25.07.2013 Aufrufe

(185-240) (853,8 kB) - Anwaltsblatt

(185-240) (853,8 kB) - Anwaltsblatt

(185-240) (853,8 kB) - Anwaltsblatt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

DeutscherAnwaltVerein<br />

Aus dem Inhalt<br />

Aufsätze<br />

Gerichtsstand des Erfüllungsortes<br />

(Henssler, Steinkraus) 186<br />

Gerichtskostennachforderungen im<br />

Mahnverfahren (Hambrecht) 188<br />

Anwaltshonorar im sozialhilferechtlichen<br />

Mandat (Zuck) 190<br />

Zeitschriftenlektüre des Juristen (Franke) 201<br />

Editorial<br />

Traum vom „freien“ Mitarbeiter (Kilger) 204<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Parlamentarischer Abend 205<br />

Nordirische Kommission beim DAV 207<br />

Mitteilungen<br />

Anwaltstatistik 216<br />

Steuerabschreibung von Computern 220<br />

Rechtsprechung<br />

BGH: Vorsorge gegen erkrankungsbedingte<br />

Fristversäumnis 227<br />

OLG München: Erstberatungsgebühr 228<br />

Anwaltstag 1999 in Bonn 12. bis 15. Mai !<br />

4/99<br />

April DeutscherAnwaltVerlag


II<br />

Rechtsprechung<br />

Berufsrecht<br />

AGH Hamburg, Beschl. v. 6.1.1999 – II ZU 2/97<br />

BRAO § 59a; BerufsO § 31<br />

Die berufsrechtlichen Regelungen stehen der Beteiligung eines Rechtsanwalts an<br />

einer personenidentischen Zweitsozietät, deren Gegenstand (Geschäftszweck)<br />

keine berufstypischen (nur) dem Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten umfaßt,<br />

nicht entgegen. (LS der Redaktion) – S. 226<br />

BGH, Beschl. v. 26.11.1998 – IX ZB 84/98<br />

ZPO § 233<br />

Der Rechtsanwalt hat eine allgemeine, geeignete Vorsorge zu treffen, die gewährleistet,<br />

daß im Falle seiner Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht<br />

werden können. (LS der Redaktion) – S. 227<br />

Gebührenrecht<br />

OLG München (Augsburg), Urt. v. 17.9.1998 – 14 U 879/97<br />

BRAGO § 20<br />

1. Ein Rechtsanwalt kann eine schriftliche Auskunft nur mit der Erstberatungsgebühr<br />

des § 20 Abs.1 Satz 2 BRAGO abrechnen, wenn er, ohne bei Erhalt schriftlicher<br />

Unterlagen mit der Beratung begonnen zu haben, die erbetene Auskunft erst<br />

nach Durchsicht dieser Unterlagen erteilt.<br />

2. Schließt sich an diese Auskunft eine weitere an, bleibt es für die zunächst erteilte<br />

bei der Erstberatungsgebühr, auch wenn die zweite Auskunft mit der Erstberatung<br />

in einem engen gegenständlichen oder zeitlichen Zusammenhang steht<br />

oder diese fortsetzt.<br />

3. Die weitere Auskunft kann unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 5 BRAGO<br />

nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO abgerechnet werden. – S. 228<br />

AnwG Tübingen, Beschl. v. 11.12.1998 – 48/1999<br />

BRAO § 49b; BRAGO § 52<br />

Die Nichtberücksichtigung der Verkehrsgebühr in der Gebührenteilungsabrede<br />

zwischen Verkehrsanwalt und Prozeßanwalt ist berufsrechtswidrig.<br />

(LS der Redaktion) – S. 229<br />

Streitwert, Kosten, Erstattung<br />

AG Hamburg, Beschl. v. 7.3.1999 – 77 B L 002629/97<br />

GKG §§ 11, 61; GKG-KV Nr. 1201, 1202<br />

Gemäß Artikel 100 I GG wird das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des<br />

BVerfG zu folgender Frage eingeholt:<br />

Ist § 61 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. § 11 GKG und der Nr. 1201<br />

des Kostenverzeichnisses (KV) in der aufgrund des Gesetzes zur Änderung von<br />

Kostengesetzes und anderen Gesetzes vom 14.6.1994 (BGBl. I 1325, KostRÄndG<br />

1994) seit dem 1.7.1994 geltenden Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit<br />

auch dann die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen entsteht, wenn in einem<br />

Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides zwar für den Fall des Widerspruchs der<br />

Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt ist und Widerspruch<br />

auch erhoben wird, das Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit<br />

jedoch nicht an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht abgibt,<br />

weil der Antragsteller das Verfahren nicht weiter betreibt? – S. 230<br />

OLG München, Beschl. v. 9.7.1998 – 11 W 1411/98<br />

ZPO §§ 91, 485 ff.; BRAGO §§ 37 Nr. 3, 48<br />

Kosten des selbständigen Beweisverfahrens können nicht aufgrund einer Kostenentscheidung<br />

im Verfahren der einstweiligen Verfügung erstattet werden. – S. 234<br />

OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.2.1998 – 6 W 450/98<br />

ZPO § 91, §§ 485 ff.<br />

Wird in einem gerichtlichen Vergleich Kostenaufhebung vereinbart, werden im<br />

Zweifelsfall auch die Gerichtskosten eines dem Rechtsstreit vorangegangenen,<br />

selbständigen Beweisverfahrens zwischen den Parteien aufgeteilt. – S. 234<br />

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 13.2.1998 – 10 W 31/97<br />

ZPO § 494 a<br />

Allein die fehlende Klageerhebung innerhalb einer nach § 494 a Abs. 1 ZPO gesetzten<br />

Frist genügt nicht, um dem Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens<br />

ohne Berücksichtigung der weiteren Umstände die dem Antragsgegner<br />

entstandenen Kosten aufzuerlegen. (LS der Reaktion) – S. 235<br />

OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.5.1998 – 5 W 1070/98<br />

ZPO § 91 Abs. 2, §§ 688 ff.<br />

1. Die Kosten einer Partei für einen im Mahnverfahren tätigen Rechtsanwalt sind<br />

grundsätzlich erstattungsfähig (entgegen OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.7.1998 –<br />

8 W 2309/97 in NJW 1998, 388).<br />

2. Erstattungsfähig sind auch die höheren Kosten, die durch die Beauftragung eines<br />

weiteren Rechtsanwalts am Ort des Prozeßgerichts nach Widerspruchseinlegung<br />

entstanden sind, wenn ein vernünftig abwägender Antragsteller nicht damit<br />

rechnen mußte, daß der Antragsgegner gegen einen Mahnbescheid Widerspruch<br />

einlegen werde. (LS der Redaktion) – S. 235<br />

Prozeßrecht<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1998 – 11 W 13/98<br />

ZPO § 42 Abs. 2<br />

1. Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende<br />

oder gar beleidigende Äußerungen des Richters in der mündlichen Verhandlung<br />

können die Besorgnis der Befangenheit begründen. Bei der Abgrenzung ist<br />

der Gesamtzusammenhang der konkreten Verhandlungssituation zu betrachten und<br />

insbesondere darauf abzustellen, ob die Äußerungen noch sachbezogen und aufgrund<br />

des Verhaltens der Beteiligten verständlich sind und ob mögliche Mißverständnisse<br />

vom Richter sogleich ausgeräumt werden.<br />

2. Die Würdigung des prozessualen Vorgehens einer Partei als „tricky“ rechtfertigt<br />

nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit. – S. 236<br />

BGH, Beschl. v. 22.10.1998 – VII ZB 15/98<br />

ZPO § 78 Abs. 1; BRAO § 53 Abs. 3<br />

Ein rechtswirksames Handeln eines nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts als amtlich<br />

bestellter Vertreter für einen postulationsfähigen Rechtsanwalt setzt voraus, daß<br />

dieses hinreichend deutlich (hier: in der Rechtsmittelschrift) erkennbar wird. – S. 236<br />

LG Berlin, Urteil v. 7.10.1997 – 64 S 278/97<br />

ZPO § 182<br />

1. Die wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Post nach § 182<br />

ZPO setzt voraus, daß der Empfänger der zuzustellenden Sendung die Wohnung,<br />

in der der Zustellungsversuch unternommen wird, tatsächlich noch inne hat, er in<br />

der Wohnung nicht angetroffen wird und ein Versuch der Ersatzzustellung nach<br />

§ 181 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zum Erfolg führt.<br />

2. Für den Begriff der „Wohnung“ kommt es darauf an, ob der Zustellungsempfänger<br />

sich dort regelmäßig aufhält, insbesondere dort schläft, nicht allein darauf, ob<br />

der Zustellungsempfänger dort polizeilich gemeldet ist.<br />

3. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich auf die Richtigkeit ihrer<br />

Durchführung, nicht jedoch darauf, ob der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift<br />

wohnt.<br />

4. Auf den vom Zustellungsempfänger erweckten Anschein, daß er unter einer angegebenen<br />

Anschrift wohnt, kommt es für die Zustellung nur dann an, wenn dieser Anschein<br />

gegenüber dem die Zustellung veranlassenden Gericht erweckt wird. – S. 237<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.8.1997 – 2 UF 111/97<br />

ZPO §§ 233, 519 b<br />

Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den Absender zumindest bei<br />

fristgebundenen Schriftsätzen nicht von der Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren,<br />

daß alle zu sendenden Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen<br />

werden. Denn nur dann kann darauf vertraut werden, daß die Sendung vollständig<br />

erfolgt und beim Empfänger ankommt. Ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht ist<br />

schuldhaft i. S. d. § 233 ZPO. – S. 237<br />

BGH, Beschl. v. 8.10.1998 – VII ZB 21/98<br />

ZPO § 519 Abs. 2 Satz 3<br />

Die auf Antrag eines postulationsunfähigen Prozeßbevollmächtigten vom Vorsitzenden<br />

verfügte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist wirksam, ohne<br />

daß es darauf ankommt, ob der Prozeßbevollmächtigte bei sorgfältiger Prüfung erkennen<br />

konnte, daß sein Antrag unwirksam war (Bestätigung von BGH, Beschl. v.<br />

22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998, 1155). – S. 238<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.6.1998 – 3 W 201/98<br />

ZPO § 890 Abs. 1, § 929 Abs. 2, § 936<br />

Die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung setzt deren fristgerechte Zustellung<br />

im Parteibetrieb oder eine anderweitige Vollziehungsmaßnahme des Gläubigers –<br />

etwa Bestrafungsantrag – innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist voraus. –<br />

S. 238


Im Auftrag des<br />

Deutschen Anwaltvereins<br />

herausgegeben von den<br />

Rechtsanwälten:<br />

Felix Busse<br />

Dr. Michael Kleine-Cosack<br />

Wolfgang Schwackenberg<br />

<strong>185</strong> Fritz Ostler €<br />

Aufsätze<br />

186 Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO für die<br />

anwaltliche Honorarklage<br />

Von Prof. Dr. Martin Henssler, Köln und Assessorin Astrid<br />

Steinkraus, wiss. Mitarbeiterin am Institut für Anwaltsrecht in<br />

Köln<br />

188 Gerichtskostennachforderungen im Mahnverfahren<br />

Von Rechtsanwältin Elke Hambrecht, Würzburg<br />

190 Wie verdient der Anwalt im sozialrechtlichen Mandat sein<br />

Geld?<br />

Von Rechtsanwalt Prof. Dr. Rüdiger Zuck, Stuttgart<br />

193 Das neue spanische Geschworenengericht<br />

Von Richter am Landgericht Dr. Michael Bohlander, Meiningen<br />

198 Die ausländerrechtlichen Regelungen des polnischen Anwaltsund<br />

Rechtsberatungsgesetzes<br />

Von Richter Andrzej Ryng, Warschau<br />

201 Zeitschriftenlektüre des Juristen<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Karl Franke, Ellwangen<br />

Editorial<br />

204 Der Traum vom „freien“ Mitarbeiter (Nr. 2)<br />

Von Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Hechingen<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Schriftleitung:<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Dr. Peter Hamacher<br />

Udo Henke<br />

Rechtsanwälte<br />

Bonn, Adenauerallee 106<br />

Jahrgang 49<br />

April 1999<br />

205 Parlamentarischer Abend des Deutschen Anwaltvereins 1999<br />

206 Anwaltstag 1999: Grußwort des Bonner Anwaltvereins<br />

Von Rechtsanwalt Robert Erdrich,<br />

Vorsitzender des Bonner Anwaltvereins<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong>: Ludwig Koch, Felix Busse<br />

DAV international:<br />

Präsidentenkonferenz der deutschsprachigen Anwaltsverbände<br />

Von Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M., Bonn<br />

207 Nordirische Kommission besucht den DAV<br />

Von Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M., Bonn<br />

208 Deutsche Anwaltauskunft –<br />

starke Nachfrage in der Bevölkerung und den Medien<br />

209 PR-Referat<br />

Von Rechtsanwalt Swen Walentowski, Bonn<br />

212 Tagung der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht<br />

Personalien:<br />

Neue Vorsitzende von Anwaltvereinen<br />

Ulrich Stobbe Ehrensenator<br />

Heinz Brangsch€<br />

Von Hans-Jürgen Rabe, Hamburg<br />

b 4/99<br />

l<br />

Europa<br />

214 Änderungen des Kaufrechts durch EU-Verbrauchsgüterrichtlinie<br />

Von Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., Brüssel<br />

215 Europa, Geldwäsche und die organisierte Kriminalität –<br />

ein Kampf mit oder gegen den Rechtsanwalt?<br />

Von Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., Brüssel<br />

Glosse: Praktisches Leben<br />

Von Rechtsanwalt Rainer Eggert, Frankfurt a. M.<br />

Mitteilungen<br />

216 Anwaltstatistik: Mitglieder der<br />

Rechtsanwaltkammern am 1. Januar 1999<br />

Universität zu Köln: Ehrenpromotion Ludwig Koch<br />

Von Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />

218 Anwaltsrecht: Institut für Anwaltsrecht – Leipzig<br />

Gebührenfragen:<br />

Die Erstberatungsgebühr der BRAGO<br />

Von Referendarin Ramona Kühnel, Göttingen<br />

220 Steuerrecht:<br />

Steuerliche Abschreibung von Computern<br />

bei juristischen Tätigkeiten<br />

Von Rechtsreferendar Thorsten Vehslage, Hamburg<br />

223 Haftpflichtfragen:<br />

Vertrauensschutz für den Rechtsanwalt?<br />

Von Rechtsanwältin Antje Jungk,<br />

Allianz Versicherungs-AG, München<br />

Buchhinweis<br />

Arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren (Wohlfahrt)<br />

Rechtsprechung<br />

(Übersicht und Leitsätze siehe Seite II)<br />

226 Berufsrecht<br />

228 Gebührenrecht<br />

230 Streitwert, Kosten, Erstattung<br />

236 Prozeßrecht<br />

Rechtsprechung Nachschlag<br />

239 Rechtsprechung in Leitsätzen zum Bereich Streitwert, Kosten,<br />

Erstattung (Zivilrecht, Arbeitsrecht, Sonstiges)<br />

<strong>240</strong> Impressum<br />

Auf dem Umschlag<br />

Das <strong>Anwaltsblatt</strong> ist auf technisch chlorfreiem Recyclingpapier gedruckt.<br />

DAV-Service Seite IV<br />

DAV-Informationen Seite VI, VIII, XXXI<br />

Qualität in der Kanzlei Seite XXIV<br />

Internet-Aktuell Seite XXVI


VI<br />

4<br />

In diesem Heft:<br />

Lesen Sie in diesem Heft aus der<br />

Arbeit des DAV auf Seite 205 bis<br />

213:<br />

Parlamentarischer Abend des DAV /<br />

Anwaltstag 1999: Grußwort des<br />

Bonner Anwaltvereins / <strong>Anwaltsblatt</strong><br />

/ DAV international: Präsidentenkonferenz;<br />

Nordirische Kommission<br />

besucht den DAV / Deutsche<br />

Anwaltauskunft / PR-Referat / Personalien<br />

Gebührenrecht in AGS Nr. 4/99<br />

9 von Eicken: Anwaltsgebühren bei<br />

Ansprüchen aus dem ehelichen<br />

Güterrecht<br />

9 OLG München: Schriftliches Verfahren<br />

steht einer mündlichen Verhandlung<br />

nicht gleich<br />

9 OLG Schleswig: Telefonische Auskunfteinholung<br />

zur Sachverhaltsaufklärung<br />

keine Beweisaufnahme<br />

9 AG Darmstadt: Wert von Vergleichsverhandlungen<br />

über Abfindung<br />

im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens<br />

9 VGH Mannheim: Eine ausländerrechtliche<br />

Abschiebungsandrohung<br />

ist ein Akt der Zwangsvollstreckung<br />

9 OLG Düsseldorf: Erstattung von<br />

Dolmetscherkosten<br />

Infos<br />

Association Européenne des<br />

Barreaux des Cours SuprÞmes<br />

Der Vorsitzende des Vereins der<br />

beim Bundesgerichtshof zugelassenen<br />

Rechtsanwälte e.V., Rechtsanwalt<br />

beim BGH Dr. Dr. Norbert Gross, ist<br />

am 14. Dezember 1998 zum Präsidenten<br />

der Association Européenne des<br />

Barreaux des Cours SuprÞmes gewählt<br />

worden.<br />

Veranstaltungen Inland<br />

Deutsche Anwaltakademie<br />

Veranstaltungen im Mai/Juni ’99<br />

Taktik des Zivilprozesses<br />

Termin/Ort: 28. – 29. Mai 1999,<br />

Konstanz<br />

Referent: RA Günther Lausmann<br />

Gebühr: 390,– DM Mitglieder<br />

FORUM oder Mitglieder<br />

DAV, jeweils bis 2 Jahre<br />

nach Zulassung;<br />

590,– DM DAV-Mitglieder;<br />

650,– DM Nichtmitglieder<br />

DAV, jew. zzgl.<br />

16% USt.<br />

Seminar: R 12507-99<br />

Genauigkeit polizeilicher<br />

Meßverfahren / Der Bagatellunfall<br />

Termin 29. Mai 1999, Osnabrück<br />

Referent: Dipl.-Phys.<br />

Klaus Schmedding<br />

Gebühr: 190,– DM Mitglieder<br />

FORUM oder Mitglieder<br />

DAV, jeweils bis 2 Jahre<br />

nach Zulassung;<br />

390,– DM DAV-Mitglieder;<br />

430,– DM Nichtmitglieder<br />

DAV, jew. zzgl.<br />

16% USt.<br />

Seminar: R 12307-99<br />

Arbeitsrecht in der Insolvenz<br />

Termin/Ort: 29. Mai 1999,Augsburg<br />

Referent: RA Ulrich Spieker<br />

Gebühr: 490,– DM für DAV-Mitglieder;<br />

540,– DM Nichtmitglieder<br />

DAV; jew. zzgl.<br />

16% USt<br />

Seminar: R 21715-99<br />

Die Ein-Mann-Kanzlei<br />

Termin/Ort: 5. Juni 1999,<br />

Hannover<br />

Referentin: RAin<br />

Gerlinde Fischedick<br />

Gebühr: 190,– DM für Junganwälte<br />

bis 2 Jahre nach<br />

Zulassung und Referendare;<br />

290,– DM<br />

Seminar: R 82626-99<br />

Verhandlungen auf Französisch<br />

Termin: 11. – 12. Juni 199,<br />

Baden-Baden<br />

Referent: RA Christoph Kocks<br />

Gebühr: 990,– DM Mitglieder<br />

DAV; 1.090,– DM Nichtmitglieder<br />

DAV, jew.<br />

zzgl. 16 % USt.<br />

Seminar: R 21812-93<br />

Gewinnen mit Stimme – Aufbaukurs<br />

Termin/Ort: 11. – 12. Juni 1999,<br />

Heidelberg<br />

Referenten: Heike Schütze,<br />

Atem-, Sprech- und<br />

Stimmlehrerin<br />

Klaus Oerter, Logopäde<br />

Gebühr: 890,– DM Mitglieder<br />

DAV; 980,– DM Nichtmitglieder<br />

DAV: jeweils<br />

zzgl. 16 % USt.<br />

Seminar: R 22627-99<br />

Anmeldung und Info: Deutsche Anwaltakademie,<br />

Ellerstr. 48, 53119 Bonn,<br />

Tel. 02 28 /983 66-77, Fax 9 83 66-66<br />

AG Verkehrsrecht des DAV<br />

Veranstaltungen im Mai<br />

Regionale Veranstaltungen:<br />

Datum/Ort: 8. Mai 1999, München<br />

Thema: Die Verkehrsrechtsschutzversicherung<br />

und<br />

gebührenrechtliche<br />

Probleme in der täglichen<br />

Praxis<br />

Referent: RA’in Eichner<br />

Gebühr 150 DM für Mitglieder der<br />

ARGE und Referendare;<br />

250 DM für Nichtmitglieder<br />

(Fortsetzung auf Seite VIII)<br />

Im nächsten Heft u. a.:<br />

9 Bundesverfassungsgericht<br />

9 Französisches Anwaltsrecht<br />

9 Abschiebungshaftsachen<br />

9 Anwaltshaftung bei Internet und<br />

Telefax


VIII<br />

4<br />

(Fortsetzung von Seite VI)<br />

Sonderveranstaltungen:<br />

Datum/Ort 29./30. Mai 1999,<br />

Essen<br />

Thema: Verkehrsrecht für junge<br />

Kollegen und Referendare<br />

Referenten: RAuN Ziegert,<br />

RA Riedmeyer<br />

Gebühr: 250 DM für Rechtsanwälte,<br />

150 DM für<br />

Referendare;<br />

Datum/Ort: 8. Mai 1999, München<br />

Thema: Aktuelle Fragen der<br />

Schadenabwicklung<br />

von Verkehrsunfällen<br />

Gemeinsame Veranstaltung<br />

der ARGE Verkehrsrecht<br />

des BVSK<br />

und der GTÜ<br />

Referenten: RA Elmar Fuchs<br />

Gebühr: kostenlos<br />

Anmeldungen (bitte schriftlich) und<br />

weitere Informationen:<br />

Arbeitsgemeinschaften Verkehrs- und<br />

Strafrecht, Veranstaltungsorganisation,<br />

Hirschmannstr. 7, 53359 Rheinbach,<br />

Tel.: 022 26 / 91 20 91, Fax:<br />

022 26 / 91 20 95<br />

Aktuelle Fragen der<br />

Schadensabwicklung von<br />

Verkehrsunfällen<br />

– Gemeinschaftsseminar der Arbeitsgemeinschaft<br />

Verkehrsrecht im Deutschen<br />

Anwaltverein mit dem BVSK<br />

(Bundesverband) und der GTÜ (Gesellschaft<br />

für Technische Überwachung<br />

mbH) –<br />

Nächste Seminare:<br />

Datum/Uhrzeit: 28. April 1999, 18 Uhr<br />

Ort: Karlsbau am<br />

Stadtgarten,<br />

Großer Saal,<br />

Karlsplatz 1,<br />

79098 Freiburg i. Br.<br />

Seminarleiter: RA Dr. R. Härtel<br />

Referent: RA E. Fuchs, Berlin<br />

Datum/Uhrzeit: 14. Sept. 1999, 18 Uhr<br />

Ort: Universität Hannover,<br />

Audimax im<br />

Gebäude 1101,<br />

Welfengarten 1,<br />

30167 Hannover<br />

Seminarleiter: RAuN<br />

Dr. G. Greißinger<br />

Referent: RA E. Fuchs, Berlin<br />

Die Teilnahme ist kostenlos.<br />

Anmeldungen bitte an die GTÜ,<br />

Jahnstr. 12, 70597 Stuttgart, Tel.:<br />

07 11 / 97 67 60, Fax: 07 11 / 97 67 699<br />

Seminar zu aktuellen Fragen<br />

des Telekommunikationsrechts<br />

Telecommerce – Telebanking –<br />

Rund ums Internet<br />

Die Veranstaltung wird von der der<br />

Arbeitsgemeinschaft für Internationalen<br />

Rechtsverkehr im Deutschen<br />

Anwaltverein durchgeführt.<br />

Zeit und Ort:<br />

18./19. Juni 1999<br />

Hotel Grand Hyatt Berlin<br />

Beginn: Freitag, 18.6.99, 9.30 Uhr<br />

Ende: Samstag, 19.6.99, 13.00 Uhr<br />

Schätzungen gehen davon aus, daß im<br />

Jahr 2002 die Umsätze mit Internetund<br />

Online-Geschäften – also: im sogenannten<br />

Telecommerce und Telebanking<br />

– rd. 430 Millionen Teilnehmer<br />

weltweit erreichen werden, so daß der<br />

Umsatz bei ca. einer Billiarde Dollar<br />

liegen wird. Damit stellen sich schon<br />

jetzt weitreichende, neue Rechtsfragen,<br />

deren internationaler Bezug evident<br />

ist. Gleichzeitig sind die<br />

unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen<br />

aber auch ein Hinderungsgrund<br />

für die weltweite Ausbreitung<br />

des e-commerce, zumal das Risiko in<br />

unterschiedlichen Sicherheitsstandards<br />

besteht.<br />

Ziel dieses Seminars ist es, einen umfassenden,<br />

praxisnahen Überblick über<br />

die verschiedenen Rechtsfragen zu vermitteln,<br />

die mit dem E-Commerce verbunden<br />

sind. Die Referenten sind alle-<br />

samt in der Praxis und in der Wissenschaft<br />

gleichermaßen ausgewiesen; sie<br />

beschäftigen sich seit längerer Zeit mit<br />

den vielfältigen Problemen, die das<br />

Internet mit sich bringt.<br />

Info und Anmeldung:<br />

ARGE Internationaler Rechtsverkehr<br />

Deutsche Anwaltakademie, Frau Ruth<br />

Strack, Ellerstr. 48, D - 53119 Bonn,<br />

Telefon: 02 28 /983 66 33, Fax: 02 28 /<br />

9836667.<br />

Institut für Anwaltsrecht<br />

an der Universität München<br />

Veranstaltungen im<br />

Sommersemester 1999<br />

1. Ringvorlesung „Anwaltliche Berufsfelder“.<br />

Anwälte berichten über<br />

ihren Beruf.<br />

Jeweils Donnerstag, 18.00 Uhr c. t. /<br />

Universität, HS 217<br />

9 20.5.99: RA Ottheinz Kääb<br />

„Das Verkehrsrecht“<br />

9 10.6.99: RA Dr. Jobst Wellensiek<br />

„Der Anwalt als<br />

Konkursverwalter“<br />

9 17.6.99: RAin Dr. Gabriele Buder-<br />

Steinhoff<br />

„Rechtsanwalt in Deutschland und<br />

Österreich zugleich“<br />

9 24.6.99: Prof. Laurel S. Terry<br />

„Globalization of Lawyers –<br />

Multidisciplinary Partnerships“<br />

9 1.7.99: RA Michael Dudek<br />

„Aufbau einer Kanzlei“<br />

9 8.7.99: RAe Frau Dr. Mähler und<br />

Herr Dr. Mähler<br />

„Mediation im Familienrecht!<br />

9 15.7.99: RA Dr. Eberhard Seybold<br />

„Der Syndikus-Anwalt“<br />

Keine Anmeldung erforderlich, keine<br />

Teilnehmergebühr (Änderungen vorbehalten).<br />

Bei allen Veranstaltungen besteht im<br />

Anschluß Gelegenheit zu einer Diskussion.<br />

2. Gemeinschaftsveranstaltung zs. mit<br />

der gwmk (Ges. für Wirtschaftsmediation<br />

und Konfliktmanagement<br />

e.V.)<br />

(Fortsetzung auf Seite XXXI)


Im Auftrag des<br />

Deutschen Anwaltvereins<br />

herausgegeben von den<br />

Rechtsanwälten:<br />

Felix Busse<br />

Dr. Michael Kleine-Cosack<br />

Wolfgang Schwackenberg<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. Peter Hamacher<br />

Udo Henke<br />

Rechtsanwälte<br />

Bonn, Adenauerallee 106<br />

Jahrgang 49<br />

April 1999 AQl<br />

Nachrichten für die Mitglieder<br />

des Deutschen Anwaltvereins e. V.<br />

Der Deutsche Anwaltverein trauert um<br />

sein Ehrenmitglied, Herrn<br />

Rechtsanwalt<br />

Dr. Fritz Ostler<br />

1907 – 1999<br />

Der Verstorbene war Ehrenmitglied des Deutschen Anwaltvereins und fast 29 Jahre Vorstandsmitglied<br />

des Deutschen Anwaltvereins und von 1959 bis 1979 dessen Vizepräsident.<br />

Wir verlieren mit Dr. Fritz Ostler eine Anwaltspersönlichkeit von außerordentlichem Format.<br />

Sein Elan und seine Arbeitskraft beeindruckten noch bei seinem 50jährigen Berufsjubiläum.<br />

Neben vielen Veröffentlichungen und der Mitherausgeberschaft der NJW hat er<br />

sich durch sein Buch „Die deutschen Rechtsanwälte“ ausgezeichnet. Sein Engagement<br />

führte zur Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und dem Verdienstkreuz<br />

des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Verleihung der Hans-Dahs-<br />

Plakette im Jahre 1981 dankte ihm die deutsche Anwaltschaft seine Tätigkeit.<br />

Der Deutsche Anwaltverein wird ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren.<br />

Dr. Michael Streck<br />

Präsident<br />

Adenauerallee 106, 53113 Bonn<br />

Im März 1999


186<br />

l<br />

Der Gerichtsstand des<br />

Erfüllungsortes gem. § 29<br />

ZPO für die anwaltliche<br />

Honorarklage<br />

Professor Dr. Martin Henssler, Köln und Assessorin Astrid<br />

Steinkraus, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für<br />

Anwaltsrecht in Köln<br />

Der „besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes“<br />

scheint für die anwaltliche Honorarklage weiterhin gesichert<br />

zu sein. Die Rechtsprechung einiger Amtsgerichte,<br />

die für die Honorarklage eines Freiberuflers am Gericht<br />

seines Kanzlei- bzw. Praxisortes den Gerichtsstand des Erfüllungsortes<br />

gem. § 29 Abs. 1 ZPO nicht mehr anerkennen<br />

wollte 1 , ist erneut durch die Entscheidungen zweier Oberlandesgerichte<br />

korrigiert worden 2 .<br />

I. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des<br />

BGH<br />

Entscheidend für die Bestimmung des „Erfüllungsortes“<br />

nach § 29 Abs. 1 ZPO ist die Auslegung der §§ 269 Abs.<br />

1, 270 Abs. 1, 4 BGB. Gem. § 270 Abs. 1 BGB sind Geldschulden,<br />

wie die Honorarverbindlichkeiten, im Zweifel<br />

Schickschulden. § 270 Abs. 1 BGB enthält indes lediglich<br />

eine Auslegungsregel für die Bestimmung des Verlust- und<br />

Kostenrisikos. Die Vorschrift läßt den materiellrechtlichen<br />

Leistungsort, der dem prozessualen Begriff des Erfüllungsortes<br />

entspricht, unberührt (§§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4<br />

BGB). Der Schuldnerwohnsitz als Leistungsort tritt damit<br />

zurück, wenn für die Übermittlung von Geld etwas anderes<br />

bestimmt ist. Die anderweitige Regelung des Zahlungsortes<br />

kann durch Parteivereinbarung oder durch Gesetz erfolgen.<br />

Die nach § 269 Abs. 1 BGB vorrangige Bestimmung des<br />

Leistungsortes nach der Parteivereinbarung ist im Verbraucherprozeß<br />

ohne Bedeutung, da § 29 Abs. 2 ZPO Vereinbarungen<br />

zur Begründung eines Gerichtsstandes ihnen gegenüber<br />

ausschließt. In seiner zweiten Variante leitet § 269<br />

Abs. 1 BGB den Leistungsort aus den Umständen, insbesondere<br />

aus der Natur des Schuldverhältnisses, ab. Die<br />

obergerichtliche Rechtsprechung folgert aus der „Natur des<br />

Rechtsverhältnisses“ bei Anwaltsverträgen, daß für die Leistungspflicht<br />

beider Teile ein einheitlicher Erfüllungsort bestehe.<br />

Das sei der Ort, an dem die Leistung des Rechtsanwaltes<br />

erbracht werde, also typischerweise der Sitz seiner<br />

Kanzlei 3 . Auch der ganz überwiegende Teil des Schrifttums<br />

sieht den Kanzleisitz als Erfüllungsort für sämtliche aus<br />

einem Anwaltsvertrag entstehenden Verpflichtungen an4 .<br />

II. Aktuelle Tendenzen in der amtsgerichtlichen<br />

Rechtsprechung und dem jüngeren Schrifttum<br />

Gegen die gefestigte Rechtsprechung zum einheitlichen<br />

Erfüllungsort für Honorarklagen wenden sich einige Amtsgerichte<br />

sowie Teile des jüngeren Schrifttums 5 . Diese verbraucherschutzorientierte<br />

Auffassung verlangt, auch bei der<br />

Bestimmung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes auf<br />

den Leistungsort der „streitigen Erfüllung“ abzustellen.<br />

Beim gegenseitigen Vertrag habe jede Leistungspflicht,<br />

also auch die Geldschuld, ihren eigenen Leistungsort. Die<br />

Leistung eines Anwaltes könne im Verhältnis zur Gegenleistung,<br />

der Bezahlung durch den Mandanten, nicht grundsätzlich<br />

als die wichtigere angesehen werden 6 .<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

III. Stellungnahme<br />

1. Die gesetzliche Ausgangslage<br />

Der prozessuale Begriff des Erfüllungsortes ist mit dem<br />

materiellrechtlichen Leistungsort im Sinne der §§ 269, 270<br />

BGB identisch. Nach dem Konzept der §§ 269, 270 BGB<br />

sind für die Bestimmung des Leistungsortes die folgenden<br />

Kriterien in der angegebenen Rangfolge maßgeblich: 1. die<br />

vertragliche Vereinbarung – 2. die Vertragsumstände –<br />

3. der Wohnsitz des Schuldners. Die Maßgeblichkeit der in<br />

§ 269 Abs. 1 BGB verankerten Stufenordnung ergibt sich<br />

aus § 270 Abs. 4 BGB, der auch für die Geldschuld die allgemeine<br />

Regelung des Leistungsortes unberührt läßt. Bevor<br />

auf den Wohnsitz des Schuldners abgestellt wird, muß auch<br />

bei der Geldschuld je nach der Natur des Schuldverhältnis<br />

der Leistungsort festgestellt werden. Der Schuldnerwohnsitz<br />

erlaubt lediglich eine behelfsmäßige, „höchst subsidiäre“<br />

Festlegung des Erfüllungsortes.<br />

2. Die Interessenlage zwischen Anwalt und Mandant<br />

Allein überzeugend ist es, nach dem gesetzlichen Konzept<br />

der §§ 269, 270 BGB auf die besonderen Umstände des<br />

Schuldverhältnisses abzustellen. Grundsätzlich muß auch bei<br />

gegenseitigen Verträgen der Leistungsort für jede einzelne<br />

Verpflichtung gesondert bestimmt werden7 . Die Kernfrage<br />

für die Beurteilung des Leistungsortes bei Honorarfragen<br />

lautet daher: Folgt für den Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen<br />

einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten aus den<br />

Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses,<br />

die Einheitlichkeit des Leistungsortes im Sinne einer<br />

Ausrichtung der gesamten Vertragsbeziehung auf den Kanzleiort?<br />

Betrachtet man die Besonderheiten des anwaltlichen<br />

Geschäftsbesorgungsvertrages, so läßt sich – wie bei allen<br />

freiberuflichen Leistungen – eine starke Fixierung des gesamten<br />

Vertragsverhältnissses auf den Kanzleiort feststellen.<br />

Nach wie vor ist die freiberufliche Leistung durch ein enges<br />

persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten<br />

und seinem Berater geprägt. Dieser persönliche Kontakt zwischen<br />

den Vertragspartnern kommt in den Kanzleiräumen zustande.<br />

Im Regelfalle ist diese Kanzleibezogenheit des<br />

Schuldverhältnisses auch völlig unproblematisch. Der Rechtsuchende<br />

wählt normalerweise einen Rechtsanwalt in der<br />

Umgebung seines Wohnsitzes aus. In diesem Fall entsteht<br />

zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 13<br />

ZPO und dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes<br />

1 AG Köln NJW-RR 1995, <strong>185</strong>; AG Halle-Saalkreis v. 18.3.1996 (93 C 491/95).<br />

2 BayObLG NJW-RR 1996, 52 = MDR 1995, 1262; OLG Köln NJW-RR 1997,<br />

825.<br />

3 BGH FamRZ 1986, 347, 348; BGH NJW 1991, 3095, 3096; BayObLG MDR<br />

1992, 296; BayObLG MDR 1995, 1262 = NJW-RR 1996, 52, 53; OLG Köln<br />

NJW-RR 1997, 825; LG Köln AnwGeb 1998, 24; LG Darmstadt AnwBl 1984,<br />

503; LG Osnabrück AnwBl 1977, 217.<br />

4 MünchKomm-Keller, BGB 3. Auflage 1994, § 269 Rn 27; Palandt-Heinrichs,<br />

BGB 57. Auflage 1998, § 269 Rn 13; MünchKomm-Patzina, ZPO 1992, § 29<br />

Rn 22, 24; Baumbach/Lauterbach/Albers-Hartmann, ZPO 56. Auflage 1998,<br />

§ 29 Rn 18; Gerold/Schmidt/v.Eicken-Madert, BRAGO 13. Auflage 1997, § 1<br />

Rn 66; Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO 7. Auflage 1995, § 19 Rn 63;<br />

Hansen, NJW 1989, 1131, 1135 f.; Madert, Anwaltsgebühren in Zivilsachen,<br />

3. Auflage 1995, XVII. Rn 2.<br />

5 AG Köln, NJW-RR 1995, <strong>185</strong> f.; AG Halle-Saalkreis v. 18.3.1996 (93 C 491/<br />

95); AK/Röhl, ZPO 1987, § 29 Rn 6; Bosch, Anmerkung, FamRZ 1986, 349,<br />

350; Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen<br />

Privat- und Zivilprozeßrecht, 1985, Rn 37; Schmid, MDR 1993, 410;<br />

Wrangel, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im deutschen, italienischen<br />

und europäischem Recht, Diss. 1988, S. 70.<br />

6 Schmid, MDR 1993, 410, 411.<br />

7 RGZ 49, 72, 75; 65, 329, 332; 90, 162, 163; 140, 67, 69; OLG Karlsruhe NJW-<br />

RR 1986, 351; MünchKomm-Keller, aaO., § 269 Rn 9; Palandt-Heinrichs,<br />

aaO., § 269 Rn 7, 12.


AnwBl 4/99 187<br />

Aufsätze l<br />

nach § 29 Abs. 1 ZPO keine Divergenz. Prozessuale<br />

Schwierigkeiten wirft die Bestimmung des Erfüllungsortes<br />

nur dann auf, wenn der potentielle Mandant sich an einen<br />

Rechtsanwalt in einem anderen Bezirk wendet. Der Grund<br />

für diese Wahl eines ortsfremden Rechtsanwaltes wird anders<br />

als bei Verträgen mit gewerblichen Leistungsanbietern<br />

aber gerade nicht darin liegen, daß der Anwalt den Mandanten<br />

an dessen Wohnsitz geworben hat und das Vertragsverhältnis<br />

nunmehr sachfremd an seinen Unternehmenssitz<br />

zieht. Vielmehr wird der Mandant typischerweise persönliche<br />

Gründe haben, weshalb er den auswärtigen Anwalt einschaltet.<br />

Er selbst wird von sich aus auf den Rechtsanwalt<br />

zugehen, weil er entweder dessen besondere Fachkompetenz<br />

in Anspruch nehmen möchte oder aber aus Gründen der Postulationsfähigkeit<br />

keinen in der Nähe seines Wohnsitzes tätigen<br />

Anwalt einschalten kann. Auch ist es denkbar, daß der<br />

Mandant wegen der Besonderheiten des Streitgegenstandes<br />

einen ortsfremden Anwalt einschaltet, weil er absolute Verschwiegenheit<br />

und Vertraulichkeit sicherstellen möchte und<br />

er jede Form der Publizität fürchtet, wie sie bei kleinen Orten,<br />

„wo jeder jeden kennt“, niemals auszuschließen ist. Für<br />

die Honoraransprüche von Rechtsanwälten deutet daher – in<br />

der Regel – alles auf einen gemeinsamen Erfüllungsort der<br />

vertragstypischen Leistung hin. Der Gesetzgeber hat diese<br />

Sichtweise in mehreren Vorschriften zumindest andeutungsweise<br />

aufgegriffen, wenn er in § 34 ZPO den Gerichtsstand<br />

des Hauptprozesses einführt und für das Kostenfestsetzungsverfahren<br />

in § 19 BRAGO am Gericht des ersten Rechtszuges<br />

anknüpft. Auf der Seite des Rechtsanwaltes stehen zudem<br />

schutzwürdige Belange. Liegt der Gerichtsstand für<br />

Honorarklagen stets am Wohnsitz des Mandanten, wäre<br />

selbst bei gegebener Postulationsfähigkeit eine zeitaufwendige<br />

An- und Abreise des Rechtsanwaltes erforderlich. Bei<br />

großen Honorarforderungen, die in den sachlichen Zuständigkeitsbereich<br />

der Landgerichte fallen, müßte sich der<br />

Rechtsanwalt sogar eines in dem betreffenden Bezirk zugelassenen<br />

Rechtsanwaltes bedienen.<br />

3. Folgerungen für die Bestimmung des Erfüllungsortes<br />

Den widerstreitenden Interessen – Schutz des Mandanten<br />

einerseits und Interesse des Rechtsanwaltes auf der anderen<br />

Seite – wird nur die differenzierende Betrachtung<br />

eines jeden Einzelfalles gerecht.<br />

a) Regelfall<br />

Im Regelfall eines Anwaltsvertrages wird der Mandant<br />

einen Rechtsanwalt in seinem Büro aufsuchen. Hier wird<br />

der Rechtsanwalt nach Abschluß des Anwaltsvertrages<br />

auch tätig. Der Schwerpunkt des gesamten Vertrages liegt<br />

in diesem Fall eindeutig am Kanzleisitz. Der Kanzleisitz<br />

als Leistungsort i. S. d. § 269 Abs. 1 BGB ergibt sich aus<br />

den umschriebenen besonderen Umständen des Anwaltsvertrages,<br />

also aus der Natur des Schuldverhältnisses „Anwaltsvertrag“.<br />

Der prägende Einfluß der Honorarzahlung<br />

tritt demgegenüber in den Hintergrund. Der Ort, an dem<br />

diese Verpflichtung erfüllt wird, ist in den Zeiten des bargeldlosen<br />

Zahlungsverkehrs und des home-banking nahezu<br />

beliebig variabel. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang,<br />

daß der Mandant typischerweise weder das Honorar<br />

noch einen Vorschuß in der Kanzlei in bar entrichtet,<br />

ein Umstand, auf den die Gegenansicht zu Unrecht abstellt.<br />

Für die Bestimmung eines einheitlichen Erfüllungsortes<br />

geht es ausschließlich um den dominierenden Charakter einer<br />

Leistungspflicht. Wie bereits ausgeführt wird sich der<br />

Mandant regelmäßig an einen Rechtsanwalt wenden, in<br />

dessen Einzugsbereich er auch wohnt. Wählt der Mandant<br />

aufgrund besonderer Empfehlung oder aufgrund von gewünschten<br />

Spezialkenntnissen einen Rechtsanwalt in einem<br />

anderen Bezirk aus, so erklärt er sich erkennbar bereit, diesen<br />

ortsfremden Schwerpunkt des Anwaltsvertrages zu akzeptieren.<br />

Die freie und durch Eigeninteressen bestimmte<br />

Wahl des Mandanten rechtfertigt es, den Ort des Kanzleisitzes<br />

als beiderseitigen Erfüllungsort anzusehen. Für den Regelfall<br />

des Anwaltsvertrages ist deshalb im Ergebnis mit<br />

der obergerichtlichen Rechtsprechung die örtliche Zuständigkeit<br />

des Gerichtes am Kanzleisitz des tätig gewordenen<br />

Rechtsanwaltes sowohl für Klagen gegen den Rechtsanwalt<br />

als auch für Klagen gegen den Mandanten nach § 29 Abs.<br />

1 ZPO zu bejahen.<br />

b) Ausnahmefälle<br />

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des<br />

BGH schließt nicht aus, daß in besonderen Fällen des Anwaltsvertrages<br />

Erfüllungsort und Kanzleisitz gleichwohl<br />

auseinanderfallen können. In Fallgestaltungen, in denen<br />

Vertragsschluß und Vertragserfüllung ihren Schwerpunkt<br />

gerade nicht in der Kanzlei des Rechtsanwaltes haben,<br />

kann es interessengerecht sein, den Wohnsitz des Beklagten<br />

als Erfüllungsort i. S. d. § 29 Abs. 1 ZPO für die streitige<br />

Honorarverpflichtung anzusehen. Der Kanzleisitz des<br />

Rechtsanwaltes kann namentlich dann nicht als beidseitiger<br />

Erfüllungsort angesehen werden, wenn:<br />

– ein Rechtsanwalt oder Steuerberater seine Tätigkeit im<br />

Hause des Mandanten, sei es an dessen Privatwohnsitz oder<br />

an dessen Geschäftssitz, erbracht hat. War es dem Rechtsanwalt<br />

nach seiner eigenen Einschätzung zumutbar, für seine<br />

Beratungsleistung an den Wohnsitz des Mandanten zu reisen,<br />

so muß er sich an dieser Einschätzung auch bei der Bestimmung<br />

des Leistungs- und Erfüllungsortes festhalten lassen.<br />

– der Rechtsanwalt das Mandat selbst außerhalb des<br />

Kanzleisitzes akquiriert hat, z. B. im Anschluß an einen<br />

Vortrag des Rechtsanwaltes.<br />

– die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ganz überwiegend<br />

nur außerhalb der Kanzlei an einem durch die Vertragsumstände<br />

bedingten Ort erbracht werden kann. Beispiele bilden<br />

die Teilnahme an auswärtigen Beratungen und die<br />

Tätigkeit von Strafverteidigern, die ihre Mandanten vor<br />

auswärtigen Gerichten vertreten und ihre wesentliche Leistung<br />

vor Gericht während der Hauptverhandlung oder in<br />

einer Justizvollzugsanstalt erbringen. Von einem atypischen<br />

Leistungsort ist insbesondere dann auszugehen, wenn der<br />

Anwalt innerhalb einer Justizvollzugsanstalt auf sich aufmerksam<br />

macht, indem er etwa Visitenkarten durch Kontaktpersonen<br />

(Vollzugsbeamte, Häftlinge) verteilen läßt.<br />

Betont sei, daß es sich bei diesen Fällen um Ausnahmefälle<br />

handelt. Mit der Ausweitung der anwaltlichen Werbemöglichkeiten<br />

durch § 43b BRAO und die Bestimmungen der<br />

Berufsordnung wird die Bedeutung solcher Ausnahmekonstellationen<br />

aber wachsen.<br />

IV. Ergebnisse<br />

1. Bei der Bestimmung des Erfüllungsortes für die Verpflichtungen<br />

aus einem Anwaltsvertrag ist aufgrund der<br />

Vielgestaltigkeit anwaltlicher Tätigkeitsformen eine differenzierende<br />

Betrachtungsweise geboten.<br />

2. Für den Regelfall des Anwaltsvertrages steht allein<br />

die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes am Kanz-


188<br />

l<br />

leisitz in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Wertung<br />

und den beiderseitigen Parteiinteressen.<br />

3. In atypischen Konstellationen, in denen der Kanzleisitz<br />

nur von untergeordneter Bedeutung für die anwaltliche<br />

Vertragserfüllung ist, kann die prägende Wirkung dieses<br />

Ortes zurücktreten, so daß neben dem Gerichtsstand des<br />

§ 34 ZPO nur das Gericht am Wohnsitz des Mandanten für<br />

eine Honorarklage in Betracht kommt. Der Gerichtsstand<br />

des Erfüllungsortes gem. § 29 Abs. 1 ZPO entspricht in<br />

diesen Fällen demjenigen gem. § 12 ZPO.<br />

Gerichtskostennachforderungen<br />

im Mahnverfahren<br />

– Irritationen zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994?<br />

Rechtsanwältin Elke Hambrecht, Würzburg<br />

Beginnend ab Herbst 1996 wurde die Anwaltschaft bundesweit<br />

mit Gerichtskostenforderungen zu folgendem Sachverhalt<br />

konfrontiert:<br />

I. Sachverhalt:<br />

Der Antragsteller beantragt Mahnbescheid, zahlt 0,5<br />

Gerichtsgebühren für den Mahnbescheid ein und kreuzt<br />

gleichzeitig das Kästchen „im Falle des Widerspruchs beantrage<br />

ich die Durchführung des streitigen Verfahrens“ an.<br />

Der Antragsgegner legt Widerspruch ein, zahlt aber gleichzeitig<br />

die Mahnbescheidssumme vollständig. Der Antragsteller<br />

zahlt den mit der Widerspruchsnachricht angeforderten<br />

weiteren Gerichtskostenvorschuß für die Durchführung<br />

des streitigen Verfahrens und Abgabe des Verfahrens an<br />

das Prozeßgericht von 2,5 Gerichtsgebühren nicht ein und<br />

betreibt das Mahnverfahren nicht weiter.<br />

II. Begründung der Gerichtskostennachforderung:<br />

Rückwirkend ab dem 1.1.1995 gelte für Sachverhalte der<br />

vorbeschriebenen Art infolge des Kostenrechtsänderungsgesetzes<br />

1994 1 das Folgende:<br />

Eigentlich habe das streitige Verfahren bereits mit dem<br />

Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens begonnen<br />

(§ 61 GKG), welcher mit dem Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung<br />

unbedingt und wirksam geworden sei. 2<br />

Mit Widerspruchseinlegung seien hiernach 3,0 Gerichtsgebühren<br />

für das streitige Verfahren (GKG KV Nr. 1201) angefallen,<br />

worauf die gerichtete 0,5 Gerichtsgebühr für das<br />

Mahnverfahren (GKG KV Nr. 1100) angerechnet werde,<br />

weshalb noch 2,5 Gerichtsgebühren blieben. Das Nichtweiterbetreiben<br />

des Mahnverfahrens sei der Rücknahme des<br />

Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens gemäß<br />

§ 32 IV Kostenverfügung 3 gleichzusetzen, wodurch Gebührenermäßigung<br />

in Höhe von 2,0 Gerichtsgebühren (GKG<br />

KV Nr. 1202) eintrete, so daß noch verbliebene 0,5 Gerichtsgebühren<br />

nachzuzahlen seien. 4<br />

III. Bisherige Rechtsprechung:<br />

Bestätigt wurde die unter II. dargestellte Kostenfolge<br />

durch das LG Nürnberg-Fürth, 5 durch das OLG Düsseldorf 6<br />

und durch das LG Osnabrück. 7 Abgelehnt wurden die<br />

Rechtsansicht zur Kostenfolge vom LG Würzburg. 8<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

IV. Kritik an der bestätigenden Rechtsprechung:<br />

Bei dem Mahnverfahren gemäß § 688 ff. ZPO handelt<br />

es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und<br />

einhelligen Literaturmeinung um eine besondere Verfahrensart,<br />

welche mit dem erstinstanzlichen Prozeßverfahren<br />

nicht vergleichbar ist. 9<br />

Schnittstelle zwischen dem Mahnverfahren mit 0,5 Gerichtsgebühren<br />

(GKG KV Nr. 1100) und im Prozeßverfahren<br />

mit 3,0 Gerichtsgebühren (GKG KV Nr. 1201 f.) ist der<br />

Zeitpunkt, in welchem das Mahnverfahren zum Prozeßverfahren<br />

wird. Diesen Zeitpunkt hat der Gesetzgeber in § 696<br />

I 4 ZPO dahingehend konkretisiert, daß der Rechtsstreit in<br />

dem Zeitpunkt als bei dem Prozeßgericht anhängig gilt, in<br />

dem die Akten bei diesem eingehen. Bevor der Rechtsstreit<br />

nicht bei dem Prozeßgericht anhängig ist, hat ein Prozeßverfahren<br />

mithin nicht begonnen. Bevor nicht sein Prozeßverfahren<br />

begonnen hat, können hiernach nicht die Gebühren<br />

für ein Prozeßverfahren im allgemeinen, wie in GKG<br />

KV Nr. 1201 geregelt, angefallen sein. Sind bereits die 3,0<br />

Gerichtsgebühren für das Verfahren im allgemeinen deshalb<br />

nicht angefallen, weil ein Prozeßverfahren nie begonnen<br />

hat, so kommt es auf die weiter Frage, ob sich diese<br />

Gebühren durch nachfolgende Ereignisse ermäßigt haben,<br />

gemäß GKG KV Nr. 1202, nicht an.<br />

Hieran hat sich auch durch das Kostenrechtsänderungsgesetz<br />

1994 nichts geändert. Insbesondere wurde mit diesem<br />

kein kostenrechtlich vorgezogener Beginn des Prozeßverfahrens<br />

konstatiert.<br />

1.) Übersehen wird bei der unter II. dargestellten Ansicht<br />

zunächst, daß der Antrag auf Durchführung des streitigen<br />

Verfahrens nicht wirksam gestellt ist. Er ist zum Zeitpunkt<br />

der Verfahrenseinleitung – zugleich mit dem<br />

Mahnantrag – unter die aufschiebende Bedingung der Einlegung<br />

des Widerspruchs gestellt. Bedingte verfahrenseinleitende<br />

Prozeßhandlungen sind unwirksam und können<br />

auch nicht von innerprozessualen Bedingungen abhängig<br />

gemacht werden, da ein Prozeßrechtsverhältnis zum Zeitpunkt<br />

der Anbringung des Antrags noch nicht besteht. 10<br />

Die Unwirksamkeit der unzulässig bedingten Prozeßhandlung<br />

bleibt auch bestehen, ohne daß rückwirkende Heilung<br />

eintreten kann. 11 Unwirksame – weil bedingte – Prozeßhandlungen<br />

bleiben für das Verfahren „ohne Bedeutung“. 12<br />

Unzutreffend ist hiernach die Ansicht, daß der bedingte<br />

Antrag auf Durchführung de streitigen Verfahrens mit Widerspruchseinlegung<br />

unbedingt und wirksam gestellt sei<br />

1 Kostenrechtsänderungsgesetz vom 24.6.1994, BGBl I 1325, ber. 2591 u. 3471.<br />

2 Markl/Meyer, GKG KV Nr. 1202, Rdnr. 4; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG,<br />

GKG KV Nr. 1201, Rdnr. 3; Hartmann, Kostengesetz, 27. Aufl., GKG, GKG<br />

KV NR. 1201, Rdnr. 5.<br />

3 Kostenverfügung vom 1.3.1976, abgedruckt bei Hartmann, Kostengesetz,<br />

VII A.<br />

4 Mümmler, Gebühren beim Übergang vom Mahn- zum Streitverfahren, JurBüro<br />

1996, 296.<br />

5 LG Nürnberg-Fürth, Beschluß vom 26.9.1996, Az.: 11 T 7874/96, JurBüro 1997,<br />

144.<br />

6 OLG Düsseldorf, Beschluß vom 25.6.1996, Az.: 10 W 50/96, JurBüro 1997,<br />

145.<br />

7 LG Osnabrück, Beschluß vom 14.9.1995, Az.: 9 T 107/95, Nds. Rpfl. 1995, 393.<br />

8 LG Würzburg, Beschluß vom 18.4.1997, Az.: 3 T 647/97; bislang nicht veröffentlicht.<br />

9 BGHZ 103, 27 = NJW 1988, 1980, (1981); BGH, NJW-RR 1995, 1335 (1356).<br />

10 RGZ 144, 73; BGH, NJW-RR 1990, 68; OLG Zweibrücken, FamRZ 1982,<br />

1094; Stein/Jonas/Leipold, ZPO-Kommentar, 21. Aufl., 1994, vor § 128 ZPO,<br />

Rdnr. 208, 209, 212; Zöller, ZPO-Kommentar, 20. Aufl., vor § 128 ZPO, Rdnr.<br />

