: „Der Anspruch<br />
eines Beschuldigten auf einen qualifizierten<br />
Wahlverteidiger darf nicht<br />
verkürzt werden, indem man die Strafverfolgung<br />
eines Anwalts wegen<br />
Geldwäsche so sehr ausweitet, daß bereits<br />
dessen angebliche Leichtfertigkeit<br />
bei der Annahme eines Honorars<br />
zu seiner Verurteilung führt.“ recht intern<br />
meldet am 24. Februar 1999, daß<br />
Kempf die Ansicht vertrete, daß in einem<br />
solchen Fall der Eventualvorsatz<br />
– das Geld könnte aus einer Straftat<br />
stammen und ich nehme es trotzdem<br />
an – nicht ausreichen dürfe, einen<br />
Strafverteidiger wegen Geldwäsche zu<br />
belangen. „Kein Anwalt will, daß er<br />
aus der Beute einer Straftat bezahlt<br />
wird,“ wird Kempf in der Westdeutschen<br />
Allg. Zeitung am 16. Februar<br />
1999 zitiert.<br />
Bezüglich eines BGH-Urteils stand<br />
Rechtsanwalt Rüdiger Deckers, Mitglied<br />
des Strafrechtsausschusses des<br />
Deutschen Anwaltvereins, Focus TV<br />
am 3. Februar 1999 zur Verfügung.<br />
Die Sendung „Notizbuch“ des<br />
Bayerischen Rundfunks 2 befaßte<br />
sich mit der Mediation. In dieser Sendung<br />
kam sowohl Rechtsanwalt Dr.<br />
Klaus Griesebach, Vorsitzender der<br />
Arbeitsgemeinschaft Mediation im<br />
Deutschen Anwaltverein, wie auch<br />
der Vorsitzende des Ausschusses<br />
Außergerichtliche Konfliktbeilegung<br />
des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt<br />
Dr. Rainer Ponschab, am<br />
9. März 1999 in der einstündigen Sendung<br />
zu Wort.<br />
Die Sendung „Lokalzeit NRW“<br />
des WDR-Fernsehens befaßte sich am<br />
9. Februar 1999 mit dem EDV-Recht.<br />
Auf Vermittlung des PR-Referates<br />
stand für diese Sendung Rechtsanwalt<br />
Dr. Helmut Redecker, Mitglied des Informationsrechtsausschusses<br />
des Deutschen<br />
Anwaltvereins, zur Verfügung.<br />
Vermieter sollten auf alle Fälle<br />
einen schriftlichen Mietvertrag abschließen,<br />
ehe sie den Schlüssel zu<br />
einer Wohnung übergeben, vermeldet<br />
die Zeitung ANA am 6. Februar 1999.<br />
Diesen Ratschlag erteilte dort der Berliner<br />
Rechtsanwalt Ferréol Jay von<br />
Seldeneck, Mitglied des Geschäftsführenden<br />
Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft<br />
Mietrecht im Deutschen<br />
Anwaltverein. Der Mieter fährt nach<br />
seiner Einschätzung immer besser,<br />
„wenn er es schafft, dem Vermieter einen<br />
mündlichen Mietvertrag abzuluchsen“.<br />
Für die PRO 7 Nachrichten stand<br />
am 16. Februar 1999 Rechtsanwalt Dr.<br />
Hans-Georg Meyer, Mitglied des Arbeitsrechtsausschusses<br />
des Deutschen<br />
Anwaltvereins, zum Thema „Mobbing<br />
am Arbeitsplatz“ zur Verfügung.<br />
Die Verkehrsrundschau vermeldete<br />
am 19. Februar 1999, daß der DAV<br />
über ein Auslandsverzeichnis deutscher<br />
Rechtsanwälte verfügt.<br />
dpa meldet am 16. Februar 1999,<br />
daß das Gesetz der Versicherungsvertreter<br />
kein guter Verbraucherschutz<br />
sei. Wenn jemand gegen seine Versicherung<br />
vor Gericht ziehen wolle,<br />
sollte er sich einen Anwalt mit<br />
Spezialkenntnissen im Versicherungsbereich<br />
suchen. Anschriften habe hier<br />
der Deutsche Anwaltverein. Diese<br />
Meldung fand Eingang in viele Tageszeitungen,<br />
beispielsweise die Neue<br />
Ruhr Zeitung, die Südwestpresse<br />
Ulm, die Westfälische Rundschau und
212<br />
MN<br />
die Bremer Nachrichten vom 17.<br />
Februar 1999.<br />
Der Deutsche Anwaltverein, Délégation<br />
des Barreaux de France und<br />
Consejo General de la Abogacia Española<br />
haben in ihrem Gemeinschaftsbüro<br />
in Brüssel einen weiteren Anwaltsverband<br />
begrüßt. The General<br />
Council of the Bar, die Berufsvereinigung<br />
der ca. 9.800 Barrister von England<br />
und Wales, berichtet die FAZ am<br />
19. Februar 1999. Sie führt aus, daß der<br />
Deutsche Anwaltverein seit 1995 in<br />
Brüssel vertreten ist. Der Aufgabenkatalog<br />
umfaßt die Information der angeschlossenen<br />
rund 230 Anwaltvereine<br />
und der etwa 50.000 Anwälte über die<br />
EU-Gesetzgebung und die Vertretung<br />
ihrer Interessen. Das DAV-Büro versteht<br />
sich auch als „Serviceeinrichtung“,<br />
z. B. im Blick auf die Möglichkeit<br />
von Rechtsanwälten, ihren Beruf<br />
in einem anderen EU-Land auszuüben.<br />
Der Beitrag schließt mit der genauen<br />
Adresse des Brüsseler Büros des DAV<br />
und der Telefonnummer.<br />
Rechtsanwalt Swen Walentowski,<br />
Bonn<br />
AG Mietrecht im DAV<br />
Tagung der<br />
Arbeitsgemeinschaft Mietrecht<br />
Am Freitag, den 14.5.1999, 16 Uhr c. t.<br />
bis ca. 19 Uhr, veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft<br />
Mietrecht im Deutschen<br />
AnwaltVerein wieder eine Tagung, diesmal<br />
zum Thema Wohnungseigentum.<br />
Referent ist Herr Rechtsanwalt<br />
Michael Drasdo aus Neuss. Herr<br />
Drasdo ist Mitherausgeber der Neuen<br />
Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht<br />
(NZM) und hat sich darüber hinaus<br />
durch zahlreiche Publikationen<br />
und Vorträge zum Thema Wohnungseigentum<br />
einen Namen gemacht.<br />
Thema des Vortrages ist „Wohnungseigentum<br />
in der Krise“. Angesprochen<br />
werden soll nicht etwa eine Krise des<br />
Wohnungseigentums bzw. des Wohnungseigentumsrechts,<br />
sondern die<br />
zahlreichen Rechtsprobleme, die sich<br />
bei insolventen Wohnungseigentümern<br />
oder gar insolventen Wohnungseigentümergemeinschaften<br />
ergeben.<br />
Der Referent wird seine rechtlichen<br />
Ausführungen zum Thema mit der Erfahrung<br />
aus der anwaltlichen Praxis<br />
anreichern. Daneben besteht Gelegenheit<br />
zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch.<br />
Der Vortrag findet statt anläßlich der<br />
Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft<br />
im Rahmen des 50. Deutschen<br />
Anwaltstages in Bonn.<br />
Zum Vortrag sind nicht nur Mitglieder<br />
der Arbeitsgemeinschaft eingeladen,<br />
sondern auch interessierte Anwältinnen<br />
und Anwälte. Daneben würde sich die<br />
Arbeitsgemeinschaft auch über die<br />
Teilnahme von Personen freuen, die ansonsten<br />
beruflich oder privat mit dem<br />
Wohnungseigentumsrecht befaßt sind.<br />
Die Teilnahme an der Vortragsveranstaltung<br />
ist kostenlos. Um vorherige<br />
Anmeldung wird jedoch gebeten.<br />
Anmeldungen und weitere Informationen<br />
durch:<br />
Deutsche Anwalt Akademie,<br />
Ellerstr. 48, 53119 Bonn, Telefon:<br />
02 28 / 9 83 66 77 Fax: 02 28 /983 66 66<br />
Personalien<br />
Neue Vorsitzende<br />
von Anwaltvereinen<br />
Magedeburger Anwaltverein e.V.<br />
Vorsitzender: Rechtsanwalt Volker<br />
Tr u b e , Halberstädter Straße, 39135<br />
Magdeburg<br />
Emder Anwalt- und Notarverein e.V.<br />
Vorsitzender: Rechtsanwalt Dieter<br />
v a n H o v e , Neptunstraße 15, 26721<br />
Emden<br />
Anwaltverein Bad Hersfeld e.V.<br />
Vorsitzender: Rechtsanwalt und<br />
Notar Tilo S c h e u r m a n n , An der<br />
Untergeis 10 -12, 36251 Bad Hersfeld<br />
Ulrich Stobbe Ehrensenator<br />
Der Präsident der Universität Hannover<br />
hat auf Beschluß des Senats der<br />
Universität Rechtsanwalt und Notar Dr.<br />
Ulrich Stobbe, Hannover in Würdigung<br />
seiner hohen Verdienste um die langjährige<br />
Förderung der Wissenschaft,<br />
um die Unterstützung der Universitätsmitglieder<br />
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben<br />
in Lehre, Forschung und Dienstleistung<br />
sowie in Würdigung seines<br />
Engagements zur Förderung des Gemeinwohls,<br />
zum Ehrensenator der Universität<br />
Hannover ernannt.<br />
Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte,<br />
die Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins,<br />
die seit vielen Jahren sehen<br />
und hören können, wie engagiert, umsichtig<br />
strategisch und taktisch, kenntnisreich<br />
und verbindlich Ulrich Stobbe sich<br />
AnwBl 4/99<br />
Aus der Arbeit des DAV<br />
um die Ausbildung und Fortbildung der<br />
Kolleginnen und Kollegen bemüht, vor<br />
allem aber um die so notwendige Reform<br />
der Juristenausbildung ringt, grüßen Ulrich<br />
Stobbe aus Anlaß dieser Auszeichnung<br />
herzlich und sagen ihm Dank. Dabei<br />
vergessen sie nicht, wie weit<br />
gespannt seine Aktivitäten im Verband<br />
„im übrigen“ noch sind.<br />
Heinz Brangsch €<br />
Am 3. Februar 1999 starb im Alter<br />
von 84 Jahren Heinz Brangsch. Seine<br />
Freunde, seine Kolleginnen und Kollegen,<br />
die deutsche Anwaltschaft haben<br />
einen Mann verloren, der wie wenige in<br />
seiner Zeit die Geschicke der deutschen<br />
Anwaltschaft geprägt haben. Sie haben<br />
verloren eine bedeutende Persönlichkeit<br />
und einen warmherzigen Menschen.<br />
Es war ein Glücksfall, daß Emil<br />
von Sauer, der Wiederbegründer des<br />
Deutschen Anwaltvereins, im Jahre<br />
1950 Heinz Brangsch als Geschäftsführer<br />
gewann. Damals lag hinter Heinz<br />
Brangsch bereits ein bewegter, von den<br />
Zeitumständen geprägter Lebensabschnitt.<br />
Das Studium in Berlin und<br />
kurz vor dem Kriege in den USA, die<br />
abenteuerliche Rückkehr nach Deutschland<br />
über Japan und Rußland, der<br />
Krieg, aus dem er schwerverwundet<br />
zurückkehrte, die Fortsetzung der Ausbildung<br />
nach dem Kriege in<br />
Oldenburg, seiner Heimat, und die erfolgreiche<br />
Tätigkeit als Verteidiger vor<br />
den britischen Militärgerichten, ermöglicht<br />
durch seine englischen Sprachkenntnisse<br />
und ein intensives Studium<br />
des englischen Strafprozeßrechts, dem<br />
er auch den Gegenstand seiner späteren,<br />
hervorragend bewerteten Dissertation<br />
entnahm. Dieser Mann, der alle<br />
Eigenschaften hatte, die ihn zu einem<br />
herausragenden Anwalt und Vertreter<br />
der Interessen seiner Mandanten befähigten,<br />
widmete sich fortan der<br />
Anwaltschaft als ganzer. Mit seinem<br />
Namen ist der Aufbau und die Entwicklung<br />
des Deutschen Anwaltvereins<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg, der Weg<br />
der deutschen Anwaltschaft zurück in<br />
die internationale Anwaltsgemeinschaft<br />
auf das engste verbunden.<br />
Die Anfänge waren nicht leicht. Es<br />
bedurfte erheblicher Anstrengungen,<br />
um den Deutschen Anwaltverein zu<br />
dem zu machen, was er bis zu seiner<br />
Auflösung im Jahre 1933 gewesen<br />
war. Mit Elan und Ideenreichtum<br />
machte Heinz Brangsch sich an den<br />
Aufbau der neuen Organisation. „Als<br />
’Reisender in Sachen DAV’ schaffte er
AnwBl 4/99 213<br />
Aus der Arbeit des DAV MN<br />
durch seine hinreißende Beredsamkeit<br />
und Ausstrahlung die Gründung zahlreicher<br />
örtlicher Vereine und den Beitritt<br />
vieler neuer Mitglieder. Mit<br />
unvergleichlicher Kontaktfähigkeit<br />
knüpfte er ein Netz von Verbindungen<br />
im In- und Ausland, die den Zielen<br />
des DAV in hohem Maße zugute kamen.“<br />
So hat es 1978 Helmut Wagner<br />
formuliert (<strong>Anwaltsblatt</strong> 1978, 205).<br />
Der Deutsche Anwaltverein – das war<br />
in hohem Maße Heinz Brangsch, und<br />
Heinz Brangsch war der Deutsche Anwaltverein.<br />
Wenn er sich selbst häufig<br />
als Funktionär bezeichnete, so war er<br />
dies im allerbesten und vorbildlichen<br />
Sinne. „Die schwierige Aufgabe, Wohl<br />
der Allgemeinheit und Interessen einer<br />
Berufsgruppe in dieser Allgemeinheit<br />
zur Deckung zu bringen, Standespolitik<br />
nie zur Egozentrik werden, sondern<br />
sie in den sozialen Bezügen der Gemeinschaft<br />
aufgehen zu lassen: er hat<br />
sie gesehen und meisterhaft bewältigt.“<br />
So hat es Konrad Redeker zum<br />
70. Geburtstag von Heinz Brangsch<br />
formuliert (NJW 1984, 2267).<br />
Brangsch handelte und dachte für<br />
die deutsche Anwaltschaft nicht nur in<br />
der Gegenwart, sondern vor allem für<br />
die Zukunft. Kaum einer hatte seine<br />
Weitsicht, mit nur wenigen teilte er<br />
seine Einsichten in die zukünftige Entwicklung<br />
und die damit verbundenen<br />
Notwendigkeiten und Zwänge. Er gab<br />
Ideen, er setzte sie durch und setzte<br />
sie um. Er rief das <strong>Anwaltsblatt</strong> ins<br />
Leben und verschaffte ihm als Schriftleiter<br />
durch die Jahrzehnte seine lebendige<br />
Gestaltung und durch seine Beiträge<br />
ein Ansehen, welches weit über<br />
die Anwaltschaft hinausreicht (Wagner,<br />
a.a.O.). In den fünfziger Jahren<br />
widmete sich Brangsch intensiv der<br />
Gestaltung der Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />
die im Jahre 1959 in Kraft<br />
trat. Er erkannte früh die Notwendigkeit<br />
anwaltlicher Fortbildung. Auf<br />
seine Initiative geht zurück der erste<br />
Lehrgang (zum Verwaltungsrecht) im<br />
Jahre 1953, er war es, der wesentlich<br />
zur Verwirklichung des neuen und erheblich<br />
erweiterten Fortbildungskonzeptes<br />
des DAV beitrug, das Gerhard<br />
Commichau in seinem Festvortrag zur<br />
Eröffnung des Münchener Anwaltstages<br />
1977 entwickelt hatte und das sich<br />
in der von Commichau geforderten<br />
Deutschen Anwaltsakademie im Jahre<br />
1978 verwirklichte. Agens war seine<br />
Überzeugung, daß mit dem anwaltlichen<br />
Beratungsmonopol die Pflicht zur<br />
Leistungsfähigkeit der Anwaltschaft<br />
verbunden war (Redeker a.a.O.). Alles<br />
dies sind natürlich nur wenige, heraus-<br />
ragende Beispiele für das kreative,<br />
weitsichtige und zukunftsorientierte<br />
Wirken für die Organisation und das<br />
Profil des Deutschen Anwaltvereins.<br />
Nicht vergessen sollte auch werden<br />
das stete und wirkungsvolle Bemühen<br />
des Hauptgeschäftsführers des DAV,<br />
die wirtschaftlichen Grundlagen<br />
anwaltlicher Tätigkeit – eine wesentliche<br />
Bedingung der Unabhängigkeit<br />
des Anwalts – zu verbessern.<br />
Wesentlich war für Heinz Brangsch<br />
ebenso die Beteiligung des Deutschen<br />
Anwaltvereins an der Gestaltung der<br />
Rechtspolitik, durch seine Gremien,<br />
seine Geschäftsführung, seine Gesetzgebungsausschüsse.<br />
Seine Verbindungen<br />
zu den Rechtspolitikern in Bund<br />
und Ländern waren weit gespannt und<br />
intensiv. Das hohe Ansehen, das er gewann,<br />
beruhte auf seiner umfassenden<br />
Sachkenntnis, seinem abgewogenen,<br />
unbestechlichen Urteil, seiner Überzeugungskraft,<br />
der geradlinigen, aber<br />
immer behutsamen Argumentation<br />
und nicht zuletzt seinem Charme. Es<br />
kennzeichnet in besonderem Maße<br />
dieses Ansehen und diesen Respekt,<br />
daß nach dem Umzug der Geschäftsstelle<br />
des DAV nach Bonn im Herbst<br />
1977 der damalige Bundesjustizminister<br />
Hans-Jochen Vogel ihn, den<br />
Hauptgeschäftsführer des Deutschen<br />
Anwaltvereins, frühmorgens auf dem<br />
Wege in das Bundesjustizministerium<br />
regelmäßig aufsuchte, um anwaltliche<br />
Belange und Fragen der aktuellen<br />
Rechtspolitik zu erörtern. Wer in diesem<br />
Bereich tätig war, weiß, wie<br />
wichtig persönlicher Respekt und Vertrauen<br />
sind, um – jenseits öffentlicher<br />
Proklamationen – wesentliches zu bewirken.<br />
Heinz Brangsch genoß beides<br />
in hohem Maße, und es war mehr als<br />
nur eine Geste persönlicher Verbundenheit,<br />
daß Hans-Jochen Vogel anläßlich<br />
der Gründung der Deutschen Anwaltakademie<br />
in Lüneburg im Herbst<br />
1978 in Oldendorf mit dem Hubschrauber<br />
landete, um Heinz Brangsch<br />
nach seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung<br />
des DAV im Mai 1978<br />
in seinem Heidedomizil zu besuchen.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging<br />
es nicht nur darum, die Organisationen<br />
der deutschen Anwaltschaft wieder<br />
aufzubauen. Es ging auch um die Wiederaufnahme<br />
der Beziehungen der<br />
deutschen Anwaltschaft zu den ausländischen<br />
Kollegen, um den Wiedereintritt<br />
der deutschen Anwälte in den<br />
Kreis der Völkergemeinschaft. Heinz<br />
Brangsch hat seine starke Ausstrahlung,<br />
seine Persönlichkeit und sein Können<br />
sensibel und mit Augenmaß auch dafür<br />
nachhaltig eingesetzt. Schnell erwarb er<br />
sich in den internationalen Anwaltsorganisationen,<br />
vor allem der International<br />
Bar Association, ein Maß an Vertrauen,<br />
das mit Grundlage war für die<br />
Wiederanerkennung der deutschen Anwaltschaft<br />
nach dem Kriege im Ausland<br />
und die Rolle, die sie heute im internationalen<br />
Bereich spielt. Er<br />
förderte, wo es ging, Tätigkeit und Initiativen,<br />
die diesem Ziel dienten. Er<br />
brachte die Stimme der deutschen Anwaltschaft<br />
im zusammenwachsenden<br />
Europa zur Geltung, als Mitglied der<br />
deutschen Delegation des Beratenden<br />
Ausschusses der Europäischen Anwaltschaften<br />
(CCBE). Neben den großen<br />
Anwaltsorganisationen galt seine Liebe<br />
einem „Verein“, den sein Freund Sir<br />
Thomas Lund gegründet hatte und den<br />
er – ironisch – oft als die wichtigste internationale<br />
Anwaltsvereinigung bezeichnete:<br />
der ESSEBA, in der sich die<br />
„English speaking secretaries of Bar<br />
Associations“ zusammenfanden. Ich<br />
habe in meiner internationalen Tätigkeit<br />
für die deutsche Anwaltschaft lange<br />
von dem Ruf gezehrt, den Heinz<br />
Brangsch begründet hatte.<br />
Orden und Auszeichnungen, so<br />
meinte Brangsch, seien nichts für Funktionäre,<br />
die ihren Beruf ausübten und<br />
nur ihre Pflicht täten wie alle anderen<br />
auch. Das hat glücklicherweise den<br />
Hamburgischen Anwaltverein nicht davon<br />
abgehalten, ihn mit dem Emil von<br />
Sauer-Preis zu ehren, und den Deutschen<br />
Anwaltverein, ihn mit der Verleihung<br />
der Hans Dahs-Plakette auszuzeichnen.<br />
Damit wurde auch gewürdigt<br />
das Selbstverständnis seiner Aufgabe,<br />
wie Heinz Brangsch sie sah und bei seinem<br />
Ausscheiden als Hauptgeschäftsführer<br />
des Deutschen Anwaltvereins im<br />
Jahre 1978 formulierte: „Als Teil der<br />
Rechtspflege ist die Anwaltschaft Bindungen<br />
unterworfen, die uns nicht gestatten,<br />
die Interessen Dritter unbeachtet<br />
zu lassen.... Irgendetwas stimmt nicht<br />
und schlägt im Zweifel gegen die Anwaltschaft<br />
aus, wenn die Interessen der<br />
Rechtspflege, der Rechtsuchenden und<br />
der Rechtsanwälte nicht im Einklang<br />
miteinander stehen. Diese Gegebenheiten<br />
zwingen den Funktionär der Anwaltschaft,<br />
in größerer Nähe zur Moral<br />
zu agieren, als es bei den Funktionären<br />
manch anderer Institutionen der Fall<br />
sein mag.“<br />
Heinz Brangsch war nie ein Verwalter<br />
seines Amtes. Er war in einer<br />
erstaunlichen Weise jung, vorwärtsstrebend,<br />
weit vorausdenkend, auch<br />
Unbequemes und Unerhörtes aussprechend,<br />
zupackend, begeisterungsfähig.
214<br />
Die darin liegende Überzeugungskraft<br />
seiner Persönlichkeit wurde abgerundet<br />
durch seine Kameradschaft und die<br />
warme Menschlichkeit des Freundes<br />
der Musik und der Kunst. In seiner<br />
rastlosen Tätigkeit und der fortwirkenden<br />
Anteilnahme an den Geschicken<br />
der Anwaltschaft auch nach seinem<br />
Eintritt in den Ruhestand fand er Ver-<br />
EUROPA<br />
Änderungen des Kaufrechts durch<br />
die EU-Verbrauchsgüterrichtlinie<br />
Bereits seit über drei Jahren wird in Brüssel über die<br />
EU-weite Harmonisierung der Rechte diskutiert, die Verbrauchern<br />
bei Abschluß von Kaufverträgen zustehen sollen.<br />
Auslöser für den Vorschlag der Europäischen Kommission<br />
war der Umstand, daß sich Verbraucher insbesondere bei<br />
grenzüberschreitenden Geschäften im Binnenmarkt hinsichtlich<br />
der Wahrnehmung ihrer Gewährleistungsrechte<br />
aufgrund der äußerst unterschiedlichen Regelungen der<br />
Mitgliedstaaten einer großen Rechtsunsicherheit ausgesetzt<br />
sehen.<br />
Der Richtlinienentwurf „zu bestimmten Aspekten des<br />
Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter“<br />
ist jedoch auch nach Erlaß des Gemeinsamen Standpunktes<br />
des Rates (vgl. EG-ABl. C 333 vom 30. Oktober<br />
1998, S. 46 ff.) in vielen Fragen so umstritten, daß gemäß<br />
Art. 189b EGV die Einberufung des Vermittlungsausschusses<br />
zwischen Europäischem Parlament und Rat notwendig<br />
wurde.<br />
Im Gemeinsamen Standpunkt lassen sich dennoch jetzt<br />
schon wichtige Eckpunkte ausmachen, die bei Verabschiedung<br />
zu tiefgreifenden Änderungen der entsprechenden<br />
Vorschriften vor allen Dingen des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />
führen könnten.<br />
1. Geltungsbereich<br />
Ziel der Richtlinie ist die Gewährleistung eines einheitlichen<br />
Verbraucherschutz-Mindeststandards auf dem Gebiet<br />
des Verbrauchsgüterkaufs und der dabei ausgesprochenen<br />
Garantien. Dabei wird unter „Verbraucher“ jedermann angesehen,<br />
der nicht zu gewerblichen Zwecken handelt (Art.<br />
1 Abs. 1 lit. a). „Verbrauchsgüter“ sind nach Auffassung<br />
des Rates alle beweglichen körperlichen Gegenstände mit<br />
Ausnahme von Gütern, die aufgrund von Zwangsvollstrekkungsmaßnahmen<br />
oder anderen gerichtlichen Maßnahmen<br />
veräußert werden sowie Wasser, Gas und Strom. Von der<br />
Richtlinie erfaßt werden sollen alle Kaufverträge und<br />
Werklieferungsverträge.<br />
2.Verbraucherrechte<br />
Kernstück der Richtlinie sind die dem Käufer bei Vertragswidrigkeit<br />
zustehenden Gewährleistungsrechte, die<br />
ständnis und Unterstützung bei seiner<br />
Frau Lore. Ihr schuldet der Deutsche<br />
Anwaltverein nicht nur Dank als „geduldiger<br />
Ehefrau“. Ihre warme Ausstrahlung<br />
hat so manches Treffen vor<br />
allem im Heidehaus in Oldendorf geprägt.<br />
Heinz und Lore Brangsch, sie<br />
waren eine bewunderte Einheit.<br />
AnwBl 4/99<br />
Europa<br />
Heinz Brangsch kann nicht nur des<br />
freundschaftlichen und ehrenden Angedenkens<br />
aller, die ihn kannten, gewiß<br />
sein. Er hat einen hervorragenden Platz<br />
in den Annalen des Deutschen Anwaltvereins<br />
und darüber hinaus der gesamten<br />
deutschen Anwaltschaft.<br />
Hans-Jürgen Rabe, Hamburg<br />
hier einer Rangfolge unterliegen: danach kann der Käufer<br />
zunächst entweder einen Anspruch auf unentgeltliche<br />
Nachbesserung geltend machen oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung<br />
vom Verkäufer verlangen, sofern dies nicht<br />
unmöglich ist oder unverhältnismäßig erscheint. Ist das<br />
Geltendmachen dieser Rechte nicht möglich, kann der Verbraucher<br />
eine angemessene Kaufpreisminderung oder eine<br />
Vertragsauflösung verlangen (Art. 3).<br />
3. Fristen<br />
Neu für deutsche Rechtsanwender ist vor allen Dingen<br />
die vorgesehene Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab<br />
dem Zeitpunkt der Lieferung (Art. 5 Abs. 1). Bei gebrauchten<br />
Gütern kann diese Frist auf ein Jahr verkürzt werden<br />
(Art. 7 Abs. 1 S. 2). Der Rat schlägt darüber hinaus eine fakultativ<br />
von den Mitgliedstaaten einzuführende Frist von<br />
zwei Monaten vor, innerhalb derer der Verbraucher den<br />
Verkäufer von der Inanspruchnahme seiner Gewährleistungsrechte<br />
unterrichten muß, wenn er diese Rechte nicht<br />
verlieren will. Diese Regelung wird vom Europäischen Parlament<br />
mit dem Argument abgelehnt, daß dies einer einheitlichen<br />
Mindestharmonisierung in Europa widerspreche<br />
und die Rechtsunsicherheit des Verbrauchers verstärke, da<br />
er sich informieren müsse, welcher Mitgliedstaat eine solche<br />
Regelung eingeführt habe.<br />
4.Vermutung der Vertragswidrigkeit<br />
Vorgesehen ist das Aufstellen einer Vermutung, wonach<br />
bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, daß solche<br />
Vertragswidrigkeiten des Gutes, die innerhalb von sechs<br />
Monaten zu Tage treten, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung<br />
bestanden haben.<br />
5. Garantien<br />
„Garantie“ ist jede von einem Verkäufer oder Hersteller<br />
gegenüber dem Verbraucher ohne Aufpreis eingegangene<br />
Verpflichtung, dann in geeigneter Weise Abhilfe zu schaffen,<br />
wenn das gekaufte Gut nicht den in der Garantieerklärung<br />
oder in der einschlägigen Werbung genannten Eigenschaften<br />
entspricht (Art. 1 Abs. 1 lit. e). Hier gilt, daß in<br />
einfachen und verständlichen Formulierungen über den<br />
Inhalt und räumlichen Geltungsbereich der Garantie informiert<br />
werden muß.