20; Thomas/Putzo, ZPO-Kommentar, 19. Aufl., 1995, Einl. III, Rdnr. 14;<br />

Münchner Kommentar zur ZPO, 21. Aufl., 1994, Einl. Rdnr. 275; Baumbach/<br />

Lauterbach, ZPO-Kommentar, 53. Aufl., 1995 Grundz. § 128 ZPO, Rdnr. 54.<br />

11 Stein/Jonas aaO, Rdnr. 218; Thomas/Putzo, aaO, Rdnr. 17; Baumbach/Lauterbach<br />

aaO, Rdnr. 55 a. E.<br />

12 BGH, NJW-RR 1990, 68.


AnwBl 4/99 189<br />

Aufsätze l<br />

und deshalb Gebührenfälligkeit für das streitige Verfahren<br />

gemäß § 61 1. Hs. GKG ausgelöst habe. Richtig ist vielmehr,<br />

daß der anfänglichbedingte verfahrenseinleitende Antrag<br />

auf Durchführung des streitigen Verfahrens unwirksam<br />

war, nicht nachträglich geheilt wurde und dieser infolge gemäß<br />

§ 61 1. Hs. GKG auslösen konnte.<br />

2.) Der mit dem Mahnantrag angebrachte Antrag auf Durchführung<br />

des streitigen Verfahrens wurde mit Widerspruchseinlegung<br />

im übrigen auch insoweit nicht unbedingt wirksam, als er<br />

unter der zusätzlichen Bedingung der Nichtzahlung der Mahnbescheidssumme<br />

durch den Antragsgegner gestellt war. Bei der<br />

Auslegung verfahrenseinleitender Anträge ist zugunsten der<br />

Prozeßpartei stets davon auszugehen „...daß sie im Zweifel mit<br />

ihrer Prozeßhandlung das bezweckt, was nach Maßstäben der<br />

Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage<br />

entspricht.“ 13 An der Durchführung des streitigen Verfahrens<br />

hat der Antragsteller dann, wenn der Antragsgegner<br />

trotz Widerspruchseinlegung die Mahnbescheidssumme vollständig<br />

zahlt, keinerlei wirtschaftliches Interesse. Die Durchführung<br />

des streitigen Verfahrens ist alsdann auch nicht nach der<br />

Rechtsordnung vernünftig, da dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis<br />

für seinen Hauptsacheantrag entfallen ist. Der<br />

zugleich mit dem Mahnantrag angebrachte Antrag auf Durchführung<br />

des streitigen Verfahrens ist hiernach nur unter der zusätzlichen<br />

Bedingung der Nichtzahlung der Mahnbescheidssumme<br />

durch den Antragsgegner vernünftig und verständlich und so<br />

zusätzlich bedingt zu verstehen. Auch insoweit liegt deshalb mit<br />

Widerspruchseinlegung kein unbedingter Antrag auf Durchführung<br />

des streitigen Verfahrens vor, welcher Gebührenfälligkeit<br />

nach § 61 1. Hs. GKG hätte auslösen können.<br />

3.) Verkannt wird weiterhin, daß § 61 2. Hs. GKG als speziellere<br />

Regelung dem § 61 1. Hs. GKG vorgeht. § 61 2. Hs.<br />

GKG sieht vor: „... soweit die Gebühr eine Entscheidung oder<br />

sonstige gerichtliche Handlung voraussetzt, wird sie mit dieser<br />

fällig.“ Zivilprozessual beginnt das Prozeßverfahren erster Instanz<br />

gemäß § 696 I 4 ZPO mit Eingang der Akten bei dem<br />

Streitgericht. Dazu ist vorher die „gerichtliche Handlung“ der<br />

Abgabe der Akten durch das Mahngericht an das Streitgericht<br />

erforderlich. Diese „gerichtliche Handlung“ der Abgabe löst<br />

gemäß § 61 2. Hs. GKG die Gebühren für das Prozeßverfahren<br />

im allgemeinen aus. Hiernach kommt die Konstruktion<br />

des kostenrechtlich vorgezogenen Beginns des Prozeßverfahrens<br />

nur durch die fehlerhafte Anwendung von § 61 1. Hs.<br />

GKG zustande. Bei zutreffender Anwendung der spezielleren<br />

Regelung des § 61. 2. Hs. GKG lassen sich demgegenüber<br />

problemlos zivilrechtlicher und kostenrechtlicher Beginn des<br />

Streitverfahrens in Einklang bringen.<br />

4.) Des weiteren kann § 61 GKG zur Rechtfertigung<br />

eines Gebührenansatzes überhaupt nicht herangezogen werden,<br />

da dieser ausweislich der gesetzlichen Bezeichnung nur<br />

Fälligkeitsbestimmung ist. Die endgültige Gebührenhöhe<br />

richtet sich ausschließlich nach § 11 I GKG, welcher wiederum<br />

ausschließlich auf das Kostenverzeichnis gemäß Anlage<br />

1 zum GKG verweist. 14 Ist hiernach im Kostenverzeichnis<br />

zum GKG (GKG KV) ein Gebührentatbestand nicht geregelt,<br />

so werden hierfür Kosten nicht erhoben (§ 11 I GKG). Im<br />

GKG KV hat der Gesetzgeber unter der Rubrik „I. Mahnverfahren“<br />

die Gebühren, welche im Mahnverfahren anfallen<br />

können, mit 0,5 Gerichtsgebühren in GKG KV Nr. 1100 abschließend<br />

geregelt. Unter der weiteren Rubrik „II. Prozeßverfahren“<br />

ist im GKG KV dann geregelt, welche Gebühren<br />

ab Beginn des Prozeßverfahrens erhoben werden. Mehr als<br />

0,5 Gerichtsgebühren nach GKG KV Nr. 1100 können im<br />

Mahnverfahren demgemäß nicht anfallen.<br />

5.) Auch aus dem Gebührenermäßigungstatbestand von<br />

GKG KV Nr. 1202 – hier: Zurücknahme des Antrags auf<br />

Durchführung des streitigen Verfahrens – ergibt sich nichts<br />

anderes. Als Gebührenermäßigungstatbestand ist die<br />

genannte Kostenstelle zunächst nicht geeignet, umgekehrt<br />

den Gebührenanfall zu rechtfertigen. Nach der Stellung im<br />

Gliederungssystem des GKG KV steht der genannte<br />

Gebührenermäßigungstatbestand weiterhin unter der Rubrik<br />

„II. Prozeßverfahren“ und setzt ein Solches voraus. Ist ein<br />

Prozeßverfahren begonnen, so hat sich das Streitgericht inhaltlich<br />

mit der Sache befaßt, was ausweislich der Gesetzesbegründung<br />

zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 der<br />

Grund dafür ist, daß die Gebühren des Prozeßverfahrens<br />

nicht vollständig entfallen, sondern sich lediglich ermäßigen.<br />

15 Ein Prozeßverfahren ist in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation<br />

aber noch nicht begonnen. Das Mahngericht<br />

befaßt sich mit dem Streitstoff nicht. Mangels<br />

Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht, sei es auch nur<br />

weil die angeforderte Gebühr (§ 65 I 2 GKG) nicht eingeht,<br />

ist das Mahnverfahrens als besondere Prozeßart vielmehr<br />

nicht beendet, sondern ist lediglich Stillstand des Mahnverfahrens<br />

eingetreten. 16 Stillstand des Mahnverfahrens laut<br />

BGH und nicht Stillstand des Prozeßverfahrens. Die Abgrenzung<br />

zwischen dem Mahnverfahrens als besondere Verfahrensart<br />

und dem Prozeßverfahren erster Instanz hat der<br />

Gesetzgeber im GKG KV auch in Übereinstimmung mit der<br />

zivilprozessualen Abgrenzung vorgenommen. Ausweislich<br />

der Gesetzesbegründung sollte durch das Kostenrechtsänderungsgesetz<br />

1994 ausschließlich die Kostenstruktur für das<br />

Prozeßverfahren erster Instanz und erstinstanzliche Verfahren<br />

über Anträge gemäß §§ 916 ff. ZPO geändert werden,<br />

während die übrigen Verfahrensarten ausdrücklich in der<br />

Kostenstruktur unverändert bleiben sollten. 17<br />

Der Gebührenermäßigungstatbestand des GKG KV<br />

Nr. 1202 gilt hiernach nur ab zivilprozessual begonnenen<br />

Prozeßverfahren. Eine zusätzliche 0,5 „Mahnverfahrensstillstandgebühr“<br />

wollte und hat der Gesetzgeber mit dem<br />

Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 nicht geschaffen.<br />

6.) Soweit über § 32 IV Kostenverfügung – eine pure<br />

Verwaltungsvorschrift – das Nichtweiterbetreiben des Mahnverfahrens<br />

der Zurücknahme des Antrags auf Durchführung<br />

des Streitigen Verfahrens gleichgesetzt wird, ist dies weiterhin<br />

unzulässig. Als Prozeßhandlung müßte die Zurücknahme<br />

des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens ausdrücklich<br />

erklärt werden und kann nicht durch Schweige fingiert<br />

werden. Solange der Antragsteller im Mahnverfahren<br />

schweigt, wäre außerdem zu seinen Gunsten zu berücksichtigen,<br />

daß er noch zwei Prozeßhandlungen vornehmen kann,<br />

welche beide im anhängigen Mahnverfahren keinen weiteren<br />

Gerichtskostenanfall auslösen. 1.) Er kann den Mahnantrag<br />

bis zur Abgabe in das streitige Verfahren zurücknehmen. 18<br />

13 BGH, NJW-RR 1995, 1183.<br />

14 Der Fälligkeitsbestimmung des § 61 GKG ist im übrigen eigentümlich, daß<br />

höhere Gebühren fällig werden können, als nach § 11 I GKG letztlich geschuldet<br />

sind, so z. B. bei Anbringung von Scheidungsantrag, mit welchem gemäß<br />

GKG KV Nr. 1510, 1,0 Gerichtsgebühren fällig werden, welche bei Antragsrücknahme<br />

gemäß GKG KV Nr. 1510 aber wieder völlig entfallen.<br />

15 BT-Drucks. 12/6962, Seite 69.<br />

16 BGH, NJW-RR 1992, 1021 (1022); BGHZ 103, 20 (27) = NJW 1988, 1980 =<br />

LM § 270 ZPO Nr. 10.<br />

17 BT-Drucks. 12/6962, Seiten 52 u. 68; und Antwort der Bundesregierung vom<br />

15.8.1994 auf die parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Löwisch, BT-<br />

Drucks. 12/8387, SS. 10 u. 11.<br />

18 Die Zurücknahme des Mahnantrags steht der Zurücknahme des Antrags auf<br />

Durchführung des streitigen Verfahrens nicht gleich. Vgl. Zöller, ZPO-Kommentar,<br />

20. Aufl., § 690 ZPO, Rdnr. 24; Zöller aaO § 696 ZPO, Rdnr. 2 ZPO;<br />

OLG Stuttgart, MDR 90, 557.


190<br />

l<br />

2.) Er kann den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />

als Erwirkungshandlung bis die zu erwirkende<br />

Handlung der „Abgabe an das Streitgericht“ vorgenommen<br />

wurde, gleichfalls noch widerrufen. 19<br />

7.) Bleibt noch der Blick auf die wirtschaftliche Seite<br />

der Gerichtskostennachforderungen, da das Kostenrechtsänderungsgesetz<br />

1994 geschaffen wurde, um den Zuschußbedarf<br />

für die Justiztätigkeit zurückzuführen. 20<br />

Nimmt das Mahngericht im Mahnverfahren den – unwirksamen<br />

– Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />

lediglich zur Kenntnis und benachrichtigt es den Antragsteller<br />

von der Widerspruchseinlegung, so entsteht<br />

hierdurch im Mahnverfahren keinerlei gesonderter Arbeitsaufwand.<br />

Zahlt der Antragsteller die Gerichtskostennachforderung<br />

über weitere 0,5 Gerichtsgebühren, so muß er zur Durchsetzung<br />

seines diesbezüglichen Erstattungsanspruchs bei dem Antragsgegner<br />

die Gerichte mit folgendem Arbeitsanfall befassen.<br />

Zunächst müßten 2,5 Gerichtsgebühren eingezahlt werden,<br />

um die Abgabe an das Prozeßgericht zu veranlassen,<br />

wozu entsprechende gerichtliche Verfügungen erlassen werden<br />

müssen und die Akte im Postversand an das meist auswärtige<br />

Prozeßgericht geschickt werden muß. Alsdann muß<br />

der Antragsteller den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt<br />

erklären und zur Begründung des Kostenantrags Verzug<br />

und dergleichen darlegen. Alsdann muß der Richter des<br />

Streitgerichts sich mit dem Sachverhalt befassen, an die Gegenseite<br />

Stellungnahmefristen verfügen und alsdann nach<br />

Wiedervorlage der Akten – gegebenenfalls nach mündlicher<br />

Verhandlung – einen Beschluß über die Kosten des Rechtsstreits<br />

nach Erledigterklärung veranlassen. Alsdann ist antragstellerseits<br />

Kostenfestsetzungsantrag zu stellen, in welchem<br />

insbesondere auch die fehlende 0,5 Gerichtsgebühr zu<br />

erfassen ist. Hiermit muß sich dann schließlich noch ein Kostenbeamter<br />

befassen, den Kostenfestsetzungsbeschluß erlassen,<br />

an die Gegenseite zur Zustellung herausgeben, die Zustellung<br />

beschleunigen und dergleichen.<br />

In der Summe wird also Arbeitsanfall der Justiz erstmalig<br />

dann verursacht, wenn man der Ansicht der Kostenrevision,<br />

wie unter II. dargestellt, folgt. Dies widerspricht der<br />

Gesetzgeberischen Absicht der Entlastung der Gerichte 21<br />

mit dem Erlaß des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994.<br />

V. Ergebnis:<br />

Für die Gerichtskostennachforderung in dem in Stillstand<br />

geratenen Mahnverfahren besteht keine Rechtsgrundlage.<br />

Der Gesetzgeber hat mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz<br />

1994 die Gebühren für das Mahnverfahren mit 0,5<br />

Gerichtsgebühren abschließend geregelt und die Schnittstelle<br />

zwischen Mahnverfahren, als besonderer Verfahrensart,<br />

und Prozeßverfahren erster Instanz in Übereinstimmung<br />

mit § 696 I 4 ZPO beinhalten. Für die Theorie des<br />

kostenrechtlich vorgezogenen Beginns des Prozeßverfahrens<br />

erster Instanz ergibt sich keinerlei Anhalt. Die entstandenen<br />

Irritationen beruhen primär auf der mangelnden Anwendung<br />

von § 61 2. hs. GKG, welcher zum Einklang von<br />

kostenrechtlichem und zivilprozessualem Prozeßverfahrens<br />

führt, und weiterhin der Nichtberücksichtigung der Unwirksamkeit<br />

von bedingten verfahrenseinleitenden Prozeßhandlungen.<br />

19 Münchener Kommentar zur ZPO, Einl. Rdnr. 266, 277, m. w. N.<br />

20 BT-Drucks. 12/6962, Seite 1.<br />

21 BT-Drucks. 12/6962, Seite 2.<br />

Wie verdient der Anwalt<br />

im sozialhilferechtlichen<br />

Mandat sein Geld?<br />

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rüdiger Zuck, Stuttgart *<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

I. Dem Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft verantwortungsbewußt<br />

und anteilnehmend zu helfen, ist keine einfache<br />

Aufgabe. Das Sozialrecht ist weder eine gängige noch eine<br />

griffbereite Materie. Es gibt viele Schnittstellen zum Verwaltungsrecht,<br />

Arbeitsrecht und Zivilrecht. Das gilt auch für das<br />

Recht der Sozialhilfe. Aber gerade deshalb, weil qualifizierte<br />

juristische Arbeit hohe Anforderungen an Beratung und Vertretung<br />

der Hilfsbedürftigen stellt, darf sich der Anwalt dieser<br />

Aufgabe nicht entziehen, will er den Erwartungen gerecht<br />

werden, die die programmatischen Vorgaben des § 3 BRAO<br />

erwecken, er sei der berufene unabhängige Berater und Vertreter<br />

des Bürgers und der Bürgerin in allen Rechtsangelegenheiten.<br />

Der gelegentlich erhobene Einwand, der Anwalt sei<br />

zur sozialrechtlichen, insbesondere aber zur sozialhilferechtlichen<br />

Beratung gar nicht geeignet, weil diese mehr verlange<br />

als nur Rechtsberatung, ist sicher ernstzunehmen. Der Einwand<br />

ist aber nicht stichhaltig. Es ist wohl richtig, daß der<br />

Hilfsbedürftige zumeist in einer Situation ist, deren Bewältigung<br />

mehr erfordert als Rechtsrat oder -vertretung. Das gilt<br />

aber für andere Rechtsangelegenheit, etwa im Zusammenhang<br />

mit einer Scheidung, einem Verkehrsunfall oder einem Bauvorhaben,<br />

genauso. Will man das Problem, so wie es sich<br />

wirklich stellt, zufriedenstellend lösen, braucht man in vielen<br />

Fällen noch andere Fachleute, also z. B. den Sozialarbeiter,<br />

den Seelsorger, Ärzte oder Sachverständige. Gute Beratung erfordert<br />

deshalb häufig Gesamtrat. Der Rechtsrat ist, wie der<br />

Rat der anderen Fachleute auch, nur eine, freilich wichtige<br />

Seite der Beratung, und er ist es auch dann, wenn der Hilfsbedürftige<br />

glaubt, der Rechtsrat genüge. Der „Glaube“ des<br />

Hilfsbedürftigen verweist im übrigen auf den wichtigsten Teil<br />

des Gesamtrats, die Mitwirkungsfähigkeit und -bereitschaft<br />

des Hilfsbedürftigen selbst, um zu einer angemessenen Lösung<br />

seiner Probleme zu kommen. Dieser idealtypischen Notwendigkeit<br />

muß man eingedenk bleiben. Sie ändert aber<br />

nichts daran, daß auch die Beratung inzwischen segmentiert<br />

ist, was die Rechtsberatung angeht, auch mit Recht.<br />

Nun ist der Anwalt ein Dienstleistungsunternehmer,<br />

keine Sozialstation. Er muß von seiner beruflichen Tätig-<br />

* Diesem Text liegt ein (Kurz-)Vortrag zugrunde, den ich im Rahmen einer Fachveranstaltung<br />

für Rechtsanwälte über „Das sozialhilferechtliche Mandat“ im<br />

Auftrag der Arbeitsgruppe „Bundessozialhilfegesetz“ der Liga der freien Wohlfahrtspflege<br />

in Baden-Württemberg am 22.10.1998 in Stuttgart gehalten habe.<br />

Die Veranstaltung war von den vier Rechtsanwaltskammern in Baden-Württemberg<br />

unterstützt worden. Der Text ist in FuR 1/99 veröffentlicht.


AnwBl 4/99 191<br />

Aufsätze l<br />

keit leben können und er tut das ohne Absicherung durch<br />

Dritte. Der Anwalt ist also gezwungen, bei seiner Tätigkeit<br />

Kosten-Nutzen-Erwägungen anzustellen. Das Sozialrecht in<br />

seiner Gesamtheit erleichtert ihm unter dieser Prämisse den<br />

Einstieg in die Materie nicht. Das sozialrechtliche Mandat<br />

wird im wesentlichen durch die Vorgaben des § 116<br />

BRAGO bestimmt. § 116 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO führt für<br />

das Verfahren vor dem Sozialgericht nur zu einem Mittelwert<br />

von DM 700,00. Das wird dem anwaltlichen Aufwand<br />

sicher nicht gerecht. Die Anwaltschaft hatte deshalb versucht,<br />

§ 116 BRAGO vor dem BVerfG als unangemessene<br />

Lösung verfassungsrechtlich anzugreifen. Sie ist damit aber<br />

im Ergebnis gescheitert.<br />

Hinzu kommt, daß der Anwalt im Sozialrecht aus zwei<br />

Gründen mehr arbeiten muß, ihm also professionelle Tätigkeit<br />

besonders schwer gemacht wird. Zum einen erfährt er<br />

im Studium und in seiner Referendarzeit zum Sozialrecht<br />

wenig. Und zum anderen handelt es sich um einen Bereich,<br />

der sich rechtlich ständig wandelt. Denn da die Sozialstaatsprogrammatik<br />

des Art. 20 GG notwendigerweise der<br />

Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf, ist ständiger<br />

Wandel der gesetzlichen Grundlagen schon vom System<br />

her vorgegeben. Dies dokumentieren z. B. die Einführung<br />

eines ganz neuen Teilbereichs der Sozialversicherung, nämlich<br />

der Pflegeversicherung des SGB XI, die ständigen Änderungen<br />

des Rechts der Krankenversicherung im SGB V,<br />

aber auch die andauernde Umstrukturierung des BSHG in<br />

eindrucksvoller Weise. So mühsam danach der Einstieg und<br />

die dauerhafte Beschäftigung des Rechtsanwalts mit dem<br />

Sozialrecht auch ist: es handelt sich um eine rechtlich reizvolle,<br />

zukunftsträchtige und auch wirtschaftlich auskömmliche<br />

Tätigkeit. Sie ist rechtlich reizvoll, weil die schon<br />

erwähnte Schnittstellenproblematik zu ständig neuen rechtlichen<br />

Lösungen zwingt. Sie ist zukunftsträchtig: Der aus<br />

gesellschaftspolitischen, demographischen und vor allem<br />

aus finanziellen Gründen ständig steigende Anpassungsbedarf<br />

in unseren sozialen Systemen hat immer eine rechtliche<br />

Seite, weil es in einem Rechtsstaat westlicher Prägung<br />

keine rechtsfreien Räume geben kann. Die mit dieser Anpassung<br />

einhergehenden Umverteilungsprobleme führen<br />

zwingend zu Angriffs- und Verteidigungspositionen der Betroffenen,<br />

und damit zur Notwendigkeit anwaltlicher Beratung<br />

und Vertretung. Was im Arbeitsrecht schon vorgezeichnet<br />

ist und sich dort deutlich fortentwickelt, wird sich<br />

in noch stärkerem Maße im Sozialrecht zeigen, daß wir<br />

nämlich mehr und mehr auf dem Weg von einer Konsensgesellschaft<br />

in eine Konfliktgesellschaft sind. In einem<br />

Rechtsstaat müssen aber Konflikte letzten Endes mit den<br />

Mitteln des Rechts ausgetragen werden. Der damit verbundene<br />

„Kampf ums Recht“ ist die zentrale Aufgabe des<br />

Rechtsanwalts/der Rechtsanwältin. Das Sozialhilferecht ist,<br />

wie schon erwähnt, ein Ort rechtlicher Schnittstellen. Es ist<br />

aber auch eine (Um-)Baustelle für ständige Anpassungsvorgänge.<br />

Das BSHG ist deshalb ein geeignetes Feld, um die<br />

hier in Rede stehenden finanziellen Möglichkeiten anwaltlicher<br />

Tätigkeit an einem Beispiel aufzuzeigen.<br />

II. Finanzielle Möglichkeiten lassen sich nicht ohne<br />

einen Blick auf den Angebotsmarkt beurteilen. Wie in den<br />

meisten anderen Rechtsgebieten auch hat der Anwalt kein<br />

Beratungsmonopol. Das trifft auch für das Sozialhilferecht<br />

zu. Primärer Ansprechpartner des Hilfsbedürftigen sind<br />

nämlich die Behörden der Sozialhilfeträger selbst. § 14 Abs.<br />

1 SGB I ganz generell und § 8 Abs. 2 BSHG im besonderen<br />

verpflichtigen die zuständigen Behörden zur Beratung auch<br />

in Rechtsfragen, soweit es sich um ihren Zuständigkeitsbe-<br />

reich handelt. Mit dem Rechtsberatungsgesetz ist das vereinbar.<br />

Die Behörden dürfen darüber hinaus auch in anderen sozialrechtlichen<br />

Fragen, also außerhalb des Sozialhilferechts<br />

beraten. Da sie im Bereich ihrer Pflichtberatung einen gesetzlichen<br />

Auftrag haben, dürfen sie sich dieser Beratungspflicht,<br />

die für den Hilfsbedürftigen ja unentgeltlich ist, auch<br />

nicht im Hinblick auf die Beratungsmöglichkeiten durch<br />

Dritte entziehen. Insbesondere ist es ausgeschlossen, die<br />

Hilfsbedürftigen an die Beratungsstellen der Verbände der<br />

freien Wohlfahrtspflege zu verweisen. Die Behörden dürfen<br />

nur auf die Beratungsmöglichkeit hinweisen. Die für die Träger<br />

der Sozialhilfe knapper werdenden Mittel führen allerdings<br />

dazu, daß inzwischen eine steigende Neigung<br />

der Behörden, auf andere Beratungsmöglichkeiten zu verweisen,<br />

zu beobachten ist. Für die anwaltliche Beratung<br />

bedeutet das, daß sein Beratungs„aufkommen“ sich aus verschiedenen<br />

Quellen speist. Es sind das zunächst die Direktmandate,<br />

also die Fälle, in denen der Hilfsbedürftige die<br />

anwaltliche Beratung der Behördenberatung von Anfang an<br />

vorzieht. Daran schließt sich die Gruppe der Hinweisfälle,<br />

also die Gruppe derjenigen Hilfsbedürftigen, die zum<br />

Anwalt gelangen, wenn die Beratungsmöglichkeiten von Behörden/Beratungsstellen<br />

der freien Wohlfahrtspflege ausgeschöpft<br />

sind, aus welchen Gründen auch immer. Und<br />

schließlich steht dem Anwalt das Konfliktspotential zur Verfügung,<br />

das sich aus der Gruppe derjenigen Hilfsbedürftigen<br />

rekrutiert, die die bisherigen Auskünfte für unvollständig,<br />

überprüfungsbedürftig oder fehlerhaft halten.<br />

III. Für die Abrechnung eines sozialhilferechtlichen Mandats<br />

gilt zunächst ganz allgemein, daß die Ausgangsposition<br />

gegenüber dem nach § 116 BRAGO abzurechnenden Mandat<br />

verbessert ist. Das Recht der Sozialhilfe i. e. S. ist nämlich,<br />

eine verwaltungsrechtliche Materie. Zuständig sind die<br />

Verwaltungsgerichte. Abgerechnet wird nach den für diesen<br />

Bereich gültigen Maßstäben. Die Berechnung des Gegenstandswerts<br />

unterliegt infolgedessen § 13 GKG. Soweit sich<br />

das Anliegen des Hilfsbedürftigen quantifizieren läßt, gelten<br />

die im Streitwertkatalog des BVerwG entwickelten Maßstäbe<br />

als praxisrelevanter Anhaltspunkt. Es kommt dann also auf<br />

den Wert der (bezifferten) Leistung an, bei wiederkehrenden<br />

Leistungen ist (entsprechend § 17 GKG) der Jahreswert anzusetzen.<br />

Rückstände bleiben, in diesem Zusammenhang, anders<br />

als im Unterhaltsrecht, außer Betracht. Läßt sich der<br />

geltend gemachte Anspruch nicht beziffern, greift der Auffangwert<br />

(nicht etwa Regelwert) des § 13 GKG mit DM<br />

8.000,00. Eine 10/10 Gebühr beträgt dann immerhin noch<br />

DM 485,00. Da üblicherweise in Gerichtsverfahren zwei Gebühren<br />

anfallen, steht sich der Anwalt mit DM 970,00 auch<br />

deutlich besser als mit dem DM 700,00 Mittelwert des § 116<br />

BRAGO. Für die Abrechnung außerhalb des gerichtlichen<br />

Verfahrens, insbesondere also in einem Vorverfahren ist dagegen<br />

§ 118 BRAGO maßgebend. Zu beachten ist, daß eine<br />

Auskunft im sozialhilferechtlichen Bereich sehr oft auch im<br />

Rahmen der Erstberatungsgebühr des § 20 BRAGO erbracht<br />

werden kann, also ihre Obergrenze bei DM 350,00 findet.<br />

§ 20 BRAGO kann zwar insoweit abbedungen werden. Der<br />

Anwalt sollte jedoch sorgfältig prüfen, ob das der Sach- und<br />

Rechtslage, vor allem den finanziellen Möglichkeiten seines<br />

Auftraggebers gerecht wird.<br />

IV. Wenn der Hilfsbedürftige die Beratung nicht bezahlen<br />

kann, gibt es dann Alternativen? Der Hilfsbedürftige<br />

wird selten rechtsschutzversichert sein, und wenn er es ist,<br />

kaum für die Materie des Sozialhilferechts. Und das alles<br />

einmal beiseite gelassen: Rechtsschutzversicherer decken<br />

die reine Beratungsleistung in der Regel nicht ab. Dennoch


192<br />

l<br />

ist die Frage nach dem Bestehen einer Rechtsschutzversicherung<br />

geboten, ggf. sind die Einzelheiten zu klären.<br />

Eher kommt schon das Bestehen einer indirekten<br />

Rechtsschutzversicherung in Betracht, so, wenn Vereine,<br />

Verbände oder Gewerkschaften ihren Mitgliedern Rechtsschutz<br />

gewähren. Zu diesem Rechtsschutz gehört in aller<br />

Regel auch der Beratungsrechtsschutz. Diese Fallgruppe ist<br />

jedoch meist deswegen unproblematisch, weil entweder die<br />

rechtsschutzgewährende Einrichtung oder der Hilfsbedürftige<br />

selbst auf diesen Umstand vor Inanspruchnahme anwaltlicher<br />

Dienstleistung hinweisen.<br />

In einem nennenswerten Teil der Fälle kommt für den<br />

Hilfsbedürftigen die Inanspruchnahme von Beratungshilfe<br />

(vgl. § 2 Abs. 2 BerHG) in Betracht. Das wirft einige Fragen<br />

auf. So könnte eingewendet werden, und das geschieht<br />

gelegentlich auch, die Behördenberatung nach § 8 Abs. 2<br />

BSHG habe Vorrang. Das gilt sicher nicht bei den Fallgruppen<br />

der Hinweis- und Konfliktsfälle, könnte aber bei der<br />

Direktberatung eine Rolle spielen, freilich nur dann, wenn<br />

die Rechtsberatung einfach oder nachrangig (unbedeutend)<br />

ist. Der Anwalt muß das, wenn er im Rahmen des § 4<br />

BerHG unmittelbar in Anspruch genommen wird, selbst beurteilen<br />

und ggf. den Hilfsbedürftigen auf die Risiken hinweisen.<br />

Im übrigen sollte der Anwalt aber bedenken, daß<br />

seine unmittelbare Inanspruchnahme nach § 4 BerHG als<br />

Chance für die Anwaltschaft gedacht ist; er sollte deshalb<br />

nicht ohne Anlaß ängstlich verfahren, und den Hilfsbedürftigen<br />

zunächst an das Amtsgericht zur Beschaffung des<br />

Berechtigungsscheins verweisen. Berufsrechtlich ist<br />

schließlich noch wichtig, daß der Anwalt verpflichtet ist,<br />

bei begründetem Anlaß den Hilfsbedürftigen auf die Inanspruchnahme<br />

von Beratungshilfe hinzuweisen.<br />

Handelt es sich um die Vertretung des Hilfsbedürftigen<br />

nach außen, greifen die PHK-Vorschriften. Sie sind hier als<br />

bekannt vorauszusetzen. Abgesehen davon, daß es auch<br />

hier berufsrechtliche Hinweispflichten auf die Möglichkeit<br />

der Inanspruchnahme von PKH gibt, verdienen einige<br />

Aspekte aber einen (eher rekaptitulierenden) Vermerk. So<br />

sollte man sich im PKH-Verfahren an die neueste Rechtsprechung<br />

des BVerfG erinnern, wonach PKH-Entscheidungen<br />

nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache (zu Lasten<br />

des Antragstellers) führen dürfen. Und dann sollte man<br />

wissen, daß im PKH-Verfahren die Beschwerde gegen die<br />

PKH-Versagung der Zulassung bedarf, und daß auch für<br />

diesen Zulassungsantrag (für den Anwaltszwang besteht)<br />

PKH gewährt werden kann. Schließlich sollte man sich mit<br />

den überlangen Verfahrensdauern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />

nicht einfach abfinden. Der Fall des VG<br />

Düsseldorf, das drei Jahre über einen PKH-Antrag nicht<br />

entschieden hatte, und den das OVG Münster mit dem lapidaren<br />

Hinweis „erledigt“ hat, es gebe keine Unterlassungsbeschwerde,<br />

ist ein abschreckendes Beispiel. Die Anwaltschaft<br />

insgesamt ist aufgefordert, den grundrechtlich garantierten<br />

Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19<br />

Abs. 4 GG) durchzusetzen, und, wenn es denn sein muß,<br />

immer wieder neu zu erkämpfen.<br />

V. Ein aus Beratungshilfe/PKH fließendes Einkommen ist<br />

sowenig ein Anreiz für die Spezialisierung auf sozialhilferechtliche<br />

Mandate wie es § 116 BRAGO im allgemeinen Sozialrecht<br />

ist. Da ein Hilfsbedürftiger in der Regel ein wirtschaftlich<br />

Hilfsbedürftiger ist, ist die für den Anwalt bestehende ungünstige<br />

Gebührenausgangslage auch nicht veränderbar. Dennoch<br />

gibt es eine Reihe weiterführender Überlegungen. So darf der<br />

in diesem Bereich tätige Anwalt zwar nicht übersehen, daß er<br />

nicht mit dem Mengenargument operieren kann. Sozialhilfe-<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

rechtliche Mandate sind häufig arbeitsaufwendige Mandate,<br />

und sie bleiben es auch, wenn sie in großer Zahl anfallen. Der<br />

Gedanke, über große Umsätze auch in diesem Beratungsbereich<br />

gutes Geld zu verdienen, führt infolgedessen nicht weiter.<br />

Es gibt dazu aber eine ganz andere, gegenläufige Überlegung.<br />

Etwas vereinfacht gesagt zerfällt das Sozialrecht hinsichtlich<br />

seiner wirtschaftlichen Bedeutung in das „kleine“ und in das<br />

„große“ Sozialrecht. Das wird auch durch § 116 Abs. 2<br />

BRAGO, der für bestimmte sozialrechtliche Materien Wertgebühren<br />

vorsieht, belegt. Wer sich seine Meriten im BSHG verdient<br />

hat, hat soviel Sachkunde erworben, daß seine anwaltliche<br />

Dienstleistung auch auf anderen Gebieten des Sozialrechts<br />

und von anderen Auftraggebern in Anspruch genommen werden<br />

wird. Es ist im übrigen eine Erfahrungstatsache für Dienstleistungsmärkte,<br />

daß souveränes Herrschaftswissen nie ungenutzt<br />

bleibt.<br />

Ein anderer Aspekt betrifft die Art und Weise der Leistungserbringung.<br />

Sie ist keineswegs unmittelbar an den<br />

einzelnen Hilfsbedürftigen geknüpft. Die Verbände der freien<br />

Wohlfahrtspflege können spezialisierte Rechtsberatung<br />

aus Kostengründen nur in Einzelfällen und selten flächendeckend<br />

anbieten. Da die Einsparungszwänge auch hier in<br />

den nächsten Jahren dramatisch zunehmen werden, führen<br />

die damit verbundenen Personalkürzungen vermehrt zur<br />

Zusammenarbeit mit Dienstleistern auf dem freien Markt.<br />

Dazu gehört auch die Inanspruchnahme anwaltlicher<br />

Dienstleistung. In den Zentren der Verbände der freien<br />

Wohlfahrtspflege wird das jetzt schon auf wichtigen Teilgebieten<br />

des Sozialrechts praktiziert. Das erscheint ausbaufähig.<br />

Es ist auch denkbar, daß sich Bestrebungen verstärken<br />

werden, wie sie aus der Großindustrie, aber auch in der<br />

Steuer- und Wirtschaftsprüferberatung schon bekannt sind,<br />

Rechtsberatung aus den Einrichtungen im Wege des Outsourcing<br />

nach außen zu verlagern. Hier ist die Anwaltschaft<br />

gefragt, und sie ist es vor allem „vor Ort“ bei „ihren“<br />

Verbänden. Mit den Verbänden könnten Abreden getroffen<br />

werden, die nach Art der „indirekten Rechtsschutzversicherung“<br />

ausgestaltet sind. Der „Berechtigungsschein“ wird<br />

dann vom jeweils zuständigen Verband der freien Wohlfahrtspflege<br />

ausgestellt. Möglich erscheint aber auch eine<br />

Abrechnung je Einzelfall nach BRAGO, oder eine Vereinbarung<br />

mit dem jeweiligen Verband mit dem Gegenstand<br />

der Beratungshilfe für Drittbegünstigte, die dann ihrerseits<br />

die Leistung umsonst in Anspruch nehmen können.<br />

Für solche oder andere Lösungen, also auch für eine<br />

„freie“ sozialhilferechtliche Beratung, bieten sich auf der<br />

Anwaltsseite unter Umständen neue Organisationsformen<br />

an. Es ist interessant, daß sich der in den USA verbreitete<br />

(und erfolgreiche) legal-Clinic-Gedanke bislang in Europa<br />

überhaupt nicht hat durchsetzen können. Für einfache, ortsnahe,<br />

preisgünstige und schnelle Beratung besteht aber<br />

zunehmender Bedarf. Vielleicht bietet die Einführung der<br />

Rechtsanwaltsgesellschaft (Anwalts-GmbH) zum 1.3.1999<br />

für die Verwirklichung der Idee der sozialhilferechtlichen<br />

Beratung vor Ort eine neue organisatorische Möglichkeit.<br />

Unter einem Namen kann die Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

nämlich Zweigniederlassungen errichten, vorausgesetzt, in<br />

der jeweiligen Zweigniederlassung ist verantwortlich zumindest<br />

ein geschäftsführender Rechtsanwalt tätig, für den<br />

die Kanzlei den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit<br />

bildet (§ 59 i Abs. 1 BRAO). Daß eine solche Sozialhilfe-<br />

(Sozialrechts-) Kanzlei in ihrer Firma keine Sachbezeichnung<br />

führen darf (§ 59 k Abs. 1 BRAO) ist für eine solche<br />

Lösung lediglich ein Schönheitsfehler.


AnwBl 4/99 193<br />

Aufsätze l<br />

Das neue spanische<br />

Geschworenengericht<br />

Richter am Landgericht Dr. Michael Bohlander, Meiningen;<br />

Honorary Research Fellow, University of Exeter 1<br />

I. Einleitung<br />

Die spanische Rechtspolitik des Jahres 1995 2 hat auf strafrechtlichem<br />

Gebiet gleich zwei umwälzende Veränderungen hervorgebracht:<br />

Zum einen wurde das neue Strafgesetzbuch vom<br />

23.11.1995 3 verabschiedet, welches sechs Monate nach seiner Veröffentlichung<br />

zum weit überwiegenden Teil in Kraft getreten ist 4 ,<br />

zum andern wurde eine jahrzehntelange Forderung der spanischen<br />

Verfassung von 1978 eingelöst und mit Gesetz vom 22. Mai 1995 5<br />

das Geschworenengericht (wieder) eingeführt. Das Gesetz trat<br />

sechs Monate nach der Verkündung im Boletín Oficial del Estado<br />

in Kraft, mit Ausnahme der 3. Übergangsvorschrift über die ersten<br />

Geschworenenlisten und Kapitel II über die Voraussetzungen des<br />

Geschworenendienstes, die aus organisatorischen Gründen verständlicherweise<br />

früher, nämlich zwei Monate nach der Verkündung<br />

wirksam wurden. 6<br />

Art. 125 der Verfassung von 1978 bestimmte, daß die Bürger<br />

des Landes an der Rechtsprechung in der Form des Geschworenengerichts<br />

teilnehmen, stellte die genauere Gestaltung aber unter<br />

einen Gesetzesvorbehalt. Dieser Gesetzgebungsauftrag wurde nunmehr<br />

umgesetzt – ein mutiger Schritt, bedenkt man die starke Kritik,<br />

welche das Geschworenenverfahren in den es bisher schon verwendenden<br />

Rechtsordnungen vor allem im anglo-amerikanischen<br />

Raum z. T. erfahren hat. 7<br />

Im folgenden soll die Gestalt das spanischen Geschworenengerichts<br />

überblicksartig 8 dargestellt werden, die es im Gewande der<br />

Ley del Tribunal del Jurado gefunden hat. Die Darstellung folgt<br />

dabei dem Aufbau und der Gliederung des Gesetzes.<br />

II. Kurzer geschichtlicher Abriß<br />

Wie schon erwähnt, ist das Tribunal del Jurado nach dem Gesetz<br />

von 1995 nicht das erste Geschworenengericht, welches die<br />

spanische Rechtsgeschichte kennt. Abgesehen von einigen der älteren<br />

Institutionen wie dem Fuero Juzgo und den Cartas Forales,<br />

die aber wohl entgegen mancher Auffassung eigentlich keine direkte<br />

Beziehung zum Geschworenengericht besitzen 9 , dürfte sich<br />

der erste Hinweis auf das Geschworenengericht in dem Estatuto<br />

de Bayona von 1808 finden, in dem aber lediglich das Studium<br />

und gegebenenfalls die Einführung des Tribunal del Jurado angeordnet<br />

wurde. Ähnliches gilt für den Discurso Preliminar de la<br />

Constitación de Cádiz von 1812.<br />

Die Ley de Imprental von 1820 in Verbindung mit dem Zusatz<br />

von 1822 errichtete zum ersten Mal das Geschworenengericht, und<br />

zwar für Pressedelikte, wobei zwischen Jurado de Acusación und<br />

Jurado de Calificación unterschieden wurde: Ersteres entschied<br />

über die Anklageerhebung, letzteres sprach das Urteil. 10<br />

Es folgte die Verfassung von 1869, die in Art. 93 für Amtsdelikte<br />

und, unter ausführendem Gesetzesvorbehalt, für allgemeine<br />

Straftaten das Geschworenenverfahren vorsah; allerdings wurde<br />

auch die Gestaltung des Verfahrens vor dem Geschworenengericht<br />

dem einfachen Gesetzgeber überlassen. Die Ley Orgánica Provisional<br />

sobre Organizzación del Poder Judicial vom 15. September<br />

1870 dehnte die Zuständigkeit des Geschworenengerichts auf alle<br />

Straftaten aus, für die eine Strafe von über 6 Jahren Gefängnis angedroht<br />

wurde (presidio mayor), sowie unabhängig von der Strafandrohung<br />

für Majestätsbeleidigung, Rebellion und Landesverrat.<br />

Eine Zusammenfassung der bisher Genannten Zuständigkeiten<br />

mit einigen Veränderungen zu den der Gerichtsbarkeit des Geschworenengerichts<br />

unterliegenden Personen 11 brachte die Ley<br />

Provisional de Enjuiciemiento Criminal vom 22. Dezember 1872.<br />

Das Gesetz, dem die bisher längste Geltungsdauer beschieden<br />

war, die Ley de Jurado vom 20. April 1888, schuf endlich ein Geschworenengericht,<br />

welches über Tat- und Schuldfrage sowie über<br />

schuldausschließende Umstände entschied. Seine Zuständigkeit erstreckte<br />

sich nunmehr auf eine Vielzahl von Straftaten, von denen<br />

nur einige genannt 12 sein sollen:<br />

– Hochverrat<br />

– Straftaten gegen die innere Sicherheit<br />

– Fälschungsdelikte<br />

– Amtsdelikte<br />

– Tötungs- und schwere Körperverletzungsdelikte<br />

– Schwangerschaftsabbruch<br />

– Vergewaltigung und sexueller Mißbrauch<br />

– Taten gegen die persönliche Freiheit<br />

– Raub und Brandstiftung<br />

– Pressedelikte<br />

Nicht mehr zur Zuständigkeit gehörten nunmehr die Majestätsbeleidigung,<br />

Verleumdungen und Beleidigungen sowie solche Taten,<br />

über deren Aburteilung das Oberste Gericht (Tribunal Supremo)<br />

erkannte.<br />

Es folgten in den Jahren 1894 und 1896 noch wenige Einzelgesetze,<br />

welche geringfügige Zuständigkeitsveränderungen mit sich<br />

brachten.<br />

Mit Gesetz vom 1. Januar 1900 begann der Niedergang des Geschworenengerichts,<br />

dem das neue Jahrhundert nicht wohlgesonnen<br />

war. Das Gesetz nahm weitere Delikte von der Zuständigkeit aus.<br />

Mit Dekret vom 4. Februar 1907 wurden in den Provinzen Barcelona<br />

und Gerona die verfassungsmäßigen Garantien suspendiert<br />

und weitere Delikte der Gerichtsbarkeit des Tribunal del Jurado<br />

entzogen, bis sich die Suspendierung im September 1923 auf alle<br />

spanischen Provinzen erstreckte.<br />

Während der sogenannten Zweiten Republik wurde das Gesetz<br />

von 1888 am 27. April 1931 wieder in Kraft gesetzt, allerdings mit<br />

weiteren Einschränkungen hinsichtlich der Zuständigkeit (Fälschungsdelikte<br />

und das Duell), die über das Dekret vom 22. September 1931<br />

noch stärker reduziert wurden (Raub und vorsätzliche Delikte).<br />

Schließlich wurde durch das Gesetz vom 27. Juli 1933 das gesamte<br />

Gesetz von 1888 reformiert und die Gerichtsbarkeit eingeschränkt,<br />

bis die Geschworenengerichte ihre Tätigkeit 1936 gänzlich beendeten.<br />

13<br />

1 Das Manuskript wurde im Dezember 1997 abgeschlossen.<br />

2 Zur Entwicklung der Kriminalpolitik bis 1992/93 siehe Madlener in: Eser/Huber<br />

(Hrsg.) Strafrechtsentwicklung in Europa 4.2., Max-Planck-lnstitut für ausländisches<br />

und internationales Strafrecht Freiburg, 1994.<br />

3 Ley Orgánica 10/1995 vom 23.11.1995 über den Código Penal, Boletín Official<br />

del Estado Nr. 281 vom 24.11.1995.<br />

4 Disposicíones Finales Nr. 7 – Ausgenommen wurde Art. 19 des Código Penal,<br />

der Personen unter 18 Jahren von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach<br />

dem Strafgesetzbuch ausnimmt und die Ahndung ihrer Taten einem besonderen<br />

Gesetz überträgt.<br />

5 Ley Orgánica 5/1995 vom 22.5.1995 über das Geschworenengericht (Tribunal<br />

del Jurado), Boletín Oficial del Estado Nr. 122 vom 23.5.1995 in der Fassung<br />

der Leyes Orgánicas 8/95 vom 16.11.1995 und 10/1995 vom 23.11.1995.<br />

6 Disposiciones Finales Nr. 5.<br />

7 Vgl. nur etwa Findlay/Duff (Hrsg.), The Jury Under Attack, London, 1988 und<br />

Jung (Hrsg.) Alternativen zur Strafjustiz und die Garantie individueller Rechte<br />

der Betroffenen, Bonn-Bad Godesberg, 1989, Teil III., jeweils mit umfangreichen<br />

Nachweisen.<br />

8 Die rechtspolitische und -geschichtliche Literatur zu diesem Thema ist mittlerweile<br />

fast unüberschaubar geworden. Für eine Übersicht siehe z. B.: Consejo<br />

General del Poder Judicial/Ministerio de Justicia e Interior (Hrsg.) El Tribunal<br />

del Jurado, Cuadernos del Derecho Judicial, Madrid, 1995 und Tome García,<br />

El Tribunal del Jurado: Competencia, composición y procedimiento, Madrid,<br />

1996. Zu den parlamentarischen Vorarbeiten s. Delgado-lribarren García-Campero,<br />

Ley Orgánica del Tribunal del Jurado, Trabajos parlamentarios, Madrid,<br />

1996; ein Praktikerhandbuch haben herausgegeben Mora Alarcon/Mora Alarcon,<br />

Manual práctico del proceso ante el Tribunal del Jurado, Madrid, 1996,<br />

sowie Pugnaire Hernandez, Comentarios y formularios a la Ley del Tribunal<br />

del Jurado, Madrid, 1996.<br />

9 So Gimeno Jubero, Ambito objetivo del proceso del Tribunal del Jurado, in El<br />

Tribunal del Jurado (aaO Fußn. 8), 113.<br />

10 Gimeno Jubero, aaO.<br />

11 Art. 663: Z. B. nicht Kardinäle, Richter, Generäle etc., auch wenn sie nicht in<br />

Ausübung ihres Dienstes gehandelt hatten – Gimeno Jubero, aaO (Fußn. 8).<br />

12 Vgl. ausführlich Gimeno Jubero, aaO (Fußn. 8).<br />

13 Zu allem Gimeno Jubero, aaO (Fußn. 8).


194<br />

l<br />

III. Allgemeiner Teil (Art. 1-5. 14 )<br />

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Tribunal del Jurado<br />

regeln Art. 1 in der Fassung der Disposición Final Nr. 2 der<br />

Ley Orgánica über den Código Penal vom 23.11.1995 i. V. m.<br />

Art. 5. Danach werden in Art. 1 Abs. 1 15 sieben Oberkategorien<br />

von Delikten festgelegt, welche der Gerichtsbarkeit des Geschworenengerichts<br />

zugeführt werden:<br />

a) Straftaten gegen das Leben 16<br />

b) Straftaten im Amt<br />

c) Straftaten gegen die Ehre<br />

d) Unterlassene Hilfeleistung i. w. S.<br />

e) Taten gegen die Intimsphäre und den Hausfrieden<br />

f) Straftaten gegen die persönliche Freiheit<br />

g) Straftaten gegen die Umwelt.<br />

Art. 1 Abs. 2 konkretisiert sodann anhand der Artikelnummern<br />

des neuen Código Penal enumerativ einige Vorschriften, die in die<br />

Zuständigkeit des Tribunal del Jurado fallen.<br />

Art. 1 Abs. 3 ordnet das Tribunal del Jurado im Instanzenzug<br />

den Audiencias Provinciales 17 zu und Art. 5 Abs. 4 bestimmt die<br />

örtliche Zuständigkeit nach dem allgemeinen strafprozessualen Gerichtsstand.<br />

Art. 1 Abs. 3 nimmt aber alle in die Zuständigkeit der<br />

Audiencia Nacional fallenden Strafsachen grundsätzlich aus. 18 Zudem<br />

kann aus Gründen des besonderen persönlichen Gerichtsstands<br />

(aforamiento) des Angeklagten die Zuständigkeit des Obersten<br />

Gerichts (Tribunal Supremo) 19 oder des Obergerichts einer<br />

Comunidad Autónoma (Tribunal Superior de Justicia) 20 gegeben<br />

sein, weswegen das Verfahren dann vor diesen Gerichten, aber mit<br />

Geschworenen stattfindet. 21<br />

Art. 5. Abs. 2 und 3 erstrecken die Zuständigkeit des Tribunal<br />

del Jurado auf Fälle der Gesetzeskonkurrenz und des Fortsetzungszusammenhangs<br />

sowie auf verbundene Straftaten, wenn entweder<br />

a) mehrere Mittäter gleichzeitig die unterschiedlichen Delikte<br />

begehen,<br />

b) wenn mehrere Personen verschiedene Taten zu verschiedenen<br />

Zeiten und an verschiedenen Orten, aber gemäß einem vorher<br />

gefaßten einheitlichen Entschluß begehen, oder<br />

c) es sich um Verdeckungs- oder Ermöglichungstaten handelt.<br />

Von der Verbindung sind grundsätzlich ausgeschlossen Taten<br />

der Rechtsbeugung durch Richter oder andere Amtsträger 22 sowie<br />

solche, die (ohne prozessuale Probleme) getrennt verhandelt werden<br />

können.<br />

Nach Art. 2 setzt sich ein Geschworenengericht aus neun Geschworenen,<br />

zwei Ergänzungsgeschworenen 23 und dem Vorsitzenden<br />

zusammen. Letzterer muß der Audiencia Provincial angehören;<br />

im Falle der Zuständigkeit des Tribunal Supremo bzw. eines<br />

Tribunal Superior de Justicia sind die jeweiligen Vorsitzenden der<br />

Strafsenate dieser Gerichte oder der Präsident des Tribunal Superior<br />

de Justicia zum Vorsitz berufen.<br />

Nach Art. 3 entscheiden die Geschworenen über die Tat- und<br />

Schuldfrage. Sie genießen in dieser Funktion die gleiche Unabhängigkeit<br />

wie Berufsrichter nach Art. 117 der spanischen Verfassung.<br />

Wegen der Besorgnis der Bedrohung oder Einschüchterung im<br />

Hinblick auf ihre Unabhängigkeit können sie sich ähnlich wie Berufsrichter<br />

24 an das Präsidium (Sala de Gobierno) des übergeordneten<br />

Tribunal Superior de Justicia wenden.<br />

Der Berufsrichter als Vorsitzender ist außer für die Verhandlungsleitung<br />

auch für die Strafzumessung und eventuelle Adhäsionsentscheidungen<br />

wegen zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche<br />

des Geschädigten zuständig (Art. 4 S. 2). Seine Pflichten und Befugnisse<br />

werden im einzelnen im weiteren Verlauf bei den jeweiligen<br />

Verfahrensabschnitten dargestellt.<br />

III. Die Geschworenen (Juradas) (Art. 6-23)<br />

Art. 6 stellt fest, daß der Dienst als Geschworener das Recht<br />

und die Pflicht aller Bürger ist, soweit sie nicht aufgrund der gesetzlichen<br />

Bestimmungen davon ausgeschlossen sind. Art. 7 regelt<br />

die Entschädigung für den Dienst als Geschworener dem Grunde<br />

nach und erklärt die Heranziehung zum Sitzungsdienst als vorrangig<br />

gegenüber arbeitsrechtlichen oder amtlichen Dienstpflichten.<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

Nach Art. 8 müssen folgende Voraussetzungen vorliegen, um<br />

für das Amt eines Geschworenen wählbar zu sein:<br />

a) Spanische Staatsangehörigkeit<br />

b) Volljährigkeit<br />

c) Vollbesitz der bürgerlichen Rechte<br />

d) Der Betreffende muß lesen und schreiben können (!).<br />

e) Zum Zeitpunkt der Ernennung muß der Betreffende seinen<br />

Wohnsitz in der Provinz haben, in der die Tat begangen worden<br />

ist.<br />

f) Es dürfen keine physischen oder psychischen Mängel vorliegen,<br />

welche den Geschworenen an der ordnungsgemäßen Ausübung<br />

des Dienstes hindern würden.<br />

Art. 9 schließt folgende Personengruppen grundsätzlich von der<br />

Wählbarkeit aus (Incapacidad):<br />

a) Wegen vorsätzlicher Delikte Verurteilte, solange sie nicht rehabilitiert<br />

worden sind.<br />

b) Personen, gegen die das Hauptverfahren eröffnet worden ist,<br />

oder die sich in Untersuchungshaft, Strafvollzug oder Unterbringung<br />

befinden.<br />

c) Personen, die aufgrund eines Strafverfahrens mit einem Berufsoder<br />

Amtsverbot belegt worden sind, für die Dauer dieses Verbotes.<br />

Art. 10 erklärt eine ganze Reihe von Stellungen und Berufen<br />

für mit dem Geschworenendienst unvereinbar (Incompatibilidad).<br />

Dies beginnt mit den Mitgliedern der königlichen Familie über<br />

Regierungsmitglieder, juristische Ämter etc. bis hin zu Professoren<br />

in den Disziplinen Rechtswissenschaft und Medizin, Rechtsanwälten<br />

und diplomatischen Beamten. Eine genaue Aufzählung soll hier<br />

unterbleiben, da sich keine wesentlichen Unterschiede zu den<br />

Grundgedanken des Schöffendienstes in Deutschland ergeben.<br />

14 Artikel ohne Gesetzesbezeichnung sind solche des Gesetzes über das Tribunal<br />

del Jurado.<br />

15 Das Gesetz verwendet die arabische Numerierung, also etwa Art. 24, 1. Die<br />

jeweilige Nummer wird hier mit „Absatz (Abs.)“ wiedergegeben, da auch die<br />

spanische Zitierweise für diese Nummern den Begriff „apartado“ verwendet.<br />

16 Allerdings nur, soweit die Tat vollendet worden ist – Art. 5 Abs. 1 Satz 2.<br />

17 Diese Gerichte entsprechen ungefähr den deutschen Landgerichten.<br />

18 Die Audiencia Nacional ist ein für ganz Spanien zuständiges Gericht, welches<br />

als Strafgericht erstinstanzlich über politische und terroristische Straftaten,<br />

Drogen- und Wettbewerbsdelikte, die über die Bezirke mehrerer Audiencias<br />

Provinciales hinausgehen, und bestimmte im Ausland begangene Straftaten<br />

entscheidet, solange sie nicht in die niedere Zuständigkeit der Juzgados Centrales<br />

de lo Penal oder die höhere des Tribunal Supremo fallen – Art. 62 ff.<br />

der Ley Orgánica del Poder Judicial.<br />

19 Z. B. Art. 57 der Ley Orgánica del Poder Judicial (z. B. Verfahren gegen den<br />

Präsidenten der Regierung, des Kongresses und Senats, des Obersten Gerichts<br />

etc., sowie gegen Richter des Tribunal Supremo, der Audiencia Nacional oder<br />

eines Tribunal Superior de Justicia).<br />

20 Art. 73 Nr. 3 der Ley Orgánica del Poder Judicial (Sonderzuweisung durch<br />

die gesetzgebenden Körperschaften der Comunidades Autónomas sowie Verfahren<br />

gegen Richter oder Staatsanwälte der Comunidad Autónoma, solange<br />

nicht die Zuständigkeit das Tribunal Supremo gegeben ist).<br />

21 Ob Art. 1 Abs. 2 im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 1 abschließend ist, d. h.<br />

eine Zuständigkeit nach den Oberkategorien nur vorliegt, wenn diese in Art. 1<br />

Abs. 2 oder einem Spezialgesetz konkretisiert wird, ist wegen Art. 1 Abs. 3<br />

und 5 Abs. 1 fraglich, nach denen das Tribunal nur im Zuständigkeitsbereich<br />

der Audiencia Provincial angesiedelt ist und seine Zuständigkeit von der absoluten<br />

Strafdrohung abhängt. Nach Art. 14 Abs. 3 und 4 LECr ist die Audiencia<br />

für Taten zuständig, die mit Freiheitsstrafe über sechs Jahren bedroht sind,<br />

was z. B. bei Taten gegen die Ehre fraglich ist. Art. 1 Abs. 2 ist nach Gimeno<br />

Gubero, aaO (Fußn. 9) so zu verstehen, daß er die abschließende Auflistung<br />

der Zuständigkeit darstellt und Art. 1 Abs. 3 ohne Verweis zu Art. 14 LECr<br />

das Tribunal funktionell der Audiencia zuweist. Dann wäre aber die Bezugnahme<br />

auf die Strafdrohung überflüssig. Gubero gibt zu, daß nach Statistiken<br />

der Audiencia von Barcelona für 1993/94 von 275 Taten, die nunmehr in die<br />

Zuständigkeit das Jurado fallen, 160 (= 58,18 %) eigentlich dem Juzgedo de<br />

lo Penal zuzuordnen wären. Außerdem sind nicht alle Kategorien des Art. 1<br />

Abs. 1 in Abs. 2 aufgegriffen. M.E. stellt Art. 1 Abs. 2 daher eine Ausnahme<br />

von Art. 5 Abs. 1 dar.<br />

22 Z. B. Art. 404 ff. und 446 ff. des Código Penal.<br />

23 Für die Eröffnung der Hauptverhandlung ist allerdings nach Art. 38 eine Zahl<br />

von 20 anwesenden Geschworenen erforderlich.<br />

24 Für diese gilt Art. 14 der Ley Orgánica del Poder Judicial, auf den Art. 3<br />

Abs. 4 verweist. Berufsrichter können außer dem zuständigen gerichtlichen<br />

Organ auch den Consejo General del Poder Judicial, den Generalrichterrat,<br />

anrufen, der in Spanien als Verfassungsorgan (Art. 122 der Verfassung von<br />

1978) die Spitze der richterlichen Selbstverwaltung darstellt – Vgl. dazu demnächst<br />

Bohlander, DRiZ 1997, Heft 1.