AnwBl 4/99 215<br />
Europa<br />
6. Unabdingbarkeit und Mindestschutzklausel<br />
Die Richtlinienbestimmungen sind unabdingbar zu gestalten<br />
und treten neben bereits bestehende innerstaatliche<br />
Regelungen. Die EG-Mitgliedstaaten können daneben<br />
strengere Vorschriften vorsehen oder beibehalten (Art. 7<br />
und 8).<br />
Abzuwarten bleibt, ob sich der Vermittlungsausschuß<br />
noch vor den Neuwahlen zum Europäischen Parlament am<br />
13. Juni 1999 auf einen Kompromißvorschlag einigen kann.<br />
Der Wortlaut des oben genannten Richtlinienentwurfs<br />
kann beim DAV Büro Brüssel angefordert werden, per Telefax:<br />
+32-2-280.28.13 oder per elektronischer Post:<br />
bruessel@anwaltverein.de.<br />
Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., DAV-Büro Brüssel<br />
Europa, Geldwäsche und die Organisierte<br />
Kriminalität – ein Kampf mit oder gegen den<br />
Rechtsanwalt?<br />
Der Bürger soll wieder ein Stück seiner Freiheitsrechte<br />
abgeben: unter dem Vorwand der effizienteren Verbrechensbekämpfung<br />
droht einmal mehr die Aushöhlung des<br />
besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und<br />
Rechtsanwalt. Ursache diesmal ist die Umsetzung von Empfehlung<br />
Nr. 12 des „Aktionsplanes zur Bekämpfung der<br />
organisierten Kriminalität“, der vom EU-Ministerrat bereits<br />
am 28. April 1997 angenommen wurde sowie die beabsichtigte<br />
Revision der Geldwäscherichtlinie.<br />
Empfehlung Nr. 12 des Aktionsplanes bestimmt, daß in<br />
Europa Maßnahmen „zum Schutz bestimmter gefährdeter<br />
Berufe vor Einflüssen der organisierten Kriminalität“ erarbeitet<br />
werden sollen (vgl. EG-ABl. Nr. C 251 vom<br />
15.8.1997, S. 1 ff.). Aufgrund dieser Empfehlung hat nun<br />
die Europäische Kommission einen Vorschlag für einen<br />
„Europäischen Verhaltenskodex der europäischen Berufsverbände<br />
im Kampf gegen die organisierte Kriminalität“<br />
vorgelegt. Grundidee ist dabei, eine politische Selbstbindung<br />
der unterzeichnenden Organisationen an gewisse, im<br />
Kodex niedergelegten Grundprinzipien herbeizuführen. Die<br />
meisten dieser Prinzipen sind bereits im deutschen oder<br />
europäischen Recht verankert, etwa die Verpflichtung, die<br />
genaue Identität von Mandanten im Falle von Vermögensverwaltung<br />
festzustellen (vgl. § 3 Abs. 1 GeldwäscheG).<br />
Allerdings ist auch folgende Regelung vorgesehen:<br />
– ein Angehöriger (eines Berufsverbandes) ist dann verpflichtet,<br />
vom Mandat Abstand zunehmen, wenn er der<br />
Ansicht ist, daß die auszuführenden Anweisungen seines<br />
Mandanten ein klares Risiko einer Teilnahme von kriminellen<br />
Aktivitäten aufweist, wie etwa eine ungesetzliche finanzielle<br />
Transaktion.<br />
Einer solchen Regelung ist mit allem Nachdruck zu begegnen,<br />
denn mit dem Kriterium des „klaren Risikos“ würde<br />
klar von der in Deutschland bisher bestehenden Rechtslage<br />
abgewichen, wonach ein Anwalt nur dann verpflichtet<br />
ist, sein Mandat niederzulegen, wenn ihm positiv bekannt<br />
ist, daß seine weitere Tätigkeit Beihilfe zum Delikt seines<br />
Mandanten wäre. Es ist doch gerade der Rechtsanwalt mit<br />
seiner gesetzlich garantierten Verschwiegenheitspflicht, an<br />
den sich der ratsuchende Mandant rückhaltlos wenden<br />
kann, weil er genau weiß, daß ein reiner Verdacht einer kriminellen<br />
Aktivität nicht zur Mandatskündigung oder gar<br />
Anzeige an die Behörden führen kann.<br />
Unabhängig davon bereiten die Gremien der Europäischen<br />
Union derzeit eine Neufassung der sog. Geldwäscherichtlinie<br />
vor (Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom<br />
10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems<br />
zum Zwecke der Geldwäsche; EG-ABl. Nr. L 166<br />
vom 28. Juni 1991, S. 77 ff.). Auch hier droht ein Einbruch<br />
in die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht: sowohl die<br />
Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament<br />
halten es für anscheinend für erwiesen, daß die freien<br />
Berufe und insbesondere die Rechtsberufe besonders<br />
geeignet seien, sich von Kriminellen für die Zwecke der<br />
Geldwäsche mißbrauchen zu lassen: Daher sollen in Zukunft<br />
die bisher nur für Kreditinstitute geltenden Bestimmungen<br />
der Geldwäscherichtlinie auch für die freien Berufe gelten.<br />
Wenn dieses Wirklichkeit wurde, käme z. B. auf den<br />
Rechtsanwalt die Verpflichtung zu, die Strafverfolgungsund<br />
Steuerbehörden von sich aus über alle Tatsachen, die<br />
ein Indiz für Geldwäsche sein könnten, zu unterrichten<br />
(Anzeigepflicht) oder ihnen nach Bedarf alle Auskünfte<br />
über seinen Mandanten zu erteilen (vgl. Art. 6 der Richtlinie).<br />
Es liegt auf der Hand, daß ein solches Vorhaben massiv<br />
in Prinzipien eingreift, die im Rechtsstaatsprinzip wurzeln<br />
und die letztlich die Grundlage einer freiheitlichen und<br />
demokratischen Gesellschaft darstellen. Hiervor kann zum<br />
Schutze des Bürgers nur eindringlich gewarnt werden.<br />
Der Deutsche Anwaltverein hat in beiden Punkten die<br />
vorstehenden grundsätzlichen Bedenken gegenüber der Europäischen<br />
Kommission deutlich gemacht.<br />
Der Wortlaut der oben genannten Unterlagen kann beim<br />
DAV Büro Brüssel angefordert werden, per Telefax +32-2-<br />
280.28.13 oder per elektronischer Post;<br />
bruessel@anwaltverein.de.<br />
Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., DAV-Büro Brüssel<br />
Glosse<br />
Praktisches Leben<br />
Den biederen Praktiker beschleichen allzu leicht Minderwertigkeitsgefühle,<br />
wenn er sich von Fachleuten des Managements beobachtet,<br />
beurteilt oder gar „zertifiziert“ sieht. Trostreich wirkt indessen die<br />
Erkenntnis, daß auch Spezialisten vor kleinen Denkfehlern nicht gefeit<br />
sind:<br />
Krämer (<strong>Anwaltsblatt</strong> 99/70 ff.) hält das Abschneiden der Rechtsanwälte<br />
für „keineswegs berauschend“, wenn sie bei Umfragen nur<br />
einen Mittelwert auf der Zufriedenheitsskala und damit „deutlich weniger<br />
als Urlaubsreiseveranstaltungen, Ärzte oder Banken“ erreichen.<br />
Das ist wohl ein bißchen am Berufsbild vorbeigedacht. Ungeachtet<br />
aller modernen Bemühungen um Schlichtung und Mediation bleibt<br />
das Kerngebiet anwaltlicher Tätigkeit die schwungvolle Vertretung<br />
der Mandanteninteressen gegenüber anders gerichteten Interessen<br />
Dritter. Das führt zu einfachen – meinetwegen vereinfachenden –<br />
Schlußfolgerungen. Wer seinen Prozeß letztlich gewinnt, pflegt mit<br />
der anwaltlichen Dienstleistung zufrieden bis sehr zufrieden zu sein.<br />
Beim Vergleich sind seine Gefühle schon zwiespältiger. Und der Verlierer<br />
neigt nun einmal dazu, die anwaltliche Dienstleistung als weniger<br />
überzeugend einzustufen. Auch ohne Heranziehung der Mathematik<br />
lassen mithin die schlichten Regeln der Logik erkennen, daß der<br />
Mittelwert der Zufriedenheitsskala gar nichts Negatives an sich haben<br />
muß. Der Idealzustand, daß alle Anwälte jeden Prozeß gewinnen,<br />
wird sich auch bei noch so intensiven Bemühungen der Marktforscher<br />
und unserer Standesorganisationen nicht erreichen lassen.<br />
Rechtsanwalt Dr. Rainer Eggert, Frankfurt am Main
216<br />
l<br />
6<br />
Anwaltstatistik<br />
RAK Mitgliederinsgesamt<br />
Mitglieder der Rechtsanwaltskammern am 1. Januar 1999<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsanwälte darunter Rechtsbeistände<br />
insges. w Anwaltsnotare<br />
insg. w SteuerR<br />
insg. w<br />
VerwR<br />
insg. w<br />
Fachanwälte<br />
StrafR FamR<br />
insg. w insg. w<br />
ArbR<br />
insg. w<br />
SozR<br />
insg. w<br />
ausländ.<br />
RAe<br />
vereidigteBuchprüfer<br />
insges. w RA-<br />
GmbH<br />
BGH 28 28 4 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /<br />
Bamberg 1864 <strong>185</strong>6 398 / / 45 2 14 / 6 / 64 27 49 14 3 / / 3 8 1 4 19<br />
Berlin 6630 6628 1723 1112 143 129 6 30 4 19 4 48 35 115 21 21 16 5 5 2 / 5 32<br />
Brandenburg 1598 1598 446 / / 8 1 2 / 1 / 5 7 29 8 3 / / / / / 1 9<br />
Braunschweig 1193 1190 274 362 35 44 2 6 1 10 / 34 21 50 11 9 2 / / 3 / / 6<br />
Bremen 1291 1287 304 358 34 43 / 19 1 10 1 27 15 59 5 12 4 1 * 4 1 / 25<br />
Celle 3934 3904 933 1100 104 132 7 45 3 21 5 138 73 159 20 21 4 5 14 30 1 5 37<br />
Düsseldorf 6743 6722 1443 236 18 234 14 36 3 33 3 121 50 192 21 28 2 12 27 21 1 / /<br />
Frankfurt 9862 9834 2413 1403 115 340 26 43 4 39 6 148 72 284 46 35 13 57 42 28 2 13 16<br />
Freiburg 2410 <strong>240</strong>3 570 / / 88 4 18 1 16 1 69 24 60 6 13 2 1 11 7 / 2 11<br />
Hamburg 5418 5355 1272 / / 140 10 22 / 12 4 55 30 119 19 28 3 13 66 63 / 4 26<br />
Hamm 9371 9352 1973 2345 130 410 23 125 10 43 2 291 139 494 46 81 20 3 / 19 / / 43<br />
Karlsruhe 3041 3029 663 / / 109 8 16 / 8 1 52 29 76 10 8 3 4 19 12 1 1 17<br />
Kassel 1190 1186 257 304 18 19 2 13 2 6 / 55 24 60 6 8 1 / 3 4 / / 5<br />
Koblenz 2161 2155 489 / / 88 7 28 2 15 2 78 27 81 7 19 7 * 14 6 / * 24<br />
Köln 7621 7605 1781 / / 202 13 56 1 39 7 126 57 187 26 43 10 11 36 16 / * *<br />
Meckl.-Vorp. 1221 1221 299 / / 11 / 6 1 3 / 28 12 20 4 1 / / / / / 1 7<br />
München 11271 11166 2777 / / 315 23 63 9 63 4 333 112 200 38 18 3 14 50 105 12 9 40<br />
Nürnberg 2801 2781 703 / / 77 7 17 1 9 / 120 58 67 11 12 3 1 18 20 1 4 16<br />
Oldenburg 1884 1872 429 621 54 44 3 25 1 17 2 74 35 111 10 16 3 1 7 12 / 1 5<br />
Saarbrücken 990 985 213 / / 22 1 5 / 6 1 31 11 36 7 6 1 2 9 5 1 1 3<br />
Sachsen 3274 3272 978 / / 26 1 15 2 11 3 19 14 55 17 2 / 4 7 2 / 21 22<br />
Sachsen-Anh. 1459 1458 441 / / 14 2 5 / 7 1 21 15 27 8 / / / 3 1 / 2 8<br />
Schleswig 2612 2600 572 999 83 52 5 36 4 10 2 85 36 102 15 19 8 / 5 12 / 1 6<br />
Stuttgart 4394 4370 920 75 2 90 2 30 5 15 2 105 54 105 17 12 3 3 10 24 2 / /<br />
Thüringen 1491 1491 384 / / 22 1 4 1 4 1 6 4 27 5 / / / / / / 2 12<br />
Tübingen 1421 1414 275 15 / 34 1 17 / 8 / 55 28 44 3 8 1 / 3 7 / 1 3<br />
Zweibrücken 1122 1114 205 / / 31 1 10 / 7 / 43 19 35 1 6 1 2 4 8 / / /<br />
Bundesgebiet 98295 97876 23139 8930 736 2769 172 706 56 438 52 2231 1028 2843 402 432 110 139 356 419 23 78 392<br />
Vorjahr<br />
Veränderung<br />
91952 91516 20497 9046 728 2674 151 643 47 194 14 1160 554 2487 331 409 86 111 327 436 25 50 288<br />
in % 6,90 6,95 12,89 -1,28 1,10 3,55 13,91 9,80 19,15 125,77 271,43 92,33 85,56 14,31 21,45 5,62 27,91 25,23 8,87 -3,90 -8,00 56,00 36,11<br />
* = Keine Angaben Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Bonn Stand 10.3.1999<br />
Universität zu Köln<br />
Ehrenpromotion Ludwig Koch<br />
In einer eindrucksvollen akademischen Feierstunde am<br />
6. Februar 1999 hat die Rechtswissenschaftliche Fakultät<br />
der Universität zu Köln Rechtsanwalt Ludwig Koch, Köln<br />
und Prof. Dr. László Sólyom, Ungarn mit der Würde eines<br />
Doktors der Rechte ehrenhalber ausgezeichnet.<br />
Es ist erfreulich, daß die Universität in jüngster Zeit<br />
nach einer längeren Phase der behördlichen Gesichtslosigkeit<br />
und der administrativen Schlichtheit ihren herausragenden<br />
Ereignissen wieder einen Hauch von Glanz und Würde<br />
verleiht. Die Talare der juristischen Berufe sind ja keineswegs<br />
nur als muffig und als Ausdruck hölzernen Autoritätsgehabes<br />
zu qualifizieren, sondern sie zeigen dem aufmerk-<br />
samen Betrachter als Symbole jenen Teil des Rechts und<br />
der Wissenschaft, der dem kühl kalkulierenden ökonomischen<br />
Zugriff eben entzogen ist. In moderner Denke könnte<br />
man von Ansätzen zu einer Corporate Identity sprechen,<br />
deren akademische Insignien im aufgeschlossenen Ausland<br />
keineswegs verpönt sind. Die Begrüßungsansprachen des<br />
Dekans der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Spektabilität<br />
Prof. Dr. Klaus Luig und des Rektors der Universität<br />
Magnifizenz Prof. Dr. Jens Peter Meincke versammelten<br />
Ernst und Selbstgewissheit des wissenschaftlichen Lebens<br />
ebenso wie die große Freude über eine glanzvolle Stunde<br />
der Universität. Zu hören war auch von deren souveräner<br />
Öffnung nach außen, im Falle von László Sólyom zum<br />
nachbarlichen Staat und dessen Bürgern, im Falle von Ludwig<br />
Koch zur Berufspraxis des Rechtsanwalts, institutionell<br />
vermittelt durch das erfolgreiche und die Universität auch<br />
zierende Institut für Anwaltsrecht.<br />
PartG
AnwBl 4/99 217<br />
Mitteilungen l<br />
Luig, Koch, Henssler, Brunner, Sólyom, Meincke<br />
László Sólyom ist ehemaliger Präsident des Ungarischen<br />
Verfassungsgerichts und dem bedeutenden Institut für Ostrecht<br />
der Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Dr.<br />
h.c. Georg Brunner, der die Laudatio sprach, seit langem<br />
eng verbunden. In der Laudatio und dem Vortrag „Ungarische<br />
Verfassungsgerichtsbarkeit und Deutsche Grundrechtsdogmatik“<br />
waren spannend zu erleben die Probleme und<br />
Erfolge der Errichtung eines Verfassungsstaates und der sie<br />
krönenden Verfassungsgerichtsbarkeit, zu deren moderner<br />
Entwicklung die von dem Bundesverfassungsgericht geprägte<br />
Grundrechtslehre einen grundlegenden und vorbildlichen<br />
Beitrag leistet.<br />
Ludwig Koch ist den Lesern des <strong>Anwaltsblatt</strong>es wohl<br />
bekannt. Er erhielt die für einen praktizierenden Anwalt<br />
ungewöhnliche Auszeichnung – von den seit der Wiederbegründung<br />
der Kölner Universität im Jahre 1919 durch die<br />
Fakultät verliehenen 52 Ehrendoktortiteln gingen seit 1945<br />
nur zwei an Rechtsanwälte – für seine Leistung als einer<br />
der herausragenden Förderer und berufspolitischen Verbandsvertreter<br />
der Deutschen Anwaltschaft, für seine Verdienste<br />
um die Anwaltsausbildung, namentlich an der Kölner<br />
Universität und seinen Einsatz bei der wissenschaftlichen<br />
Analyse und der Fortentwicklung des anwaltlichen<br />
Berufsrechts. So heißt es in der Laudatio, die Prof. Dr.<br />
Martin Henssler sprach. Nach seinen Worten ist die Ehrung<br />
auch ein Zeichen des Bekenntnisses der Kölner Fakultät für<br />
eine zukunftsorientierte, an den Bedürfnissen der Praxis<br />
ausgerichtete universitäre Juristenausbildung, die auch den<br />
Anwaltsberuf gleichberechtigt zur Kenntnis nimmt und diesen<br />
neuen Leistungsplafond verknüpft mit traditionellen<br />
Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten Kölns auf den<br />
Gebieten des Arbeits-, Wirtschafts- und Steuerrechts im<br />
weitesten Sinne.<br />
Ein Ziel, unter dem die Arbeit Ludwig Kochs steht, ist<br />
es, dazu beizutragen, „daß es bald wirklich keine Aussage<br />
mehr gibt zu Ansehen und Wirklichkeit unseres Rechtsstaates<br />
ohne die Erwähnung der anwaltlichen Aufgaben in<br />
ihm.“ In der Tat ist der in der Arbeit des Rechtsanwalts täglich<br />
geleistete Beitrag zur Wirklichkeit des Verfassungsund<br />
Rechtsstaats noch unvollkommen bewußt und übergreifend<br />
gewürdigt. Von diesem Blickwinkel aus gibt es eine<br />
ansprechende Parallele zu dem Arbeitsbereich des Doktor-<br />
Zwillings von Ludwig Koch am 6. Februar 1999.<br />
Ludwig Koch sah, daß der seit dem Schnitt der Entscheidungen<br />
des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1987 von<br />
ihm gewünschte und befeuerte Aufbruch der Anwaltschaft<br />
in einen wettbewerbsfähigen, zukunftsträchtigen und möglichst<br />
liberal sich verfassenden Beruf ohne wissenschaftliche<br />
Grundierung und Durchdringung des Berufsrechts<br />
und der Berufswirklichkeit ganz undenkbar war. Von dieser<br />
Erkenntnis aus führte der Weg, wie es der zupackenden<br />
und durchsetzenden Art des Geehrten eigen ist, direkt zu<br />
dem sich aufbauenden Institut für Anwaltsrecht, dessen<br />
Fördervereinsvorsitz er übernahm und weiter zur<br />
wissenschaftlichen Arbeit, die einem solchen Institut nun<br />
einmal eigen ist. Wir sehen die Früchte dieses Engagements<br />
in der beeindruckenden Gestalt und Leistung des Instituts<br />
einerseits und in dem von ihm verantworteten Teil
218<br />
l<br />
des über das Institut herausgegebenen Kommentars zur<br />
Bundesrechtsanwaltsordnung andererseits.<br />
Ludwig Koch ist die enge Verbindung zur Wissenschaft<br />
nicht in die berufsanfängliche Wiege gelegt gewesen. Es ist<br />
schön zu sehen, daß sich in der Biographie dieses erfolgreich<br />
praktizierenden Rechtsanwalts und wirkungsvollen<br />
Repräsentanten beruflicher und verbandlicher Interessen<br />
das ereignet, was die Väter entgegen aller Hektik und Jungdynamik<br />
moderner Zeiten zu Recht überliefern, nämlich,<br />
daß die vorgerücktere Lebensstunde die Zeit der Kontemplation,<br />
des Sammelns und Sichtens, kurz der wissenschaftlichen<br />
Arbeit ist, die das, was man weiß, formt und weiterreicht.<br />
Dr. h.c. Ludwig Koch wird diese Spanne und die ihm<br />
verliehene hohe Auszeichnung leben, ganz unprätentiös,<br />
offen, immer neugierig auf Personen und Sachen Sympathie<br />
gewinnend und zielkräftig, eben nach seiner Art, einer<br />
Art, die es nicht nur den an dem Institut für Anwaltsrecht<br />
„beteiligten“ Professoren Henssler, Prütting, Hanau und<br />
Kolvenbach, sondern allen, die ihn kennen, so angenehm<br />
macht, mit ihm zu arbeiten. Daß er so ist, wie er ist, liegt<br />
natürlich auch an seiner wunderbaren Ehefrau Helge und<br />
den erwachsenen vier Kindern, die sich ihres ausgezeichneten<br />
Ehegatten und Vaters herzlich erfreuten. Der Geehrte<br />
seinerseits erfreute sie und viele Gäste mit einem köstlichen<br />
Doktorschmaus im – nomen est omen – „Excelsior“.<br />
Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />
Anwaltsrecht<br />
Institut für Anwaltsrecht – Leipzig<br />
Am 28.1.1998 hat im Alten Senatssaal der Universität<br />
Leipzig ein Festakt anläßlich der Eröffnung des Instituts<br />
für Anwaltsrecht der Universität Leipzig stattgefunden.<br />
Der förmliche Gründungsakt des Instituts liegt bereits eine<br />
Weile zurück, und das Institut hat in Form von Lehrveranstaltungen<br />
zum Anwaltsrecht seine Tätigkeit auch bereits<br />
aufgenommen. Es ist organisiert als Institut der Universität<br />
Leipzig und wird teils aus Mitteln der Universität und teils<br />
aus Drittmitteln unterhalten, die dem Institut über den Förderverein<br />
des Instituts für Anwaltsrecht der Universität<br />
Leipzig aus verschiedenen Institutionen der Anwaltschaft,<br />
insbesondere der Hans-Soldan-Stiftung, zufließen. Direktoren<br />
des Instituts sind die Professoren Dr. Ekkehard Becker-<br />
Eberhard und Dr. Christian Berger.<br />
Gebührenfragen<br />
Die Erstberatungsgebühr der BRAGO<br />
Referendarin Ramona Kühnel, Göttingen<br />
Gem. § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO kann der Rechtsanwalt<br />
für einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft,<br />
die nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit<br />
zusammenhängen, keine höhere Gebühr als 350,–<br />
DM fordern.<br />
Der folgende Beitrag soll einen Einblick in die Erscheinungsformen<br />
der Erstberatung geben und so den Einstieg in<br />
diese praktisch bedeutsame Materie erleichtern.<br />
AnwBl 4/99<br />
Mitteilungen<br />
I. Erste Beratung<br />
Erste Beratung bedeutet, der Rechtsuchende wendet sich<br />
zum ersten Male an den Rechtsanwalt wegen des Gegenstandes,<br />
auf den sich seine Bitte um Rat oder Auskunft bezieht.<br />
1<br />
1. Mehrvertretungszuschlag<br />
Es stellt sich die Frage, welche Gebühren entstehen,<br />
wenn der Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber über denselben<br />
Gegenstand berät.<br />
Gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO könnte sich die Ratsgebühr<br />
um 3/10 jeden weiteren Auftraggeber erhöhen.<br />
Der gesetzgeberische Grund für die Erhöhung der Vergütung<br />
des Rechtsanwalts nach § 6 Abs. 1 S. 2 und 3 BRA-<br />
GO ist darin zu sehen, daß regelmäßig durch zusätzliche<br />
Auftraggeber eine erhöhte Belastung und Verantwortung<br />
gegeben ist, wobei es im Einzelfall nicht darauf ankommt,<br />
ob dies tatsächlich der Fall ist.<br />
Somit geht das Gesetz davon aus, daß der Rechtsanwalt<br />
in einem Fall ohne zusätzliche Arbeitsbelastung eine erhöhte<br />
Gebühr erlangt, dafür in anderen Fällen Arbeitsleistungen<br />
erbringen muß, die selbst durch die erhöhte Gebühr<br />
keinesfalls angemessen vergütet werden. Nach dem Normzweck<br />
des § 6 BRAGO ist der Mehrvertretungszuschlag<br />
bei § 20 BRAGO und folglich auch für die Erstberatungsgebühr<br />
zu bejahen. 2<br />
Dem ist zu folgen.<br />
Die Höchstgebühr beträgt bei zwei Auftraggebern also<br />
350,– DM + 3/10 davon = 105,– DM, Summe 455,– DM.<br />
Diese Reihe läuft bei zusätzlichen Auftraggebern weiter bis<br />
zu 1.050,– DM. 3<br />
2. Mischfälle<br />
Problematisch wird es, wenn sich der Rat und die Auskunft<br />
zugleich auf Angelegenheiten, in denen die Gebühren<br />
nach dem Gegenstandswert berechnet werden und auf solche,<br />
in denen das nicht der Fall ist, beziehen.<br />
Nach einer weit verbreiteten Ansicht sollen die Gebühren<br />
nur nach dem Gebührensatzrahmen des § 20 Abs. 1 S. 1<br />
BRAGO berechnet werden. Die durch Beratung z. B. sowohl<br />
in zivilrechtlicher als auch in strafrechtlicher Angelegenheit<br />
entstehende Mehrarbeit werde in der Weise bewertet, daß<br />
bei der Bemessung des Gegenstandswertes auch der Wert<br />
des strafrechtlichen Gegenstandes, also eines nicht vermögensrechtlichen<br />
Gegenstandes, zu berücksichtigen sei. 4<br />
Die andere Ansicht beruft sich darauf, daß verschiedene<br />
Angelegenheiten gegeben sind, so daß für den Rat in der<br />
zivilrechtlichen Angelegenheit eine Gebühr aus § 20 Abs.<br />
1 S. 1 BRAGO und für den Rat in der strafrechtlichen Angelegenheit<br />
eine Gebühr aus § 20 Abs. 1 S. 3 BRAGO entsteht.<br />
Somit müßte auch bei der Erstberatung die Gebühr<br />
wegen des zivilrechtlichen Gegenstandes auf 350,– DM begrenzt<br />
sein; die Gebühr aus § 20 Abs. 1 S. 3 BRAGO<br />
müßte dazutreten. 5<br />
1 Gerold, Schmidt, von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />
§ 20, Rn. 11.<br />
2 Madert, Die Erstberatungsgebühr, in: AnwBl 5/96, 247.<br />
3 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in:<br />
ZAP 1994, 917.<br />
4 Riedel/Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 11.<br />
5 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in:<br />
ZAP 1994, 916.
AnwBl 4/99 219<br />
Mitteilungen l<br />
Nach der Ansicht Lappes würde es dem Normzweck der<br />
Kappungsgebühr von 350,– DM widersprechen, eine Gebühr<br />
aus § 20 Abs. 1 BRAGO und eine Gebühr aus § 20<br />
Abs. 1 S. 3 BRAGO entstehen zu lassen. Nach dem Willen<br />
des Gesetzes soll der Auftraggeber davon ausgehen können,<br />
daß er für eine erste Beratung nicht mehr als 350,–<br />
DM zahlen muß, unabhängig davon, ob es sich um eine<br />
oder mehrere Angelegenheiten handelt. 6<br />
3. Problem der „ersten“ Beratung<br />
Es erscheint problematisch, ob es sich noch um eine<br />
Erstberatung handelt, wenn das erste Beratungsgespräch abgebrochen<br />
und die Beratung in einem zweiten Gespräch<br />
fortgesetzt wird oder wenn der Auftraggeber wegen desselben<br />
Gegenstandes eine weitere Beratung wünscht und erhält?<br />
a) Ansicht der Rechtschutzversicherer<br />
Die Rechtsschutzversicherer nehmen auf § 13 Abs. 1<br />
BRAGO Bezug, wonach die Gebühren, soweit die BRAGO<br />
nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts<br />
vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit<br />
entgelten.<br />
Ebenfalls stützen sie sich auf § 13 Abs. 2 S. 2 BRAGO,<br />
wonach der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit<br />
nur einmal fordern kann.<br />
Auch berufen sie sich auf § 13 Abs. 5 S. 1 BRAGO, wo<br />
es heißt, daß der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit<br />
tätig geworden ist und beauftragt wird, in derselben<br />
Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an<br />
Gebühren erhält, als er erhalten würde, wenn er von vornherein<br />
hiermit beauftragt wäre.<br />
Daraus wird gefolgert: Es gilt auch für die Erstberatung,<br />
daß sie die Tätigkeit des Rechtsanwalts abgelten soll bis<br />
zur Erledigung der Angelegenheit. Eine Erledigung ist<br />
nicht gegeben, wenn der Rechtsanwalt den Rat bei der ersten<br />
Beratung nicht erteilen kann, z. B. wenn er erst die<br />
Rechtslage anhand von Rechtsprechung und Schrifttum<br />
prüfen muß oder er den Rat nicht erteilen kam, weil der<br />
Ratsuchende die zur Erteilung des Rates notwendigen Unterlagen<br />
(Urkunden), Verträge oder dergleichen nicht bei<br />
sich hat.<br />
Ebenso sei die Angelegenheit noch nicht erledigt, wenn<br />
der Ratsuchende sich zwar zunächst mit dem vom Rechtsanwalt<br />
in der ersten Beratung erteilten Rat zufrieden gibt,<br />
dann aber Zusatzfragen hat und wegen der Zusatzfragen<br />
den Rechtsanwalt ein zweites oder drittes Mal aufsucht. 7<br />
b) Ansicht des Gesetzgebers<br />
Die Ansicht des Gesetzgebers stützt sich auf die Gesetzesbegründung,<br />
in der es heißt, daß sich die Regelung des<br />
Satzes 2 nur auf die Gebühr für die erste Beratung bezieht.<br />
Falls sich nach dem 1. Beratungsgespräch oder dem ersten<br />
schriftlichen Rat oder einer solchen Auskunft eine weitere<br />
Tätigkeit des Rechtsanwalts anschließt, mag diese auch<br />
mit der ersten Beratung im engen Zusammenhang stehen<br />
oder diese fortsetzen, greift die Regelung nicht ein. 8 Die<br />
Erstberatung endet somit, wenn eine Beratung wegen ihres<br />
Beratungsgegenstandes unterbrochen wird, z. B. weil der<br />
Rechtsanwalt sich zunächst sachkundig machen muß oder<br />
weil der Auftraggeber eine Bedenkzeit benötigt.<br />
Wird allein wegen äußerer Umstände unterbrochen, z.<br />
B. wegen der Mittagspause, so kann die Beratung als nicht<br />
beendet angesehen werden. 9<br />
c) Ansicht des Schrifttums<br />
Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, die Beschränkung<br />
des anwaltlichen Gebührenanspruchs auf den<br />
Höchstbetrag von 350,– DM gem. § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO<br />
gilt dann nicht mehr, wenn sich der ersten Beratung weitere<br />
Beratungen anschließen, auch wenn sie denselben Fall bzw.<br />
Gegenstand betreffen. 10<br />
Dabei wird folgende Unterscheidung vorgenommen:<br />
Kann der Rechtsanwalt nach Schilderung des Sachverhalts<br />
durch den Mandanten den Rat nicht sofort erteilen,<br />
weile er sich zunächst anhand von Literatur und Rechtsprechung<br />
sachkundig machen muß und dann einige Tage später<br />
den Rat erteilt, dann liegt noch eine Erstberatung vor. 11<br />
Wurde mit der Erstberatung durch den Rechtsanwalt begonnen,<br />
kann diese aber nicht zu Ende geführt werden,<br />
weil der Rechtsanwalt erst weitere Unterlagen zum Sachverhalt<br />
durcharbeiten oder sich wegen der Schwierigkeit<br />
der Rechtslage sachkundig machen muß, dann liegt bei<br />
Fortsetzung der Beratung an einem anderen Tag keine Erstberatung<br />
mehr vor. 12<br />
Dieser Unterscheidung kann nicht zugestimmt werden.<br />
Eine Gebühr entsteht mit der Tätigkeit des Rechtsanwalts<br />
nach Erhalt des Auftrags, also regelmäßig mit der<br />
Entgegennahme der Information.<br />
Sowohl die Schilderung des Sachverhalts durch den<br />
Mandanten als auch die Anhörung desselben durch den<br />
Rechtsanwalt ist Entgegennahme der Information. Da erste<br />
Beispielsfall ist somit dem zweiten gleichzustellen. 13<br />
Dieser Begründung sollte man sich anschließen.<br />
Die Vorschrift wird nicht dadurch umgangen, daß der<br />
Anwalt den Klienten zu einer nochmaligen Vorsprache bestellt,<br />
weil er sich z. B. für die Beratung erst kundig machen<br />
muß.<br />
Die mehrfache Vorsprache zählt in diesem Fall zu einer<br />
einheitlichen Beratung.<br />
Wünscht der Mandant nach Abschluß der Erstberatung<br />
eine zusätzliche Beratung, ohne bereits einen anderen gebührenpflichtigen<br />
Auftrag zu erteilen, kann die Beratung zu<br />
den normalen Sätzen abgerechnet werden. 14<br />
In einigen praktischen Fällen wird der Rechtsanwalt zu<br />
einer Sofortberatung bereit sein, jedoch eine aufkommende<br />
spezielle Frage der schriftlichen Ergänzung nach eingehender<br />
Prüfung der Rechtslage vorbehalten. Diese Ergänzung<br />
ist nicht Teil der ersten Beratung i. S. des § 20 Abs. 1 S. 2<br />
BRAGO. 15<br />
Die erste Beratung ist beendet, wenn die Beratung unterbrochen<br />
wird, weil der Rechtsanwalt sich zunächst sachkundig<br />
machen oder mit der Rechtsschutzversicherung korrespondieren<br />
muß, weitere Informationen vom Mandanten<br />
fordert oder dieser eine Bedenkzeit benötigt. Für die weite-<br />
6 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in<br />
ZAP 1994, 916.<br />
7 Madert, Die Erstberatungsgebühr, in: AnwBl 5/96, 248.<br />
8 BT-Drucksache 12/6962,102.<br />
9 Hansens, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 7 a.<br />
10 Enders, Die Erstberatung, in: JurBüro 1995, 226.<br />
11 Enders, Die Erstberatung, in: JurBüro 1995, 226.<br />
12 Enders, Die Erstberatung, in: JurBüro 1995, 227.<br />
13 Madert, Die Erstberatungsgebühr, in: AnwBl 5/96, 250.<br />
14 Riedel/Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 15.<br />
15 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in:<br />
ZAP 1994, 916.
220<br />
l<br />
re Beratungs- und Auskunftstätigkeit ist der Rechtsanwalt<br />
nicht mehr an die Höchstgrenze von 350,– DM gebunden.<br />
Wird allerdings die Rechtsanwaltstätigkeit wegen äußerer,<br />
in der Sphäre des Anwalts liegender Umstände unterbrochen,<br />
etwa wegen Mittagspause oder wegen anderer Termine<br />
des Rechtsanwalts, ist die Erstberatung nicht beendet. 16<br />
Geht die Tätigkeit des Rechtsanwalts über bloße Ratserteilung<br />
hinaus, sei es auch nur durch ein Telefonat usw. ist<br />
der als Sonderregelung eng auszulegende § 20 Abs. 1 S. 2<br />
BRAGO unanwendbar. 17<br />
B. Zusammenfassung<br />
Jede Fortsetzung der ersten Beratung mit der Ausnahme,<br />
daß der Rechtsanwalt die Erstberatung aus persönlichen<br />
Gründen, die nichts mit dem Gegenstand der Beratung zu<br />
tun haben, unterbricht, ist eine weitere Beratung mit der<br />
Folge, daß die Begrenzung auf 350,– DM entfällt.<br />
Eine weitere Beratung ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt<br />
in derselben Angelegenheit abermals um Rat oder<br />
Auskunft angegangen wird (2. Beratung), wenn sich eine<br />
weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts anschließt, er also in<br />
der Sache das Mandat bekommen hat, wenn er den Rat<br />
oder die Auskunft im ersten Gespräch oder im ersten<br />
Schreiben nicht oder nicht vollständig erteilen konnte und<br />
daher ein weiteres Gespräch oder ein weiterer schriftlicher<br />
Rat aussteht. 18<br />
Die Bezugnahme der Rechtsschutzversicherer auf § 13<br />
Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 BRAGO geht fehl. Der<br />
Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO sowie seine gesetzliche<br />
Begründung zeigen, daß hinsichtlich der Erstberatungsgebühr<br />
die Regelungen des § 13 BRAGO nicht gelten.<br />
C.Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Ratserteilung<br />
nach § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO<br />
Der Rechtsanwalt ist weder durch Gesetz oder Standesrichtlinien<br />
gehalten, den erstmaligen Rat mit der Begrenzung<br />
der Gebühr nach § 20 I 2 BRAGO zu erteilen.<br />
Er ist dann aber verpflichtet, dem Ratsuchenden vor der<br />
Erteilung des Rates zu sagen, daß er nicht bereit sei, eine<br />
erste Beratung mit einer normalen Gebühr bis zu 350,– DM<br />
zu erteilen. 19<br />
I. Fallgestaltungen<br />
Zu denken ist hier vor allem an zwei Fallgestaltungen:<br />
Der Gegenstandswert der Beratung ist so hoch, daß auch<br />
bei Ansatz einer 1/10-, 2/10- und 3/10- Gebühr der Höchstbetrag<br />
von 350,– DM überschritten wird.<br />
Hier wird der Rechtsanwalt schon aus Haftungsgründen<br />
überlegen, ob er sich mit der Erstberatungsgebühr zufriedengibt.<br />
Für einen falschen Rat haftet er voll, nicht im Verhältnis<br />
der Erstberatungsgebühr zur normalen Gebühr. Der<br />
andere Fall ist folgender: Der Streitwert ist zwar gering,<br />
die Beratung aber so umfangreich und schwierig, daß selbst<br />
bei Ansatz der 10/10- Gebühr der Betrag von 350,– DM<br />
überschritten wird. 20<br />
II.§3Abs.1S.lBRAGO<br />
Der Rechtsanwalt muß sich das Zahlungsversprechen<br />
des Rechtsuchenden schriftlich geben lassen, falls der<br />
Rechtsuchende bereit ist, sich von dem Anwalt beraten zu<br />
lassen und hierfür eine über 350,– DM hinausgehende Gebühr<br />
zu zahlen. 21<br />
AnwBl 4/99<br />
Mitteilungen<br />
Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 BRAGO darf die Erklärung des<br />
Auftraggebers nicht in der Vollmacht oder einem anderen<br />
Vordruck, der auch andere Erklärungen umfaßt, enthalten<br />
sein.<br />
16 Hansens, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 7a.<br />
17 Hartmann, Kostengesetze, § 20 BRAGO, Rn. 10.<br />
18 Kronenbitter, BRAGO 1994, § 20, Rn. 319.<br />
19 Hansens, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 7c.<br />
20 Gerold, Schmidt, von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />
§ 20, Rn. 11.<br />
21 Gerold, Schmidt, von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />
§ 20, Rn. 11.<br />
Steuerrecht<br />
Steuerliche Abschreibung von Computern bei<br />
juristischen Tätigkeiten<br />
I. Einleitung<br />
In nahezu sämtlichen juristischen Tätigkeitsbereichen ist<br />
die Benutzung von Computern unerläßlich geworden.<br />
Selbst bei den Gerichten ist der Einsatz elektronischer<br />
Datenverarbeitung keine Seltenheit mehr 1 . Anwaltskanzleien<br />
nutzen Computer mittlerweile nicht nur lediglich für<br />
klassische Schreibaufgaben. Anwaltsprogramme ermöglichen<br />
und unterstützen beispielsweise die Adressen- und<br />
Aktenverwaltung, die Buchhaltung, Lohnabrechnungen,<br />
Unterhaltsberechnungen sowie Gebührenrechnungen. Die<br />
überwiegende Anzahl juristischer Fachzeitschriften ist zusätzlich<br />
als CD-ROM erhältlich. Formularbücher enthalten<br />
regelmäßig Disketten oder CDs mit der Möglichkeit, die<br />
im Buch enthaltenen Formulierungsvorschläge in die Textverarbeitung<br />
zu übernehmen.<br />
Aus diesem Grunde ist die steuerliche Behandlung von<br />
Computern von allgemeiner Bedeutung. Wegen des raschen<br />
technischen Fortschritts bei Computern ergeben sich auch<br />
regelmäßig Änderungen bei deren steuerlicher Behandlung,<br />
so daß dieser Beitrag einen aktuellen Überblick hierüber<br />
verschaffen will.<br />
II. Abschreibung bei Einkünften aus<br />
nichtselbständiger Arbeit<br />
1. Nichtselbständige Arbeit<br />
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 2 I Nr. 4, 19<br />
I Nr. 1 EStG) erzielen insbesondere Richter 2 , Staatsanwälte,<br />
Professoren 3 , Beamte, Referendare 4 und sonstige angestellte<br />
Juristen. Rechtsanwälte erzielen Einkünfte aus<br />
nichtselbständiger Arbeit, sofern sie ihrerseits bei einem<br />
anderen Rechtsanwalt angestellt sind oder aufgrund eines<br />
Arbeitsverhältnisses für Banken, Versicherungen, berufs-<br />
1 Werner, Elektronische Datenverarbeitung bei Zivilgerichten, NJW 1997, 293 ff.<br />
2 BFH, BStBl III 1958, 255.<br />
3 BFH, BSTBl II 1992, 176.<br />
4 BFHE 139, 190.
AnwBl 4/99 221<br />
Mitteilungen l<br />
ständische Vereinigungen oder Gewerkschaften tätig werden<br />
5 . Die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger<br />
Tätigkeit kann bei Rechtsanwälten bisweilen<br />
schwierig sein. Maßgebend ist das Gesamtbild der Verhältnisse<br />
6 . Gemäß § 1 II 2 LStDV liegt eine nichtselbständige<br />
Tätigkeit vor, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres<br />
geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers<br />
steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers<br />
dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.<br />
Wesentliche Merkmale der Arbeitnehmereigenschaft sind<br />
u. a.: Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt<br />
der Tätigkeit; feste Arbeitszeiten; feste Bezüge; Anspruch<br />
auf Urlaub und Sozialleistungen, Lohnfortzahlung<br />
im Krankheitsfall; kein Unternehmerrisiko; kein Kapitaleinsatz<br />
7 .<br />
Die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit werden<br />
ermittelt durch den Überschuß der Einnahmen über die<br />
Werbungskosten (§ 2 II Nr. 2 EStG). Werbungskosten sind<br />
Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung<br />
der Einnahmen (§ 9 I 1 EStG), also alle beruflich veranlaßten<br />
Aufwendungen 8 . Zu den Werbungskosten können auch<br />
die Anschaffungskosten für Computer und Zubehör fallen,<br />
nämlich unter dem Gesichtspunkt von Aufwendungen für<br />
Arbeitsmittel (§ 9 I 3 Nr. 6 EStG).<br />
In den Lohnsteuertabellen ist bereits der sogenannte<br />
Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von DM 2.000 enthalten,<br />
so daß beim Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers Werbungskosten<br />
in dieser Höhe bereits berücksichtigt werden.<br />
Wird der Computer eines Arbeitnehmers als Arbeitsmittel<br />
anerkannt, hat er einen großen Schritt auf dem Weg zur<br />
Einkommensteuererstattung zurückgelegt.<br />
2. Aufteilungs- und Abzugsverbot, § 12 Nr. 1 EStG<br />
Die Werbungskosten sind von den allgemeinen Lebenshaltungskosten<br />
(§ 12 EStG) abzugrenzen. Probleme können<br />
sich bei Computern insoweit ergeben, als sie einerseits der<br />
Einkunftserzielung dienen, andererseits aber auch privat<br />
genutzt werden können. Solche gemischten Aufwendungen<br />
sind aufgrund des in § 12 Nr. 1 EStG enthaltenen Aufteilungs-<br />
und Abzugsverbots grundsätzlich nicht abziehbar 9 .<br />
Ein voller Werbungskostenabzug wird jedoch dann zugelassen,<br />
wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt<br />
und die allgemeine Lebensführung hierbei von untergeordneter<br />
Bedeutung ist 10 .<br />
Der Umstand der weitaus überwiegenden beruflichen<br />
Nutzung muß gegenüber dem Finanzamt nachgewiesen<br />
oder zumindest glaubhaft gemacht werden 11 , so daß es sich<br />
in jedem Fall empfiehlt, bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung<br />
anzugeben, worin die berufliche Verwendung<br />
besteht. Die Finanzverwaltung stellt aufgrund gewisser<br />
Umstände Vermutungen an, die für eine berufliche oder<br />
private Nutzung sprechen können. So spricht zunächst der<br />
Erwerb eines Laptops oder Notebooks für eine berufliche<br />
Nutzung, da diese gegenüber einem PC bauartbedingt teurer<br />
sind 12 und sich weniger für Spiele eignen. Die Nutzung<br />
des eigenen PC in den Räumen des Arbeitgebers spricht<br />
ebenfalls dafür. Demgegenüber sprechen Soundkarten, Joysticks,<br />
Modems, 3D-Grafikkarten oder Spielesoftware für<br />
eine steuerschädliche private Verwendung 13 .<br />
Für Arbeitnehmer kann sich der Versuch, die Kosten für<br />
eine Internet-Benutzung abzusetzen, als nachteilig erweisen.<br />
Zwar ist das juristische Angebot im Internet bereits<br />
vielversprechend (z. B. Bundesgestzblatt 14 , Bußgeldkatalog<br />
15 ). Dennoch geht die Finanzverwaltung bei der Benut-<br />
zung von Online-Diensten oder Providern zunächst von einer<br />
steuerschädlichen privaten Mitbenutzung aus 16 . Dies<br />
erscheint auch sachgerecht, da Angestellte selbst nicht am<br />
Markt tätig sind und deshalb aus beruflichen Gründen<br />
weder eine Homepage noch eine E-Mail-Adresse benötigen.<br />
3. Absetzung für Abnutzung, § 7 EStG<br />
Da die Kosten für leistungsfähige Computer über<br />
DM 926 inkl. MwSt. liegen, können sie lediglich nach den<br />
Grundsätzen der Absetzung für Abnutzung (Afa) abgeschrieben<br />
werden (§§ 9 I 3 Nr. 7, 7 EStG). Gemäß § 7 I<br />
EStG sind die Anschaffungskosten auf den Zeitraum ihrer<br />
voraussichtlichen Nutzungsdauer in gleichen Jahresbeträgen<br />
(linear) zu verteilen. Diese Nutzungsdauer ist zu schätzen,<br />
wofür die amtliche Afa-Tabelle einen groben Anhaltspunkt<br />
gibt 17 . Lange Zeit wies die amtliche AfA-Tabelle für Computer<br />
eine Nutzungsdauer von fünf Jahren aus. Nunmehr<br />
legt sie für Computer, die nach dem 30.6.1997 angeschafft<br />
wurden, eine Abschreibungsdauer von vier Jahren fest 18 .<br />
Der bloße Hinweis auf die raschen Neuentwicklungen im<br />
EDV-Bereich genügt nicht, um im Einzelfall eine kürzere<br />
Abschreibungsdauer zu erwirken 19 . Dies dürfte für Juristen<br />
um so mehr gelten, als sie den Computer beruflich vorwiegend<br />
für die Textverarbeitung gebrauchen, die keine allzu<br />
hohen Anforderungen an den technischen Stand des Computers<br />
stellt. Dennoch kann es nicht schaden, beim Finanzamt<br />
eine Abschreibung über drei Jahre anzuregen, da dies<br />
gelegentlich Erfolg hat. Laptops und Notebooks mit geringer<br />
Speicherkapazität dürfen bereits über drei Jahre abgeschrieben<br />
werden20 . In der Literatur wird die Abschreibung<br />
über drei Jahre für alle Computer befürwortet 21 . Wird der<br />
Computer in der 1. Jahreshälfte erworben, kann aus Vereinfachungsgründen<br />
der volle AfA-Jahresbetrag abgesetzt werden,<br />
sonst nur der halbe 22 . Die Anwendung der AfA kann<br />
nicht dadurch umgangen werden, daß nacheinander einzelne<br />
Teile (Drucker, Monitor) dazugekauft werden. Sie<br />
sind mit der gesamten Computeranlage als einheitliches<br />
Wirtschaftsgut anzusehen, da sie zu einer selbständigen<br />
Nutzung nicht fähig sind 23 . Jedoch kann die notwendige<br />
Software im Wert bis zu DM 926 sofort abgesetzt werden 24 .<br />
Abzugsfähige Aufwendungen sind neben den Anschaffungs-<br />
auch die Reparatur- und Reinigungskosten sowie Kosten<br />
für Papier, Tintenpatronen, Disketten etc.<br />
5 Schmidt/Seeger, § 18 Rdnr. 98.<br />
6 Meyer, Die Besteuerung der Anwaltskanzlei, 1992, Seite 3.<br />
7 Vgl. A 67 LStR.<br />
8 Vgl. A 33 LStR.<br />
9 BFH BStBl II 1993, 559.<br />
10 Ebd.<br />
11 BFH/NV 1996, 207.<br />
12 OFD Saarbrücken, Vfg. v. 11.7.1997, DStR 1997, 1367 ff.<br />
13 Ebd.<br />
14 Http://www.jura.uni-sb.de/BGBl.<br />
15 Http://www.traxxx.de/adac/autorecht/bussgeldkatalog.html.<br />
16 OFD Saarbrücken, DStR 1997, 1367 ff.<br />
17 FG Rheinland-Pfalz, EFG 1996, 362, 363.<br />
18 FG Köln, EFG 1996, 851 – nicht rechtskräftig; OFD Saarbrücken, DStR 1997,<br />
1367.<br />
19 OFD Saarbrücken, aaO.<br />
20 FG Rheinland-Pfalz, EFG 1996, 362 f.<br />
21 Schmidt/Drenseck, § 7 Rdnr. 87.<br />
22 R 44 II EStR.<br />
23 FG München, EFG 1993, 214.<br />
24 R 31 a I EStR 1993.
222<br />
l<br />
Das sog. Aufrüsten eines Computers, beispielsweise<br />
durch den Einbau eines schnelleren Prozessors oder einer<br />
leistungsfähigeren Grafikkarte, kann sich steuerlich als günstiger<br />
erweisen als der Erwerb eines neuen Computers.<br />
Zwar handelt es sich beim Aufrüsten eines Computers nicht<br />
um Kosten der Instandhaltung, sondern um nachträgliche<br />
Anschaffungskosten, die mit den ursprünglichen Anschaffungskosten<br />
eine wirtschaftliche Einheit bilden 25 . Aber die<br />
Kosten der Aufrüstung werden zum Restwert des Computers<br />
addiert und können über den Zeitraum der Restnutzungsdauer<br />
abgeschrieben werden.<br />
Berechnungsbeispiel 26<br />
Kaufpreis Computer Februar 1993 DM 5.000<br />
abzüglich Afa = 1/5 pro Jahr 1993 – 1995 DM 3.000<br />
Restwert Ende 1995 DM 2.000<br />
zzgl. Kaufpreis neuer Prozessor März 1996 DM 1.000<br />
Wert nach Aufrüstung DM 3.000<br />
Afa 1996 und 1997 je DM 1.500<br />
(Restnutzungsdauer 2 Jahre)<br />
Wird hingegen ein neuer Computer erworben, ist dieser<br />
wieder über die volle Nutzungsdauer abzuschreiben. Demgegenüber<br />
können die Afa-Jahresbeträge für den alten<br />
Computer nur dann weiter abgesetzt werden, wenn er nach<br />
wie vor weitaus überwiegend beruflich genutzt werden würde.<br />
Dieser Nachweis kann sich als schwierig erweisen.<br />
Ausgeschlossen ist eine weitere Absetzung bei Veräußerung.<br />
4. Außergewöhnliche technische und wirtschaftliche<br />
Abnutzung<br />
In Ausnahmefällen kann im Zusammenhang mit Computern<br />
eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung<br />
(§§ 9 I 3 N. 7, 7 I 5 EStG) geltend gemacht werden. Das<br />
Finanzamt erkennt dies für einen Computer der 486er- oder<br />
einer niedrigeren Leistungsklasse ohne nähere Prüfung an,<br />
wenn er 3 Jahre genutzt worden ist 27 . Eine außergewöhnliche<br />
technische Abnutzung liegt vor, wenn der Computer<br />
oder Teile davon kaputtgehen.<br />
5. Umwidmungen und Schenkungen<br />
Computer, die ursprünglich nicht für berufliche Zwecke<br />
genutzt wurden, können umgewidmet werden 28 . Nach den<br />
Grundsätzen der AfA können dann die Jahresbeträge abgesetzt<br />
werden, in denen eine berufliche Nutzung stattfindet.<br />
Auch geschenkte Computer können nach den Anschaffungskosten<br />
des Schenkers oder bei gebrauchten Sachen<br />
nach dem Restwert abgesetzt werden 29 .<br />
III. Abschreibung bei Einkünften aus<br />
selbständiger Arbeit<br />
1. Selbständige Tätigkeit<br />
Rechtsanwälte erzielen Einkünfte aus selbständiger<br />
Arbeit, wenn sie freiberuflich tätig sind (§ 18 I Nr. 1<br />
EStG). Das ist der Fall, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die<br />
ihrem typischen Berufsbild entsprechen. Gemäß §§ 1-3<br />
BRAO ist der Rechtsanwalt Organ der Rechtspflege, betreibt<br />
kein Gewerbe und ist der unabhängige Berater und<br />
Vertreter der Rechtssuchenden in allen Rechtsangelegenheiten.<br />
Ferner gehören zu den freiberuflichen anwaltlichen Tätigkeiten<br />
Testamentsvollstreckungen, Konkursverwaltungen,<br />
Vermögensverwaltungen und Aufsichtsratsmitgliedschaften<br />
AnwBl 4/99<br />
Mitteilungen<br />
(§ 18 I Nr. 3 EStG). Wird ein Rechtsanwalt in eine Sozietät<br />
aufgenommen, so ist er selbständig und nicht Arbeitnehmer,<br />
auch wenn er einen festbestimmten Betrag am Gewinnanteil<br />
erhält 30 .<br />
Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gehören zu den<br />
Gewinneinkunftsarten (§ 2 II Nr. 1 EStG). Es ist der Gewinn<br />
zu versteuern. Dem Rechtsanwalt stehen nach dem<br />
EStG zwei Möglichkeiten der Gewinnermittlung zur Verfügung,<br />
nämlich der Betriebsvermögensvergleich gemäß<br />
§ 4 I EStG und die Einnahmen-Überschußrechnung gemäß<br />
§ 4 III EStG. Er wird sich in der Regel für die zweite Möglichkeit<br />
entscheiden, da sie einfacher zu handhaben ist.<br />
Diese Möglichkeit steht dem Rechtsanwalt offen, da er zur<br />
Führung von Büchern gesetzlich nicht verpflichtet ist<br />
(§ 141 AO). Die Einnahmen-Überschußrechnung berechnet<br />
lediglich den Überschuß der Betriebseinnahmen über die<br />
Betriebsausgaben. Im Gegensatz zum Betriebsvermögensvergleich<br />
spielen Forderungen keine Rolle. Nur auf tatsächlich<br />
geflossene Beträge kommt es an. Zu den Betriebsausgaben<br />
gehören auch die Anschaffungskosten für Computer.<br />
2. Aufteilungs- und Abzugsverbot, § 12 EStG<br />
Hierbei gelten im wesentlichen die gleichen Grundsätze<br />
wie bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Da der<br />
Selbständige jedoch selbst am Markt teilnimmt, dürfte sich<br />
die Internet-Benutzung nicht als steuerschädlich erweisen.<br />
3. Absetzung für Abnutzung, § 7 EStG<br />
Die in der amtlichen Afa-Tabelle vorgesehene Abschreibungsdauer<br />
von vier Jahren ist auch für Freiberufler maßgeblich.<br />
Allerdings kann der Selbständige im Gegensatz zum<br />
Arbeitnehmer von der degressiven Afa gemäß § 7 II EStG<br />
Gebrauch machen. Das bedeutet, daß statt der Absetzung<br />
gleicher Jahresbeträge von den Anschaffungskosten (lineare<br />
Afa) jedes Jahr ein unveränderlicher Prozentsatz vom Restwert<br />
abgeschrieben werden kann, der das dreifache der linearen<br />
Afa und 30% nicht übersteigt. Da der Restwert bei<br />
der degressiven Afa niemals Null erreichen kann, ist ein<br />
Wechsel von der degressiven zur linearen Abschreibung<br />
(nicht umgekehrt) möglich (§ 7 III EStG). Die degressive<br />
Afa ist neben einer Absetzung für außergewöhnliche technische<br />
oder Abnutzung nicht zulässig (§ 7 II 4 EStG).<br />
Sie ist – ebenso wie Sonderabschreibungen – in formeller<br />
Hinsicht nur zulässig, wenn ein besonderes Verzeichnis<br />
hierüber angelegt wird (§§ 7 II 3, 7 a VIII EStG). Aus diesem<br />
muß sich der Tag der Anschaffung, die Kosten, die<br />
gewöhnliche Nutzungsdauer und die Höhe der jährlichen<br />
Afa sowie der Sonder-Afa ergeben (§ 7a VIII EStG). Das<br />
Verzeichnis braucht nicht geführt zu werden, wenn diese<br />
Angaben aus der Buchführung ersichtlich sind.<br />
4. Sonderabschreibung gemäß § 7g EStG<br />
Bei der Anschaffung von fabrikneuen beweglichen<br />
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens kommt für Freiberufler,<br />
also auch für Rechtsanwälte, eine zusätzliche Son-<br />
25 FG Rheinland-Pfalz, EFG 1996, 362 f.<br />
26 Zur Berechnung vgl. auch OFD Saarbrücken, DStR 1997, 1367.<br />
27 Schmittmann / Kocker, ZAP 1998, 33, 36.<br />
28 BFH, BStBl II 1990, 684.<br />
29 BFH, BStBl II 1990, 883.<br />
30 Schmidt/Seeger, § 18 Rdnr. 8.
AnwBl 4/99 223<br />
Mitteilungen l<br />
derabschreibung nach § 7g EStG in Betracht. Zu den Wirtschaftsgütern<br />
des Anlagevermögens gehören auch Computer,<br />
da sie dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb<br />
zu dienen (vgl. § 247 II HGB) 31 . Innerhalb des Begünstigungszeitraums<br />
von 5 Jahren beträgt die Sonder-Afa<br />
insgesamt 20 % der Anschaffungskosten. Sie kann also beliebig<br />
auf diesen Zeitraum verteilt werden. Dadurch lassen<br />
sich Gewinnspitzen glätten und bei Neugründungen das<br />
Abschreibungsvolumen für spätere Jahre erhalten. Die Sonder-Afa<br />
kann im Anschaffungsjahr aber auch in voller<br />
Höhe von 20% in Anspruch genommen werden und zwar<br />
unabhängig vom genauen Anschaffungszeitpunkt 32 (anders<br />
als bei der Afa gemäß § 7 I EStG, die nur bei Anschaffung<br />
in der ersten Jahreshälfte zum Abzug der vollen Jahres-Afa<br />
berechtigt). Grundsätzlich ist neben Sonderabschreibungen<br />
nur die lineare Afa zulässig (§ 7a IV EStG). Die Sonderabschreibung<br />
gemäß § 7g EStG ist hingegen auch neben<br />
der in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten degressiven<br />
Afa möglich.<br />
Da es sich bei der Sonderabschreibung nach § 7g EStG<br />
um die sogenannte Mittelstands-Afa handelt, darf das Betriebsvermögen<br />
am Schluß des der Anschaffung vorangegangenen<br />
Jahres DM 400.000 nicht überstiegen haben.<br />
Diese Voraussetzung gilt kraft Gesetzes als erfüllt, wenn<br />
der Betrieb (der Rechtsanwalt) seinen Gewinn gemäß § 4<br />
III EStG, also durch Einnahmen-Überschußrechnung, ermittelt.<br />
Auf den tatsächlichen Wert des Betriebsvermögens<br />
kommt es dann nicht mehr an, selbst wenn er – wie bei großen<br />
Sozietäten – offenkundig den Grenzwert übersteigt.<br />
Weitere Voraussetzung ist, daß die betreffenden Computer<br />
für mindestens ein Jahr im Betrieb verbleiben und sie ausschließlich<br />
oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden.<br />
Rechtsreferendar Thorsten Vehslage, Hamburg<br />
31 R 32 I EStR.<br />
32 Schmidt/Drenseck, § 7 g, Rdnr. 15.<br />
Haftpflichtfragen<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk<br />
Allianz Versicherungs-AG München<br />
Vertrauensschutz für den Rechtsanwalt?<br />
Das Vertrauen darf als geschütztes Rechtsgut in unserem<br />
Rechtssystem angesehen werden, der Vertrauensschutz ist<br />
als wesentlicher rechtsstaatlicher Grundsatz anerkannt.<br />
Dies gilt sowohl im Verhältnis der Beteiligten am Rechtsverkehr<br />
untereinander, als auch im besonderen im Verhältnis<br />
des Bürgers zum Staat. Das Vertrauen auf ein bestimmtes<br />
Verhalten dient als Maßstab oder sogar Begründung für<br />
rechtliche Beziehungen. Inwieweit der Rechtsanwalt bei<br />
seiner Tätigkeit auf bestimmte Umstände vertrauen darf,<br />
zeigt sich in der haftungsrechtlichen Rechtsprechung. Wenn<br />
es – wie häufig – um die Einhaltung prozessualer Notfristen<br />
geht, kann dies vor allem für die Wiedereinsetzungsfrage<br />
eine Rolle spielen.<br />
1. Vertrauen in den Mandanten<br />
Das Mandatsverhältnis ist bekanntlich ein sog. Vertrauensverhältnis<br />
zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Insofern<br />
darf der Rechtsanwalt auch im Rahmen der<br />
Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich auf die vom Mandanten<br />
gegebenen Informationen vertrauen. Dies bedeutet allerdings<br />
nur, daß er nicht annehmen muß, daß der Mandant<br />
lügt; er hat grundsätzlich keine Pflicht, selbst Nachforschungen<br />
zu tatsächlichen Angaben anzustellen (BGH,<br />
NJW 85, 1154). Sobald es jedoch um die Vollständigkeit<br />
der Informationen geht, ist Mißtrauen grundsätzlich angebracht.<br />
Insbesondere wenn „Zweifel, die er als Rechtskundiger<br />
erkennen kann und muß, während sie auch einem geschäftsgewandten<br />
Unkundigen verborgen bleiben können“<br />
(BGH, NJW 61, 601, 602) bestehen, muß er weiterfragen.<br />
Er muß auch bei lückenhafter Information über mögliche<br />
prozessuale Nachteile unterrichten (BGH, NJW 82, 437).<br />
Wenn mit den Informationen eine rechtliche Wertung verbunden<br />
ist, sollte der Rechtsanwalt nichts mehr glauben:<br />
selbst wenn der Mandant mitteilt, er habe von einem Urteil<br />
nur auf Umwegen erfahren oder es sei ihm eben erst zugestellt<br />
worden, darf sich der Anwalt hiermit nicht zufrieden<br />
geben, sondern muß gegebenenfalls bei Gericht nachforschen<br />
(BGH, NJW 94, 2293).<br />
2. Vertrauen in Hilfspersonen<br />
Zur Bewältigung seiner umfangreichen Aufgaben muß<br />
der Anwalt im allgemeinen die Hilfe und Zuarbeit anderer<br />
in Anspruch nehmen. Inwieweit er dabei darauf vertrauen<br />
darf, daß diese Hilfspersonen keine Fehler machen, spiegelt<br />
sich in besonderem Maße in der Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung<br />
wider. Ein vom Büropersonal verursachter<br />
Fehler wird dem Rechtsanwalt nur dann nicht zugerechnet,<br />
wenn er durch organisatorische Maßnahmen soweit wie<br />
möglich sichergestellt hat, daß keine Fehler passieren können.<br />
Nur wenn eine bestimmte Hilfsperson den ihr eindeutig<br />
zugeordneten und übertragenen Pflichten nicht nachkommt,<br />
kann sich der Rechtsanwalt exkulpieren; auf die umfangreiche<br />
Rechtsprechung hierzu soll an dieser Stelle nicht näher<br />
eingegangen werden. Hinzuweisen ist aber auf den BGH-Beschluß,<br />
NJW 99, 429, nach dem eine konkrete Anweisung<br />
an eine bestimmte Angestellte, einen fristwahrenden Schriftsatz<br />
4 Tage später per Fax an das Gericht zu übermitteln,<br />
den Anforderungen nicht genügt: Durch eine erst nach Tagen<br />
auszuführende Anweisung an eine Angestellte, die in<br />
der Zwischenzeit und an dem betreffenden Tag mit anderen<br />
Arbeiten beschäftigt wird, wird der Gefahr, daß die Befolgung<br />
der Anweisung vergessen wird, Vorschub geleistet.<br />
Vertrauen in Hilfspersonen darf der Anwalt also im allgemeinen<br />
haben, aber nur darauf, daß eindeutig zugewiesene<br />
zeitnahe Aufgaben erfüllt werden, nicht hingegen auf eine<br />
Erledigung durch „das Büro“ im allgemeinen.<br />
3. Vertrauen auf die Technik<br />
Freund und Feind im Leben des modernen Menschen,<br />
und also auch des modernen Rechtsanwalts, sind die technischen<br />
Hilfsmittel, namentlich PC und Fax. Beide haben bekanntlich<br />
ihre Tücken, und daß dies einkalkuliert werden<br />
und vorhersehbare Fehlerquellen soweit wie möglich ausgeschaltet<br />
werden müssen, läßt sich der Wiedereinsetzungsrechtsprechung<br />
der letzten Jahre entnehmen. Sowohl der<br />
PC (Stichwort „elektronischer Fristenkalender“) als auch<br />
das Fax (fristwahrende Schriftsätze am Tag des Fristablaufs)<br />
können gefährlich sein, wenn die Technik versagt.
224<br />
l<br />
a) Der elektronische Fristenkalender<br />
Gerade in größeren Kanzleien kann der EDV-gestützte<br />
Fristenkalender hilfreich sein. Das Risiko, daß durch einen<br />
„Absturz“ oder sonstige Unwägbarkeiten Daten verloren<br />
gehen, muß aber nach der Rechtsprechung soweit wie möglich<br />
ausgeschaltet werden. Insbesondere müssen alle Eingaben<br />
in den EDV-Kalender durch Ausgabe der eingegebenen<br />
Einzelvorgänge über Drucker kontrolliert werden (z. B.<br />
BGH, NJW-RR 97, 698 sowie BB 98, 2603), es muß ein<br />
Fehlerprotokoll erstellt werden (BGH NJW 95, 1756).<br />
Nach BGH, NJW 97, 327 erfordert es die Sorgfaltspflicht,<br />
daß eine Servicefirma beauftragt ist, Reparaturen unverzüglich<br />
durchzuführen bzw. für die Ausgabe der gespeicherten<br />
Fristen zu sorgen.<br />
b) Telefax<br />
Das Telefax als Hilfsmittel zur Übersendung von Schriftsätzen<br />
ist mittlerweile völlig anerkannt. Es wird auch dementsprechend<br />
häufig genutzt, um zum Zwecke des (vermeintlichen)<br />
Zeitgewinns fristwahrende Schriftsätze am letzten<br />
Fristtag noch an das Gericht zu übermitteln. Auch hier darf<br />
das Vertrauen in die Technik nicht grenzenlos sein. Der<br />
Rechtsanwalt muß zunächst einmal die menschlichen Fehlerquellen<br />
ausschalten, indem er eine Kontrolle der ordnungsgemäßen<br />
Übermittlung anordnet: es muß ein Einzelnachweis<br />
ausgedruckt werden (BGH NJW 89, 589), der insbesondere<br />
auf die korrekte Seitenzahl (BGH NJW 94, 1878), aber auch<br />
auf die zutreffende Faxnummer (KG, MDR 98, 1188) hin<br />
überprüft werden muß. Grundsätzlich muß der Rechtsanwalt<br />
organisatorische Anweisungen für das Verhalten bei Störfällen<br />
im Telefaxverkehr treffen (BGH NJW-RR 98, 1361). Lediglich<br />
das Risiko durch eine Störung beim Empfangsgerät<br />
darf nach BGH, NJW-RR 97, 250 nicht auf den Sender abgewälzt<br />
werden; die Behörden müssen für ein empfangsbereites<br />
Gerät sorgen (BGH, NJW 92, 244).<br />
Dies führt uns zum nächsten Thema:<br />
4. Vertrauen in die Justiz<br />
Inwieweit darf man auf ein ordnungs- und pflichtgemäßes<br />
Handeln der Justiz vertrauen? Im Gegensatz zu den zuvor<br />
behandelten Bereichen „Büro“ und „Technik“ liegt das<br />
Handeln der Justiz weitgehend außerhalb des Einflußbereichs<br />
des Anwalts. Soweit der Rechtsanwalt Einfluß<br />
nehmen kann, werden ihm von der Rechtsprechung allerdings<br />
entsprechende Pflichten auferlegt:<br />
a) Organisationsmängel<br />
Im Hinblick auf das ordnungsgemäße Handeln der<br />
Justizbehörden im allgemeinen macht die Rechtsprechung<br />
allerhand Zugeständnisse. So werden grundsätzlich solche<br />
Verzögerungen, die während der Bearbeitung bei Gericht<br />
auftreten, nicht der Partei bzw. deren Anwalt zugerechnet.<br />
Beispielhaft sei genannt die bekannte Rechtsprechung zur<br />
Zustellung „demnächst“ gemäß § 270 Abs. 3 bzw. § 693<br />
Abs. 2 ZPO. Das OLG Hamm (NJW-RR 98, 1104) verlangt<br />
allerdings dennoch baldiges Nachfragen durch den Rechtsanwalt.<br />
Die Rechtsprechung hilft aber zuweilen sogar, Fehler<br />
des Rechtsanwalts durch Einreichung beim unzuständigen<br />
Gericht zu beseitigen: wenn der Schriftsatz einige Zeit<br />
vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht eingeht, darf<br />
der Rechtsanwalt beispielsweise darauf vertrauen, daß der<br />
Schriftsatz „im ordentlichen Geschäftsgang“ an das zuständige<br />
Gericht weitergeleitet wird (BGH, VersR 98, 608),<br />
AnwBl 4/99<br />
Mitteilungen<br />
und daß eine richterliche Weiterleitungsverfügung auch<br />
ordnungsgemäß ausgeführt wird (BGH, BGHR ZPO § 233<br />
– Rechtsmitteleinlegung 8; näheres hierzu siehe Haftpflichtfragen<br />
<strong>Anwaltsblatt</strong> 98, 532).<br />
b) „Auskünfte“<br />
Eine durch irrige Rechtsmeinung des Gerichts verursachte<br />
falsche Einschätzung der Rechtslage kann grundsätzlich<br />
einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn hierdurch<br />
ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wird.<br />
Dies kann insbesondere bei unzutreffenden Rechtsmittelbelehrungen<br />
gelten, so z. B. bezüglich der Rechtsmitteleinlegung<br />
in Landwirtschaftssachen in Bayern durch den<br />
zuständigen Fachsenat des OLG (BGH, NJW 93, 3206). In<br />
einer neueren Entscheidung vom 10.12.98 (III ZR 2/98)<br />
wendet der BGH § 58 VwGO analog an, um dem Beteiligten<br />
in einer Baulandsache zu helfen, der aufgrund der falschen<br />
Rechtsmittelbelehrung das Rechtsmittel verfristet und<br />
beim falschen Gericht eingereicht hatte.<br />
In der Entscheidung vom 26.11.97, NJW-RR 98, 638,<br />
hielt der BGH hingegen Zweifel an der Richtigkeit der<br />
richterlichen Auskunft für angebracht. Hier hatte sich der<br />
Rechtsanwalt durch einen falschen mündlichen Hinweis<br />
des Berichterstatters verunsichern lassen und nahm daraufhin<br />
die (richtige) sofortige Beschwerde zurück, um dann<br />
(unzutreffend) Revision einzulegen. Hier hätte er das richtige<br />
Rechtsmittel vor Rücknahme der Beschwerde – trotz<br />
des Hinweises des Gerichts – nochmals überprüfen müssen.<br />
Seine eigene abweichende Ansicht hätte wohl Anlaß zu<br />
Mißtrauen geben müssen.<br />
c) Rechtsprechung<br />
Inwieweit der Anwalt auf die Bindungswirkung vorhandener<br />
Rechtsprechung vertrauen darf, ist ein weites Feld.<br />
Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt auf den Fortbestand<br />
der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Dem<br />
steht nicht entgegen, daß die Obergerichte ihre Rechtsprechung<br />
zu einzelnen Fragen auch einmal ändern können,<br />
etwa entsprechend einer geänderten allgemeinen Rechtsauffassung.<br />
Hierbei ist es aber die Frage, ob dieses Risiko haftungsrechtlich<br />
dem Rechtsanwalt aufgebürdet werden kann,<br />
oder ob dies zum allgemeinen Prozeßrisiko des Mandanten<br />
gehört. Der BGH (NJW 93, 3323) meint, daß besondere<br />
Umstände den Vertrauensschutz entfallen lassen, namentlich<br />
einschlägige Gesetzesänderungen, Hinweise des Gerichts<br />
auf eine eventuelle Rechtsprechungsänderung, ja sogar<br />
ein dogmatischer Wandel auf dem betreffenden<br />
Rechtsgebiet. In der Entscheidung NJW 73, 364 reichte<br />
dem BGH, daß die Frage „in Rechtsprechung und Schrifttum<br />
umstritten“ war. Auch hier darf das Vertrauen also<br />
nicht allzu groß sein.<br />
d) Unzutreffende Rechtsansichten des Gerichts<br />
Daß auch Richter nur Menschen sind und über ein „nur<br />
unvollkommenes menschliches Erkenntnisvermögen verfügen“<br />
(BGH, NJW 74, 1865, 1866) ist hinreichend bekannt.<br />
Demzufolge soll es vorkommen, daß auch Gerichte eine<br />
gesicherte Rechtsprechung, auf die der Anwalt auch mit<br />
den unter c) erwähnten Einschränkungen vertrauen durfte,<br />
ignorieren oder anerkannte prozessuale Hilfestellungen<br />
nicht gewähren. Nicht einmal in solchen Fällen darf der<br />
Anwalt die Sache aber „laufen lassen“. Er hat vielmehr die<br />
Pflicht, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und
AnwBl 4/99 225<br />
Mitteilungen l<br />
Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGH aaO.). Im<br />
Urteil vom 2.4.98 (NJW 98, 2048) hält es der BGH beispielsweise<br />
für unbeachtlich, daß das Gericht entgegen der<br />
insofern eindeutigen BGH-Rechtsprechung in einem Unterhaltsverfahren<br />
die Umdeutung einer Zahlungsklage in eine<br />
Abänderungsklage nicht vornahm. Er argumentiert, daß der<br />
Anwalt durch den fehlerhaften Antrag zusätzliche rechtliche<br />
Schwierigkeiten geschaffen und dem Gericht dadurch<br />
erst die Möglichkeit eröffnet hatte, sich bei deren Bewältigung<br />
zu irren (vgl. dazu die Urteilsbesprechung von Borgmann,<br />
BRAK-Mitteilungen 98, 169).<br />
e) „Gerichtliche Übung“<br />
Aus anderen Rechtsgebieten ist schließlich bekannt, daß<br />
jahrelange Übung bzw. Duldung einer bestimmten Verhaltensweise<br />
einen Vertrauenstatbestand setzt. Auch der Anwalt<br />
genießt grundsätzlich einen verfassungsrechtlich gebotenen<br />
Vertrauensschutz (BVerfG, NJW 98, <strong>185</strong>3). Hat<br />
beispielsweise ein Rechtsanwalt jahrelang unbeanstandet<br />
mit einer nach den Anforderungen der Rechtsprechung ungenügenden,<br />
verkürzten Unterschrift (Paraphe) unterzeichnet,<br />
so ist ihm, wenn eine derartige Unterzeichnung der<br />
Rechtsmittelschrift erstmals auf Bedenken des Gerichts<br />
stößt, in der Regel Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />
zu bewilligen (BGH, NJW 99, 60). Dem unter ständigem<br />
Zeitdruck stehenden Rechtsanwalt hat der BGH ferner in<br />
zwei neueren Entscheidungen geholfen: bei einem ersten<br />
Fristverlängerungsgesuch mit einer Begründung nach § 519<br />
Abs. 2 S. 3 ZPO darf er erwarten, daß seinem Antrag entsprochen<br />
wird (BVerfG, NJW 98, 3703 und ebenso BGH,<br />
NJW 99, 430). Steckt der Anwalt im Verkehrsstau und kündigt<br />
er per Handy dem Gericht sein um ca. zehn Minuten<br />
verspätetes Kommen an, so darf er erwarten, daß bis zehn<br />
Minuten nach der üblichen Wartezeit kein VU ergeht<br />
(BGH, U. v. 19.11.98, NJW 99, 724).<br />
Die Beispiele zeigen, daß die Rechtsprechung zuweilen<br />
willens ist, auch dem vertrauensseligen Rechtsanwalt einmal<br />
zu helfen, und so dem verfassungsrechtlich gebotenen<br />
Vertrauensschutz Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite<br />
muß man aber sehen, daß die Meßlatte angesichts der<br />
Erfahrung und der Fachkenntnisse höher liegt als beim<br />
„verständigen Durchschnittsbürger“. Es muß daher auch<br />
weiterhin gelten: Vertrauen ist gut, Vorsorge ist besser.<br />
Buchhinweis<br />
„Arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren – Handbuch für Verfahrensbevollmächtigte<br />
und Gerichte“ 2. Auflage 1998, Bund-<br />
Verlag, 128,– DM<br />
Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren nimmt selbst bei der<br />
Mehrzahl der Fachanwälte für Arbeitsrecht eher eine Außenseiterrolle<br />
ein und findet deshalb ganz im Gegensatz zu seiner betriebspolitischen<br />