AnwBl 4/99 195<br />

Aufsätze l<br />

Eine Liste von Gründen für den Ausschluß von Gesetzes wegen<br />

(Prohibición) enthält Art. 11, der auf dem Gedanken der Vermeidung<br />

von Interessenkonflikten beruht.<br />

Ausgeschlossen sind demnach Privat- und Nebenkläger, zivilrechtlich<br />

aus der Tat Verantwortliche, Verwandte der Parteien oder<br />

der amtlichen Verfahrensbeteiligten wie Rechtsanwalt, Staatsanwalt,<br />

Richter etc. sowie Zeugen, Dolmetscher und Sachverständige,<br />

die zuvor in der Angelegenheit tätig waren. Art. 11 Abs. 5 enthält<br />

schließlich eine Auffangklausel, nach der alle Personen<br />

ausgeschlossen sind, welche ein direktes oder indirektes Interesse<br />

am Ausgang des Verfahrens besitzen.<br />

Es besteht nach Art. 12 die Möglichkeit, sich von dem Geschworenendienst<br />

aus Altersgründen, wegen starker familiärer Inanspruchnahme,<br />

Ausübung des Geschworenendienstes in den letzten<br />

vier Jahren, Unabkömmlichkeit aus dienstlichen Gründen oder<br />

Wohnsitz im Ausland befreien zu lassen.<br />

Die Art. 13-23 regeln das Wahlverfahren der Geschworenen,<br />

das dem deutschen Schöffenwahlverfahren ähnelt und daher nicht<br />

vertieft werden soll, sowie die Auswahl der Geschworenen für ein<br />

bestimmtes Verfahren. Letztere erfolgt nach Ladung der Verfahrensbeteiligten<br />

auf Anordnung des Vorsitzenden in der Sache durch<br />

dessen Sekretär in öffentlicher Sitzung. Die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten<br />

ist allerdings nicht erforderlich. Die Geschworenen<br />

müssen binnen fünf Tagen nach der Benachrichtigung über<br />

ihre beabsichtigte Heranziehung einen Fragebogen ausfüllen, auf<br />

dem sie eventuelle Hinderungsgründe angeben müssen. Die Staatsanwaltschaft<br />

und anderen Verfahrensbeteiligten haben innerhalb<br />

von fünf Tagen ab Bekanntgabe des Auswahlergebnisses das<br />

Recht, die Geschworenen unter Angabe von Beweismitteln abzulehnen.<br />

Der Vorsitzende beraumt in diesem Falle einen Termin zur<br />

Verhandlung über die Ablehnung an und entscheidet binnen drei<br />

Tagen über die Ablehnung (Art. 21 und 22). Sinkt die Zahl der<br />

Ausgelosten durch begründete Ablehnungen unter die für die Verhandlungseröffnung<br />

nach Art. 38 erforderliche Zahl von 20 Geschworenen,<br />

so ist nach Art. 23 eine Nachwahl erforderlich, auf<br />

die allerdings die Vorschriften über die Ablehnung ebenfalls Anwendung<br />

finden.<br />

IV. Ermittlungs- und Zwischenverfahren (Art. 24-37)<br />

Das Gesetz über das Tribunal del Jurado enthält eigene Regelungen<br />

zum Ermittlungsverfahren, zu denen die allgemeinen Bestimmungen<br />

der Ley de Enjuiciamiento Criminal (LECr) lediglich<br />

subsidiären Charakter tragen, solange sie dem Sinn und Zweck das<br />

Verfahrens vor dem Tribunal del Jurado nicht widersprechen<br />

(Art. 24 Abs. 2).<br />

Nach Art. 24 Abs. 1 leitet der Untersuchungsrichter (juez de instruccíon)<br />

durch Beschluß das Vorverfahren nach dem Gesetz über<br />

das Tribunal del Jurado ein, sobald er durch Anzeige oder Strafantrag<br />

von dem Verdacht einer Straftat erfahren hat, welche im Falle<br />

ihrer Begehung zur Zuständigkeit des Tribunal del Jurado gehören<br />

würde. Gleichzeitig nimmt er alle unaufschiebbaren zur Ermittlung<br />

nötigen weiteren Amtshandlungen vor.<br />

Nach Einleitung des Verfahrens teilt der Untersuchungsrichter<br />

dem Beschuldigten dieselbige mit und beraumt binnen fünf Tagen<br />

eine Verhandlung an, zu der die Staatsanwaltschaft und anderen<br />

Verfahrensbeteiligten zu laden sind. In der Ladung ist der Beschuldigte<br />

auf seine prozessualen Rechte hinzuweisen. In der Verhandlung<br />

können die Beteiligten Beweis- und sonstige Anträge stellen<br />

(Art. 25).<br />

Aufgrund der Verhandlung entscheidet der Untersuchungsrichter<br />

über die Einstellung oder die Fortsetzung es Ermittlungsverfahrens<br />

und ordnet im letzteren Falle gegebenenfalls die beantragten<br />

oder von Amts wegen ihm erforderlich erscheinenden Maßnahmen<br />

an. Nach Art. 26 Abs. 2 können die Beteiligten und die Staatsanwaltschaft<br />

binnen drei Tagen nach dem letzten Tag der Beweisaufnahme<br />

vor dem Untersuchungsrichter weitere Beweisanträge stellen.<br />

Ordnet der Untersuchungsrichter keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen<br />

an, so übersendet er der Staatsanwaltschaft und den<br />

Beteiligten eine Aufforderung, binnen fünf Tagen zur Frage der Eröffnung<br />

der Hauptverhandlung Stellung zu nehmen. Beantragen<br />

weder die Staatsanwaltschaft noch die anderen Beteiligten die Eröffnung<br />

innerhalb der Frist, stellt der Untersuchungsrichter das<br />

Verfahren ein, und zwar je nach Verfahrenslage endgültig<br />

(Art. 637 LECr) oder vorläufig (Art. 641 LECr).<br />

Ist der Untersuchungsrichter nach dem Abschluß der Ermittlungen<br />

der Auffassung, daß hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines<br />

anderen Deliktes oder anderer Täter vorliegt, die aber nicht der<br />

Strafgewalt des Tribunal del Jurado unterliegen, so legt er dies in<br />

der o.g. Form des Art. 25 nieder und leitet das dem betreffenden<br />

Vorwurf entsprechende Verfahren ein.<br />

Gemäß Art. 29 i. V. m. Art 650 LECr muß die Staatsanwaltschaft<br />

den Antrag auf Eröffnung der Hauptverhandlung in einer<br />

der deutschen Anklageschrift entsprechenden Form stellen, zu welchem<br />

die Beteiligten wiederum Stellung nehmen können.<br />

Nach Eingang des Antrags auf Eröffnung der Hauptverhandlung<br />

bestimmt der Untersuchungsrichter einen Vorbereitungstermin<br />

(Art. 30), auf welchen der Beschuldigte aber verzichten kann. In<br />

letzterem Falle beschließt der Untersuchungsrichter sofort die Eröffnung<br />

der Hauptverhandlung.<br />

In dem Vorbereitungstermin können die Beteiligten weitere<br />

Anträge stellen. Der Untersuchungsrichter hat aber weitreichende<br />

Befugnisse, alle Anträge abzuweisen, welche nicht für die Entscheidung<br />

über die Eröffnung der Hauptverhandlung erforderlich<br />

sind. Auch nach diesem Termin wird den Parteien Gelegenheit zur<br />

Stellungnahme gegeben (Art. 31).<br />

Nach Art. 32 hat der Untersuchungsrichter binnen drei Tagen<br />

zu entscheiden, ob er die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt<br />

oder das Verfahren einstellt. Er kann allerdings auch zusätzliche<br />

Ermittlungen anordnen oder das Verfahren, wenn die Zuständigkeit<br />

des Tribunal del Jurado nicht gegeben ist, vor dem Strafrichter<br />

(juez de lo penal) oder der Audiencia Provincial eröffnen und an<br />

diese abgeben.<br />

Artikel 33 und 34 regeln den Inhalt des Eröffnungsbeschlusses,<br />

der sich weitgehend an die Anklageschrift anlehnt, aber auch die<br />

Unterlagen über Beweismittel erfassen muß, die dem Beschluß beizufügen<br />

und an das zuständige Gericht zu übermitteln sind. Auch<br />

in dieser Phase können die Parteien noch Beweismittel für die<br />

Hauptverhandlung benennen.<br />

Der Untersuchungsrichter bestimmt sodann eine Frist von 15<br />

Tagen, binnen derer die Parteien vor dem Prozeßgericht erscheinen<br />

müssen. Sobald die Akten bei der Audiencia Provincial eingegangen<br />

sind, wird der Vorsitzende des Tribunal del Jurado nach dem<br />

Geschäftsverteilungsplan bestimmt.<br />

In dem genannten ersten Termin können die Parteien<br />

– Einwände nach Art. 666 LECr erheben, zu denen Unzuständigkeit,<br />

res judicata, Verjährung etc. gehören, sowie andere Stellungnahmen<br />

zum Fortgang des Verfahrens abgeben,<br />

– die Verletzung von Grundrechten rügen 25 ,<br />

– die Erstreckung des Verfahrens auf einen Teil, bezüglich dessen<br />

der Untersuchungsrichter die Eröffnung abgelehnt hat, beantragen,<br />

– den Ausschluß von Taten aus dem Eröffnungsbeschluß beantragen,<br />

falls diese nicht in der Anklageschrift enthalten waren,<br />

– Einwendungen gegen die von den anderen Beteiligten eingeführten<br />

Beweismittel erheben und neue Beweiserhebungen beantragen,<br />

zu deren Zulassung jene binnen drei Tagen wiederum<br />

Stellung nehmen sollen.<br />

Zu den vorgebrachten Einwendungen wird gegebenenfalls eine<br />

Art Zwischenverfahren nach Art. 668-677 LECr durchgeführt.<br />

Ist im Ergebnis die Fortsetzung des Hauptverfahrens zulässig,<br />

so erläßt der Vorsitzende des Geschworenengerichts (Magistradopresidente)<br />

sofort einen Beschluß, der die nach dem Zwischenverfahren<br />

noch relevanten Anklagepunkte sowie die Einwendungen<br />

der Verteidigung in wertneutraler Weise zusammenfaßt und welcher<br />

sich zu der Frage der Beteiligung, des Begebungsstadiums der<br />

Straftat und strafschärfenden bzw. -mildernden Umständen etc. verhalten<br />

muß.<br />

25 Die explizite Nennung der Grundrechte entspricht dem in Spanien m.E. vor<br />

dem Hintergrund der Diktatur geschärften verfassungsrechtlichen Gewissen,<br />

welches vor allem durch das Tribunal Constitucional, dem spanischen Pendant<br />

zum BVerfG, wachgehalten wird. Die Judikatur des BVerfG genießt großes<br />

Ansehen, wird aber in ihrer Stringenz von den Spaniern z. T. noch übertroffen.


196<br />

l<br />

Gleichzeitig wird über die Zulassung bzw. den Ausschluß von<br />

Beweismitteln entschieden. Gegen die Zulassung ist kein Rechtsmittel<br />

zulässig. Falls Beweismittel ausgeschlossen werden, so müssen<br />

die betroffenen Parteien hierzu ihren Widerspruch erklären,<br />

um ihre Auffassung im Rechtsmittelverfahren gegen das abschließende<br />

Urteil geltend machen zu können (Art. 37). Ein Zwischenrechtsbehelf<br />

scheint damit in dieser Phase des Verfahrens nicht<br />

mehr statthaft zu sein, da schon zuvor ausreichend Gelegenheit bestand,<br />

die Verwertung von Beweismitteln zu beeinflussen.<br />

Schließlich enthält der Beschluß die Terminsbestimmung und<br />

die vorbereitenden Maßnahmen für die Durchführung der Hauptverhandlung<br />

nach Art. 660-664 LECr.<br />

V. Die Hauptverhandlung (Art. 38-51)<br />

Die Hauptverhandlung beginnt mit der Auswahl der Geschworenen<br />

und Ersatzgeschworenen (suplentes). Der Vorsitzende befragt<br />

die Geschworenen nochmals zu möglichen Ausschlußgründen;<br />

den Parteien steht das Recht zu, die Geschworenen zu<br />

befragen und wegen der weiter oben genannten Gründe abzulehnen.<br />

Eine Beschränkung der Zahl an Ablehnungen scheint es nicht<br />

zu geben.<br />

Über die Ablehnung entscheidet der Vorsitzende; gegen seine<br />

Entscheidung ist kein Rechtsmittel statthaft, sondern nur der Einspruch<br />

zu Protokoll für die Zwecke der Anfechtung des Urteils.<br />

Kommt in der ersten Hauptverhandlung die erforderliche Zahl<br />

von 20 Geschworenen nicht zusammen, so bestimmt der Vorsitzende<br />

binnen weiterer 15 Tage einen neuen Termin zur Fortsetzung.<br />

Dies geschieht solange, bis die nötige Zahl von Geschworenen und<br />

Ersatzgeschworenen erreicht ist.<br />

Der Vorsitzende hat außerdem die erforderlichen Maßnahmen<br />

zu treffen, um die Durchführung der Beweisaufnahme zu sichern,<br />

sobald das Gericht vollständig besetzt ist.<br />

Ist eine ausreichende Zahl von Geschworenen und Ersatzgeschworenen<br />

anwesend, so werden die neun Mitglieder des Gerichts<br />

und zwei Ersatzgeschworene durch Los ermittelt. Erst in diesem<br />

Stadium haben Anklage und Verteidigung die Möglichkeit, jeweils<br />

drei der Ausgelosten ohne Angabe von Gründen abzulehnen, was<br />

den „peremptory challenges des anglo-amerikanischen Verfahrensrechts<br />

entspricht. Sind mehrere Ankläger und Angeklagte vorhanden,<br />

so müssen sie dieses Ablehnungsrecht jeweils aufgrund gegenseitiger<br />

Abstimmung ausüben, d. h. z. B. daß nicht jedem Angeklagten<br />

drei Ablehnungen zustehen. Das gleiche Verfahren wird<br />

auf die Ersatzgeschworenen angewandt, bis nur noch zwei übrig<br />

sind, auch wenn dann noch Ablehnungsrechte offen wären.<br />

Ist die Auswahl beendet, werden die Geschworenen vereidigt<br />

bzw. geben eine eidesgleiche Bekräftigung ab; ohne diese kann der<br />

Betreffende den Geschworenendienst nicht ausüben. Im Falle der<br />

Eidesverweigerung wird Ordnungsgeld bis zur Höhe von 50.000<br />

Ptas. angedroht. Weigert sich der Betreffende weiter, so wird eine<br />

angemessene Geldbuße verhängt und der nächste Ersatzgeschworene<br />

nimmt seinen Platz ein.<br />

Das spanische Verständnis des Geschworenendienstes als Bürgerpflicht<br />

hat wohl auch dazu geführt, daß Art. 41 Abs. 3 dem Vorsitzenden<br />

ausdrücklich befiehlt, nach der Vereidigung folgenden<br />

Satz zu sprechen:<br />

„Wenn Ihr demgemäß handelt, werden es Euch Eure Mitbürger<br />

lohnen, falls nicht, werden sie Euch zur Verantwortung ziehen.“<br />

Die Hauptverhandlung läuft in der Folge gemäß den allgemeinen<br />

Vorschriften der Art. 680 ff. LECr über die mündliche Verhandlung<br />

ab. Art. 42 Abs. 2 bestimmt ausdrücklich, daß die Angeklagten<br />

so zu plazieren sind daß die direkte Kommunikation mit<br />

den Verteidigern gewährleistet ist. 26<br />

Nach der Verlesung der Anklage haben die Parteien Gelegenheit,<br />

sich mit „opening Statements an die Geschworenen zu wenden.<br />

Auch zu diesem Zeitpunkt können neue Beweisanträge gestellt<br />

werden, über deren Zulassung nach Anhörung der übrigen<br />

Beteiligten durch den Vorsitzenden entschieden wird.<br />

Art. 45 sagt nichts über eine Rechtsmittelmöglichkeit hinsichtlich<br />

der Entscheidung über die Beweismittel, ebensowenig hilft ein<br />

Blick in Art. 680 ff. LECr über die Hauptverhandlung im allgemeinen.<br />

Man wird aber aus der Systematik des Gesetzes schließen dürfen,<br />

daß hier ebenso wie im Zwischenverfahren nach Art. 37 nur<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

noch der Einspruch zu Protokoll zum Zwecke der Anfechtung des<br />

Urteils zulässig ist.<br />

Die Geschworenen können über den Vorsitzenden an die Zeugen,<br />

Sachverständigen und Angeklagten Fragen stellen, wobei<br />

diese der Zulassung durch den Vorsitzenden bedürfen. Dokumente<br />

und Beweisstücke können sie selbst in Augenschein nehmen sowie<br />

am Ortstermin teilnehmen. Die Ermittlungen des Untersuchungsrichters<br />

können den Geschworenen vorgelegt werden.<br />

Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie Nebenkläger können<br />

an die Zeugen, Sachverständigen und Angeklagten im Wege des<br />

Vorhalts Fragen hinsichtlich ihrer Aussagen im Ermittlungsverfahren<br />

stellen. Die Verlesung aus den Ermittlungsakten ist unzulässig.<br />

Generell kommt den Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren<br />

in der Hauptverhandlung kein Beweiswert zu, es sei denn, es handele<br />

sich um beweissichernde Maßnahmen wegen Gefahr des Beweisverlustes.<br />

Für den Fall, daß die Aussetzung der Hauptverhandlung nach<br />

den allgemeinen Vorschriften notwendig wird, kann der Vorsitzende<br />

die Geschworenen entlassen; er muß dies tun, wenn die Unterbrechung<br />

länger als fünf Tage dauert.<br />

Nach Abschluß der Beweisaufnahme erhalten die Parteien Gelegenheit,<br />

ihre Schlußanträge zu stellen. Der Vorsitzende kann in entsprechender<br />

Anwendung des Art. 793, Abs. 6 und 7 LECr ausführliche<br />

Stellungnahmen verlangen und nunmehr gegebenenfalls die<br />

Hauptverhandlung bis zu zehn Tagen unterbrechen, falls eine Prozeßlage<br />

eintritt, die nach deutschem Recht, insbesondere § 265<br />

StPO, einen Hinweis wegen verändertem rechtlichen Gesichtspunkt<br />

erfordern würde, z. B. weil die Staatsanwaltschaft die rechtliche<br />

Qualifikation der Tat nach der Beweisaufnahme anders betrachtet.<br />

Sollte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehen, daß<br />

nur eine Tat nachgewiesen werden kann, die nicht zur Zuständigkeit<br />

des Tribunal del Jurado gehört, so ordnet Art. 48 Abs. 3 eine<br />

perpetuatio fori zugunsten des Tribunal del Jurado an.<br />

Nach Art. 49 kann der Vorsitzende von Amts wegen oder auf<br />

Antrag der Verteidigung nach dem Schlußvortrag der Anklage die<br />

Geschworenen entlassen, wenn er der Auffassung ist, daß die Beweisaufnahme<br />

keinen Beweis für eine Verurteilung des Angeklagten<br />

erbracht hat. Der Vorsitzende kann seine Entscheidung auch<br />

auf Teile der Anklage beschränken; in jedem Falle muß er binnen<br />

drei Tagen ein mit Gründen versehenes freisprechendes Urteil verkünden.<br />

Dieses Institut entspricht in etwa der anglo-amerikanischen<br />

„Submission of no case to answer bzw. „motion to dismiss,<br />

nur daß diese i. d. R. vor der Beweisaufnahme oder nach der Einvernahme<br />

der Zeugen der Anklage erhoben wird. Sie stellt vor<br />

dem Hintergrund der Tatsache, daß die Geschworenen nach Sinn<br />

und Zweck des ganzen Verfahrens die eigentlichen Richter hinsichtlich<br />

der Tat- und Schuldfrage sind, einen nicht unerheblichen<br />

Eingriff in das systematische Gefüge des Tribunal del Jurado dar,<br />

vor allem weil die Beweisaufnahme schon beendet ist und die Geschworenen<br />

sich eigentlich nunmehr selbst ein vollständiges Bild<br />

machen könnten.<br />

Ähnlich wie im anglo-amerikanischen Recht existiert auch in<br />

Spanien eine Form der „guilty plea. Diese scheint stets möglich zu<br />

sein, obwohl Art. 50 Abs. 3 a. E. darauf hindeutet, daß die Vorschrift<br />

den Regelfall der beendeten Beweisaufnahme voraussetzt.<br />

Der Vorsitzende kann auf Antrag beider Seiten eine „sentencia<br />

de conformidad“ verkünden, die allerdings nicht auf Freiheitsstrafe<br />

über 6 Jahre einschließlich zusätzlicher Geldstrafe und Aberkennung<br />

von Bürgerrechten lauten darf. Art. 50 Abs. 2 gewährt bemerkenswerterweise<br />

dem Vorsitzenden ein eigenes Ermessen, das Verfahren<br />

streitig fortführen zu lassen, wenn er der Auffassung ist,<br />

daß ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die angeklagte<br />

Tat nicht oder nicht von dem Angeklagten begangen worden<br />

ist, oder Strafmilderungs- bzw. -ausschließungsgründe vorliegen.<br />

Schließlich ist nach Art. 51 das Geschworenengericht ebenfalls<br />

aufzulösen und sind die Geschworenen zu entlassen, wenn die Anklage<br />

auf die weitere Strafverfolgung verzichtet; auch in diesem<br />

Falle muß der Vorsitzende ein freisprechendes Urteil verkünden.<br />

26 Damit dürften Probleme, wie sie in BVerfG, StV 1996, 620 f. geschildert werden,<br />

ausgeschlossen sein.


AnwBl 4/99 197<br />

Aufsätze l<br />

VI. Der Urteilsspruch der Geschworenen (Art. 52-66)<br />

Nach dem Ende der Beweisaufnahme und den Schlußanträgen<br />

sowie dem letzten Wort der Angeklagten faßt der Vorsitzende den<br />

Gegenstand der Beratung (objeto del veredicto) durch die Geschworenen<br />

schriftlich zusammen. Dabei hat er für jeden Angeklagten<br />

bzw. Ankläger separat die zu beurteilenden Tatsachen ausführlich<br />

nach Absätzen getrennt und danach aufzulisten, ob sie<br />

dem Angeklagten günstig oder ungünstig sind. Er hat sich u. a.<br />

auch zu dem Begebungsstadium, Strafmilderungs- und -ausschließungsgründen<br />

zu äußern.<br />

Die Parteien haben Gelegenheit, vor der Abfassung Stellung zu<br />

nehmen und den Ausschluß bzw. die Hinzufügung bestimmter Ausführungen<br />

zu beantragen. Auch hier entscheidet der Vorsitzende<br />

unanfechtbar mit der Folge, daß nur für die Zwecke des Rechtsmittels<br />

gegen das Urteil die Einwendungen zu Protokoll erklärt werden<br />

können.<br />

Die schriftliche Beratungsgrundlage wird den Parteien und jedem<br />

Geschworenen übergeben. In öffentlicher Sitzung belehrt der<br />

Vorsitzende die Geschworenen sodann über ihre Pflichten und die<br />

Abstimmungsregeln. Er faßt unter Bezugnahme auf die schriftliche<br />

Beratungsgrundlage die Rechtslage noch einmal zusammen, so daß<br />

die Geschworenen sie laienhaft verstehen können und wissen, unter<br />

welche Rechtsbegriffe sie welche Tatsachen zu subsumieren haben.<br />

Dabei muß er sich jeglicher Bewertung das Beweisergebnisses<br />

enthalten, soweit er die Geschworenen nicht darauf hinweisen<br />

muß, daß bestimmte Beweismittel von ihm als unverwertbar ausgeschlossen<br />

worden sind. Schließlich belehrt er die Geschworenen<br />

darüber, daß sie im Falle von Zweifeln stets die dem Angeklagten<br />

günstigste Entscheidung treffen müssen.<br />

Die Geschworenen ziehen sich sodann in ein Beratungszimmer<br />

zurück, wo sie bis zum Urteilsspruch von jeglichem Kontakt zur<br />

Außenwelt abgeschirmt sind. Sie wählen aus ihren Reihen einen<br />

Sprecher. Bei Unklarheiten können sie den Vorsitzenden bitten,<br />

weitere Erklärungen abzugeben, was aber in öffentlicher Sitzung<br />

in Anwesenheit der Parteien geschehen muß.<br />

Sollten nach zwei Tagen der Beratung die Geschworenen noch<br />

zu keinem Ergebnis gelangt sein, ohne Fragen hinsichtlich der<br />

schriftlichen Beratungsgrundlage zum Ausdruck gebracht zu haben,<br />

kann der Vorsitzende sie in öffentlicher Sitzung auf die Folgen<br />

nach Art. 64 Abs. 1 und 65 hinweisen, d. h. auf die, welche eintreten,<br />

wenn die Geschworenen sich endgültig nicht einigen können<br />

27 : Nach der dritten Einberufung, d. h. spätestens nach sechs<br />

Tagen, ist das Geschworenengericht nach Art. 65 Abs. 1 zwingend<br />

aufzulösen und ein neues Verfahren anzuberaumen.<br />

Die Abstimmung erfolgt im Geschworenenzimmer offen durch<br />

Bekundung der Ansicht jedes Geschworenen zu den einzelnen<br />

Punkten der schriftlichen Beratungsgrundlage. Die Weigerung,<br />

seine Stimme abzugeben, hat zuerst ordnungsrechtliche Folgen und<br />

führt bei beharrlicher Weigerung zur Strafverfolgung nach Nr. 2<br />

der Disposiciones Adicionales, welche Geldstrafe von 100.000 bis<br />

500.000 Ptas. androht, und für den Fall der Verletzung des Beratungsgeheimnisses<br />

auch Haftstrafe (arresto mayor).<br />

Die Geschworenen müssen über jeden einzelnen Absatz der<br />

Beratungsgrundlage, d. h. über die Tat- und Schuldfrage bzw. die<br />

Aussetzung zur Bewährung und Gnadenerweise gesondert abstimmen,<br />

wobei dem Angeklagten nachteilige Entscheidungen mindestens<br />

mit einem Verhältnis von 7:2 Stimmen ergehen müssen, bei<br />

günstigen Entscheidungen hingegen schon eine Mehrheit von 5:4<br />

ausreicht.<br />

Dabei können die Geschworenen zu den vom Vorsitzenden im<br />

objeto del veredicto genannten Punkten Abänderungen oder Zusätze<br />

anbringen, solange dadurch nicht eine erhebliche Abweichung<br />

zum bisherigen Verfahrensgegenstand eintritt. In diesem<br />

Falle gelten sie nicht als geschrieben (Art. 63 Abs. 2).<br />

Über die Ergebnisse der Abstimmung wird durch einen von<br />

den Geschworenen aus ihrer Mitte zu wählenden Schriftführer ein<br />

anonymes, aber ausführliches Protokoll errichtet, daß die wesentlichen<br />

Gründe für die Entscheidung zu jedem Punkt mit den jeweiligen<br />

Mehrheiten enthalten muß. Namentlich protokolliert wird allerdings<br />

jede Stimmverweigerung.<br />

Nach der Abfassung des Protokolls wird dies dem Vorsitzenden<br />

zugeleitet.<br />

Sind keine Mängel vorhanden, so werden die Parteien benachrichtigt<br />

und das Verdikt vom Sprecher in öffentlicher Sitzung verlesen.<br />

Bei folgenden Mängeln weist jedoch der Vorsitzende die Geschworenen<br />

unter Ablehnung das Verdikts in Anwesenheit der Parteien<br />

nach deren Stellungnahme auf diese hin und belehrt sie nochmals<br />

über die Vorgehensweise zur Heilung der Mängel (devolucíon<br />

del acta):<br />

– Die Abstimmung hat sich nicht auf alle Tatfragen erstreckt;<br />

– es fehlt eine (vollständige) Abstimmung zur Schuldfrage;<br />

– zu einem oder mehreren Punkten wurde die erforderliche Mehrheit<br />

nicht erreicht;<br />

– die Abstimmungsergebnisse zu den einzelnen Tat- und/oder<br />

Schuldfragen sind widersprüchlich, oder<br />

– es wurde ein Verfahrensfehler bei der Beratung oder Abstimmung<br />

gemacht.<br />

Ungewöhnlich erscheint die zwingend notwendige Begründung<br />

und Erörterung des Abstimmungsergebnisses vor dem endgültigen<br />

Schuldspruch. Dies widerspricht den anglo-amerikanischen Grundsätzen<br />

über die Verfahrensweise in Geschworenenprozessen, nach<br />

denen die Geschworenen in aller Regel mit dem Beginn der Beratungen<br />

dem Einfluß des Berufsrichters oder der Parteien entzogen<br />

sind, und nur auf ihren eigenen Wunsch weitere Erörterungen angestellt<br />

werden dürfen. Einer Begründung bedarf das Verdikt ebensowenig.<br />

Dies alles zeigt m. E., daß die spanische Rechtsordnung<br />

erheblich stärkere Bedenken gegen die unbeschränkte Macht der<br />

Geschworenen zeigt, als etwa die des anglo-amerikanischen<br />

Rechtskreises.<br />

Können sich die Geschworenen nach dreimaliger devolucíon<br />

nicht auf ein ordnungsgemäßes Verdikt einigen, löst der Vorsitzende<br />

das Gericht auf und ein neues Verfahren wird angeordnet. Falls<br />

auch in diesem Verfahren die Geschworenen sich nicht einigen<br />

können, muß der Vorsitzende den Angeklagten freisprechen und<br />

das Geschworenengericht auflösen.<br />

Nach der Verlesung des Verdikts obliegt dem Vorsitzenden<br />

nach Anhörung der Parteien die Strafzumessung, falls die Geschworenen<br />

nicht auf einen Freispruch erkannt haben.<br />

Das Urteil des Tribunal del Jurado und die Beschlüsse und Verfügungen<br />

des Vorsitzenden, soweit sie der gesonderten Anfechtung<br />

nicht entzogen sind, sind mit dem Rechtsmittel der apelacíon zum<br />

Tribunal Superior de Justicia der jeweiligen Comunidad Autónoma<br />

anfechtbar (Art. 846 bis b) ff. LECr i.V.m. Disposicíon Final I<br />

Nr. 14). 28<br />

VII. Schlußbemerkung<br />

Das spanische Gesetz über das Tribunal del Jurado vereint bekannte<br />

Elemente aus dem anglo-amerikanischen Rechtssystem mit<br />

neuen Facetten, welche eine größere Kontrolle des Berufsrichters<br />

und der Parteien über die Urteilstätigkeit der Geschworenen beinhalten.<br />

Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich dieses System bewährt.<br />

Vielleicht könnten sogar von dem Tribunal del Jurado Impulse<br />

für England und die USA ausgehen.<br />

Das Gesetz selbst sieht in der Disposicíon Final Nr. 4 vor, daß<br />

die Regierung den Cortes Generales binnen eines Jahres nach seiner<br />

Verabschiedung einen ausführlichen Bericht über eine Harmonisierung<br />

des Verfahrens vor dem Tribunal del Jurado und der allgemeinen<br />

Strafprozeßordnung vorzulegen hat, der zum einen eine<br />

Stellungnahme zu der verfassungsrechtlichen Forderung, daß das<br />

akkusatorische Parteienprinzip verstärkt gefördert werden soll, abgeben,<br />

und zum anderen Vorschläge zur Vereinfachung und Verkürzung<br />

des Ermittlungsverfahrens enthalten soll. Man darf gespannt<br />

sein, wie das innovationsfreudige Spanien diese nicht leichte Aufgabe<br />

bewältigen wird.<br />

27 Die Verweisung auf Art. 64 Abs. 1 ist insoweit etwas ungenau, da dort auf die<br />

Situation abgestellt wird, daß die Geschworenen zwar ein Verdikt gefunden<br />

haben, dies aber fehlerhaft ist. Der Vorsitzende muß ihnen dann Hinweise geben,<br />

wie die Mängel zu beheben sind. – S. dazu Fernández Entralgo, in: El<br />

Tribunal del Jurado, aaO (Fußn. 8), 588 f.<br />

28 Auf eine nähere Darstellung der komplizierten Rechtsmittelregelung soll aus<br />

Platzgründen hier verzichtet werden. Vgl. dazu ausführlich Carmona Ruano<br />

in: El Tribunal del Jurado, aaO (Fußn. 8), 605 ff.


198<br />

l<br />

Die ausländerrechtlichen<br />

Regelungen des polnischen<br />

Anwalts- und<br />

Rechtsberatergesetzes *<br />

Richter Andrzej Ryng, Warschau<br />

I. Einführung<br />

1. Das Ziel meiner Darstellung ist die Darstellung des Novellierungsgesetzes<br />

vom 22. Mai 1997 zum Anwalts- und Rechtsberatergesetz<br />

sowie zu einigen weiteren Gesetzen in dem Bereich, in welchem<br />

es die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten von ausländischen<br />

Investoren regelt. Die Novelle trat am 15. September 1997 in Kraft<br />

und verursachte weitgehende Änderungen in dem angesprochenen<br />

Bereich. Man soll dabei berücksichtigen, daß die Änderungen ausschließlich<br />

einen Aspekt des Zugangs ausländischer Investoren<br />

zum polnischen Markt der rechtlichen Dienstleistungen betreffen,<br />

und zwar die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten im Rahmen eines<br />

Unternehmens, das zu diesem Zweck gegründet worden ist, z. B.<br />

einer Gesellschaft oder einer Kanzlei, also des sogenannten right<br />

of establishment. Die Novelle bezieht sich aber nicht auf den anderen<br />

Aspekt des Problems, und zwar auf die Ausübung rechtlicher<br />

Tätigkeiten vom grenzüberschreitenden Charakter – ausgeübt einmalig,<br />

vorübergehend, ohne daß dazu in Polen ein Unternehmen<br />

gegründet wird, z. B. die ad hoc Rechtsvertretung vor dem Gericht.<br />

Deswegen soll dieser andere Aspekt, der übrigens in der Praxis<br />

von geringfügiger Bedeutung ist, nicht Gegenstand meiner Darstellung<br />

sein.<br />

2. Ferner möchte ich nicht nur auf die in der Novelle enthaltenen<br />

Lösungen hinweisen, sondern auch auf ihren Ursprung und<br />

ihre Begründung zurückgreifen, d. h. die Argumente herbeiführen,<br />

welche der Gesetzgeber bei der Formulierung einzelner Vorschriften<br />

berücksichtigt hat, sowie auch die Gegenargumente, die man<br />

während des Legislationsprozesses deutlich gemacht hat. Ich will<br />

auch die Folgen und die Bedeutung einzelner Lösungen darstellen.<br />

Die Beurteilung der Novelle soll jedoch schon Ihnen gelassen werden,<br />

ich möchte mich hier zurückhalten.<br />

Damit das Wesen und das Gewicht der Änderungen, die die<br />

Novelle vom 22. Mai 1997 verursachte, besser verständlich werden,<br />

möchte ich Ihnen zuerst kurz die Lage schildern, bevor die<br />

Novelle in Kraft getreten ist.<br />

II. Möglichkeiten ausländischer Investoren, rechtliche<br />

Tätigkeiten im Rahmen eines Unternehmens auszuüben,<br />

das zu diesem Zweck in Polen gegründet worden ist –<br />

vor dem 22. Mai 1997, also vor dem Inkrafttreten der<br />

Novelle zum Rechtsanwalts- und Rechtsberatergesetz sowie<br />

zu einigen weiteren Gesetzen<br />

Bevor die Novelle in Kraft trat, durften ausländische Investoren<br />

in Polen ihre Tätigkeit im Bereich der rechtlichen Dienstleistungen<br />

ausschließlich aufgrund des Gesetzes vom 4. Juni 1991 zu Gesellschaften<br />

mit ausländischer Beteiligung ausüben. D. h. sie konnten<br />

zu diesem Zweck Kapitalgesellschaften gründen – AG oder<br />

GmbH. Die Ausländer hatten keinen Zugang zum Beruf des<br />

Rechtsanwalts oder des Rechtsberaters, der den polnischen Bürgern<br />

vorbehalten war, und infolgedessen konnten sie ihre Tätigkeiten<br />

nicht in den Rechtsformen ausüben, die den beiden Berufen<br />

vorbeschrieben wurden, z. B. Rechtsanwaltskanzlei oder Kollegium<br />

der Rechtsanwälte.<br />

Was die Aktivität der oben genannten Gesellschaften anbelangt,<br />

dann – nach der Novelle des Gesetzes zu Gesellschaften mit ausländischer<br />

Beteiligung vom März 1996 (am 4. Mai 1996 in Kraft<br />

getreten) – war zur Gründung einer solchen Gesellschaft keine<br />

Erlaubnis mehr nötig. Es gab auch keine Einschränkungen, was die<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

Gesellschafter (sowohl ausländische als auch polnische) betrifft,<br />

welche eine Gesellschaft gründen und sich daran beteiligen<br />

konnten – jeder konnte Gesellschafter sein, unabhängig von seinen<br />

beruflichen Befähigungen (also sogar ohne jede juristische Vorbereitung).<br />

Der Bereich der Tätigkeiten, die eine Gesellschaft ausüben<br />

durfte, war auch nicht eingeschränkt, mit einer Ausnahme:<br />

die Vertretung der Parteien vor dem Gericht, die alleine denjenigen<br />

Personen vorbehalten war, welche in Polen als Rechtsanwalt oder –<br />

in einem gewissen Bereich – Rechtsberater zugelassen wurden.<br />

Diese Regelung, obwohl sie keinen Zugang zum Beruf des<br />

Rechtsanwalts und Rechtsberaters für Ausländer ermöglichte und<br />

obwohl die Rechtsformen dieser beruflichen Aktivität vorbestimmt<br />

wurden, verschaffte jedoch in der Praxis breite und sehr günstige<br />

Bedingungen für die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten in Polen im<br />

Rahmen eines zu diesem Zweck gegründeten Unternehmens.<br />

III. Zum Ursprung der Novelle vom 22. Mai 1997<br />

zum Rechtsanwalts- und Rechtsberatergesetz<br />

sowie zu manchen weiteren Gesetzen und der darin<br />

vorhandenen Regelungen, die sich auf ausländische<br />

Investoren beziehen<br />

Nach diesem geschichtlichen Erklärungen lassen Sie mich zu<br />

der Novelle selbst übergehen.<br />

Der Gesetzesentwurf war eine Parlamentsinitiative. Er sollte<br />

vor allem zwei Ziele verfolgen:<br />

– die Gleichstellung oder mindestens die Annäherung der Berufe<br />

des Rechtsanwalts und Rechtsberaters,<br />

– die Ausschließung aus dem Markt der rechtlichen Tätigkeiten<br />

in Polen derjenigen Investoren, welche keine formellen Befähigungen<br />

dazu hatten.<br />

Das Ziel der Novelle war also nicht, oder nicht vor allem, die<br />

Reform der Grundsätze und Bedingungen, welche die Ausübung<br />

rechtlicher Tätigkeiten in Polen von ausländischen Investoren<br />

regeln. Die Änderungen, die schließlich auch in diesem Bereich<br />

durchgeführt worden sind, waren also teilweise eine direkte Folge<br />

der Regelungen, die die Novelle für die polnischen Investoren,<br />

oder für die Ausübung rechtlicher Tätigkeiten als solche, eingeführt<br />

hat.<br />

Die übrigen Änderungen wurden sozusagen nebenbei eingeführt,<br />

z. B. weil der Gesetzgeber sich dessen bewußt war (oder<br />

es wurde ihm während der Leigslationsarbeit klar gemacht), daß<br />

die Novelle auch für die Verwirklichung mancher – ich betone<br />

mancher – Verpflichtungen dienen kann, die dann sowieso während<br />

der Vorbereitung Polens auf die Mitgliedschaft in der Europäischen<br />

Union notwendig sind.<br />

Die oben genannten Umstände scheinen mir von großer Relevanz<br />

zu sein für das Verständnis und die Beurteilung der im Gesetz<br />

vorgesehenen Regelungen. Sie deuten nämlich darauf hin, daß die<br />

Regelungen:<br />

– erstens, innerhalb eines breiteren Rahmens der Reform der<br />

Ausübung rechtlicher Tätigkeiten zu deuten sind,<br />

– zweitens, keine geschlossene, d. h. endgültige Lösung sind<br />

und zweifellos – vor allem hinsichtlich der Verpflichtungen Polens<br />

in der Vorbereitungsphase auf die EU-Mitgliedschaft – in der nächsten<br />

Zukunft weiter verändert oder ergänzt werden.<br />

IV. Änderungen, die in der Novelle vom 22. Mai 1997<br />

eingeführt wurden und die sich auf ausländische Investoren<br />

beziehen<br />

Bevor ich auf die Einzelheiten eingehe, möchte ich kurz die<br />

von der Novelle eingeführten Änderungen allgemein schildern.<br />

Die Änderungen, die sich auf ausländische Investoren beziehen,<br />

betreffen drei Probleme:<br />

1. den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und Rechtsberaters<br />

für die Ausländer;<br />

2. zusätzliche Erleichterungen für Rechtsanwälte und -berater<br />

aus der Europäischen Union beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts<br />

und Rechtsberaters;<br />

* Vortrag des Verfassers auf einer Veranstaltung der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung.<br />

Die Vortragsform ist beibehalten.


AnwBl 4/99 199<br />

Aufsätze l<br />

3. neue Grundsätze und Bedingungen, nach denen Gesellschaften<br />

mit ausländischer Beteiligung auf dem Markt der rechtlichen<br />

Dienstleistungen funktionieren sollen – sowohl die bereits existierenden<br />

Gesellschaften als auch die Neugründungen.<br />

Die Probleme, die von mir im Punkt 1 und 2 genannt worden<br />

sind, haben allerdings geringere praktische Bedeutung als das<br />

letzte Problem und sind deswegen – mindestens bei ausländischen<br />

Beobachtern – kaum bemerkt oder jedenfalls unterschätzt worden.<br />

Sie waren auch nie – anders als das dritte Problem – der Gegenstand<br />

großer Auseinandersetzungen. Alle drei scheinen mir jedoch<br />

wichtig zu sein, sei es auch nur wegen ihrer Bedeutung im Angleichungsprozeß<br />

der polnischen Gesetze an das Europarecht. Sie werden<br />

eingehend im weiteren Teil meiner Vorführung dargestellt.<br />

V. Die Eröffnung des Zugangs zum Beruf des Rechtsanwalts und<br />

Rechtsberaters für Ausländer<br />

Fangen wir mit der Eröffnung des Zugangs zum Beruf des<br />

Rechtsanwalts und Rechtsberaters für Ausländer an. Die Änderungen,<br />

die in diesem Bereich eingeführt wurden, hängen eng mit denjenigen<br />

Verpflichtungen Polens zusammen, die sich aus dem Assoziierungsabkommen<br />

und überhaupt dem Angleichungsprozeß des<br />

polnischen Rechts an das Europarecht ergeben. Es handelt sich um<br />

Artikel 44 des Assoziierungsabkommens, wodurch Polen verpflichtet<br />

wurde, den Investoren aus der Europäischen Union, im Bezug<br />

auf die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten<br />

sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen allmählich dieselben<br />

Bedingungen zu verschaffen wie den inländischen Investoren,<br />

und um Artikel 52 des Römischen Vertrages, der jede Diskriminierung<br />

wegen der Staatsbürgerschaft in diesem Bereich<br />

verbietet. Die Änderungen sehen folgendermaßen aus:<br />

Die Novelle schaffte die bis dahin geltende Voraussetzung der<br />

polnischen Staatsangehörigkeit ab als eine der Bedingungen für die<br />

Zulassung zum Beruf des Rechtsanwalts oder Rechtsberaters.<br />

Diese Voraussetzung war expressis verbis im Artikel 65 des<br />

Rechtsanwaltsgesetzes und im Artikel 24 des Rechtsberatergesetzes<br />

ausgedrückt worden. Gleichzeitig wurde eine neue Voraussetzung<br />

für die Zulassung eingeführt, und zwar die Beherrschung der<br />

polnischen Sprache in Rede und Schrift. Dies soll aber kein Grund<br />

zum Wundern sein: Die Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwalts<br />

oder Rechtsberaters, die u. a. auf der Vertretung vor polnischen Gerichten<br />

beruht, scheint – objektiv gesehen – ohne die effektive<br />

Kommunikation mit dem Mandanten und vor allem mit dem Gericht<br />

kaum möglich zu sein.<br />

Die oben angesprochene Änderung bedeutet also eine Öffnung<br />

beider Berufe für Ausländer (darunter selbstverständlich auch für<br />

die Bürger der EU-Mitgliedstaaten). Sie können als Rechtsanwälte<br />

oder Rechtsberater in Polen zugelassen werden, und zwar unter<br />

gleichen Bedingungen wie polnische Staatsangehörige. Infolgedessen<br />

dürfen sie ihre rechtlichen Tätigkeiten in Polen in allen Rechtsformen<br />

ausüben, die für die beiden Berufe vorgesehen sind, d. h. in<br />

möglichst breitem Ausmaß. Im Fall der Rechtsanwälte kommen<br />

solche Formen in Frage, wie Anwaltskanzlei, Kollegium der<br />

Rechtsanwälte, offene Gesellschaft und Gesellschaft des bürgerlichen<br />

Rechts – mit Alleinbeteiligung der Rechtsanwälte und<br />

Rechtsberater, sowie die Kommanditgesellschaft, in welcher alleine<br />

Rechtsanwälte bzw. -berater Komplementär sein können. Die<br />

Rechtsberater dagegen verfügen über solche Rechtsformen wie<br />

die Rechtsberaterkanzlei, offene Gesellschaft und Gesellschaft des<br />

bürgerlichen Rechts – mit Alleinbeteiligung der Rechtsanwälte<br />

bzw. -berater sowie die Kommanditgesellschaft, in welcher nur<br />

Rechtsanwälte bzw. -berater Komplementär sein können, ferner ein<br />

Zivilvertrag und das Arbeitsverhältnis.<br />

VI. Zusätzliche Erleichterungen für Rechtsanwälte und -berater<br />

aus den EU-Staaten beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts<br />

und Rechtsberaters in Polen<br />

Wir kommen jetzt zu dem Problem der zusätzlichen Erleichterungen<br />

beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und -beraters in<br />

Polen für Rechtsanwälte und -berater aus den EU-Staaten. Auch<br />

diesbezüglich schließt sich die Regelung – in einem gewissen Ausmaß<br />

– europäischen Lösungen an und ist als Teil des gesamten Angleichungsprozesses<br />

des polnischen Rechts an das Europarecht zu<br />

betrachten. Es handelt sich dabei um diejenigen Regelungen, die<br />

bei der Aufnahme und Ausübung der Erwerbstätigkeit von Ausländern<br />

berufliche Befähigung berücksichtigen lassen, welche in dem<br />

jeweiligen Herkunftsland erworben wurden, d. h. Artikel 57 des<br />

Römischen Vertrages und die Richtlinie des Europäischen Rates<br />

Nr. 89/48 vom 21. Dezember 1988 zum allgemeinen System der<br />

Diplomanerkennung.<br />

Die Erleichterungen beim Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts<br />

und -beraters, welche die Novelle einführt, beruhen darauf,<br />

daß es möglich ist, von der Bedingung des Referendariats für<br />

Rechtsanwälte und Rechtsberater befreit zu werden. Das Referendariat<br />

ist normalerweise eine der Voraussetzungen für die Zulassung<br />

zum Beruf. Um die Befreiung von der Bedingung des Referendariats<br />

für Rechtsanwälte können sich ausschließlich die Bürger<br />

der EU-Staaten bewerben, die in ihrem Herkunftsland als Rechtsanwälte<br />

zugelassen sind und dort diesen Beruf ausüben, wenn sie<br />

ein in Polen als gleichwertig anerkanntes Jurastudium absolviert<br />

haben (in Praxis bedeutet es die Notwendigkeit einer früheren Anerkennung<br />

des Hochschuldiplomas) und die polnische Sprache in<br />

Schrift und Rede beherrschen. Ähnliche Voraussetzungen muß man<br />

bei der Befreiung von der Bedingung des Referendariats für<br />

Rechtsberater erfüllen. Über die Befreiung entscheiden in beiden<br />

Fällen die Organe der beruflichen Selbstverwaltung: im Falle der<br />

Rechtsanwälte der Regionale Rechtsanwaltsrat, im Falle der<br />

Rechtsberater – ausschließlich nach dem Grundsatz der Reziprozität<br />

– der Landesrat der Rechtsberater. Die von dem Referendariat<br />

befreiten Personen legen ein für jede Berufsgruppe übliches Examen<br />

ab.<br />

Die angesprochene Änderung bedeutet, zumindest theoretisch,<br />

eine wesentliche Erleichterung für die Bürger der EU-Staaten beim<br />

Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und Rechtsberaters in Polen,<br />

und infolgedessen beim Zugang zu allen Rechtsformen, in denen<br />

der Rechtsanwalt oder Rechtsberater seine Tätigkeiten ausüben<br />

kann. Ob diese Erleichterungen wirklich so attraktiv sind, daß von<br />

ihnen in der Praxis oft Gebrauch gemacht werden soll, wird sich<br />

bald zeigen. Es werden allerdings schon jetzt Proteste seitens der<br />

Amerikaner laut – die Erfahrung im Justizministerium zeigt es –,<br />

daß die besprochene Regelung alleine auf EU-Investoren eingeschränkt<br />

ist und andere sie nicht wahrnehmen können.<br />

VII. Neue Grundsätze, nach denen die Gesellschaften mit<br />

ausländischer Beteiligung rechtliche Tätigkeit ausüben<br />

Ich komme jetzt auf die Problematik neuer Grundsätze, welche<br />

die Ausübung von rechtlichen Tätigkeiten durch Gesellschaften<br />

mit ausländischer Beteiligung regeln.<br />

Dieses Problem wurde schon seit Anfang der Legislationsarbeiten<br />

heftig diskutiert. Es wurde vor allem vorgeworfen, daß die<br />

Rechtsformen, in denen die Gesellschaften vorkommen – Aktiengesellschaft<br />

und Gesellschaft mit beschränkter Haftung – zur Ausübung<br />

rechtlicher Tätigkeiten ungeeignet seien. Das besondere<br />

Wesen dieser Tätigkeiten erfordere nämlich, daß der Investor eine<br />

persönliche und uneingeschränkte Verantwortung für die Folgen<br />

seiner Handlungen trage, die Konstruktion der Kapitalgesellschaft<br />

schließe dagegen ein umgekehrtes Verständnis der Verantwortung<br />

ein.<br />

Es wurde auch erörtert, daß die rechtliche Tätigkeit, die in den<br />

Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung ausgeübt wird, praktisch<br />

keiner Kontrolle unterliege, sowohl was die Qualität der Tätigkeiten<br />

als auch die Einhaltung der Berufsethik betreffe, was zur<br />

Bedrohung der Interessen von Konsumenten – Empfänger einer<br />

Dienstleistung – führen könnte. Die Gesellschaft, die rechtliche<br />

Tätigkeiten ausübe, konnte dann nämlich von jedem gegründet<br />

werden, wer über entsprechendes Kapital verfügen habe, und die<br />

Möglichkeit, in ihrem Rahmen rechtliche Tätigkeiten auszuüben,<br />

sei nicht – mit Ausnahme der Vertretung vor dem Gericht – vom<br />

Besitz irgendwelcher formellen Befähigungen abhängig.<br />

Es wurde schließlich darauf hingewiesen, daß die existierende<br />

Regulierung ausländische Investoren im Vergleich zu polnischen<br />

bevorzuge und die Interessen der letzteren nicht genug schütze.<br />

Das Gesetz verschaffe nämlich ausländischen Investoren die Möglichkeit,<br />

rechtliche Tätigkeit in Form der Gesellschaften auszuüben,<br />

ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob polnischen Investoren<br />

ähnliche Möglichkeiten im Ausland zur Verfügung stünden. Das<br />

Gesetz berücksichtige auch den offensichtlichen wirtschaftlichen<br />

Vorsprung der ausländischen Investoren nicht, was dazu führe, daß


200<br />

l<br />

polnische Juristen in den Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung<br />

in der Regel nicht als Partner (Gesellschafter), sondern als<br />

Angestellte tätig seien.<br />

Als Schlußfolgerung haben die Gegner der damaligen Rechtslage<br />

auf die Notwendigkeit einer neuen Regulierung hingewiesen. Es<br />

gab diesbezüglich unterschiedliche Vorschläge, von ganz extremen<br />

Forderungen, die Möglichkeit der Ausübung rechtlicher Tätigkeiten<br />

von Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung (Kapitalgesellschaften)<br />

ganz abzuschaffen, zu Forderungen, die Möglichkeit<br />

zu bewahren, aber mit einer gleichzeitigen Einführung solcher Änderungen<br />

der Rahmenbedingungen für die Betätigung der Gesellschaften,<br />

die Interessen der Mandanten und polnischer Juristen<br />

schützen würden.<br />

Natürlich gab es auch Befürworter des status quo. Sie haben<br />

darauf hingewiesen, daß die Kapitalgesellschaft eine Grundform,<br />

wenn nicht die einzige Rechtsform sei, die den ausländischen Investoren<br />

aufgrund der geltenden Gesetzgebung zur Ausübung der<br />

Tätigkeiten in Polen zur Verfügung stehe. Sie deuteten darauf hin,<br />

daß die Einführung von wesentlichen Änderungen in diesem Bereich,<br />

und schon gewiß die Abschaffung der Möglichkeit, rechtliche<br />

Tätigkeiten in der Rechtsform von solchen Gesellschaften<br />

auszuüben, eine rechtswidrige Tätigkeiten in der Rechtsform von<br />

solchen Gesellschaften auszuüben, eine rechtswidrige Enteignung<br />

und ein Entzug der erworbenen Rechte bedeuten könne, und dadurch<br />

relevante Folgen haben werde, einschließlich erheblichen<br />

Entschädigungen.<br />

Wie es so üblich vorkommt, mündete die Auseinandersetzung<br />

in eine Kompromißlösung ein. Die neue Regelung, die im<br />

Artikel 10 Absatz 2 und im Artikel 11 des Novellierungsgesetzes<br />

vom 22. Mai 1997 verzeichnet ist, wurde sogar von der Vertretung<br />

der Europäischen Kommission in Warschau begrüßt. Die Vertretung<br />

selbst hat besonders in der Abschlußphase der Legislationsarbeiten,<br />

intensiv mit dem polnischen Justizministerium beim Ausarbeiten<br />

einer Formel zusammengearbeitet, die für alle Parteien<br />

akzeptabel wäre. Aber die neue Regelung stellt natürlich nicht alle<br />

zufrieden. Außerdem enthält die Novelle, wie es oft vorkommt,<br />

wenn man unterschiedliche Positionen zu vereinbaren versucht und<br />

nach Formeln strebt, die für alle befriedigend wären, einige (technische)<br />

Legislationsfehler, die ihre Deutung erschweren können.<br />

Wie sieht also diese Kompromißlösung aus?<br />

Im großen und ganzen wurde den ausländischen Investoren die<br />

Möglichkeit gelassen, ihre rechtliche Tätigkeit in der Rechtsform<br />

einer Kapitalgesellschaft zu gründen und zuführen. Wesentlich dagegen<br />

haben sich die Bedingungen für ihre Gründung und Geschäftsführung<br />

geändert. In Einzelheiten sieht die neue Regelung<br />

folgendermaßen aus:<br />

Das Gesetz regelt getrennt die Problematik der Gesellschaften<br />

mit ausländischer Beteiligung, die bereits existieren – und genau<br />

gesagt existiert haben am 1. Oktober 1996 (Verweis im Art. 10<br />

Abs. 2) und derjenigen Gesellschaften, die erst in Zukunft, d. h.<br />

nach dem Inkrafttreten der Novelle zu gründen sind (darauf verweist<br />

Art. 11). Es wird sofort klar, daß es keine dichotome Einteilung<br />

ist; infolgedessen entstehen Zweifel zum Rechtsstatus der<br />

Gesellschaften, welche zwischen dem 1. Oktober 1996 und dem<br />

14. September 1997 (Inkrafttreten) gegründet worden sind.<br />

Als man während des Gesetzgebungsverfahrens auf diese<br />

Schwächen hingewiesen hat, haben die Verfasser der angesprochenen<br />

Lösung geantwortet, daß das Problem nur scheinbar und theoretisch<br />

sei, weil nach dem 1. Oktober 1996 keine Gesellschaft mit<br />

ausländischer Beteiligung entstanden sei, welche rechtliche Tätigkeiten<br />

ausübe. Außerdem müsse man sich für ein Grenzdatum entscheiden,<br />

und das könne das Datum des Inkrafttretens der Novelle<br />

nicht sein – solche Konstruktion würde dazu führen, daß kurz vor<br />

dem Inkrafttreten im verstärkten Ausmaß Gesellschaften auf bisherigen<br />

Grundsätzen gegründet worden wären. Das wollte der Gesetzgeber<br />

vermeiden. Diese Argumente scheinen nicht überzeugend<br />

zu sein. Auf jeden Fall ändern sie nichts daran, daß es im<br />

Gesetz – mindestens theoretisch – eine Lücke gibt, welche wahrscheinlich<br />

durch die Auslegung ausgefüllt werden soll. Diese wiederum<br />

muß nicht unbedingt eindeutig sein.<br />

Kommen wir aber zu den Problemen zurück, welche von der<br />

Novelle reguliert werden. In bezug auf die Gesellschaften mit ausländischer<br />