und auch wirtschaftlichen Bedeutung in der juristischen<br />
Literatur eher wenig Beachtung. Die mit Fragen der Betriebsverfassung<br />
beschäftigten Rechtsanwälte und Verbandsjuristen der Arbeitgeberverbände<br />
und der Gewerkschaften hatten in der Vergangenheit<br />
folglich wenige Hilfsmittel für ihre Arbeit, weil die<br />
gängigen Kommentare zum Arbeitsgerichtsgesetz und zum Betriebsverfassungsgesetz<br />
die notwendige Hilfe, insbesondere die<br />
praktische Hilfe zur Formulierung von Anträgen, nicht geben können.<br />
So fand bereits die erste Auflage „Arbeitsgerichtliches Be-<br />
schlußverfahren, Handbuch für Verfahrensbevollmächtigte und Gerichte“<br />
aus dem Jahre 1994 eine freundliche Aufnahme. Jetzt liegt<br />
das Werk in erweiterter und grundlegend überarbeiteter zweiter<br />
Auflage vor. Die Arbeit mit dem Handbuch wird mit der beigefügten<br />
CD-ROM erleichtert, die das Auffinden gesuchter Begriffe und<br />
Zusammenhänge erleichtert und die Übernahme von Anträgen und<br />
Begründungen in den Schriftsatz ermöglicht. Dem Gebrauch des<br />
Buches schadet es im übrigen in keiner Weise, wenn die Verfasser<br />
aus ihrer parteilichen Haltung für die Durchsetzung der Interessen<br />
der Betriebsräte kein Hehl machen und im Vorwort ausdrücklich<br />
darauf hinweisen.<br />
Das Handbuch gliedert sich in acht Abschnitte. Es stellt in drei Abschnitten<br />
die Grundlagen des arbeitsrechtlichen Beschlußverfahrens<br />
und jeweils in einem Abschnitt die einstweilige Verfügung im<br />
Beschlußverfahren, die Zwangsvollstreckung, die Gegenstandswerte<br />
in Beschlußverfahren und betriebsverfassungsrechtliche Fallgruppen<br />
mit Musterschriftsätzen dar; der achte Abschnitt enthält<br />
unter anderem ein Verzeichnis der Gerichte für Arbeitssachen. In<br />
der Einleitung wird die Ausgangslage der juristischen Auseinandersetzungen<br />
dargestellt und die Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher<br />
Interessen außerhalb des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens.<br />
Den einzelnen Kapiteln ist eine Zusammenfassung<br />
vorangestellt unter dem Titel „Das Wichtigste in Kürze“, so daß<br />
der Leser schnell feststellen kann, ob das Kapitel die von ihm gesuchten<br />
Auskünfte hergibt. Die Grundlagen des arbeitsgerichtlichen<br />
Beschlußverfahrens werden ausführlich erörtert und dargestellt.<br />
Ein Schwerpunkt des Handbuches liegt in der Darstellung<br />
der Anträge im Beschlußverfahren. Hier wird erkennbar, daß es<br />
sich bei den Verfassern um erfahrene Praktiker handelt, die wissen,<br />
welch große Schwierigkeiten die Antragstellung im Beschlußverfahren<br />
bringen kann und wie oft an der fehlerhaften Antragsfassung<br />
das eingeleitete Beschlußverfahren scheitert, gerade und oft<br />
auch erst vor dem Bundesarbeitsgericht. Die Aufnahme eines eigenen<br />
Abschnitts für die Darstellung der Gegenstandswerte im Beschlußverfahren<br />
zeigt, daß die Verfasser die anwaltlichen Interessen<br />
der im Beschlußverfahren tätigen Anwälte sehr gut kennen,<br />
weil ja neben den Gebühren für die Rechtsanwälte, die nicht erstattungsfähig<br />
sind, keine Kosten im Beschlußverfahren anfallen.<br />
Diese sind kostenfrei. Hervorzuheben ist, daß die Verfasser die<br />
Zwangsvollstreckung darstellen, ein Gebiet, das gerade in der sonst<br />
vorliegenden Literatur ganz vernachlässigt wird, in der betrieblichen<br />
Praxis aber eine bedeutende Rolle spielt und nicht unerhebliche<br />
Schwierigkeiten in sich birgt.<br />
Eine bedeutende praktische Hilfe und Kern des vorgelegten Handbuches<br />
ist der siebte Abschnitt. Die Verfasser haben betriebsverfassungsrechtliche<br />
Fallgruppen gebildet und Musterschriftsätze entworfen,<br />
so daß alle in der betrieblichen Praxis vorkommenden<br />
wesentlichen Sachverhalte erfaßt sind. So finden sich allein fünf<br />
Musterschriftsätze im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl,<br />
vier Musterschriftsätze zum Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3<br />
BetrVG und zum allgemeinen Unterlassungsanspruch und acht<br />
Musterschriftsätze zum Problem Kosten- und Sachaufwand des<br />
Betriebsrats und Hinzuziehung von Sachverständigen. Rechtsbehelfe<br />
und Rechtsmittel im Beschlußverfahren und die Zwangsvollstreckung<br />
aus Beschlußverfahren sind mit einer reichlichen Anzahl<br />
von Musterschriftsätzen vertreten. Für den Praktiker ist hervorzuheben<br />
die ausführliche Darstellung der einstweiligen Verfügung im<br />
Beschlußverfahren. An dieser Stelle profitiert der Leser vom Anspruch<br />
der Verfasser, die Interessen der Betriebsräte durchzusetzen,<br />
weil in der betrieblichen Praxis die Durchsetzung der Interessen<br />
insbesondere der Betriebsräte oft nur mit einstweiligem Rechtsschutz<br />
effektiv möglich ist und die zu nehmenden Hürden im einstweiligen<br />
Rechtsschutz im Beschlußverfahren hoch sind, weil es<br />
Sachverhalte zu regeln gilt, die etwas außerhalb des sonstigen juristischen<br />
Umgangs liegen.<br />
Das in der zweiten Auflage vorgelegte Handbuch gehört in das<br />
Bücherregal jedes Juristen, der sich mit betriebsverfassungsrechtlichen<br />
Fragen beschäftigt und gibt auch dem Juristen die notwendige<br />
Sicherheit, der nur hin und wieder den Gang zum Arbeitsgericht<br />
zu gehen hat, und zwar ganz unabhängig davon, ob er für den<br />
Arbeitgeber oder den Betriebsrat tätig wird. Das Handbuch ermöglicht<br />
ihm eine sichere Antragsformulierung und gibt ausreichende<br />
Hinweise für eine schlüssige Begründung.<br />
Rechtsanwalt Hans-Dieter Wohlfarth, Fachanwalt für Arbeitsrecht
226<br />
l<br />
7<br />
Berufsrecht<br />
BRAO § 59 a; BerufsO § 31<br />
Die berufsrechtlichen Regelungen stehen der Beteiligung eines<br />
Rechtsanwalts an einer personenidentischen Zweitsozietät, deren<br />
Gegenstand (Geschäftszweck) keine berufstypischen (nur)<br />
dem Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten umfaßt, nicht entgegen.<br />
(LS der Redaktion)<br />
AGH Hamburg, Beschl. v. 6.1.1999 – II ZU 2/97<br />
Aus den Gründen: II.A. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />
ist nach § 223 BRAO statthaft. Als Auffangtatbestand gewährt<br />
die zitierte Bestimmung unabhängig davon, ob es sich bei<br />
der angegriffenen hoheitlichen Maßnahme um einen Verwaltungsakt<br />
im Sinne des Verwaltungsrechts handelt, ein Anfechtungsrecht<br />
immer dann, wenn die Maßnahme geeignet ist, in die Rechte des<br />
Betroffenen einzugreifen oder diese einzuschränken (Feuerich-<br />
Braun: BRAO 3. Auflage 1995, Rdnr. 6 zu § 223 BRAO, Henssler/<br />
Prütting: BRAO 1997, Rdnr. 5 zu § 223 BRAO jeweils m. w. N.).<br />
Dafür reicht bereits die Aufforderung des Vorstandes einer Rechtsanwaltskammer<br />
aus, einen beanstandeten Zustand zu beenden<br />
(EGH Stuttgart, BRAK-Mitt. 82, 129; EGH Stuttgart in AnwBl<br />
1988, 245; Feuerich-Braun aaO Rdnr; 28 zu § 223 BRAO, Henssler/Prütting<br />
aaO Rdnr. 16 zu § 223 BRAO). Die Antragsgegnerin<br />
hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 7.1.1997 untersagt,<br />
gleichzeitig Mitglied in der Sozietät (A) sowie der (B-) GbR zu<br />
sein und hat ihn unter Fristsetzung aufgefordert, den beanstandeten<br />
Zustand zu beenden, d. h. aus einer der beiden GbR als Gesellschafter<br />
auszuscheiden. Diese Maßnahme der Antragsgegnerin<br />
kann nach § 223 BRAO angegriffen werden. Der Antrag ist auch<br />
zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gestellt (§ 223 Abs. 1<br />
Satz 2, Abs. 4, 37, 39 BRAO).<br />
B. Der Antrag ist auch begründet. Die Aufforderung der<br />
Antragsgegnerin an den Antragsteller, seine Berufstätigkeit in der<br />
Weise einzurichten, entweder in der Sozietät (A) oder in der (B-)<br />
GbR berufstätig bzw. Gesellschafter zu sein, ist rechtswidrig. Sie<br />
läuft auf ein Verbot der Mitgliedschaft bzw. der Berufsausübung in<br />
einem gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluß von Rechtsanwälten<br />
hinaus. Ein solches Verbot, das die verfassungsrechtlich durch<br />
Art. 12 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit einschränkt, kann<br />
nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen und müßte<br />
zudem durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls geboten<br />
sein. Mit §§ 59a BRAO bzw. § 31 BerufsO läßt sich das Verbot<br />
nicht rechtfertigen.<br />
1. § 59 a BRAO regelt die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten<br />
untereinander sowie mit Angehörigen anderer sozietätsfähiger Berufsgruppen<br />
auf örtlicher, überörtlicher und internationaler Ebene<br />
und definiert den Begriff der Sozietät als die gemeinsame Berufsausübung<br />
im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse. Es handelt<br />
sich um eine Berufsausübungsregelung von erheblichem Gewicht.<br />
Entsprechendes gilt für die die Berufsausübung ergänzenden<br />
Regelungen in der Berufsordnung.<br />
a) § 59a Abs. 1 Satz 1 BGB untersagt dem Rechtsanwalt die<br />
parallele Berufsausübung in mehreren Sozietäten. Das bringt der<br />
Gesetzgeber mit den Worten „in einer Sozietät“ zum Ausdruck,<br />
wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 59a BRAO ergibt<br />
(vgl. Feuerich-Braun aaO Rdnr. 4, 11 zu § 59a BRAO; Hartung in<br />
Henssler/Prütting aaO Rdnr. 20 zu 59a BRAO; Jessnitzer/Blumberg:<br />
BRAO-Kom. 7. Auflage Rdnr. 3 zu § 59 a BRAO; Funke:<br />
Der Regierungsentwurf zur Rechtsanwalts-GmbH in AnwBl 1998,<br />
6, 7).<br />
b) Das anwaltliche Berufsrecht bezweckt mit dem Verbot der<br />
parallelen Berufsausübung in mehreren Sozietäten den Schutz der<br />
Mandantschaft vor Irreführungen (vgl. Römermann in: Hartung/<br />
Holl, BerufsO – Kom. 1997, Rdnr. 4, 22 zu § 31 BerufsO). Das<br />
von einem Mitglied der Sozietät namens der Sozietät angenom-<br />
AnwBl 4/99<br />
mene Mandat verpflichtet die zur gemeinsamen Berufsausübung<br />
verbundenen Mitglieder. Sie haften aus dem zwischen der Sozietät<br />
und dem Mandanten bestehenden Vertragsverhältnis solidarisch.<br />
Der rechtsuchende Mandant soll Klarheit darüber haben, mit wem<br />
er den Mandatsvertrag abgeschlossen hat sowie über die Person<br />
seiner Vertrags- und Haftungspartner. Es ist daher zu fragen, ob der<br />
Normzweck des § 59 a Abs. 1 S. 1 BRAO tatsächlich fordert, mit<br />
dem Verbot der Berufsausübung in mehreren Sozietäten sowohl<br />
die berufstypischen Tätigkeiten als auch die anwaltstypischen<br />
Nebentätigkeiten zu erfassen. Der Senat verneint die Frage. Er hält<br />
zur Durchsetzung des Normzwecks eine restriktive Auslegung des<br />
§ 59 a Abs. 1 S. 1 BRAO zumindest in den Fällen nicht für notwendig,<br />
in denen die Gesellschafter einer Anwaltssozietät anwaltliche<br />
Nebentätigkeiten in eine von ihnen gegründete personenidentische<br />
zweite GbR mit unterschiedlichem Namen, Inhalt und Gesellschaftszweck<br />
ausgliedern. Das ist auch gesellschaftsrechtlich ohne<br />
weiteres zulässig (Ulmer in MK-Schuldrecht Teil III, Band 5, 3.<br />
Auflage 1997, Rdnr. 56 zu § 705 BGB). Unter den genannten Voraussetzungen<br />
besteht weder die Gefahr der Irreführung der Mandantschaft<br />
noch kann von einer parallelen Berufsausübung in zwei<br />
Sozietäten gesprochen werden.<br />
Bei der Abgrenzung der berufstypischen Anwaltstätigkeit von<br />
der anwaltsüblichen Nebentätigkeit ist vom Berufsbild des Rechtsanwalts<br />
anhand der BRAO auszugehen. Danach ist der Rechtsanwalt<br />
Organ der Rechtspflege, übt einen freien Beruf aus und ist der<br />
berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten<br />
(§§ 1-3 BRAO). Sein Berufsbild wird somit von der Aufgabe<br />
geprägt, in allen Rechtsangelegenheiten eigenverantwortlich<br />
Rechtsrat zu erteilen und für Rechtsuchende deren Rechtsangelegenheiten<br />
zu besorgen (BGH-Beschl. v.17.1.1977 in BGHZ 68, 62 ff.).<br />
Bei den das Berufsbild prägenden typischen anwaltlichen Tätigkeiten<br />
steht somit die Rechtsberatung im Vordergrund. Berufstypische<br />
Tätigkeiten sind den Rechtsanwälten vorbehalten. Sie können nach<br />
den Bestimmungen der BRAGO abgerechnet werden.<br />
Demgegenüber sind die anwaltsüblichen Nebentätigkeiten weder<br />
dem Rechtsanwaltsberuf vorbehalten noch charakterisieren sie<br />
ihn in besonderer Weise. Im Vordergrund dieser Tätigkeiten stehen<br />
mehr kaufmännisch praktische oder vermögensanwaltliche Aufgaben<br />
(wie z. B. die des Testamentsvollstreckers, Konkursverwalters,<br />
Schiedsrichters, Treuhänders). Sie werden zudem im erheblichen<br />
Umfang auch von Angehörigen anderer Berufsgruppen (Steuerberater,<br />
Wirtschaftsprüfer) wahrgenommen. Die Vergütung erfolgt<br />
nicht nach der BRAGO (§ 1 Abs. 2 BRAGO). Es handelt sich häufig<br />
um Tätigkeiten, bei denen der Rechtsanwalt nicht im Auftrag<br />
und im Interesse einer Partei tätig wird.<br />
Aufgrund der zum 1.1.1996 erfolgten Ausgliederung der Insolvenzberatung<br />
und -verwaltung in die (B-) GbR kann es zu keiner<br />
Irreführung im Rechtsverkehr kommen. Der Antragsteller ist nicht<br />
gleichzeitig Mitglied in einer Sozietät ABCD und einer weiteren<br />
Sozietät ABXY. Die Gesellschafter der Sozietät (A) und der (B-)<br />
GbR sind personenidentisch. Bei dieser Konstellation liegt im Verhältnis<br />
der beiden GbR zueinander keine Sternsozietät (in Sinne<br />
mehrerer Anwaltssozietäten mit unterschiedlicher personeller<br />
Zusammensetzung) vor. Die Sozietät (A) und die (B-) GbR unterscheiden<br />
sich deutlich im jeweiligen Namen und Gesellschaftszweck.<br />
Die GbR erweckt in ihren Briefbögen auch nicht den Eindruck,<br />
eine klassische Anwaltssozietät zu sein. Irritationen<br />
darüber, welche Personen Vertrags- und Haftungspartner des Mandanten<br />
sind, können bei zwei personenidentischen Sozietäten in<br />
der Rechtsform der GbR schon deswegen nicht auftreten, weil in<br />
beiden Fällen die gleichen Personen handeln. Im Bereich der Insolvenzverwaltung<br />
stellt sich auch nicht die Frage, mit wem der Mandatsvertrag<br />
abgeschlossen wird, denn der Konkursverwalter<br />
schließt keine Mandantsverträge mit Dritten, sondern wird durch<br />
Beschluß des Konkursgerichts in sein Amt berufen.<br />
Die Ausübung der berufstypischen, dem Rechtsanwalt vorbehaltenen<br />
Aufgaben in der klassischen Anwaltssozietät einerseits<br />
und der insolvenzberatenden und -verwaltenden anwaltlichen Ne-
AnwBl 4/99 227<br />
Rechtsprechung l<br />
bentätigkeiten in der (B-) GbR andererseits stellt nach Auffassung<br />
des Senats keine unzulässige parallele Berufsausübung in zwei Sozietäten<br />
dar. Die Tätigkeitsbereiche der beiden Gesellschaften sind<br />
durch ihre unterschiedlichen Gesellschaftszwecke hinreichend<br />
deutlich abgegrenzt und damit auch die jeweilige berufliche Tätigkeit<br />
des handelnden Rechtsanwalts. Tätigkeiten, die als berufstypisch<br />
und dem Rechtsanwalt vorbehalten in der Sozietät (A) ausgeübt<br />
werden, werden von den Mitgliedern der (B-) GbR in der (B-)<br />
GbR nicht bearbeitet und umgekehrt.<br />
c) Nach allem ist die personenidentische Zweitsozietät, deren<br />
Gegenstand (Gesellschaftszweck) keine berufstypischen dem<br />
Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten umfaßt und der sich von<br />
dem der Erstsozietät so trennen läßt, daß eine parallele Berufsausübung<br />
in beiden Sozietäten ausgeschlossen werden kann, nach Ansicht<br />
des Senats auf dem Boden des anwaltlichen Berufsrechts zulässig.<br />
Die berufstypische Anwaltstätigkeit und die Tätigkeit als<br />
Insolvenzberater bzw. -verwalter sind trennbar. § 59 a Abs. 1<br />
BRAO steht der Mitgliedschaft des Antragstellers sowohl in der<br />
Sozietät (A) als auch in der personengleichen (B-) GbR nicht entgegen.<br />
Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, daß nach<br />
dem eigenen Vortrag des Antragstellers die (B-) GbR in geringerem<br />
Umfang Aufgaben wahrnimmt, die als berufstypische Tätigkeiten<br />
Rechtsanwälten vorbehalten sind. Rechtsanwälte, die entgegen<br />
§ 2 Gesellschaftsvertrag in (B-) GbR berufstypische<br />
anwaltliche Tätigkeiten ausüben, verletzen zwar den Gesellschaftsvertrag.<br />
Das rechtfertigt es aber nicht, vom Kl zu verlangen, die<br />
Gesellschafterposition in der (B-) GbR aufzugeben bzw. sich in der<br />
(B-) GbR beruflichen Aktivitäten zu enthalten, solange er Partner<br />
der Sozietät (A) ist. Sollte der Antragsteller selbst in der (B-) GbR<br />
tätig werden und als ihr Gesellschafter entgegen dem Gesellschaftszweck<br />
berufstypische Anwaltstätigkeiten ausüben, könnte<br />
die Antragsgegnerin ihm lediglich diese parallele Berufsausübung<br />
im Einzelfall untersagen – mehr aber nicht. Für einen solchen<br />
Sachverhalt ist aber nichts vorgetragen.<br />
d) Für das unter lit. c) Abs. 1 zusammengefaßte Ergebnis<br />
spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt: Wird eine Personengesellschaft<br />
freiberuflich und gewerblich tätig, wofür die gewerbliche<br />
Betätigung nur eines Gesellschafters für Rechnung der Gesellschaft<br />
ausreicht, werden die Tätigkeiten der Gesellschaft nach der<br />
sog. Abfärbe- oder Infektionstheorie als Gewerbebetrieb behandelt<br />
und ihre freiberuflichen Einkünfte in gewerbliche nach § 15 Abs. 3<br />
Nr. 1 EStG umqualifiziert, sofern die freiberuflichen und gewerblichen<br />
Tätigkeiten trennbar sind (zuletzt BFH in NJW 1997, <strong>240</strong>4<br />
ff.; Schmidt: EStG, 16. Auflage 1997, Rdnr. 97 ff. zu § 15 EStG).<br />
Bei berufstypischen Anwaltstätigkeiten einerseits und Insolvenzverwaltertätigkeiten<br />
andererseits handelt es sich um trennbare Leistungen.<br />
Um die Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte einer<br />
Personengesellschaft in gewerbliche zu vermeiden, ist es steuerrechtlich<br />
grundsätzlich zulässig, die gewerbliche Betätigung eines<br />
Partners in eine nicht notwendigerweise personenidentische neue<br />
Gesellschaft auszugliedern (BFH in NJW 1997, <strong>240</strong>4, <strong>240</strong>6; BB<br />
1998, 1929 f.). Derartige Ausgründungen erkennt die Finanzverwaltung<br />
an, wenn zwei Gesellschaften vorliegen, die unterschiedliche<br />
Bezeichnungen führen, getrennte Gesellschaftsvermögen haben<br />
und auch eine getrennte Gewinnermittlung vornehmen (BFH-Urt.<br />
v. 1.2.1990 in BStBl. 1990 II, 534).<br />
Diese Möglichkeiten muß auch das anwaltliche Berufsrecht eröffnen,<br />
und zwar unabhängig davon, ob ein Partner einer Sozietät<br />
bereits tatsächlich gewerblich tätig ist oder ob seine Tätigkeit lediglich<br />
die Gewerblichkeit bzw. die Gewerbesteuergefahr in sich<br />
birgt. Es kann Sozietäten nicht zugemutet werden, mit der Ausgründung<br />
abzuwarten, bis die Finanzverwaltung ihre Einkünfte insgesamt<br />
als gewerblich qualifiziert. Eröffnet das anwaltliche Berufsrecht<br />
Sozietäten die Ausgliederung etwaiger partiell gewerblicher<br />
Tätigkeit in eine neue Personengesellschaft als vorbeugende Gestaltungsmöglichkeit<br />
nicht, würden Sozietäten und Einzelanwälte<br />
ungleich behandelt werden: Stellt sich z. B. die Insolvenzverwaltung<br />
im Einzelfall als gewerblich heraus, greift nicht automatisch<br />
die sog. Abfärbetheorie ein, sondern bei einem einzelberuflichen<br />
Rechtsanwalt sind die Tätigkeiten steuerlich getrennt zu beurteilen<br />
und in Einkünfte aus freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit<br />
aufzuspalten, soweit dies möglich ist, d. h. soweit sich die Tätigkeiten<br />
„nach der Verkehrsanschauung ohne besondere Schwierig-<br />
keiten voneinander trennen lassen“ (BFH-Urt. v. 11.7.1991 in<br />
BStBl 1992 II, S. 413). Freiberufliche Sozietäten in der Rechtsform<br />
der GbR bzw. der Partnerschaftsgesellschaft trifft die Gewerblichkeit<br />
aufgrund der sog. Abfärbetheorie ungleich härter. Bei ihr führt<br />
jede ausgeübte gewerbliche Tätigkeit zur steuerlichen Umqualifizierung<br />
der Einkünfte. Diese Ungleichbehandlung unterliegt im<br />
Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG nur so lange keinen<br />
verfassungsrechtlichen Bedenken, solange die Steuerpflichtigen<br />
die Möglichkeit haben, für trennbare Sozietätstätigkeiten jeweils<br />
gesonderte, möglicherweise auch personengleiche<br />
Personengesellschaften zu errichten. § 59a Abs. 1 BRAO ist somit<br />
verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß die Ausgliederung<br />
anwaltsüblicher Nebentätigkeiten, die die Gewerblichkeitsgefahr<br />
in sich bergen, in eine getrennte Personengesellschaft zulässig<br />
ist.<br />
2. § 31 BerufsO will sicherstellen, daß das Verbot der Sternsozietät<br />
auch bei Eingehung einer Sozietät mit Angehörigen anderer<br />
Berufsgruppen i. S. d. § 59 a Abs. 1 BRAO gewährleistet ist. Die<br />
Bestimmung untersagt Rechtsanwälten daher die Zusammenarbeit<br />
mit den in einer Sternsozietät tätigen Angehörigen eines sozietätsfähigen<br />
Berufs. Der Anwendungsbereich des § 31 BerufsO setzt<br />
neben einer interprofessionellen Sozietät voraus, daß das nichtanwaltliche<br />
Sozietätsmitglied gleichzeitig Mitglied einer anderweitigen<br />
Gesellschaft ist. Dafür ist nichts vorgetragen.<br />
3. Die von der (B-) GbR an den einzelnen Standorten eingerichteten<br />
und unterhaltenen Kanzleien sind keine Zweitkanzleien<br />
bzw. Zweigstellen i. S. d. § 28 BRAO der Sozietät. Die an einem<br />
Standort der Sozietät ansässigen Partner gehen weder ihren berufstypischen<br />
Tätigkeiten in der von der GbR an diesem Standort eingerichteten<br />
Kanzlei nach, noch haben sie neben der örtlichen Kanzlei<br />
der Sozietät auch die örtliche Kanzlei der GbR zum<br />
Mittelpunkt ihrer berufstypischen Tätigkeit gemacht. Für einen<br />
Verstoß gegen das Zweigstellenverbot des § 28 BRAO liegen hinreichende<br />
Anhaltspunkte nicht vor. Bei personenidentischen Sozietäten<br />
sind die Kanzleien der einen nicht zugleich Zweigstellen der<br />
anderen.<br />
4. Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden.<br />
III. Gemäß § 223 Abs. 3 Satz 2 BRAO hat der Anwaltsgerichtshof<br />
die sofortige Beschwerde zuzulassen, wenn er über<br />
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden hat. Das<br />
ist hier der Fall, denn losgelöst von einer Einzelfallprüfung war<br />
grundsätzlich zu entscheiden, ob § 59a Abs. 1 BRAO den in einer<br />
Anwaltssozietät tätigen Rechtsanwalt daran hindert, gleichzeitig<br />
Mitglied einer personenidentischen weiteren GbR zu sein, die das<br />
Geschäft der Insolvenzberatung und -verwaltung betreibt.<br />
Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 1 BRAO. Der<br />
Geschäftswert war gem. § 202 Abs. 2 BRAO i. V. m. § 30 KostO<br />
auf DM 100.000,– festzusetzen.<br />
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg<br />
ZPO § 233<br />
Der Rechtsanwalt hat eine allgemeine, geeignete Vorsorge zu<br />
treffen, die gewährleistet, daß im Falle seiner Erkrankung fristwahrende<br />
Schriftsätze rechtzeitig eingereicht werden können.<br />
(LS der Redaktion)<br />
BGH, Beschl. v. 26.11.1998 – IX ZB 84/98<br />
Aus den Gründen: II. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig<br />
(§§ 519 b Abs. 2, 547, 567 Abs. 4 ZPO, 7 Abs. 2, 6 EGZPO), weil<br />
sie nicht in der Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen<br />
Beschlusses eingelegt worden ist (§ 577 ZPO).<br />
Zugunsten des Bekl geht der Senat davon aus, daß seine Beschwerde<br />
einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />
wegen Versäumung der Beschwerdefrist enthält, weil der Bekl darin<br />
geltend gemacht hat, von Mitte Mai 1998 bis 25.8.1998 arbeitsunfähig<br />
gewesen zu sein. Ob ein solcher Antrag rechtzeitig innerhalb<br />
der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt ist (§ 234<br />
i. V. m. § 236 Abs. 2 ZPO), bedarf keiner Vertiefung. Denn er ist<br />
jedenfalls nicht begründet, weil der Bekl nicht ohne sein Verschulden<br />
verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 233 ZPO)
228<br />
l<br />
Ein Rechtsanwalt hat dafür zu sorgen, daß für den Fall seiner<br />
Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht werden<br />
können; auch ein Einzelanwalt – wie der Bekl – hat dies durch<br />
zumutbare Maßnahmen – etwa durch Absprache mit einem vertretungsbereiten<br />
Kollegen – sicherzustellen. Die Versäumung einer<br />
Notfrist kann nur dann trotz geeigneter Vorkehrung unverschuldet<br />
sein, wenn der Anwalt plötzlich in einer Weise erkrankt, die es<br />
ihm unmöglich macht, den Vertreter rechtzeitig zu unterrichten<br />
(BGH, Urt. v. 7.5.1982 – V ZR 233/81, VersR 1982, 802; Beschl.<br />
v. 2.2.1994 – XII ZB 175/93, VersR 1994, 1207, 1208; v. 26.2.1996<br />
– II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541).<br />
Es ist davon auszugehen, daß die Versäumung der Beschwerdefrist<br />
auf einem Organisationsverschulden des Bekl beruht. Er hat<br />
eine allgemeine, geeignete Vorsorge, die gewährleistet, daß im<br />
Falle seiner Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht<br />
werden können, nicht behauptet. Seine Krankheit ist nicht<br />
so plötzlich und in einer so schwerwiegenden Weise aufgetreten,<br />
daß er an einer solchen Vorkehrung ohne Verschulden gehindert<br />
war. Für den hier maßgeblichen Zeitraum nach Zustellung des angefochtenen<br />
Beschlusses hat der Bekl eine „akute Gastroenteritis“<br />
als Ursache seiner Arbeitsunfähigkeit angegeben. Diese Erkrankung<br />
schließt das Organisationsverschulden nicht aus. Eine Entschuldigung<br />
ist in der Rechtsprechung anerkannt worden, wenn die<br />
fehlende Vorsorge für die Wahrung der Rechtsmittelfrist auf der besonderen<br />
psychischen Lage nach dem Entschluß zur Selbsttötung<br />
beruhte (BGH, Beschl. v. 10.7.1984 – VI ZB 10/84, VersR 1984,<br />
988, 989) oder auf die Einlieferung auf die Intensivstation eines<br />
Krankenhauses durch den Notarzt zurückzuführen war (BGH,<br />
Beschl. v. 6.3.1990 – VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026). Solcher Art<br />
war die Erkrankung des Bekl nicht, selbst wenn – gemäß seiner<br />
Behauptung – auch seine „Psyche mitangegriffen“ worden war wegen<br />
des Streitgegenstandes, der die Verletzung eines anwaltlichen<br />
Treuhandvertrages betrifft.<br />
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Hans Norbert Götz, Baden-Baden<br />
Gebührenrecht<br />
BRAGO § 20<br />
1. Ein Rechtsanwalt kann eine schriftliche Auskunft nur mit der<br />
Erstberatungsgebühr des § 20 Abs.1 Satz 2 BRAGO abrechnen,<br />
wenn er, ohne bei Erhalt schriftlicher Unterlagen mit der Beratung<br />
begonnen zu haben, die erbetene Auskunft erst nach<br />
Durchsicht dieser Unterlagen erteilt.<br />
2. Schließt sich an diese Auskunft eine weitere an, bleibt es für<br />
die zunächst erteilte bei der Erstberatungsgebühr, auch wenn<br />
die zweite Auskunft mit der Erstberatung in einem engen gegenständlichen<br />
oder zeitlichen Zusammenhang steht oder diese fortsetzt.<br />
3. Die weitere Auskunft kann unter Berücksichtigung von § 13<br />
Abs. 5 BRAGO nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO abgerechnet<br />
werden.<br />
OLG München (Augsburg), Urt. v. 17.9.1998 – 14 U 879/97<br />
Aus den Gründen: Die Berufung der Kl bleibt ohne Erfolg.<br />
Den Kl steht für die dem Bekl erteilten Auskünfte lediglich die<br />
vom LG ausgeurteilte Erstberatungsgebühr des § 20 Abs. 1 Satz 2<br />
BRAGO zu. Weitergehende Ansprüche sind nicht begründet; die<br />
Klage ist insoweit zu Recht abgewiesen worden.<br />
I. Zutreffend hat es das LG abgelehnt, den geltend gemachten<br />
Anspruch auf der Grundlage des § 21 BRAGO zuzusprechen. Die<br />
Kl haben weder den Nachweis geführt, daß der Bekl die Ausarbeitung<br />
eines schriftlichen Gutachtens mit juristischer Begründung in<br />
Auftrag gegeben hat, noch haben sie ein solches Gutachten erstellt.<br />
Hierfür ist als wesentlichster Teil das eigene Urteil des Anwalts<br />
unter Würdigung der Stimmen aus Rechtsprechung und Schrifttum<br />
erforderlich (Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 13. Aufl., § 21<br />
Rdnr. 2, 3). All dies fehlt in den beiden Schreiben der Kl vom<br />
30.5.1996 und 25.6.1996. Es liegt daher kein Gutachten, sondern<br />
eine schriftliche Auskunft nach § 20 BRAGO vor. Diese Rechtsauffassung<br />
teilen offenbar nun auch die Kl, da sie im zweiten<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsprechung<br />
Rechtszug auf diese Begründung ihrer Gebührenrechnung vom<br />
26.11.1996 nicht mehr zurückgekommen sind.<br />
II. Die Kl haben im zweiten Rechtszug geltend gemacht, sie<br />
hätten bei der Besprechung vom 21.5.1996 nicht lediglich die mit<br />
den Schreiben vom 30.5.1996 und 25.6.1996 beantworteten Fragen<br />
ausgearbeitet, sondern bereits die verschiedenen Möglichkeiten eines<br />
Einzel- bzw. Gesamt- und Gruppenausgebots im Rahmen einer<br />
Bietergemeinschaft und der anfallenden Grunderwerbssteuer eingehend<br />
erörtert.<br />
Sollte mit diesem Vortrag behauptet werden, dem Bekl sei zu<br />
diesen Fragen bereits am 21.5.1996 eine Auskunft erteilt worden,<br />
könnte dies der Senat der Entscheidung, welches Honorar den Kl<br />
für die Beratung des Bekl zusteht, nicht zugrunde legen. Der Bekl<br />
hat bestritten, daß ihm schon am 21.5.1996 eine Antwort auf seine<br />
Fragen erteilt worden sei. Auch das Schreiben der Kl vom<br />
30.5.1996 spricht gegen eine solche Fallgestaltung, wird doch in<br />
Nr. 5 die Frage des Verhältnisses eines Einzel- zu einem Gesamtbzw.<br />
Gruppenausgebot erörtert und in Nr. 6 die Grundsteuerproblematik<br />
bei Erwerb eines Grundstücks durch eine Bietergemeinschaft<br />
und deren nachfolgende Auseinandersetzung behandelt, ohne jeden<br />
Hinweis darauf, daß diese Fragen schon in der Besprechung vom<br />
21.5.1996 ausführlich erörtert oder gar beantwortet worden seien.<br />
Aus der vorgelegten Handskizze des Kl zu 1 folgt nichts anderes.<br />
Diese mag anläßlich der Besprechung der zu beantwortenden Fragen<br />
des Bekl entstanden sein; daß über eine Erörterung von Fragen<br />
hinaus schon eine Auskunft erteilt worden wäre, läßt sich hieraus<br />
nicht entnehmen. Der Senat geht daher weiterhin von den Angaben<br />
des Kl zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem LG Kempten<br />
vom 23.9.1997 aus, wonach dem Bekl nach grober Sichtung der<br />
übergebenen Unterlagen erklärt worden war, seine Fragen könnten<br />
nicht sofort beantwortet werden, dies erfolge nach Durchsicht der<br />
Unterlagen.<br />
III. Damit spitzt sich die Entscheidung des Rechtsstreits auf die<br />
Frage zu, welche Rechtsfolgen sich für die Vergütung der Kl daraus<br />
ergeben, daß sie die Fragen des Bekl nicht – auch nicht teilweise<br />
– bereits bei der Besprechung vom 21.5.1996, sondern erstmals<br />
nach Durchsicht der Unterlagen mit den Schreiben vom 30.5.1996<br />
und 26.6.1996 beantwortet haben.<br />
Das LG hat für diese Tätigkeit eine Erstberatungsgebühr gem.<br />
§ 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zugesprochen, unter Einschluß von<br />
Auslagen und Mehrwertsteuer 448,50 DM. Dem tritt der Senat bei.<br />
1. Die Rüge der Berufung, die Auffassung des LG widerspreche<br />
der Begründung des Gesetzes und der herrschenden Meinung,<br />
trifft nicht zu. Nach der von den Kl vorgelegten Bundestagsdrucksache<br />
mit der Begründung zur Novellierung des § 20 BRAGO bezieht<br />
sich die Regelung des Satzes 2 nur auf die Gebühr für die erste<br />
Beratung. Sie greift nicht ein, wenn nach dem ersten<br />
Beratungsgespräch oder dem ersten schriftlichen Rat oder einer<br />
solchen Auskunft sich eine weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts anschließt,<br />
mag diese auch mit der ersten Beratung in engem Zusammenhang<br />
stehen oder diese fortsetzen.<br />
In gleicher Weise wird § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO von den<br />
von den Kl zitierten Literaturstellen und der übrigen Lehre verstanden.<br />
Alle sehen den Normbereich der Erstberatungsgebühr dann für<br />
beendet an, wenn die erste Beratung beendet oder wegen ihres Beratungsstandes<br />
unterbrochen ist. Hierbei wird häufig der Fall zitiert,<br />
daß der Anwalt sich zunächst sachkundig machen muß. Diese<br />
Fallgestaltung darf mit der vorliegenden aber nicht gleichgesetzt<br />
werden. Sollen Worte noch ihren Sinn behalten, kann von einer<br />
Unterbrechung einer Erstberatung nur dann gesprochen werden,<br />
wenn mit der Beratung schon begonnen worden war. Kommt der<br />
Rechtsanwalt dann zur Auffassung, daß er sich für die weitere Beratung<br />
erst noch sachkundig machen muß, dann ist die Erstberatung<br />
beendet und kann nach § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO abgerechnet<br />
werden. Wie oben ausgeführt (Nr. 11) liegt dieser Sachverhalt<br />
hier aber nicht vor. Die Schilderung der tatsächlichen Verhältnisse<br />
durch den Bekl und die Formulierung der sechs zu beantwortenden<br />
Fragen sowie die Erklärung des Kl zu 2, er könne die Antwort erst<br />
nach Durchsicht der Unterlagen erteilen, ist ihrem Inhalt nach weder<br />
ein Rat noch eine Auskunft; die Erstberatung hatte vorliegend<br />
noch nicht begonnen.
AnwBl 4/99 229<br />
Rechtsprechung l<br />
Genau diese Fallgestaltung ist auch in der Literatur behandelt.<br />
Endres hat in seinem Aufsatz „Die Erstberatung“ (JurBüro 1995,<br />
225, 226) dieses Beispiel der schriftlich erteilten Auskunft als Erstberatung<br />
angesehen.<br />
Hierüber besteht, soweit ersichtlich, in der Literatur zumindest<br />
jetzt auch kein Streit mehr. Während Madert die Ansicht von Endres<br />
noch in dem Aufsatz „Die Erstberatungsgebühr“ (AnwBl 1996,<br />
246, 250) kritisiert, zitiert er diesen Autor im Kommentar von Gerold/Schmidt<br />
zur BRAGO als Beleg für die herrschende Meinung<br />
(aaO § 20 Rdnr. 11). Er führt für die herrschende Meinung auch<br />
die Kommentierung von Riedel/Sußbauer an, wo ausdrücklich die<br />
Fallgestaltung behandelt wird, daß der Anwalt den Klienten zu<br />
einer nochmaligen Vorsprache bestellt, weil er sich etwa für die<br />
Beratung erst kundig machen müsse und kommentiert wird, daß<br />
hierdurch die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht<br />
umgangen werden könne (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO,<br />
7. Aufl., § 20 Rdnr. 15). Das gleiche gilt selbstverständlich dann,<br />
wenn nach einer solchen Erklärung die Auskunft schriftlich erfolgt.<br />
Auch in der sonst veröffentlichten Literatur (vgl. z. B. Otto,<br />
JurBüro 1994, 385, 395; Henke, AGS 1994, 78, 79; Hansens,<br />
JurBüro 1995, 117, 118 und die bei Madert AnwBl 1996, 246 ff.<br />
Genannten) findet sich für die hier vorliegende Fallgestaltung keine<br />
Stimme, die eine Abrechnung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zuließe.<br />
Hierfür wird stets eine Unterbrechung einer bereits angelaufenen<br />
Beratung verlangt.<br />
2. Sollten die Kl aus der zitierten Gesetzesbegründung und den<br />
Stimmen der Literatur den Schluß ziehen wollen, die Vorschrift des<br />
§ 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO entfalle ganz, wenn sich nach einer<br />
Erstberatung noch eine weitere Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts<br />
anschließt, so gehen sie fehl. Das Honorar für die erste Beratung<br />
bleibt selbstverständlich auf die Höchstgebühr von 350 DM<br />
beschränkt. Für die weitere Beratung – dies ist sowohl gegenständlich<br />
als auch zeitlich zu verstehen – bleibt es dagegen bei der Regelung<br />
des § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO, selbst wenn diese weitere<br />
Tätigkeit des Rechtsanwalts mit der Erstberatung in einem engen<br />
Zusammenhang steht oder diese fortsetzt (so ausdrücklich auch<br />
Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, aaO, § 20 Rdnr. 11 letzter Absatz).<br />
3. Damit ist das den Kl für das Schreiben vom 30.5.1996 zustehende<br />
Honorar durch § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO auf den vom LG<br />
ausgeurteilten Betrag beschränkt. Nachdem am 21.5.1996 keine<br />
Beratung des Bekl stattgefunden hatte, konnte diese auch nicht als<br />
Erstberatung abgerechnet oder unterbrochen oder fortgesetzt werden.<br />
Die erste Beratung des Bekl erfolgte im Schreiben vom<br />
30.5.1996.<br />
Der Senat verkennt nicht, daß die Arbeit der Kl mit diesem Betrag<br />
auch nicht annähernd entlohnt wird. Dies kann an dem gefundenen<br />
Ergebnis aber nichts ändern, da § 20 BRAGO die Gebührenhöhe<br />
für die erste Beratung festschreibt. Die Kl haben dieses<br />
Ergebnis allerdings auch selbst zu vertreten, da es ihnen freigestanden<br />
hätte, die Auskunft nur nach einer entsprechenden schriftlichen<br />
Vereinbarung einer höheren Gebühr zu erteilen. Auf den von den<br />
Kl mit dem Schreiben vom 12.8.1996 unternommenen Versuch,<br />
eine solche Gebührenvereinbarung nachträglich abzuschließen<br />
brauchte sich der Bekl nicht einzulassen.<br />
4. Für die weitere Auskunft im Schreiben vom 25.6.1996 steht<br />
den Kl keine gesonderte Gebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO<br />
zu.<br />
Die Frage vier war im Schreiben vom 30.5.1996 abstrakt formuliert.<br />
Sie konnte daher, wie auch richtig geschehen, abstrakt in<br />
diesem Schreiben beantwortet werden. Daß der Bekl die Einholung<br />
weiterer Informationen hierzu angeregt oder damit auch nur einverstanden<br />
gewesen wäre, haben die Kl nicht nachgewiesen. Ihr Vortrag<br />
im zweiten Rechtszug, es seien noch weitere Unterlagen benötigt<br />
worden, um die noch offenen Fragen im Schreiben vom<br />
25.6.1996 beantworten zu können, ist ohne jedes Beweisangebot<br />
vorgebracht. Angesichts der schon erwähnten abstrakten Fragestellung<br />
zur Frage vier ist auch nicht nachvollziehbar, warum zu deren<br />
Beantwortung noch weitere Auskünfte benötigt worden waren.<br />
Daß der Rechtsanwalt durch eine von ihm provozierte weitere<br />
Auskunft, die vom Mandanten so gar nicht gewünscht wird, keine<br />
Gebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erreichen kann, liegt auf<br />
der Hand.<br />
Schließlich stünde einem Gebührenanspruch für das Schreiben<br />
vom 25.6.1996 auch entgegen, daß nach § 13 Abs. 5 BRAGO die<br />
bereits verdiente Gebühr auf die nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO<br />
anzurechnen wäre. Nachdem die Frage vier im ersten Schreiben<br />
dem Grunde nach beantwortet worden war, war der Inhalt des<br />
Schreibens vom 25.6.1996 derart einfach gelagert, daß hierfür<br />
allenfalls eine 2/10-Gebühr angesetzt werden könnte. Als Gegenstandswert<br />
hierfür käme sicherlich kein Betrag über 50.000 DM in<br />
Betracht. Da damit die Gebühr für das zweite Schreiben unter der<br />
Erstberatungsgebühr bleibt, entfiele auch aus diesem Grunde ein<br />
gesondertes Honorar für diese Auskunft.<br />
IV. Die Berufung der Kl gegen das Ersturteil bleibt damit ohne<br />
Erfolg; sie ist mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.<br />
Gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO ist das Urteil vorläufig<br />
vollstreckbar. Der Wert der Beschwer der Kl entspricht dem Streitwert<br />
zweiter Instanz. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung<br />
der Revision liegen nicht vor (§ 546 Abs. 1 ZPO). Die<br />
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Senat folgt<br />
mit seiner Entscheidung der Lehre, offene Fragen von Belang bestehen<br />
insoweit ersichtlich nicht, ebensowenig eine abweichende<br />
Rechtsprechung.<br />
Mitgeteilt von Richter am OLG Burkhard Barth, Stadtbergen<br />
BRAO § 49 b; BRAGO § 52<br />
Die Nichtberücksichtigung der Verkehrsgebühr in der Gebührenteilungsabrede<br />
zwischen Verkehrsanwalt und Prozeßanwalt<br />
ist berufsrechtswidrig. (LS der Redaktion)<br />
AnwG Tübingen, Beschl. v. 11.12.1998 – 48/1999<br />
Aus den Gründen: II. Die Beschwerden gegen die Entscheidungen<br />
der Rechtsanwaltskammer Tübingen sind sachlich nicht gerechtfertigt.<br />
Das Anwaltsgericht teilt die von der Beschwerdeabteilung der<br />
Rechtsanwaltskammer Tübingen zur Begründung der Rüge vom<br />
14.1.98 gemachten Ausführungen. Sie rechtfertigen die nach § 74<br />
BRAO ausgesprochene Rüge aufgrund der geltenden Gesetzeslage.<br />
Die Angriffe des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, eine<br />
Änderung der Bescheide vorzunehmen:<br />
1. Der Vorwurf der Sachverhaltserforschung auf unrechtmäßige<br />
Art und Weise trifft nicht zu. Die Belehrung über die Berechtigung<br />
zur Auskunftsverweigerung erfolgte ordnungsgemäß unter gleichzeitigem<br />
Hinweis, daß bei einer Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht<br />
die weitere Ermittlung über die Generalstaatsanwaltschaft<br />
erfolgen werde. Dies ist der normale Gang eines gegen<br />
einen Anwalt gerichteten Verfahrens, da die Rechtsanwaltskammer<br />
über keine Ermittlungsorgane verfügt, sondern nach dem Gesetz<br />
hierzu die Generalstaatsanwaltschaft berufen ist.<br />
Aufgrund der eigenen Einlassung des Beschwerdeführers in<br />
seinem Schreiben vom 29.4.97 hat sich die Generalstaatsanwaltschaft<br />
auf den zutreffenden Standpunkt gestellt, daß eine generelle<br />
Gebührenteilungsabrede mit den Stuttgarter Korrespondenzanwälten<br />
der Firma (X) besteht, wonach die Gebühren hälftig ohne Einbeziehung<br />
der Verkehrsgebühr gem. § 52 BRAGO zu teilen sind,<br />
wodurch der als standeswidrig beanstandete Sachverhalt in tatsächlicher<br />
Hinsicht ausreichend geklärt sei. Dem schließt sich das Anwaltsgericht<br />
an.<br />
Ein Verwertungsverbot nach § 136 a StPO liegt insoweit nicht<br />
vor.<br />
2. Soweit eine Befangenheit der am Rügebescheid der Rechtsanwaltskammer<br />
Tübingen mitwirkenden Mitglieder geltend gemacht<br />
wird, ist festzustellen, daß ein rechtswirksamer Ablehnungsantrag<br />
nicht gestellt worden ist.<br />
Ein solcher Antrag hätte im übrigen auch abgelehnt werden<br />
müssen, da die generelle Ablehnung eines Spruchkörpers regelmäßig<br />
nicht zulässig ist, sondern das jeweilige Mitglied einer beratenden<br />
Kammer im einzelnen benannt werden müßte und dazu Gründe<br />
für die Ablehnung des einzelnen Mitgliedes dargelegt und<br />
glaubhaft gemacht werden müßten.
230<br />
l<br />
Der als einziger benannte Kammervorstand (Y) ist nicht Mitglied<br />
der Beschwerdeabteilung. Deren Abteilungsvorsitzender ist<br />
Rechtsanwalt (Z), gegen den ebenso wenig wie gegen die übrigen<br />
Mitglieder sachliche Grunde vorgetragen worden sind, die eine<br />
Ablehnung rechtfertigen könnten.<br />
3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wurde von<br />
der Anwaltskammer zu Recht gegen die einzelnen Mitglieder der<br />
Anwaltskanzlei (A) und Kollegen eine Rüge ausgesprochen, nachdem<br />
sich sämtliche im Briefkopf aufgeführten Anwälte im Schreiben<br />
vom 13.5.96 an die Rechtsanwaltskammer zu der Gebührenabrede<br />
und dem Vorgang bekannt haben und damit auch insoweit<br />
die Verantwortung ausdrücklich übernommen haben. Das Schreiben<br />
ist von jedem einzelnen Anwalt extra unterzeichnet worden, so<br />
(daß) daraus ersichtlich ist, daß der jeweilige Unterzeichner auch<br />
dafür die Verantwortung übernimmt. Es wird damit auch gleichzeitig<br />
zum Ausdruck gebracht, daß die Unterzeichner in künftigen<br />
Fällen gleich verfahren wollen.<br />
Die Rüge ist daher zu recht gegen jeden einzelnen der Anwälte<br />
ausgesprochen worden.<br />
4. Bei der Beurteilung der Rechtslage ist das Anwaltsgericht von<br />
der jetzt geltenden Gesetzeslage ausgegangen, wonach gem. § 49b<br />
BRAO es grundsätzlich unzulässig ist, geringere Gebühren und Auslagen<br />
zu vereinbaren oder zu fordern, als die Bundesgebührenordnung<br />
für Rechtsanwälte vorsieht, soweit diese nichts anderes bestimmt.<br />
Diese Ausnahmeregelung ist in § 49b III Satz 2 und 3 für den<br />
Fall eines Verkehrsanwaltes festgelegt worden, wobei als Auslegungsregel<br />
§ 22 der Berufsordnung mit heranzuziehen ist.<br />
Mit Feuerich/Braun, Kommentar zur BRAO 3. Auflage § 49 b<br />
Randnote 30 geht das Anwaltsgericht davon aus, daß die mangelnde<br />
Berücksichtigung der Verkehrsgebühr in der Gebührenteilungsabsprache<br />
zwischen Verkehrsanwalt und Prozeßanwalt standesrechtlich<br />
unzulässig ist.<br />
Bei der Verkehrsgebühr handelt es sich um eine vom Gesetzgeber<br />
in der BRAGO in § 52 festgelegte gesetzliche Gebühr (vgl.<br />
auch Kofler in AnwBl 98, 206).<br />
Der gegenteiligen Auffassung von Kaiser in AnwBl 1997, 619<br />
vermag sich das Anwaltsgericht nicht anzuschließen.<br />
Die Tatsache, daß vielfach gegen die geltende gesetzliche Regelung<br />
verstoßen wird, rechtfertigt keinesfalls eine andere Beurteilung.<br />
Vielmehr ist es Aufgabe der Rechtsanwaltskammer, etwaigen<br />
Verstößen entgegenzuwirken.<br />
Die ausgesprochene Rüge war deshalb zu bestätigen.<br />
Mitgeteilt von dem Präsidenten der RAK Tübingen<br />
Streitwert, Kosten, Erstattung<br />
GKG §§ 11, 61; GKG-KV Nr. 1201, 1202*<br />
Gemäß Artikel 100 I GG wird das Verfahren ausgesetzt und die<br />
Entscheidung des BVerfG zu folgender Frage eingeholt:<br />
Ist § 61 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m.§11GKGund<br />
der Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses (KV) in der aufgrund des<br />
Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzes und anderen Gesetzes<br />
vom 14.6.1994 (BGBl. I 1325, KostRÄndG 1994) seit dem 1.7.1994<br />
geltenden Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit auch<br />
dann die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen entsteht, wenn<br />
in einem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides zwar für den Fall<br />
des Widerspruchs der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />
gestellt ist und Widerspruch auch erhoben wird, das Gericht,<br />
das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit jedoch<br />
nicht an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht abgibt,<br />
weil der Antragsteller das Verfahren nicht weiter betreibt?<br />
AG Hamburg, Beschl. v. 7.3.1999 – 77 B L 002629/97<br />
Aus den Gründen: I. Die Antragstellerin beantragte am 21.2.1997<br />
unter Benutzung des vorgeschriebenen Vordrucks für das Mahnverfahren<br />
bei dem AG Hamburg gegen den Antragsgegner den Erlaß eines<br />
Mahnbescheides über DM 6064,82 und zahlte zugleich die für<br />
das Mahnverfahren entstehende 0,5-fache Gerichtsgebühr gemäß Nr.<br />
1100 des Kostenverzeichnisses zum GKG in Höhe von DM 95,00 ein.<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsprechung<br />
Das auf dem Vordruck vorgesehene Formularfeld „Im Falle des Widerspruchs<br />
beantrage ich die Durchführung des streitigen Verfahrens“<br />
hatte sie angekreuzt. Gegen den am 24.2.1997 erlassenen und ihm am<br />
1.3.1997 zugestellten Mahnbescheid erhob der Antragsgegner am<br />
4.3.1997 auf dem – nicht amtlichen Formular – Widerspruch mit der<br />
Begründung, daß er der Antragstellerin bereits vorgerichtlich mitgeteilt<br />
habe, „derzeit zahlungsunfähig“ zu sein. Das Gericht teilte – auf<br />
der hierfür vorgesehenen Rückseite des Widerspruchsvordrucks – am<br />
10.3.1997 den Widerspruch der Antragstellerin mit und unterrichtete<br />
sie zugleich davon, daß die Sache an das nach ihrer Angabe für ein<br />
streitiges Verfahren zuständige Gericht abgegeben werde, „wenn Sie<br />
die unten berechneten weiteren Kosten vorauszahlen.“ Dabei handelte<br />
es sich nach der Berechnung um die für das streitige Verfahren nach<br />
Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses anfallende Gebühr von DM<br />
570,00 abzüglich gezahlter DM 95,00, somit weiteren DM 475,00.<br />
Die Antragstellerin leistete keine Zahlung. Am 24.4.1997 nahm der<br />
Antragsgegner den Widerspruch zurück Auf den am 5.5.1997 gestellten<br />
Antrag erließ das Gericht am selben Tag Vollstreckungsbescheid<br />
auf der Grundlage des Mahnbescheides, der am 13.5.1997 dem Antragsgegner<br />
zugestellt und gegen den Einspruch nicht erhoben wurde.<br />
Am 14.5.1998 setzte der Kostenbeamte gegen die Antragstellerin<br />
eine halbe Gebühr in Höhe von DM 95,00 an, da seit der Einlegung<br />
des Widerspruchs sechs Monate verstrichen seien, ohne daß das Verfahren<br />
von der Antragstellerin fortgesetzt worden sei. Damit sei in der<br />
AktegemäßKV1201i.V. m. KV 1202 GKG eine weitere halbe Gebühr<br />
fällig. Die Antragstellerin erklärte mit Schriftsatz vom 19.5.98,<br />
daß aufgrund des Verfahrensablaufs keine Zahlung erfolgen werde.<br />
Der für das Mahnverfahren zuständige Rechtspfleger hat, und<br />
zwar vor dem 1.10.1998, die Sache dem Abteilungsrichter zur Entscheidung<br />
vorgelegt.<br />
II. Der Richter legt die Eingabe der Antragstellerin wie schon der<br />
Rechtspfleger als Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 5 I<br />
GKG aus. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Rechtspflegererinnerung<br />
nach § 11 RPflG in der bis zum 30.9.1998 geltenden Fassung.<br />
Vielmehr hätte über die Kostenerinnerung an sich „das Gericht“<br />
zu entscheiden, bei dem die Kosten angesetzt sind, d. h. dessen UrkundsbeamterdieKostennach§4INr.1GKGdieKostenrechnung<br />
aufgestellt hat. Soweit Geschäfte dem Rechtspfleger übertragen sind,<br />
entscheidet er auch über die Erinnerung (Hartmann, KostG, Rdnr. 26<br />
zu § 5 GKG, LG Koblenz, NJW-RR 98, 359). Da das Mahnverfahren<br />
bis einschließlich der Abgabe dem Rechtspfleger übertragen ist,<br />
müßte demnach er über die Erinnerung befinden. Erst gegen seine<br />
Entscheidung wäre sodann die Beschwerde nach § 5 II GKG bzw., da<br />
im Streitfall die Kostenbeschwer von DM 100,00 nicht überschritten<br />
ist, die befristete Erinnerung nach § 11 II RPflG in der seit dem<br />
1.10.1998 geltenden Fassung gegeben („Zweiterinnerung“, vgl. Hartmann,<br />
aaO, Rdnr. 37). Der Richter sieht nach Rücksprache mit dem<br />
Rechtspfleger die Vorlage der Sache daher als eine solche nach § 5 I<br />
Nr. 2 RPflG a. F. an; das ist deshalb gerechtfertigt, weil der Ansatz einer<br />
weiteren Gerichtsgebühr in Fällen wie dem vorliegenden rechtlich<br />
trotz vieler – auch veröffentlichter – Entscheidungen und Aufsätze<br />
weiterhin stark umstritten ist. Auch die inzwischen ergangene rechtskräftige<br />
Entscheidung der Kostenbeschwerdekammer des LG Hamburg<br />
(s. u.) klärt nach Auffassung des Richters insbesondere die verfassungsrechtlichen<br />
Aspekte des Streits nicht abschließend.<br />
Dieses Verfahren ist kein Einzelfall. Seit 1997 setzen auf Anregung<br />
der Gerichtskassen in Hamburg und in anderen Bundesländern<br />
die Kostenbeamten der Mahngerichte in allen Fällen, in denen<br />
das bezeichnete Vordruckfeld angekreuzt und Widerspruch eingelegt<br />
worden ist, das Verfahren jedoch nicht weiterbetrieben wird,<br />
und in denen die Gerichtskosten noch nicht gem. § 10 GKG verjährt<br />
sind, die weitere halbe Gebühr an. Beim AG Hamburg sind<br />
schon jetzt weit über hundert Rechtsbehelfe von Antragstellern gegen<br />
solche Kostenansätze aus den Jahren 1997 und 1998 anhängig.<br />
Dabei sind die Verfahren, in denen das Ende der sechs Monate des<br />
Nichtbetriebs in die Jahre 1995 und 1996 fallen, noch gar nicht erfaßt<br />
worden. Auch haben manche Antragsteller nach der Beschwerdeentscheidung<br />
der für die Beschwerden in Kostensachen<br />
zuständigen Zivilkammer 14 des Landgerichts Hamburg in der Sache<br />
314 T 239/98 (77 B g 24485/86) vom 29.7.98 (MDR 98, 1121)<br />
* Vgl. zu diesem Thema auch in diesem Heft auf S. 188: Hambrecht, Gerichtskostennachforderungen<br />
im Mahnverfahren.
AnwBl 4/99 231<br />
Rechtsprechung l<br />
und nach deren Entscheidung über die Gegenvorstellung vom<br />
23.12.98 ihre Erinnerungen zurückgenommen. In vielen Fällen<br />
geht es – wie im Streitfall – nur um Kleinbeträge bis zu DM<br />
100,00, über die das AG mangels Beschwerdemöglichkeit, § 5<br />
Abs. 2 GKG, abschließend entscheidet, in Einzelfällen werden aber<br />
auch Gebührenhöhen von mehreren tausend DM erreicht.<br />
III. Die Erinnerung ist gem. § 5 I GKG zulässig. Sie ist jedoch<br />
unbegründet, wenn § 61 GKG i. V. m. § 11 GKG und Nr. 1201 des<br />
Kostenverzeichnisses den Ansatz einer Gebühr für das streitige Verfahren<br />
auch für die im Streitfall gegebene Verfahrenskonstellation<br />
auslösen. Das ist nach Auffassung des Gerichts der Fall (s. u. 4.;<br />
ebenso: LG Hamburg, aaO; OLG Hamburg, B. v. 9.6.1998, 8 W 139/<br />
98 – nicht veröffentlicht – zur parallelen Frage, welcher<br />
Kostenstreitwert der Gebühr zugrunde zu legen ist, wenn das Streitverfahren<br />
nur wegen eines Teils des Mahnanspruchs weiterbetrieben<br />
wird; LG Nürnberg-Fürth, JurBüro 97, 144 mit Anm. Enders; OLG<br />
Düsseldorf, JurBüro 97, 145, 146; LG Hagen, JurBüro 97, 602; LG<br />
Bamberg, JurBüro 98, 147 mit Anm. Meyer; Salten, MDR 97, 612;<br />
Meyer, JurBüro 98, 117; Lappe, NJW 98, 1113; Hartmann, KostG,<br />
Rdnr. 5 zu Nr. 1201 KV-GKG; Markl/Meyer, Rdnr. 4 zu Nr. 1202 KV-<br />
GKG; Oestreich/Winter/Hellstab, Rdnr. 3 zu Nr. 1201 KV-GKG; a. A.<br />
AG Hamburg, B. v. 11.6.98, 77 B g 24485/96 – nicht veröffentlicht –<br />
aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 61 GKG; LG<br />
Memmingen, JurBüro 97, 434; OLG München, JurBüro 97, 602; LG<br />
Würzburg, JurBüro 98, 147; LG Stuttgart, JurBüro 98, 647; Zimmermann,<br />
JurBüro 97, 230; Bracker, MDR 98, 139).<br />
1. Gemäß § 61 GKG wird in den dort genannten Fallen, zu denen<br />
auch das Mahnverfahren der §§ 688 ff. ZPO zählt, „die Gebühr<br />
mit der Einreichung der ...Antrags... schrift... fällig.“ Gemäß<br />
Nr. 1201 KV entsteht im „Prozeßverfahren erster Instanz“ für das<br />
„Verfahren im allgemeinen“ eine 3,0-fache Gebühr, auf die bei vorausgegangenem<br />
Mahnverfahren die Gebühr 1100 anzurechnen ist.<br />
Wird das Verfahren jedoch sechs Monate nicht betrieben, so wird<br />
in der gerichtlichen Kostenpraxis – wie im vorliegenden Fall –<br />
unter entsprechender Anwendung der Nr. 1202 gem. § 32 IV 3<br />
KostVfg nur eine weitere halbe Gebühr angesetzt, so daß insgesamt<br />
eine 1,0-fache Gebühr zu zahlen ist.<br />
Die Streitfrage, wann die Gebühr der Nr. 1201 KV entsteht,<br />
wenn ein Mahnverfahren vorausgeht, ist erst seit dem Inkrafttreten<br />
des KostRÄndG 1994 praktisch geworden. Zuvor entfiel die „Gebühr<br />
für das Verfahren im allgemeinen“ im Anschluß an ein Mahnverfahren,<br />
damals eine 0,5-fache Gebühr gemäß Nr. 1005, völlig<br />
gemäß Nr. 1006, wenn u. a. der Antrag auf Durchführung des<br />
streitigen Verfahrens oder der Widerspruch gegen den Mahnbescheid<br />
zurückgenommen wurde oder nach § 32 IV 3 KostVfg als<br />
zurückgenommen gelten konnte. Das ist seither anders, weil auch<br />
bei Zurücknahme nach Nr. 1202 immer insgesamt eine volle Gerichtsgebühr<br />
verbleibt. Deshalb konnte die auch seinerzeit schon<br />
gelegentlich streitige, in ihrer Reichweite allerdings nicht erkannte<br />
Frage regelmäßig dahingestellt bleiben. Unter der Geltung des jetzigen<br />
Kostenrechts muß sie dagegen beantwortet werden.<br />
2. Seinen Ausgangspunkt hat der Meinungsstreit in der verfahrensrechtlichen<br />
Bestimmung des § 696 I 2 ZPO. Danach kann der<br />
sogenannte Streitantrag schon in den Mahnbescheidsantrag aufgenommen<br />
werden. Die nach § 703 c ZPO i. V. m. den dazu ergangenen<br />
Verordnungen vorgeschriebenen Antragsvordrucke enthalten<br />
daher ein Feld, das der Antragsteller ankreuzen kann, wenn er für<br />
den Fall des Widerspruchs die Durchführung des streitigen Verfahrens<br />
wünscht. Das Kästchen ist in der Vergangenheit auch regelmäßig<br />
angekreuzt worden. Praktisch hat der so gestellte Antrag aber<br />
keinerlei Auswirkung auf den Fortgang des Verfahrens, weil die<br />
Abgabe an das Streitgericht gem. § 65 I 2 GKG von der Zahlung<br />
der für das streitige Verfahren anfallenden Gebühren abhängig gemacht<br />
werden soll und – wie im Streitfall – in der Praxis der<br />
Mahngerichte auch gemacht wird. Denn als „Soll“-Vorschrift ist<br />
§ 65 GKG von den Gerichten zwingend zu beachten. Ihre Verletzung<br />
führt lediglich im Verhältnis zwischen den Parteien nicht zur<br />
Unwirksamkeit der Abgabe, denn sie soll nur den Kostenanspruch<br />
der Gerichtskasse sichern und dient nicht den Interessen der Gegenpartei.<br />
Eine grundsätzliche Ausnahme von der Vorauszahlung<br />
gibt es nur im Fall der persönlichen Kostenbefreiung des Antragstellers<br />
nach § 2 GKG. Eine praktische Ausnahme trat unter der<br />
Geltung des bis zum 30.6.94 geltenden Kostenrechts ferner dann<br />
ein, wenn die halbe Gebühr für das Mahnverfahren zugleich die<br />
volle Gebühr für das Verfahren im allgemeinen abdeckte, wenn<br />
diese nämlich – bei kleinen Streitwerten bis DM 300,00 – DM<br />
15,00 betrug und damit der schon für das Mahnverfahren anfallenden<br />
Mindestgebühr in derselben Höhe (§ 11 Abs. 3 S. 1 GKG a. F.)<br />
gleichkam. Diese Ausnahme ist seit dem KostRÄndG 1994 nicht<br />
mehr möglich (1/2 Gebühr aus der niedrigsten Wertstufe bis DM<br />
600,00 = DM 25,00; Mindestgebühr = DM 20,00).<br />
Für den nicht persönlich kostenbefreiten Antragsteller kann daher<br />
seit Inkrafttreten des KostRÄndG 1994 das Ankreuzen des Formularfeldes<br />
keinerlei verfahrensfördernde Wirkung mehr entfalten.<br />
Ob dies dem durchschnittlichen Antragsteller bekannt ist und ob<br />
und gegebenenfalls welchen Zweck er mit diesem vorsorglichen<br />
Streitantrag verfolgt, läßt sich nicht allgemein feststellen. Vermutlich<br />
nimmt er irrig an, damit sein Verfahren beschleunigen zu können,<br />
oder er glaubt, den Antragsgegner zu beeindrucken. Weshalb<br />
er allerdings nach Widerspruch von einer Weiterverfolgung absieht,<br />
dürfte regelmäßig seinen Grund darin finden, daß der Antragsgegner<br />
zwar Widerspruch eingelegt hat, gleichwohl aber ganz oder<br />
teilweise zahlt, daß es zu einer anderweitigen Einigung zwischen<br />
den Parteien kommt, daß bereits vor Zustellung des Mahnbescheids<br />
geleistet worden ist, daß – wie im Streitfall – der Widerspruch<br />
noch vor Abgabe wieder zurückgenommen wird oder daß der<br />
Antragsteller das Prozeßrisiko doch scheut. All diesen Fällen ist<br />
gemeinsam, daß der Antragsteller entweder wirtschaftlich kein<br />
Interesse mehr an der weiteren Rechtsverfolgung durch das streitige<br />
Verfahren hat oder ihm diese Rechtsverfolgung rechtlich gar<br />
nicht mehr möglich ist, weil sein Anspruch erloschen ist oder weil<br />
bereits – wie im Streitfall – wegen eines vorhandenen<br />
Vollstreckungstitels sein Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist.<br />
3. Zu der hier zu entscheidenden Frage werden zwei gegensätzliche<br />
Positionen vertreten, die sich zusammengefaßt so darstellen lassen:<br />
Gemäß § 61 GKG wird in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten<br />
„die Gebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags...schrift fällig...“.<br />
Aus dieser Bestimmung zieht die wohl herrschende Meinung<br />
in Literatur und Rechtsprechung (s. o.) den Schluß, daß mit<br />
Eingang des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />
beim Mahngericht die 3,0-fache Gebühr der Nr. 1201 für das Prozeßverfahren<br />
entstehe, unabhängig davon, ob die Sache tatsächlich<br />
antragsgemäß an das Streitgericht, vor dem dieses Verfahren stattfinden<br />
soll, abgegeben werde oder ob die Abgabe – wegen ausdrücklicher<br />
Rücknahme des Streitantrags noch vor dem Mahngericht<br />
oder mangels Zahlung der nach § 65 I 2 GKG erforderten<br />
Gebühr – unterbleibe. Im Fall des § 696 I 2 ZPO sei dieser Streitantrag<br />
zunächst zulässigerweise bedingt durch den Widerspruch<br />
gestellt worden, werde aber mit dessen Eingang unbedingt und<br />
wirksam. In diesem Zeitpunkt beginne daher kostenrechtlich gem.<br />
§ 61 GKG bereits das streitige Verfahren.<br />
Nach der Mindermeinung kann das Kostenrecht gemäß dem<br />
Grundsatz „Kostenrecht ist Folgerecht“ nicht einen eigenständigen<br />
Verfahrensbegriff im Widerspruch zu dem allgemeinen Prozeßrecht<br />
statuieren. Dieses lasse gem. § 696 Abs. 1 S. 4 ZPO das streitige<br />
Verfahren erst mit dem Eingang der Akten beim Gericht des § 696 I<br />
1 ZPO beginnen – hierfür verweist diese Ansicht auf BGHZ 103,<br />
20, 27 –, so daß auch die Gebühr nicht früher entstehen könne.<br />
Der Meinungsstreit ist dementsprechend dadurch gekennzeichnet,<br />
daß die Vertreter der jeweiligen Lager vorwiegend auf einer jeweils<br />
unterschiedlichen Ebene argumentieren. Die an § 61 GKG<br />
orientierte Auffassung kann sich dabei auf dessen Wortlaut, die am<br />
Verfahrensablauf orientierte Auffassung auf den Begriff der Anhängigkeit<br />
der Sache beim Streitgericht gem. § 696 I 4 ZPO stützen,<br />
§ 61 GKG wird von den Vertretern dieser Ansicht zuweilen<br />
nicht einmal genannt. Allerdings hat Meyer (JurBüro 98, 117) die<br />
beiden unterschiedlichen Sichtweisen erkannt und auf den eigenen<br />
Begriff der gebührenrechtlichen Anhängigkeit im GKG, der einen<br />
Rückgriff auf § 696 I 4 ZPO nicht mehr zulasse, hingewiesen. In<br />
seiner Anmerkung zur Entscheidung des LG Bamberg (aaO) meint<br />
er, das – als solches auch von ihm erkannte – Problem könne nur<br />
durch das BVerfG oder den Gesetzgeber selbst gelöst werden.<br />
Selbst unter den Befürwortern der eigenständigen kostenrechtlichen<br />
Argumentation wird immerhin bezweifelt, ob die gesetzliche<br />
Regelung „beifallswert“ sei (OLG Hamburg, aaO).<br />
4. Das Gericht schließt sich in der Frage der Auslegung des § 61<br />
GKG der Auffassung des LG und des OLG Hamburg an: Wortlaut
232<br />
l<br />
und Systematik der Vorschrift lassen keine andere Wahl. Der vorsorglich<br />
bereits im Mahngesuch gestellte Streitantrag wird mit Eingang<br />
des Widerspruchs verfahrensrechtlich wirksam. Es handelt sich um<br />
einen zulässigerweise bedingten Antrag; § 696 I 2 ZPO läßt eine solche<br />
Bedingung unausgesprochen zu, indem er ihre Möglichkeit impliziert.<br />
Mit dem eingegangenen Widerspruch ist dieser Streitantrag nunmehr<br />
„eingereicht“. Er ist auch nicht an zusätzliche Bedingungen<br />
geknüpft, etwa an das fortbestehende Interesse des Antragstellers am<br />