Beteiligung, welche am 1. Oktober 1996 bereits existiert<br />

haben, ändert die Novelle wesentlich die Grundsätze und Bedin-<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

gungen für ihre weitere Tätigkeit. Im Art. 10 Abs. 2 nämlich bestimmt<br />

sie, daß diese Gesellschaften innerhalb von drei Jahren<br />

nach dem Inkrafttreten der Novelle ihre Rechtsform, ihre personelle<br />

Zusammensetzung und den Gegenstand ihrer Tätigkeit an<br />

neue Regelungen, mit Berücksichtigung von Art. 11, anpassen sollen<br />

oder in dieser Übergangszeit ihre rechtliche Tätigkeit einstellen<br />

müssen. Solche Regelung bedeutet, daß die bestehenden Gesellschaften<br />

generell zwischen zwei Möglichkeiten auswählen können.<br />

1. Sie können sich in eine der Rechtsformen umwandeln, in<br />

welcher laut Gesetz Rechtsanwälte und Rechtsberater ihren Beruf<br />

ausüben dürfen, d. h. in der Praxis in Personengesellschaften – des<br />

bürgerlichen Rechts oder offene, mit Rechtsanwälten und Rechtsberatern<br />

als Gesellschafter (die in Polen zugelassen sind) und mit<br />

dem Betätigungsfeld eingeschränkt auf rechtliche Tätigkeiten, oder<br />

in die Kommanditgesellschaft, welche die von mir früher genannten<br />

Bedingungen erfüllt. Diese Regelung kann auf den ersten Blick<br />

Zweifel aufkommen lassen, ob sie nicht mit dem Gesetz zu Gesellschaften<br />

mit ausländischer Beteiligung im Widerspruch steht. Dies<br />

ist jedoch nicht der Fall. Obwohl Art. 1 Abs. 2 dieses Gesetzes als<br />

eine Regel vorsieht, daß ausländische Investoren alleine Kapitalgesellschaften<br />

(AG oder GmbH) gründen und führen dürfen, läßt<br />

Art. 2 des besprochenen Gesetzes dagegen Ausnahmen von dieser<br />

Regel zu, sofern sie sich aus anderen Gesetzen ergeben. Zweifellos<br />

ist es bei dem Novellierungsgesetz vom 22. Mai 1997 gerade der<br />

Fall.<br />

2. Existierende Gesellschaften können – wenn sie wollen – die<br />

Rechtsform der Kapitalgesellschaft bewahren, aber die Gesellschaft<br />

muß dann alle Bedingungen erfüllen, welche die Novelle für<br />

die neu zu gründenden Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung<br />

vorsieht. Solche Neugründungen sind zwar möglich, aber unter<br />

geänderten Voraussetzungen.<br />

Die zweite der genannten Möglichkeiten wurde in der Novelle<br />

nicht gerade besonders glücklich formuliert und kann deswegen<br />

häufig unbemerkt bleiben. Diese Möglichkeit wurde in Art. 10<br />

Abs. 2 „versteckt“, und zwar im Ausdruck: mit Berücksichtigung<br />

des Art. 11, was bedeutet, daß die existierende Gesellschaft ihre<br />

Pflicht, sich den neuen Regelungen anzupassen, auch dadurch erfüllen<br />

kann, daß sie diejenigen Bedingungen erfüllt, welche für<br />

eine Neugründung vorgesehen wurden und welche gerade im<br />

Art. 11 genannt worden sind. Eine andere Deutung wäre unlogisch:<br />

es wäre schwer nachvollziehbar, daß der Gesetzgeber einerseits<br />

die Neugründung in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft<br />

mit ausländischer Beteiligung zuläßt und andererseits die Bewahrung<br />

dieser Rechtsform für die bereits existierenden Gesellschaften<br />

nicht vorsieht.<br />

Was die Neugründung der Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung<br />

im rechtlichen Betätigungsfeld anbelangt, dürfen sie in<br />

der Rechtsform der Kapitalgesellschaften gegründet werden, aber<br />

die Bedingungen dafür wurden geändert, und zwar:<br />

1. alle ausländischen Gesellschafter müssen berechtigt sein, in<br />

ihrem Herkunftsland den Beruf des Rechtsanwalts bzw. -beraters<br />

auszuüben, oder müssen eine Gesellschaft mit Alleinbeteiligung<br />

von solchen Personen bilden; alle polnischen Gesellschafter müssen<br />

dagegen Rechtsanwälte bzw. -berater sein;<br />

2. ausländische Gesellschafter müssen die Reziprozität seitens<br />

ihres Herkunftsstaates aufweisen, und im Falle der Gesellschaften,<br />

die selbst Gesellschafter sind, seitens des Staates, wo sie ihren<br />

Sitz haben;<br />

3. polnische Rechtsanwälte und Rechtsberater können rechtliche<br />

Tätigkeiten in diesem Gesellschaften nur dann ausüben, wenn<br />

sie selbst Gesellschafter sind.<br />

Es ist also offensichtlich, daß die neue Regelung keine Investoren<br />

zur Gründung und Beteiligung an der Gesellschaft zuläßt, welche<br />

nicht die entsprechende berufliche Befähigung haben, wodurch<br />

der Empfänger einer rechtlichen Dienstleistung – der Mandant –<br />

besser geschützt werden soll. Die Regelung verbietet auch, polnische<br />

Rechtsanwälte und -berater als Angestellte anzustellen, was<br />

ohne Zweifel zur Stärkung ihrer Position in Gesellschaften mit ausländischer<br />

Beteiligung beiträgt.<br />

Zusammenfassend kann man also feststellen, daß neue Lösungen,<br />

die die Aktivität der Gesellschaft mit ausländischer Beteiligung<br />

im Bereich der rechtlichen Tätigkeiten regeln, mehr restriktiv<br />

und weniger günstig für ausländische Investoren sind als die bisher


AnwBl 4/99 201<br />

Aufsätze l<br />

geltenden Vorschriften. Deswegen kann man Bedenken haben, ob<br />

sie nicht mit Art. 44 Abs. 2 des Assoziierungsabkommens, der die<br />

stand still-Regel enthält, im Widerspruch stehen. Lassen Sie mich<br />

daran erinnern, daß diese Regel besagt, daß Polen keine neuen<br />

Maßnahmen treffen darf, welche die ausländischen Investoren gegenüber<br />

polnischen benachteiligen würden. Meiner Meinung nach<br />

sind diese Bedenken eher unbegründet. Man soll nämlich nicht vergessen,<br />

daß ähnliche, manchmal sogar weitergehende Einschränkungen<br />

auch im Bezug auf polnische Investoren eingeführt worden<br />

sind. Art. 10 Abs. 1 besagt hierzu ausdrücklich, daß polnische Investoren,<br />

welche bis jetzt ihre rechtliche Tätigkeit in der Rechtsform<br />

der Gesellschaft ausgeübt haben, sich ebenfalls der neuen Regelung<br />

anpassen müssen, dabei beträgt die Übergangszeit in ihrem<br />

Fall nur ein Jahr – wesentlich weniger als für ausländische Investoren.<br />

Darüber hinaus wurde ihnen die Möglichkeit einer Ausübung<br />

der Tätigkeit in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft völlig entzogen.<br />

Die Kapitalgesellschaft ist auch für diejenigen polnischen<br />

Investoren unerreichbar, welche ihre Aktivität im Bereich der<br />

rechtlichen Tätigkeiten erst jetzt aufnehmen möchten. Aus den<br />

oben genannten Gründen kann die Regulierung nicht als eine Benachteiligung<br />

ausländischer Investoren gegenüber den polnischen<br />

betrachtet werden.<br />

VIII. Zusammenfassung<br />

Dies waren die Auszüge der neuen Regelung, die sich auf ausländische<br />

Investoren bezieht und die in der Novelle vom<br />

22. Mai 1997 zum Rechtsanwalt- und Rechtsberatergesetz sowie<br />

zu einigen weiteren Gesetzen formuliert wurde. Ich hoffe, daß Sie<br />

nach meiner Vorführung über ein mehr vollständiges Bild verfügen.<br />

Falls Sie Fragen oder Zweifel haben, stehe ich gerne bereit, sie<br />

beantworten zu versuchen.<br />

Zeitschriftenlektüre des<br />

Juristen<br />

Rechtsanwalt Dr. Karl Franke, Ellwangen<br />

I. Einleitung<br />

„Wissen ist Macht“; das wissen manche, seit Francis<br />

Bacon dieses heutzutage geflügelte Wort in seinem Werk<br />

„Novum organum“ 1 erfunden hat; viel zu wenigen Personen<br />

ist bewußt, daß Information heutzutage ein wichtiger,<br />

wenn nicht der bedeutsamste „Produktions“-Faktor ist. Der<br />

Begriff von der Informationsgesellschaft ist nicht zufällig<br />

gerade modern. Freilich ist nicht allein die Information bedeutsam,<br />

ihr besonderes Gewicht erhält sie durch die Menge<br />

heutzutage verarbeitbarer Daten und die Übermittlungsgeschwindigkeit.<br />

Als Beispiele seien genannt einmal die<br />

sog. „Just-in-time“-Produktion mit ihren rollenden Lagern,<br />

die penibelsten Austausch riesiger Datenmengen zwischen<br />

Lieferant und Abnehmer in kürzester Zeit verlangt. Daneben<br />

die „schlanke Produktion“, die mit ihrer dezentralisierten<br />

Informationsverarbeitung und Informationsbeschaffung<br />

wiederum größte übergeordnete Datensammlungen mit Datenverarbeitung<br />

und Datenweitergabe bedingt.<br />

Die „Produktions-Weise“ oder das Produktionsergebnis<br />

juristischer Tätigkeit sind seit längerer Zeit geringen Veränderungen<br />

zur Anpassung unterworfen; ihre Produktionsmittel<br />

sind der Sache nach ebenfalls seit langem gleich, jedoch<br />

ist hier ein immenses quantitatives Wachstum des Rechts in<br />

Form geschriebener rechtlicher Regelungen zu verzeichnen.<br />

Dies wirft natürlich die Frage auf, ob das Handwerkszeug<br />

der Juristen, gemeint hier vor allem im Gestalt von dessen<br />

Vermittlung durch Ausbildung und ihrer Inhalte, noch aktuell<br />

ist: Ich meine, nein! Dies kann in diesem Zusammenhang<br />

jedoch nicht vertieft werden.<br />

Wer sich bei seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt<br />

nicht hinreichend über die neuere Rechtsprechung der Gerichte<br />

aus den Fachgebieten, auf denen er beratend oder<br />

forensisch tätig ist, informiert, wird zu Recht mit dem Vorwurf<br />

konfrontiert, seine vertraglichen Pflichten verletzt zu<br />

haben!<br />

Richter haften für vergleichbares Fehlverhalten nicht.<br />

Sie sorgen nur dafür, daß andere haften müssen. Wenn sich<br />

ein Richter im <strong>Anwaltsblatt</strong> mit der Zeitschriftenlektüre der<br />

Rechtsanwälte befaßt, dann erwartet der die Zeitschrift lesende<br />

Rechtsanwalt subtile Ausführungen zur Haftung von<br />

Rechtsanwälten wegen der Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten<br />

durch mangelhafte oder mangelnde Information.<br />

So auch bei dem Beitrag Fischers 2 . Es erscheint mir aus<br />

der Sicht eines Anwalts 3 angebracht, hierzu einige Anmerkungen<br />

zu machen. Vorweg so viel: Die haftungsrechtlichen<br />

Aussagen Fischers sind m. E. zutreffend, die einschlägige<br />

Rechtsprechung und Literatur vollständig erfaßt. Wer<br />

die kleine Abhandlung mit ihrem prägnanten Titel „links<br />

liegen läßt“, ist auf eigenes Glück ein Narr 4 .<br />

II. Hauptteil<br />

1. Vergleichbare Ausgangslage – vergleichbare<br />

Konsequenzen?<br />

Es ist durchaus richtig: Die Informationsflut im juristischen<br />

Arbeitsleben ist erdrückend. Ein großer Teil dessen,<br />

was an Informationen vermittelt wird, ist überflüssig.<br />

Eine genaue Einschätzung der Menge dessen, was überflüssig<br />

sei, wird sich niemand zutrauen können. Ein nachdenklicher<br />

Ministerialbeamter von der Bundesfinanzakademie<br />

Siegburg 5 hat diesen „wertlosen“ 6 Teil „Informationsmüll“<br />

genannt.<br />

Mit diesem Informationsmüll verhält es sich wie mit all<br />

dem sonstigen Müll, den die Menschen produzieren. Es<br />

fehlt nur noch an einem „dualen System“. Der Müll muß<br />

zunächst gesammelt, dann nach Verwertbarkeit getrennt<br />

werden usw. Am Ende des Kreislaufs steht die „thermische“<br />

Verwertung 7 ohne Wiederkehr als anderer Artikel<br />

des Werkstoffes Papier, zwei- oder dreilagig.<br />

Der Informationsflut wird auch ein Richter nicht besser<br />

Herr als ein Rechtsanwalt. Er genießt freilich einen fundamentalen<br />

und entscheidenden Vorteil: Über ihm kreist keine<br />

Schar schwarzer Geier, die sich mit Wonne auf ihn stürzen,<br />

wenn er unachtsam wäre. Seine Entscheidungen werden<br />

rechtskräftig oder, was unter finanziellen Aspekten noch<br />

weit schädlicher für die Parteien sein kann, werden in der<br />

1 Francis Bacon, Novum organum, Kap. I, 3; der vollständige Text des Zitates<br />

lautet „Nam et ipsa scientia potestas est. Scientia et potentia humana in idem<br />

coincidunt, quia ignoratio causae destituit effectum“.<br />

2 Abgedruckt in AnwBl 1993, 597, vgl. auch den Beitrag „Lesen-Management“,<br />

AnwBl 1994, S. XXIV von Michelmann.<br />

3 Übrigens Kommilitone des Richters Fischer.<br />

4 Ich möchte eindringlich auf den Text in der Fußnote 4 im Beitrag Fischers verweisen.<br />

5 Helsper, BB 1992, 1500.<br />

6 Wertlos in Hinsicht auf die Verwertbarkeit für einen „gewöhnlichen“ Rechtsanwalt<br />

mit Allgemeinpraxis. Andere, wie z. B. Informationswissenschaftler, werden<br />

dies zu Recht abweichend beurteilen.<br />

7 Welche eine geniale Umschreibung für Müll-Verbrennung; zu der herrschenden<br />

Sprachverwirrung vgl. R. Olt, Wörter und Unwörter, F.A.Z. Nr. 30 vom<br />

5.2.1994, S. 1.


202<br />

l<br />

Rechtsmittelinstanz aufgehoben. Die Arbeitswissenschaftler<br />

würden diesen eminent bedeutsamen Befund als „Abstraktion<br />

der Tätigkeit vom Arbeitsergebnis, dem Produkt<br />

der Arbeit“ beschreiben 8 .<br />

2. Rechtsanwaltstypen – Richtertypen<br />

In der Bundesrepublik gibt es 1999 ca. 100.000 Rechtsanwälte,<br />

ca. 26000 Richter und Staatsanwälte; etwa 10.000<br />

Absolventen der juristischen Ausbildung kommen in den<br />

nächsten Jahren hinzu.<br />

Von den 100.000 Rechtsanwälten sind mindestens 75 %<br />

verhinderte Richter; sie sind an der alles entscheidenden<br />

Meßlatte für die Einstellung in den Richterdienst, ihren Ergebnissen<br />

der juristischen Staatsexamina, gescheitert. Wer<br />

das Ziel nicht erreicht, geht – genügen die Ergebnisse „wenigstens“<br />

hierfür – in die öffentliche Verwaltung, zum<br />

Landratsamt, der Finanzverwaltung usw. Das warme, weiche<br />

Wams des öffentlichen Dienstes, dazu Besoldung nach<br />

R 1, dies hat geradezu magische Anziehungskraft. Bei vielen<br />

kommt die – nicht falsche – Einschätzung hinzu, die<br />

Arbeitszeiten und die Leistungsanforderungen seien, weil<br />

(selbst) kalkulierbar, erheblich geringer.<br />

Dieser Umstand ist voranzustellen, weil es den Rechtsanwaltstypus,<br />

zu Anbeginn der Berufstätigkeit und damit<br />

für zahlreiche Kollegen, gar nicht geben kann, mit vielen<br />

Auswirkungen auf die Berufsausübungsfähigkeit dieser<br />

„zum Richteramt Befähigten“.<br />

Ich unterscheide hier vier Typen von Rechtsanwälten,<br />

was die Informationsbeschaffung anbelangt:<br />

a) den Ahnungslosen,<br />

b) den Vielbeschäftigten,<br />

c) den Spezialisten und<br />

d) den Ignoranten.<br />

a) Der Ahnungslose ist regelmäßig bei den anwaltlichen<br />

„Neulingen“ anzutreffen. Sein Einkommen erlaubt ihm<br />

nicht, Zeitschriften zu abonnieren, aktuelle Kommentare zu<br />

kaufen usw.<br />

Regelmäßig richtet er keinen oder wenig Schaden in,<br />

weil er für die ihm zuwachsenden Fälle mit Alt-Auflagen<br />

von Palandt und Dreher/Tröndle, dem nicht nachsortierten<br />

Schönfelder und den Skripten von Alpmann/Schmidt o. ä.<br />

hinreichend ausgestattet ist. Unter Entbehrungen angespart<br />

und gekauft hat er sich ein Prozeß-Formularbuch, sozusagen<br />

als „geistige“ Gehhilfe beim Laufenlernen. Die Forderung<br />

der Rechtsprechung, er müsse anwaltlichen Sorgfaltspflichten<br />

gemäß die NJW lesen, ist weltfremd.<br />

Dieser Kollege hätte wohl Zeit zur Lektüre, er kauft die<br />

NJW jedoch, so jedenfalls meine Ergebnisse eigener Feldforschungen,<br />

aus Kostengründen nicht.<br />

b) Der Vielbeschäftigte hat keine Zeit, sich zu informieren.<br />

Er hätte ausreichend Geld, sich das nötige Informationsmaterial<br />

zu kaufen, er findet aber wegen seiner falschen<br />

Arbeitsplanung und -organisation keine Zeit, das Informationsmaterial<br />

auszuwerten, obwohl er weiß, daß er dies eigentlich<br />

müßte und ihm dies auch „Gewinn“ für seine tägliche<br />

Arbeit brächte.<br />

Dieser Kollege müßte seine Arbeits-Organisation ändern.<br />

Oft hilft hier ein altes Rezept von Lehrstrategen und<br />

Zeit-Managern: Ein fester Zeitraum, etwa freitags 18 Uhr<br />

bis 19.30 Uhr wird für die – wenigstens grobe – Zeitschriftenschau<br />

von vornherein und unabänderlich reserviert.<br />

c) Der (Lese-) Spezialist ist der ärmste Tropf unter unseren<br />

Vieren. Er ist ein Viel-Leser. Er hechelt jeder Recht-<br />

AnwBl 4/99<br />

Aufsätze<br />

sprechungsänderung hinterher, prüft neueste Aspekte aus<br />

europarechtlicher Sicht auch dann, wenn er eine rein „deutsche“<br />

Rechtssache vor sich hat. Er verschleißt sich in seinem<br />

Bestreben, immer „on top“ zu sein. Jedes Problem<br />

analysiert er anhand einer „Entscheidung des BGH, vor kurzem<br />

ergangen – ich teile Ihnen die Fundstelle gerne mit“;<br />

auf den Anruf wartet man im allgemeinen vergeblich.<br />

Nachgefragt ergibt sich, daß die Entscheidung auf den zu<br />

bearbeitenden Fall nicht paßt. Dieser Kollege ist der Musterschüler,<br />

für den der BGH seine Entscheidungen über<br />

den Inhalt anwaltlicher Sorgfaltspflichten bei der Fach-Information<br />

gemacht hat. Ihm entgeht nichts – ob ihm daneben<br />

noch Zeit bleibt, seine Mandanten mit ökonomisch<br />

sinnvollen Problemlösungen zu „versorgen“, daran wage<br />

ich zu zweifeln.<br />

d) Der Ignorant (hier im eigentlichen Wortsinne, also<br />

nicht abwertend gemeint) ist fraglos der angenehmste unter<br />

den Kollegen. Informations-„Probleme“ plagen ihn – offenkundig<br />

– nicht. Oft ist er ein besserer Schauspieler als Kollegen<br />

der Typen a –c, der seine „Lücken“ gekonnt kaschiert.<br />

Seine Mandanten sind deswegen mit ihm zufrieden, er hat<br />

Erfolg.<br />

Gerichte bringt er manchmal zur Verzweiflung, gleichermaßen<br />

Kollegen, Gerichtsvollzieher oder Notare: Sie alle<br />

werden beiläufig um die notwendigen Informationen „angehauen“.<br />

Haftungsrisiken belasten ihn nicht. Irgendwie kommt<br />

ein Kunstgriff zur Anwendung, der das Unheil gerade noch<br />

abwendet.<br />

Der „ideale“ Kollege ist die Mischung aller vier vorgestellten<br />

Typen, die hier natürlich überzeichnet sind.<br />

In der Wirklichkeit gibt es den ausschließlich einem Typ<br />

zuzuordnenden Kollegen natürlich nicht, und das ist auch<br />

gut so.<br />

Auch die Juristen-Kollegen im Richteramt lassen sich –<br />

notgedrungen auch hier überzeichnet – bei ihrer Informationsbeschaffung<br />

in diverse Typen einteilen. Auch bei ihnen<br />

trifft man die bei Rechtsanwälten vorgestellten Typen an;<br />

jedoch ist hier der bereits in der Einleitung (unter I.) beschriebene<br />

grundsätzliche Unterschied zu beachten: Die<br />

Richter „erfinden“ erst die Sorgfaltspflichten, die dem<br />

Rechtsanwalt im konkreten Fall das Genick brechen können;<br />

sie haben in der Regel eine Bibliothek kostenlos zur<br />

Verfügung, ihnen kann, wenn sie dennoch – wie öfter – in<br />

Hinsicht der Informationsbeschaffung faul sind, keiner etwas;<br />

auf die institutionellen Unterschiede der ausgeübten<br />

Berufe (öffentlicher Dienst – freier Beruf) mit ihren unterschiedlichen<br />

Arbeitsbedingungen weise ich nur ergänzend<br />

hin; für entscheidend halte ich den Unterschied in der zur<br />

Informationsbeschaffung durch Zeitschriften-Lektüre verfügbaren<br />

Zeit.<br />

Ich bin mir natürlich darüber im klaren, daß ich mit der<br />

Behauptung, Richter hätten mehr Zeit als Rechtsanwälte,<br />

Zeitschriften zu lesen (mindestens beinahe) eine Ehrverletzung<br />

begehe. So weit allerdings nur die offizielle Reaktion.<br />

Spricht man mit Richter-Kollegen, ohne ein Blatt vor den<br />

Mund nehmen zu müssen, dann wird meine These rundum<br />

bestätigt!<br />

8 Ein Hinweis auf die Bestrebungen zur „lean production“ der Automobil-Industrie<br />

sei erlaubt; ihr Ziel ist es gerade, diese durch extrem durchorganisierte<br />

Fließbandarbeit entfallene Produkt- (d. i. Kosten) Verantwortung wieder zu beleben;<br />

vgl. Schaub u. a., BB 1993, Beilage 15.


AnwBl 4/99 203<br />

Aufsätze l<br />

Ich unterscheide also:<br />

a) den Desinteressierten,<br />

b) den Alles-Besserwisser,<br />

c) den Informierten.<br />

Auch hier wird der „normale“ Kollege wieder eine gute<br />

Kombination aller drei Typen sein.<br />

a) Der Desinteressierte hat seine letzte juristische Abhandlung<br />

zur Vorbereitung seines 2. juristischen Staatsexamens<br />

gelesen. Er arbeitet mit antiquierten Auflagen von<br />

Palandt und Zöller oder Dreher/Tröndle und Kleinknecht/<br />

Meyer, wenn er denn überhaupt Literatur zu Rate zieht. Andere<br />

Rechtsprechung als die des zuständigen Landgerichts<br />

bzw. Oberlandesgerichts interessiert ihn nicht. Hinweise<br />

auf Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen wie dem zu<br />

entscheidenden werden, hat man im Prozeß mit ihm zu tun,<br />

mit abwertender Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen.<br />

Dieser Kollege ist – im Grunde – für alle Prozeßbeteiligten<br />

eine Qual; er verhindert von vornherein jede sinnvolle und<br />

angemessene Entscheidung, bei der neue Wege beschritten<br />

werden müssen – und das ist oft der Fall.<br />

b) Der Alles-Besserwisser liest viel oder gibt es wenigstens<br />

vor; er liest allerdings zu viel, zu ungenau oder versteht<br />

das Gelesene falsch. Seit er den Ölwechsel am Familien-Passat<br />

selbst vorgenommen und ein Haus gebaut hat,<br />

fühlt er sich als Spezialist in allen Lebenslagen, insbesondere<br />

auch in Fragen, die besondere technische Sachkunde<br />

verlangen. Eine Frage nach der Sachkunde des Richters bei<br />

einer Feststellung zu schwierigen technischen Fragen wurde<br />

einmal mit entwaffnender Offenheit – bejahend – beschieden<br />

wie folgt: „Man fahre schließlich selbst Auto“!<br />

Der Alles-Besserwisser ist im vorliegenden Zusammenhang<br />

streng genommen falsch angesiedelt; bei ihm ist nicht<br />

die Informationsbeschaffung das Problem, sondern sein<br />

Charakter. Man könnte ihn als die mißlungene Variante des<br />

sogleich unter c) folgenden Typen ansehen.<br />

Ein Beispielsfall:<br />

Ein Richter konfrontiert den Rechtsanwalt zur Stützung<br />

einer Auffassung mit einer Publikation des Rechtsanwalts<br />

selber. Die aus dem Zusammenhang gerissene Stelle ist inhaltlich<br />

für den zu entscheidenden Fall nicht passend.<br />

Dennoch läßt sich der Richter auch von dem quasi authentischen<br />

Interpreten nicht überzeugen.<br />

Solche Kollegen kann man natürlich auch im Lager der<br />

Rechtsanwälte antreffen. Originalzitat: Bei vergleichbarer<br />

Rechtslage hat das OLG soeben in einem von mir geführten<br />

Rechtsstreit meine Ansicht bestätigt; außerdem auch der<br />

Referent einer von mir besuchten Fortbildung.<br />

c) Diesen Typen vorzustellen lohnt sich, denn es gibt ihn<br />

nicht sehr häufig.<br />

Auch „einfache“ Fälle löst er mit der gebotenen Gründlichkeit<br />

und dem erforderlichen Tiefgang. Er erzielt bei den<br />

Prozeßparteien deswegen hohe Akzeptanz, weil er ihnen<br />

auf der Basis sicherer Information die Möglichkeit zu Diskussion<br />

und Argumentation gibt. Ohne Geschrei und mit<br />

großer Selbstsicherheit führt er seine Verhandlungen durch.<br />

Vergleichsversuche werden beendet, wenn sie nur noch<br />

zwanghaft und mit Druck weiterzuführen wären, weil er<br />

überzeugend zu urteilen vermag. Den armseligen Hinweis<br />

auf die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung nimmt er<br />

mit Ruhe und gelassen zur Kenntnis – mehr nicht.<br />

Die Vorstellung verschiedener Juristen-Typen aus der<br />

täglichen juristischen Praxis mag überraschend sein. Sie<br />

kann – notgedrungen – nur typisierend und generalisierend<br />

sein. Wer mit der Einteilung nicht „zufrieden“ ist, mag sie<br />

ändern oder ergänzen. Er mag sie auch anders benennen:<br />

Was bleibt, ist die Tatsache, daß alle Änderungen in der<br />

Darstellung an dem Problem nichts ändern: Wie beschaffen<br />

sich Juristen ihre Informationen, wie gehen sie mit ihnen<br />

um, wie verwerten sie sie usw. Es ist in der modernen Informationswissenschaft<br />

inzwischen eine banale Erkenntnis,<br />

daß natürlich unser Charakter, unsere Stellung usw., die äußeren<br />

und inneren Umstände eben, unser „Vorverständnis“,<br />

unsere Informationsbeschaffung und auch -verwertung lenken.<br />

Ich bin deswegen der Auffassung, daß, alle vordergründigen<br />

Ursachen mangelnder Information beachtend, der<br />

Grund für mangelhafte Informationsbeschaffung und -verwertung<br />

im Unverständnis für den richtig eingeschätzten<br />

Wert von Informationen liegt.<br />

Womit wir wieder bei dem Ausgangspunkt dieser Darstellung<br />

angelangt wären: Man muß sich bewußt machen,<br />

daß richtige und umfassende Information Erfolg und deswegen<br />

Macht bedeutet. Wer dies verstanden hat, der begreift<br />

und weiß auch relativ schnell, welche Informationen<br />

er sich beschaffen muß, welche Zeit er aufwenden muß und<br />

wie er diese Informationsbeschaffung lenken muß.<br />

Die tägliche Praxis lehrt: Wer dieses Bewußtsein hat,<br />

der muß seinen Informationsbedarf eher zügeln und in verträgliche<br />

Bahnen lenken. Zuviele Informationen gibt es<br />

dann (beinahe) nicht.<br />

III. Schluß<br />

Und was bleibt nach alledem am Schluß als Feststellung<br />

übrig:<br />

Die größte Gefahr für alle Juristen bei ihrer Berufsausübung<br />

ist die Selbstgefälligkeit und Bequemlichkeit, die<br />

häufig durch Routine verursacht oder gar verstärkt wird.<br />

Selbstgefälligkeit („mich kann nichts mehr überraschen“)<br />

und Bequemlichkeit („das bringt mir nichts mehr – es geht<br />

auch so“) verhindern, daß wir an jedem neuen Fall seine Eigenheiten<br />

wahrnehmen (wollen). Wenn diese Eigenheiten<br />

gesucht und beachtet werden, dann wird schnell das Bedürfnis<br />

offenkundig, seine Rechtskenntnise erneut daraufhin<br />

zu überprüfen, ob sie auf diesen Fall noch „passen“.<br />

Diese Überprüfung zwingt sodann dazu, neue Informationen<br />

in Gestalt neuer Rechtsprechung und neuen Schrifttums<br />

zu sichten und auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen.<br />

Der Rechtsanwender bleibt bei diesem Vorgehen auf dem<br />

Laufenden, zugleich steuert er den Informationsfluß durch<br />

den jeweiligen Fallbezug.<br />

Wer sich in der gestaltenden Beratung sicher bewegen<br />

will, wird ohnedies seine Informationspolitik ganz anders<br />

gestalten, als hier beschrieben. Für solche Kollegen werden<br />

deswegen die vorgestellten Probleme nur beschränkt verständlich<br />

sein.


204<br />

0<br />

Der Traum<br />

vom „freien“<br />

Mitarbeiter (Nr. 2)<br />

Im Januar-Heft des <strong>Anwaltsblatt</strong>es habe<br />

ich über das „Gesetz zu Korrekturen in der<br />

Sozialversicherung und Versicherung der<br />

Arbeitnehmerrechte“ berichtet. Ich erhielt<br />

zahllose Anrufe von Kollegen, von denen<br />

viele entgeistert die Frage stellten, ob das<br />

Gesetz denn wirklich in Kraft getreten sei.<br />

Es ist! Der Gesetzgeber hat seine „Brutalpädagogik“,<br />

über die ich unter obigem Titel<br />

schon im AnwBl 1992, Seite 212 berichtet<br />

hatte, auf die Spitze getrieben. Bei den erwähnten<br />

Anrufen war ich in der Situation<br />

des Boten, der jedenfalls im Mittelalter als<br />

Überbringer einer schlechten Nachricht vorsorglich<br />

erschlagen worden ist. Aber es<br />

hilft nichts: Das Gesetz ist in Kraft. Wir<br />

haben mit ihm zu leben. Das gilt unabhängig<br />

von der Rechtslage, die bis zum Jahreswechsel<br />

gegolten hat.<br />

Zur Erinnerung: Ab dem Neujahrstag<br />

ist gemäß § 7 Abs. 4 SGB IV in vollem<br />

Umfang sozialversicherungspflichtig, wer<br />

erwerbsmäßig tätig ist und im Zusammenhang<br />

mit seiner Tätigkeit mit Ausnahme<br />

von Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen<br />

Arbeitnehmer beschäftigt<br />

sowie regelmäßig und im wesentlichen nur<br />

für einen Auftraggeber arbeitet. Zwar bewirkt<br />

dies nur eine gesetzliche Vermutung,<br />

die widerlegt werden kann. Diese Widerlegung<br />

wird aber in vielen Fällen schwierig<br />

sein, da zwei weitere Tatbestandsmerkmale<br />

(für Beschäftigte typische Arbeitsleistung<br />

und mangelndes Auftreten am Markt) zur<br />

Erfüllung der Vermutung ebenfalls ausreichen.<br />

Und: wer die Vermutung widerlegt<br />

hat, wird von § 2 Nr. 9 SGB VI eingefangen,<br />

wonach jedenfalls BfA-pflichtig ist,<br />

wer – wenn auch selbständig – ohne versicherungspflichtigen<br />

Arbeitnehmer regelmäßig<br />

und im wesentlichen nur für einen<br />

Auftraggeber tätig ist. Er ist dann „arbeitnehmerähnlicher<br />

Selbständiger“.<br />

Was tun? Zunächst einmal: den<br />

Gesetzestext selbst noch einmal gründlich<br />

lesen (eine kleine Broschüre ist unter<br />

http:\www.bma.bund.de abrufbar). Dann<br />

aber auch die §§ 28a bis 28 p (vor allem<br />

letzeren) zur Kenntnis nehmen, auch § 107<br />

SGB IV und die Beitragsüberwachungsverordnung<br />

(BGBl. 1997 I, Seite 1930). Nur<br />

wer die Rechtsquellen kennt, kann richtig<br />

handeln. Wie ernst soll ich Meldepflichten<br />

nehmen? § 28 a Abs. 1 SGB IV verlangt<br />

nun einmal die Meldung aller „Kraft Gesetzes<br />

versicherten Beschäftigten“. Grundsätzlich<br />

sind das auch die Beschäftigten Kraft<br />

Vermutung. Wer also zwei vermutungsaus-<br />

lösende Merkmale kennt, muß melden. Im<br />

Zweifel spart die Meldung ohnehin größeren,<br />

wenn auch späteren Verdruß. Denn die<br />

Prüfer der Rentenversicherung (nicht mehr<br />

die AOK-Prüfer wie früher) prüfen umfassend<br />

und lückenlos – und dies nach § 28 p<br />

Abs. 1, Satz 1, 2. Halbsatz SGB IV alle vier<br />

Jahre. Immerhin haben diese Prüfer im Jahre<br />

1997 knapp 600 Millionen DM Beiträge<br />

für die Sozialversicherung nacherhoben.<br />

1.000 Prüfer waren dort im Einsatz, 1999<br />

sollen es 3.000 Prüfer sein. Da stellt sich<br />

schon die Frage, ob man nicht selbst vorsorglich<br />

von seinem Recht Gebrauch<br />

macht, im kürzeren Zeitabstand nach § 28 p<br />

eine Betriebsprüfung mit Feststellungsbescheid<br />

nach Abs. 1 S. 5 selbst zu verlangen,<br />

damit man Klarheit hat. Denn man<br />

wird kaum darauf zählen können, es werde<br />

alles nicht so heiß gegessen, wie gekocht.<br />

Natürlich gibt es erhebliche Mängel am<br />

Gesetz; es ist mit heißer Nadel gestrickt.<br />

Schon gibt es Äußerungen, die den Standpunkt<br />

vertreten, es komme nicht darauf an,<br />

ob man tatsächlich einen versicherungspflichtigen<br />

Arbeitnehmer beschäftige und<br />

ob man tatsächlich nur für einen Auftraggeber<br />

tätig ist. Nach dieser Meinung reicht<br />

es aus, wenn man nur berechtigt ist, einen<br />

eigenen Arbeitnehmer zu beschäftigen und<br />

mehrere Auftraggeber zu haben. Wird man<br />

damit durchkommen? Bescheide über die<br />

Nachzahlung angeblich rückständiger Beiträge<br />

sind – wie bei allen Abgaben – im<br />

allgemeinen sofort vollziehbar; die höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung wird mit der<br />

Klärung der Zweifelsfragen Jahre in Anspruch<br />

nehmen. Völlig offen ist: hat das<br />

Gesetz arbeitsrechtliche Auswirkungen? Es<br />

beschränkt sich zwar auf die Sozialversicherung<br />

– aber werden die Arbeitsgerichte<br />

das auch so sehen? Warum nimmt<br />

man mit dem Gesetz die Erschwerung von<br />

Existenzgründungen in Kauf – die nun einmal<br />

durchaus auch mit einem einzigen Auftraggeber<br />

ohne Angestellte vonstatten gehen?<br />

Natürlich gibt es auch<br />

verfassungsrechtliche Bedenken. Wie ist es<br />

zu rechtfertigen, daß ich selbständig bin,<br />

wenn ich einen versicherungspflichtigen<br />

Auszubildenden beschäftige, abhängig beschäftigt<br />

jedoch dann, wenn ich nur meine<br />

Ehefrau anstelle? Wieso eigentlich konnte<br />

man Handelsvertreter ausnehmen mit dem<br />

Argument, sie seien traditionell selbständig<br />

tätig, andere Berufsgruppen jedoch nicht?<br />

Sicher ist das Bundesverfassungsgericht<br />

wird beschäftigt werden. Möglicherweise<br />

wird man auch noch Gesetzänderungen erleben.<br />

Aber an der Grundtendenz des Gesetzes<br />

wird das nichts ändern. Denn letztlich<br />

ist das Gesetz nur ein Schritt in eine<br />

Richtung, die in nicht ferner Zukunft die<br />

Versicherungspflicht aller, auch der Selbständigen,<br />

jedenfalls in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung zum Ziel hat.<br />

AnwBl 4/99<br />

Drei Aspekte sind für uns Anwälte von<br />

Bedeutung:<br />

a) Gleich, welche Lösungen man in Sozietätsverträgen<br />

und Vertragsverhältnissen<br />

wählt: zwischen dem selbständigen Unternehmer<br />

einerseits und dem abhängig beschäftigten<br />

Angestellten andererseits gibt<br />

es kein Zwischending mehr. Mit einem<br />

Graubereich kann nicht mehr gerechnet<br />

werden. Die Traumgefilde des Freien Mitarbeiters<br />

sind geschlossen. Der Gesetzgeber<br />

will ein Entweder/Oder.<br />

b) Auch Selbständige beginnen in den<br />

Sog jedenfalls der Rentenversicherung zu<br />

geraten. Das bestätigt die Richtigkeit des<br />

bei der Schaffung von Versorgungswerken<br />

herrschenden Grundgedankens. Das Gesetz<br />

gibt ein positives Signal: echte Selbständigkeit<br />

ist auch für Berufsanfänger mehr als<br />

bisher gefragt!<br />

c) Soweit unsere Mandanten betroffen<br />

sind, ist das Gesetz ein gigantisches Beschäftigungsprogramm<br />

für Anwälte.<br />

Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Hechingen,<br />

Vizepräsident des DAV


AnwBl 4/99 205<br />

5 %<br />

Parlamentarischer Abend des Deutschen Anwaltvereins 1999<br />

Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin<br />

In diesem Jahr hatte der Parlamentarische<br />

Abend, der traditionell zum Programm<br />

der Frühjahrssitzung des Vorstandes<br />

des Deutschen Anwaltvereins gehört,<br />

einen zusätzlichen Reiz. Der Regierungswechsel<br />

bringt es mit sich, daß andere<br />

Persönlichkeiten und Formationen die<br />

Akzente setzen. So war es denn eine große<br />

Freude für den Vorstand, eine große<br />

Zahl der Mitglieder des Deutschen Bundestages,<br />

angeführt von dem Vorsitzenden<br />

des Rechtsausschusses, Prof. Dr.<br />

Rupert Scholz, zu begrüßen. Ein besonderes<br />

Willkommen galt auch der Bundesministerin<br />

der Justiz Prof. Dr. Herta<br />

Däubler-Gmelin.ZuAnfangeinerLegislaturperiode<br />

ist noch nicht die Zeit, im<br />

Gespräch ernst, gelegentlich auch fordernd,<br />

speziellere Fachfragen oder Partikel<br />

von Gesetzentwürfen zu erörtern,<br />

sondern es herrscht ein heiterer und die<br />

Dinge großzügig betrachtender Geist, der<br />

danach trachtet, auch in Zukunft eine<br />

angenehme, fruchtbare Atmosphäre der<br />

Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs<br />

zwischen Parlamentariern und<br />

Verband zu stiften. In diesem zweckvollen<br />

Rahmen hielten sich die Ansprachen<br />

von Dr. Michael Streck, Prof. Dr. Rupert<br />

Scholz und Prof. Dr. Herta Däubler-<br />

Gmelin die, schön anzuhören, künftige<br />

Aufgaben und Probleme bezeichneten<br />

und Perspektiven des Nachdenkens eröffneten.<br />

Bei dem parlamentarischen Abend<br />

tritt das Offizielle ganz zurück. Man<br />

spricht oder plaudert, zu zweit oder mehr<br />

bis in den späten Abend. So war es am<br />

24. Februar 1999.<br />

Parlamentarier und Vorstandsmitglieder im Gespräch<br />

Dr. Michael Streck, Prof. Dr. Rupert Scholz<br />

MN


206<br />

MN<br />

Anwaltstag 1999<br />

Grußwort<br />

des Bonner Anwaltvereins<br />

Bonn und seine hier praktizierenden<br />

Anwälte freuen sich, daß der<br />

50. Anwaltstag hier in Bonn stattfindet.<br />

Wir heißen Sie alle herzlich willkommen!<br />

Bonn stand und steht für über<br />

50 Jahre Aufbau eines demokratischen<br />

Staates, der maßgeblichen Anteil an<br />

der Ausdehnung zwischen Osten und<br />

Westen hatte und der auch dazu beitrug,<br />

das Haus Europa zu bauen.<br />

Sie kommen in einer spannenden<br />

Zeit – einer Zeit des großen Umbruchs –<br />

nach Bonn. Die Bundesregierung verzieht<br />

mit einigen Ministerien nach<br />

Berlin. In die Lücke stoßen zur Zeit an<br />

anderen Orten untergebrachte Bundesbehörden,<br />

insbesondere aber Unternehmen<br />

mit großen Zukunftsaussichten<br />

(Telekommunikation, Logistik,<br />

wissenschaftliche Forschung). Außerdem<br />

lassen sich immer mehr internationale<br />

Organisationen in Bonn nieder.<br />

Bonn und seine Umgebung meistert<br />

diesen Wechsel mit dem Charme und<br />

der Kompetenz seiner Einwohner.<br />

Hierbei kommt den in Bonn tätigen<br />

Rechtsanwälten eine besondere Rolle<br />

zu, da mit dem Umbruch natürlich<br />

eine Vielzahl von Problemen zu lösen<br />

ist, die von den Rechtsanwälten als<br />

kompetenten Beratern gelöst werden<br />

können. Die Bonner Rechtsanwälte<br />

stellen sich gerne dieser Herausforderung.<br />

Kommen Sie also nach Bonn! Lassen<br />

Sie sich von dem besonderen Flair<br />

mitreißen! Genießen Sie die wunderschöne<br />

Stadt mit ihren unendlichen<br />

kulturellen Highlights! Überzeugen<br />

Sie sich davon, daß eine Stadt mit einer<br />

über 2000jährigen Geschichte<br />

auch heute die ihr gestellten Heraus-<br />

forderungen annimmt und entstehende<br />

Probleme lost!<br />

Wir wünschen allen Teilnehmern<br />

und Besuchern wunderschöne Tage in<br />

Bonn!<br />

Robert Erdrich,<br />

Vorsitzender des Bonner Anwaltvereins e.V.<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong><br />

Ludwig Koch, Felix Busse<br />

Der aufmerksame Leser des<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong>es hat bemerkt, daß auf<br />

der Herausgeberleiste der Name Felix<br />

Busse an die Stelle des Namens Ludwig<br />

Koch getreten ist. Ludwig Koch<br />

hat über fast ein Jahrzehnt als liberaler<br />

und stets Spielraum gewährender<br />

Herausgeber viele Anregungen, Hilfen<br />

und Beiträge zur Gestaltung des<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong>es gegeben. Dafür dankt<br />

das <strong>Anwaltsblatt</strong> sehr. Es freut sich<br />

auf den neuen Herausgeber Felix Busse,<br />

der auf seine Art nicht minder tatkräftig<br />

sein wird.<br />

DAV international<br />

Präsidentenkonferenz<br />

der deutschsprachigen<br />

Anwaltsverbände<br />

Am 7. Dezember 1998 fand in Bremen<br />

auf Einladung des Präsidenten<br />

der Bundesrechtsanwaltskammer,<br />

Rechtsanwalt Dr. Eberhard Haas zum<br />

dritten Mal die sogenannte Präsidentenkonferenz<br />

der deutschsprachigen<br />

Anwaltsverbände und -kammern und<br />

des Nerderlandse Orde van Advocaten<br />

(NOVA) statt. Zu der Konferenz wird<br />

in einem jedes Jahr alternierenden<br />

Rhythmus abwechselnd vom DAV und<br />

der BRAK eingeladen. Ziel der Konferenz<br />

ist der mehr oder weniger informelle<br />

Austausch zwischen den Präsidenten<br />

der deutschsprachigen<br />

Anwaltsverbände und -kammern sowie<br />

des NOVA. Bei den teilnehmenden<br />

Staaten handelte es sich um die Niederlande,<br />

die Schweiz, Österreich,<br />

Liechtenstein und Deutschland.<br />

AnwBl 4/99<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Themenschwerpunkte waren u. a.<br />

die europäische Gesetzgebung zur<br />

Geldwäsche und Organisierten Kriminalität,<br />

die GATS 2000 – WTO-Liberalisierungsverhandlungen<br />

sowie der<br />

EU-Richtlinienentwurf zum Zahlungsverzug<br />

im Handelsverkehr.<br />

In bezug auf die gesetzgeberischen<br />

Aktivitäten der EU zur Geldwäsche<br />

und Organisierten Kriminalität war<br />

Tenor der Konferenz, daß man zwar<br />

die Notwendigkeit eines Tätigwerdens<br />

im Prinzip sehe, gleichwohl sich aber<br />

dagegen wende, daß nunmehr die freien<br />

Berufe in den Anwendungsbereich<br />

der geplanten Gesetzgebung fallen<br />

könnten. Es wurde allgemein als interessant<br />

empfunden, daß es in allen<br />

oben genannten Staaten inzwischen<br />

Gesetzgebung zur Geldwäsche gibt.<br />

Schließlich wurde eine sog. Charta der<br />

Europäischen Berufsverbände zur Bekämpfung<br />

der Organisierten Kriminalität<br />

erörtert. Diese Charta, eine von<br />

der Kommission der Europäischen<br />

Gemeinschaft geplante politische Absichtserklärung,<br />

sieht vor, daß die<br />

Pflicht für den Rechtsanwalt zur Niederlegung<br />

des Mandats schon bei dem<br />

bloßen Eindruck, der Rechtsanwalt<br />

könne für kriminelle Aktivitäten mißbraucht<br />

werden, besteht. Anders ausgedrückt<br />

genüge ein bloßer Verdacht<br />

des Anwaltes, sein Mandant könne etwas<br />

mit Geldwäsche zu tun haben, um<br />

eine Verpflichtung zur Niederlegung<br />

des Mandates zu konstatieren. Dies sei<br />

ein typisches Beispiel für ein Überdas-Ziel-Hinausschießen<br />

der europäischen<br />

Gesetzgebung, auch wenn es<br />

sich wie hier „nur“ um eine politische<br />

Erklärung handele. Allerdings sei offensichtlich,<br />

daß eine solche Erklärung<br />

lediglich dazu diene, das Terrain für<br />

künftige Richtlinien vorzubereiten.<br />

Es folgte ein Meinungsaustausch<br />

zu den im Jahr 2000 anstehenden Verhandlungen<br />

zum GATS (General<br />

Agreement on Trade in Services), die<br />

im Rahmen der Welthandelsorganisation<br />

(WTO) stattfinden werden. Bei<br />

diesen Verhandlungen wird es darum<br />

gehen, inwieweit Anwälten aus Mitgliedstaaten<br />

der WTO die Möglichkeit<br />

eröffnet werden soll, anwaltliche<br />

Dienstleistungen auf dem Gebiet eines<br />

anderen Staates zu erbringen.<br />

Die Haltung der deutschen Anwaltschaft,<br />

die bis auf einige deutsche Spezifika<br />

von den anderen anwesenden<br />

Nationen geteilt wurde, läßt sich wie<br />

folgt zusammenfassen:


AnwBl 4/99 207<br />

Aus der Arbeit des DAV MN<br />

Es besteht grundsätzlich ein Interesse<br />

daran, das vom EuGH gebilligte<br />

Rechtsberatungsgesetz zu erhalten.<br />

Auch nach bereits geltendem Recht<br />

(§ 206 II BRAO) kann nur derjenige<br />

als sog. Foreign Legal Consultant tätig<br />

werden, der auch die Qualifikation<br />

als Anwalt besitzt. Es ist erstrebenswert,<br />

daß dies auch durch die nun anstehenden<br />

Verhandlungen nicht geändert<br />

wird. Auch eine automatische<br />

Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs<br />

der drei europäischen<br />

Richtlinien über die anwaltliche<br />

Berufsausübung auf Anwälte aus<br />

Drittstaaten kommt aus deutscher<br />

Sicht nicht in Betracht. Außerdem<br />

sollte der Marktzugang nur auf der<br />

Basis von Niederlassung und nicht<br />

von Dienstleistung geschehen, da nur<br />

so die Kontrolle der Voraussetzungen<br />

für das Tätigwerden durch die örtlichen<br />

Aufsichtsorgane sichergestellt<br />

werden kann. Weiteres Petitum der<br />

deutschen wie europäischen Anwaltschaft<br />

ist, daß die Rechtsberufe bei<br />

den anstehenden Verhandlungen in<br />

Welthandelsorganisatiom nicht mit<br />

anderen Professionen gemeinsam beraten,<br />

sondern entsprechend ihres Gewichts<br />

und Besonderheit separat verhandelt<br />

werden. Es bleibt abzuwarten,<br />

wie sich die Verhandlungen entwikkeln<br />

werden. In diesem Zusammenhang<br />

ist anzumerken, daß sich der<br />

CCBE weitgehend für die gleichen<br />

Ziele einsetzt und dies als<br />

unmittelbarer Ansprechpartner für die<br />

v. l. n. r.: Deckers, Salditt, Dolmetscherin, Klein, Martin, Grant, White, Paisley, Blair<br />

Nordirische Kommission<br />

besucht den DAV<br />

Am 28. Januar diesen Jahres stattete<br />

eine Kommission nordirischer Justizbeamter<br />

und Barrister dem Deutschen<br />

Anwaltverein einen Besuch ab.<br />

Die Kommission, der u. a. der Leiter<br />

der Abteilung Strafrecht im britischen<br />

Nordirland-Ministerium, Mr. Brian<br />

White, der Rechtsberater des Justizministers,<br />

Mr. David Seymour und der<br />

ehemalige Vorsitzende des General<br />

Council of the Bar of Northern Ireland<br />

(Standesvertretung der Barrister in<br />

Nordirland) Mr. Eugene Grant QC, angehörten,<br />

hat die Aufgabe, die Strafgerichtsbarkeit<br />

in Nordirland zu über-<br />

prüfen. Es geht bei dieser Überprüfung<br />

langfristig um eine Reform des Strafrechtes<br />

in Nordirland, das zur Zeit<br />

noch sehr stark von den Erfahrungen<br />

im nordirischen Bürgerkrieg geprägt<br />

ist. Um die Reform so auszugestalten,<br />

daß sie einem modernen rechtsstaatlichen<br />

Standard genügt, hat sich die<br />

Kommission für insgesamt drei Tage<br />

in der Bundesrepublik aufgehalten.<br />

Nach Auskunft der Nordiren hielten<br />

sich zum gleichen Zeitpunkt mehrere<br />

andere nordirische Delegationen in<br />

anderen Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union auf, um gleiches in<br />

Erfahrung zu bringen.<br />

Die nordirische Kommission wurde<br />

von den Rechtsanwälten JR Professor<br />

Europäische Kommission bereits<br />

mehrfach deutlich artikuliert hat.<br />

Die nunmehr abgespeckte Fassung<br />

des Richtlinienentwurfs zum Zahlungsverzug<br />

im Handelsverkehr (vgl. AnwBl<br />

1998, 261 f.) wurde von den Teilnehmern<br />

einhellig begrüßt. Insbesondere<br />

wurde der Umstand für gut geheißen,<br />

daß den Inkassobüros nun doch keine<br />

Postulationsfähigkeit – und sei sie auch<br />

nur beschränkter Natur – zugewiesen<br />

wurde. Ebenso einhellige Zustimmung<br />

fand die Tatsache, daß die Richtlinie es<br />

den Mitgliedstaaten überlasse, weitere<br />

Schritte in bezug auf die Vertretung vor<br />

den Gerichten selbst zu regeln.<br />

Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M.,<br />

Bonn<br />

Dr. Franz Salditt, und Rüdiger Deckers,<br />

beide Mitglied im Strafrechtsausschuß<br />

des DAV, und dem Unterzeichner in<br />

seiner Eigenschaft als Leiter der internationalen<br />

Abteilung des DAV empfangen.<br />

Es fand ein reger Austausch über<br />

verschiedenste Themenbereiche, die<br />

im Zusammenhang mit der Reform<br />

des nordirischen Strafrechts stehen,<br />

statt. So wollten die Kollegen aus<br />

Nordirland insbesondere über den<br />

Aufbau der Strafgerichtsbarkeit und<br />

die Rechte der Verteidigung bzw. des<br />

Angeklagten in der Bundesrepublik<br />

unterrichtet werden. Auch wurden das<br />

Für und Wider des Geschworenensystems<br />

besprochen und mit dem inquisitorischen<br />

System der Bundesrepublik


208<br />

MN<br />

verglichen. Die Diskussion wurde dadurch<br />

geprägt, daß Großbritannien erst<br />

im Jahre 1998 die Europäische Menschenrechtskonvention<br />

(EMRK) ratifiziert<br />

hat und diese auch erst seit diesem<br />

Zeitpunkt innerstaatliche Wirkung<br />

hat entfalten können. Die Ratifizierung<br />

und die damit einhergehende teilweise<br />

Unvereinbarkeit des nordirischen Rechts<br />

mit den Rechtssätzen der EMRK war<br />

nach Auskunft der nordirischen Kollegen<br />

mitursächlich für das Einsetzen<br />

der Kommission.<br />

Andere, im Rahmen des Gesprächs<br />

diskutierte Themen, waren Strukturen<br />

und Regelungen im Bereich der Verbrechensverhütung/Schutz<br />

der Allgemeinheit,<br />

der Täter-Opfer-Ausgleich,<br />

die Jugendgerichtsbarkeit, das System<br />

der Haftentlassung von Strafgefangenen<br />

sowie Strukturen und Regelungen<br />

bei der Prüfung von Rechtsreformen.<br />

Bei letzterem kam v.a. die derzeit in<br />

der Bundesrepublik stattfindende Diskussion<br />

zur möglichen Änderung des<br />

Sanktionensystems im Strafrecht zur<br />

Sprache.<br />

Rechtsanwalt Andreas Klein, LL.M.,<br />

Bonn<br />

Anwaltauskunft<br />

Deutsche Anwaltauskunft –<br />

starke Nachfrage in der<br />

Bevölkerung und den Medien<br />

Die Deutsche Anwaltauskunft ist<br />

im Februar überaus erfolgreich gestartet.<br />

Im ersten Monat wurden bereits<br />

über 7.100 Anrufe bearbeitet. Dies<br />

zeigt, welch großes Bedürfnis in der<br />

Öffentlichkeit vorhanden ist, den passenden<br />

Anwalt benannt zu bekommen.<br />

Dieser größte Anwaltssuchdienst in<br />

der Bundesrepublik hilft, die bestehende<br />

Nachfrage nach anwaltlicher<br />

Dienstleistung mit dem bestehenden<br />

Angebot in Übereinstimmung zu bringen.<br />

Den größten Bedarf nach anwaltlicher<br />

Beratung gab es hier im Eheund<br />

Familienrecht, dem Sozialtrecht,<br />

Arbeitsrecht, Mietrecht und Verkehrsrecht.<br />

Aber auch nach kundigen Anwälten<br />

im Leasingrecht und Strafverteidigern<br />

wegen Haftsachen wurde<br />

gefragt. Die Palette der Nachfragen ist<br />

letztlich, wie die der anwaltlichen<br />

Dienstleistung, groß.<br />

Es gab auch schon bereits positive<br />

Reaktionen von Anwältinnen und An-<br />

wälten, die über die Deutsche Anwaltauskunft<br />

neue Mandate bekommen<br />

haben.<br />

Kleinere Startschwierigkeiten, die<br />

aufgetreten waren – so konnte zum<br />

Beispiel nur eine Fachanwaltschaft in<br />

den Daten enthalten sein – werden<br />

künftig ausgeräumt werden. Solche<br />

„Kinderkrankheiten“ lassen sich leider<br />

bei einer solch großen Unternehmung,<br />

wie der Etablierung der Deutschen<br />

Anwaltauskunft, nicht ganz vermeiden,<br />

werden aber abgestellt. Die Daten<br />

werden monatlich auf den neuesten<br />

Stand gebracht.<br />

Die Daten bezieht die Deutsche<br />

Anwaltauskunft von der Deutschen<br />

Anwaltadresse. In der Deutschen Anwaltadresse,<br />

der Anschriftenzentrale<br />

des Deutschen Anwaltvereins, werden<br />

die Daten gesammelt und gepflegt.<br />

Vier Mitarbeiter sind ständig damit befaßt,<br />

aufgrund der Mitteilungen der<br />

Rechtsanwaltskammern und insbesondere<br />

aufgrund der ständigen Änderungsanzeigen<br />

durch die Anwältinnen<br />

und Anwälte selbst, den Datenbestand<br />

zu aktualisieren. Monatlich werden ca.<br />

5.000 Datensätze aktualisiert, Adreßänderungen<br />

und Änderungen in den<br />

persönlichen Merkamalen eingepflegt,<br />

Neuzulassungen aufgenommen und<br />

die Rückgaben der Zulassung vermerkt.<br />

Der von der Deutschen Anwaltadresse<br />

(Tel.: 0228 /96365 –34, Fax:<br />

0228 / 96365 –36) vorgehaltende Datenbestand,<br />

dürfte der aktuellste Datenbestand<br />

der deutschen Anwaltschaft<br />

sein, den es überhaupt gibt. Das<br />

Procedere der Datenänderung ist in<br />

AnwBl. 1/99 Seite 27 f. beschrieben.<br />

Auch die Berichterstattung über die<br />

Deutsche Anwaltauskunft läuft erfolgreich<br />

weiter (siehe auch AnwBl 3/99,<br />

Seite 153 f.).<br />

So gab Rechtsanwalt Swen Walentowski,<br />

der Sprecher des Deutschen<br />

Anwaltvereins, am 18. Februar 1999<br />

dem Stadtradio Duisburg und am<br />

26. Februar 1999 dem Mitteldeutschen<br />

Rundfunk ein Interview zur<br />

Deutschen Anwaltauskunft. Hervorgehoben<br />

wurde hierbei die Bedeutung<br />

dieses neuen Service für die ratsuchenden<br />

Bürgerinnen und Bürger. Der<br />

Hauptvorteil der Deutschen Anwaltauskunft<br />

ist schließlich deren Datenbestand.<br />

Nur allein die Deutsche<br />

Anwaltauskunft ist in der Lage, flächendeckend<br />

Rechtsanwältinnen und<br />

Rechtsanwälte nach Rechtsgebieten zu<br />

benennen. Hierüber berichtete auch<br />

die Oldenburgische Volkszeitung am<br />

AnwBl 4/99<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

8. Februar 1999, die Oberhessische<br />

Presse am 6. Februar 1999, das Freie<br />

Wort am 4. Februar 1999 und die Peiner<br />

Allgemeine Zeitung am 10. Februar<br />

1999.<br />

Über die Werbepräsenz in Düsseldorfs<br />

Straßenbahnen der Deutschen<br />

Anwaltauskunft unterrichtete recht<br />

intern am 10. Februar 1999. Der Vorsitzende<br />

des Tübinger Anwaltvereins,<br />

Rechtsanwalt Horst Schmid, berichtete<br />

im Reutlinger General-Anzeiger vom<br />

15. Februar 1999, daß der entscheidende<br />

Vorteil der Deutschen Anwaltauskunft<br />

gegenüber der bisherigen, regionalen<br />

Auskunftsstelle sei, daß es jetzt<br />

anhand des Datenkatalogs der Deutschen<br />

Anwaltauskunft möglich wäre,<br />

bei ganz speziellen Fachgebieten Anwälte<br />

benannt zu bekommen. Auch<br />

sonst wäre das neue Angebot des DAV<br />

mehr als die lokalen Auskunftsstellen<br />

könnten. Über die zentrale Einrichtung<br />

hat der Ratsuchende jetzt auch die<br />

Möglichkeit, sich in einer fremden<br />

Stadt einen Anwalt z. B. für eine<br />

Erbschaftsangelegenheit zu besorgen.<br />

Über den Datenbankkatalog der Deutschen<br />

Anwaltauskunft, in dem ca. 170<br />

Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte<br />

verzeichnet sind, berichtete<br />

auch die Märkische Oderzeitung am<br />

15. Februar 1999. Dieser neue Service<br />

war auch Gegenstand eines Berichts<br />

im Schwäbischen Tagblatt am 13. Februar<br />

1999 und in der Bodensee Zeitung<br />

am 15. Februar 1999.<br />

Die Zeitschrift Motorrad informierte<br />

am 6. Februar 1999 ebenso wie<br />

Auto und Straßenverkehr am 17. Februar<br />

1999 ihre Leser. recht intern berichtete<br />

am 24. Februar 1999 darüber,<br />

daß die Deutsche Anwaltauskunft gut<br />

anlaufe. Weiter wird ausgeführt: „Die<br />

Deutsche Anwaltauskunft ist ständig<br />

bemüht, in Zusammenarbeit mit der<br />

Deutschen Anwaltadresse den Adressenbestand<br />

und auch die Schwerpunktgebiete,<br />

auf denen die registrierten<br />

Anwälte tätig sind, auf dem neuesten<br />

Stand zu halten. Mitglieder einer<br />

Arbeitsgemeinschaft im DAV werden<br />

selbstverständlich (ohnehin) berücksichtigt.<br />

Wer seine Daten überprüfen<br />

und ggf. ergänzen will, möge bei der<br />

Deutschen Anwaltadresse (Tel. 02 28/<br />

963 65-34) seinen Datenbogen abrufen.“<br />

Der Vorsitzende des Berliner Anwaltvereins,<br />

Rechtsanwalt Uwe Kärgel,<br />

informierte im Tagesspiegel am<br />

27. Februar 1999 die Leser über den<br />

neuen Verbraucher-Service. Über die<br />

Qualifikationsmerkmale sagte Kärgel:<br />

„Als Tätigkeitsschwerpunkt darf man


AnwBl 4/99 209<br />

Aus der Arbeit des DAV MN<br />

auch nur ein Gebiet angeben, auf dem<br />

man seit mindestens zwei Jahren nachhaltig<br />

tätig gewesen ist.“ Aus dem Tätigkeits-<br />

und Intressenschwerpunktkatalog<br />

dürfe man höchstes fünf<br />

Bereiche benennen. Eine Erleichterung<br />

dürfte die Kartei auch für Ausländer<br />

mit rechtlichen Problemen bringen,<br />

da auch die sprachlichen<br />

Qualifikationen der Rechtsanwältinnen<br />

und Rechtsanwälte gespeichert sind.<br />

Der Verfasser gab der Ostthüringer<br />

Zeitung Gera ein Interview, welches<br />

am 15. Februar 1999 abgedruckt<br />

wurde. Auch hier war der zentrale<br />

Punkt die Bedeutung des Datenbankkataloges<br />

mit der Folge, daß die Deutsche<br />

Anwaltauskunft von der Zugspitze<br />

bis zur Ostsee genutzt werden<br />

könne. Im übrigen sei es ausgeschlossen,<br />

daß ein Thüringer Ratsuchender<br />

an einen Anwalt aus Hamburg verwiesen<br />

werde, es sei denn, daß er dies<br />

wünscht.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der<br />

Öffentlichkeitsarbeit für die Deutsche<br />

Anwaltauskunft liegt in den vom PR-<br />

Referat herausgegebenen „Tips des<br />

Monats“. Dabei handelt es sich um in<br />

Verbrauchersprache gekleidete Rechtsfragen<br />

des alltäglichen Lebens. Auch<br />

diese fanden großen Anklang in der<br />

Presse:<br />

„Ältere Menschen, die ihren letzten<br />

Willen regeln wollen, greifen oft auf<br />

vertrauensvolle Hilfe aus dem Freundes-<br />

und Bekanntenkreis zurück. Wem<br />

das Schreiben schon schwerfällt, der<br />

freut sich über fremde Schreibhilfe.<br />

Dabei wird aber übersehen, daß dies<br />

in der Regel zur völligen Unwirksamkeit<br />

des Testamentes führt. Denn ein<br />

Testament muß insgesamt eigenhändig<br />

geschrieben sein“, berichtet ADN am<br />

8. Februar 1999. Die selbe Nachrichtenangentur<br />

vermeldet am 3. Februar<br />

1999: „Rauchen gefährdet die Gesundheit!“,<br />

so warnen die EU-Gesundheitsminister<br />

schon seit langem auf Zigarettenpackungen<br />

und Werbetafeln.<br />

Leidenschaftliche Raucher können<br />

dies kaum noch hören. Nun gibt es für<br />

die Freunde des blauen Dunstes einen<br />

kleinen Lichtblick. Das Landgericht<br />

Köln (AZ: 9 S 188/98) hat entschieden,<br />

daß selbst „starkes Rauchen den<br />

Geldbeutel des Mieters nicht gefährde,<br />

da selbst starkes Rauchen den Mieter<br />

nicht zur Renovierung verpflichte.“<br />

Diese Meldung fand Eingang in einen<br />

Bericht der Ostthüringer Zeitung<br />

vom 15. Februar 1999 und in den<br />

Nordkurier am 17. Februar 1999.<br />

Autofahrer sollten sich auch bei<br />

vermeintlich geringem Sachschaden<br />

nicht von einer Unfallstelle entfernen,<br />

berichtete die Braunschweiger Zeitung<br />

am 6. Februar 1999. Nach der<br />

Neufassung des Unfallfluchtparagraphen<br />

kann die Strafe zwar gemildert<br />

oder gar von Strafe abgesehen werden,<br />

wenn sich ein Unfallbeteiligter innerhalb<br />

von vier Stunden nachträglich<br />

meldet. Das gelte aber nur für Unfälle,<br />

die sich nicht im fließenden Verkehr<br />

ereignet haben, sondern etwa beim<br />

Einparken. Außerdem darf nicht mehr<br />

als 2.000 DM Schaden an dem fremden<br />

Fahrzeug entstanden sein. In den<br />

Genuß des Straferlasses kann nach<br />

Angaben des DAV auch nur kommen,<br />

wer sich freiwillig meldet.<br />

Ergänzende Sozialhilfe für Senioren<br />

könne auf die Kinder abgewälzt<br />

werden, berichtete die Pforzheimer<br />

Zeitung am 13. Februar 1999. Sie<br />

schließt mit der Feststellung: „Bei Fragen<br />

des Unterhalts sollte wegen der<br />

schwierigen rechtlichen Lage regelmäßig<br />

anwaltlicher Rat eingeholt werden.“<br />

Aus den „Tips des Monats“ wird<br />

ersichtlich, wie notwendig es ist, sich<br />

in vielen Dingen des alltäglichen<br />

Lebens von einem Rechtsanwalt beraten<br />

zu lassen. Diesen findet der Ratsuchende<br />

nun über die Deutsche<br />

Anwaltauskunft.<br />

PR-Referat<br />

Sog. Rechtsberatungs-Hotlines<br />

Gegenstand vieler Anfragen, auch<br />

bei solchen hinsichtlich der Deutschen<br />

Anwaltauskunft, war die Meinung des<br />

Deutschen Anwaltvereins hinsichtlich<br />

der telefonischen Rechtsberatung, sog.<br />

Hotlines. Der Deutsche Anwaltverein<br />

steht dieser Entwicklung positiv gegenüber.<br />

Eine Hotline kann ein Instrument<br />

sein, die Schwellenangst vor<br />

dem Besuch einer Anwaltskanzlei herabzusetzen.<br />

Oftmals geht es darum<br />

herauszufinden, ob der Ratsuchende<br />

überhaupt ein rechtliches Problem hat.<br />

Dies kann er leicht in einem kurzen<br />

Gespräch mit einem Anwalt am anderen<br />

Ende der Leitung feststellen.<br />

Davon zeugt die durchschnittliche Gesprächsdauer<br />

der verschiedenen Anbieter<br />

von ca. sechs Minuten. Die telefonische<br />

Rechtsberatung kann auch<br />

den Weg in eine Anwaltskanzlei weisen.<br />

Allerdings eigne sich eine Hotline<br />

nur für eine bestimmte Art von Fällen,<br />

führte der Hauptgeschäftsführer des<br />

Deutschen Anwaltvereins, Dr. Dierk<br />

Mattik, im WDR Fernsehen in der<br />

Sendung „Servicezeit Geld“ am 18. Februar<br />

1999 aus. Es dürfe sich um nur<br />

um „einfache“ Fälle handeln, da oftmals<br />

die Vorlage von Urkunden, intensivere<br />

Gespräche u. ä. notwendig<br />

wäre. So äußerte sich auch der Sprecher<br />

des Deutschen Anwaltvereins,<br />

Rechtsanwalt Swen Walentowski, im<br />

MDR am 26. Februar 1999. Die Telefongebühren<br />

würden auch nicht von<br />

einer späteren Beratung umfaßt, berichtete<br />

die FAZ am 20. Februar 1999.<br />

Aufhebung der Zusammenlegung<br />

von Innen- und Justizministerium<br />

in NRW<br />

Außerordentlich begrüßt wurde das<br />

Urteil des Verfassungsgerichtshofs für<br />

das Land Nordrhein Westfalen, daß die<br />

Zusammenlegung des Innen- und des<br />

Justizministeriums in Nordrhein-Westfalen<br />

für verfassungswidrig erklärt hat.<br />

Zunächst wollte es der Ministerpräsident<br />

Wolfgang Clement allerdings bei<br />

der „Behrens-Lösung“ belassen, wobei<br />

Fritz Behrens das Justizministerium<br />

lediglich kommissarisch geleitet hätte.<br />

Der DAV forderte, hier zügig einen<br />

zweiten Minister zu ernennen, berichtete<br />

dpa am 10. Februar 1999. Bekanntlich<br />

hat sich der Ministerpräsident<br />

dann doch entschlossen, dem<br />

Justizministerium eine eigenständige<br />

Leitung in Gestalt von Rechtsanwalt<br />

Reinhard Rauball zuzuweisen. „Erfreulich<br />

ist hierbei, daß die Entscheidung<br />

auf einen Mann der Praxis, einen<br />

Anwalt, fiel“, erklärte DAV-Präsident<br />

Dr. Michael Streck in Bonn, meldet<br />

die dpa am 17. Februar 1999. Rechtsanwalt<br />

Andreas Klein, Geschäftsführer<br />

im Deutschen Anwaltverein, sagte<br />

in den Sendungen des WDR Fernsehens<br />

„Lokalzeit NRW“ und „NRW<br />

Spezial“, daß der DAV das Urteil des<br />

Verfassungsgerichtshofs für das Land<br />

Nordrhein-Westfalen außerordentlich<br />

begrüße und es eben nicht bei der „Behrens-Lösung“<br />

verbleiben dürfe, sondern<br />

daß das Justizressort eine eigenständige<br />

Leitung durch einen Minister<br />

bekommen müsse, denn nur so könnten<br />

die Interessen der Justiz nachhaltig<br />

vertreten werden.<br />

„Altfallregelung“ bei Asylanträgen<br />

Das Thema des vom PR-Referat<br />

des DAV ausgerichteten Jour fixe im<br />

Februar 1999 war der Umgang mit<br />

den unerledigten Asylanträgen. Hier<br />

hat der Deutsche Anwaltverein die<br />

Bundesregierung aufgefordert, unter<br />

die seit Jahren unerledigten tausenden<br />

von Asylanträgen großzügig einen


210<br />

MN Schlußstrich zu ziehen. Dies wird damit<br />

begründet, daß die Justiz nicht in<br />

der Lage sei, die annähernd 200.000<br />

offenen Verfahren, teilweise noch aus<br />

dem Jahr 1991, aufzuarbeiten. Im übrigen<br />

sei es für die Betroffenen unzumutbar,<br />

jahrelang in Ungewißheit über<br />

ihre Zukunft zu leben, sagte Rechtsanwältin<br />

und Notarin Veronika Arendt-<br />

Rojahn, die Vorsitzende des Ausländer-<br />

und Asylrechtsausschusses des<br />

DAV, meldet dpa am 11. Februar 1999.<br />

Die von der alten Regierung 1996 erlassene<br />

Altfallregelung sei viel zu eng<br />

gefaßt worden. Von auch damals rund<br />

200.000 betroffenen Flüchtlingen hätten<br />

etwa 8.000 ein Aufenthaltsrecht<br />

bekommen. Die Frankfurter Rundschau<br />

berichtete am 12. Februar 1999:<br />

„Der Anwaltverein empfahl, zunächst<br />

Aufenthaltsbefugnisse für ein Jahr zu<br />

erteilen, damit die Flüchtlinge überhaupt<br />

in Lohn und Brot gehen. Die<br />

Verlängerung der Duldung sollte dann<br />

von einem Arbeitsplatz abhängig gemacht<br />

werden. Ferner solle bei der geplanten<br />

Altfallregelung nicht mehr<br />

zwischen Alleinstehenden und Familien<br />

unterschieden werden.“ Die dpa-<br />

Meldung fand auch Eingang in die<br />

Märkische Allgemeine, die Potsamer<br />

Tageszeitung, die Neue Osnabrücker<br />

Zeitung, die Offenbacher Post und<br />

weitere Tageszeitungen am 12. Februar<br />

1999.<br />

Fallstricke der Versicherer<br />

für Geschädigte<br />

Seit einiger Zeit versuchen die Versicherer,<br />

den Geschädigten von unabhängigen<br />

Beratern, wie Sachverständige<br />

und Rechtsanwälte, abzuschneiden.<br />

Dies wird als „Schadensmanagement<br />

der Versicherer“ bezeichnet. Der Verbraucher,<br />

der sich direkt an die Werkstätten<br />

wendet, läuft nun Gefahr, letztlich<br />

bei einem Helfer der Versicherung<br />

gelandet zu sein. Hierzu der Vorsitzende<br />

der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht<br />

im Deutschen Anwaltverein,<br />

Rechtsanwalt Hans-Jürgen Gebhardt,<br />

in der Freien Presse vom 13. Februar<br />

1999: „Die Versicherer versuchen den<br />

Eindruck zu erwecken, daß sie auch<br />

ohne unabhängige Beratung fair regulieren.<br />

Dabei muß aber klar sein, daß<br />

der Schädiger kein Berater des Geschädigten<br />

sein kann. Die Versicherung<br />

ist schließlich der Gegner des<br />

Geschädigten.“ Dies vermeldet auch<br />

recht intern am 10. Februar 1999.<br />

Hierzu gab Gebhardt auch dem Saarländischen<br />

Fernsehen am 2. Februar<br />

1999 ein Interview. Vor diesem Hintergrund<br />

ist auch das Engagement der<br />

Versicherungswirtschaft bei den Notrufsäulen<br />

zu sehen. Es gehe letztlich<br />

nur darum, so schnell wie möglich<br />

beim Geschädigten zu sein, damit er<br />

von unabhängiger Beratung abgeschnitten<br />

werde, erläuterte Gebhardt<br />

anläßlich des Verkehrsgerichtstages in<br />

Goslar dem Südwestrundfunk. Daß<br />

der Verkehrsgerichtstag in Goslar auch<br />

vor solchen Praktiken gewarnt hat,<br />

war ebenfalls Thema eines Interviews<br />

im Hessischen Rundfunk am 25. Februar<br />

1999. Die Zeitschrift Finanzen<br />

Ausgabe 3/99 berichtet: „Nach Einschätzung<br />

des Deutschen Anwaltvereins<br />

erfolgt die Übernahme allerdings<br />

nicht aus wohltätigen Zwecken. Sie<br />

zielt allein darauf ab, die Schadensersatzquote<br />

zu senken. Autoversicherer<br />

versuchen schon lange, Unfallgeschädigte<br />

davon abzubringen, unabhängige<br />

Sachverständige und Rechtsanwälte zu<br />

konsultieren. Ist der Versicherungsberater<br />

als erster am Unfallort, wird er<br />

den Geschädigten „beraten“.„ Über<br />

die Praktiken der Versicherer gab auch<br />

das PR-Referat dem Hamburger<br />

Abendblatt am 11. Februar 1999 Auskunft.<br />

Keine Strafverschärfung anläßlich<br />

der Kurdenkrawalle<br />

Der Deutsche Anwaltverein verurteilt<br />

mit Nachdruck die Gewalttätigkeiten<br />

anläßlich der Kurdendemonstrationen.<br />

Wenn in diesem<br />

Zusammenhang allerdings verschiedentlich<br />

nach einer Verschärfung des<br />

Strafgesetzbuches gerufen wird, so<br />

lehnt der DAV solche Forderungen ab.<br />

„Bei schweren Landfriedensbruch sei<br />

beispielsweise eine Strafe bis zu zehn<br />

Jahren, bei Freiheitsberaubung bis zu<br />

fünf Jahren und bei Geiselnahme sogar<br />

nicht unter fünf Jahren möglich“, informierte<br />

der DAV. Dies fand Eingang<br />

in eine Meldung der dpa am 23. Februar<br />

1999. Im Nachrichtensender berlin<br />

aktuell 100,6 erläuterte Dr. Dierk<br />

Mattik, Hauptgeschäftsführer des DAV,<br />

am 26. Februar 1999 den Standpunkt<br />

des DAV. Der Präsident des DAV, Dr.<br />

Michael Streck, erklärte, auch in Fällen,<br />

in denen in „unerträglicher Weise“<br />

gegen die geltende Rechtsordnung verstoßen<br />

werde, wie dies z.Zt. teilweise<br />

durch die Kurdenkrawalle geschehe,<br />

reiche das bisherige Instrumentarium<br />

des Strafrechts aus, um die Täter zu<br />

bestrafen. Dies meldete ADN am 23.<br />

Februar 1999. Die Welt berichtete hierüber<br />

am 24. Februar 1999.<br />

Ehrendoktorwürde für<br />

Rechtsanwalt Ludwig Koch<br />

AnwBl 4/99<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät<br />

der Universität zu Köln hat am<br />

6. Februar 1999 an Rechtsanwalt Ludwig<br />

Koch, Köln, die Würde eines<br />

Doktors der Rechte ehrenhalber verliehen.<br />

Koch erhielt die Auszeichnung<br />

für seinen „unermüdlichen Einsatz“<br />

für die Belange der deutschen Anwaltschaft,<br />

seine Bemühungen um die Reform<br />

der Juristenausbildung und seine<br />

wissenschaftliche Tätigkeit, vor allem<br />

auf dem Gebiet des anwaltlichen Berufsrechts,<br />

so die Laudatio von Prof.<br />

Dr. Klaus Luig, Dekan der Rechtswissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität<br />

zu Köln, schreibt der Kölner<br />

Stadtanzeiger am 9. Februar 1999.<br />

Hierüber berichtete auch recht intern<br />

am 24. Februar 1999.<br />

Situation der Anwaltschaft<br />

Der Konkurrenzdruck innerhalb der<br />

Anwaltschaft ist groß. In diesem Jahr<br />

wird der hunderttausendste Rechtsanwalt<br />

eine Zulassung erhalten. Seit<br />

langem schon drängen Berater aus<br />

dem europäischen Ausland und von<br />

Übersee auf den Rechtsmarkt, meldet<br />

die Hannoversche Allg. Zeitung am<br />

13. Februar 1999. Den von Spezialisten<br />

herablassend als „Feld-, Waldund<br />

Wiesenanwalt“ bezeichneten Generalisten<br />

wird es weiter geben, als<br />

Einzelkämpfer oder in einem Büro mit<br />

wenigen Mitstreitern. „Wie ein guter<br />

Hausarzt wird er Mandanten zu Fachleuten<br />

weiterschicken“, wird Rechtsanwalt<br />

Dr. Peter Hamacher, stellv.<br />

Hauptgeschäftsführer des DAV, zitiert.<br />

Er wies auch darauf hin, daß sich in<br />

den USA riesige Anwaltsfirmen neuerdings<br />

wieder verkleinerten. „Rechtsrat<br />

ist letztlich personenbezogen“,<br />

führt Dr. Hamacher aus. Die deutschen<br />

Sozietäten hätten allerdings die<br />

Schallgrenze noch lange nicht erreicht.<br />

Über die Situation der Anwaltschaft<br />

in Berlin unterrichtet Rechtsanwalt<br />

Andreas Hagenkötter, Geschäftsführer<br />

des DAV in Berlin, in der Welt<br />

am Sonntag vom 7. Februar 1999.<br />

Demnach verläßt die Berliner Anwaltschaft<br />

ihr angestammtes Inseldasein.<br />

Fusion und Kooperation mit Kanzleien<br />

in anderen Städten und der Anschluß<br />

an internationale Sozietäten werden<br />

häufiger. „Jeder will einen Partner in<br />

der Hauptstadt“, wird Hagenkötter zitiert.<br />

Rund ums Verkehrsrecht<br />

Die Verkehrsrechtsanwälte im<br />

Deutschen Anwaltverein haben die<br />

Pläne der Bundesregierung für ein<br />

schärferes Gesetz gegen Alkohol-


AnwBl 4/99 211<br />

Aus der Arbeit des DAV MN<br />

sünder im Straßenverkehr als „konsequent“<br />

begrüßt. Der Vorsitzende der<br />

Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im<br />

Deutschen Anwaltverein, Rechtsanwalt<br />

Hans-Jürgen Gebhardt, sagte am<br />

15. Februar 1999 im Saarländischen<br />

Rundfunk, es sei richtig, „schon bei<br />

0,5 Promille mit dem Fahrverbot zu<br />

beginnen“. Dies vermeldet auch die<br />

Schwäbische Zeitung am 16. Februar<br />

1999. Die Bremer Nachrichten führen<br />

am gleichen Tage weiter aus: „Die<br />

bisherige Regelung, die seit dem 1.<br />

Mai 1998 gilt, bezeichnete Gebhardt<br />

als halbschwangere Lösung. Gebhardt<br />

forderte mehr Kontrollen im Straßenverkehr.<br />

Eine Norm würde nur dann<br />

eingehalten, wenn ein gewisses Risiko<br />

bestehe, aufzufallen.“ Die Nachrichtenagentur<br />

AP hat am 15. Februar<br />

1999 das Interview des Saarländischen<br />

Rundfunks wiedergegeben. Diese Meldung<br />

erschien auch in der Lippischen<br />

Zeitung, in der Neuen Westfälischen<br />

und im Tagesspiegel Berlin vom<br />

16. Februar 1999.<br />

Breiten Raum in der Berichterstattung<br />

nahm auch wieder der Pressedienst<br />

der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht<br />

ein:<br />

Kunden, die von ihrer Werkstatt<br />

kostenlos einen Leihwagen gestellt bekommen,<br />

dürfen darauf vertrauen, daß<br />

dieser vollkaskoversichert ist. Deshalb<br />

haften sie bei einem selbstverschuldeten<br />

Unfall auch nur in Höhe des<br />

Selbstbehalts der Kaskoversicherung,<br />

entschied das Amtsgericht Duisburg<br />

(AZ: 45/2 C 557/97). Hierüber berichtete<br />

Rechtsanwalt Hans-Jürgen Gebhardt<br />

im Radio berlin aktuell 100,6<br />

am 25. Februar 1999 und im Hessischen<br />

Rundfunk am gleichen Tag.<br />

Auch die ARD-Sendung „Plusminus“<br />

bezog sich auf den Deutschen Anwaltverein.<br />

In diesem Fall hatte eine Werkstatt<br />

einem ihrer „guten“ Kunden ohne<br />

jeden weiteren Hinweis unentgeltlich<br />

einen Leihwagen zur Verfügung gestellt,<br />

während das Auto des Kunden<br />

repariert wurde. Dieser verursachte<br />

mit dem geliehenen Wagen einen Unfall.<br />

Mangels einer Vollkaskoversicherung<br />

wollte die Werkstatt den Schaden<br />

von dem Kunden ersetzt bekommen.<br />

Das Gericht sprach der Klägerin lediglich<br />

1.000 DM zu – den „üblicherweise<br />

im Rahmen einer durchschnittlichen<br />

Vollkaskoversicherung“ zu tragenden<br />

Selbstbehalt –, wie es hieß, meldete<br />

ADN am 23. Februar 1999. Diese<br />

Meldung fand auch Eingang in einen<br />

Beitrag der Zeitschrift Motor und Verkehr<br />

am 20. Februar 1999 sowie in<br />

den Nordkurier am 30. Januar 1999.<br />

Auf ausgewiesenen Wirtschaftswegen<br />

müssen Radfahrer mit größeren<br />

Hindernissen rechnen. Stürzt ein Radler<br />

an einer Gefahrenstelle, kann er<br />

keinen Schadensersatz von der örtlichen<br />

zuständigen Kommune fordern,<br />

entschied das Landgericht Aachen<br />

(AZ: 4 0 25/98), meldete ADN am<br />

2. Februar 1999.<br />

Wird der Inhaber eines Führerscheins<br />

auf Probe zur Teilnahme an einer<br />

Nachschulung aufgefordert, sollte<br />

er dieser Anordnung folgen. Ansonsten<br />

riskiert er seine Fahrerlaubnis, beschloß<br />

das Saarländische Verwaltungsgericht<br />

(AZ: 3 F 67/98), berichtete die<br />

Freie Presse am 6. Februar 1999.<br />

Allerlei<br />

Am 3. Februar 1999 verstarb der<br />

langjährige Hauptgeschäftsführer des<br />

DAV, Rechtsanwalt Dr. Heinz Brangsch.<br />

Ohne ihn hätte der DAV als angesehene<br />

berufsständische Organisation nach<br />

dem 2. Weltkrieg nicht so schnell seinen<br />

Aufstieg genommen, meldet die<br />

FAZ am 9. Februar 1999.<br />

Bei der Diskussion um die alternativen<br />

Strafformen stand Rechtsanwalt<br />

JR Prof. Dr. Franz Salditt, Mitglied<br />

des Strafrechtsausschusses des Deutschen<br />

Anwaltvereins, dem Südwestrundfunk<br />

für Informationen zur Verfügung.<br />

Auch hier konnte Dr. Salditt<br />

die Vorschläge des DAV zur Meldestrafe<br />

unterbreiten. Danach wäre als<br />

Strafe denkbar, daß sich der Verurteilte<br />

zwei- bis dreimal täglich bei einer<br />

Polizeistation melden müsse.<br />

Bezüglich des Problems „Honorar<br />

und Geldwäsche“ führte Rechtsanwalt<br />

Eberhard Kempf, Vorsitzender des<br />

Strafrechtsausschusses des Deutschen<br />

Anwaltvereins, aus: „Der Anspruch<br />

eines Beschuldigten auf einen qualifizierten<br />

Wahlverteidiger darf nicht<br />

verkürzt werden, indem man die Strafverfolgung<br />

eines Anwalts wegen<br />

Geldwäsche so sehr ausweitet, daß bereits<br />

dessen angebliche Leichtfertigkeit<br />

bei der Annahme eines Honorars<br />

zu seiner Verurteilung führt.“ recht intern<br />

meldet am 24. Februar 1999, daß<br />

Kempf die Ansicht vertrete, daß in einem<br />

solchen Fall der Eventualvorsatz<br />

– das Geld könnte aus einer Straftat<br />

stammen und ich nehme es trotzdem<br />

an – nicht ausreichen dürfe, einen<br />

Strafverteidiger wegen Geldwäsche zu<br />

belangen. „Kein Anwalt will, daß er<br />

aus der Beute einer Straftat bezahlt<br />

wird,“ wird Kempf in der Westdeutschen<br />

Allg. Zeitung am 16. Februar<br />

1999 zitiert.<br />

Bezüglich eines BGH-Urteils stand<br />

Rechtsanwalt Rüdiger Deckers, Mitglied<br />

des Strafrechtsausschusses des<br />

Deutschen Anwaltvereins, Focus TV<br />

am 3. Februar 1999 zur Verfügung.<br />

Die Sendung „Notizbuch“ des<br />

Bayerischen Rundfunks 2 befaßte<br />

sich mit der Mediation. In dieser Sendung<br />

kam sowohl Rechtsanwalt Dr.<br />

Klaus Griesebach, Vorsitzender der<br />

Arbeitsgemeinschaft Mediation im<br />

Deutschen Anwaltverein, wie auch<br />

der Vorsitzende des Ausschusses<br />

Außergerichtliche Konfliktbeilegung<br />

des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt<br />

Dr. Rainer Ponschab, am<br />

9. März 1999 in der einstündigen Sendung<br />

zu Wort.<br />

Die Sendung „Lokalzeit NRW“<br />

des WDR-Fernsehens befaßte sich am<br />

9. Februar 1999 mit dem EDV-Recht.<br />

Auf Vermittlung des PR-Referates<br />

stand für diese Sendung Rechtsanwalt<br />

Dr. Helmut Redecker, Mitglied des Informationsrechtsausschusses<br />

des Deutschen<br />

Anwaltvereins, zur Verfügung.<br />

Vermieter sollten auf alle Fälle<br />

einen schriftlichen Mietvertrag abschließen,<br />

ehe sie den Schlüssel zu<br />

einer Wohnung übergeben, vermeldet<br />

die Zeitung ANA am 6. Februar 1999.<br />

Diesen Ratschlag erteilte dort der Berliner<br />

Rechtsanwalt Ferréol Jay von<br />

Seldeneck, Mitglied des Geschäftsführenden<br />

Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft<br />

Mietrecht im Deutschen<br />

Anwaltverein. Der Mieter fährt nach<br />

seiner Einschätzung immer besser,<br />

„wenn er es schafft, dem Vermieter einen<br />

mündlichen Mietvertrag abzuluchsen“.<br />

Für die PRO 7 Nachrichten stand<br />

am 16. Februar 1999 Rechtsanwalt Dr.<br />

Hans-Georg Meyer, Mitglied des Arbeitsrechtsausschusses<br />

des Deutschen<br />

Anwaltvereins, zum Thema „Mobbing<br />

am Arbeitsplatz“ zur Verfügung.<br />

Die Verkehrsrundschau vermeldete<br />

am 19. Februar 1999, daß der DAV<br />

über ein Auslandsverzeichnis deutscher<br />

Rechtsanwälte verfügt.<br />

dpa meldet am 16. Februar 1999,<br />

daß das Gesetz der Versicherungsvertreter<br />

kein guter Verbraucherschutz<br />

sei. Wenn jemand gegen seine Versicherung<br />

vor Gericht ziehen wolle,<br />

sollte er sich einen Anwalt mit<br />

Spezialkenntnissen im Versicherungsbereich<br />

suchen. Anschriften habe hier<br />

der Deutsche Anwaltverein. Diese<br />

Meldung fand Eingang in viele Tageszeitungen,<br />

beispielsweise die Neue<br />

Ruhr Zeitung, die Südwestpresse<br />

Ulm, die Westfälische Rundschau und


212<br />

MN<br />

die Bremer Nachrichten vom 17.<br />

Februar 1999.<br />

Der Deutsche Anwaltverein, Délégation<br />

des Barreaux de France und<br />

Consejo General de la Abogacia Española<br />

haben in ihrem Gemeinschaftsbüro<br />

in Brüssel einen weiteren Anwaltsverband<br />

begrüßt. The General<br />

Council of the Bar, die Berufsvereinigung<br />

der ca. 9.800 Barrister von England<br />

und Wales, berichtet die FAZ am<br />

19. Februar 1999. Sie führt aus, daß der<br />

Deutsche Anwaltverein seit 1995 in<br />

Brüssel vertreten ist. Der Aufgabenkatalog<br />

umfaßt die Information der angeschlossenen<br />

rund 230 Anwaltvereine<br />

und der etwa 50.000 Anwälte über die<br />

EU-Gesetzgebung und die Vertretung<br />

ihrer Interessen. Das DAV-Büro versteht<br />

sich auch als „Serviceeinrichtung“,<br />

z. B. im Blick auf die Möglichkeit<br />

von Rechtsanwälten, ihren Beruf<br />

in einem anderen EU-Land auszuüben.<br />

Der Beitrag schließt mit der genauen<br />

Adresse des Brüsseler Büros des DAV<br />

und der Telefonnummer.<br />

Rechtsanwalt Swen Walentowski,<br />

Bonn<br />

AG Mietrecht im DAV<br />

Tagung der<br />

Arbeitsgemeinschaft Mietrecht<br />

Am Freitag, den 14.5.1999, 16 Uhr c. t.<br />

bis ca. 19 Uhr, veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft<br />

Mietrecht im Deutschen<br />

AnwaltVerein wieder eine Tagung, diesmal<br />

zum Thema Wohnungseigentum.<br />

Referent ist Herr Rechtsanwalt<br />

Michael Drasdo aus Neuss. Herr<br />

Drasdo ist Mitherausgeber der Neuen<br />

Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht<br />

(NZM) und hat sich darüber hinaus<br />

durch zahlreiche Publikationen<br />

und Vorträge zum Thema Wohnungseigentum<br />

einen Namen gemacht.<br />

Thema des Vortrages ist „Wohnungseigentum<br />

in der Krise“. Angesprochen<br />

werden soll nicht etwa eine Krise des<br />

Wohnungseigentums bzw. des Wohnungseigentumsrechts,<br />

sondern die<br />

zahlreichen Rechtsprobleme, die sich<br />

bei insolventen Wohnungseigentümern<br />

oder gar insolventen Wohnungseigentümergemeinschaften<br />

ergeben.<br />

Der Referent wird seine rechtlichen<br />

Ausführungen zum Thema mit der Erfahrung<br />

aus der anwaltlichen Praxis<br />

anreichern. Daneben besteht Gelegenheit<br />

zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch.<br />

Der Vortrag findet statt anläßlich der<br />

Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft<br />

im Rahmen des 50. Deutschen<br />

Anwaltstages in Bonn.<br />

Zum Vortrag sind nicht nur Mitglieder<br />

der Arbeitsgemeinschaft eingeladen,<br />

sondern auch interessierte Anwältinnen<br />

und Anwälte. Daneben würde sich die<br />

Arbeitsgemeinschaft auch über die<br />

Teilnahme von Personen freuen, die ansonsten<br />

beruflich oder privat mit dem<br />

Wohnungseigentumsrecht befaßt sind.<br />

Die Teilnahme an der Vortragsveranstaltung<br />

ist kostenlos. Um vorherige<br />

Anmeldung wird jedoch gebeten.<br />

Anmeldungen und weitere Informationen<br />

durch:<br />

Deutsche Anwalt Akademie,<br />

Ellerstr. 48, 53119 Bonn, Telefon:<br />

02 28 / 9 83 66 77 Fax: 02 28 /983 66 66<br />

Personalien<br />

Neue Vorsitzende<br />

von Anwaltvereinen<br />

Magedeburger Anwaltverein e.V.<br />

Vorsitzender: Rechtsanwalt Volker<br />

Tr u b e , Halberstädter Straße, 39135<br />

Magdeburg<br />

Emder Anwalt- und Notarverein e.V.<br />

Vorsitzender: Rechtsanwalt Dieter<br />

v a n H o v e , Neptunstraße 15, 26721<br />

Emden<br />

Anwaltverein Bad Hersfeld e.V.<br />

Vorsitzender: Rechtsanwalt und<br />

Notar Tilo S c h e u r m a n n , An der<br />

Untergeis 10 -12, 36251 Bad Hersfeld<br />

Ulrich Stobbe Ehrensenator<br />

Der Präsident der Universität Hannover<br />

hat auf Beschluß des Senats der<br />

Universität Rechtsanwalt und Notar Dr.<br />

Ulrich Stobbe, Hannover in Würdigung<br />

seiner hohen Verdienste um die langjährige<br />

Förderung der Wissenschaft,<br />

um die Unterstützung der Universitätsmitglieder<br />

bei der Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

in Lehre, Forschung und Dienstleistung<br />

sowie in Würdigung seines<br />

Engagements zur Förderung des Gemeinwohls,<br />

zum Ehrensenator der Universität<br />

Hannover ernannt.<br />

Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte,<br />

die Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins,<br />

die seit vielen Jahren sehen<br />

und hören können, wie engagiert, umsichtig<br />

strategisch und taktisch, kenntnisreich<br />

und verbindlich Ulrich Stobbe sich<br />

AnwBl 4/99<br />

Aus der Arbeit des DAV<br />

um die Ausbildung und Fortbildung der<br />

Kolleginnen und Kollegen bemüht, vor<br />

allem aber um die so notwendige Reform<br />

der Juristenausbildung ringt, grüßen Ulrich<br />

Stobbe aus Anlaß dieser Auszeichnung<br />

herzlich und sagen ihm Dank. Dabei<br />

vergessen sie nicht, wie weit<br />

gespannt seine Aktivitäten im Verband<br />

„im übrigen“ noch sind.<br />

Heinz Brangsch €<br />

Am 3. Februar 1999 starb im Alter<br />

von 84 Jahren Heinz Brangsch. Seine<br />

Freunde, seine Kolleginnen und Kollegen,<br />

die deutsche Anwaltschaft haben<br />

einen Mann verloren, der wie wenige in<br />

seiner Zeit die Geschicke der deutschen<br />

Anwaltschaft geprägt haben. Sie haben<br />

verloren eine bedeutende Persönlichkeit<br />

und einen warmherzigen Menschen.<br />

Es war ein Glücksfall, daß Emil<br />

von Sauer, der Wiederbegründer des<br />

Deutschen Anwaltvereins, im Jahre<br />

1950 Heinz Brangsch als Geschäftsführer<br />

gewann. Damals lag hinter Heinz<br />

Brangsch bereits ein bewegter, von den<br />

Zeitumständen geprägter Lebensabschnitt.<br />

Das Studium in Berlin und<br />

kurz vor dem Kriege in den USA, die<br />

abenteuerliche Rückkehr nach Deutschland<br />

über Japan und Rußland, der<br />

Krieg, aus dem er schwerverwundet<br />

zurückkehrte, die Fortsetzung der Ausbildung<br />

nach dem Kriege in<br />

Oldenburg, seiner Heimat, und die erfolgreiche<br />

Tätigkeit als Verteidiger vor<br />

den britischen Militärgerichten, ermöglicht<br />

durch seine englischen Sprachkenntnisse<br />

und ein intensives Studium<br />

des englischen Strafprozeßrechts, dem<br />

er auch den Gegenstand seiner späteren,<br />

hervorragend bewerteten Dissertation<br />

entnahm. Dieser Mann, der alle<br />

Eigenschaften hatte, die ihn zu einem<br />

herausragenden Anwalt und Vertreter<br />

der Interessen seiner Mandanten befähigten,<br />

widmete sich fortan der<br />

Anwaltschaft als ganzer. Mit seinem<br />

Namen ist der Aufbau und die Entwicklung<br />

des Deutschen Anwaltvereins<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg, der Weg<br />

der deutschen Anwaltschaft zurück in<br />

die internationale Anwaltsgemeinschaft<br />

auf das engste verbunden.<br />

Die Anfänge waren nicht leicht. Es<br />

bedurfte erheblicher Anstrengungen,<br />

um den Deutschen Anwaltverein zu<br />

dem zu machen, was er bis zu seiner<br />

Auflösung im Jahre 1933 gewesen<br />

war. Mit Elan und Ideenreichtum<br />

machte Heinz Brangsch sich an den<br />

Aufbau der neuen Organisation. „Als<br />

’Reisender in Sachen DAV’ schaffte er


AnwBl 4/99 213<br />

Aus der Arbeit des DAV MN<br />

durch seine hinreißende Beredsamkeit<br />

und Ausstrahlung die Gründung zahlreicher<br />

örtlicher Vereine und den Beitritt<br />

vieler neuer Mitglieder. Mit<br />

unvergleichlicher Kontaktfähigkeit<br />

knüpfte er ein Netz von Verbindungen<br />

im In- und Ausland, die den Zielen<br />

des DAV in hohem Maße zugute kamen.“<br />

So hat es 1978 Helmut Wagner<br />

formuliert (<strong>Anwaltsblatt</strong> 1978, 205).<br />

Der Deutsche Anwaltverein – das war<br />

in hohem Maße Heinz Brangsch, und<br />

Heinz Brangsch war der Deutsche Anwaltverein.<br />

Wenn er sich selbst häufig<br />

als Funktionär bezeichnete, so war er<br />

dies im allerbesten und vorbildlichen<br />

Sinne. „Die schwierige Aufgabe, Wohl<br />

der Allgemeinheit und Interessen einer<br />

Berufsgruppe in dieser Allgemeinheit<br />

zur Deckung zu bringen, Standespolitik<br />

nie zur Egozentrik werden, sondern<br />

sie in den sozialen Bezügen der Gemeinschaft<br />

aufgehen zu lassen: er hat<br />

sie gesehen und meisterhaft bewältigt.“<br />

So hat es Konrad Redeker zum<br />

70. Geburtstag von Heinz Brangsch<br />

formuliert (NJW 1984, 2267).<br />

Brangsch handelte und dachte für<br />

die deutsche Anwaltschaft nicht nur in<br />

der Gegenwart, sondern vor allem für<br />

die Zukunft. Kaum einer hatte seine<br />

Weitsicht, mit nur wenigen teilte er<br />

seine Einsichten in die zukünftige Entwicklung<br />

und die damit verbundenen<br />

Notwendigkeiten und Zwänge. Er gab<br />

Ideen, er setzte sie durch und setzte<br />

sie um. Er rief das <strong>Anwaltsblatt</strong> ins<br />

Leben und verschaffte ihm als Schriftleiter<br />

durch die Jahrzehnte seine lebendige<br />

Gestaltung und durch seine Beiträge<br />

ein Ansehen, welches weit über<br />

die Anwaltschaft hinausreicht (Wagner,<br />

a.a.O.). In den fünfziger Jahren<br />

widmete sich Brangsch intensiv der<br />

Gestaltung der Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />

die im Jahre 1959 in Kraft<br />

trat. Er erkannte früh die Notwendigkeit<br />

anwaltlicher Fortbildung. Auf<br />

seine Initiative geht zurück der erste<br />

Lehrgang (zum Verwaltungsrecht) im<br />

Jahre 1953, er war es, der wesentlich<br />

zur Verwirklichung des neuen und erheblich<br />

erweiterten Fortbildungskonzeptes<br />

des DAV beitrug, das Gerhard<br />

Commichau in seinem Festvortrag zur<br />

Eröffnung des Münchener Anwaltstages<br />

1977 entwickelt hatte und das sich<br />

in der von Commichau geforderten<br />

Deutschen Anwaltsakademie im Jahre<br />

1978 verwirklichte. Agens war seine<br />

Überzeugung, daß mit dem anwaltlichen<br />

Beratungsmonopol die Pflicht zur<br />

Leistungsfähigkeit der Anwaltschaft<br />

verbunden war (Redeker a.a.O.). Alles<br />

dies sind natürlich nur wenige, heraus-<br />

ragende Beispiele für das kreative,<br />

weitsichtige und zukunftsorientierte<br />

Wirken für die Organisation und das<br />

Profil des Deutschen Anwaltvereins.<br />

Nicht vergessen sollte auch werden<br />

das stete und wirkungsvolle Bemühen<br />

des Hauptgeschäftsführers des DAV,<br />

die wirtschaftlichen Grundlagen<br />

anwaltlicher Tätigkeit – eine wesentliche<br />

Bedingung der Unabhängigkeit<br />

des Anwalts – zu verbessern.<br />

Wesentlich war für Heinz Brangsch<br />

ebenso die Beteiligung des Deutschen<br />

Anwaltvereins an der Gestaltung der<br />

Rechtspolitik, durch seine Gremien,<br />

seine Geschäftsführung, seine Gesetzgebungsausschüsse.<br />

Seine Verbindungen<br />

zu den Rechtspolitikern in Bund<br />

und Ländern waren weit gespannt und<br />

intensiv. Das hohe Ansehen, das er gewann,<br />

beruhte auf seiner umfassenden<br />

Sachkenntnis, seinem abgewogenen,<br />

unbestechlichen Urteil, seiner Überzeugungskraft,<br />

der geradlinigen, aber<br />

immer behutsamen Argumentation<br />

und nicht zuletzt seinem Charme. Es<br />

kennzeichnet in besonderem Maße<br />

dieses Ansehen und diesen Respekt,<br />

daß nach dem Umzug der Geschäftsstelle<br />

des DAV nach Bonn im Herbst<br />

1977 der damalige Bundesjustizminister<br />

Hans-Jochen Vogel ihn, den<br />

Hauptgeschäftsführer des Deutschen<br />

Anwaltvereins, frühmorgens auf dem<br />

Wege in das Bundesjustizministerium<br />

regelmäßig aufsuchte, um anwaltliche<br />

Belange und Fragen der aktuellen<br />

Rechtspolitik zu erörtern. Wer in diesem<br />

Bereich tätig war, weiß, wie<br />

wichtig persönlicher Respekt und Vertrauen<br />

sind, um – jenseits öffentlicher<br />

Proklamationen – wesentliches zu bewirken.<br />

Heinz Brangsch genoß beides<br />

in hohem Maße, und es war mehr als<br />

nur eine Geste persönlicher Verbundenheit,<br />

daß Hans-Jochen Vogel anläßlich<br />

der Gründung der Deutschen Anwaltakademie<br />

in Lüneburg im Herbst<br />

1978 in Oldendorf mit dem Hubschrauber<br />

landete, um Heinz Brangsch<br />

nach seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung<br />

des DAV im Mai 1978<br />

in seinem Heidedomizil zu besuchen.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging<br />

es nicht nur darum, die Organisationen<br />

der deutschen Anwaltschaft wieder<br />

aufzubauen. Es ging auch um die Wiederaufnahme<br />

der Beziehungen der<br />

deutschen Anwaltschaft zu den ausländischen<br />

Kollegen, um den Wiedereintritt<br />

der deutschen Anwälte in den<br />

Kreis der Völkergemeinschaft. Heinz<br />

Brangsch hat seine starke Ausstrahlung,<br />

seine Persönlichkeit und sein Können<br />

sensibel und mit Augenmaß auch dafür<br />

nachhaltig eingesetzt. Schnell erwarb er<br />

sich in den internationalen Anwaltsorganisationen,<br />

vor allem der International<br />

Bar Association, ein Maß an Vertrauen,<br />

das mit Grundlage war für die<br />

Wiederanerkennung der deutschen Anwaltschaft<br />

nach dem Kriege im Ausland<br />

und die Rolle, die sie heute im internationalen<br />

Bereich spielt. Er<br />

förderte, wo es ging, Tätigkeit und Initiativen,<br />

die diesem Ziel dienten. Er<br />

brachte die Stimme der deutschen Anwaltschaft<br />

im zusammenwachsenden<br />

Europa zur Geltung, als Mitglied der<br />

deutschen Delegation des Beratenden<br />

Ausschusses der Europäischen Anwaltschaften<br />

(CCBE). Neben den großen<br />

Anwaltsorganisationen galt seine Liebe<br />

einem „Verein“, den sein Freund Sir<br />

Thomas Lund gegründet hatte und den<br />

er – ironisch – oft als die wichtigste internationale<br />

Anwaltsvereinigung bezeichnete:<br />

der ESSEBA, in der sich die<br />

„English speaking secretaries of Bar<br />

Associations“ zusammenfanden. Ich<br />

habe in meiner internationalen Tätigkeit<br />

für die deutsche Anwaltschaft lange<br />

von dem Ruf gezehrt, den Heinz<br />

Brangsch begründet hatte.<br />

Orden und Auszeichnungen, so<br />

meinte Brangsch, seien nichts für Funktionäre,<br />

die ihren Beruf ausübten und<br />

nur ihre Pflicht täten wie alle anderen<br />

auch. Das hat glücklicherweise den<br />

Hamburgischen Anwaltverein nicht davon<br />

abgehalten, ihn mit dem Emil von<br />

Sauer-Preis zu ehren, und den Deutschen<br />

Anwaltverein, ihn mit der Verleihung<br />

der Hans Dahs-Plakette auszuzeichnen.<br />

Damit wurde auch gewürdigt<br />

das Selbstverständnis seiner Aufgabe,<br />

wie Heinz Brangsch sie sah und bei seinem<br />

Ausscheiden als Hauptgeschäftsführer<br />

des Deutschen Anwaltvereins im<br />

Jahre 1978 formulierte: „Als Teil der<br />

Rechtspflege ist die Anwaltschaft Bindungen<br />

unterworfen, die uns nicht gestatten,<br />

die Interessen Dritter unbeachtet<br />

zu lassen.... Irgendetwas stimmt nicht<br />

und schlägt im Zweifel gegen die Anwaltschaft<br />

aus, wenn die Interessen der<br />

Rechtspflege, der Rechtsuchenden und<br />

der Rechtsanwälte nicht im Einklang<br />

miteinander stehen. Diese Gegebenheiten<br />

zwingen den Funktionär der Anwaltschaft,<br />

in größerer Nähe zur Moral<br />

zu agieren, als es bei den Funktionären<br />

manch anderer Institutionen der Fall<br />

sein mag.“<br />

Heinz Brangsch war nie ein Verwalter<br />

seines Amtes. Er war in einer<br />

erstaunlichen Weise jung, vorwärtsstrebend,<br />

weit vorausdenkend, auch<br />

Unbequemes und Unerhörtes aussprechend,<br />

zupackend, begeisterungsfähig.


214<br />

Die darin liegende Überzeugungskraft<br />

seiner Persönlichkeit wurde abgerundet<br />

durch seine Kameradschaft und die<br />

warme Menschlichkeit des Freundes<br />

der Musik und der Kunst. In seiner<br />

rastlosen Tätigkeit und der fortwirkenden<br />

Anteilnahme an den Geschicken<br />

der Anwaltschaft auch nach seinem<br />

Eintritt in den Ruhestand fand er Ver-<br />

EUROPA<br />

Änderungen des Kaufrechts durch<br />

die EU-Verbrauchsgüterrichtlinie<br />

Bereits seit über drei Jahren wird in Brüssel über die<br />

EU-weite Harmonisierung der Rechte diskutiert, die Verbrauchern<br />

bei Abschluß von Kaufverträgen zustehen sollen.<br />

Auslöser für den Vorschlag der Europäischen Kommission<br />

war der Umstand, daß sich Verbraucher insbesondere bei<br />

grenzüberschreitenden Geschäften im Binnenmarkt hinsichtlich<br />

der Wahrnehmung ihrer Gewährleistungsrechte<br />

aufgrund der äußerst unterschiedlichen Regelungen der<br />

Mitgliedstaaten einer großen Rechtsunsicherheit ausgesetzt<br />

sehen.<br />

Der Richtlinienentwurf „zu bestimmten Aspekten des<br />

Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter“<br />

ist jedoch auch nach Erlaß des Gemeinsamen Standpunktes<br />

des Rates (vgl. EG-ABl. C 333 vom 30. Oktober<br />

1998, S. 46 ff.) in vielen Fragen so umstritten, daß gemäß<br />

Art. 189b EGV die Einberufung des Vermittlungsausschusses<br />

zwischen Europäischem Parlament und Rat notwendig<br />

wurde.<br />

Im Gemeinsamen Standpunkt lassen sich dennoch jetzt<br />

schon wichtige Eckpunkte ausmachen, die bei Verabschiedung<br />

zu tiefgreifenden Änderungen der entsprechenden<br />

Vorschriften vor allen Dingen des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

führen könnten.<br />

1. Geltungsbereich<br />

Ziel der Richtlinie ist die Gewährleistung eines einheitlichen<br />

Verbraucherschutz-Mindeststandards auf dem Gebiet<br />

des Verbrauchsgüterkaufs und der dabei ausgesprochenen<br />

Garantien. Dabei wird unter „Verbraucher“ jedermann angesehen,<br />

der nicht zu gewerblichen Zwecken handelt (Art.<br />

1 Abs. 1 lit. a). „Verbrauchsgüter“ sind nach Auffassung<br />

des Rates alle beweglichen körperlichen Gegenstände mit<br />

Ausnahme von Gütern, die aufgrund von Zwangsvollstrekkungsmaßnahmen<br />

oder anderen gerichtlichen Maßnahmen<br />

veräußert werden sowie Wasser, Gas und Strom. Von der<br />

Richtlinie erfaßt werden sollen alle Kaufverträge und<br />

Werklieferungsverträge.<br />

2.Verbraucherrechte<br />

Kernstück der Richtlinie sind die dem Käufer bei Vertragswidrigkeit<br />

zustehenden Gewährleistungsrechte, die<br />

ständnis und Unterstützung bei seiner<br />

Frau Lore. Ihr schuldet der Deutsche<br />

Anwaltverein nicht nur Dank als „geduldiger<br />

Ehefrau“. Ihre warme Ausstrahlung<br />

hat so manches Treffen vor<br />

allem im Heidehaus in Oldendorf geprägt.<br />

Heinz und Lore Brangsch, sie<br />

waren eine bewunderte Einheit.<br />

AnwBl 4/99<br />

Europa<br />

Heinz Brangsch kann nicht nur des<br />

freundschaftlichen und ehrenden Angedenkens<br />

aller, die ihn kannten, gewiß<br />

sein. Er hat einen hervorragenden Platz<br />

in den Annalen des Deutschen Anwaltvereins<br />

und darüber hinaus der gesamten<br />

deutschen Anwaltschaft.<br />

Hans-Jürgen Rabe, Hamburg<br />

hier einer Rangfolge unterliegen: danach kann der Käufer<br />

zunächst entweder einen Anspruch auf unentgeltliche<br />

Nachbesserung geltend machen oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung<br />

vom Verkäufer verlangen, sofern dies nicht<br />

unmöglich ist oder unverhältnismäßig erscheint. Ist das<br />

Geltendmachen dieser Rechte nicht möglich, kann der Verbraucher<br />

eine angemessene Kaufpreisminderung oder eine<br />

Vertragsauflösung verlangen (Art. 3).<br />

3. Fristen<br />

Neu für deutsche Rechtsanwender ist vor allen Dingen<br />

die vorgesehene Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab<br />

dem Zeitpunkt der Lieferung (Art. 5 Abs. 1). Bei gebrauchten<br />

Gütern kann diese Frist auf ein Jahr verkürzt werden<br />

(Art. 7 Abs. 1 S. 2). Der Rat schlägt darüber hinaus eine fakultativ<br />

von den Mitgliedstaaten einzuführende Frist von<br />

zwei Monaten vor, innerhalb derer der Verbraucher den<br />

Verkäufer von der Inanspruchnahme seiner Gewährleistungsrechte<br />

unterrichten muß, wenn er diese Rechte nicht<br />

verlieren will. Diese Regelung wird vom Europäischen Parlament<br />

mit dem Argument abgelehnt, daß dies einer einheitlichen<br />

Mindestharmonisierung in Europa widerspreche<br />

und die Rechtsunsicherheit des Verbrauchers verstärke, da<br />

er sich informieren müsse, welcher Mitgliedstaat eine solche<br />

Regelung eingeführt habe.<br />

4.Vermutung der Vertragswidrigkeit<br />

Vorgesehen ist das Aufstellen einer Vermutung, wonach<br />

bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, daß solche<br />

Vertragswidrigkeiten des Gutes, die innerhalb von sechs<br />

Monaten zu Tage treten, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung<br />

bestanden haben.<br />

5. Garantien<br />

„Garantie“ ist jede von einem Verkäufer oder Hersteller<br />

gegenüber dem Verbraucher ohne Aufpreis eingegangene<br />

Verpflichtung, dann in geeigneter Weise Abhilfe zu schaffen,<br />

wenn das gekaufte Gut nicht den in der Garantieerklärung<br />

oder in der einschlägigen Werbung genannten Eigenschaften<br />

entspricht (Art. 1 Abs. 1 lit. e). Hier gilt, daß in<br />

einfachen und verständlichen Formulierungen über den<br />

Inhalt und räumlichen Geltungsbereich der Garantie informiert<br />

werden muß.