Verfahren oder gar an die Entrichtung der weiteren Gebühr. Diese<br />
Annahme läßt wiederum die Auslegung des Antrags als Prozeßhandlung<br />
angesichts der klaren und schlichten, vom Gesetz in § 696 I 2<br />
ZPO und vom Vordruck vorgegebenen Wortwahl nicht zu. Der Gesetzeswortlaut<br />
ist allerdings nur ein Auslegungskriterium, das zurückstehen<br />
kann, wenn der Wortlaut auch andere Deutungen zuläßt. Bei § 61<br />
GKG muß indes der Streitantrag als „Antrag“ im Sinne der Aufzählung<br />
(„Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift“) aufgefaßt<br />
werden. Zwar haben die weiteren ausdrücklich bezeichneten Prozeßhandlungen<br />
und auch die Anträge bei den durch „Antragstellung“<br />
eingeleiteten besonderen in § 61 GKG genannten Verfahren sämtlich<br />
eine gerichtliche Endentscheidung zum Ziel, wogegen der Streitantrag<br />
anscheinend nur den Übergang aus dem Mahnverfahren, das im Fall<br />
des Widerspruchs ohne eine solche Entscheidung abschließt, in das<br />
Prozeßverfahren bewirkt. Erst in diesem Verfahren wird über den materiellen,<br />
hier auch erstmals zu stellenden oder doch zu wiederholenden,<br />
Sachantrag entschieden. Diese Betrachtungsweise läßt aber außer<br />
acht, daß der Streitantrag notwendige Voraussetzung dafür ist, daß das<br />
Verfahren vor das zur Endentscheidung über die Sache zuständige<br />
Gericht gelangt. Daran allein knüpft § 61 GKG an.<br />
Neben dem Wortlaut spricht die systematische Stellung des<br />
§ 61 GKG in seinem Zusammenwirken mit dem Kostenverzeichnis<br />
und mit § 65 GKG dafür, beim bedingten Streitantrag die Entstehung<br />
des Gebührentatbestandes auf den Zeitpunkt der wirksamen<br />
Stellung des Streitantrags zu bestimmen. Nach § 65 I 2 GKG wird<br />
die Sache an das Streitgericht nämlich erst abgegeben, wenn die<br />
„erforderte Gebühr für das Verfahren im allgemeinen gezahlt ist“.<br />
Bei dem Tatbestand des § 65 I 2 GKG handelt es sich somit um die<br />
Regelung einer „Vorauszahlung“ auf eine bereits fällig gewordene<br />
Gebühr. Die amtliche Überschrift spricht zwar von „Vorauszahlung<br />
und Vorschuß“, ohne jedoch im weiteren Gesetzestext zu differenzieren.<br />
Aus der völlig gleichen Behandlung der Abgabe mit der<br />
Zustellung der Klageschrift in Satz 1 von § 65 I GKG ist demnach<br />
zu folgern, daß – wie im Fall einer gewöhnlichen Klagerhebung –<br />
von einer bereits entstandenen Gebühr die Rede ist.<br />
Auch im Gesetzgebungsverfahren, dessen Verlauf für die historische<br />
Auslegung von Bedeutung ist, wird in der Begründung des Entwurfs<br />
des KostRÄndG (BT-Drucks. 12/6962, S. 52) davon gesprochen,<br />
daß „die Verfahrensgebühr als Vorauszahlung zu erheben sei“,<br />
ohne daß zwischen einer Klageerhebung nach § 253 ZPO und Verfahren<br />
nach vorausgegangenem Mahnverfahren unterschieden werde.<br />
Es läßt sich gegen dieses Ergebnis auch nicht einwenden, der<br />
Streitantrag werde erst vor dem Streitgericht belangvoll. Der Streitantrag<br />
ist an das funktionell zuständige Gericht, nämlich das Mahngericht,<br />
gerichtet. Dieses, und nicht das Streitgericht, hat über ihn durch<br />
Abgabe zu befinden. Es bedarf auch keiner weiteren Prozeßhandlungen<br />
des Antragstellers mehr, um den Rechtsstreit beim Streitgericht anhängig<br />
werden zu lassen. Im übrigen wäre die Fälligkeit der Gebühren ohnehin<br />
nicht von der Zuständigkeit des Gerichts abhängig.<br />
Eine im Gegensatz zu Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte<br />
stehende Auslegung nach Sinn und Zweck der Kostennormen<br />
und nach deren dem allgemeinen Verfahrensrecht dienender<br />
Funktion, wie sie die Mindermeinung befürwortet, ist nicht<br />
möglich. §§ 61, 65 I 2 GKG verlegen den Zeitpunkt der kostenrechtlichen<br />
Anhängigkeit bewußt vor den Zeitpunkt der Anhängigkeit<br />
beim Streitgericht. Die Mindermeinung käme zudem in Erklärungsschwierigkeiten,<br />
wenn ein Antragsteller das Feld nicht<br />
angekreuzt hat, sondern erst nach Widerspruch den Antrag auf<br />
Durchführung des streitigen Verfahrens stellt. Konsequent müßte<br />
auch ein solcher Antrag kostenrechtlich bis zum Eingang der Akten<br />
beim Streitgericht ignoriert werden – trotz zwingender Kostenanforderung<br />
nach § 65 I 2 GKG – eine nirgends vertretene und<br />
auch nur schwer vertretbare Auffassung.<br />
IV. Indessen ist das so gefundene Ergebnis der Gesetzesanwendung<br />
nicht nur nicht beifallswert und – wegen der alleinigen Folge<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsprechung<br />
eines neuen Kostenanspruchs der Staatskasse – anstößig, sondern<br />
darüber hinaus verfassungswidrig, so daß gemäß Artikel 100 GG<br />
i. V. m. §§ 80 ff. BVerfGG zu verfahren ist. Denn es kommt auf die<br />
Gültigkeit des § 61 GKG an, nämlich darauf, ob auch der Fall des<br />
mit dem Mahnbescheidsantrag verbundenen bedingten Streitantrags<br />
in seinen Anwendungsbereich fällt.<br />
Indem § 61 GKG eine weitere Gerichtsgebühr allein durch den<br />
mit Eintritt der Bedingung wirksam werdenden Streitantrag entstehen<br />
läßt, verstößt die Vorschrift sowohl gegen das Rechtsstaatsprinzip<br />
(Artikel 20 III GG) als auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz<br />
und das daraus folgende Willkürverbot (Art. 3 I GG)<br />
(vgl. auch den Vorlagebeschluß des LG Tübingen, JurBüro 97, 650,<br />
zu der Frage, ob die Versagung der Gebührenermäßigung bei einem<br />
Versäumnisurteil durch die Änderungen des KostRÄndG 1994<br />
gegenüber der früheren Rechtslage verfassungswidrig ist).<br />
1. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Justizgewährungsanspruch<br />
umfaßt das Recht auf grundsätzlich freien Zugang zu den<br />
Gerichten (BVerfGE 85, 337, 345 f.). Bedingungen und Voraussetzungen<br />
dieses Zugangs können zwar gesetzlich aufgestellt, insbesondere<br />
dürfen Gerichtsgebühren erhoben werden. Die entsprechenden<br />
Vorschriften müssen aber den verfassungsrechtlichen<br />
Grundsätzen für Gebührenregelungen genügen, so dürfen auch Gerichtsgebühren<br />
nicht „völlig unabhängig von den (tatsächlichen)<br />
Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden;<br />
die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Gebührenhöhe muß<br />
sachgerecht sein.“ (BVerfG aaO S. 346). Als weiteres sachliches<br />
Kriterium nennt das BVerfG (aaO) den Wert der staatlichen<br />
Leistung und als gleichfalls zulässigen Zweck einer Gebühr die<br />
Möglichkeit der Verhaltenssteuerung (BVerfGE 50, 217, 226 f.).<br />
Schließlich darf eine Gebühr auch nicht außer Verhältnis zu den<br />
mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken stehen.<br />
Im Streitfall ist dieses durch die Verfassung bei jeder Gebührenerhebung<br />
zu beachtende Äquivalenzprinzip verletzt, denn es<br />
fehlt in jeglicher Richtung an der sachgerechten Verknüpfung der<br />
Gebühr mit den zulässigerweise verfolgten Zielen.<br />
a) Mit der Erhebung einer halben Gebühr für das Mahnverfahren<br />
im Gegensatz zur Erhebung einer dreifachen, mindestens aber<br />
einer vollen Gebühr für das streitige Verfahren trägt das Gesetz<br />
dem – zulässigerweise pauschal betrachtet – höheren gerichtlichen<br />
Aufwand für dieses Verfahren Rechnung. Dieser Aufwand entsteht<br />
aber erst dann, wenn und soweit die Mahnsache tatsächlich antragsgemäß<br />
an das Streitgericht abgegeben wird. Insbesondere entsteht<br />
unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein höherer Aufwand<br />
schon allein dadurch, daß ein Antragsteller das einschlägige Vordruckfeld<br />
angekreuzt hat. Selbst beim Mahngericht löst der<br />
bedingte Streitantrag nach Widerspruch des Antragsgegners keine<br />
zusätzlichen kostenträchtigen Maßnahmen aus. Zu der Widerspruchsnachricht<br />
und der gleichzeitig – nämlich mit der Mitteilung<br />
des Widerspruchs selbst – erhobenen Zahlungsaufforderung nach<br />
§ 65 I 2 GKG treten keine weiteren Tätigkeiten des Gerichts hinzu.<br />
Die Nachricht schuldet das Gericht dem Antragsteller bereits nach<br />
§ 695 ZPO; sie erfolgt unabhängig von einem etwa gestellten<br />
Streitantrag und ist durch die Mahnverfahrensgebühr abgegolten.<br />
Die Zahlungsaufforderung erfolgt allein im Kosteninteresse der<br />
Staatskasse. Wenn nun gleichwohl schon jetzt die volle Gebühr anzusetzen<br />
wäre, würde das Bereithalten des einschlägigen Feldes<br />
auf den gesetzlich vorgeschriebenen Formularen in der Tat lediglich<br />
eine „Kostenfalle“ für unbedachte Antragsteller darstellen<br />
(vgl. Salten, aaO). Zynisch ist deshalb in Justizkreisen von diesem<br />
Feld auch als vom „Servicefeld“ die Rede, weil dessen Ankreuzen<br />
keine weitere Konsequenz als die einer Belastung des Antragstellers<br />
mit Gerichtskosten haben kann. Seitens des Staates eine solche<br />
Kostenfolge ohne Unterschied in der tatsächlichen Behandlung des<br />
Antrags aufzustellen, steht jedoch mit dem verfassungsrechtlich<br />
zulässigen Zweck der Kostendeckung nicht im Einklang. Von Verfassungs<br />
wegen dürfen auch keine Vorteile aus einer etwaigen<br />
Gedankenlosigkeit oder einer etwaigen Fehlvorstellung des durchschnittlichen<br />
redlichen Antragstellers gezogen werden. Der materielle<br />
Rechtsstaat darf nämlich nicht zu Fehlvorstellungen verleiten,<br />
um daraus finanziellen Nutzen zu ziehen. Jeder Antragsteller muß<br />
sich ja der Vordrucke bedienen, die ihm das Ankreuzen des fraglichen<br />
Feldes zumindest nahelegen, und er kann aus deren gesamten<br />
Text nebst den Ausfüllhinweisen gar nicht erkennen, daß dieser<br />
Antrag zwar keine prozessualen, aber ausschließlich kostenrecht-
AnwBl 4/99 233<br />
Rechtsprechung l<br />
liche Folgen zeitigt. Selbst ohne den Vordruckzwang würde der<br />
Antragsteller lediglich zulässigerweise von der ihm in § 696 Abs.<br />
1 S. 2 ZPO eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, ausschließlich<br />
mit einer für ihn nicht erkennbaren Kostenfolge. Nach Beginn<br />
der Diskussion über den streitigen Kostenansatz hat sich zwar in<br />
der Anwaltschaft ein Problembewußtsein bezüglich der Wirkungen<br />
des „Servicefeldes“ entwickelt, so daß anwaltlich vertretene Antragsteller<br />
heute meistens von dem vorsorglich gestellten Streitantrag<br />
absehen. An dem rechtssuchenden Publikum ohne Verfahrensund<br />
Kostenrechtskenntnisse ist diese Diskussion jedoch vorbeigegangen.<br />
Antragsteller, die von der Einschaltung eines Rechtsanwalts<br />
im Mahnverfahren absehen, kreuzen daher auch heute noch<br />
in der Regel das Vordruckfeld an.<br />
b) Der durch den Widerspruch entstandenen zusätzlichen Gebühr<br />
steht auch keine zusätzliche staatliche Leistung gegenüber,<br />
die an den bedingten Streitantrag geknüpft wäre. Das Mahngericht<br />
gibt gem. § 65 Abs. 1, S. 2 GKG vor Eingang der Vorauszahlung<br />
die Sache nicht ab. Das Streitgericht, und nur um dessen Leistung<br />
willen ist die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen sechsmal<br />
oder doch mindestens doppelt so hoch wie die Mahngebühr, befaßt<br />
sich demgemäß mit dem Verfahren auch nicht. Das alles tritt erst<br />
dann ein, wenn der Vorschuß entrichtet ist. In diesem Fall kommt<br />
es aber überhaupt nicht darauf an, ob der Streitantrag gem. § 696<br />
Abs. 1 S. 2 ZPO bereits im Mahngesuch gestellt war oder ob der<br />
Antragsteller ihn gem. § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO erst nach Erhebung<br />
des Widerspruchs stellt. Eine zusätzliche schon von der Verfahrensgebühr<br />
erfaßte Leistung liegt auch nicht in der Anforderung<br />
der Kostenvorauszahlung. In der Gerichtspraxis – siehe den vorliegenden<br />
Fall – wird dieser Vorschuß allerdings ohnehin zugleich<br />
mit der Mitteilung des Widerspruchs erhoben, unabhängig davon,<br />
ob ein Streitantrag bereits gestellt war oder ob – auch das sieht der<br />
Mitteilungsvordruck vor – der Antragsteller jetzt erst darauf hingewiesen<br />
wird, daß er den Antrag auf Durchführung des streitigen<br />
Verfahrens stellen könne, die Abgabe an das Streitgericht aber von<br />
der Vorauszahlung abhängig sei. Die Vorschußanforderung stellt<br />
von vornherein keine von der Gebühr 1201 mitabgegoltene Leistung<br />
dar. Die Bearbeitung der Gerichtskostenvorauszahlung betrifft<br />
nämlich einen völlig anderen Prüfungs- und Entscheidungsgegenstand<br />
als die Bearbeitung des Verfahrens in der Hauptsache<br />
(vgl. hierzu BVerfGE 50, 217). Das folgt einfachgesetzlich schon<br />
aus § 5 Abs. 6 und § 6 S. 2 GKG, wonach die Verfahren über die<br />
Erinnerung und die Beschwerde gegen den Kostenansatz und gegen<br />
die Anordnung einer Vorauszahlung gerichtsgebührenfrei sind.<br />
Erst recht – und es findet sich folgerichtig auch keine nach § 1<br />
Abs. 1 GKG hierfür einschlägige Kostennorm – sind die Verfahren<br />
vor dem Kostenbeamten über den Kostenansatz und die Anordnung<br />
einer Vorauszahlung gerichtskostenfrei.<br />
c) Unter dem Gesichtspunkt einer zulässigen Verhaltenssteuerung<br />
der Antragsteller könnte die Gebühr gerechtfertigt sein, wenn<br />
es ihr darum ginge, Antragsteller von voreiligen Streitanträgen abzuhalten,<br />
um dadurch beispielsweise überflüssigen Verfahrensaufwand<br />
zu vermeiden. Dieses Ziel kann sie aber nicht erreichen, weil<br />
Steuerung Erkenntnismöglichkeit voraussetzt. Ein Antragsteller<br />
muß zwar damit rechnen, daß ein zusätzlicher fakultativer Antrag<br />
im Mahngesuch Kosten auslösen kann, er braucht aber nicht damit<br />
zu rechnen, daß es sich hierbei wegen § 65 Abs. 1 S. 2 GKG um<br />
die praktisch einzige Folge handelt. Ginge das Kalkül eines Antragstellers<br />
auf, mit diesem Antrag sein Verfahren zu fördern, würde<br />
das Verfahren nach Widerspruch ohne weiteres abgegeben.<br />
Wenn nun dieser Antragsteller inzwischen das Interesse an der<br />
Durchführung des Rechtsstreits verloren hätte, könnte sein Antrag<br />
als eine vermeidbaren Aufwand verursachende voreilige Handlung<br />
betrachtet werden. Ein solcher Antragsteller müßte sich dann möglicherweise<br />
entgegenhalten lassen, Kosten ausgelöst zu haben Allerdings<br />
dürfte selbst einer solchen Wertung entgegenstehen, daß<br />
das Gesetz selbst in § 696 Abs. 1 S. 2 ZPO diese „voreilige“ und<br />
daher gegebenenfalls überflüssige Antragstellung begünstigt. Das<br />
genannte Kalkül eines Antragstellers kann sich aber zwangsläufig<br />
aufgrund der Verknüpfung der Verfahrensabgabe mit einer weiteren<br />
Zahlung nicht verwirklichen. Tatsächlich wird das verhaltenssteuernde<br />
Ziel nämlich nur durch die Anforderung der Vorauszahlung<br />
und die Abhängigkeit der Abgabe von der Vorauszahlung erreicht.<br />
d) Nachdem die anfallende weitere Gebühr tatsächlich weder zusätzliche<br />
Kosten des Gerichts abdecken muß, noch ihr eine zusätzliche<br />
Leistung gegenübersteht, noch das Verhalten der Rechtsuchenden durch<br />
sie steuerbar ist, kann sie von vornherein auch nicht in einem engeren<br />
Sinne verhältnismäßig sein. Eine solche Gebühr steht schon dem Grunde<br />
nach außer Verhältnis zu den mit ihr verfolgten Zwecken.<br />
2. Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß der Gesetzgeber<br />
bei der Gestaltung von Gebührentatbeständen einen weiten<br />
Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum hat, also zulässigerweise<br />
pauschalieren, insbesondere anhand bestimmter Fallgruppen typisieren<br />
darf, um Kostenregelungen praktikabel zu halten. Dieser gerade<br />
für das Gerichtskostenrecht einleuchtende Ansatz findet etwa<br />
seinen Ausdruck in der zulässigen Abhängigkeit der Gebührenhöhe<br />
vom Streitwert als Indikator des Wertes der staatlichen Leistung,<br />
aber auch in dem Ermäßigungstatbestand der Nr. 1202 a) des<br />
Kostenverzeichnisses. Danach kommt es im Einzelfall nicht darauf<br />
an, ob der Klagrücknahme vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung<br />
bereits eine aufwendig Beweisaufnahme vorausgegangen<br />
ist oder sich der Richter vielleicht noch gar nicht mit der Sache<br />
befaßt hatte. Weil dazwischen unendlich viele Möglichkeiten des<br />
Verfahrensgangs liegen, ließe sich vollkommene Gebührengerechtigkeit<br />
nur durch aufwendige Betrachtung eines jeden Einzelfalls<br />
herstellen. Der damit verbundene Aufwand würde zur Aufgabe jeder<br />
praktikablen Regelung führen.<br />
Das Gesetz zeigt aber gerade an diesem Ermäßigungstatbestand,<br />
daß dort, wo eine sachliche Differenzierung der Gebührenhöhe<br />
nach den tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm leicht<br />
möglich ist, sie auch durchgeführt werden muß. So könnte die<br />
Nr. 1202 ohne weiteres um eine weitere Fallgruppe und damit<br />
durch einen Buchstaben d) mit dem Inhalt ergänzt werden, daß die<br />
Rücknahme der Klage, des Antrags auf Durchführung des streitigen<br />
Verfahrens, des Widerspruchs oder des Einspruchs vor Abgabe<br />
an das Streitgericht zum Wegfall der Gebühr 1201 führt.<br />
3. Außerdem würde der Gebührenansatz Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.<br />
Art. 3 Abs. 1 GG enthält das sogenannte Willkürverbot,<br />
d. h. das Verbot unsachlicher Differenzierung. Der Ansatz der weiteren<br />
halben Gebühr behandelt jedoch bei im wesentlichen gleichem<br />
Sachverhalt zwei Antragsteller ungleich, weil er die Gebühren<br />
nur danach höher ausfallen läßt, weil der eine Antragsteller ein<br />
bestimmtes Vordruckfeld ankreuzt, ohne daß dieses Kreuz sein<br />
Verfähren praktisch fördern kann. Sowohl der Verfahrensablauf als<br />
auch der Arbeitsaufwand des Gerichts bleiben – wie dargelegt –<br />
gänzlich unbeeinflußt davon, ob ein solcher bedingter Streitantrag<br />
gestellt wird oder nicht. Nur bei den persönlich kostenbefreiten<br />
Antragstellern wirkt sich das Kreuz aus – bei diesen fällt aber ohnehin<br />
keine weitere Gebühr an. Als „wesentlich“ bei der Beurteilung<br />
der beiden unterschiedlichen Sachverhalte – Ankreuzen oder<br />
Freilassen des Feldes – können dabei wiederum nur die davon beeinflußten<br />
Folgen für das Verfahren herangezogen werden, die sich<br />
gerade nicht unterscheiden. Umgekehrt ist bei im wesentlichen<br />
ungleichem Sachverhalt der Antragsteller, der das Verfahren nach<br />
Widerspruch nicht mehr betreibt, dieselben Kosten zu tragen wie<br />
der Antragsteller, der durch Entrichtung der erforderten Gebühren<br />
für das Verfahren im allgemeinen die Abgabe der Sache an das<br />
Streitgericht veranlaßt, dadurch sein Verfahren fördert und zusätzlichen<br />
Aufwand beim Prozeßgericht auslöst, bevor jetzt erst ein zur<br />
Gebührenermäßigung nach Nr. 1202 KV-GKG führender Tatbestand<br />
eintritt. Diese unterschiedlichen Abläufe können nicht die Erhebung<br />
derselben Kosten rechtfertigen.<br />
Dagegen läßt sich als zulässiges Differenzierungsmotiv auch<br />
nicht anführen, daß der erste Antragsteller sich bereits für die<br />
Durchführung des typischerweise mit höherem Aufwand verbundenen<br />
streitigen Verfahrens entschieden habe, denn diese Entscheidung<br />
geht wegen der gleichfalls typischen Gestaltung des Verfahrensgangs<br />
zwangsläufig ins Leere.<br />
Der Verfassungsverstoß geht letztlich auf den durch § 65 Abs.<br />
1 S. 2 GKG verursachten Leerlauf von § 696 I 2 ZPO bzw. auf die<br />
in sich widersprüchliche Verknüpfung von Verfahrens- und Kostenrecht<br />
zurück. Diese Verknüpfung ist perplex, weil der bedingte<br />
Streitantrag für sich allein den Übergang ins Prozeßverfahren nicht<br />
ermöglicht. Das ließe sich hinnehmen, wenn er schlicht folgenlos<br />
bliebe, nicht aber, wenn – wie nach der dargestellten einfachgesetzlichen<br />
Rechtslage – seine einzige Wirkung in einer Bereicherung<br />
der Gerichtskostengläubigerin besteht.
234<br />
l<br />
Diesen Widerspruch hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung<br />
des § 61 GKG und der Gebührentatbestände der Nummern 1201<br />
und 1202 – anders als etwa bei der unterbliebenen Aufnahme des<br />
Versäumnisurteils in die Ermäßigungstatbestände – ersichtlich<br />
nicht als solchen erkannt. Beträfe er nur wenige Einzelfälle, könnte<br />
eine typisierende und pauschalierende Betrachtung über ihn<br />
hinweggehen. Nachdem er aber in der Praxis sogar massenhaft aufgetreten<br />
ist und weiterhin auftreten kann und der Gesetzgeber –<br />
entgegen der Erwartung von Meyer (aaO) – bisher untätig geblieben<br />
ist, kommt nur eine Heilung durch die in Artikel 100 GG vorgesehene<br />
konkrete Normenkontrolle in Betracht.<br />
5. Der Verstoß gegen das Gebot der sachgerechten Gebührenfestsetzung<br />
wird auch nicht dadurch erträglich, daß ein Antragsteller<br />
die zusätzlichen Kosten vermeiden kann, indem er um das „Servicefeld“<br />
einen Bogen macht. Der Erträglichkeit steht entgegen,<br />
daß der Gesetzgeber mit § 696 Abs. 1 S. 2 ZPO einem Mahnantragsteller<br />
scheinbar eine nützliche Antragsbefugnis einräumt,<br />
ihm deren Wirkungen aber durch § 65 Abs. 1 S. 2 GKG nicht nur<br />
wieder nimmt, sondern daran durch § 61 GKG i. V. m. Nrn. 1202,<br />
1202 KV ausschließlich Kostennachteile knüpft. Verschärft wird<br />
diese Situation durch den Vordruckzwang des § 703 c Abs. 2 ZPO<br />
und durch die Vorschriften über die Gestaltung und den Text der<br />
Vordrucke durch die einschlägigen Vordruckverordnungen. Deren<br />
Gestaltung bietet dem arglosen Antragsteller nämlich das Ankreuzen<br />
des „Servicefeldes“ geradezu an, und in den amtlichen „Ausfüllhinweisen“<br />
lassen sich Hinweise weder darauf finden welche<br />
Kostenfolgen der bedingte Streitantrag bereits mit Eingang des<br />
Widerspruchs hat, noch darauf, daß der Antrag ohne Kostenvorauszahlung<br />
folgenlos bleibt. Dadurch würde allerdings die Perplexität<br />
der Regelung, insbesondere die – vom Gesetzgeber sicher ungewollt<br />
– gestellte „Kostenfalle“ auch offenkundig.<br />
V. Verfassungswidrig ist nach alledem das Fehlen einer Ausnahme<br />
oder Einschränkung zu § 61 GKG oder eines weiteren Ermäßigungs-<br />
bzw. Wegfalltatbestandes in Nr. 1202 mit dem oben (IV.2.)<br />
erwogenen Inhalt. Bei einer solchen Einschränkung wären auch im<br />
Streitfall die mit der Erinnerung angefochtenen weiteren Kosten<br />
nur dann entstanden, wenn die Sache tatsächlich abgegeben worden<br />
wäre. Die Erinnerung wäre dann begründet. Somit kommt es<br />
auf die dem BVerfG vorgelegte Frage an.<br />
VI. Die Vorlage läßt sich auch nicht durch eine verfassungskonforme<br />
Auslegung der genannten Kostenvorschriften umgehen. Das<br />
Gericht hat sich entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichts<br />
in BVerfGE 88, 187, 194 f. mit dieser Möglichkeit bereits in<br />
dem Verfahren 77 B g 24485/96 auseinandergesetzt, zumal eine andere<br />
Auslegung des § 61 GKG – wie oben unter III. anhand des<br />
Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur dargestellt – keineswegs<br />
von vornherein als unvertretbar ausscheidet. Das Gericht<br />
hat diese Möglichkeit in jenem Verfahren noch bejaht, sieht jedoch<br />
aufgrund seiner jetzigen Überzeugung, wie es sie aufgrund der unter<br />
III.4. dargelegten Argumente gewonnen hat, keinen Ansatz<br />
mehr für eine solche Handhabung der Streitfrage.<br />
Mitgeteilt durch den Hamburgischen Anwaltverein<br />
ZPO §§ 91, 485 ff.; BRAGO §§ 37 Nr. 3, 48<br />
Kosten des selbständigen Beweisverfahrens können nicht aufgrund<br />
einer Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen<br />
Verfügung erstattet werden.<br />
OLG München, Beschl. v. 9.7.1998 – 11 W 1411/98<br />
Aus den Gründen: Die Vorinstanz hat zu Recht die Festsetzung<br />
der Beweisverfahrenskosten aufgrund der vorliegenden Kostenentscheidung<br />
des Verfügungsverfahrens abgelehnt.<br />
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Kosten<br />
des Beweisverfahrens aufgrund der Kostenentscheidung in der<br />
Hauptsache zu erstatten, wenn und soweit der Gegenstand und die<br />
Parteien der beiden Verfahren identisch sind (vgl. Senat, JurBüro<br />
1993, 543 = MDR 1993, 1131 = Rpfleger 1993, 462; JurBüro<br />
1996, 36 = MDR 1995, 1073 = OLG Report München 1996, 60).<br />
Während dieser Grundsatz weitgehend unbestritten ist, ist die<br />
Frage, was als Hauptsacheentscheidung anzusehen ist, nicht unstreitig.<br />
Überwiegend wird die Auffassung vertreten, daß ein den<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsprechung<br />
Arrest oder die einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil keine<br />
Hauptsacheentscheidung darstellt, auf deren Grundlage die Kosten<br />
des Beweisverfahrens festgesetzt werden könnten (vgl. KG, AnwBl<br />
1984, 212 = JurBüro 1984, 1243; SchlHOLG, JurBüro 1987, 1223;<br />
Hansens, BRAGO, 8. Aufl., Rdnr. 19 zu § 48). Demgegenüber<br />
wird vom OLG Koblenz (JurBüro 1995, 481) die Auffassung vertreten,<br />
daß die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auch<br />
auf der Grundlage einer Kostenentscheidung im Verfügungsverfahren<br />
erstattungsfähig sein können. Zur Begründung dieser Auffassung<br />
wird auf die Überlegungen von Eickens (Gerold/Schmidt-von<br />
Eicken, BRAGO, 13. Aufl., Rdnr. 9b zu § 37) in Zusammenhang<br />
mit § 37 Nr. 3 BRAGO abgestellt, welches Verfahren dem Rechtszug<br />
zugeordnet werden könnte, wenn wegen des Beweisverfahrens<br />
sowohl ein Verfügungsverfahren als auch ein Klageverfahren stattfindet;<br />
hier bleibt nach von Eicken „nichts anderes übrig“, als das<br />
Beweisverfahren demjenigen Verfahren zuzuordnen, in dem das<br />
Ergebnis der selbständigen Beweisaufnahme zuerst eingeführt worden<br />
ist. Im übrigen stellt das OLG Koblenz entscheidend auf § 493<br />
Abs. 1 ZPO ab, wonach das Beweisverfahren in derselben Weise<br />
in das Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung Eingang<br />
finden könne wie in das Klageverfahren. Überzeugend sind beide<br />
Argumente nicht. Entscheidend für die Kostenerstattung ist, daß<br />
nur im Klageverfahren eine abschließende sachliche Entscheidung<br />
über den Gegenstand des Beweisverfahrens ergeht. Diese Bedeutung<br />
kann die Entscheidung im vorläufigen Verfahren auch dann<br />
nicht haben, wenn dort das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens<br />
verwertet wird. In dieser entscheidenden Frage besteht<br />
übrigens zwischen der früheren und der neueren Rechtslage kein<br />
Unterschied, so daß (entgegen der Auffassung des OLG Koblenz)<br />
durchaus auf die früheren Entscheidungen des KG und des Schleswig<br />
Holsteinischen OLG zurückgegriffen werden kann.<br />
Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, daß das Verfügungsverfahren<br />
deshalb eingeleitet wurde, um die Durchführung<br />
des Beweisverfahrens zu ermöglichen. In diesem Fall scheitert die<br />
Erstattungsfähigkeit der Kosten des Beweisverfahrens auch daran,<br />
daß der Gegenstand beider Verfahren nicht identisch ist. Es geht<br />
nämlich im Verfügungsverfahren nicht etwa um die etwaigen Ansprüche<br />
der Verfügungskl, die aus der Beweissicherung hergeleitet<br />
werden könnten, sondern um den Anspruch der Verfügungskl auf<br />
die (ungestörte) Durchführung der Beweissicherung.<br />
Abschließend ist zum Beschwerdevorbringen auszuführen, daß<br />
das Rechtfertigungsverfahren nach §§ 942 Abs. 1, 943 ZPO ebenso<br />
wie das Widerspruchsverfahren nach §§ 924, 925 ZPO i. V. m.<br />
§ 936 ZPO) zum Verfahren der einstweiligen Verfügung zu rechnen<br />
ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., Rdnr. 9 zu § 942). Hier<br />
wird nur über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung,<br />
nicht aber über die Hauptsache entschieden.<br />
Mitgeteilt von dem 11. Zivilsenat des OLG München<br />
ZPO § 91, §§ 485 ff.<br />
Wird in einem gerichtlichen Vergleich Kostenaufhebung vereinbart,<br />
werden im Zweifelsfall auch die Gerichtskosten eines dem<br />
Rechtsstreit vorangegangenen, selbständigen Beweisverfahrens<br />
zwischen den Parteien aufgeteilt.<br />
OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.2.1998 – 6 W 450/98<br />
Aus den Gründen: Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde<br />
Erinnerung der Bekl gegen den Kostenfestsetzungsbeschl. v.<br />
8.7.1997 ist zulässig und begründet. Nach Auffassung des Senats<br />
sind beim Ausgleich der Kosten erster Instanz 643,20 DM (Hälfte<br />
der Gerichtskosten des selbständigen Beweisverfahrens) zugunsten<br />
der Bekl zu berücksichtigen.<br />
Dabei kommt es nicht auf die umstrittene Frage an, ob die Gerichtskosten<br />
eines selbständigen Beweisverfahrens im Hauptprozeß<br />
als Gerichtskosten oder als außergerichtliche Kosten anzusehen sind.<br />
Ausschlaggebend ist vielmehr, wie die im Hauptprozeß vergleichsweise<br />
vereinbarte Kostenaufhebung zu verstehen ist, wobei die Auslegungsregel<br />
gilt, daß im Zweifelsfall der Parteiwille dahin geht, daß<br />
die Gerichtskosten sowohl im Hauptprozeß als auch im selbständigen<br />
Beweisverfahren geteilt werden (vgl. Wieczorek/Schütze/Steiner,<br />
§ 91 ZPO, Rdnr. 39, und MünchKomm. ZPO-Belz, § 98 Rdnr. 33).
AnwBl 4/99 235<br />
Rechtsprechung l<br />
Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien die Kostenregelung im Vergleich<br />
in einem anderen Sinn verstanden haben, sind nicht vorhanden.<br />
Der Kl trägt nicht vor, daß er beim Vergleichsabschluß erklärte, er<br />
wolle lediglich die Gerichtskosten erster Instanz, nicht aber Gerichtskosten<br />
des selbständigen Beweisverfahrens hälftig tragen. Für eine<br />
solche Annahme bestand umso weniger Anlaß, als auf Seite 8-9 des<br />
Schriftsatzes der Klägervertreter vom 14. 1.1997 zum Ausdruck gebracht<br />
worden war, daß die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens<br />
als (wenn auch aus anderen Gründen nicht zu erstattende) Gerichtskosten<br />
des Hauptprozesses angesehen wurden...<br />
Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. Dietmar Seidel, Nürnberg<br />
ZPO § 494 a<br />
Allein die fehlende Klageerhebung innerhalb einer nach § 494a<br />
Abs. 1 ZPO gesetzten Frist genügt nicht, um dem Antragsteller<br />
eines selbständigen Beweisverfahrens ohne Berücksichtigung<br />
der weiteren Umstände die dem Antragsgegner entstandenen<br />
Kosten aufzuerlegen. (LS der Reaktion)<br />
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 13.2.1998 – 10 W 31/97<br />
Aus den Gründen: Die gem. § 494a Abs. 2 ZPO zulässige sofortige<br />
Beschwerde hat auch in sachlicher Hinsicht Erfolg.<br />
Der Senat teilt nicht die Auffassung des LG, daß allein die<br />
fehlende Klageerhebung innerhalb einer nach § 494 a Abs. 1 ZPO<br />
gesetzten Frist genügt, um dem Antragsteller eines selbständigen<br />
Beweissicherungsverfahrens ohne Berücksichtigung der weiteren<br />
Umstände die dem Antragsgegner entstandenen Kosten aufzuerlegen<br />
(§ 494 a Abs. 2 ZPO).<br />
Ist wie in dem vorliegenden Verfahren vielmehr davon auszugehen,<br />
daß der Antragsgegner die von dem Sachverständigen in<br />
dessen Beweissicherungsgutachten erstmals gefundenen Mängel<br />
anerkennt und sie beseitigt oder – wie hier – zu deren Beseitigung<br />
bereitfindet, dann hat der Antragsteller nicht nur kein Interesse,<br />
eine Klage zu erheben, sondern er muß, wenn er denn Klage erhebt,<br />
damit rechnen, daß diese Klage gerade wegen der uneingeschränkten<br />
Bereitschaft seines Gegners zur Mängelbeseitigung von<br />
vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat geht deshalb<br />
zusammen mit dem OLG Düsseldorf (Beschl. v. 28.10.1993 – 10<br />
W 135/93 OLGZ 1994, 464; dieser Entscheidung folgend OLG<br />
Frankfurt OLG-Rp Frankfurt 1995, 155; vgl. auch Baumbach-Hartmann,<br />
ZPO, 56/1998, § 494 a Rdnr. 9 a. E.; Zöller, ZPO, 20. Aufl.<br />
§ 494 a Rdnr. 5; a. A. OLG Düsseldorf Beschl. v. 9.9.1994 – 21 W<br />
36/94) davon aus, daß die Vorschrift des § 494 a ZPO deshalb begrifflich<br />
und unter Berücksichtigung der Interessenlage beider Parteien<br />
nur dann eingreifen kann, wenn die Hauptsacheforderung<br />
zwischen den Beteiligten noch streitig ist und der Beweisgegner<br />
sich ungerechtfertigterweise in Anspruch genommen glaubt. Auch<br />
die Argumentation des Antragsgegners, der darauf verweist, daß<br />
im Falle einer Klage er durch ein sofortiges Anerkenntnis i. S. d.<br />
§ 93 ZPO die von ihm hier begehrte Kostenfolge herbeiführen<br />
könne, zeigt, daß in Fällen der vorliegenden Art schon für einen<br />
Zwang zur Klageerhebung kein Raum sein kann.<br />
Nach alledem war auf die Beschwerde der angefochtene Beschluß<br />
abzuändern und der Antrag, der Antragstellerin die dem<br />
Antragsgegner entstandenen Kosten aufzuerlegen, zurückzuweisen.<br />
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ansgar Imgram, Bad Homburg<br />
ZPO § 91 Abs. 2, §§ 688 ff.<br />
1. Die Kosten einer Partei für einen im Mahnverfahren tätigen<br />
Rechtsanwalt sind grundsätzlich erstattungsfähig (entgegen OLG<br />
Nürnberg, Beschl.v. 30.7.1998 – 8 W 2309/97 in NJW1998, 388).<br />
2. Erstattungsfähig sind auch die höheren Kosten, die durch die<br />
Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts am Ort des Prozeßgerichts<br />
nach Widerspruchseinlegung entstanden sind, wenn ein<br />
vernünftig abwägender Antragsteller nicht damit rechnen<br />
mußte, daß der Antragsgegner gegen einen Mahnbescheid Widerspruch<br />
einlegen werde. (LS der Redaktion)<br />
OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.5.1998 – 5 W 1070/98<br />
Aus den Gründen: I. Die Kosten einer Partei für einen im Mahnverfahren<br />
tätigen Rechtsanwalt sind grundsätzlich erstattungsfähig<br />
(a.A. OLG Nürnberg, 8 W 2309/97 – MDR 1997, 1068).<br />
Dies ergibt sich bereits aus § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO. Auch wenn<br />
im Mahnverfahren kein eigener „Prozeß“ zu erblicken sein sollte,<br />
kann es doch nach Widerspruch in ein Prozeßverfahren übergehen<br />
oder ebenfalls zu einem rechtskräftigen Titel führen (vgl. Gerold-<br />
Schmidt-v. Eicken, BRAGO, 13. Aufl., Rdnr. 21 zu § 43 BRAGO).<br />
Es ist unbestrittenes Recht jedes Bürgers, sich bei einer Klage oder<br />
der Rechtsverteidigung hiergegen der Hilfe eines Rechtsanwalts zu<br />
bedienen, ohne die fehlende Erstattungsfähigkeit im Falle des Obsiegens<br />
befürchten zu müssen. Dieses Recht gilt unabhängig davon,<br />
ob er dieser Hilfe auch tatsächlich bedurfte oder seine Rechte<br />
auch selbst hätte wahrnehmen können. Für das dem eigentlichen<br />
Prozeßverfahren vorgeschaltete Mahnverfahren kann nichts anderes<br />
gelten. Auch hier muß eine Partei als berechtigt angesehen werden,<br />
zur Durchsetzung ihrer Rechte einen Rechtsanwalt zu beauftragen<br />
und diese Kosten später dem unterlegenen Gegner<br />
auferlegen zu können. Würde man die Berechtigung vom individuellen<br />
„Schwierigkeitsgrad“ einer Streitsache abhängig machen,<br />
würde dies zu einer unberechenbaren Kostenkasuistik führen.<br />
Auch sind für einen juristischen Laien die rechtlichen Probleme im<br />
Mahnverfahren, die auch dort auftreten können (vgl. hierzu Schneider,<br />
NJW 1998, 356), kaum ersichtlich. Darüber hinaus würde der<br />
Gläubiger eines Anspruchs in das kostenrechtlich „sichere“ Klageverfahren<br />
gedrängt und damit der gesetzgeberisch erwünschte Effekt<br />
eines kosten- und zeitsparenden Mahnverfahrens unterlaufen.<br />
Der Senat teilt demnach die Gründe nicht, die das LG zur Verneinung<br />
der Erstattungsfähigkeit der Mahnanwaltskosten geführt hat.<br />
II. Der Festsetzung der Mahnanwaltskosten steht im vorliegenden<br />
Fall auch nicht entgegen, daß nach Widerspruchseinlegung<br />
durch die Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts am Ort des<br />
Prozeßgerichts höhere Kosten entstanden sind.<br />
Maßgeblich hierfür ist, ob diese Beauftragung notwendig war<br />
(§ 91 Abs. 2 S. 3 ZPO). Das ist vorliegend der Fall, da der Mahnanwalt<br />
bei dem Prozeßgericht nicht zugelassen war. Allerdings ist<br />
es einer Partei unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung –<br />
vom Fall einer notwendigen Einschaltung eines Verkehrsanwalts<br />
abgesehen – durchaus zumutbar, auch einen auswärtigen, für ein<br />
mögliches Prozeßverfahren zugelassenen Rechtsanwalt bereits mit<br />
der Durchführung des Mahnverfahrens zu beauftragen (vgl. Riedel-Sußbauer-Keller,<br />
BRAGO, 7. Aufl., Rdnr. 15 ff. zu § 43 BRA-<br />
GO). Dies gilt aber grundsätzlich nur dann, wenn ein vernünftig<br />
abwägender Antragsteller damit rechnen muß, daß der Antragsgegner<br />
gegen einen Mahnbescheid Widerspruch einlegen werde (Gerold-Schmidt,<br />
aaO; Riedel-Sußbauer, aaO; Göttlich-Mümmler,<br />
BRAGO, 19. Aufl., Rdnr. 5.12 zu „Mahnverfahren“; Zöller-Herget,<br />
ZPO, 20. Aufl., Rdnr. 13 zu § 91 ZPO „Mahnverfahren“ m. w. N.).<br />
Das war aber bei der Kl nicht der Fall. Angesichts der Tatsache,<br />
daß der Bekl bis zur Zustellung des Mahnbescheides auf Kündigung<br />
und Mahnschreiben nicht reagiert hatte, konnte und durfte sie<br />
davon ausgehen, der Bekl habe gegen den geltend gemachten Anspruch<br />
keine sachlichen Einwände. Die Berechtigung dieser Vermutung<br />
findet auch ihre nachträgliche Bestätigung darin, daß der<br />
Bekl trotz Anwaltsbestellung im Prozeßverfahren eine Klageerwiderung<br />
nicht vorlegen, sondern – rechtskräftiges – Versäumnisurteil<br />
gegen sich ergehen ließ (vgl. OLG Bamberg, JurBüro, 1987 761).<br />
Mit einem Widerspruch aus bloßen Verzögerungsgründen mußte<br />
die Kl nicht rechnen (Zöller, aaO).<br />
III. Die Kl war demnach auch unter dem Gesichtspunkt der<br />
Kostenerstattung berechtigt, im Mahnverfahren einen im Bezirk ihres<br />
zuständigen Mahngerichts ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen.<br />
Seine Gebühren sind als Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung<br />
vom Bekl zu erstatten.<br />
Ob für ein Kreditinstitut etwas anderes gilt, das am Ort des<br />
möglichen Prozeßgerichts eine Zweigstelle unterhält und dem dort<br />
bereits Anwälte seines Vertrauens zur Verfügung stehen, kann offenbleiben,<br />
da dies bei er Kl hier nicht der Fall ist.<br />
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Andreas Roth, München
236<br />
l<br />
Prozeßrecht<br />
ZPO § 42 Abs. 2<br />
1. Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige,<br />
herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen des<br />
Richters in der mündlichen Verhandlung können die Besorgnis<br />
der Befangenheit begründen. Bei der Abgrenzung ist der Gesamtzusammenhang<br />
der konkreten Verhandlungssituation zu betrachten<br />
und insbesondere darauf abzustellen, ob die Äußerungen<br />
noch sachbezogen und aufgrund des Verhaltens der<br />
Beteiligten verständlich sind und ob mögliche Mißverständnisse<br />
vom Richter sogleich ausgeräumt werden.<br />
2. Die Würdigung des prozessualen Vorgehens einer Partei als<br />
„tricky“ rechtfertigt nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit.<br />
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1998 – 11 W 13/98<br />
Aus den Gründen: Die zulässige sofortige Beschwerde des Verfügungskl<br />
hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat das Ablehnungsgesuch<br />
gegen den Richter am LG F. zu Recht zurückgewiesen.<br />
Die Würdigung des prozessualen Verhaltens des Verfügungskl<br />
und seines Verfahrensbevollmächtigten als „tricky“ war aus der<br />
Sicht einer verständig urteilenden Partei nicht geeignet, Mißtrauen<br />
gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen<br />
(§ 42 Abs. 2 ZPO). Zwar können grobe Fehlgriffe in der Wortwahl,<br />
Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende oder gar<br />
beleidigende Äußerungen des Richters in der mündlichen Verhandlung<br />
die Besorgnis seiner Befangenheit begründen (vgl. Feiber in<br />
Münchener Kommentar, § 42 ZPO Rdnr. 24; Zöller/Vollkommer,<br />
20. Aufl., § 42 ZPO Rdnr. 22 m. w. N.). Nicht jede umgangssprachliche,<br />
bildhafte Wendung ist jedoch als Herabsetzung zu werten<br />
(Feiber aaO). Vielmehr müssen Anmerkungen des Richters – wie<br />
auch die der weiteren Verfahrensbeteiligten – stets im Gesamtzusammenhang<br />
der konkreten Verhandlungssituation betrachtet werden.<br />
In einem offenen, in freier Rede und Gegenrede geführten<br />
Meinungsaustausch nach dem Leitbild der Zivilprozeßordnung<br />
(§§ 136 ff. ZPO) kann es durchaus zu Formulierungen kommen,<br />
die von einzelnen Beteiligten mißdeutet werden können. In einer<br />
solchen Situation kommt es darauf an, ob die Äußerungen noch<br />
sachbezogen und aufgrund des Verhaltens der Beteiligten verständlich<br />
oder ob sie Ausdruck bloßen Unmuts sind und ob mögliche<br />
Mißverständnisse sogleich ausgeräumt werden. Wenngleich der<br />
Richter in seiner Wortwahl Zurückhaltung üben sollte, dürfen dabei<br />
keine kleinlichen Maßstäbe angelegt werden (vgl. Stein/Jonas/<br />
Bork, 21. Aufl., § 42 ZPO Rdnr. 11), um das Rechtsgespräch nicht<br />
mit unkalkulierbaren Risiken zu belasten, die sich letztlich zum<br />
Nachteil der Parteien auswirken müßten.<br />
Nach diesen Grundsätzen ist die Charakterisierung des Verhaltens<br />
des Verfügungskl als „tricky“ noch hinzunehmen. Dem Verfügungskl<br />
ist zuzugeben, daß dieser Begriff nach verbreitetem Verständnis<br />
einen kritischen Unterton enthält. In Wörterbüchern<br />
finden sich zum Teil Übersetzungen wie „gerissen“ oder „durchtrieben“.<br />
Allerdings ist der Wortsinn nicht eindeutig und ausschließlich<br />
negativ besetzt. So hat der Begriff „tricky“ nach Kenntnis<br />
des Senats Eingang in die jugendliche Umgangssprache<br />
gefunden und bezeichnet dort ein zwar nicht ganz geradliniges, jedoch<br />
nicht notwendigerweise unseriöses, von einer gewissen<br />
Schläue gekennzeichnetes einfallsreiches Vorgehen. In diesem<br />
Sinne wollte der abgelehnte Richter seine Formulierung offenbar<br />
verstanden wissen, wie sich aus seiner Umschreibung mit dem<br />
Wort „trickreich“ in der mündlichen Verhandlung und insbesondere<br />
aus seinen etymologischen Ausführungen in der dienstlichen Äußerung<br />
ergibt. Soweit darin noch immer – möglicherweise durch entsprechende<br />
Mimik unterstützte – Kritik am prozessualen Vorgehen<br />
des Verfügungskl anklang, knüpfte sie ausweislich der weiteren Erläuterungen<br />
daran an, daß dieser es verstanden hatte, den Verfügungsbekl<br />
zu einer dem Verfügungsbegehren nahekommenden einseitigen<br />
Erklärung zu bewegen und das Verfahren sodann durch<br />
eine Erledigungserklärung in der Sache zu beenden, ohne dem Verfügungsbekl<br />
im Rahmen eines mehrstündig erörterten, von diesem<br />
bis zuletzt erwarteten Vergleichs nennenswert entgegenkommen zu<br />
müssen. Die beanstandete Formulierung war damit nicht auf eine<br />
persönliche Herabwürdigung des Verfügungskl oder seines Verfahrensbevollmächtigten<br />
gerichtet, sondern beinhaltete eine sachbezo-<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsprechung<br />
gene und nachvollziehbare Würdigung, die Teil der richterlichen<br />
Amtsausübung ist. Ob sie auch sachlich berechtigt war, kann im<br />
Ablehnungsverfahren dahinstehen, weil unzutreffende oder angreifbare<br />
Wertungen für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit<br />
begründen. Es mag zutreffen, daß der abgelehnte Richter<br />
diese Würdigung besser in andere Worte gekleidet hätte. Jedenfalls<br />
nach seiner sofortigen Klarstellung bestand für eine verständig abwägende<br />
Partei jedoch kein Anlaß mehr, über die Grenzen hinzunehmender<br />
Kritik hinaus Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu hegen.<br />
Die Ausführungen in der dienstlichen Äußerung zum weiteren<br />
Ablauf der mündlichen Verhandlung rechtfertigen ebenfalls nicht<br />
die Besorgnis, der abgelehnte Richter stehe dem Anliegen des Verfügungskl<br />
nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenüber.<br />
Die voneinander abweichenden tatsächlichen Darstellungen<br />
können auf einer unterschiedlichen subjektiven Wahrnehmung und<br />
Ausdeutung des anscheinend lebhaften und leidenschaftlichen Verhandlungsablaufs<br />
beruhen. Jedenfalls hat der Verfügungskl aber<br />
nicht glaubhaft gemacht, daß allein seine Schilderung den objektiven<br />
Tatsachen entspricht und die abweichende Darstellung des abgelehnten<br />
Richters auf einer unsachlichen Einstellung ihm gegenüber<br />
gründet.<br />
Mitgeteilt von Richter am OLG W. Müller, Düsseldorf<br />
ZPO § 78 Abs. 1; BRAO § 53 Abs. 3<br />
Ein rechtswirksames Handeln eines nicht postulationsfähigen<br />
Rechtsanwalts als amtlich bestellter Vertreter für einen postulationsfähigen<br />
Rechtsanwalt setzt voraus, daß dieses hinreichend<br />
deutlich (hier: in der Rechtsmittelschrift) erkennbar wird.<br />
BGH, Beschl. v. 22.10.1998 – VII ZB 15/98<br />
Aus den Gründen: II. Die gem. § 568 a i. V. m. § 700 Abs. 1<br />
ZPO zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet.<br />
Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß<br />
die Beschwerde gegen einen den Einspruch gegen einen Vollstrekkungsbescheid<br />
verwerfenden Beschluß des LG wirksam nur von einem<br />
bei diesem Gericht oder dem Beschwerdegericht zugelassenen<br />
Rechtsanwalt eingelegt werden kann. Mit der auf den Einspruch<br />
gegen den Vollstreckungsbescheid folgenden Abgabe des Rechtsstreits<br />
und mit dem Eingang der Akten bei dem Gericht, an das abgegeben<br />
wird, gilt der Rechtsstreit als dort anhängig (§ 700 Abs. 3<br />
S. 2, § 696 Abs. 1 S. 4 ZPO). Mit der Abgabe vom AG an das LG<br />
entfällt die Freistellung vom Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO).<br />
Dieser besteht für das weitere Verfahren, auch für das Beschwerdeverfahren<br />
(§ 569 Abs. 2 S. 2 ZPO; BGH, Beschl. v. 9.5.1979 –<br />
VIII ZB 11/79, JZ 1979, 535). Rechtsanwalt H., der weder beim<br />
LG Berlin noch beim KG zugelassen ist, konnte somit als Prozeßbevollmächtigter<br />
der Bekl nicht wirksam Beschwerde gegen den<br />
landgerichtlichen Beschluß einlegen.<br />
Das Vorbringen der Bekl in ihrer weiteren Beschwerde, nicht<br />
Rechtsanwalt H. habe als ihr Prozeßbevollmächtigter gehandelt,<br />
sondern die beim KG zugelassene Rechtsanwältin B., für welche<br />
Rechtsanwalt H. als amtlich bestellter Vertreter habe handeln dürfen,<br />
erschließt sich nicht aus dem für die Beurteilung der Zulässigkeit<br />
der Prozeßhandlung maßgeblichen Beschwerdeschriftsatz. Darin<br />
wird wie bereits beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid<br />
Rechtsanwalt H. aus P. als Prozeßbevollmächtigter der<br />
Bekl angeführt. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß<br />
Rechtsanwalt H. die Beschwerde nicht als Prozeßbevollmächtigter<br />
der Bekl, sondern als Vertreter einer anderen für die Bekl tätigen,<br />
postulationsfähigen Rechtsanwältin eingelegt hat. Der gem. § 53<br />
Abs. 3 BRAO bestellte Rechtsanwalt muß seine Stellung als allgemein<br />
bestellter Vertreter zwar nicht durch ausdrückliche Erklärung<br />
kundtun, daß er für einen postulationsfähigen Rechtsanwalt handelt.<br />
Es muß aber zumindest aus den die Prozeßhandlung begleitenden<br />
Umständen hinreichend deutlich erkennbar sein, daß ein<br />
Handeln für einen anderen postulationsfähigen Rechtsanwalt vorliegt<br />
(BGH, Urt. v. 9.12.1974 – III ZR 134/72, NJW 1975, 542,<br />
543; Urt. v. 14.12.1990 – V ZR 329/89, NJW 1991, 1175, 1176;<br />
Beschl. v. 9.2.1993 – XI ZB 2/93, NJW 1993, 1925). Solche fehlen<br />
hier. Unerheblich ist, ob von Rechtsanwalt H. angeordnet worden<br />
war, auf dem Beschwerdeschriftsatz einen Hinweis auf seine amtliche<br />
Bestellung anzubringen, und weshalb dieser unterblieb. Ein<br />
solcher Vorgang ist dem über die Zulässigkeit des Rechtsmittels<br />
entscheidenden Gericht verborgen geblieben. Er kann somit nicht
AnwBl 4/99 237<br />
Rechtsprechung l<br />
als ein Indiz für das Handeln als bestellter Vertreter der postulationsfähigen<br />
Rechtsanwältin B. herangezogen werden.<br />
ZPO § 182<br />
1. Die wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der<br />
Post nach § 182 ZPO setzt voraus, daß der Empfänger der zuzustellenden<br />
Sendung die Wohnung, in der der Zustellungsversuch<br />
unternommen wird, tatsächlich noch inne hat, er in der Wohnung<br />
nicht angetroffen wird und ein Versuch der Ersatzzustellung<br />
nach § 181 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zum Erfolg führt.<br />
2. Für den Begriff der „Wohnung“ kommt es darauf an, ob der<br />
Zustellungsempfänger sich dort regelmäßig aufhält, insbesondere<br />
dort schläft, nicht allein darauf, ob der Zustellungsempfänger<br />
dort polizeilich gemeldet ist.<br />
3. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich auf<br />
die Richtigkeit ihrer Durchführung, nicht jedoch darauf, ob der<br />
Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt.<br />
4. Auf den vom Zustellungsempfänger erweckten Anschein, daß<br />
er unter einer angegebenen Anschrift wohnt, kommt es für die<br />
Zustellung nur dann an, wenn dieser Anschein gegenüber dem<br />
die Zustellung veranlassenden Gericht erweckt wird.<br />
LG Berlin, Urteil v. 7.10.1997 – 64 S 278/97<br />
Aus den Gründen: Eine wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung<br />
bei der Post nach § 162 ZPO setzt voraus, daß der Empfänger<br />
der zuzustellenden Sendung die Wohnung, in der der Zustellungsversuch<br />
unternommen wird, tatsächlich inne hat, daß er in der<br />
Wohnung nicht angetroffen wird und daß schließlich ein Versuch<br />
der Ersatzzustellung nach § 181 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zum Erfolg<br />
führt.<br />
Bei der Adresse in Z unter der der Zustellungsversuch unternommen<br />
wurde, handelt es sich nicht um die Wohnung der Bekl,<br />
daher war eine Ersatzzustellung dort nicht möglich.<br />
Hierbei ist davon auszugehen, daß eine Zustellungsurkunde den<br />
Beweis für die Voraussetzung der Zustellung und die Richtigkeit<br />
ihrer Durchführung erbringt (BGH LM § 341 ZPO Nr. 2; VersR<br />
1977 S. 152), sich die Beweiskraft jedoch nicht darauf erstreckt,<br />
daß der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt<br />
(Bundesverfassungsgericht NJW-RR 1992 S. 1084; LG Berlin<br />
MDR 1987 S. 503).<br />
Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für den Begriff<br />
der Wohnung auf das tatsächliche Wohnen an, wobei insbesondere<br />
maßgeblich ist, ob der Zustellungsempfänger dort schläft. Unerheblich<br />
ist hingegen, ob der Zustellungsempfänger dort polizeilich gemeldet<br />
ist.<br />
Nach dem Ergebnis der in 1. Instanz durchgeführten Beweisaufnahme,<br />
ist davon auszugehen, daß es sich bei der Adresse in Z<br />
lediglich um ein Wochenendhaus der Bekl handelt, wo sie sich nur<br />
gelegentlich aufhält und wenn überhaupt, so gut wie nie übernachtet.<br />
Ein, wie hier, nur gelegentlich genutztes Wochenendhaus, wird<br />
indes – auch wenn ein Briefkasten mit Namensschild vorhanden<br />
ist – dann jedenfalls nicht als Wohnung angesehen, wenn der<br />
Adressat sich zur Zeit des Zustellungsversuches dort nicht aufhält<br />
(vgl. Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 181 Rdz. 5). Letzteres war hier<br />
unstreitig nicht der Fall.<br />
Es besteht im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung, aufgrund<br />
der Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB hier<br />
dennoch eine wirksame Zustellung durch Niederlegung anzunehmen.<br />
Zwar ist in der Rechtsprechung teilweise angenommen worden,<br />
daß sich derjenige, der sich nach außen den Anschein gibt, an einem<br />
bestimmten Ort eine Wohnung zu haben, dies auch bei Zustellungen<br />
gegen sich gelten lassen muß (vgl. OLG Hamm NJW 1970,<br />
S. 958; OLG Düsseldorf FamRZ 1990 S. 75; auch schon LG Berlin<br />
JW 1935 S. 2218). Dies gelte zumindest dann, wenn der Zustellende<br />
die wirkliche Wohnung oder tatsächlichen Verhältnisse nicht<br />
kennt; letzteres ist hier unstreitig nicht der Fall.<br />
Die hier vorliegende vorprozessuale Korrespondenz der Bekl<br />
gegenüber dem Kl, in der sie die Adresse in Z angegeben hat,<br />
reicht indes nicht aus, um entgegen den Vorschriften der ZPO hier<br />
von einer Zustellung auszugehen. Hierzu wäre erforderlich gewesen,<br />
daß die Bekl auch gegenüber dem Gericht, welches Zustellun-<br />
gen von Amts wegen vorzunehmen hat, unter der Adresse in Z aufgetreten<br />
wäre.<br />
Mitgeteilt von Richter am LG Harald Kinne, Berlin<br />
ZPO §§ 233, 519b<br />
Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den Absender<br />
zumindest bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht von der<br />
Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren, daß alle zu sendenden<br />
Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen werden.<br />
Denn nur dann kann darauf vertraut werden, daß die Sendung<br />
vollständig erfolgt und beim Empfänger ankommt. Ein<br />
Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht ist schuldhaft i. S. d. § 233<br />
ZPO.<br />
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.8.1997 – 2 UF 111/97<br />
Aus den Gründen: II. a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in<br />
den vorigen Stand war zurückzuweisen, da der Antragsgegner<br />
nicht schuldlos daran gehindert war, die Frist zur Begründung der<br />
Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Das dem Antragsgegner zuzurechnende<br />
Verschulden seines Anwaltes bei der Versäumung der<br />
Berufungsbegründungsfrist liegt darin, daß Rechtsanwalt versehentlich<br />
nur die erste Seite seines Berufungsbegründungsschriftsatzes<br />
vom 11.7.1997 dem Senat per Fax übersandt hat, wobei er hätte<br />
erkennen können und müssen, daß damit nur eine unvollständige<br />
Übersendung erfolgte, die weder den Aussteller mittels Unterzeichnung<br />
erkennen ließ noch die im einzelnen anzuführenden Gründe<br />
der Anfechtung (Berufungsgründe) enthielt (§ 519 Abs. 3 Nr. 2,<br />
Abs. 5 i. V. m. §§ 129, 130 Ziff. 6 ZPO).<br />
Da somit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist kein den gesetzlichen<br />
Erfordernissen entsprechender Schriftsatz bei Gericht<br />
eingegangen ist, könnte dem Antragsgegner wegen der Versäumung<br />
der Berufungsbegründungsfrist nur dann Wiedereinsetzung<br />
in den vorigen Stand bewilligt werden, wenn er unverschuldet<br />
durch besondere Umstände daran gehindert gewesen wäre, seine<br />
Berufungsbegründung rechtzeitig einzureichen. Dafür gibt es aber<br />
keine Anhaltspunkte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat<br />
der Absender eines innerhalb einer bestimmten Frist einzureichenden<br />
Schriftsatzes dafür zu sorgen, daß das Schriftstück nach den organisatorischen<br />
und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen<br />
Bundespost bei dem üblichen Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht<br />
erreicht (BGH, NJW 1988, 3020). Diese für die Briefpost<br />
entwickelten Grundsätze gelten für die Übermittlung durch Telefax<br />
entsprechend (BGH, NJW 1994, 2097, 2098). Nachdem Rechtsanwalt<br />
in seinem Wiedereinsetzungsgesuch ausdrücklich bestätigt<br />
hat, daß sein Sendegerät weder vor der Sendung am 11.7.1997 um<br />
14.04 Uhr noch nachher noch bis zum heutigen Tage irgendwelche<br />
Störungen gezeigt hat, solche aber ebensowenig bisher beim Empfangsgerät<br />
des Senats in der Geschäftsstelle in der Jahnstraße 3<br />
aufgetreten sind, muß der Übersendungsmangel (Übersendung nur<br />
einer Seite statt von insgesamt vier Seiten) an einer fehlerhaften<br />
Handhabung durch den Rechtsanwalt liegen. Der Rechtsanwalt<br />
hätte bei der Sendung seines mehrere Seiten umfassenden Schriftstückes<br />
darauf achten müssen, daß am Sendegerät alle Seiten ordnungsgemäß<br />
eingelesen werden. Mit Fehlern beim Einzug der zu<br />
sendenden Dokumente muß der Absender rechnen. Sie sind auch<br />
einfach zu erkennen. Es liegt auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung,<br />
daß mehrere aufeinanderfolgende Seiten gleichzeitig<br />
eingezogen werden, so daß nur eine Seite gelesen und damit gesendet<br />
wird. Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den<br />
Absender zumindest bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht von<br />
der Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren, daß alle zu<br />
sendenden Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen werden.<br />
Denn nur dann kann darauf vertraut werden, daß die Sendung<br />
vollständig erfolgt und beim Empfänger ankommt. Diese ihm<br />
obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Versendung des Berufungsbegründungsschriftsatzes<br />
hat Rechtsanwalt schuldhaft verletzt.<br />
Ausweislich seines Übertragungsprotokolls hätte er feststellen<br />
müssen, daß am 11.7.1997 um 14.06 Uhr nach einer Übertragungsdauer<br />
von 2 Min. 25 Sec. nur eine Schriftsatzseite der Gegenstelle<br />
(OLG) zugeleitet worden war. Sein Vortrag, sein Sendegerät zeige<br />
bei Übersendung nacheinander eingezogener Seiten unabhängig<br />
von der tatsächlichen Seitenzahl stets 1 an, vermag ihn nicht zu<br />
entlasten. Sollte dieser Vortrag richtig sein, hätte sein Sendegerät<br />
einen wesentlichen Mangel, der dem Absender zuzurechnen wäre.<br />
Bei mehrseitigen Sendungen ließe sich dann nämlich nie anhand
238<br />
l<br />
des Übertragungsprotokolls feststellen, ob der Schriftsatz auch<br />
vollständig übermittelt worden ist. Dann aber hätte der Absender<br />
durch andere geeignete Maßnahmen (Rückfrage bei Gericht; sonstige<br />
Überprüfung der eingelesenen Seiten) feststellen müssen, daß<br />
mittels seines Sendegerätes ordnungsgemäß alle vier Seiten seines<br />
Berufungsbegründungsschriftsatzes dem OLG zugeleitet worden<br />
sind. Derartige sonstige Bemühungen hat der Berufungsführer<br />
nicht dargetan; sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Im übrigen<br />
geht der Senat davon aus, daß das – nach Angabe von Rechtsanwalt<br />
stets einwandfrei arbeitende Sendegerät bei der Seitenzahl<br />
deswegen eine 1 angegeben hat, weil tatsächlich auch nur die erste<br />
Seite des Schriftsatzes vom 11.7.1997 übersandt worden ist. Da sowohl<br />
das Sende- wie auch das Empfangsgerät fehlerfrei arbeiten,<br />
kann dieser Mangel nur auf einen Übersendungsfehler von Rechtsanwalt<br />
zurückgehen. Entgegen seiner Behauptung ergibt sich aus<br />
dem Übertragungsprotokoll des Empfangsgerätes vom 11.7.1997<br />
(OLG-Gerät), daß es ordnungsgemäß arbeitet und insbesondere<br />
auch mehrseitige Schriftsätze – ohne Blockade – ausdruckt. So umfaßt<br />
die dem Schriftsatz des Antragsgegners vorausgehende Sendung<br />
um 13.15 Uhr insgesamt 9 Seiten, die dem Antragsgegner<br />
nachfolgende Seite von 15.36 Uhr 6 Seiten, die jeweils – wie auch<br />
die einseitige Sendung des Antragsgegners von 14.06 Uhr – mit<br />
OK als einwandfrei übermittelt bestätigt wurden.<br />
Die somit in den Risikobereich des Absenders fallende mangelhafte<br />
Prozeßhandlung hat der Gesuchsteller zu vertreten, so daß<br />
ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden<br />
konnte.<br />
b) Gem. § 519 b ZPO war die Berufung als unzulässig zu verwerfen,<br />
da sie weder in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt<br />
noch hinreichend begründet war. Denn die per Fax übermittelte<br />
Begründungsschrift hätte unterschrieben sein müssen. Fehlt die<br />
Unterschrift, so ist die Prozeßhandlung nicht wirksam vorgenommen<br />
(BGH, NJW 1987, 2588). Das Erfordernis der Unterschrift<br />
entfällt auch dann nicht, wenn der bestimmte Schriftsatz in zulässiger<br />
Weise durch Telefax übermittelt wird. In einem solchen Fall<br />
verzichtet die Rechtsprechung lediglich darauf, daß das bei Gericht<br />
eingehende Schriftstück eigenhändig unterschrieben sein muß. Erforderlich<br />
ist in einem solchen Falle aber, daß die Kopiervorlage<br />
unterschrieben ist und daß diese Unterschrift auf der Fernkopie<br />
wiedergegeben wird (BGH, NJW 1994, 2097; NJW 1990, 188).<br />
Da bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ein derartiger,<br />
fernschriftlich übermittelter Schriftsatz nicht eingegangen und vom<br />
Empfangsgerät bis dahin auch noch nicht ausgedruckt worden ist,<br />
liegt keine rechtzeitige Berufungsbegründung vor. Im übrigen liegt<br />
schon deswegen keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vor,<br />
weil sie nicht die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung<br />
(Berufungsgründe) erkennen läßt (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).<br />
Aufgrund dieser Mängel war die Berufung als unzulässig und auf<br />
Kosten des Antragsgegners zu verwerfen.<br />
Mitgeteilt von Vors. Richter am OLG Dr. Thalmann, Karlsruhe<br />
ZPO § 519 Abs. 2 Satz 3<br />
Die auf Antrag eines postulationsunfähigen Prozeßbevollmächtigten<br />
vom Vorsitzenden verfügte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist<br />
ist wirksam, ohne daß es darauf ankommt, ob<br />
der Prozeßbevollmächtigte bei sorgfältiger Prüfung erkennen<br />
konnte, daß sein Antrag unwirksam war (Bestätigung von BGH,<br />
Beschl.v. 22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998, 1155).<br />
BGH, Beschl. v. 8.10.1998 – VII ZB 21/98<br />
Aus den Gründen: II. Die zulässige sofortige Beschwerde gegen<br />
die Verwerfung der Berufung (§ 519 b Abs. 2 ZPO) hat Erfolg.<br />
1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH ist die Verfügung<br />
des Vorsitzenden, mit der er die Berufungsbegründungsfrist<br />
verlängert, auch dann wirksam, wenn der Verlängerungsantrag prozessual<br />
nicht wirksam gestellt worden ist (Urt. v. 14.7.1953 – V ZR 87/<br />
52 = LM ZPO § 554 Nr. 3; Urt. v. 27.3.1963 – VIII ZR 186/61 =<br />
LM ZPO § 554 Nr. 30; Beschl. v. 23.1.1985 – VIII ZB 18/84 =<br />
BGHZ 93, 300; Beschl. v. 22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998,<br />
1155). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß eine von einem verfassungsmäßig<br />
bestellten Gericht oder seinem Vorsitzenden im Rahmen<br />
seiner Zuständigkeit erlassene Entscheidung nicht deswegen als nichtig<br />
angesehen werden kann, weil prozeßrechtliche Voraussetzungen<br />
für den Antrag nicht gegeben sind. Mit dieser Verfügung wird grundsätzlich<br />
ein schutzwürdiges Vertrauen begründet.<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsprechung<br />
2. Der Senat sieht keinen Anlaß, davon abzugehen. Die unter<br />
Hinweis auf die Rechtsprechung zum verspäteten Antrag geäußerten<br />
Bedenken des BerG greifen nicht durch. Wenn der Antrag verspätet<br />
gestellt worden ist, ist die Entscheidung rechtskräftig. Die<br />
Rechtskraft kann durch die Verfügung des Vorsitzenden nicht wieder<br />
in Frage gestellt werden. Auf diesen Unterschied zu dem hier<br />
zu entscheidenden Fall, daß der Antrag rechtzeitig gestellt worden<br />
ist, jedoch prozessuale Mängel hat, hat der BGH bereits hingewiesen<br />