AnwBl 4/99 215<br />

Europa<br />

6. Unabdingbarkeit und Mindestschutzklausel<br />

Die Richtlinienbestimmungen sind unabdingbar zu gestalten<br />

und treten neben bereits bestehende innerstaatliche<br />

Regelungen. Die EG-Mitgliedstaaten können daneben<br />

strengere Vorschriften vorsehen oder beibehalten (Art. 7<br />

und 8).<br />

Abzuwarten bleibt, ob sich der Vermittlungsausschuß<br />

noch vor den Neuwahlen zum Europäischen Parlament am<br />

13. Juni 1999 auf einen Kompromißvorschlag einigen kann.<br />

Der Wortlaut des oben genannten Richtlinienentwurfs<br />

kann beim DAV Büro Brüssel angefordert werden, per Telefax:<br />

+32-2-280.28.13 oder per elektronischer Post:<br />

bruessel@anwaltverein.de.<br />

Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., DAV-Büro Brüssel<br />

Europa, Geldwäsche und die Organisierte<br />

Kriminalität – ein Kampf mit oder gegen den<br />

Rechtsanwalt?<br />

Der Bürger soll wieder ein Stück seiner Freiheitsrechte<br />

abgeben: unter dem Vorwand der effizienteren Verbrechensbekämpfung<br />

droht einmal mehr die Aushöhlung des<br />

besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und<br />

Rechtsanwalt. Ursache diesmal ist die Umsetzung von Empfehlung<br />

Nr. 12 des „Aktionsplanes zur Bekämpfung der<br />

organisierten Kriminalität“, der vom EU-Ministerrat bereits<br />

am 28. April 1997 angenommen wurde sowie die beabsichtigte<br />

Revision der Geldwäscherichtlinie.<br />

Empfehlung Nr. 12 des Aktionsplanes bestimmt, daß in<br />

Europa Maßnahmen „zum Schutz bestimmter gefährdeter<br />

Berufe vor Einflüssen der organisierten Kriminalität“ erarbeitet<br />

werden sollen (vgl. EG-ABl. Nr. C 251 vom<br />

15.8.1997, S. 1 ff.). Aufgrund dieser Empfehlung hat nun<br />

die Europäische Kommission einen Vorschlag für einen<br />

„Europäischen Verhaltenskodex der europäischen Berufsverbände<br />

im Kampf gegen die organisierte Kriminalität“<br />

vorgelegt. Grundidee ist dabei, eine politische Selbstbindung<br />

der unterzeichnenden Organisationen an gewisse, im<br />

Kodex niedergelegten Grundprinzipien herbeizuführen. Die<br />

meisten dieser Prinzipen sind bereits im deutschen oder<br />

europäischen Recht verankert, etwa die Verpflichtung, die<br />

genaue Identität von Mandanten im Falle von Vermögensverwaltung<br />

festzustellen (vgl. § 3 Abs. 1 GeldwäscheG).<br />

Allerdings ist auch folgende Regelung vorgesehen:<br />

– ein Angehöriger (eines Berufsverbandes) ist dann verpflichtet,<br />

vom Mandat Abstand zunehmen, wenn er der<br />

Ansicht ist, daß die auszuführenden Anweisungen seines<br />

Mandanten ein klares Risiko einer Teilnahme von kriminellen<br />

Aktivitäten aufweist, wie etwa eine ungesetzliche finanzielle<br />

Transaktion.<br />

Einer solchen Regelung ist mit allem Nachdruck zu begegnen,<br />

denn mit dem Kriterium des „klaren Risikos“ würde<br />

klar von der in Deutschland bisher bestehenden Rechtslage<br />

abgewichen, wonach ein Anwalt nur dann verpflichtet<br />

ist, sein Mandat niederzulegen, wenn ihm positiv bekannt<br />

ist, daß seine weitere Tätigkeit Beihilfe zum Delikt seines<br />

Mandanten wäre. Es ist doch gerade der Rechtsanwalt mit<br />

seiner gesetzlich garantierten Verschwiegenheitspflicht, an<br />

den sich der ratsuchende Mandant rückhaltlos wenden<br />

kann, weil er genau weiß, daß ein reiner Verdacht einer kriminellen<br />

Aktivität nicht zur Mandatskündigung oder gar<br />

Anzeige an die Behörden führen kann.<br />

Unabhängig davon bereiten die Gremien der Europäischen<br />

Union derzeit eine Neufassung der sog. Geldwäscherichtlinie<br />

vor (Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom<br />

10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems<br />

zum Zwecke der Geldwäsche; EG-ABl. Nr. L 166<br />

vom 28. Juni 1991, S. 77 ff.). Auch hier droht ein Einbruch<br />

in die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht: sowohl die<br />

Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament<br />

halten es für anscheinend für erwiesen, daß die freien<br />

Berufe und insbesondere die Rechtsberufe besonders<br />

geeignet seien, sich von Kriminellen für die Zwecke der<br />

Geldwäsche mißbrauchen zu lassen: Daher sollen in Zukunft<br />

die bisher nur für Kreditinstitute geltenden Bestimmungen<br />

der Geldwäscherichtlinie auch für die freien Berufe gelten.<br />

Wenn dieses Wirklichkeit wurde, käme z. B. auf den<br />

Rechtsanwalt die Verpflichtung zu, die Strafverfolgungsund<br />

Steuerbehörden von sich aus über alle Tatsachen, die<br />

ein Indiz für Geldwäsche sein könnten, zu unterrichten<br />

(Anzeigepflicht) oder ihnen nach Bedarf alle Auskünfte<br />

über seinen Mandanten zu erteilen (vgl. Art. 6 der Richtlinie).<br />

Es liegt auf der Hand, daß ein solches Vorhaben massiv<br />

in Prinzipien eingreift, die im Rechtsstaatsprinzip wurzeln<br />

und die letztlich die Grundlage einer freiheitlichen und<br />

demokratischen Gesellschaft darstellen. Hiervor kann zum<br />

Schutze des Bürgers nur eindringlich gewarnt werden.<br />

Der Deutsche Anwaltverein hat in beiden Punkten die<br />

vorstehenden grundsätzlichen Bedenken gegenüber der Europäischen<br />

Kommission deutlich gemacht.<br />

Der Wortlaut der oben genannten Unterlagen kann beim<br />

DAV Büro Brüssel angefordert werden, per Telefax +32-2-<br />

280.28.13 oder per elektronischer Post;<br />

bruessel@anwaltverein.de.<br />

Rechtsanwalt Thomas Zerdick, LL.M., DAV-Büro Brüssel<br />

Glosse<br />

Praktisches Leben<br />

Den biederen Praktiker beschleichen allzu leicht Minderwertigkeitsgefühle,<br />

wenn er sich von Fachleuten des Managements beobachtet,<br />

beurteilt oder gar „zertifiziert“ sieht. Trostreich wirkt indessen die<br />

Erkenntnis, daß auch Spezialisten vor kleinen Denkfehlern nicht gefeit<br />

sind:<br />

Krämer (<strong>Anwaltsblatt</strong> 99/70 ff.) hält das Abschneiden der Rechtsanwälte<br />

für „keineswegs berauschend“, wenn sie bei Umfragen nur<br />

einen Mittelwert auf der Zufriedenheitsskala und damit „deutlich weniger<br />

als Urlaubsreiseveranstaltungen, Ärzte oder Banken“ erreichen.<br />

Das ist wohl ein bißchen am Berufsbild vorbeigedacht. Ungeachtet<br />

aller modernen Bemühungen um Schlichtung und Mediation bleibt<br />

das Kerngebiet anwaltlicher Tätigkeit die schwungvolle Vertretung<br />

der Mandanteninteressen gegenüber anders gerichteten Interessen<br />

Dritter. Das führt zu einfachen – meinetwegen vereinfachenden –<br />

Schlußfolgerungen. Wer seinen Prozeß letztlich gewinnt, pflegt mit<br />

der anwaltlichen Dienstleistung zufrieden bis sehr zufrieden zu sein.<br />

Beim Vergleich sind seine Gefühle schon zwiespältiger. Und der Verlierer<br />

neigt nun einmal dazu, die anwaltliche Dienstleistung als weniger<br />

überzeugend einzustufen. Auch ohne Heranziehung der Mathematik<br />

lassen mithin die schlichten Regeln der Logik erkennen, daß der<br />

Mittelwert der Zufriedenheitsskala gar nichts Negatives an sich haben<br />

muß. Der Idealzustand, daß alle Anwälte jeden Prozeß gewinnen,<br />

wird sich auch bei noch so intensiven Bemühungen der Marktforscher<br />

und unserer Standesorganisationen nicht erreichen lassen.<br />

Rechtsanwalt Dr. Rainer Eggert, Frankfurt am Main


216<br />

l<br />

6<br />

Anwaltstatistik<br />

RAK Mitgliederinsgesamt<br />

Mitglieder der Rechtsanwaltskammern am 1. Januar 1999<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsanwälte darunter Rechtsbeistände<br />

insges. w Anwaltsnotare<br />

insg. w SteuerR<br />

insg. w<br />

VerwR<br />

insg. w<br />

Fachanwälte<br />

StrafR FamR<br />

insg. w insg. w<br />

ArbR<br />

insg. w<br />

SozR<br />

insg. w<br />

ausländ.<br />

RAe<br />

vereidigteBuchprüfer<br />

insges. w RA-<br />

GmbH<br />

BGH 28 28 4 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /<br />

Bamberg 1864 <strong>185</strong>6 398 / / 45 2 14 / 6 / 64 27 49 14 3 / / 3 8 1 4 19<br />

Berlin 6630 6628 1723 1112 143 129 6 30 4 19 4 48 35 115 21 21 16 5 5 2 / 5 32<br />

Brandenburg 1598 1598 446 / / 8 1 2 / 1 / 5 7 29 8 3 / / / / / 1 9<br />

Braunschweig 1193 1190 274 362 35 44 2 6 1 10 / 34 21 50 11 9 2 / / 3 / / 6<br />

Bremen 1291 1287 304 358 34 43 / 19 1 10 1 27 15 59 5 12 4 1 * 4 1 / 25<br />

Celle 3934 3904 933 1100 104 132 7 45 3 21 5 138 73 159 20 21 4 5 14 30 1 5 37<br />

Düsseldorf 6743 6722 1443 236 18 234 14 36 3 33 3 121 50 192 21 28 2 12 27 21 1 / /<br />

Frankfurt 9862 9834 2413 1403 115 340 26 43 4 39 6 148 72 284 46 35 13 57 42 28 2 13 16<br />

Freiburg 2410 <strong>240</strong>3 570 / / 88 4 18 1 16 1 69 24 60 6 13 2 1 11 7 / 2 11<br />

Hamburg 5418 5355 1272 / / 140 10 22 / 12 4 55 30 119 19 28 3 13 66 63 / 4 26<br />

Hamm 9371 9352 1973 2345 130 410 23 125 10 43 2 291 139 494 46 81 20 3 / 19 / / 43<br />

Karlsruhe 3041 3029 663 / / 109 8 16 / 8 1 52 29 76 10 8 3 4 19 12 1 1 17<br />

Kassel 1190 1186 257 304 18 19 2 13 2 6 / 55 24 60 6 8 1 / 3 4 / / 5<br />

Koblenz 2161 2155 489 / / 88 7 28 2 15 2 78 27 81 7 19 7 * 14 6 / * 24<br />

Köln 7621 7605 1781 / / 202 13 56 1 39 7 126 57 187 26 43 10 11 36 16 / * *<br />

Meckl.-Vorp. 1221 1221 299 / / 11 / 6 1 3 / 28 12 20 4 1 / / / / / 1 7<br />

München 11271 11166 2777 / / 315 23 63 9 63 4 333 112 200 38 18 3 14 50 105 12 9 40<br />

Nürnberg 2801 2781 703 / / 77 7 17 1 9 / 120 58 67 11 12 3 1 18 20 1 4 16<br />

Oldenburg 1884 1872 429 621 54 44 3 25 1 17 2 74 35 111 10 16 3 1 7 12 / 1 5<br />

Saarbrücken 990 985 213 / / 22 1 5 / 6 1 31 11 36 7 6 1 2 9 5 1 1 3<br />

Sachsen 3274 3272 978 / / 26 1 15 2 11 3 19 14 55 17 2 / 4 7 2 / 21 22<br />

Sachsen-Anh. 1459 1458 441 / / 14 2 5 / 7 1 21 15 27 8 / / / 3 1 / 2 8<br />

Schleswig 2612 2600 572 999 83 52 5 36 4 10 2 85 36 102 15 19 8 / 5 12 / 1 6<br />

Stuttgart 4394 4370 920 75 2 90 2 30 5 15 2 105 54 105 17 12 3 3 10 24 2 / /<br />

Thüringen 1491 1491 384 / / 22 1 4 1 4 1 6 4 27 5 / / / / / / 2 12<br />

Tübingen 1421 1414 275 15 / 34 1 17 / 8 / 55 28 44 3 8 1 / 3 7 / 1 3<br />

Zweibrücken 1122 1114 205 / / 31 1 10 / 7 / 43 19 35 1 6 1 2 4 8 / / /<br />

Bundesgebiet 98295 97876 23139 8930 736 2769 172 706 56 438 52 2231 1028 2843 402 432 110 139 356 419 23 78 392<br />

Vorjahr<br />

Veränderung<br />

91952 91516 20497 9046 728 2674 151 643 47 194 14 1160 554 2487 331 409 86 111 327 436 25 50 288<br />

in % 6,90 6,95 12,89 -1,28 1,10 3,55 13,91 9,80 19,15 125,77 271,43 92,33 85,56 14,31 21,45 5,62 27,91 25,23 8,87 -3,90 -8,00 56,00 36,11<br />

* = Keine Angaben Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Bonn Stand 10.3.1999<br />

Universität zu Köln<br />

Ehrenpromotion Ludwig Koch<br />

In einer eindrucksvollen akademischen Feierstunde am<br />

6. Februar 1999 hat die Rechtswissenschaftliche Fakultät<br />

der Universität zu Köln Rechtsanwalt Ludwig Koch, Köln<br />

und Prof. Dr. László Sólyom, Ungarn mit der Würde eines<br />

Doktors der Rechte ehrenhalber ausgezeichnet.<br />

Es ist erfreulich, daß die Universität in jüngster Zeit<br />

nach einer längeren Phase der behördlichen Gesichtslosigkeit<br />

und der administrativen Schlichtheit ihren herausragenden<br />

Ereignissen wieder einen Hauch von Glanz und Würde<br />

verleiht. Die Talare der juristischen Berufe sind ja keineswegs<br />

nur als muffig und als Ausdruck hölzernen Autoritätsgehabes<br />

zu qualifizieren, sondern sie zeigen dem aufmerk-<br />

samen Betrachter als Symbole jenen Teil des Rechts und<br />

der Wissenschaft, der dem kühl kalkulierenden ökonomischen<br />

Zugriff eben entzogen ist. In moderner Denke könnte<br />

man von Ansätzen zu einer Corporate Identity sprechen,<br />

deren akademische Insignien im aufgeschlossenen Ausland<br />

keineswegs verpönt sind. Die Begrüßungsansprachen des<br />

Dekans der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Spektabilität<br />

Prof. Dr. Klaus Luig und des Rektors der Universität<br />

Magnifizenz Prof. Dr. Jens Peter Meincke versammelten<br />

Ernst und Selbstgewissheit des wissenschaftlichen Lebens<br />

ebenso wie die große Freude über eine glanzvolle Stunde<br />

der Universität. Zu hören war auch von deren souveräner<br />

Öffnung nach außen, im Falle von László Sólyom zum<br />

nachbarlichen Staat und dessen Bürgern, im Falle von Ludwig<br />

Koch zur Berufspraxis des Rechtsanwalts, institutionell<br />

vermittelt durch das erfolgreiche und die Universität auch<br />

zierende Institut für Anwaltsrecht.<br />

PartG


AnwBl 4/99 217<br />

Mitteilungen l<br />

Luig, Koch, Henssler, Brunner, Sólyom, Meincke<br />

László Sólyom ist ehemaliger Präsident des Ungarischen<br />

Verfassungsgerichts und dem bedeutenden Institut für Ostrecht<br />

der Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Dr.<br />

h.c. Georg Brunner, der die Laudatio sprach, seit langem<br />

eng verbunden. In der Laudatio und dem Vortrag „Ungarische<br />

Verfassungsgerichtsbarkeit und Deutsche Grundrechtsdogmatik“<br />

waren spannend zu erleben die Probleme und<br />

Erfolge der Errichtung eines Verfassungsstaates und der sie<br />

krönenden Verfassungsgerichtsbarkeit, zu deren moderner<br />

Entwicklung die von dem Bundesverfassungsgericht geprägte<br />

Grundrechtslehre einen grundlegenden und vorbildlichen<br />

Beitrag leistet.<br />

Ludwig Koch ist den Lesern des <strong>Anwaltsblatt</strong>es wohl<br />

bekannt. Er erhielt die für einen praktizierenden Anwalt<br />

ungewöhnliche Auszeichnung – von den seit der Wiederbegründung<br />

der Kölner Universität im Jahre 1919 durch die<br />

Fakultät verliehenen 52 Ehrendoktortiteln gingen seit 1945<br />

nur zwei an Rechtsanwälte – für seine Leistung als einer<br />

der herausragenden Förderer und berufspolitischen Verbandsvertreter<br />

der Deutschen Anwaltschaft, für seine Verdienste<br />

um die Anwaltsausbildung, namentlich an der Kölner<br />

Universität und seinen Einsatz bei der wissenschaftlichen<br />

Analyse und der Fortentwicklung des anwaltlichen<br />

Berufsrechts. So heißt es in der Laudatio, die Prof. Dr.<br />

Martin Henssler sprach. Nach seinen Worten ist die Ehrung<br />

auch ein Zeichen des Bekenntnisses der Kölner Fakultät für<br />

eine zukunftsorientierte, an den Bedürfnissen der Praxis<br />

ausgerichtete universitäre Juristenausbildung, die auch den<br />

Anwaltsberuf gleichberechtigt zur Kenntnis nimmt und diesen<br />

neuen Leistungsplafond verknüpft mit traditionellen<br />

Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten Kölns auf den<br />

Gebieten des Arbeits-, Wirtschafts- und Steuerrechts im<br />

weitesten Sinne.<br />

Ein Ziel, unter dem die Arbeit Ludwig Kochs steht, ist<br />

es, dazu beizutragen, „daß es bald wirklich keine Aussage<br />

mehr gibt zu Ansehen und Wirklichkeit unseres Rechtsstaates<br />

ohne die Erwähnung der anwaltlichen Aufgaben in<br />

ihm.“ In der Tat ist der in der Arbeit des Rechtsanwalts täglich<br />

geleistete Beitrag zur Wirklichkeit des Verfassungsund<br />

Rechtsstaats noch unvollkommen bewußt und übergreifend<br />

gewürdigt. Von diesem Blickwinkel aus gibt es eine<br />

ansprechende Parallele zu dem Arbeitsbereich des Doktor-<br />

Zwillings von Ludwig Koch am 6. Februar 1999.<br />

Ludwig Koch sah, daß der seit dem Schnitt der Entscheidungen<br />

des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1987 von<br />

ihm gewünschte und befeuerte Aufbruch der Anwaltschaft<br />

in einen wettbewerbsfähigen, zukunftsträchtigen und möglichst<br />

liberal sich verfassenden Beruf ohne wissenschaftliche<br />

Grundierung und Durchdringung des Berufsrechts<br />

und der Berufswirklichkeit ganz undenkbar war. Von dieser<br />

Erkenntnis aus führte der Weg, wie es der zupackenden<br />

und durchsetzenden Art des Geehrten eigen ist, direkt zu<br />

dem sich aufbauenden Institut für Anwaltsrecht, dessen<br />

Fördervereinsvorsitz er übernahm und weiter zur<br />

wissenschaftlichen Arbeit, die einem solchen Institut nun<br />

einmal eigen ist. Wir sehen die Früchte dieses Engagements<br />

in der beeindruckenden Gestalt und Leistung des Instituts<br />

einerseits und in dem von ihm verantworteten Teil


218<br />

l<br />

des über das Institut herausgegebenen Kommentars zur<br />

Bundesrechtsanwaltsordnung andererseits.<br />

Ludwig Koch ist die enge Verbindung zur Wissenschaft<br />

nicht in die berufsanfängliche Wiege gelegt gewesen. Es ist<br />

schön zu sehen, daß sich in der Biographie dieses erfolgreich<br />

praktizierenden Rechtsanwalts und wirkungsvollen<br />

Repräsentanten beruflicher und verbandlicher Interessen<br />

das ereignet, was die Väter entgegen aller Hektik und Jungdynamik<br />

moderner Zeiten zu Recht überliefern, nämlich,<br />

daß die vorgerücktere Lebensstunde die Zeit der Kontemplation,<br />

des Sammelns und Sichtens, kurz der wissenschaftlichen<br />

Arbeit ist, die das, was man weiß, formt und weiterreicht.<br />

Dr. h.c. Ludwig Koch wird diese Spanne und die ihm<br />

verliehene hohe Auszeichnung leben, ganz unprätentiös,<br />

offen, immer neugierig auf Personen und Sachen Sympathie<br />

gewinnend und zielkräftig, eben nach seiner Art, einer<br />

Art, die es nicht nur den an dem Institut für Anwaltsrecht<br />

„beteiligten“ Professoren Henssler, Prütting, Hanau und<br />

Kolvenbach, sondern allen, die ihn kennen, so angenehm<br />

macht, mit ihm zu arbeiten. Daß er so ist, wie er ist, liegt<br />

natürlich auch an seiner wunderbaren Ehefrau Helge und<br />

den erwachsenen vier Kindern, die sich ihres ausgezeichneten<br />

Ehegatten und Vaters herzlich erfreuten. Der Geehrte<br />

seinerseits erfreute sie und viele Gäste mit einem köstlichen<br />

Doktorschmaus im – nomen est omen – „Excelsior“.<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />

Anwaltsrecht<br />

Institut für Anwaltsrecht – Leipzig<br />

Am 28.1.1998 hat im Alten Senatssaal der Universität<br />

Leipzig ein Festakt anläßlich der Eröffnung des Instituts<br />

für Anwaltsrecht der Universität Leipzig stattgefunden.<br />

Der förmliche Gründungsakt des Instituts liegt bereits eine<br />

Weile zurück, und das Institut hat in Form von Lehrveranstaltungen<br />

zum Anwaltsrecht seine Tätigkeit auch bereits<br />

aufgenommen. Es ist organisiert als Institut der Universität<br />

Leipzig und wird teils aus Mitteln der Universität und teils<br />

aus Drittmitteln unterhalten, die dem Institut über den Förderverein<br />

des Instituts für Anwaltsrecht der Universität<br />

Leipzig aus verschiedenen Institutionen der Anwaltschaft,<br />

insbesondere der Hans-Soldan-Stiftung, zufließen. Direktoren<br />

des Instituts sind die Professoren Dr. Ekkehard Becker-<br />

Eberhard und Dr. Christian Berger.<br />

Gebührenfragen<br />

Die Erstberatungsgebühr der BRAGO<br />

Referendarin Ramona Kühnel, Göttingen<br />

Gem. § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO kann der Rechtsanwalt<br />

für einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft,<br />

die nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit<br />

zusammenhängen, keine höhere Gebühr als 350,–<br />

DM fordern.<br />

Der folgende Beitrag soll einen Einblick in die Erscheinungsformen<br />

der Erstberatung geben und so den Einstieg in<br />

diese praktisch bedeutsame Materie erleichtern.<br />

AnwBl 4/99<br />

Mitteilungen<br />

I. Erste Beratung<br />

Erste Beratung bedeutet, der Rechtsuchende wendet sich<br />

zum ersten Male an den Rechtsanwalt wegen des Gegenstandes,<br />

auf den sich seine Bitte um Rat oder Auskunft bezieht.<br />

1<br />

1. Mehrvertretungszuschlag<br />

Es stellt sich die Frage, welche Gebühren entstehen,<br />

wenn der Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber über denselben<br />

Gegenstand berät.<br />

Gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO könnte sich die Ratsgebühr<br />

um 3/10 jeden weiteren Auftraggeber erhöhen.<br />

Der gesetzgeberische Grund für die Erhöhung der Vergütung<br />

des Rechtsanwalts nach § 6 Abs. 1 S. 2 und 3 BRA-<br />

GO ist darin zu sehen, daß regelmäßig durch zusätzliche<br />

Auftraggeber eine erhöhte Belastung und Verantwortung<br />

gegeben ist, wobei es im Einzelfall nicht darauf ankommt,<br />

ob dies tatsächlich der Fall ist.<br />

Somit geht das Gesetz davon aus, daß der Rechtsanwalt<br />

in einem Fall ohne zusätzliche Arbeitsbelastung eine erhöhte<br />

Gebühr erlangt, dafür in anderen Fällen Arbeitsleistungen<br />

erbringen muß, die selbst durch die erhöhte Gebühr<br />

keinesfalls angemessen vergütet werden. Nach dem Normzweck<br />

des § 6 BRAGO ist der Mehrvertretungszuschlag<br />

bei § 20 BRAGO und folglich auch für die Erstberatungsgebühr<br />

zu bejahen. 2<br />

Dem ist zu folgen.<br />

Die Höchstgebühr beträgt bei zwei Auftraggebern also<br />

350,– DM + 3/10 davon = 105,– DM, Summe 455,– DM.<br />

Diese Reihe läuft bei zusätzlichen Auftraggebern weiter bis<br />

zu 1.050,– DM. 3<br />

2. Mischfälle<br />

Problematisch wird es, wenn sich der Rat und die Auskunft<br />

zugleich auf Angelegenheiten, in denen die Gebühren<br />

nach dem Gegenstandswert berechnet werden und auf solche,<br />

in denen das nicht der Fall ist, beziehen.<br />

Nach einer weit verbreiteten Ansicht sollen die Gebühren<br />

nur nach dem Gebührensatzrahmen des § 20 Abs. 1 S. 1<br />

BRAGO berechnet werden. Die durch Beratung z. B. sowohl<br />

in zivilrechtlicher als auch in strafrechtlicher Angelegenheit<br />

entstehende Mehrarbeit werde in der Weise bewertet, daß<br />

bei der Bemessung des Gegenstandswertes auch der Wert<br />

des strafrechtlichen Gegenstandes, also eines nicht vermögensrechtlichen<br />

Gegenstandes, zu berücksichtigen sei. 4<br />

Die andere Ansicht beruft sich darauf, daß verschiedene<br />

Angelegenheiten gegeben sind, so daß für den Rat in der<br />

zivilrechtlichen Angelegenheit eine Gebühr aus § 20 Abs.<br />

1 S. 1 BRAGO und für den Rat in der strafrechtlichen Angelegenheit<br />

eine Gebühr aus § 20 Abs. 1 S. 3 BRAGO entsteht.<br />

Somit müßte auch bei der Erstberatung die Gebühr<br />

wegen des zivilrechtlichen Gegenstandes auf 350,– DM begrenzt<br />

sein; die Gebühr aus § 20 Abs. 1 S. 3 BRAGO<br />

müßte dazutreten. 5<br />

1 Gerold, Schmidt, von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />

§ 20, Rn. 11.<br />

2 Madert, Die Erstberatungsgebühr, in: AnwBl 5/96, 247.<br />

3 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in:<br />

ZAP 1994, 917.<br />

4 Riedel/Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 11.<br />

5 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in:<br />

ZAP 1994, 916.


AnwBl 4/99 219<br />

Mitteilungen l<br />

Nach der Ansicht Lappes würde es dem Normzweck der<br />

Kappungsgebühr von 350,– DM widersprechen, eine Gebühr<br />

aus § 20 Abs. 1 BRAGO und eine Gebühr aus § 20<br />

Abs. 1 S. 3 BRAGO entstehen zu lassen. Nach dem Willen<br />

des Gesetzes soll der Auftraggeber davon ausgehen können,<br />

daß er für eine erste Beratung nicht mehr als 350,–<br />

DM zahlen muß, unabhängig davon, ob es sich um eine<br />

oder mehrere Angelegenheiten handelt. 6<br />

3. Problem der „ersten“ Beratung<br />

Es erscheint problematisch, ob es sich noch um eine<br />

Erstberatung handelt, wenn das erste Beratungsgespräch abgebrochen<br />

und die Beratung in einem zweiten Gespräch<br />

fortgesetzt wird oder wenn der Auftraggeber wegen desselben<br />

Gegenstandes eine weitere Beratung wünscht und erhält?<br />

a) Ansicht der Rechtschutzversicherer<br />

Die Rechtsschutzversicherer nehmen auf § 13 Abs. 1<br />

BRAGO Bezug, wonach die Gebühren, soweit die BRAGO<br />

nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts<br />

vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit<br />

entgelten.<br />

Ebenfalls stützen sie sich auf § 13 Abs. 2 S. 2 BRAGO,<br />

wonach der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit<br />

nur einmal fordern kann.<br />

Auch berufen sie sich auf § 13 Abs. 5 S. 1 BRAGO, wo<br />

es heißt, daß der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit<br />

tätig geworden ist und beauftragt wird, in derselben<br />

Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an<br />

Gebühren erhält, als er erhalten würde, wenn er von vornherein<br />

hiermit beauftragt wäre.<br />

Daraus wird gefolgert: Es gilt auch für die Erstberatung,<br />

daß sie die Tätigkeit des Rechtsanwalts abgelten soll bis<br />

zur Erledigung der Angelegenheit. Eine Erledigung ist<br />

nicht gegeben, wenn der Rechtsanwalt den Rat bei der ersten<br />

Beratung nicht erteilen kann, z. B. wenn er erst die<br />

Rechtslage anhand von Rechtsprechung und Schrifttum<br />

prüfen muß oder er den Rat nicht erteilen kam, weil der<br />

Ratsuchende die zur Erteilung des Rates notwendigen Unterlagen<br />

(Urkunden), Verträge oder dergleichen nicht bei<br />

sich hat.<br />

Ebenso sei die Angelegenheit noch nicht erledigt, wenn<br />

der Ratsuchende sich zwar zunächst mit dem vom Rechtsanwalt<br />

in der ersten Beratung erteilten Rat zufrieden gibt,<br />

dann aber Zusatzfragen hat und wegen der Zusatzfragen<br />

den Rechtsanwalt ein zweites oder drittes Mal aufsucht. 7<br />

b) Ansicht des Gesetzgebers<br />

Die Ansicht des Gesetzgebers stützt sich auf die Gesetzesbegründung,<br />

in der es heißt, daß sich die Regelung des<br />

Satzes 2 nur auf die Gebühr für die erste Beratung bezieht.<br />

Falls sich nach dem 1. Beratungsgespräch oder dem ersten<br />

schriftlichen Rat oder einer solchen Auskunft eine weitere<br />

Tätigkeit des Rechtsanwalts anschließt, mag diese auch<br />

mit der ersten Beratung im engen Zusammenhang stehen<br />

oder diese fortsetzen, greift die Regelung nicht ein. 8 Die<br />

Erstberatung endet somit, wenn eine Beratung wegen ihres<br />

Beratungsgegenstandes unterbrochen wird, z. B. weil der<br />

Rechtsanwalt sich zunächst sachkundig machen muß oder<br />

weil der Auftraggeber eine Bedenkzeit benötigt.<br />

Wird allein wegen äußerer Umstände unterbrochen, z.<br />

B. wegen der Mittagspause, so kann die Beratung als nicht<br />

beendet angesehen werden. 9<br />

c) Ansicht des Schrifttums<br />

Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, die Beschränkung<br />

des anwaltlichen Gebührenanspruchs auf den<br />

Höchstbetrag von 350,– DM gem. § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO<br />

gilt dann nicht mehr, wenn sich der ersten Beratung weitere<br />

Beratungen anschließen, auch wenn sie denselben Fall bzw.<br />

Gegenstand betreffen. 10<br />

Dabei wird folgende Unterscheidung vorgenommen:<br />

Kann der Rechtsanwalt nach Schilderung des Sachverhalts<br />

durch den Mandanten den Rat nicht sofort erteilen,<br />

weile er sich zunächst anhand von Literatur und Rechtsprechung<br />

sachkundig machen muß und dann einige Tage später<br />

den Rat erteilt, dann liegt noch eine Erstberatung vor. 11<br />

Wurde mit der Erstberatung durch den Rechtsanwalt begonnen,<br />

kann diese aber nicht zu Ende geführt werden,<br />

weil der Rechtsanwalt erst weitere Unterlagen zum Sachverhalt<br />

durcharbeiten oder sich wegen der Schwierigkeit<br />

der Rechtslage sachkundig machen muß, dann liegt bei<br />

Fortsetzung der Beratung an einem anderen Tag keine Erstberatung<br />

mehr vor. 12<br />

Dieser Unterscheidung kann nicht zugestimmt werden.<br />

Eine Gebühr entsteht mit der Tätigkeit des Rechtsanwalts<br />

nach Erhalt des Auftrags, also regelmäßig mit der<br />

Entgegennahme der Information.<br />

Sowohl die Schilderung des Sachverhalts durch den<br />

Mandanten als auch die Anhörung desselben durch den<br />

Rechtsanwalt ist Entgegennahme der Information. Da erste<br />

Beispielsfall ist somit dem zweiten gleichzustellen. 13<br />

Dieser Begründung sollte man sich anschließen.<br />

Die Vorschrift wird nicht dadurch umgangen, daß der<br />

Anwalt den Klienten zu einer nochmaligen Vorsprache bestellt,<br />

weil er sich z. B. für die Beratung erst kundig machen<br />

muß.<br />

Die mehrfache Vorsprache zählt in diesem Fall zu einer<br />

einheitlichen Beratung.<br />

Wünscht der Mandant nach Abschluß der Erstberatung<br />

eine zusätzliche Beratung, ohne bereits einen anderen gebührenpflichtigen<br />

Auftrag zu erteilen, kann die Beratung zu<br />

den normalen Sätzen abgerechnet werden. 14<br />

In einigen praktischen Fällen wird der Rechtsanwalt zu<br />

einer Sofortberatung bereit sein, jedoch eine aufkommende<br />

spezielle Frage der schriftlichen Ergänzung nach eingehender<br />

Prüfung der Rechtslage vorbehalten. Diese Ergänzung<br />

ist nicht Teil der ersten Beratung i. S. des § 20 Abs. 1 S. 2<br />

BRAGO. 15<br />

Die erste Beratung ist beendet, wenn die Beratung unterbrochen<br />

wird, weil der Rechtsanwalt sich zunächst sachkundig<br />

machen oder mit der Rechtsschutzversicherung korrespondieren<br />

muß, weitere Informationen vom Mandanten<br />

fordert oder dieser eine Bedenkzeit benötigt. Für die weite-<br />

6 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in<br />

ZAP 1994, 916.<br />

7 Madert, Die Erstberatungsgebühr, in: AnwBl 5/96, 248.<br />

8 BT-Drucksache 12/6962,102.<br />

9 Hansens, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 7 a.<br />

10 Enders, Die Erstberatung, in: JurBüro 1995, 226.<br />

11 Enders, Die Erstberatung, in: JurBüro 1995, 226.<br />

12 Enders, Die Erstberatung, in: JurBüro 1995, 227.<br />

13 Madert, Die Erstberatungsgebühr, in: AnwBl 5/96, 250.<br />

14 Riedel/Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 15.<br />

15 Lappe, Erstberatungsgebühr nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, in:<br />

ZAP 1994, 916.


220<br />

l<br />

re Beratungs- und Auskunftstätigkeit ist der Rechtsanwalt<br />

nicht mehr an die Höchstgrenze von 350,– DM gebunden.<br />

Wird allerdings die Rechtsanwaltstätigkeit wegen äußerer,<br />

in der Sphäre des Anwalts liegender Umstände unterbrochen,<br />

etwa wegen Mittagspause oder wegen anderer Termine<br />

des Rechtsanwalts, ist die Erstberatung nicht beendet. 16<br />

Geht die Tätigkeit des Rechtsanwalts über bloße Ratserteilung<br />

hinaus, sei es auch nur durch ein Telefonat usw. ist<br />

der als Sonderregelung eng auszulegende § 20 Abs. 1 S. 2<br />

BRAGO unanwendbar. 17<br />

B. Zusammenfassung<br />

Jede Fortsetzung der ersten Beratung mit der Ausnahme,<br />

daß der Rechtsanwalt die Erstberatung aus persönlichen<br />

Gründen, die nichts mit dem Gegenstand der Beratung zu<br />

tun haben, unterbricht, ist eine weitere Beratung mit der<br />

Folge, daß die Begrenzung auf 350,– DM entfällt.<br />

Eine weitere Beratung ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt<br />

in derselben Angelegenheit abermals um Rat oder<br />

Auskunft angegangen wird (2. Beratung), wenn sich eine<br />

weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts anschließt, er also in<br />

der Sache das Mandat bekommen hat, wenn er den Rat<br />

oder die Auskunft im ersten Gespräch oder im ersten<br />

Schreiben nicht oder nicht vollständig erteilen konnte und<br />

daher ein weiteres Gespräch oder ein weiterer schriftlicher<br />

Rat aussteht. 18<br />

Die Bezugnahme der Rechtsschutzversicherer auf § 13<br />

Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 BRAGO geht fehl. Der<br />

Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO sowie seine gesetzliche<br />

Begründung zeigen, daß hinsichtlich der Erstberatungsgebühr<br />

die Regelungen des § 13 BRAGO nicht gelten.<br />

C.Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Ratserteilung<br />

nach § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO<br />

Der Rechtsanwalt ist weder durch Gesetz oder Standesrichtlinien<br />

gehalten, den erstmaligen Rat mit der Begrenzung<br />

der Gebühr nach § 20 I 2 BRAGO zu erteilen.<br />

Er ist dann aber verpflichtet, dem Ratsuchenden vor der<br />

Erteilung des Rates zu sagen, daß er nicht bereit sei, eine<br />

erste Beratung mit einer normalen Gebühr bis zu 350,– DM<br />

zu erteilen. 19<br />

I. Fallgestaltungen<br />

Zu denken ist hier vor allem an zwei Fallgestaltungen:<br />

Der Gegenstandswert der Beratung ist so hoch, daß auch<br />

bei Ansatz einer 1/10-, 2/10- und 3/10- Gebühr der Höchstbetrag<br />

von 350,– DM überschritten wird.<br />

Hier wird der Rechtsanwalt schon aus Haftungsgründen<br />

überlegen, ob er sich mit der Erstberatungsgebühr zufriedengibt.<br />

Für einen falschen Rat haftet er voll, nicht im Verhältnis<br />

der Erstberatungsgebühr zur normalen Gebühr. Der<br />

andere Fall ist folgender: Der Streitwert ist zwar gering,<br />

die Beratung aber so umfangreich und schwierig, daß selbst<br />

bei Ansatz der 10/10- Gebühr der Betrag von 350,– DM<br />

überschritten wird. 20<br />

II.§3Abs.1S.lBRAGO<br />

Der Rechtsanwalt muß sich das Zahlungsversprechen<br />

des Rechtsuchenden schriftlich geben lassen, falls der<br />

Rechtsuchende bereit ist, sich von dem Anwalt beraten zu<br />

lassen und hierfür eine über 350,– DM hinausgehende Gebühr<br />

zu zahlen. 21<br />

AnwBl 4/99<br />

Mitteilungen<br />

Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 BRAGO darf die Erklärung des<br />

Auftraggebers nicht in der Vollmacht oder einem anderen<br />

Vordruck, der auch andere Erklärungen umfaßt, enthalten<br />

sein.<br />

16 Hansens, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 7a.<br />

17 Hartmann, Kostengesetze, § 20 BRAGO, Rn. 10.<br />

18 Kronenbitter, BRAGO 1994, § 20, Rn. 319.<br />

19 Hansens, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 20, Rn. 7c.<br />

20 Gerold, Schmidt, von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />

§ 20, Rn. 11.<br />

21 Gerold, Schmidt, von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,<br />

§ 20, Rn. 11.<br />

Steuerrecht<br />

Steuerliche Abschreibung von Computern bei<br />

juristischen Tätigkeiten<br />

I. Einleitung<br />

In nahezu sämtlichen juristischen Tätigkeitsbereichen ist<br />

die Benutzung von Computern unerläßlich geworden.<br />

Selbst bei den Gerichten ist der Einsatz elektronischer<br />

Datenverarbeitung keine Seltenheit mehr 1 . Anwaltskanzleien<br />

nutzen Computer mittlerweile nicht nur lediglich für<br />

klassische Schreibaufgaben. Anwaltsprogramme ermöglichen<br />

und unterstützen beispielsweise die Adressen- und<br />

Aktenverwaltung, die Buchhaltung, Lohnabrechnungen,<br />

Unterhaltsberechnungen sowie Gebührenrechnungen. Die<br />

überwiegende Anzahl juristischer Fachzeitschriften ist zusätzlich<br />

als CD-ROM erhältlich. Formularbücher enthalten<br />

regelmäßig Disketten oder CDs mit der Möglichkeit, die<br />

im Buch enthaltenen Formulierungsvorschläge in die Textverarbeitung<br />

zu übernehmen.<br />

Aus diesem Grunde ist die steuerliche Behandlung von<br />

Computern von allgemeiner Bedeutung. Wegen des raschen<br />

technischen Fortschritts bei Computern ergeben sich auch<br />

regelmäßig Änderungen bei deren steuerlicher Behandlung,<br />

so daß dieser Beitrag einen aktuellen Überblick hierüber<br />

verschaffen will.<br />

II. Abschreibung bei Einkünften aus<br />

nichtselbständiger Arbeit<br />

1. Nichtselbständige Arbeit<br />

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 2 I Nr. 4, 19<br />

I Nr. 1 EStG) erzielen insbesondere Richter 2 , Staatsanwälte,<br />

Professoren 3 , Beamte, Referendare 4 und sonstige angestellte<br />

Juristen. Rechtsanwälte erzielen Einkünfte aus<br />

nichtselbständiger Arbeit, sofern sie ihrerseits bei einem<br />

anderen Rechtsanwalt angestellt sind oder aufgrund eines<br />

Arbeitsverhältnisses für Banken, Versicherungen, berufs-<br />

1 Werner, Elektronische Datenverarbeitung bei Zivilgerichten, NJW 1997, 293 ff.<br />

2 BFH, BStBl III 1958, 255.<br />

3 BFH, BSTBl II 1992, 176.<br />

4 BFHE 139, 190.


AnwBl 4/99 221<br />

Mitteilungen l<br />

ständische Vereinigungen oder Gewerkschaften tätig werden<br />

5 . Die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger<br />

Tätigkeit kann bei Rechtsanwälten bisweilen<br />

schwierig sein. Maßgebend ist das Gesamtbild der Verhältnisse<br />

6 . Gemäß § 1 II 2 LStDV liegt eine nichtselbständige<br />

Tätigkeit vor, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres<br />

geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers<br />

steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers<br />

dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.<br />

Wesentliche Merkmale der Arbeitnehmereigenschaft sind<br />

u. a.: Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt<br />

der Tätigkeit; feste Arbeitszeiten; feste Bezüge; Anspruch<br />

auf Urlaub und Sozialleistungen, Lohnfortzahlung<br />

im Krankheitsfall; kein Unternehmerrisiko; kein Kapitaleinsatz<br />

7 .<br />

Die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit werden<br />

ermittelt durch den Überschuß der Einnahmen über die<br />

Werbungskosten (§ 2 II Nr. 2 EStG). Werbungskosten sind<br />

Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung<br />

der Einnahmen (§ 9 I 1 EStG), also alle beruflich veranlaßten<br />

Aufwendungen 8 . Zu den Werbungskosten können auch<br />

die Anschaffungskosten für Computer und Zubehör fallen,<br />

nämlich unter dem Gesichtspunkt von Aufwendungen für<br />

Arbeitsmittel (§ 9 I 3 Nr. 6 EStG).<br />

In den Lohnsteuertabellen ist bereits der sogenannte<br />

Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von DM 2.000 enthalten,<br />

so daß beim Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers Werbungskosten<br />

in dieser Höhe bereits berücksichtigt werden.<br />

Wird der Computer eines Arbeitnehmers als Arbeitsmittel<br />

anerkannt, hat er einen großen Schritt auf dem Weg zur<br />

Einkommensteuererstattung zurückgelegt.<br />

2. Aufteilungs- und Abzugsverbot, § 12 Nr. 1 EStG<br />

Die Werbungskosten sind von den allgemeinen Lebenshaltungskosten<br />

(§ 12 EStG) abzugrenzen. Probleme können<br />

sich bei Computern insoweit ergeben, als sie einerseits der<br />

Einkunftserzielung dienen, andererseits aber auch privat<br />

genutzt werden können. Solche gemischten Aufwendungen<br />

sind aufgrund des in § 12 Nr. 1 EStG enthaltenen Aufteilungs-<br />

und Abzugsverbots grundsätzlich nicht abziehbar 9 .<br />

Ein voller Werbungskostenabzug wird jedoch dann zugelassen,<br />

wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt<br />

und die allgemeine Lebensführung hierbei von untergeordneter<br />

Bedeutung ist 10 .<br />

Der Umstand der weitaus überwiegenden beruflichen<br />

Nutzung muß gegenüber dem Finanzamt nachgewiesen<br />

oder zumindest glaubhaft gemacht werden 11 , so daß es sich<br />

in jedem Fall empfiehlt, bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung<br />

anzugeben, worin die berufliche Verwendung<br />

besteht. Die Finanzverwaltung stellt aufgrund gewisser<br />

Umstände Vermutungen an, die für eine berufliche oder<br />

private Nutzung sprechen können. So spricht zunächst der<br />

Erwerb eines Laptops oder Notebooks für eine berufliche<br />

Nutzung, da diese gegenüber einem PC bauartbedingt teurer<br />

sind 12 und sich weniger für Spiele eignen. Die Nutzung<br />

des eigenen PC in den Räumen des Arbeitgebers spricht<br />

ebenfalls dafür. Demgegenüber sprechen Soundkarten, Joysticks,<br />

Modems, 3D-Grafikkarten oder Spielesoftware für<br />

eine steuerschädliche private Verwendung 13 .<br />

Für Arbeitnehmer kann sich der Versuch, die Kosten für<br />

eine Internet-Benutzung abzusetzen, als nachteilig erweisen.<br />

Zwar ist das juristische Angebot im Internet bereits<br />

vielversprechend (z. B. Bundesgestzblatt 14 , Bußgeldkatalog<br />

15 ). Dennoch geht die Finanzverwaltung bei der Benut-<br />

zung von Online-Diensten oder Providern zunächst von einer<br />

steuerschädlichen privaten Mitbenutzung aus 16 . Dies<br />

erscheint auch sachgerecht, da Angestellte selbst nicht am<br />

Markt tätig sind und deshalb aus beruflichen Gründen<br />

weder eine Homepage noch eine E-Mail-Adresse benötigen.<br />

3. Absetzung für Abnutzung, § 7 EStG<br />

Da die Kosten für leistungsfähige Computer über<br />

DM 926 inkl. MwSt. liegen, können sie lediglich nach den<br />

Grundsätzen der Absetzung für Abnutzung (Afa) abgeschrieben<br />

werden (§§ 9 I 3 Nr. 7, 7 EStG). Gemäß § 7 I<br />

EStG sind die Anschaffungskosten auf den Zeitraum ihrer<br />

voraussichtlichen Nutzungsdauer in gleichen Jahresbeträgen<br />

(linear) zu verteilen. Diese Nutzungsdauer ist zu schätzen,<br />

wofür die amtliche Afa-Tabelle einen groben Anhaltspunkt<br />

gibt 17 . Lange Zeit wies die amtliche AfA-Tabelle für Computer<br />

eine Nutzungsdauer von fünf Jahren aus. Nunmehr<br />

legt sie für Computer, die nach dem 30.6.1997 angeschafft<br />

wurden, eine Abschreibungsdauer von vier Jahren fest 18 .<br />

Der bloße Hinweis auf die raschen Neuentwicklungen im<br />

EDV-Bereich genügt nicht, um im Einzelfall eine kürzere<br />

Abschreibungsdauer zu erwirken 19 . Dies dürfte für Juristen<br />

um so mehr gelten, als sie den Computer beruflich vorwiegend<br />

für die Textverarbeitung gebrauchen, die keine allzu<br />

hohen Anforderungen an den technischen Stand des Computers<br />

stellt. Dennoch kann es nicht schaden, beim Finanzamt<br />

eine Abschreibung über drei Jahre anzuregen, da dies<br />

gelegentlich Erfolg hat. Laptops und Notebooks mit geringer<br />

Speicherkapazität dürfen bereits über drei Jahre abgeschrieben<br />

werden20 . In der Literatur wird die Abschreibung<br />

über drei Jahre für alle Computer befürwortet 21 . Wird der<br />

Computer in der 1. Jahreshälfte erworben, kann aus Vereinfachungsgründen<br />

der volle AfA-Jahresbetrag abgesetzt werden,<br />

sonst nur der halbe 22 . Die Anwendung der AfA kann<br />

nicht dadurch umgangen werden, daß nacheinander einzelne<br />

Teile (Drucker, Monitor) dazugekauft werden. Sie<br />

sind mit der gesamten Computeranlage als einheitliches<br />

Wirtschaftsgut anzusehen, da sie zu einer selbständigen<br />

Nutzung nicht fähig sind 23 . Jedoch kann die notwendige<br />

Software im Wert bis zu DM 926 sofort abgesetzt werden 24 .<br />

Abzugsfähige Aufwendungen sind neben den Anschaffungs-<br />

auch die Reparatur- und Reinigungskosten sowie Kosten<br />

für Papier, Tintenpatronen, Disketten etc.<br />

5 Schmidt/Seeger, § 18 Rdnr. 98.<br />

6 Meyer, Die Besteuerung der Anwaltskanzlei, 1992, Seite 3.<br />

7 Vgl. A 67 LStR.<br />

8 Vgl. A 33 LStR.<br />

9 BFH BStBl II 1993, 559.<br />

10 Ebd.<br />

11 BFH/NV 1996, 207.<br />

12 OFD Saarbrücken, Vfg. v. 11.7.1997, DStR 1997, 1367 ff.<br />

13 Ebd.<br />

14 Http://www.jura.uni-sb.de/BGBl.<br />

15 Http://www.traxxx.de/adac/autorecht/bussgeldkatalog.html.<br />

16 OFD Saarbrücken, DStR 1997, 1367 ff.<br />

17 FG Rheinland-Pfalz, EFG 1996, 362, 363.<br />

18 FG Köln, EFG 1996, 851 – nicht rechtskräftig; OFD Saarbrücken, DStR 1997,<br />

1367.<br />

19 OFD Saarbrücken, aaO.<br />

20 FG Rheinland-Pfalz, EFG 1996, 362 f.<br />

21 Schmidt/Drenseck, § 7 Rdnr. 87.<br />

22 R 44 II EStR.<br />

23 FG München, EFG 1993, 214.<br />

24 R 31 a I EStR 1993.


222<br />

l<br />

Das sog. Aufrüsten eines Computers, beispielsweise<br />

durch den Einbau eines schnelleren Prozessors oder einer<br />

leistungsfähigeren Grafikkarte, kann sich steuerlich als günstiger<br />

erweisen als der Erwerb eines neuen Computers.<br />

Zwar handelt es sich beim Aufrüsten eines Computers nicht<br />

um Kosten der Instandhaltung, sondern um nachträgliche<br />

Anschaffungskosten, die mit den ursprünglichen Anschaffungskosten<br />

eine wirtschaftliche Einheit bilden 25 . Aber die<br />

Kosten der Aufrüstung werden zum Restwert des Computers<br />

addiert und können über den Zeitraum der Restnutzungsdauer<br />

abgeschrieben werden.<br />

Berechnungsbeispiel 26<br />

Kaufpreis Computer Februar 1993 DM 5.000<br />

abzüglich Afa = 1/5 pro Jahr 1993 – 1995 DM 3.000<br />

Restwert Ende 1995 DM 2.000<br />

zzgl. Kaufpreis neuer Prozessor März 1996 DM 1.000<br />

Wert nach Aufrüstung DM 3.000<br />

Afa 1996 und 1997 je DM 1.500<br />

(Restnutzungsdauer 2 Jahre)<br />

Wird hingegen ein neuer Computer erworben, ist dieser<br />

wieder über die volle Nutzungsdauer abzuschreiben. Demgegenüber<br />

können die Afa-Jahresbeträge für den alten<br />

Computer nur dann weiter abgesetzt werden, wenn er nach<br />

wie vor weitaus überwiegend beruflich genutzt werden würde.<br />

Dieser Nachweis kann sich als schwierig erweisen.<br />

Ausgeschlossen ist eine weitere Absetzung bei Veräußerung.<br />

4. Außergewöhnliche technische und wirtschaftliche<br />

Abnutzung<br />

In Ausnahmefällen kann im Zusammenhang mit Computern<br />

eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung<br />

(§§ 9 I 3 N. 7, 7 I 5 EStG) geltend gemacht werden. Das<br />

Finanzamt erkennt dies für einen Computer der 486er- oder<br />

einer niedrigeren Leistungsklasse ohne nähere Prüfung an,<br />

wenn er 3 Jahre genutzt worden ist 27 . Eine außergewöhnliche<br />

technische Abnutzung liegt vor, wenn der Computer<br />

oder Teile davon kaputtgehen.<br />

5. Umwidmungen und Schenkungen<br />

Computer, die ursprünglich nicht für berufliche Zwecke<br />

genutzt wurden, können umgewidmet werden 28 . Nach den<br />

Grundsätzen der AfA können dann die Jahresbeträge abgesetzt<br />

werden, in denen eine berufliche Nutzung stattfindet.<br />

Auch geschenkte Computer können nach den Anschaffungskosten<br />

des Schenkers oder bei gebrauchten Sachen<br />

nach dem Restwert abgesetzt werden 29 .<br />

III. Abschreibung bei Einkünften aus<br />

selbständiger Arbeit<br />

1. Selbständige Tätigkeit<br />

Rechtsanwälte erzielen Einkünfte aus selbständiger<br />

Arbeit, wenn sie freiberuflich tätig sind (§ 18 I Nr. 1<br />

EStG). Das ist der Fall, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die<br />

ihrem typischen Berufsbild entsprechen. Gemäß §§ 1-3<br />

BRAO ist der Rechtsanwalt Organ der Rechtspflege, betreibt<br />

kein Gewerbe und ist der unabhängige Berater und<br />

Vertreter der Rechtssuchenden in allen Rechtsangelegenheiten.<br />

Ferner gehören zu den freiberuflichen anwaltlichen Tätigkeiten<br />

Testamentsvollstreckungen, Konkursverwaltungen,<br />

Vermögensverwaltungen und Aufsichtsratsmitgliedschaften<br />

AnwBl 4/99<br />

Mitteilungen<br />

(§ 18 I Nr. 3 EStG). Wird ein Rechtsanwalt in eine Sozietät<br />

aufgenommen, so ist er selbständig und nicht Arbeitnehmer,<br />

auch wenn er einen festbestimmten Betrag am Gewinnanteil<br />

erhält 30 .<br />

Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gehören zu den<br />

Gewinneinkunftsarten (§ 2 II Nr. 1 EStG). Es ist der Gewinn<br />

zu versteuern. Dem Rechtsanwalt stehen nach dem<br />

EStG zwei Möglichkeiten der Gewinnermittlung zur Verfügung,<br />

nämlich der Betriebsvermögensvergleich gemäß<br />

§ 4 I EStG und die Einnahmen-Überschußrechnung gemäß<br />

§ 4 III EStG. Er wird sich in der Regel für die zweite Möglichkeit<br />

entscheiden, da sie einfacher zu handhaben ist.<br />

Diese Möglichkeit steht dem Rechtsanwalt offen, da er zur<br />

Führung von Büchern gesetzlich nicht verpflichtet ist<br />

(§ 141 AO). Die Einnahmen-Überschußrechnung berechnet<br />

lediglich den Überschuß der Betriebseinnahmen über die<br />

Betriebsausgaben. Im Gegensatz zum Betriebsvermögensvergleich<br />

spielen Forderungen keine Rolle. Nur auf tatsächlich<br />

geflossene Beträge kommt es an. Zu den Betriebsausgaben<br />

gehören auch die Anschaffungskosten für Computer.<br />

2. Aufteilungs- und Abzugsverbot, § 12 EStG<br />

Hierbei gelten im wesentlichen die gleichen Grundsätze<br />

wie bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Da der<br />

Selbständige jedoch selbst am Markt teilnimmt, dürfte sich<br />

die Internet-Benutzung nicht als steuerschädlich erweisen.<br />

3. Absetzung für Abnutzung, § 7 EStG<br />

Die in der amtlichen Afa-Tabelle vorgesehene Abschreibungsdauer<br />

von vier Jahren ist auch für Freiberufler maßgeblich.<br />

Allerdings kann der Selbständige im Gegensatz zum<br />

Arbeitnehmer von der degressiven Afa gemäß § 7 II EStG<br />

Gebrauch machen. Das bedeutet, daß statt der Absetzung<br />

gleicher Jahresbeträge von den Anschaffungskosten (lineare<br />

Afa) jedes Jahr ein unveränderlicher Prozentsatz vom Restwert<br />

abgeschrieben werden kann, der das dreifache der linearen<br />

Afa und 30% nicht übersteigt. Da der Restwert bei<br />

der degressiven Afa niemals Null erreichen kann, ist ein<br />

Wechsel von der degressiven zur linearen Abschreibung<br />

(nicht umgekehrt) möglich (§ 7 III EStG). Die degressive<br />

Afa ist neben einer Absetzung für außergewöhnliche technische<br />

oder Abnutzung nicht zulässig (§ 7 II 4 EStG).<br />

Sie ist – ebenso wie Sonderabschreibungen – in formeller<br />

Hinsicht nur zulässig, wenn ein besonderes Verzeichnis<br />

hierüber angelegt wird (§§ 7 II 3, 7 a VIII EStG). Aus diesem<br />

muß sich der Tag der Anschaffung, die Kosten, die<br />

gewöhnliche Nutzungsdauer und die Höhe der jährlichen<br />

Afa sowie der Sonder-Afa ergeben (§ 7a VIII EStG). Das<br />

Verzeichnis braucht nicht geführt zu werden, wenn diese<br />

Angaben aus der Buchführung ersichtlich sind.<br />

4. Sonderabschreibung gemäß § 7g EStG<br />

Bei der Anschaffung von fabrikneuen beweglichen<br />

Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens kommt für Freiberufler,<br />

also auch für Rechtsanwälte, eine zusätzliche Son-<br />

25 FG Rheinland-Pfalz, EFG 1996, 362 f.<br />

26 Zur Berechnung vgl. auch OFD Saarbrücken, DStR 1997, 1367.<br />

27 Schmittmann / Kocker, ZAP 1998, 33, 36.<br />

28 BFH, BStBl II 1990, 684.<br />

29 BFH, BStBl II 1990, 883.<br />

30 Schmidt/Seeger, § 18 Rdnr. 8.


AnwBl 4/99 223<br />

Mitteilungen l<br />

derabschreibung nach § 7g EStG in Betracht. Zu den Wirtschaftsgütern<br />

des Anlagevermögens gehören auch Computer,<br />

da sie dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb<br />

zu dienen (vgl. § 247 II HGB) 31 . Innerhalb des Begünstigungszeitraums<br />

von 5 Jahren beträgt die Sonder-Afa<br />

insgesamt 20 % der Anschaffungskosten. Sie kann also beliebig<br />

auf diesen Zeitraum verteilt werden. Dadurch lassen<br />

sich Gewinnspitzen glätten und bei Neugründungen das<br />

Abschreibungsvolumen für spätere Jahre erhalten. Die Sonder-Afa<br />

kann im Anschaffungsjahr aber auch in voller<br />

Höhe von 20% in Anspruch genommen werden und zwar<br />

unabhängig vom genauen Anschaffungszeitpunkt 32 (anders<br />

als bei der Afa gemäß § 7 I EStG, die nur bei Anschaffung<br />

in der ersten Jahreshälfte zum Abzug der vollen Jahres-Afa<br />

berechtigt). Grundsätzlich ist neben Sonderabschreibungen<br />

nur die lineare Afa zulässig (§ 7a IV EStG). Die Sonderabschreibung<br />

gemäß § 7g EStG ist hingegen auch neben<br />

der in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten degressiven<br />

Afa möglich.<br />

Da es sich bei der Sonderabschreibung nach § 7g EStG<br />

um die sogenannte Mittelstands-Afa handelt, darf das Betriebsvermögen<br />

am Schluß des der Anschaffung vorangegangenen<br />

Jahres DM 400.000 nicht überstiegen haben.<br />

Diese Voraussetzung gilt kraft Gesetzes als erfüllt, wenn<br />

der Betrieb (der Rechtsanwalt) seinen Gewinn gemäß § 4<br />

III EStG, also durch Einnahmen-Überschußrechnung, ermittelt.<br />

Auf den tatsächlichen Wert des Betriebsvermögens<br />

kommt es dann nicht mehr an, selbst wenn er – wie bei großen<br />

Sozietäten – offenkundig den Grenzwert übersteigt.<br />

Weitere Voraussetzung ist, daß die betreffenden Computer<br />

für mindestens ein Jahr im Betrieb verbleiben und sie ausschließlich<br />

oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden.<br />

Rechtsreferendar Thorsten Vehslage, Hamburg<br />

31 R 32 I EStR.<br />

32 Schmidt/Drenseck, § 7 g, Rdnr. 15.<br />

Haftpflichtfragen<br />

Rechtsanwältin Antje Jungk<br />

Allianz Versicherungs-AG München<br />

Vertrauensschutz für den Rechtsanwalt?<br />

Das Vertrauen darf als geschütztes Rechtsgut in unserem<br />

Rechtssystem angesehen werden, der Vertrauensschutz ist<br />

als wesentlicher rechtsstaatlicher Grundsatz anerkannt.<br />

Dies gilt sowohl im Verhältnis der Beteiligten am Rechtsverkehr<br />

untereinander, als auch im besonderen im Verhältnis<br />

des Bürgers zum Staat. Das Vertrauen auf ein bestimmtes<br />

Verhalten dient als Maßstab oder sogar Begründung für<br />

rechtliche Beziehungen. Inwieweit der Rechtsanwalt bei<br />

seiner Tätigkeit auf bestimmte Umstände vertrauen darf,<br />

zeigt sich in der haftungsrechtlichen Rechtsprechung. Wenn<br />

es – wie häufig – um die Einhaltung prozessualer Notfristen<br />

geht, kann dies vor allem für die Wiedereinsetzungsfrage<br />

eine Rolle spielen.<br />

1. Vertrauen in den Mandanten<br />

Das Mandatsverhältnis ist bekanntlich ein sog. Vertrauensverhältnis<br />

zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Insofern<br />

darf der Rechtsanwalt auch im Rahmen der<br />

Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich auf die vom Mandanten<br />

gegebenen Informationen vertrauen. Dies bedeutet allerdings<br />

nur, daß er nicht annehmen muß, daß der Mandant<br />

lügt; er hat grundsätzlich keine Pflicht, selbst Nachforschungen<br />

zu tatsächlichen Angaben anzustellen (BGH,<br />

NJW 85, 1154). Sobald es jedoch um die Vollständigkeit<br />

der Informationen geht, ist Mißtrauen grundsätzlich angebracht.<br />

Insbesondere wenn „Zweifel, die er als Rechtskundiger<br />

erkennen kann und muß, während sie auch einem geschäftsgewandten<br />

Unkundigen verborgen bleiben können“<br />

(BGH, NJW 61, 601, 602) bestehen, muß er weiterfragen.<br />

Er muß auch bei lückenhafter Information über mögliche<br />

prozessuale Nachteile unterrichten (BGH, NJW 82, 437).<br />

Wenn mit den Informationen eine rechtliche Wertung verbunden<br />

ist, sollte der Rechtsanwalt nichts mehr glauben:<br />

selbst wenn der Mandant mitteilt, er habe von einem Urteil<br />

nur auf Umwegen erfahren oder es sei ihm eben erst zugestellt<br />

worden, darf sich der Anwalt hiermit nicht zufrieden<br />

geben, sondern muß gegebenenfalls bei Gericht nachforschen<br />

(BGH, NJW 94, 2293).<br />

2. Vertrauen in Hilfspersonen<br />

Zur Bewältigung seiner umfangreichen Aufgaben muß<br />

der Anwalt im allgemeinen die Hilfe und Zuarbeit anderer<br />

in Anspruch nehmen. Inwieweit er dabei darauf vertrauen<br />

darf, daß diese Hilfspersonen keine Fehler machen, spiegelt<br />

sich in besonderem Maße in der Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung<br />

wider. Ein vom Büropersonal verursachter<br />

Fehler wird dem Rechtsanwalt nur dann nicht zugerechnet,<br />

wenn er durch organisatorische Maßnahmen soweit wie<br />

möglich sichergestellt hat, daß keine Fehler passieren können.<br />

Nur wenn eine bestimmte Hilfsperson den ihr eindeutig<br />

zugeordneten und übertragenen Pflichten nicht nachkommt,<br />

kann sich der Rechtsanwalt exkulpieren; auf die umfangreiche<br />

Rechtsprechung hierzu soll an dieser Stelle nicht näher<br />

eingegangen werden. Hinzuweisen ist aber auf den BGH-Beschluß,<br />

NJW 99, 429, nach dem eine konkrete Anweisung<br />

an eine bestimmte Angestellte, einen fristwahrenden Schriftsatz<br />

4 Tage später per Fax an das Gericht zu übermitteln,<br />

den Anforderungen nicht genügt: Durch eine erst nach Tagen<br />

auszuführende Anweisung an eine Angestellte, die in<br />

der Zwischenzeit und an dem betreffenden Tag mit anderen<br />

Arbeiten beschäftigt wird, wird der Gefahr, daß die Befolgung<br />

der Anweisung vergessen wird, Vorschub geleistet.<br />

Vertrauen in Hilfspersonen darf der Anwalt also im allgemeinen<br />

haben, aber nur darauf, daß eindeutig zugewiesene<br />

zeitnahe Aufgaben erfüllt werden, nicht hingegen auf eine<br />

Erledigung durch „das Büro“ im allgemeinen.<br />

3. Vertrauen auf die Technik<br />

Freund und Feind im Leben des modernen Menschen,<br />

und also auch des modernen Rechtsanwalts, sind die technischen<br />

Hilfsmittel, namentlich PC und Fax. Beide haben bekanntlich<br />

ihre Tücken, und daß dies einkalkuliert werden<br />

und vorhersehbare Fehlerquellen soweit wie möglich ausgeschaltet<br />

werden müssen, läßt sich der Wiedereinsetzungsrechtsprechung<br />

der letzten Jahre entnehmen. Sowohl der<br />

PC (Stichwort „elektronischer Fristenkalender“) als auch<br />

das Fax (fristwahrende Schriftsätze am Tag des Fristablaufs)<br />

können gefährlich sein, wenn die Technik versagt.


224<br />

l<br />

a) Der elektronische Fristenkalender<br />

Gerade in größeren Kanzleien kann der EDV-gestützte<br />

Fristenkalender hilfreich sein. Das Risiko, daß durch einen<br />

„Absturz“ oder sonstige Unwägbarkeiten Daten verloren<br />

gehen, muß aber nach der Rechtsprechung soweit wie möglich<br />

ausgeschaltet werden. Insbesondere müssen alle Eingaben<br />

in den EDV-Kalender durch Ausgabe der eingegebenen<br />

Einzelvorgänge über Drucker kontrolliert werden (z. B.<br />

BGH, NJW-RR 97, 698 sowie BB 98, 2603), es muß ein<br />

Fehlerprotokoll erstellt werden (BGH NJW 95, 1756).<br />

Nach BGH, NJW 97, 327 erfordert es die Sorgfaltspflicht,<br />

daß eine Servicefirma beauftragt ist, Reparaturen unverzüglich<br />

durchzuführen bzw. für die Ausgabe der gespeicherten<br />

Fristen zu sorgen.<br />

b) Telefax<br />

Das Telefax als Hilfsmittel zur Übersendung von Schriftsätzen<br />

ist mittlerweile völlig anerkannt. Es wird auch dementsprechend<br />

häufig genutzt, um zum Zwecke des (vermeintlichen)<br />

Zeitgewinns fristwahrende Schriftsätze am letzten<br />

Fristtag noch an das Gericht zu übermitteln. Auch hier darf<br />

das Vertrauen in die Technik nicht grenzenlos sein. Der<br />

Rechtsanwalt muß zunächst einmal die menschlichen Fehlerquellen<br />

ausschalten, indem er eine Kontrolle der ordnungsgemäßen<br />

Übermittlung anordnet: es muß ein Einzelnachweis<br />

ausgedruckt werden (BGH NJW 89, 589), der insbesondere<br />

auf die korrekte Seitenzahl (BGH NJW 94, 1878), aber auch<br />

auf die zutreffende Faxnummer (KG, MDR 98, 1188) hin<br />

überprüft werden muß. Grundsätzlich muß der Rechtsanwalt<br />

organisatorische Anweisungen für das Verhalten bei Störfällen<br />

im Telefaxverkehr treffen (BGH NJW-RR 98, 1361). Lediglich<br />

das Risiko durch eine Störung beim Empfangsgerät<br />

darf nach BGH, NJW-RR 97, 250 nicht auf den Sender abgewälzt<br />

werden; die Behörden müssen für ein empfangsbereites<br />

Gerät sorgen (BGH, NJW 92, 244).<br />

Dies führt uns zum nächsten Thema:<br />

4. Vertrauen in die Justiz<br />

Inwieweit darf man auf ein ordnungs- und pflichtgemäßes<br />

Handeln der Justiz vertrauen? Im Gegensatz zu den zuvor<br />

behandelten Bereichen „Büro“ und „Technik“ liegt das<br />

Handeln der Justiz weitgehend außerhalb des Einflußbereichs<br />

des Anwalts. Soweit der Rechtsanwalt Einfluß<br />

nehmen kann, werden ihm von der Rechtsprechung allerdings<br />

entsprechende Pflichten auferlegt:<br />

a) Organisationsmängel<br />

Im Hinblick auf das ordnungsgemäße Handeln der<br />

Justizbehörden im allgemeinen macht die Rechtsprechung<br />

allerhand Zugeständnisse. So werden grundsätzlich solche<br />

Verzögerungen, die während der Bearbeitung bei Gericht<br />

auftreten, nicht der Partei bzw. deren Anwalt zugerechnet.<br />

Beispielhaft sei genannt die bekannte Rechtsprechung zur<br />

Zustellung „demnächst“ gemäß § 270 Abs. 3 bzw. § 693<br />

Abs. 2 ZPO. Das OLG Hamm (NJW-RR 98, 1104) verlangt<br />

allerdings dennoch baldiges Nachfragen durch den Rechtsanwalt.<br />

Die Rechtsprechung hilft aber zuweilen sogar, Fehler<br />

des Rechtsanwalts durch Einreichung beim unzuständigen<br />

Gericht zu beseitigen: wenn der Schriftsatz einige Zeit<br />

vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht eingeht, darf<br />

der Rechtsanwalt beispielsweise darauf vertrauen, daß der<br />

Schriftsatz „im ordentlichen Geschäftsgang“ an das zuständige<br />

Gericht weitergeleitet wird (BGH, VersR 98, 608),<br />

AnwBl 4/99<br />

Mitteilungen<br />

und daß eine richterliche Weiterleitungsverfügung auch<br />

ordnungsgemäß ausgeführt wird (BGH, BGHR ZPO § 233<br />

– Rechtsmitteleinlegung 8; näheres hierzu siehe Haftpflichtfragen<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong> 98, 532).<br />

b) „Auskünfte“<br />

Eine durch irrige Rechtsmeinung des Gerichts verursachte<br />

falsche Einschätzung der Rechtslage kann grundsätzlich<br />

einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn hierdurch<br />

ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wird.<br />

Dies kann insbesondere bei unzutreffenden Rechtsmittelbelehrungen<br />

gelten, so z. B. bezüglich der Rechtsmitteleinlegung<br />

in Landwirtschaftssachen in Bayern durch den<br />

zuständigen Fachsenat des OLG (BGH, NJW 93, 3206). In<br />

einer neueren Entscheidung vom 10.12.98 (III ZR 2/98)<br />

wendet der BGH § 58 VwGO analog an, um dem Beteiligten<br />

in einer Baulandsache zu helfen, der aufgrund der falschen<br />

Rechtsmittelbelehrung das Rechtsmittel verfristet und<br />

beim falschen Gericht eingereicht hatte.<br />

In der Entscheidung vom 26.11.97, NJW-RR 98, 638,<br />

hielt der BGH hingegen Zweifel an der Richtigkeit der<br />

richterlichen Auskunft für angebracht. Hier hatte sich der<br />

Rechtsanwalt durch einen falschen mündlichen Hinweis<br />

des Berichterstatters verunsichern lassen und nahm daraufhin<br />

die (richtige) sofortige Beschwerde zurück, um dann<br />

(unzutreffend) Revision einzulegen. Hier hätte er das richtige<br />

Rechtsmittel vor Rücknahme der Beschwerde – trotz<br />

des Hinweises des Gerichts – nochmals überprüfen müssen.<br />

Seine eigene abweichende Ansicht hätte wohl Anlaß zu<br />

Mißtrauen geben müssen.<br />

c) Rechtsprechung<br />

Inwieweit der Anwalt auf die Bindungswirkung vorhandener<br />

Rechtsprechung vertrauen darf, ist ein weites Feld.<br />

Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt auf den Fortbestand<br />

der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Dem<br />

steht nicht entgegen, daß die Obergerichte ihre Rechtsprechung<br />

zu einzelnen Fragen auch einmal ändern können,<br />

etwa entsprechend einer geänderten allgemeinen Rechtsauffassung.<br />

Hierbei ist es aber die Frage, ob dieses Risiko haftungsrechtlich<br />

dem Rechtsanwalt aufgebürdet werden kann,<br />

oder ob dies zum allgemeinen Prozeßrisiko des Mandanten<br />

gehört. Der BGH (NJW 93, 3323) meint, daß besondere<br />

Umstände den Vertrauensschutz entfallen lassen, namentlich<br />

einschlägige Gesetzesänderungen, Hinweise des Gerichts<br />

auf eine eventuelle Rechtsprechungsänderung, ja sogar<br />

ein dogmatischer Wandel auf dem betreffenden<br />

Rechtsgebiet. In der Entscheidung NJW 73, 364 reichte<br />

dem BGH, daß die Frage „in Rechtsprechung und Schrifttum<br />

umstritten“ war. Auch hier darf das Vertrauen also<br />

nicht allzu groß sein.<br />

d) Unzutreffende Rechtsansichten des Gerichts<br />

Daß auch Richter nur Menschen sind und über ein „nur<br />

unvollkommenes menschliches Erkenntnisvermögen verfügen“<br />

(BGH, NJW 74, 1865, 1866) ist hinreichend bekannt.<br />

Demzufolge soll es vorkommen, daß auch Gerichte eine<br />

gesicherte Rechtsprechung, auf die der Anwalt auch mit<br />

den unter c) erwähnten Einschränkungen vertrauen durfte,<br />

ignorieren oder anerkannte prozessuale Hilfestellungen<br />

nicht gewähren. Nicht einmal in solchen Fällen darf der<br />

Anwalt die Sache aber „laufen lassen“. Er hat vielmehr die<br />

Pflicht, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und


AnwBl 4/99 225<br />

Mitteilungen l<br />

Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGH aaO.). Im<br />

Urteil vom 2.4.98 (NJW 98, 2048) hält es der BGH beispielsweise<br />

für unbeachtlich, daß das Gericht entgegen der<br />

insofern eindeutigen BGH-Rechtsprechung in einem Unterhaltsverfahren<br />

die Umdeutung einer Zahlungsklage in eine<br />

Abänderungsklage nicht vornahm. Er argumentiert, daß der<br />

Anwalt durch den fehlerhaften Antrag zusätzliche rechtliche<br />

Schwierigkeiten geschaffen und dem Gericht dadurch<br />

erst die Möglichkeit eröffnet hatte, sich bei deren Bewältigung<br />

zu irren (vgl. dazu die Urteilsbesprechung von Borgmann,<br />

BRAK-Mitteilungen 98, 169).<br />

e) „Gerichtliche Übung“<br />

Aus anderen Rechtsgebieten ist schließlich bekannt, daß<br />

jahrelange Übung bzw. Duldung einer bestimmten Verhaltensweise<br />

einen Vertrauenstatbestand setzt. Auch der Anwalt<br />

genießt grundsätzlich einen verfassungsrechtlich gebotenen<br />

Vertrauensschutz (BVerfG, NJW 98, <strong>185</strong>3). Hat<br />

beispielsweise ein Rechtsanwalt jahrelang unbeanstandet<br />

mit einer nach den Anforderungen der Rechtsprechung ungenügenden,<br />

verkürzten Unterschrift (Paraphe) unterzeichnet,<br />

so ist ihm, wenn eine derartige Unterzeichnung der<br />

Rechtsmittelschrift erstmals auf Bedenken des Gerichts<br />

stößt, in der Regel Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />

zu bewilligen (BGH, NJW 99, 60). Dem unter ständigem<br />

Zeitdruck stehenden Rechtsanwalt hat der BGH ferner in<br />

zwei neueren Entscheidungen geholfen: bei einem ersten<br />

Fristverlängerungsgesuch mit einer Begründung nach § 519<br />

Abs. 2 S. 3 ZPO darf er erwarten, daß seinem Antrag entsprochen<br />

wird (BVerfG, NJW 98, 3703 und ebenso BGH,<br />

NJW 99, 430). Steckt der Anwalt im Verkehrsstau und kündigt<br />

er per Handy dem Gericht sein um ca. zehn Minuten<br />

verspätetes Kommen an, so darf er erwarten, daß bis zehn<br />

Minuten nach der üblichen Wartezeit kein VU ergeht<br />

(BGH, U. v. 19.11.98, NJW 99, 724).<br />

Die Beispiele zeigen, daß die Rechtsprechung zuweilen<br />

willens ist, auch dem vertrauensseligen Rechtsanwalt einmal<br />

zu helfen, und so dem verfassungsrechtlich gebotenen<br />

Vertrauensschutz Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite<br />

muß man aber sehen, daß die Meßlatte angesichts der<br />

Erfahrung und der Fachkenntnisse höher liegt als beim<br />

„verständigen Durchschnittsbürger“. Es muß daher auch<br />

weiterhin gelten: Vertrauen ist gut, Vorsorge ist besser.<br />

Buchhinweis<br />

„Arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren – Handbuch für Verfahrensbevollmächtigte<br />

und Gerichte“ 2. Auflage 1998, Bund-<br />

Verlag, 128,– DM<br />

Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren nimmt selbst bei der<br />

Mehrzahl der Fachanwälte für Arbeitsrecht eher eine Außenseiterrolle<br />

ein und findet deshalb ganz im Gegensatz zu seiner betriebspolitischen<br />

und auch wirtschaftlichen Bedeutung in der juristischen<br />

Literatur eher wenig Beachtung. Die mit Fragen der Betriebsverfassung<br />

beschäftigten Rechtsanwälte und Verbandsjuristen der Arbeitgeberverbände<br />

und der Gewerkschaften hatten in der Vergangenheit<br />

folglich wenige Hilfsmittel für ihre Arbeit, weil die<br />

gängigen Kommentare zum Arbeitsgerichtsgesetz und zum Betriebsverfassungsgesetz<br />

die notwendige Hilfe, insbesondere die<br />

praktische Hilfe zur Formulierung von Anträgen, nicht geben können.<br />

So fand bereits die erste Auflage „Arbeitsgerichtliches Be-<br />

schlußverfahren, Handbuch für Verfahrensbevollmächtigte und Gerichte“<br />

aus dem Jahre 1994 eine freundliche Aufnahme. Jetzt liegt<br />

das Werk in erweiterter und grundlegend überarbeiteter zweiter<br />

Auflage vor. Die Arbeit mit dem Handbuch wird mit der beigefügten<br />

CD-ROM erleichtert, die das Auffinden gesuchter Begriffe und<br />

Zusammenhänge erleichtert und die Übernahme von Anträgen und<br />

Begründungen in den Schriftsatz ermöglicht. Dem Gebrauch des<br />

Buches schadet es im übrigen in keiner Weise, wenn die Verfasser<br />

aus ihrer parteilichen Haltung für die Durchsetzung der Interessen<br />

der Betriebsräte kein Hehl machen und im Vorwort ausdrücklich<br />

darauf hinweisen.<br />

Das Handbuch gliedert sich in acht Abschnitte. Es stellt in drei Abschnitten<br />

die Grundlagen des arbeitsrechtlichen Beschlußverfahrens<br />

und jeweils in einem Abschnitt die einstweilige Verfügung im<br />

Beschlußverfahren, die Zwangsvollstreckung, die Gegenstandswerte<br />

in Beschlußverfahren und betriebsverfassungsrechtliche Fallgruppen<br />

mit Musterschriftsätzen dar; der achte Abschnitt enthält<br />

unter anderem ein Verzeichnis der Gerichte für Arbeitssachen. In<br />

der Einleitung wird die Ausgangslage der juristischen Auseinandersetzungen<br />

dargestellt und die Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher<br />

Interessen außerhalb des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens.<br />

Den einzelnen Kapiteln ist eine Zusammenfassung<br />

vorangestellt unter dem Titel „Das Wichtigste in Kürze“, so daß<br />

der Leser schnell feststellen kann, ob das Kapitel die von ihm gesuchten<br />

Auskünfte hergibt. Die Grundlagen des arbeitsgerichtlichen<br />

Beschlußverfahrens werden ausführlich erörtert und dargestellt.<br />

Ein Schwerpunkt des Handbuches liegt in der Darstellung<br />

der Anträge im Beschlußverfahren. Hier wird erkennbar, daß es<br />

sich bei den Verfassern um erfahrene Praktiker handelt, die wissen,<br />

welch große Schwierigkeiten die Antragstellung im Beschlußverfahren<br />

bringen kann und wie oft an der fehlerhaften Antragsfassung<br />

das eingeleitete Beschlußverfahren scheitert, gerade und oft<br />

auch erst vor dem Bundesarbeitsgericht. Die Aufnahme eines eigenen<br />

Abschnitts für die Darstellung der Gegenstandswerte im Beschlußverfahren<br />

zeigt, daß die Verfasser die anwaltlichen Interessen<br />

der im Beschlußverfahren tätigen Anwälte sehr gut kennen,<br />

weil ja neben den Gebühren für die Rechtsanwälte, die nicht erstattungsfähig<br />

sind, keine Kosten im Beschlußverfahren anfallen.<br />

Diese sind kostenfrei. Hervorzuheben ist, daß die Verfasser die<br />

Zwangsvollstreckung darstellen, ein Gebiet, das gerade in der sonst<br />

vorliegenden Literatur ganz vernachlässigt wird, in der betrieblichen<br />

Praxis aber eine bedeutende Rolle spielt und nicht unerhebliche<br />

Schwierigkeiten in sich birgt.<br />

Eine bedeutende praktische Hilfe und Kern des vorgelegten Handbuches<br />

ist der siebte Abschnitt. Die Verfasser haben betriebsverfassungsrechtliche<br />

Fallgruppen gebildet und Musterschriftsätze entworfen,<br />

so daß alle in der betrieblichen Praxis vorkommenden<br />

wesentlichen Sachverhalte erfaßt sind. So finden sich allein fünf<br />

Musterschriftsätze im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl,<br />

vier Musterschriftsätze zum Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3<br />

BetrVG und zum allgemeinen Unterlassungsanspruch und acht<br />

Musterschriftsätze zum Problem Kosten- und Sachaufwand des<br />

Betriebsrats und Hinzuziehung von Sachverständigen. Rechtsbehelfe<br />

und Rechtsmittel im Beschlußverfahren und die Zwangsvollstreckung<br />

aus Beschlußverfahren sind mit einer reichlichen Anzahl<br />

von Musterschriftsätzen vertreten. Für den Praktiker ist hervorzuheben<br />

die ausführliche Darstellung der einstweiligen Verfügung im<br />

Beschlußverfahren. An dieser Stelle profitiert der Leser vom Anspruch<br />

der Verfasser, die Interessen der Betriebsräte durchzusetzen,<br />

weil in der betrieblichen Praxis die Durchsetzung der Interessen<br />

insbesondere der Betriebsräte oft nur mit einstweiligem Rechtsschutz<br />

effektiv möglich ist und die zu nehmenden Hürden im einstweiligen<br />

Rechtsschutz im Beschlußverfahren hoch sind, weil es<br />

Sachverhalte zu regeln gilt, die etwas außerhalb des sonstigen juristischen<br />

Umgangs liegen.<br />

Das in der zweiten Auflage vorgelegte Handbuch gehört in das<br />

Bücherregal jedes Juristen, der sich mit betriebsverfassungsrechtlichen<br />

Fragen beschäftigt und gibt auch dem Juristen die notwendige<br />

Sicherheit, der nur hin und wieder den Gang zum Arbeitsgericht<br />

zu gehen hat, und zwar ganz unabhängig davon, ob er für den<br />

Arbeitgeber oder den Betriebsrat tätig wird. Das Handbuch ermöglicht<br />

ihm eine sichere Antragsformulierung und gibt ausreichende<br />

Hinweise für eine schlüssige Begründung.<br />

Rechtsanwalt Hans-Dieter Wohlfarth, Fachanwalt für Arbeitsrecht


226<br />

l<br />

7<br />

Berufsrecht<br />

BRAO § 59 a; BerufsO § 31<br />

Die berufsrechtlichen Regelungen stehen der Beteiligung eines<br />

Rechtsanwalts an einer personenidentischen Zweitsozietät, deren<br />

Gegenstand (Geschäftszweck) keine berufstypischen (nur)<br />

dem Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten umfaßt, nicht entgegen.<br />

(LS der Redaktion)<br />

AGH Hamburg, Beschl. v. 6.1.1999 – II ZU 2/97<br />

Aus den Gründen: II.A. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung<br />

ist nach § 223 BRAO statthaft. Als Auffangtatbestand gewährt<br />

die zitierte Bestimmung unabhängig davon, ob es sich bei<br />

der angegriffenen hoheitlichen Maßnahme um einen Verwaltungsakt<br />

im Sinne des Verwaltungsrechts handelt, ein Anfechtungsrecht<br />

immer dann, wenn die Maßnahme geeignet ist, in die Rechte des<br />

Betroffenen einzugreifen oder diese einzuschränken (Feuerich-<br />

Braun: BRAO 3. Auflage 1995, Rdnr. 6 zu § 223 BRAO, Henssler/<br />

Prütting: BRAO 1997, Rdnr. 5 zu § 223 BRAO jeweils m. w. N.).<br />

Dafür reicht bereits die Aufforderung des Vorstandes einer Rechtsanwaltskammer<br />

aus, einen beanstandeten Zustand zu beenden<br />

(EGH Stuttgart, BRAK-Mitt. 82, 129; EGH Stuttgart in AnwBl<br />

1988, 245; Feuerich-Braun aaO Rdnr; 28 zu § 223 BRAO, Henssler/Prütting<br />

aaO Rdnr. 16 zu § 223 BRAO). Die Antragsgegnerin<br />

hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 7.1.1997 untersagt,<br />

gleichzeitig Mitglied in der Sozietät (A) sowie der (B-) GbR zu<br />

sein und hat ihn unter Fristsetzung aufgefordert, den beanstandeten<br />

Zustand zu beenden, d. h. aus einer der beiden GbR als Gesellschafter<br />

auszuscheiden. Diese Maßnahme der Antragsgegnerin<br />

kann nach § 223 BRAO angegriffen werden. Der Antrag ist auch<br />

zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gestellt (§ 223 Abs. 1<br />

Satz 2, Abs. 4, 37, 39 BRAO).<br />

B. Der Antrag ist auch begründet. Die Aufforderung der<br />

Antragsgegnerin an den Antragsteller, seine Berufstätigkeit in der<br />

Weise einzurichten, entweder in der Sozietät (A) oder in der (B-)<br />

GbR berufstätig bzw. Gesellschafter zu sein, ist rechtswidrig. Sie<br />

läuft auf ein Verbot der Mitgliedschaft bzw. der Berufsausübung in<br />

einem gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluß von Rechtsanwälten<br />

hinaus. Ein solches Verbot, das die verfassungsrechtlich durch<br />

Art. 12 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit einschränkt, kann<br />

nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen und müßte<br />

zudem durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls geboten<br />

sein. Mit §§ 59a BRAO bzw. § 31 BerufsO läßt sich das Verbot<br />

nicht rechtfertigen.<br />

1. § 59 a BRAO regelt die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten<br />

untereinander sowie mit Angehörigen anderer sozietätsfähiger Berufsgruppen<br />

auf örtlicher, überörtlicher und internationaler Ebene<br />

und definiert den Begriff der Sozietät als die gemeinsame Berufsausübung<br />

im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse. Es handelt<br />

sich um eine Berufsausübungsregelung von erheblichem Gewicht.<br />

Entsprechendes gilt für die die Berufsausübung ergänzenden<br />

Regelungen in der Berufsordnung.<br />

a) § 59a Abs. 1 Satz 1 BGB untersagt dem Rechtsanwalt die<br />

parallele Berufsausübung in mehreren Sozietäten. Das bringt der<br />

Gesetzgeber mit den Worten „in einer Sozietät“ zum Ausdruck,<br />

wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 59a BRAO ergibt<br />

(vgl. Feuerich-Braun aaO Rdnr. 4, 11 zu § 59a BRAO; Hartung in<br />

Henssler/Prütting aaO Rdnr. 20 zu 59a BRAO; Jessnitzer/Blumberg:<br />

BRAO-Kom. 7. Auflage Rdnr. 3 zu § 59 a BRAO; Funke:<br />

Der Regierungsentwurf zur Rechtsanwalts-GmbH in AnwBl 1998,<br />

6, 7).<br />

b) Das anwaltliche Berufsrecht bezweckt mit dem Verbot der<br />

parallelen Berufsausübung in mehreren Sozietäten den Schutz der<br />

Mandantschaft vor Irreführungen (vgl. Römermann in: Hartung/<br />

Holl, BerufsO – Kom. 1997, Rdnr. 4, 22 zu § 31 BerufsO). Das<br />

von einem Mitglied der Sozietät namens der Sozietät angenom-<br />

AnwBl 4/99<br />

mene Mandat verpflichtet die zur gemeinsamen Berufsausübung<br />

verbundenen Mitglieder. Sie haften aus dem zwischen der Sozietät<br />

und dem Mandanten bestehenden Vertragsverhältnis solidarisch.<br />

Der rechtsuchende Mandant soll Klarheit darüber haben, mit wem<br />

er den Mandatsvertrag abgeschlossen hat sowie über die Person<br />

seiner Vertrags- und Haftungspartner. Es ist daher zu fragen, ob der<br />

Normzweck des § 59 a Abs. 1 S. 1 BRAO tatsächlich fordert, mit<br />

dem Verbot der Berufsausübung in mehreren Sozietäten sowohl<br />

die berufstypischen Tätigkeiten als auch die anwaltstypischen<br />

Nebentätigkeiten zu erfassen. Der Senat verneint die Frage. Er hält<br />

zur Durchsetzung des Normzwecks eine restriktive Auslegung des<br />

§ 59 a Abs. 1 S. 1 BRAO zumindest in den Fällen nicht für notwendig,<br />

in denen die Gesellschafter einer Anwaltssozietät anwaltliche<br />

Nebentätigkeiten in eine von ihnen gegründete personenidentische<br />

zweite GbR mit unterschiedlichem Namen, Inhalt und Gesellschaftszweck<br />

ausgliedern. Das ist auch gesellschaftsrechtlich ohne<br />

weiteres zulässig (Ulmer in MK-Schuldrecht Teil III, Band 5, 3.<br />

Auflage 1997, Rdnr. 56 zu § 705 BGB). Unter den genannten Voraussetzungen<br />

besteht weder die Gefahr der Irreführung der Mandantschaft<br />

noch kann von einer parallelen Berufsausübung in zwei<br />

Sozietäten gesprochen werden.<br />

Bei der Abgrenzung der berufstypischen Anwaltstätigkeit von<br />

der anwaltsüblichen Nebentätigkeit ist vom Berufsbild des Rechtsanwalts<br />

anhand der BRAO auszugehen. Danach ist der Rechtsanwalt<br />

Organ der Rechtspflege, übt einen freien Beruf aus und ist der<br />

berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten<br />

(§§ 1-3 BRAO). Sein Berufsbild wird somit von der Aufgabe<br />

geprägt, in allen Rechtsangelegenheiten eigenverantwortlich<br />

Rechtsrat zu erteilen und für Rechtsuchende deren Rechtsangelegenheiten<br />

zu besorgen (BGH-Beschl. v.17.1.1977 in BGHZ 68, 62 ff.).<br />

Bei den das Berufsbild prägenden typischen anwaltlichen Tätigkeiten<br />

steht somit die Rechtsberatung im Vordergrund. Berufstypische<br />

Tätigkeiten sind den Rechtsanwälten vorbehalten. Sie können nach<br />

den Bestimmungen der BRAGO abgerechnet werden.<br />

Demgegenüber sind die anwaltsüblichen Nebentätigkeiten weder<br />

dem Rechtsanwaltsberuf vorbehalten noch charakterisieren sie<br />

ihn in besonderer Weise. Im Vordergrund dieser Tätigkeiten stehen<br />

mehr kaufmännisch praktische oder vermögensanwaltliche Aufgaben<br />

(wie z. B. die des Testamentsvollstreckers, Konkursverwalters,<br />

Schiedsrichters, Treuhänders). Sie werden zudem im erheblichen<br />

Umfang auch von Angehörigen anderer Berufsgruppen (Steuerberater,<br />

Wirtschaftsprüfer) wahrgenommen. Die Vergütung erfolgt<br />

nicht nach der BRAGO (§ 1 Abs. 2 BRAGO). Es handelt sich häufig<br />

um Tätigkeiten, bei denen der Rechtsanwalt nicht im Auftrag<br />

und im Interesse einer Partei tätig wird.<br />

Aufgrund der zum 1.1.1996 erfolgten Ausgliederung der Insolvenzberatung<br />

und -verwaltung in die (B-) GbR kann es zu keiner<br />

Irreführung im Rechtsverkehr kommen. Der Antragsteller ist nicht<br />

gleichzeitig Mitglied in einer Sozietät ABCD und einer weiteren<br />

Sozietät ABXY. Die Gesellschafter der Sozietät (A) und der (B-)<br />

GbR sind personenidentisch. Bei dieser Konstellation liegt im Verhältnis<br />

der beiden GbR zueinander keine Sternsozietät (in Sinne<br />

mehrerer Anwaltssozietäten mit unterschiedlicher personeller<br />

Zusammensetzung) vor. Die Sozietät (A) und die (B-) GbR unterscheiden<br />

sich deutlich im jeweiligen Namen und Gesellschaftszweck.<br />

Die GbR erweckt in ihren Briefbögen auch nicht den Eindruck,<br />

eine klassische Anwaltssozietät zu sein. Irritationen<br />

darüber, welche Personen Vertrags- und Haftungspartner des Mandanten<br />

sind, können bei zwei personenidentischen Sozietäten in<br />

der Rechtsform der GbR schon deswegen nicht auftreten, weil in<br />

beiden Fällen die gleichen Personen handeln. Im Bereich der Insolvenzverwaltung<br />

stellt sich auch nicht die Frage, mit wem der Mandatsvertrag<br />

abgeschlossen wird, denn der Konkursverwalter<br />

schließt keine Mandantsverträge mit Dritten, sondern wird durch<br />

Beschluß des Konkursgerichts in sein Amt berufen.<br />

Die Ausübung der berufstypischen, dem Rechtsanwalt vorbehaltenen<br />

Aufgaben in der klassischen Anwaltssozietät einerseits<br />

und der insolvenzberatenden und -verwaltenden anwaltlichen Ne-


AnwBl 4/99 227<br />

Rechtsprechung l<br />

bentätigkeiten in der (B-) GbR andererseits stellt nach Auffassung<br />

des Senats keine unzulässige parallele Berufsausübung in zwei Sozietäten<br />

dar. Die Tätigkeitsbereiche der beiden Gesellschaften sind<br />

durch ihre unterschiedlichen Gesellschaftszwecke hinreichend<br />

deutlich abgegrenzt und damit auch die jeweilige berufliche Tätigkeit<br />

des handelnden Rechtsanwalts. Tätigkeiten, die als berufstypisch<br />

und dem Rechtsanwalt vorbehalten in der Sozietät (A) ausgeübt<br />

werden, werden von den Mitgliedern der (B-) GbR in der (B-)<br />

GbR nicht bearbeitet und umgekehrt.<br />

c) Nach allem ist die personenidentische Zweitsozietät, deren<br />

Gegenstand (Gesellschaftszweck) keine berufstypischen dem<br />

Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten umfaßt und der sich von<br />

dem der Erstsozietät so trennen läßt, daß eine parallele Berufsausübung<br />

in beiden Sozietäten ausgeschlossen werden kann, nach Ansicht<br />

des Senats auf dem Boden des anwaltlichen Berufsrechts zulässig.<br />

Die berufstypische Anwaltstätigkeit und die Tätigkeit als<br />

Insolvenzberater bzw. -verwalter sind trennbar. § 59 a Abs. 1<br />

BRAO steht der Mitgliedschaft des Antragstellers sowohl in der<br />

Sozietät (A) als auch in der personengleichen (B-) GbR nicht entgegen.<br />

Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, daß nach<br />

dem eigenen Vortrag des Antragstellers die (B-) GbR in geringerem<br />

Umfang Aufgaben wahrnimmt, die als berufstypische Tätigkeiten<br />

Rechtsanwälten vorbehalten sind. Rechtsanwälte, die entgegen<br />

§ 2 Gesellschaftsvertrag in (B-) GbR berufstypische<br />

anwaltliche Tätigkeiten ausüben, verletzen zwar den Gesellschaftsvertrag.<br />

Das rechtfertigt es aber nicht, vom Kl zu verlangen, die<br />

Gesellschafterposition in der (B-) GbR aufzugeben bzw. sich in der<br />

(B-) GbR beruflichen Aktivitäten zu enthalten, solange er Partner<br />

der Sozietät (A) ist. Sollte der Antragsteller selbst in der (B-) GbR<br />

tätig werden und als ihr Gesellschafter entgegen dem Gesellschaftszweck<br />

berufstypische Anwaltstätigkeiten ausüben, könnte<br />

die Antragsgegnerin ihm lediglich diese parallele Berufsausübung<br />

im Einzelfall untersagen – mehr aber nicht. Für einen solchen<br />

Sachverhalt ist aber nichts vorgetragen.<br />

d) Für das unter lit. c) Abs. 1 zusammengefaßte Ergebnis<br />

spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt: Wird eine Personengesellschaft<br />

freiberuflich und gewerblich tätig, wofür die gewerbliche<br />

Betätigung nur eines Gesellschafters für Rechnung der Gesellschaft<br />

ausreicht, werden die Tätigkeiten der Gesellschaft nach der<br />

sog. Abfärbe- oder Infektionstheorie als Gewerbebetrieb behandelt<br />

und ihre freiberuflichen Einkünfte in gewerbliche nach § 15 Abs. 3<br />

Nr. 1 EStG umqualifiziert, sofern die freiberuflichen und gewerblichen<br />

Tätigkeiten trennbar sind (zuletzt BFH in NJW 1997, <strong>240</strong>4<br />

ff.; Schmidt: EStG, 16. Auflage 1997, Rdnr. 97 ff. zu § 15 EStG).<br />

Bei berufstypischen Anwaltstätigkeiten einerseits und Insolvenzverwaltertätigkeiten<br />

andererseits handelt es sich um trennbare Leistungen.<br />

Um die Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte einer<br />

Personengesellschaft in gewerbliche zu vermeiden, ist es steuerrechtlich<br />

grundsätzlich zulässig, die gewerbliche Betätigung eines<br />

Partners in eine nicht notwendigerweise personenidentische neue<br />

Gesellschaft auszugliedern (BFH in NJW 1997, <strong>240</strong>4, <strong>240</strong>6; BB<br />

1998, 1929 f.). Derartige Ausgründungen erkennt die Finanzverwaltung<br />

an, wenn zwei Gesellschaften vorliegen, die unterschiedliche<br />

Bezeichnungen führen, getrennte Gesellschaftsvermögen haben<br />

und auch eine getrennte Gewinnermittlung vornehmen (BFH-Urt.<br />

v. 1.2.1990 in BStBl. 1990 II, 534).<br />

Diese Möglichkeiten muß auch das anwaltliche Berufsrecht eröffnen,<br />

und zwar unabhängig davon, ob ein Partner einer Sozietät<br />

bereits tatsächlich gewerblich tätig ist oder ob seine Tätigkeit lediglich<br />

die Gewerblichkeit bzw. die Gewerbesteuergefahr in sich<br />

birgt. Es kann Sozietäten nicht zugemutet werden, mit der Ausgründung<br />

abzuwarten, bis die Finanzverwaltung ihre Einkünfte insgesamt<br />

als gewerblich qualifiziert. Eröffnet das anwaltliche Berufsrecht<br />

Sozietäten die Ausgliederung etwaiger partiell gewerblicher<br />

Tätigkeit in eine neue Personengesellschaft als vorbeugende Gestaltungsmöglichkeit<br />

nicht, würden Sozietäten und Einzelanwälte<br />

ungleich behandelt werden: Stellt sich z. B. die Insolvenzverwaltung<br />

im Einzelfall als gewerblich heraus, greift nicht automatisch<br />

die sog. Abfärbetheorie ein, sondern bei einem einzelberuflichen<br />

Rechtsanwalt sind die Tätigkeiten steuerlich getrennt zu beurteilen<br />

und in Einkünfte aus freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit<br />

aufzuspalten, soweit dies möglich ist, d. h. soweit sich die Tätigkeiten<br />

„nach der Verkehrsanschauung ohne besondere Schwierig-<br />

keiten voneinander trennen lassen“ (BFH-Urt. v. 11.7.1991 in<br />

BStBl 1992 II, S. 413). Freiberufliche Sozietäten in der Rechtsform<br />

der GbR bzw. der Partnerschaftsgesellschaft trifft die Gewerblichkeit<br />

aufgrund der sog. Abfärbetheorie ungleich härter. Bei ihr führt<br />

jede ausgeübte gewerbliche Tätigkeit zur steuerlichen Umqualifizierung<br />

der Einkünfte. Diese Ungleichbehandlung unterliegt im<br />

Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG nur so lange keinen<br />

verfassungsrechtlichen Bedenken, solange die Steuerpflichtigen<br />

die Möglichkeit haben, für trennbare Sozietätstätigkeiten jeweils<br />

gesonderte, möglicherweise auch personengleiche<br />

Personengesellschaften zu errichten. § 59a Abs. 1 BRAO ist somit<br />

verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß die Ausgliederung<br />

anwaltsüblicher Nebentätigkeiten, die die Gewerblichkeitsgefahr<br />

in sich bergen, in eine getrennte Personengesellschaft zulässig<br />

ist.<br />

2. § 31 BerufsO will sicherstellen, daß das Verbot der Sternsozietät<br />

auch bei Eingehung einer Sozietät mit Angehörigen anderer<br />

Berufsgruppen i. S. d. § 59 a Abs. 1 BRAO gewährleistet ist. Die<br />

Bestimmung untersagt Rechtsanwälten daher die Zusammenarbeit<br />

mit den in einer Sternsozietät tätigen Angehörigen eines sozietätsfähigen<br />

Berufs. Der Anwendungsbereich des § 31 BerufsO setzt<br />

neben einer interprofessionellen Sozietät voraus, daß das nichtanwaltliche<br />

Sozietätsmitglied gleichzeitig Mitglied einer anderweitigen<br />

Gesellschaft ist. Dafür ist nichts vorgetragen.<br />

3. Die von der (B-) GbR an den einzelnen Standorten eingerichteten<br />

und unterhaltenen Kanzleien sind keine Zweitkanzleien<br />

bzw. Zweigstellen i. S. d. § 28 BRAO der Sozietät. Die an einem<br />

Standort der Sozietät ansässigen Partner gehen weder ihren berufstypischen<br />

Tätigkeiten in der von der GbR an diesem Standort eingerichteten<br />

Kanzlei nach, noch haben sie neben der örtlichen Kanzlei<br />

der Sozietät auch die örtliche Kanzlei der GbR zum<br />

Mittelpunkt ihrer berufstypischen Tätigkeit gemacht. Für einen<br />

Verstoß gegen das Zweigstellenverbot des § 28 BRAO liegen hinreichende<br />

Anhaltspunkte nicht vor. Bei personenidentischen Sozietäten<br />

sind die Kanzleien der einen nicht zugleich Zweigstellen der<br />

anderen.<br />

4. Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden.<br />

III. Gemäß § 223 Abs. 3 Satz 2 BRAO hat der Anwaltsgerichtshof<br />

die sofortige Beschwerde zuzulassen, wenn er über<br />

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden hat. Das<br />

ist hier der Fall, denn losgelöst von einer Einzelfallprüfung war<br />

grundsätzlich zu entscheiden, ob § 59a Abs. 1 BRAO den in einer<br />

Anwaltssozietät tätigen Rechtsanwalt daran hindert, gleichzeitig<br />

Mitglied einer personenidentischen weiteren GbR zu sein, die das<br />

Geschäft der Insolvenzberatung und -verwaltung betreibt.<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 1 BRAO. Der<br />

Geschäftswert war gem. § 202 Abs. 2 BRAO i. V. m. § 30 KostO<br />

auf DM 100.000,– festzusetzen.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg<br />

ZPO § 233<br />

Der Rechtsanwalt hat eine allgemeine, geeignete Vorsorge zu<br />

treffen, die gewährleistet, daß im Falle seiner Erkrankung fristwahrende<br />

Schriftsätze rechtzeitig eingereicht werden können.<br />

(LS der Redaktion)<br />

BGH, Beschl. v. 26.11.1998 – IX ZB 84/98<br />

Aus den Gründen: II. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig<br />

(§§ 519 b Abs. 2, 547, 567 Abs. 4 ZPO, 7 Abs. 2, 6 EGZPO), weil<br />

sie nicht in der Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen<br />

Beschlusses eingelegt worden ist (§ 577 ZPO).<br />

Zugunsten des Bekl geht der Senat davon aus, daß seine Beschwerde<br />

einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />

wegen Versäumung der Beschwerdefrist enthält, weil der Bekl darin<br />

geltend gemacht hat, von Mitte Mai 1998 bis 25.8.1998 arbeitsunfähig<br />

gewesen zu sein. Ob ein solcher Antrag rechtzeitig innerhalb<br />

der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt ist (§ 234<br />

i. V. m. § 236 Abs. 2 ZPO), bedarf keiner Vertiefung. Denn er ist<br />

jedenfalls nicht begründet, weil der Bekl nicht ohne sein Verschulden<br />

verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 233 ZPO)


228<br />

l<br />

Ein Rechtsanwalt hat dafür zu sorgen, daß für den Fall seiner<br />

Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht werden<br />

können; auch ein Einzelanwalt – wie der Bekl – hat dies durch<br />

zumutbare Maßnahmen – etwa durch Absprache mit einem vertretungsbereiten<br />

Kollegen – sicherzustellen. Die Versäumung einer<br />

Notfrist kann nur dann trotz geeigneter Vorkehrung unverschuldet<br />

sein, wenn der Anwalt plötzlich in einer Weise erkrankt, die es<br />

ihm unmöglich macht, den Vertreter rechtzeitig zu unterrichten<br />

(BGH, Urt. v. 7.5.1982 – V ZR 233/81, VersR 1982, 802; Beschl.<br />

v. 2.2.1994 – XII ZB 175/93, VersR 1994, 1207, 1208; v. 26.2.1996<br />

– II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541).<br />

Es ist davon auszugehen, daß die Versäumung der Beschwerdefrist<br />

auf einem Organisationsverschulden des Bekl beruht. Er hat<br />

eine allgemeine, geeignete Vorsorge, die gewährleistet, daß im<br />

Falle seiner Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht<br />

werden können, nicht behauptet. Seine Krankheit ist nicht<br />

so plötzlich und in einer so schwerwiegenden Weise aufgetreten,<br />

daß er an einer solchen Vorkehrung ohne Verschulden gehindert<br />

war. Für den hier maßgeblichen Zeitraum nach Zustellung des angefochtenen<br />

Beschlusses hat der Bekl eine „akute Gastroenteritis“<br />

als Ursache seiner Arbeitsunfähigkeit angegeben. Diese Erkrankung<br />

schließt das Organisationsverschulden nicht aus. Eine Entschuldigung<br />

ist in der Rechtsprechung anerkannt worden, wenn die<br />

fehlende Vorsorge für die Wahrung der Rechtsmittelfrist auf der besonderen<br />

psychischen Lage nach dem Entschluß zur Selbsttötung<br />

beruhte (BGH, Beschl. v. 10.7.1984 – VI ZB 10/84, VersR 1984,<br />

988, 989) oder auf die Einlieferung auf die Intensivstation eines<br />

Krankenhauses durch den Notarzt zurückzuführen war (BGH,<br />

Beschl. v. 6.3.1990 – VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026). Solcher Art<br />

war die Erkrankung des Bekl nicht, selbst wenn – gemäß seiner<br />

Behauptung – auch seine „Psyche mitangegriffen“ worden war wegen<br />

des Streitgegenstandes, der die Verletzung eines anwaltlichen<br />

Treuhandvertrages betrifft.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Hans Norbert Götz, Baden-Baden<br />

Gebührenrecht<br />

BRAGO § 20<br />

1. Ein Rechtsanwalt kann eine schriftliche Auskunft nur mit der<br />

Erstberatungsgebühr des § 20 Abs.1 Satz 2 BRAGO abrechnen,<br />

wenn er, ohne bei Erhalt schriftlicher Unterlagen mit der Beratung<br />

begonnen zu haben, die erbetene Auskunft erst nach<br />

Durchsicht dieser Unterlagen erteilt.<br />

2. Schließt sich an diese Auskunft eine weitere an, bleibt es für<br />

die zunächst erteilte bei der Erstberatungsgebühr, auch wenn<br />

die zweite Auskunft mit der Erstberatung in einem engen gegenständlichen<br />

oder zeitlichen Zusammenhang steht oder diese fortsetzt.<br />

3. Die weitere Auskunft kann unter Berücksichtigung von § 13<br />

Abs. 5 BRAGO nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO abgerechnet<br />

werden.<br />

OLG München (Augsburg), Urt. v. 17.9.1998 – 14 U 879/97<br />

Aus den Gründen: Die Berufung der Kl bleibt ohne Erfolg.<br />

Den Kl steht für die dem Bekl erteilten Auskünfte lediglich die<br />

vom LG ausgeurteilte Erstberatungsgebühr des § 20 Abs. 1 Satz 2<br />

BRAGO zu. Weitergehende Ansprüche sind nicht begründet; die<br />

Klage ist insoweit zu Recht abgewiesen worden.<br />

I. Zutreffend hat es das LG abgelehnt, den geltend gemachten<br />

Anspruch auf der Grundlage des § 21 BRAGO zuzusprechen. Die<br />

Kl haben weder den Nachweis geführt, daß der Bekl die Ausarbeitung<br />

eines schriftlichen Gutachtens mit juristischer Begründung in<br />

Auftrag gegeben hat, noch haben sie ein solches Gutachten erstellt.<br />

Hierfür ist als wesentlichster Teil das eigene Urteil des Anwalts<br />

unter Würdigung der Stimmen aus Rechtsprechung und Schrifttum<br />

erforderlich (Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 13. Aufl., § 21<br />

Rdnr. 2, 3). All dies fehlt in den beiden Schreiben der Kl vom<br />

30.5.1996 und 25.6.1996. Es liegt daher kein Gutachten, sondern<br />

eine schriftliche Auskunft nach § 20 BRAGO vor. Diese Rechtsauffassung<br />

teilen offenbar nun auch die Kl, da sie im zweiten<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsprechung<br />

Rechtszug auf diese Begründung ihrer Gebührenrechnung vom<br />

26.11.1996 nicht mehr zurückgekommen sind.<br />

II. Die Kl haben im zweiten Rechtszug geltend gemacht, sie<br />

hätten bei der Besprechung vom 21.5.1996 nicht lediglich die mit<br />

den Schreiben vom 30.5.1996 und 25.6.1996 beantworteten Fragen<br />

ausgearbeitet, sondern bereits die verschiedenen Möglichkeiten eines<br />

Einzel- bzw. Gesamt- und Gruppenausgebots im Rahmen einer<br />

Bietergemeinschaft und der anfallenden Grunderwerbssteuer eingehend<br />

erörtert.<br />

Sollte mit diesem Vortrag behauptet werden, dem Bekl sei zu<br />

diesen Fragen bereits am 21.5.1996 eine Auskunft erteilt worden,<br />

könnte dies der Senat der Entscheidung, welches Honorar den Kl<br />

für die Beratung des Bekl zusteht, nicht zugrunde legen. Der Bekl<br />

hat bestritten, daß ihm schon am 21.5.1996 eine Antwort auf seine<br />

Fragen erteilt worden sei. Auch das Schreiben der Kl vom<br />

30.5.1996 spricht gegen eine solche Fallgestaltung, wird doch in<br />

Nr. 5 die Frage des Verhältnisses eines Einzel- zu einem Gesamtbzw.<br />

Gruppenausgebot erörtert und in Nr. 6 die Grundsteuerproblematik<br />

bei Erwerb eines Grundstücks durch eine Bietergemeinschaft<br />

und deren nachfolgende Auseinandersetzung behandelt, ohne jeden<br />

Hinweis darauf, daß diese Fragen schon in der Besprechung vom<br />

21.5.1996 ausführlich erörtert oder gar beantwortet worden seien.<br />

Aus der vorgelegten Handskizze des Kl zu 1 folgt nichts anderes.<br />

Diese mag anläßlich der Besprechung der zu beantwortenden Fragen<br />

des Bekl entstanden sein; daß über eine Erörterung von Fragen<br />

hinaus schon eine Auskunft erteilt worden wäre, läßt sich hieraus<br />

nicht entnehmen. Der Senat geht daher weiterhin von den Angaben<br />

des Kl zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem LG Kempten<br />

vom 23.9.1997 aus, wonach dem Bekl nach grober Sichtung der<br />

übergebenen Unterlagen erklärt worden war, seine Fragen könnten<br />

nicht sofort beantwortet werden, dies erfolge nach Durchsicht der<br />

Unterlagen.<br />

III. Damit spitzt sich die Entscheidung des Rechtsstreits auf die<br />

Frage zu, welche Rechtsfolgen sich für die Vergütung der Kl daraus<br />

ergeben, daß sie die Fragen des Bekl nicht – auch nicht teilweise<br />

– bereits bei der Besprechung vom 21.5.1996, sondern erstmals<br />

nach Durchsicht der Unterlagen mit den Schreiben vom 30.5.1996<br />

und 26.6.1996 beantwortet haben.<br />

Das LG hat für diese Tätigkeit eine Erstberatungsgebühr gem.<br />

§ 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zugesprochen, unter Einschluß von<br />

Auslagen und Mehrwertsteuer 448,50 DM. Dem tritt der Senat bei.<br />

1. Die Rüge der Berufung, die Auffassung des LG widerspreche<br />

der Begründung des Gesetzes und der herrschenden Meinung,<br />

trifft nicht zu. Nach der von den Kl vorgelegten Bundestagsdrucksache<br />

mit der Begründung zur Novellierung des § 20 BRAGO bezieht<br />

sich die Regelung des Satzes 2 nur auf die Gebühr für die erste<br />

Beratung. Sie greift nicht ein, wenn nach dem ersten<br />

Beratungsgespräch oder dem ersten schriftlichen Rat oder einer<br />

solchen Auskunft sich eine weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts anschließt,<br />

mag diese auch mit der ersten Beratung in engem Zusammenhang<br />

stehen oder diese fortsetzen.<br />

In gleicher Weise wird § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO von den<br />

von den Kl zitierten Literaturstellen und der übrigen Lehre verstanden.<br />

Alle sehen den Normbereich der Erstberatungsgebühr dann für<br />

beendet an, wenn die erste Beratung beendet oder wegen ihres Beratungsstandes<br />

unterbrochen ist. Hierbei wird häufig der Fall zitiert,<br />

daß der Anwalt sich zunächst sachkundig machen muß. Diese<br />

Fallgestaltung darf mit der vorliegenden aber nicht gleichgesetzt<br />

werden. Sollen Worte noch ihren Sinn behalten, kann von einer<br />

Unterbrechung einer Erstberatung nur dann gesprochen werden,<br />

wenn mit der Beratung schon begonnen worden war. Kommt der<br />

Rechtsanwalt dann zur Auffassung, daß er sich für die weitere Beratung<br />

erst noch sachkundig machen muß, dann ist die Erstberatung<br />

beendet und kann nach § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO abgerechnet<br />

werden. Wie oben ausgeführt (Nr. 11) liegt dieser Sachverhalt<br />

hier aber nicht vor. Die Schilderung der tatsächlichen Verhältnisse<br />

durch den Bekl und die Formulierung der sechs zu beantwortenden<br />

Fragen sowie die Erklärung des Kl zu 2, er könne die Antwort erst<br />

nach Durchsicht der Unterlagen erteilen, ist ihrem Inhalt nach weder<br />

ein Rat noch eine Auskunft; die Erstberatung hatte vorliegend<br />

noch nicht begonnen.