(Beschl. v. 17.12.1991 – VI ZB 26/91 = NJW 1992, 842).<br />
3. Zu Unrecht sieht das BerG im vorliegenden Fall durchgreifende<br />
Unterschiede zu dem Fall, der der Entscheidung vom<br />
22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998, 1155 zugrunde lag.<br />
Hier wie dort hat ein postulationsunfähiger Anwalt die Verlängerung<br />
beantragt und der postulationsfähige Vertreter hat sich auf die<br />
Wirksamkeit der Verlängerung verlassen. Ob der Prozeßbevollmächtigte<br />
(in jenem und in diesem Fall) bei sorgfältiger Prüfung erkennen<br />
konnte, daß der Verlängerung kein wirksamer Antrag zugrunde<br />
lag, ist nicht von Bedeutung. Wie zu entscheiden wäre,<br />
wenn der Vorsitzende bewußt getäuscht werden sollte, kann dahinstehen.<br />
Denn davon geht das BerG nicht aus. Auch der Sachvortrag<br />
beider Parteien im Beschwerdeverfahren nötigt nicht zu einer dahingehenden<br />
Annahme.<br />
4. Die Berufung ist innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.<br />
Sie ist deshalb entgegen der Entscheidung des BerG zulässig.<br />
ZPO § 890 Abs. 1, § 929 Abs. 2, § 936<br />
Die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung setzt deren fristgerechte<br />
Zustellung im Parteibetrieb oder eine anderweitige<br />
Vollziehungsmaßnahme des Gläubigers – etwa Bestrafungsantrag<br />
– innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist voraus.<br />
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.6.1998 – 3 W 201/98<br />
Aus den Gründen: II. Die gem. § 793, § 568 Abs. 2 ZPO zulässige<br />
Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat den<br />
Beschluß des AG mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung<br />
von Wiederholungen Bezug genommen wird, abgeändert<br />
und den Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Ordnungsmittels<br />
zurückgewiesen. Das am 25.11.1994 verkündete Urteil des<br />
AG ist der Schuldnerin nämlich nicht innerhalb der einmonatigen<br />
Vollziehungsfrist (§§ 929 Abs. 2, 936 ZPO) im Parteibetrieb zugestellt<br />
und auch nicht durch Ergreifung anderweitiger Vollstrekkungsmaßnahmen<br />
vollzogen worden.<br />
Grundsätzlich ist für die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung<br />
deren Zustellung im Parteibetrieb erforderlich. Wie der BGH<br />
indes bereits in seinen Entscheidungen vom 13.4.1989 (NJW 1990,<br />
122 ff.) und 22.10.1992 (NJW 1993, 1076 ff.) ausgeführt hat, ist<br />
die wirksame Vollziehung einer durch Urteil ergangenen und von<br />
Amts wegen zugestellten Unterlassungsverfügung auch anders als<br />
durch Zustellung im Parteibetrieb denkbar. Dabei muß für den<br />
Schuldner jedoch unmißverständlich erkennbar sein, daß der Gläubiger<br />
von der erwirkten einstweiligen Verfügung Gebrauch machen<br />
will (OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 763, 764). Als solche Vollziehungsmaßnahmen<br />
sind etwa ein Bestrafungsantrag nach § 890<br />
Abs. 1 ZPO oder die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen<br />
angesehen worden, sofern diese innerhalb der einmonatigen<br />
Vollziehungsfrist ergriffen worden sind (vgl. BGH NJW<br />
1990, 122, 124; OLG Celle OLGZ 1992, 354, 356). Dies ergibt<br />
sich indes aus der Amtszustellung nicht (BGH NJW 1993, 1076,<br />
1077). Dieser fehlt wie bereits das LG ausgeführt hat der nach außen<br />
vom Gläubiger ernsthaft und eindeutig bekundete Wille, von<br />
dem Titel Gebrauch zu machen; durch die Amtszustellung soll<br />
dem Gläubiger gerade nicht das Vollstreckungsverfahren aus der<br />
Hand genommen werden, vielmehr dient die Amtszustellung lediglich<br />
der Kontrolle über Rechtsmittelfristen und den Zeitpunkt der<br />
Rechtskraft (BGH NJW 1993, 1076, 1077). Die Entscheidung des<br />
OLG Celle vom 29.5.1990 (NJW-RR 1990, 1088), welches die<br />
Amtsausstellung einer durch Urteil erstrittenen Unterlassungsverfügung<br />
ausreichen läßt, überzeugt daher nicht.<br />
Der Gläubiger kann sich auch nicht darauf berufen, daß die<br />
Schuldnerin gegen das Urteil des AG Berufung eingelegt hat. Damit<br />
hat sich die Schuldnerin lediglich gegen einen möglichen Gebrauch<br />
des Titels durch den Gläubiger zu wehren versucht; eine<br />
Vollziehungsmaßnahme des Gläubigers liegt darin nicht.<br />
Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. Johannes Schütz, Hünxe
AnwBl 4/99 239<br />
7 NACHSCHLAG<br />
In dieser neuen, in lockerer Folge erscheinenden Spalte (vgl. zuletzt AnwBl 2/99, 131 f.) veröffentlichen wir die<br />
Leitsätze einiger Entscheidungen, die zur Veröffentlichung in den beiden Vorjahren vorgesehen waren, zu deren<br />
Abdruck es jedoch vornehmlich aus Platzgründen nicht gekommen ist. Es handelt sich auch hier um beachtliches<br />
und hilfreiches Material. Die Leitsätze sind systematisch nach den Gruppen der Rechtsprechungsspalten im AnwBl<br />
sortiert. Der Volltext der Druckfahne kann unter der angegebenen Nummer des Leitsatzes mit dem Hinweis „Rechtsprechung<br />
Nachschlag“ bei der Redaktion gegen Zahlung von 10,– DM je Entscheidung angefordert werden.<br />
Die Redaktionsanschrift lautet:<br />
Deutscher Anwaltverein<br />
Redaktion <strong>Anwaltsblatt</strong><br />
Adenauerallee 106<br />
53113 Bonn<br />
Fax 02 28 – 26 07 51<br />
Streitwert, Kosten, Erstattung<br />
Zivilrecht<br />
ZPO § 92 Abs. 2, § 269 Abs. 3<br />
Die Anwendung des § 92 Abs. 2 auf Fälle der teilweisen Klagerücknahme<br />
verbietet sich nach Gesetzessystematik und Gesetzeszweck.<br />
AG Kenzingen, Urt. v. 2.9.1997 – C 303/97<br />
R 463<br />
ZPO § 104<br />
Eine Rückfestsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren ist dann zulässig,<br />
wenn es sich um die Rückabwicklung eines durch den Prozeßverlauf überholten<br />
Kostenfestsetzungsbeschlusses handelt, die Rückzahlung nach<br />
Grund und Höhe eindeutig und die Zahlung zwischen den Parteien unstreitig<br />
ist. Von einer unstreitigen Zahlung kann grundsätzlich nur dann<br />
ausgegangen werden, wenn der Gegner sie ausdrücklich zugestanden hat.<br />
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.4.1997 – 6 W 145/96<br />
R 366<br />
ZPO § 104, § 717 Abs. 2; StPO § 449<br />
Die Rückfestsetzung von notwendigen Auslagen der Nebenklage ist im<br />
Strafprozeß nicht möglich.<br />
OLG Hamm, Beschl. v. 18.12.1997 – 4 Ws 104/97<br />
R 554<br />
ZPO §§ 104 Abs. 3, 147; RpflG § 11; GKG § 8; KV-GKG Nr. 1906<br />
Ergeben sich aus einer Kostengrundentscheidung in einem Urteil mehrere<br />
Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die mit einer Erinnerungsschrift und einer<br />
einheitlichen Begründung angefochten werden, so stellt es keine unrichtige<br />
Sachbehandlung dar, wenn das Beschwerdegericht von einer – kostengünstigeren<br />
– Verbindung der Beschwerdeverfahren absieht und deshalb bei einer<br />
Zurückweisung der Rechtsmittel mehrere Beschwerdegebühren anfallen.<br />
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.1997 – 10 W 131/97<br />
R 427<br />
ZPO § 118 Abs. 1 Satz 3; BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Abs. 1, § 122<br />
Abs. 1<br />
Wird ein Rechtsanwalt im Prozeßkostenprüfungsverfahren zum Abschluß<br />
eines Vergleichs beigeordnet, steht ihm für eine Erörterungsgebühr<br />
kein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zu.<br />
OLG Köln, Beschl. v. 18.2.1998 – 26 WF 162/97<br />
R 522<br />
ZPO §§ 485 ff.; § 269 Abs. 3 S. 3<br />
Der Kostenausspruch nach Klagerücknahme (§ 269 Abs. 3 S. 2 und 3<br />
ZPO) erfaßt nicht die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens.<br />
OLG München, Beschl. v. 10.12.1997 – 11 W 2427/97<br />
R 624<br />
ZPO § 696 Abs. 1; GKG Nr. 1100, 1202 KV<br />
Antrag auf streitiges Verfahren<br />
Die Einzahlung der vollen Verfahrensgebühr (Nr. 1201 KV GKG) nach<br />
einem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid reicht für sich allein<br />
nicht aus, von einem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />
(§ 696 Abs. 1 ZPO) auszugehen. Es müssen weitere Umstände hinzukommen,<br />
die mit Sicherheit auf einen entsprechenden Erklärungswillen<br />
hindeuten.<br />
OLG München, Beschl. v. 16.5.1997 – 11 W 1392/97<br />
R 389<br />
ZPO §§ 788, 883<br />
Die Kosten für den Abbau einer herauszugebenden gekauften Anlage<br />
(hier ersteigerte Kranbrücke mit Hängekran 8 to) sind keine notwendigen<br />
Kosten der Zwangsvollstreckung.<br />
OLG München, Beschl. v. 6.6.1997 – 11 W 1677/97<br />
R 391<br />
Strafrecht<br />
l<br />
StPO § 422<br />
Die Nachholung der versehentlich unterbliebenen Entscheidung über<br />
die Tragung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers ist selbst<br />
dann unzulässig, wenn der Vorsitzende, nachdem das Versehen bemerkt<br />
worden war, während der Urteilsverkündung erklärt, das Versäumnis<br />
werde später durch gesonderten Beschluß nachgeholt.<br />
Thüringer OLG, Beschl. v. 2.10.1996 – 1 Ws 118/96<br />
R 348<br />
StPO § 464a Abs. 1 Satz 1; EMRK Art. 6 Abs. 3 lit. c<br />
Zu den Kosten des Verfahrens, die der Verurteilte zu tragen hat, gehören<br />
auch die durch die Anordnung einer Pflichtverteidigung entstandenen<br />
Auslagen der Staatskasse. Der Geltendmachung dieser Auslagen steht<br />
Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK nicht entgegen.<br />
OLG Koblenz, Beschl. v. 21.1.1998 – 2 WS 786/97<br />
R 570<br />
StPO §§ 464b, 464 d, § 467 Abs. 1<br />
1. Auch nach der Änderung der §§ 464d, 467 StPO aufgrund des<br />
KostRÄndG 1994 (BGBl I S. 1325) ist für die Kostenverteilung die sog.<br />
Differenztheorie – neben der Kostenverteilung nach Bruchteilen – in<br />
den Fällen (echter) Teilfreisprüche weiterhin anwendbar (gegen LG<br />
Frankfurt/Main NStZ-RR 1997, 191).<br />
2. Welche Methode das Gericht bzw. im Kostenfestsetzungsverfahren<br />
der Rechtspfleger anwendet, steht in deren pflichtgemäßem Ermessen.<br />
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.3.1998 – 3 Ws 299/97<br />
R 515<br />
BRAGO § 12 Abs. 1; StPO § 465 Abs. 1, § 467 Abs. 1<br />
Bei Teilfreispruch und entsprechender Auslagenentscheidung ist dem<br />
Beschuldigten der rechnerische Teil der Gesamtverteidigergebühr zu erstatten,<br />
der das fiktive Honorar übersteigt, das der Verurteilte an seinen<br />
Verteidiger zu zahlen hätte, wenn das Verfahren nur wegen des Verurteilungsdelikts<br />
durchgeführt worden wäre.<br />
LG Koblenz, Beschl. v. 31.10.1997 – 10 Qs 20/97<br />
R 423
<strong>240</strong><br />
l<br />
Arbeitsrecht<br />
ArbGG § 12 Abs. 5 a<br />
Die Bestimmung soll nach ihrem Sinn und Zweck nicht ausländische<br />
Kl oder Bekl vor einem deutschen Gericht besser stellen als deutsche<br />
Kl oder Bekl.<br />
Kosten für einen vom Gericht herangezogenen Dolmetscher werden deshalb<br />
bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – wie Verbürgung der<br />
Gegenseitigkeit – nur dann nicht erhoben, wenn die Heranziehung des<br />
Dolmetschers auch wegen der Sprachschwierigkeiten der Partei erfolgt.<br />
Wird der Dolmetscher nur deshalb herangezogen, weil Zeugen der<br />
deutschen Sprache nicht mächtig sind, muß die unterlegene ausländische<br />
Partei die Dolmetscherkosten zahlen.<br />
LAG Bremen, Beschl. v. 26.11.1997 – 4 Sa 158/96<br />
R 503<br />
ArbGG § 12 Abs. 7<br />
Der Wert des Streitgegenstandes bei einer Eingruppierungsstreitigkeit<br />
gem. § 12 Abs. 7 S. 2 Hs. 1 ArbGG berechnet sich, da das 13. Monatsgehalt<br />
zu berücksichtigen ist, nicht nach der 36-fachen Differenz, sondern<br />
nach der 39-fachen Differenz zwischen den Vergütungsgruppen.<br />
LAG Hamm, Beschl. v. 14.5.1996 – 4 Sa 412/96<br />
LAG Hamm, Urteil v. 17.4.1997 – 4 Sa 1652/96<br />
R 435<br />
ArbGG § 12 Abs. 7; ZPO § 91a Abs. 1, § 269 Abs. 3<br />
1. Ist ein Teilurteil ergangen und wird hernach die Hauptsache im verbliebenen<br />
Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, dann ist<br />
über die gesamt Kosten des Rechtsstreits – unabhängig davon, ob die<br />
Entscheidung nach mündlicher oder ohne mündliche Verhandlung getroffen<br />
wird – gem. § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO anerkanntermaßen stets<br />
durch Beschluß zu entscheiden. Da auch in § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO<br />
bestimmt ist, daß die Entscheidung über die Kosten bei Klagerücknahme<br />
durch „Beschluß“ ergeht, gebietet bereits ein Wortvergleich beider<br />
Vorschriften, die Kostenschlußentscheidung nach vorausgegangenem<br />
Teilurteil und nachfolgender (Teil-) Erledigung der restlichen Klage<br />
bzw. (Teil-) Rücknahme derselben nicht unterschiedlich vorzunehmen,<br />
sondern auch im letztgenannten Falle über die Kosten nach frei gestellter<br />
mündlicher Verhandlung stets durch Beschluß zu entscheiden.<br />
2. Streiten die Parteien im Berufungsverfahren nicht mehr über den Fortbestand<br />
des Arbeitsverhältnisses, sondern nur noch über seine Auflösung<br />
durch gerichtliche Entscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 i.V.m.§9Abs.1<br />
KSchG und die Höhe der vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu zahlenden<br />
Abfindungssumme (§ 10 Abs. 1 KSchG), dann ist für die Streitwertfestsetzung<br />
nicht § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG maßgeblich, die Wertberechnung<br />
hat in einem solchen Falle vielmehr gem. §§ 3 ff. ZPO zu<br />
erfolgen und sich an der Höhe der geltend gemachten Abfindung zu orientieren.<br />
LAG Hamm, Beschl. v. 5.12.1996 – 4 Ja 1785/96<br />
R 258<br />
ArbGG § 12a Abs. 1 S. 3<br />
Das Landesarbeitsgericht Bremen verbleibt trotz der Kritik in der Literatur<br />
bei seiner Auffassung, daß nach § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG nur die<br />
Kosten zu erstatten sind bei denen die Anrufung des unzuständigen Gerichts<br />
kausal für die entstandenen Kosten geworden ist. Dies ist in der<br />
Regel nicht der Fall, wenn der Kl zunächst das unzuständige AG statt<br />
des Arbeitsgerichts anruft und sich bei beiden Gerichten durch denselben<br />
Rechtsanwalt vertreten läßt.<br />
LAG Bremen, Beschl. v. 5.7.1996 – 2 Ta 30/96<br />
R 186<br />
ArbGG § 64 Abs. 2<br />
Im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung des Kl ist auch bei<br />
höherer Wertfestsetzung im erstinstanzlichen Urteil die Beschwer für<br />
den Berufung einlegenden Bekl nur in Höhe des Kosteninteresses gegeben.<br />
In Anlehnung an die Wertbemessung des Bundesarbeitsgerichts<br />
bei einer Stufenklage (vgl. BAG Beschl. v. 27.5.1994 Az: 5 AZB 3/94<br />
AP Nr. 17 zu § 64 ArbGG 1979) ist die Beschwer nämlich für den Bekl<br />
nach anderen Kriterien als für den Kl zu ermitteln. Dies gilt jedenfalls<br />
im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wegen der fehlenden<br />
Rechtskraftwirkung einer Entscheidung.<br />
LAG Bremen, Urt. v. 21.10.1997 – 1 Sa 101/97<br />
R 502<br />
Sonstiges (FGG, GKG-KV, KostO, WEG)<br />
FGG § 13a Abs. 2<br />
Eine Erstattungspflicht der Staatskasse für Rechtsanwaltskosten im<br />
Rahmen eines Betreuungsverfahrens hält die Kammer auch unter Berücksichtigung<br />
von § 13a Abs. 2 FGG nur für angebracht, wenn aus ob-<br />
AnwBl 4/99<br />
Rechtsprechung Nachschlag<br />
jektiver Sicht mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten zu<br />
rechnen ist oder anhand objektiver Kriterien vorhersehbar ist, daß das<br />
AG seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachkommt.<br />
LG Koblenz, Beschl. v. 3.12.1997 – 2 T 694/97<br />
R 533<br />
GKG-KV Nr. 1310<br />
Die Verfahrensgebühr der Nr. 1310 KVGKV entsteht bereits mit der<br />
Einreichung des Antrags, nicht erst mit dessen Zustellung.<br />
OLG München, Beschl. v. 25.9.1997 – 11 W 2523/97<br />
R 417<br />
GKG-KV Nr. 9003; GKG § 56 Abs. 2; StPO § 147<br />
Die Aktenversendungspauschale stellt keine erstattbaren Verfahrenskosten<br />
dar. (LS der Red.)<br />
AG Rüdesheim a. Rhein, Beschl. v. 13.8.1997 – 5 Cs 24 Js 7858.6/95<br />
R 429<br />
KostO §§ 60 Abs. 1, Abs. 4, 61; BGB §§ 736, 738<br />
Die Eigentumseintragung, die dadurch erforderlich wird, daß bei einer<br />
Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Tod eines Gesellschafters<br />
dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern<br />
anwächst, ist nicht als Erbfalleintragung nach § 60 Abs. 4 KostO gebührenbefreit.<br />
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1997 – 10 W 152/96<br />
R 332<br />
KostO § 94 Abs. 1, § 30 Abs. 2<br />
Der Regelstreitwert von 5000,00 DM gem. § 30 Abs. 2 KostO ist<br />
grundsätzlich auch für Umgangsregelungen maßgeblich und prinzipiell<br />
nicht geringer zu bewerten als bei Sorgerechtsregelungen. (LS der<br />
Red.)<br />
OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.10.1996 – 11 WF 143/96<br />
R 219<br />
WEG § 45, Abs. 1 § 46, § 48 Abs. 3<br />
1. Ein Beschluß, durch den eine Sache vom Wohnungseigentumsgericht<br />
an das Streitgericht verwiesen wird, ist nach den für die Anfechtung<br />
von Hauptsacheentscheidungen in Wohnungseigentumssachen geltenden<br />
Vorschriften anfechtbar.<br />
2. Für den Geschäftswert eines solchen Verweisungsbeschlusses und<br />
die Beschwer des Anfechtenden ist grundsätzlich der Wert der Hauptsache<br />
maßgebend.<br />
3. Für Ansprüche, die von einem Wohnungseigentümer gegen einen anderen<br />
Wohnungseigentümer aufgrund von dessen anwaltlicher Tätigkeit<br />
als Bevollmächtigter der Wohnungseigentümer in einem Verfahren vor<br />
dem Wohnungseigentumsgericht geltend gemacht werden, ist das Streitgericht<br />
zuständig.<br />
BayObLG, Beschl. v. 12.3.1998 – 2Z BR 150/97<br />
R 561<br />
impressum<br />
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Tel. 02 28 / 26 07-0, Fax 02 28 / 26 07 46, e-Mail: dav@anwaltverein.de. Schriftleitung:<br />
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Anschrift des Herausgebers. Verlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der<br />
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MWSt.). Für Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins ist der Bezugspreis im<br />
Mitgliedsbeitrag enthalten. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim<br />
Verlag; Abbestellungen müssen einen Monat vor Ablauf des Kalenderjahres<br />
beim Verlag vorliegen. Zuschriften: Für die Schriftleitung bestimmte Zuschriften<br />
sind nur an die Adresse des Herausgebers zu richten. Honorare werden nur<br />
bei ausdrücklicher Vereinbarung gezahlt. Copyright: Alle Urheber-, Nutzungs-<br />
und Verlagsrechte sind vorbehalten. Das gilt auch für Bearbeitungen<br />
von gerichtlichen Entscheidungen und Leitsätzen. Der Rechtsschutz gilt auch<br />
gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung<br />
ausdrücklich der Einwilligung des Herausgebers. ISSN 0171-7227.<br />
w
XXIV<br />
4<br />
Qualität in der Kanzlei – Tips und Informationen<br />
Die Kanzlei<br />
als zielgerichtetes Unternehmen:<br />
Ein Erfahrungsbericht<br />
In zahlreichen Veröffentlichungen ist<br />
auf die Erforderlichkeit und den Nutzen<br />
einer klaren strategischen Ausrichtung<br />
von Kanzleien hingewiesen<br />
worden . Ein Erfordernis, das inzwischen<br />
auch von den meisten Kanzleien<br />
unabhängig von ihrer Größe oder<br />
Ausrichtung gesehen wird. In der<br />
Praxis läßt sich allerdings immer<br />
wieder feststellen, daß die Formulierung<br />
und vor allen Dingen die Umsetzung<br />
von Strategien und Zielen<br />
Schwierigkeiten bereitet. In dieser<br />
Ausgabe werden daher einmal die<br />
möglichen Ursachen für die auftretenden<br />
Schwierigkeiten der Kanzleien<br />
analysiert. Hinweise darauf, wie<br />
Kanzleistrategien und -ziele in konkrete<br />
Handlungsvariable übertragen<br />
und kanzleiintern kommuniziert werden,<br />
finden Sie im nächsten Heft.<br />
Woran es oft hapert:<br />
Strategien ohne Umsetzung<br />
„Wir wollen auf dem Gebiet der Beratung<br />
von XY in der Region XY<br />
marktführend sein ...“: So oder so<br />
ähnlich lauten häufig Kanzleistrategien,<br />
die ausschließlich die Wünsche<br />
der Sozietätspartner formulieren,<br />
aber die Brücke zu konkreten Handlungsanweisungen<br />
vermissen lassen,<br />
so daß die erfolgreiche Umsetzung<br />
der Strategie von vornherein zum<br />
Scheitern verurteilt ist. Aussagen<br />
wie „Mandantenbindung steigern“<br />
oder „Rendite steigern“ bleiben für<br />
Mitarbeiter, die einen nicht unerheblichen<br />
Beitrag zur Verwirklichung<br />
der gesteckten Ziele beitragen sollen,<br />
zu abstrakt. Welches soll ihr<br />
konkreter Beitrag zur Erreichung<br />
der Ziele sein? Ohne dieses Wissen<br />
gelingt es meistens nicht, die Handlungen<br />
der Mitarbeiter und die Ressourcen<br />
der Kanzlei auf die strategischen<br />
Ziele auszurichten. Bei<br />
genauerem Hinsehen lassen sich immer<br />
wieder folgende Hauptmängel<br />
feststellen, die den Strategieprozeß<br />
der Kanzleien prägen und belasten.<br />
Ursache Nr. 1:<br />
Informations- und Umsetzungsdefizite<br />
bzgl. der wichtigsten Kanzlei-<br />
Kennzahlen<br />
Zwar verfügen zwischenzeitlich die<br />
meisten Sozietäten dank der überwiegend<br />
verwendeten Anwaltssoftware<br />
über ein beachtliches Reservoir<br />
an „Potentialinformationen“<br />
über die eigene Kanzlei, ausreichend<br />
genutzt werden diese nur selten.<br />
Um die zukünftige Kanzleistrategie<br />
in realistische Bahnen zu<br />
lenken, lohnt es sich aber, Umsätze<br />
und Kosten der Kanzlei detailliert<br />
aufzuschlüsseln und im Auge zu behalten.<br />
Ebenso bedeutsam sind darüber<br />
hinaus auch zuverlässige Informationen<br />
über den Grad der<br />
Zufriedenheit von Mandanten und<br />
Mitarbeitern, die sich nicht in einer<br />
vagen Einschätzung durch die Kanzleiführung<br />
erschöpfen.<br />
Ursache Nr. 2:<br />
Kommunikationsdefizite<br />
Kommunikationsprobleme treten in<br />
den meisten Kanzleien in zweifacher<br />
Hinsicht auf: Zum einen innerhalb<br />
der Kanzleiführung selbst, denn es<br />
wird zwar viel und häufig, jedoch<br />
selten ergebnis- und umsetzungsorientiert<br />
diskutiert. Die Folge sind<br />
Reibungsverluste und mangels<br />
deckungsgleichem Grundverständnis<br />
der Kanzleistrategie unter den Partnern<br />
eine nur schleppende Implementierung<br />
und Umsetzung.<br />
Zum anderen zeigt sich immer wieder,<br />
daß eine klare und verständliche<br />
Kommunikation der Strategie mit<br />
den Mitarbeitern fehlt, gerade so als<br />
ob es sich hierbei um ein hochbrisantes,<br />
innerhalb der Kanzleiführung<br />
zu bewahrendes Geheimnis handelt.<br />
Dabei kann den Mitarbeitern in den<br />
einzelnen Dezernaten die Bedeutung<br />
ihrer eigenen Leistungen für die<br />
Umsetzung der Kanzleistrategie erst<br />
dann deutlich werden, wenn diese<br />
auf die einzelnen Dezernate und Abteilungen<br />
heruntergebrochen und<br />
klar kommuniziert wird.<br />
Ursache Nr. 3:<br />
Fehlende Methodensicherheit beim<br />
Projektmanagement<br />
Ein weiteres Problem ist, daß sich<br />
der Prozeß der Strategiefindung in<br />
der reinen Formulierung erschöpft<br />
und nicht in konkrete Projekte und<br />
einzelne Aktionen übersetzt wird.<br />
Fazit<br />
Unter Berücksichtigung der vorgenannten<br />
Erwägungen ist im Rahmen<br />
der Strategiefindung und -umsetzung<br />
auf folgende kritische Teilaspekte zu<br />
achten:<br />
r Zusammenstellen der erforderlichen<br />
Hintergrundinformationen, um<br />
ein zuverlässiges Bild über das<br />
Potential der Kanzlei zu erhalten.<br />
r Herbeiführung eines deckungsgleichen<br />
Grundverständnisses innerhalb<br />
der Kanzleiführung über die<br />
Strategie.<br />
r Schaffung effizienter Kommunikationsstrukturen.<br />
r Herunterbrechen der Strategie auf<br />
die Dezernate und Abteilungen bis<br />
hin zu Zielvereinbarungen mit den<br />
einzelnen Mitarbeitern.<br />
In der nächsten Ausgabe<br />
Die Umsetzung von Kanzleistrategien<br />
Wie ist die Rubrik zu erreichen?<br />
Mit Fragen, Anregungen oder Beiträgen<br />
wenden Sie sich bitte an:<br />
AdvoConsult<br />
RAin Gabriela Freitag<br />
Bocholder Straße 257 a<br />
45356 Essen<br />
Telefon: 0201 - 861 81 - 0<br />
Telefax: 0201 - 861 81 - 11<br />
E-Mail: Info@advoconsult.de
XXVI<br />
4<br />
Richtigstellung:<br />
In der Ausgabe 2/99 wurde über juristische<br />
Hilfsprogramme berichtet, die<br />
Richter Franz Dimbeck auf seine<br />
Homepage zum Download bereit hält.<br />
Dabei ist versehentlich eine falsche<br />
Linkadresse zugeordnet worden. Die<br />
richtige Adresse lautet:<br />
http://home.t-online.de/home/<br />
Franz.Dimbeck/ (HIT)<br />
9 Auch Anwaltssoftwarehersteller<br />
AnNoText aus Düren bietet juristische<br />
Hilfsprogramme zum kostenfreien<br />
Download an. Zur Zeit waren verfügbar:<br />
Berechnungen zu Bremsweg,<br />
Blutalkohol, Prozeßkosten, Zinsen und<br />
Kapitalzuwachs sowie zu MwSt und<br />
Euro, StB- und RA-Honoraren,<br />
Gerichtskosten, PKH und Pfändungsfreigrenzen.<br />
Die Software ist in Java<br />
programmiert und daher grundsätzlich<br />
in jeder gängigen Betriebsssystemumgebung<br />
lauffähig. Vorausgesetzt wird<br />
allerdings ein Java-fähiger Web-Browser<br />
(aktuelle Standardbrowser; die<br />
Software muß vom Browser aus gestartet<br />
werden). Einige Programme<br />
sind nur mit der aktuellsten Browser-<br />
Generation lauffähig. Weiterführende<br />
Angaben dazu finden sich auf der angegebenen<br />
Webseite.<br />
Die Einstiegsadresse führt zu weiteren<br />
juristischen Hilfen wie z.B.: Miet- und<br />
Reisemängeltabellen (des deutschen<br />
Anwaltverlags) und Musterverträgen.<br />
http://www.annotext.de/jursup/ bzw.<br />
http://www.annotext.de/jursup/applets/<br />
index.html (HIT)<br />
9 Der Hersteller der Anwaltssoftware<br />
RA-Micro, die RA-Micro Software<br />
AG, hat einen sogenannten Juristen-<br />
Browser erstellt. Installationsvoraussetzung<br />
sind Windows 95, 98 oder<br />
NT sowie der Microsoft Internet-<br />
Explorer 4. Der Browser wurde allerdings<br />
mit einer eigenen Nutzeroberfläche<br />
bzw. einem eigenen Erscheinungsbild<br />
versehen und ist übersichtlich<br />
gestaltet und einfach zu bedienen.<br />
Das Besondere am Juristen-Browser<br />
ist die enthaltene umfangreiche Datenbank<br />
juristischer Internet-Adressen<br />
(nach Angaben über 2000). Bei vorhandenem<br />
Intenet-Anschluß können<br />
die Adressen im Browser sofort aufge-<br />
Internet – Aktuell<br />
rufen werden. Die Übernahme der Anzeigeergebnisse<br />
in eine Textverarbeitung<br />
wie WinWord ist per Mausklick<br />
möglich. Das Programm ist Freeware<br />
und steht über die RA-Micro-Homepage<br />
zum Download bereit (etwa<br />
4 MB Daten). Für die Aktualisierung<br />
des Adressbestandes steht im Browser<br />
eine Update-funktion bereit – ein<br />
nochmaliger Download der gesamten<br />
Software ist also nicht erforderlich.<br />
http://www.ra-micro.de/ bzw.<br />
http://www.ra-micro.de/infos/jurbrow/<br />
ra-inter.htm (HIT)<br />
9 Im Internet nicht ganz leicht zu finden<br />
ist die Adresse des Schweizerischen<br />
Anwaltsverbandes (SAV).<br />
Die Webseite bietet unter anderem<br />
eine Anwaltssuchfunktion in der eigenen<br />
Datenbank und deckt damit nach<br />
Angaben etwa 95% aller freiberuflich<br />
tätigen Anwälte der Schweiz ab.<br />
Freunde besonderer Designtechniken<br />
werden an der diskret aufrollenden Indexliste<br />
am linken Seitenrand Gefallen<br />
finden. Verweise dort führen weiter zu<br />
einer brauchbaren Zusammenstellung<br />
einschlägiger juristischer Informationspools<br />
und Webadressen (von Suchmaschinen<br />
über Anwaltsverbände bis<br />
hin zu Einkaufsmöglichkeiten).<br />
http://www.swiss-lawyers.ch/ (HIT)<br />
9 Leichter aufzuspüren ist die Österreichische<br />
Rechtsanwaltskammer. Neben<br />
Auszügen aus dem jeweiligen<br />
<strong>Anwaltsblatt</strong> stellt man auch hier ein<br />
online bedienbares Anwaltsverzeichnis<br />
zur Verfügung.<br />
Nützlich sind an den Anwalt gerichtete<br />
Informationsbroschüren, etwa zur<br />
Verbrechensopferberatung, zum Beratungskomplex<br />
Hausbau oder zum<br />
Privatkonkurs.<br />
http://www.oerak.or.at/ (HIT)<br />
9 In Ergänzung zu den im AnwBl 3/99<br />
genannten patentrechtlichen Adressen<br />
sei auf Transpatent verwiesen. Dort<br />
erhält man Überblick zu einschlägigen<br />
Gesetzen und Verordnungen im Bereich<br />
Gewerblicher Rechtschutz. Die<br />
Normen sind jeweils aufrufbar und<br />
wurden durch DPA-Amtsmitteilungen<br />
und Merkblätter ergänzt (z. B. Merk-<br />
blatt für Markenanmelder, für<br />
Gebrauchsmusteranwender). Die Webseite<br />
wird durch weiterführende Literaturhinweise<br />
und Recherchedienste<br />
abgerundet.<br />
Die Webseite deckt mit der Fülle der<br />
angebotenen Informationen und Dienste<br />
wohl die meisten Fragestellungen<br />
ab. Leitthema ist dabei der internationale<br />
Gewerbliche Rechtschutz. Mit<br />
der Suchfunktion, die in allen dort angebotenen<br />
Seiten sucht, lassen sich<br />
auch versteckte Hinweise auffinden.<br />
Abrufbare Dokumente sind kostenlos,<br />
Preise für besondere Dienstleistungen<br />
sind jeweils angegeben.<br />
Die eingangs erwähnten Informationen<br />
erhält man über den Unterpunkt<br />
„Materialien-BRD“ oder über direkten<br />
Aufruf der hier angegebenen zweiten<br />
Adresse:<br />
http://www.transpatent.com bzw.<br />
http://www.transpatent.com/<br />
gesetze/ (HIT)<br />
9 Eine empfehlenswerte Einstiegsadresse<br />
für internationale Fragestellungen<br />
enthält (nach wie vor) die auf<br />
Christopher Kuner zurückgehende Zusammenstellung<br />
„Kuner-Liste“ (bearbeitet<br />
von Stefan Gliesche). Die mit<br />
„Ihr Lotse zu Links aus Recht und<br />
Wirtschaft“ betitelte Seite präsentiert<br />
sich mit einer globusförmigen Grafik,<br />
von der die weiteren Links abzweigen.<br />
Im Innern der Grafik führt ein roter<br />
Fleck zu „Verschiedene Rechtsgebiete<br />
(länderübergreifend)“. Er ist aber<br />
eventuell auch als Beschreibung der<br />
Grafik gedacht.<br />
Jedenfalls erhält man hier einige sonst<br />
schwer auffindbare Spezial-Adressen<br />
(z.B. zum Weltraumrecht oder zum internationalen<br />
Konkurs- Handels- oder<br />
Steuerrecht).<br />
http://www.beck.de/rsw/kuner/ (HIT)<br />
Zusammengestellt von Rechtsanwalt<br />
Timm Hitzfeld, Augsburg<br />
(HIT) und Rechtsanwalt Udo<br />
Henke, DAV, Bonn (HEN).
4<br />
(Fortsetzung von Seite VIII)<br />
9 „Wirtschaftsmediation“. Ein amerikanischer Mediator<br />
berichtet aus der Praxis (in englischer Sprache)<br />
Mittwoch, 14. Juli 1999<br />
von 18.00 – ca. 20.00 Uhr s. t. in der Universität, HS 146<br />
Referent: Peter Grilli, Tampa, Florida<br />
Anschließend Diskussion mit dem Referenten und Rechtsanwälten<br />
Dr. Reiner Ponschab, Dr. Christian Duve und Dieter W.<br />
Lüer<br />
Zielgruppe: Studenten, Referendare, Junganwälte / Keine<br />
Anmeldung erforderlich, keine Gebühr<br />
3. Sonderveranstaltung<br />
9 „Fehlerquellen in der gerichtlichen Praxis“<br />
Samstag, 10. Juli 1999<br />
von 9.30 – 13.00 Uhr, im Institut<br />
Referentin: Frau Dr. Brigitte Borgmann<br />
Anmeldung erforderlich: Betrag bitte vor Termin überweisen!<br />
Gebühr: 30,– DM für Referendare/Studenten 15,– DM<br />
Weitere Informationen am Institut für Anwaltsrecht, Ainmillerstr.<br />
11, 80801München, Tel. 089/340294-76 Fax: 089/340294-78<br />
Internet: http://www.gol.de/muenchen/anwrecht.htm,<br />
email: lfA@jura.uni-muenchen.de<br />
Buchhinweis<br />
Das neue Steuerentlastungsgesetz: Erläuterungen und Gestaltungshinweise<br />
zum Gesetzentwurf der neuen Koalition, Hrsg. Oppenhoff &<br />
Rädler.–Bonn: Deutscher Anwaltverlag,1999, 237 S., brosch., 68,– DM<br />
Die Regierung ist mit ihrem geplanten Steuerentlastungsgesetz<br />
1999/2000/2002 einer harschen öffentlichen Kritik ausgesetzt, die<br />
bisher in nicht dagewesener Schärfe erfolgt. Bei aller Kritik fehlte<br />
es bisher an Literatur, die sich mit dem gesamten Gesetzgebungswerk<br />
und seinen Auswirkungen in der Praxis, soweit es in der Entwurffassung<br />
umgesetzt werden sollte, beschäftigt. Diese Lücke haben<br />
die Herausgeber Oppenhoff & Rädler geschlossen.<br />
In einer praxisnahen und überschaubaren Art und Weise wird über<br />
die wichtigsten vorgesehenen Änderungen durch Mitteilung des<br />
entsprechenden Gesetzestextes informiert, um dann auf die Auswirkungen,<br />
ggf. nach erfolgter Erläuterung des Gesetzentwurfs, sowie<br />
auf Gestaltungshinweise einzugehen. Da die wichtigsten Änderungen<br />
angesprochen werden, wie z. B. Änderung des Einkommensteuergesetzes<br />
mit der Behandlung von einunddreißig Einzeldarstellungen<br />
insbesondere auch aus dem Unternehmenssteuerrecht,<br />
der Änderung des Umwandlungssteuergesetzes, des Erbschaftsteuergesetzes<br />
etc. fehlen nur wenige Randbereiche, wie die geplanten<br />
Änderungen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, so<br />
daß man von einer nahezu vollständigen Kommentierung des Gesetzentwurfes<br />
sprechen kann. Dabei sind die Gestaltungshinweise<br />
verständlicherweise vorsichtig formuliert, vermögen aber dem Benutzer<br />
wertvolle Impulse zu geben.<br />
Den Abschluß einer jeden Darstellung bildet jeweils die Begründung<br />
der Koalition zum Gesetzentwurf, die auch in Zukunft für die<br />
Auslegung des Gesetzes in der Praxis von Bedeutung sein wird.<br />
Abgerundet wird die Darstellung durch den vollständigen Abdruck<br />
des Gesetzestextes im Anhang.<br />
Durch die überschaubare Gliederung der Darstellung ist ein schneller<br />
Zugriff gewährleistet, so daß die Publikation ein wertvoller und<br />
empfehlenswerter Ratgeber für die Gestaltungsberatung ist, stellt sie<br />
doch die einzige geschlossene Auseinandersetzung mit dem Steuerentlastungsgesetz<br />
für die Beratungspraxis dar. Als Fazit ist dieses<br />
Werk jedem steuerlichen Berater uneingeschränkt zu empfehlen.<br />
Rechtsanwalt Olaf G. von Briel, Düsseldorf<br />
XXXI