AnwBl 4/99 229<br />

Rechtsprechung l<br />

Genau diese Fallgestaltung ist auch in der Literatur behandelt.<br />

Endres hat in seinem Aufsatz „Die Erstberatung“ (JurBüro 1995,<br />

225, 226) dieses Beispiel der schriftlich erteilten Auskunft als Erstberatung<br />

angesehen.<br />

Hierüber besteht, soweit ersichtlich, in der Literatur zumindest<br />

jetzt auch kein Streit mehr. Während Madert die Ansicht von Endres<br />

noch in dem Aufsatz „Die Erstberatungsgebühr“ (AnwBl 1996,<br />

246, 250) kritisiert, zitiert er diesen Autor im Kommentar von Gerold/Schmidt<br />

zur BRAGO als Beleg für die herrschende Meinung<br />

(aaO § 20 Rdnr. 11). Er führt für die herrschende Meinung auch<br />

die Kommentierung von Riedel/Sußbauer an, wo ausdrücklich die<br />

Fallgestaltung behandelt wird, daß der Anwalt den Klienten zu<br />

einer nochmaligen Vorsprache bestellt, weil er sich etwa für die<br />

Beratung erst kundig machen müsse und kommentiert wird, daß<br />

hierdurch die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht<br />

umgangen werden könne (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO,<br />

7. Aufl., § 20 Rdnr. 15). Das gleiche gilt selbstverständlich dann,<br />

wenn nach einer solchen Erklärung die Auskunft schriftlich erfolgt.<br />

Auch in der sonst veröffentlichten Literatur (vgl. z. B. Otto,<br />

JurBüro 1994, 385, 395; Henke, AGS 1994, 78, 79; Hansens,<br />

JurBüro 1995, 117, 118 und die bei Madert AnwBl 1996, 246 ff.<br />

Genannten) findet sich für die hier vorliegende Fallgestaltung keine<br />

Stimme, die eine Abrechnung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zuließe.<br />

Hierfür wird stets eine Unterbrechung einer bereits angelaufenen<br />

Beratung verlangt.<br />

2. Sollten die Kl aus der zitierten Gesetzesbegründung und den<br />

Stimmen der Literatur den Schluß ziehen wollen, die Vorschrift des<br />

§ 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO entfalle ganz, wenn sich nach einer<br />

Erstberatung noch eine weitere Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts<br />

anschließt, so gehen sie fehl. Das Honorar für die erste Beratung<br />

bleibt selbstverständlich auf die Höchstgebühr von 350 DM<br />

beschränkt. Für die weitere Beratung – dies ist sowohl gegenständlich<br />

als auch zeitlich zu verstehen – bleibt es dagegen bei der Regelung<br />

des § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO, selbst wenn diese weitere<br />

Tätigkeit des Rechtsanwalts mit der Erstberatung in einem engen<br />

Zusammenhang steht oder diese fortsetzt (so ausdrücklich auch<br />

Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, aaO, § 20 Rdnr. 11 letzter Absatz).<br />

3. Damit ist das den Kl für das Schreiben vom 30.5.1996 zustehende<br />

Honorar durch § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO auf den vom LG<br />

ausgeurteilten Betrag beschränkt. Nachdem am 21.5.1996 keine<br />

Beratung des Bekl stattgefunden hatte, konnte diese auch nicht als<br />

Erstberatung abgerechnet oder unterbrochen oder fortgesetzt werden.<br />

Die erste Beratung des Bekl erfolgte im Schreiben vom<br />

30.5.1996.<br />

Der Senat verkennt nicht, daß die Arbeit der Kl mit diesem Betrag<br />

auch nicht annähernd entlohnt wird. Dies kann an dem gefundenen<br />

Ergebnis aber nichts ändern, da § 20 BRAGO die Gebührenhöhe<br />

für die erste Beratung festschreibt. Die Kl haben dieses<br />

Ergebnis allerdings auch selbst zu vertreten, da es ihnen freigestanden<br />

hätte, die Auskunft nur nach einer entsprechenden schriftlichen<br />

Vereinbarung einer höheren Gebühr zu erteilen. Auf den von den<br />

Kl mit dem Schreiben vom 12.8.1996 unternommenen Versuch,<br />

eine solche Gebührenvereinbarung nachträglich abzuschließen<br />

brauchte sich der Bekl nicht einzulassen.<br />

4. Für die weitere Auskunft im Schreiben vom 25.6.1996 steht<br />

den Kl keine gesonderte Gebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO<br />

zu.<br />

Die Frage vier war im Schreiben vom 30.5.1996 abstrakt formuliert.<br />

Sie konnte daher, wie auch richtig geschehen, abstrakt in<br />

diesem Schreiben beantwortet werden. Daß der Bekl die Einholung<br />

weiterer Informationen hierzu angeregt oder damit auch nur einverstanden<br />

gewesen wäre, haben die Kl nicht nachgewiesen. Ihr Vortrag<br />

im zweiten Rechtszug, es seien noch weitere Unterlagen benötigt<br />

worden, um die noch offenen Fragen im Schreiben vom<br />

25.6.1996 beantworten zu können, ist ohne jedes Beweisangebot<br />

vorgebracht. Angesichts der schon erwähnten abstrakten Fragestellung<br />

zur Frage vier ist auch nicht nachvollziehbar, warum zu deren<br />

Beantwortung noch weitere Auskünfte benötigt worden waren.<br />

Daß der Rechtsanwalt durch eine von ihm provozierte weitere<br />

Auskunft, die vom Mandanten so gar nicht gewünscht wird, keine<br />

Gebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erreichen kann, liegt auf<br />

der Hand.<br />

Schließlich stünde einem Gebührenanspruch für das Schreiben<br />

vom 25.6.1996 auch entgegen, daß nach § 13 Abs. 5 BRAGO die<br />

bereits verdiente Gebühr auf die nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO<br />

anzurechnen wäre. Nachdem die Frage vier im ersten Schreiben<br />

dem Grunde nach beantwortet worden war, war der Inhalt des<br />

Schreibens vom 25.6.1996 derart einfach gelagert, daß hierfür<br />

allenfalls eine 2/10-Gebühr angesetzt werden könnte. Als Gegenstandswert<br />

hierfür käme sicherlich kein Betrag über 50.000 DM in<br />

Betracht. Da damit die Gebühr für das zweite Schreiben unter der<br />

Erstberatungsgebühr bleibt, entfiele auch aus diesem Grunde ein<br />

gesondertes Honorar für diese Auskunft.<br />

IV. Die Berufung der Kl gegen das Ersturteil bleibt damit ohne<br />

Erfolg; sie ist mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.<br />

Gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO ist das Urteil vorläufig<br />

vollstreckbar. Der Wert der Beschwer der Kl entspricht dem Streitwert<br />

zweiter Instanz. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung<br />

der Revision liegen nicht vor (§ 546 Abs. 1 ZPO). Die<br />

Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Senat folgt<br />

mit seiner Entscheidung der Lehre, offene Fragen von Belang bestehen<br />

insoweit ersichtlich nicht, ebensowenig eine abweichende<br />

Rechtsprechung.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG Burkhard Barth, Stadtbergen<br />

BRAO § 49 b; BRAGO § 52<br />

Die Nichtberücksichtigung der Verkehrsgebühr in der Gebührenteilungsabrede<br />

zwischen Verkehrsanwalt und Prozeßanwalt<br />

ist berufsrechtswidrig. (LS der Redaktion)<br />

AnwG Tübingen, Beschl. v. 11.12.1998 – 48/1999<br />

Aus den Gründen: II. Die Beschwerden gegen die Entscheidungen<br />

der Rechtsanwaltskammer Tübingen sind sachlich nicht gerechtfertigt.<br />

Das Anwaltsgericht teilt die von der Beschwerdeabteilung der<br />

Rechtsanwaltskammer Tübingen zur Begründung der Rüge vom<br />

14.1.98 gemachten Ausführungen. Sie rechtfertigen die nach § 74<br />

BRAO ausgesprochene Rüge aufgrund der geltenden Gesetzeslage.<br />

Die Angriffe des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, eine<br />

Änderung der Bescheide vorzunehmen:<br />

1. Der Vorwurf der Sachverhaltserforschung auf unrechtmäßige<br />

Art und Weise trifft nicht zu. Die Belehrung über die Berechtigung<br />

zur Auskunftsverweigerung erfolgte ordnungsgemäß unter gleichzeitigem<br />

Hinweis, daß bei einer Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht<br />

die weitere Ermittlung über die Generalstaatsanwaltschaft<br />

erfolgen werde. Dies ist der normale Gang eines gegen<br />

einen Anwalt gerichteten Verfahrens, da die Rechtsanwaltskammer<br />

über keine Ermittlungsorgane verfügt, sondern nach dem Gesetz<br />

hierzu die Generalstaatsanwaltschaft berufen ist.<br />

Aufgrund der eigenen Einlassung des Beschwerdeführers in<br />

seinem Schreiben vom 29.4.97 hat sich die Generalstaatsanwaltschaft<br />

auf den zutreffenden Standpunkt gestellt, daß eine generelle<br />

Gebührenteilungsabrede mit den Stuttgarter Korrespondenzanwälten<br />

der Firma (X) besteht, wonach die Gebühren hälftig ohne Einbeziehung<br />

der Verkehrsgebühr gem. § 52 BRAGO zu teilen sind,<br />

wodurch der als standeswidrig beanstandete Sachverhalt in tatsächlicher<br />

Hinsicht ausreichend geklärt sei. Dem schließt sich das Anwaltsgericht<br />

an.<br />

Ein Verwertungsverbot nach § 136 a StPO liegt insoweit nicht<br />

vor.<br />

2. Soweit eine Befangenheit der am Rügebescheid der Rechtsanwaltskammer<br />

Tübingen mitwirkenden Mitglieder geltend gemacht<br />

wird, ist festzustellen, daß ein rechtswirksamer Ablehnungsantrag<br />

nicht gestellt worden ist.<br />

Ein solcher Antrag hätte im übrigen auch abgelehnt werden<br />

müssen, da die generelle Ablehnung eines Spruchkörpers regelmäßig<br />

nicht zulässig ist, sondern das jeweilige Mitglied einer beratenden<br />

Kammer im einzelnen benannt werden müßte und dazu Gründe<br />

für die Ablehnung des einzelnen Mitgliedes dargelegt und<br />

glaubhaft gemacht werden müßten.


230<br />

l<br />

Der als einziger benannte Kammervorstand (Y) ist nicht Mitglied<br />

der Beschwerdeabteilung. Deren Abteilungsvorsitzender ist<br />

Rechtsanwalt (Z), gegen den ebenso wenig wie gegen die übrigen<br />

Mitglieder sachliche Grunde vorgetragen worden sind, die eine<br />

Ablehnung rechtfertigen könnten.<br />

3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wurde von<br />

der Anwaltskammer zu Recht gegen die einzelnen Mitglieder der<br />

Anwaltskanzlei (A) und Kollegen eine Rüge ausgesprochen, nachdem<br />

sich sämtliche im Briefkopf aufgeführten Anwälte im Schreiben<br />

vom 13.5.96 an die Rechtsanwaltskammer zu der Gebührenabrede<br />

und dem Vorgang bekannt haben und damit auch insoweit<br />

die Verantwortung ausdrücklich übernommen haben. Das Schreiben<br />

ist von jedem einzelnen Anwalt extra unterzeichnet worden, so<br />

(daß) daraus ersichtlich ist, daß der jeweilige Unterzeichner auch<br />

dafür die Verantwortung übernimmt. Es wird damit auch gleichzeitig<br />

zum Ausdruck gebracht, daß die Unterzeichner in künftigen<br />

Fällen gleich verfahren wollen.<br />

Die Rüge ist daher zu recht gegen jeden einzelnen der Anwälte<br />

ausgesprochen worden.<br />

4. Bei der Beurteilung der Rechtslage ist das Anwaltsgericht von<br />

der jetzt geltenden Gesetzeslage ausgegangen, wonach gem. § 49b<br />

BRAO es grundsätzlich unzulässig ist, geringere Gebühren und Auslagen<br />

zu vereinbaren oder zu fordern, als die Bundesgebührenordnung<br />

für Rechtsanwälte vorsieht, soweit diese nichts anderes bestimmt.<br />

Diese Ausnahmeregelung ist in § 49b III Satz 2 und 3 für den<br />

Fall eines Verkehrsanwaltes festgelegt worden, wobei als Auslegungsregel<br />

§ 22 der Berufsordnung mit heranzuziehen ist.<br />

Mit Feuerich/Braun, Kommentar zur BRAO 3. Auflage § 49 b<br />

Randnote 30 geht das Anwaltsgericht davon aus, daß die mangelnde<br />

Berücksichtigung der Verkehrsgebühr in der Gebührenteilungsabsprache<br />

zwischen Verkehrsanwalt und Prozeßanwalt standesrechtlich<br />

unzulässig ist.<br />

Bei der Verkehrsgebühr handelt es sich um eine vom Gesetzgeber<br />

in der BRAGO in § 52 festgelegte gesetzliche Gebühr (vgl.<br />

auch Kofler in AnwBl 98, 206).<br />

Der gegenteiligen Auffassung von Kaiser in AnwBl 1997, 619<br />

vermag sich das Anwaltsgericht nicht anzuschließen.<br />

Die Tatsache, daß vielfach gegen die geltende gesetzliche Regelung<br />

verstoßen wird, rechtfertigt keinesfalls eine andere Beurteilung.<br />

Vielmehr ist es Aufgabe der Rechtsanwaltskammer, etwaigen<br />

Verstößen entgegenzuwirken.<br />

Die ausgesprochene Rüge war deshalb zu bestätigen.<br />

Mitgeteilt von dem Präsidenten der RAK Tübingen<br />

Streitwert, Kosten, Erstattung<br />

GKG §§ 11, 61; GKG-KV Nr. 1201, 1202*<br />

Gemäß Artikel 100 I GG wird das Verfahren ausgesetzt und die<br />

Entscheidung des BVerfG zu folgender Frage eingeholt:<br />

Ist § 61 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m.§11GKGund<br />

der Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses (KV) in der aufgrund des<br />

Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzes und anderen Gesetzes<br />

vom 14.6.1994 (BGBl. I 1325, KostRÄndG 1994) seit dem 1.7.1994<br />

geltenden Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit auch<br />

dann die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen entsteht, wenn<br />

in einem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides zwar für den Fall<br />

des Widerspruchs der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />

gestellt ist und Widerspruch auch erhoben wird, das Gericht,<br />

das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit jedoch<br />

nicht an das für das streitige Verfahren zuständige Gericht abgibt,<br />

weil der Antragsteller das Verfahren nicht weiter betreibt?<br />

AG Hamburg, Beschl. v. 7.3.1999 – 77 B L 002629/97<br />

Aus den Gründen: I. Die Antragstellerin beantragte am 21.2.1997<br />

unter Benutzung des vorgeschriebenen Vordrucks für das Mahnverfahren<br />

bei dem AG Hamburg gegen den Antragsgegner den Erlaß eines<br />

Mahnbescheides über DM 6064,82 und zahlte zugleich die für<br />

das Mahnverfahren entstehende 0,5-fache Gerichtsgebühr gemäß Nr.<br />

1100 des Kostenverzeichnisses zum GKG in Höhe von DM 95,00 ein.<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsprechung<br />

Das auf dem Vordruck vorgesehene Formularfeld „Im Falle des Widerspruchs<br />

beantrage ich die Durchführung des streitigen Verfahrens“<br />

hatte sie angekreuzt. Gegen den am 24.2.1997 erlassenen und ihm am<br />

1.3.1997 zugestellten Mahnbescheid erhob der Antragsgegner am<br />

4.3.1997 auf dem – nicht amtlichen Formular – Widerspruch mit der<br />

Begründung, daß er der Antragstellerin bereits vorgerichtlich mitgeteilt<br />

habe, „derzeit zahlungsunfähig“ zu sein. Das Gericht teilte – auf<br />

der hierfür vorgesehenen Rückseite des Widerspruchsvordrucks – am<br />

10.3.1997 den Widerspruch der Antragstellerin mit und unterrichtete<br />

sie zugleich davon, daß die Sache an das nach ihrer Angabe für ein<br />

streitiges Verfahren zuständige Gericht abgegeben werde, „wenn Sie<br />

die unten berechneten weiteren Kosten vorauszahlen.“ Dabei handelte<br />

es sich nach der Berechnung um die für das streitige Verfahren nach<br />

Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses anfallende Gebühr von DM<br />

570,00 abzüglich gezahlter DM 95,00, somit weiteren DM 475,00.<br />

Die Antragstellerin leistete keine Zahlung. Am 24.4.1997 nahm der<br />

Antragsgegner den Widerspruch zurück Auf den am 5.5.1997 gestellten<br />

Antrag erließ das Gericht am selben Tag Vollstreckungsbescheid<br />

auf der Grundlage des Mahnbescheides, der am 13.5.1997 dem Antragsgegner<br />

zugestellt und gegen den Einspruch nicht erhoben wurde.<br />

Am 14.5.1998 setzte der Kostenbeamte gegen die Antragstellerin<br />

eine halbe Gebühr in Höhe von DM 95,00 an, da seit der Einlegung<br />

des Widerspruchs sechs Monate verstrichen seien, ohne daß das Verfahren<br />

von der Antragstellerin fortgesetzt worden sei. Damit sei in der<br />

AktegemäßKV1201i.V. m. KV 1202 GKG eine weitere halbe Gebühr<br />

fällig. Die Antragstellerin erklärte mit Schriftsatz vom 19.5.98,<br />

daß aufgrund des Verfahrensablaufs keine Zahlung erfolgen werde.<br />

Der für das Mahnverfahren zuständige Rechtspfleger hat, und<br />

zwar vor dem 1.10.1998, die Sache dem Abteilungsrichter zur Entscheidung<br />

vorgelegt.<br />

II. Der Richter legt die Eingabe der Antragstellerin wie schon der<br />

Rechtspfleger als Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 5 I<br />

GKG aus. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Rechtspflegererinnerung<br />

nach § 11 RPflG in der bis zum 30.9.1998 geltenden Fassung.<br />

Vielmehr hätte über die Kostenerinnerung an sich „das Gericht“<br />

zu entscheiden, bei dem die Kosten angesetzt sind, d. h. dessen UrkundsbeamterdieKostennach§4INr.1GKGdieKostenrechnung<br />

aufgestellt hat. Soweit Geschäfte dem Rechtspfleger übertragen sind,<br />

entscheidet er auch über die Erinnerung (Hartmann, KostG, Rdnr. 26<br />

zu § 5 GKG, LG Koblenz, NJW-RR 98, 359). Da das Mahnverfahren<br />

bis einschließlich der Abgabe dem Rechtspfleger übertragen ist,<br />

müßte demnach er über die Erinnerung befinden. Erst gegen seine<br />

Entscheidung wäre sodann die Beschwerde nach § 5 II GKG bzw., da<br />

im Streitfall die Kostenbeschwer von DM 100,00 nicht überschritten<br />

ist, die befristete Erinnerung nach § 11 II RPflG in der seit dem<br />

1.10.1998 geltenden Fassung gegeben („Zweiterinnerung“, vgl. Hartmann,<br />

aaO, Rdnr. 37). Der Richter sieht nach Rücksprache mit dem<br />

Rechtspfleger die Vorlage der Sache daher als eine solche nach § 5 I<br />

Nr. 2 RPflG a. F. an; das ist deshalb gerechtfertigt, weil der Ansatz einer<br />

weiteren Gerichtsgebühr in Fällen wie dem vorliegenden rechtlich<br />

trotz vieler – auch veröffentlichter – Entscheidungen und Aufsätze<br />

weiterhin stark umstritten ist. Auch die inzwischen ergangene rechtskräftige<br />

Entscheidung der Kostenbeschwerdekammer des LG Hamburg<br />

(s. u.) klärt nach Auffassung des Richters insbesondere die verfassungsrechtlichen<br />

Aspekte des Streits nicht abschließend.<br />

Dieses Verfahren ist kein Einzelfall. Seit 1997 setzen auf Anregung<br />

der Gerichtskassen in Hamburg und in anderen Bundesländern<br />

die Kostenbeamten der Mahngerichte in allen Fällen, in denen<br />

das bezeichnete Vordruckfeld angekreuzt und Widerspruch eingelegt<br />

worden ist, das Verfahren jedoch nicht weiterbetrieben wird,<br />

und in denen die Gerichtskosten noch nicht gem. § 10 GKG verjährt<br />

sind, die weitere halbe Gebühr an. Beim AG Hamburg sind<br />

schon jetzt weit über hundert Rechtsbehelfe von Antragstellern gegen<br />

solche Kostenansätze aus den Jahren 1997 und 1998 anhängig.<br />

Dabei sind die Verfahren, in denen das Ende der sechs Monate des<br />

Nichtbetriebs in die Jahre 1995 und 1996 fallen, noch gar nicht erfaßt<br />

worden. Auch haben manche Antragsteller nach der Beschwerdeentscheidung<br />

der für die Beschwerden in Kostensachen<br />

zuständigen Zivilkammer 14 des Landgerichts Hamburg in der Sache<br />

314 T 239/98 (77 B g 24485/86) vom 29.7.98 (MDR 98, 1121)<br />

* Vgl. zu diesem Thema auch in diesem Heft auf S. 188: Hambrecht, Gerichtskostennachforderungen<br />

im Mahnverfahren.


AnwBl 4/99 231<br />

Rechtsprechung l<br />

und nach deren Entscheidung über die Gegenvorstellung vom<br />

23.12.98 ihre Erinnerungen zurückgenommen. In vielen Fällen<br />

geht es – wie im Streitfall – nur um Kleinbeträge bis zu DM<br />

100,00, über die das AG mangels Beschwerdemöglichkeit, § 5<br />

Abs. 2 GKG, abschließend entscheidet, in Einzelfällen werden aber<br />

auch Gebührenhöhen von mehreren tausend DM erreicht.<br />

III. Die Erinnerung ist gem. § 5 I GKG zulässig. Sie ist jedoch<br />

unbegründet, wenn § 61 GKG i. V. m. § 11 GKG und Nr. 1201 des<br />

Kostenverzeichnisses den Ansatz einer Gebühr für das streitige Verfahren<br />

auch für die im Streitfall gegebene Verfahrenskonstellation<br />

auslösen. Das ist nach Auffassung des Gerichts der Fall (s. u. 4.;<br />

ebenso: LG Hamburg, aaO; OLG Hamburg, B. v. 9.6.1998, 8 W 139/<br />

98 – nicht veröffentlicht – zur parallelen Frage, welcher<br />

Kostenstreitwert der Gebühr zugrunde zu legen ist, wenn das Streitverfahren<br />

nur wegen eines Teils des Mahnanspruchs weiterbetrieben<br />

wird; LG Nürnberg-Fürth, JurBüro 97, 144 mit Anm. Enders; OLG<br />

Düsseldorf, JurBüro 97, 145, 146; LG Hagen, JurBüro 97, 602; LG<br />

Bamberg, JurBüro 98, 147 mit Anm. Meyer; Salten, MDR 97, 612;<br />

Meyer, JurBüro 98, 117; Lappe, NJW 98, 1113; Hartmann, KostG,<br />

Rdnr. 5 zu Nr. 1201 KV-GKG; Markl/Meyer, Rdnr. 4 zu Nr. 1202 KV-<br />

GKG; Oestreich/Winter/Hellstab, Rdnr. 3 zu Nr. 1201 KV-GKG; a. A.<br />

AG Hamburg, B. v. 11.6.98, 77 B g 24485/96 – nicht veröffentlicht –<br />

aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 61 GKG; LG<br />

Memmingen, JurBüro 97, 434; OLG München, JurBüro 97, 602; LG<br />

Würzburg, JurBüro 98, 147; LG Stuttgart, JurBüro 98, 647; Zimmermann,<br />

JurBüro 97, 230; Bracker, MDR 98, 139).<br />

1. Gemäß § 61 GKG wird in den dort genannten Fallen, zu denen<br />

auch das Mahnverfahren der §§ 688 ff. ZPO zählt, „die Gebühr<br />

mit der Einreichung der ...Antrags... schrift... fällig.“ Gemäß<br />

Nr. 1201 KV entsteht im „Prozeßverfahren erster Instanz“ für das<br />

„Verfahren im allgemeinen“ eine 3,0-fache Gebühr, auf die bei vorausgegangenem<br />

Mahnverfahren die Gebühr 1100 anzurechnen ist.<br />

Wird das Verfahren jedoch sechs Monate nicht betrieben, so wird<br />

in der gerichtlichen Kostenpraxis – wie im vorliegenden Fall –<br />

unter entsprechender Anwendung der Nr. 1202 gem. § 32 IV 3<br />

KostVfg nur eine weitere halbe Gebühr angesetzt, so daß insgesamt<br />

eine 1,0-fache Gebühr zu zahlen ist.<br />

Die Streitfrage, wann die Gebühr der Nr. 1201 KV entsteht,<br />

wenn ein Mahnverfahren vorausgeht, ist erst seit dem Inkrafttreten<br />

des KostRÄndG 1994 praktisch geworden. Zuvor entfiel die „Gebühr<br />

für das Verfahren im allgemeinen“ im Anschluß an ein Mahnverfahren,<br />

damals eine 0,5-fache Gebühr gemäß Nr. 1005, völlig<br />

gemäß Nr. 1006, wenn u. a. der Antrag auf Durchführung des<br />

streitigen Verfahrens oder der Widerspruch gegen den Mahnbescheid<br />

zurückgenommen wurde oder nach § 32 IV 3 KostVfg als<br />

zurückgenommen gelten konnte. Das ist seither anders, weil auch<br />

bei Zurücknahme nach Nr. 1202 immer insgesamt eine volle Gerichtsgebühr<br />

verbleibt. Deshalb konnte die auch seinerzeit schon<br />

gelegentlich streitige, in ihrer Reichweite allerdings nicht erkannte<br />

Frage regelmäßig dahingestellt bleiben. Unter der Geltung des jetzigen<br />

Kostenrechts muß sie dagegen beantwortet werden.<br />

2. Seinen Ausgangspunkt hat der Meinungsstreit in der verfahrensrechtlichen<br />

Bestimmung des § 696 I 2 ZPO. Danach kann der<br />

sogenannte Streitantrag schon in den Mahnbescheidsantrag aufgenommen<br />

werden. Die nach § 703 c ZPO i. V. m. den dazu ergangenen<br />

Verordnungen vorgeschriebenen Antragsvordrucke enthalten<br />

daher ein Feld, das der Antragsteller ankreuzen kann, wenn er für<br />

den Fall des Widerspruchs die Durchführung des streitigen Verfahrens<br />

wünscht. Das Kästchen ist in der Vergangenheit auch regelmäßig<br />

angekreuzt worden. Praktisch hat der so gestellte Antrag aber<br />

keinerlei Auswirkung auf den Fortgang des Verfahrens, weil die<br />

Abgabe an das Streitgericht gem. § 65 I 2 GKG von der Zahlung<br />

der für das streitige Verfahren anfallenden Gebühren abhängig gemacht<br />

werden soll und – wie im Streitfall – in der Praxis der<br />

Mahngerichte auch gemacht wird. Denn als „Soll“-Vorschrift ist<br />

§ 65 GKG von den Gerichten zwingend zu beachten. Ihre Verletzung<br />

führt lediglich im Verhältnis zwischen den Parteien nicht zur<br />

Unwirksamkeit der Abgabe, denn sie soll nur den Kostenanspruch<br />

der Gerichtskasse sichern und dient nicht den Interessen der Gegenpartei.<br />

Eine grundsätzliche Ausnahme von der Vorauszahlung<br />

gibt es nur im Fall der persönlichen Kostenbefreiung des Antragstellers<br />

nach § 2 GKG. Eine praktische Ausnahme trat unter der<br />

Geltung des bis zum 30.6.94 geltenden Kostenrechts ferner dann<br />

ein, wenn die halbe Gebühr für das Mahnverfahren zugleich die<br />

volle Gebühr für das Verfahren im allgemeinen abdeckte, wenn<br />

diese nämlich – bei kleinen Streitwerten bis DM 300,00 – DM<br />

15,00 betrug und damit der schon für das Mahnverfahren anfallenden<br />

Mindestgebühr in derselben Höhe (§ 11 Abs. 3 S. 1 GKG a. F.)<br />

gleichkam. Diese Ausnahme ist seit dem KostRÄndG 1994 nicht<br />

mehr möglich (1/2 Gebühr aus der niedrigsten Wertstufe bis DM<br />

600,00 = DM 25,00; Mindestgebühr = DM 20,00).<br />

Für den nicht persönlich kostenbefreiten Antragsteller kann daher<br />

seit Inkrafttreten des KostRÄndG 1994 das Ankreuzen des Formularfeldes<br />

keinerlei verfahrensfördernde Wirkung mehr entfalten.<br />

Ob dies dem durchschnittlichen Antragsteller bekannt ist und ob<br />

und gegebenenfalls welchen Zweck er mit diesem vorsorglichen<br />

Streitantrag verfolgt, läßt sich nicht allgemein feststellen. Vermutlich<br />

nimmt er irrig an, damit sein Verfahren beschleunigen zu können,<br />

oder er glaubt, den Antragsgegner zu beeindrucken. Weshalb<br />

er allerdings nach Widerspruch von einer Weiterverfolgung absieht,<br />

dürfte regelmäßig seinen Grund darin finden, daß der Antragsgegner<br />

zwar Widerspruch eingelegt hat, gleichwohl aber ganz oder<br />

teilweise zahlt, daß es zu einer anderweitigen Einigung zwischen<br />

den Parteien kommt, daß bereits vor Zustellung des Mahnbescheids<br />

geleistet worden ist, daß – wie im Streitfall – der Widerspruch<br />

noch vor Abgabe wieder zurückgenommen wird oder daß der<br />

Antragsteller das Prozeßrisiko doch scheut. All diesen Fällen ist<br />

gemeinsam, daß der Antragsteller entweder wirtschaftlich kein<br />

Interesse mehr an der weiteren Rechtsverfolgung durch das streitige<br />

Verfahren hat oder ihm diese Rechtsverfolgung rechtlich gar<br />

nicht mehr möglich ist, weil sein Anspruch erloschen ist oder weil<br />

bereits – wie im Streitfall – wegen eines vorhandenen<br />

Vollstreckungstitels sein Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist.<br />

3. Zu der hier zu entscheidenden Frage werden zwei gegensätzliche<br />

Positionen vertreten, die sich zusammengefaßt so darstellen lassen:<br />

Gemäß § 61 GKG wird in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten<br />

„die Gebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags...schrift fällig...“.<br />

Aus dieser Bestimmung zieht die wohl herrschende Meinung<br />

in Literatur und Rechtsprechung (s. o.) den Schluß, daß mit<br />

Eingang des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />

beim Mahngericht die 3,0-fache Gebühr der Nr. 1201 für das Prozeßverfahren<br />

entstehe, unabhängig davon, ob die Sache tatsächlich<br />

antragsgemäß an das Streitgericht, vor dem dieses Verfahren stattfinden<br />

soll, abgegeben werde oder ob die Abgabe – wegen ausdrücklicher<br />

Rücknahme des Streitantrags noch vor dem Mahngericht<br />

oder mangels Zahlung der nach § 65 I 2 GKG erforderten<br />

Gebühr – unterbleibe. Im Fall des § 696 I 2 ZPO sei dieser Streitantrag<br />

zunächst zulässigerweise bedingt durch den Widerspruch<br />

gestellt worden, werde aber mit dessen Eingang unbedingt und<br />

wirksam. In diesem Zeitpunkt beginne daher kostenrechtlich gem.<br />

§ 61 GKG bereits das streitige Verfahren.<br />

Nach der Mindermeinung kann das Kostenrecht gemäß dem<br />

Grundsatz „Kostenrecht ist Folgerecht“ nicht einen eigenständigen<br />

Verfahrensbegriff im Widerspruch zu dem allgemeinen Prozeßrecht<br />

statuieren. Dieses lasse gem. § 696 Abs. 1 S. 4 ZPO das streitige<br />

Verfahren erst mit dem Eingang der Akten beim Gericht des § 696 I<br />

1 ZPO beginnen – hierfür verweist diese Ansicht auf BGHZ 103,<br />

20, 27 –, so daß auch die Gebühr nicht früher entstehen könne.<br />

Der Meinungsstreit ist dementsprechend dadurch gekennzeichnet,<br />

daß die Vertreter der jeweiligen Lager vorwiegend auf einer jeweils<br />

unterschiedlichen Ebene argumentieren. Die an § 61 GKG<br />

orientierte Auffassung kann sich dabei auf dessen Wortlaut, die am<br />

Verfahrensablauf orientierte Auffassung auf den Begriff der Anhängigkeit<br />

der Sache beim Streitgericht gem. § 696 I 4 ZPO stützen,<br />

§ 61 GKG wird von den Vertretern dieser Ansicht zuweilen<br />

nicht einmal genannt. Allerdings hat Meyer (JurBüro 98, 117) die<br />

beiden unterschiedlichen Sichtweisen erkannt und auf den eigenen<br />

Begriff der gebührenrechtlichen Anhängigkeit im GKG, der einen<br />

Rückgriff auf § 696 I 4 ZPO nicht mehr zulasse, hingewiesen. In<br />

seiner Anmerkung zur Entscheidung des LG Bamberg (aaO) meint<br />

er, das – als solches auch von ihm erkannte – Problem könne nur<br />

durch das BVerfG oder den Gesetzgeber selbst gelöst werden.<br />

Selbst unter den Befürwortern der eigenständigen kostenrechtlichen<br />

Argumentation wird immerhin bezweifelt, ob die gesetzliche<br />

Regelung „beifallswert“ sei (OLG Hamburg, aaO).<br />

4. Das Gericht schließt sich in der Frage der Auslegung des § 61<br />

GKG der Auffassung des LG und des OLG Hamburg an: Wortlaut


232<br />

l<br />

und Systematik der Vorschrift lassen keine andere Wahl. Der vorsorglich<br />

bereits im Mahngesuch gestellte Streitantrag wird mit Eingang<br />

des Widerspruchs verfahrensrechtlich wirksam. Es handelt sich um<br />

einen zulässigerweise bedingten Antrag; § 696 I 2 ZPO läßt eine solche<br />

Bedingung unausgesprochen zu, indem er ihre Möglichkeit impliziert.<br />

Mit dem eingegangenen Widerspruch ist dieser Streitantrag nunmehr<br />

„eingereicht“. Er ist auch nicht an zusätzliche Bedingungen<br />

geknüpft, etwa an das fortbestehende Interesse des Antragstellers am<br />

Verfahren oder gar an die Entrichtung der weiteren Gebühr. Diese<br />

Annahme läßt wiederum die Auslegung des Antrags als Prozeßhandlung<br />

angesichts der klaren und schlichten, vom Gesetz in § 696 I 2<br />

ZPO und vom Vordruck vorgegebenen Wortwahl nicht zu. Der Gesetzeswortlaut<br />

ist allerdings nur ein Auslegungskriterium, das zurückstehen<br />

kann, wenn der Wortlaut auch andere Deutungen zuläßt. Bei § 61<br />

GKG muß indes der Streitantrag als „Antrag“ im Sinne der Aufzählung<br />

(„Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift“) aufgefaßt<br />

werden. Zwar haben die weiteren ausdrücklich bezeichneten Prozeßhandlungen<br />

und auch die Anträge bei den durch „Antragstellung“<br />

eingeleiteten besonderen in § 61 GKG genannten Verfahren sämtlich<br />

eine gerichtliche Endentscheidung zum Ziel, wogegen der Streitantrag<br />

anscheinend nur den Übergang aus dem Mahnverfahren, das im Fall<br />

des Widerspruchs ohne eine solche Entscheidung abschließt, in das<br />

Prozeßverfahren bewirkt. Erst in diesem Verfahren wird über den materiellen,<br />

hier auch erstmals zu stellenden oder doch zu wiederholenden,<br />

Sachantrag entschieden. Diese Betrachtungsweise läßt aber außer<br />

acht, daß der Streitantrag notwendige Voraussetzung dafür ist, daß das<br />

Verfahren vor das zur Endentscheidung über die Sache zuständige<br />

Gericht gelangt. Daran allein knüpft § 61 GKG an.<br />

Neben dem Wortlaut spricht die systematische Stellung des<br />

§ 61 GKG in seinem Zusammenwirken mit dem Kostenverzeichnis<br />

und mit § 65 GKG dafür, beim bedingten Streitantrag die Entstehung<br />

des Gebührentatbestandes auf den Zeitpunkt der wirksamen<br />

Stellung des Streitantrags zu bestimmen. Nach § 65 I 2 GKG wird<br />

die Sache an das Streitgericht nämlich erst abgegeben, wenn die<br />

„erforderte Gebühr für das Verfahren im allgemeinen gezahlt ist“.<br />

Bei dem Tatbestand des § 65 I 2 GKG handelt es sich somit um die<br />

Regelung einer „Vorauszahlung“ auf eine bereits fällig gewordene<br />

Gebühr. Die amtliche Überschrift spricht zwar von „Vorauszahlung<br />

und Vorschuß“, ohne jedoch im weiteren Gesetzestext zu differenzieren.<br />

Aus der völlig gleichen Behandlung der Abgabe mit der<br />

Zustellung der Klageschrift in Satz 1 von § 65 I GKG ist demnach<br />

zu folgern, daß – wie im Fall einer gewöhnlichen Klagerhebung –<br />

von einer bereits entstandenen Gebühr die Rede ist.<br />

Auch im Gesetzgebungsverfahren, dessen Verlauf für die historische<br />

Auslegung von Bedeutung ist, wird in der Begründung des Entwurfs<br />

des KostRÄndG (BT-Drucks. 12/6962, S. 52) davon gesprochen,<br />

daß „die Verfahrensgebühr als Vorauszahlung zu erheben sei“,<br />

ohne daß zwischen einer Klageerhebung nach § 253 ZPO und Verfahren<br />

nach vorausgegangenem Mahnverfahren unterschieden werde.<br />

Es läßt sich gegen dieses Ergebnis auch nicht einwenden, der<br />

Streitantrag werde erst vor dem Streitgericht belangvoll. Der Streitantrag<br />

ist an das funktionell zuständige Gericht, nämlich das Mahngericht,<br />

gerichtet. Dieses, und nicht das Streitgericht, hat über ihn durch<br />

Abgabe zu befinden. Es bedarf auch keiner weiteren Prozeßhandlungen<br />

des Antragstellers mehr, um den Rechtsstreit beim Streitgericht anhängig<br />

werden zu lassen. Im übrigen wäre die Fälligkeit der Gebühren ohnehin<br />

nicht von der Zuständigkeit des Gerichts abhängig.<br />

Eine im Gegensatz zu Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte<br />

stehende Auslegung nach Sinn und Zweck der Kostennormen<br />

und nach deren dem allgemeinen Verfahrensrecht dienender<br />

Funktion, wie sie die Mindermeinung befürwortet, ist nicht<br />

möglich. §§ 61, 65 I 2 GKG verlegen den Zeitpunkt der kostenrechtlichen<br />

Anhängigkeit bewußt vor den Zeitpunkt der Anhängigkeit<br />

beim Streitgericht. Die Mindermeinung käme zudem in Erklärungsschwierigkeiten,<br />

wenn ein Antragsteller das Feld nicht<br />

angekreuzt hat, sondern erst nach Widerspruch den Antrag auf<br />

Durchführung des streitigen Verfahrens stellt. Konsequent müßte<br />

auch ein solcher Antrag kostenrechtlich bis zum Eingang der Akten<br />

beim Streitgericht ignoriert werden – trotz zwingender Kostenanforderung<br />

nach § 65 I 2 GKG – eine nirgends vertretene und<br />

auch nur schwer vertretbare Auffassung.<br />

IV. Indessen ist das so gefundene Ergebnis der Gesetzesanwendung<br />

nicht nur nicht beifallswert und – wegen der alleinigen Folge<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsprechung<br />

eines neuen Kostenanspruchs der Staatskasse – anstößig, sondern<br />

darüber hinaus verfassungswidrig, so daß gemäß Artikel 100 GG<br />

i. V. m. §§ 80 ff. BVerfGG zu verfahren ist. Denn es kommt auf die<br />

Gültigkeit des § 61 GKG an, nämlich darauf, ob auch der Fall des<br />

mit dem Mahnbescheidsantrag verbundenen bedingten Streitantrags<br />

in seinen Anwendungsbereich fällt.<br />

Indem § 61 GKG eine weitere Gerichtsgebühr allein durch den<br />

mit Eintritt der Bedingung wirksam werdenden Streitantrag entstehen<br />

läßt, verstößt die Vorschrift sowohl gegen das Rechtsstaatsprinzip<br />

(Artikel 20 III GG) als auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

und das daraus folgende Willkürverbot (Art. 3 I GG)<br />

(vgl. auch den Vorlagebeschluß des LG Tübingen, JurBüro 97, 650,<br />

zu der Frage, ob die Versagung der Gebührenermäßigung bei einem<br />

Versäumnisurteil durch die Änderungen des KostRÄndG 1994<br />

gegenüber der früheren Rechtslage verfassungswidrig ist).<br />

1. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Justizgewährungsanspruch<br />

umfaßt das Recht auf grundsätzlich freien Zugang zu den<br />

Gerichten (BVerfGE 85, 337, 345 f.). Bedingungen und Voraussetzungen<br />

dieses Zugangs können zwar gesetzlich aufgestellt, insbesondere<br />

dürfen Gerichtsgebühren erhoben werden. Die entsprechenden<br />

Vorschriften müssen aber den verfassungsrechtlichen<br />

Grundsätzen für Gebührenregelungen genügen, so dürfen auch Gerichtsgebühren<br />

nicht „völlig unabhängig von den (tatsächlichen)<br />

Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden;<br />

die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Gebührenhöhe muß<br />

sachgerecht sein.“ (BVerfG aaO S. 346). Als weiteres sachliches<br />

Kriterium nennt das BVerfG (aaO) den Wert der staatlichen<br />

Leistung und als gleichfalls zulässigen Zweck einer Gebühr die<br />

Möglichkeit der Verhaltenssteuerung (BVerfGE 50, 217, 226 f.).<br />

Schließlich darf eine Gebühr auch nicht außer Verhältnis zu den<br />

mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken stehen.<br />

Im Streitfall ist dieses durch die Verfassung bei jeder Gebührenerhebung<br />

zu beachtende Äquivalenzprinzip verletzt, denn es<br />

fehlt in jeglicher Richtung an der sachgerechten Verknüpfung der<br />

Gebühr mit den zulässigerweise verfolgten Zielen.<br />

a) Mit der Erhebung einer halben Gebühr für das Mahnverfahren<br />

im Gegensatz zur Erhebung einer dreifachen, mindestens aber<br />

einer vollen Gebühr für das streitige Verfahren trägt das Gesetz<br />

dem – zulässigerweise pauschal betrachtet – höheren gerichtlichen<br />

Aufwand für dieses Verfahren Rechnung. Dieser Aufwand entsteht<br />

aber erst dann, wenn und soweit die Mahnsache tatsächlich antragsgemäß<br />

an das Streitgericht abgegeben wird. Insbesondere entsteht<br />

unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein höherer Aufwand<br />

schon allein dadurch, daß ein Antragsteller das einschlägige Vordruckfeld<br />

angekreuzt hat. Selbst beim Mahngericht löst der<br />

bedingte Streitantrag nach Widerspruch des Antragsgegners keine<br />

zusätzlichen kostenträchtigen Maßnahmen aus. Zu der Widerspruchsnachricht<br />

und der gleichzeitig – nämlich mit der Mitteilung<br />

des Widerspruchs selbst – erhobenen Zahlungsaufforderung nach<br />

§ 65 I 2 GKG treten keine weiteren Tätigkeiten des Gerichts hinzu.<br />

Die Nachricht schuldet das Gericht dem Antragsteller bereits nach<br />

§ 695 ZPO; sie erfolgt unabhängig von einem etwa gestellten<br />

Streitantrag und ist durch die Mahnverfahrensgebühr abgegolten.<br />

Die Zahlungsaufforderung erfolgt allein im Kosteninteresse der<br />

Staatskasse. Wenn nun gleichwohl schon jetzt die volle Gebühr anzusetzen<br />

wäre, würde das Bereithalten des einschlägigen Feldes<br />

auf den gesetzlich vorgeschriebenen Formularen in der Tat lediglich<br />

eine „Kostenfalle“ für unbedachte Antragsteller darstellen<br />

(vgl. Salten, aaO). Zynisch ist deshalb in Justizkreisen von diesem<br />

Feld auch als vom „Servicefeld“ die Rede, weil dessen Ankreuzen<br />

keine weitere Konsequenz als die einer Belastung des Antragstellers<br />

mit Gerichtskosten haben kann. Seitens des Staates eine solche<br />

Kostenfolge ohne Unterschied in der tatsächlichen Behandlung des<br />

Antrags aufzustellen, steht jedoch mit dem verfassungsrechtlich<br />

zulässigen Zweck der Kostendeckung nicht im Einklang. Von Verfassungs<br />

wegen dürfen auch keine Vorteile aus einer etwaigen<br />

Gedankenlosigkeit oder einer etwaigen Fehlvorstellung des durchschnittlichen<br />

redlichen Antragstellers gezogen werden. Der materielle<br />

Rechtsstaat darf nämlich nicht zu Fehlvorstellungen verleiten,<br />

um daraus finanziellen Nutzen zu ziehen. Jeder Antragsteller muß<br />

sich ja der Vordrucke bedienen, die ihm das Ankreuzen des fraglichen<br />

Feldes zumindest nahelegen, und er kann aus deren gesamten<br />

Text nebst den Ausfüllhinweisen gar nicht erkennen, daß dieser<br />

Antrag zwar keine prozessualen, aber ausschließlich kostenrecht-


AnwBl 4/99 233<br />

Rechtsprechung l<br />

liche Folgen zeitigt. Selbst ohne den Vordruckzwang würde der<br />

Antragsteller lediglich zulässigerweise von der ihm in § 696 Abs.<br />

1 S. 2 ZPO eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, ausschließlich<br />

mit einer für ihn nicht erkennbaren Kostenfolge. Nach Beginn<br />

der Diskussion über den streitigen Kostenansatz hat sich zwar in<br />

der Anwaltschaft ein Problembewußtsein bezüglich der Wirkungen<br />

des „Servicefeldes“ entwickelt, so daß anwaltlich vertretene Antragsteller<br />

heute meistens von dem vorsorglich gestellten Streitantrag<br />

absehen. An dem rechtssuchenden Publikum ohne Verfahrensund<br />

Kostenrechtskenntnisse ist diese Diskussion jedoch vorbeigegangen.<br />

Antragsteller, die von der Einschaltung eines Rechtsanwalts<br />

im Mahnverfahren absehen, kreuzen daher auch heute noch<br />

in der Regel das Vordruckfeld an.<br />

b) Der durch den Widerspruch entstandenen zusätzlichen Gebühr<br />

steht auch keine zusätzliche staatliche Leistung gegenüber,<br />

die an den bedingten Streitantrag geknüpft wäre. Das Mahngericht<br />

gibt gem. § 65 Abs. 1, S. 2 GKG vor Eingang der Vorauszahlung<br />

die Sache nicht ab. Das Streitgericht, und nur um dessen Leistung<br />

willen ist die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen sechsmal<br />

oder doch mindestens doppelt so hoch wie die Mahngebühr, befaßt<br />

sich demgemäß mit dem Verfahren auch nicht. Das alles tritt erst<br />

dann ein, wenn der Vorschuß entrichtet ist. In diesem Fall kommt<br />

es aber überhaupt nicht darauf an, ob der Streitantrag gem. § 696<br />

Abs. 1 S. 2 ZPO bereits im Mahngesuch gestellt war oder ob der<br />

Antragsteller ihn gem. § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO erst nach Erhebung<br />

des Widerspruchs stellt. Eine zusätzliche schon von der Verfahrensgebühr<br />

erfaßte Leistung liegt auch nicht in der Anforderung<br />

der Kostenvorauszahlung. In der Gerichtspraxis – siehe den vorliegenden<br />

Fall – wird dieser Vorschuß allerdings ohnehin zugleich<br />

mit der Mitteilung des Widerspruchs erhoben, unabhängig davon,<br />

ob ein Streitantrag bereits gestellt war oder ob – auch das sieht der<br />

Mitteilungsvordruck vor – der Antragsteller jetzt erst darauf hingewiesen<br />

wird, daß er den Antrag auf Durchführung des streitigen<br />

Verfahrens stellen könne, die Abgabe an das Streitgericht aber von<br />

der Vorauszahlung abhängig sei. Die Vorschußanforderung stellt<br />

von vornherein keine von der Gebühr 1201 mitabgegoltene Leistung<br />

dar. Die Bearbeitung der Gerichtskostenvorauszahlung betrifft<br />

nämlich einen völlig anderen Prüfungs- und Entscheidungsgegenstand<br />

als die Bearbeitung des Verfahrens in der Hauptsache<br />

(vgl. hierzu BVerfGE 50, 217). Das folgt einfachgesetzlich schon<br />

aus § 5 Abs. 6 und § 6 S. 2 GKG, wonach die Verfahren über die<br />

Erinnerung und die Beschwerde gegen den Kostenansatz und gegen<br />

die Anordnung einer Vorauszahlung gerichtsgebührenfrei sind.<br />

Erst recht – und es findet sich folgerichtig auch keine nach § 1<br />

Abs. 1 GKG hierfür einschlägige Kostennorm – sind die Verfahren<br />

vor dem Kostenbeamten über den Kostenansatz und die Anordnung<br />

einer Vorauszahlung gerichtskostenfrei.<br />

c) Unter dem Gesichtspunkt einer zulässigen Verhaltenssteuerung<br />

der Antragsteller könnte die Gebühr gerechtfertigt sein, wenn<br />

es ihr darum ginge, Antragsteller von voreiligen Streitanträgen abzuhalten,<br />

um dadurch beispielsweise überflüssigen Verfahrensaufwand<br />

zu vermeiden. Dieses Ziel kann sie aber nicht erreichen, weil<br />

Steuerung Erkenntnismöglichkeit voraussetzt. Ein Antragsteller<br />

muß zwar damit rechnen, daß ein zusätzlicher fakultativer Antrag<br />

im Mahngesuch Kosten auslösen kann, er braucht aber nicht damit<br />

zu rechnen, daß es sich hierbei wegen § 65 Abs. 1 S. 2 GKG um<br />

die praktisch einzige Folge handelt. Ginge das Kalkül eines Antragstellers<br />

auf, mit diesem Antrag sein Verfahren zu fördern, würde<br />

das Verfahren nach Widerspruch ohne weiteres abgegeben.<br />

Wenn nun dieser Antragsteller inzwischen das Interesse an der<br />

Durchführung des Rechtsstreits verloren hätte, könnte sein Antrag<br />

als eine vermeidbaren Aufwand verursachende voreilige Handlung<br />

betrachtet werden. Ein solcher Antragsteller müßte sich dann möglicherweise<br />

entgegenhalten lassen, Kosten ausgelöst zu haben Allerdings<br />

dürfte selbst einer solchen Wertung entgegenstehen, daß<br />

das Gesetz selbst in § 696 Abs. 1 S. 2 ZPO diese „voreilige“ und<br />

daher gegebenenfalls überflüssige Antragstellung begünstigt. Das<br />

genannte Kalkül eines Antragstellers kann sich aber zwangsläufig<br />

aufgrund der Verknüpfung der Verfahrensabgabe mit einer weiteren<br />

Zahlung nicht verwirklichen. Tatsächlich wird das verhaltenssteuernde<br />

Ziel nämlich nur durch die Anforderung der Vorauszahlung<br />

und die Abhängigkeit der Abgabe von der Vorauszahlung erreicht.<br />

d) Nachdem die anfallende weitere Gebühr tatsächlich weder zusätzliche<br />

Kosten des Gerichts abdecken muß, noch ihr eine zusätzliche<br />

Leistung gegenübersteht, noch das Verhalten der Rechtsuchenden durch<br />

sie steuerbar ist, kann sie von vornherein auch nicht in einem engeren<br />

Sinne verhältnismäßig sein. Eine solche Gebühr steht schon dem Grunde<br />

nach außer Verhältnis zu den mit ihr verfolgten Zwecken.<br />

2. Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß der Gesetzgeber<br />

bei der Gestaltung von Gebührentatbeständen einen weiten<br />

Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum hat, also zulässigerweise<br />

pauschalieren, insbesondere anhand bestimmter Fallgruppen typisieren<br />

darf, um Kostenregelungen praktikabel zu halten. Dieser gerade<br />

für das Gerichtskostenrecht einleuchtende Ansatz findet etwa<br />

seinen Ausdruck in der zulässigen Abhängigkeit der Gebührenhöhe<br />

vom Streitwert als Indikator des Wertes der staatlichen Leistung,<br />

aber auch in dem Ermäßigungstatbestand der Nr. 1202 a) des<br />

Kostenverzeichnisses. Danach kommt es im Einzelfall nicht darauf<br />

an, ob der Klagrücknahme vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung<br />

bereits eine aufwendig Beweisaufnahme vorausgegangen<br />

ist oder sich der Richter vielleicht noch gar nicht mit der Sache<br />

befaßt hatte. Weil dazwischen unendlich viele Möglichkeiten des<br />

Verfahrensgangs liegen, ließe sich vollkommene Gebührengerechtigkeit<br />

nur durch aufwendige Betrachtung eines jeden Einzelfalls<br />

herstellen. Der damit verbundene Aufwand würde zur Aufgabe jeder<br />

praktikablen Regelung führen.<br />

Das Gesetz zeigt aber gerade an diesem Ermäßigungstatbestand,<br />

daß dort, wo eine sachliche Differenzierung der Gebührenhöhe<br />

nach den tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm leicht<br />

möglich ist, sie auch durchgeführt werden muß. So könnte die<br />

Nr. 1202 ohne weiteres um eine weitere Fallgruppe und damit<br />

durch einen Buchstaben d) mit dem Inhalt ergänzt werden, daß die<br />

Rücknahme der Klage, des Antrags auf Durchführung des streitigen<br />

Verfahrens, des Widerspruchs oder des Einspruchs vor Abgabe<br />

an das Streitgericht zum Wegfall der Gebühr 1201 führt.<br />

3. Außerdem würde der Gebührenansatz Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.<br />

Art. 3 Abs. 1 GG enthält das sogenannte Willkürverbot,<br />

d. h. das Verbot unsachlicher Differenzierung. Der Ansatz der weiteren<br />

halben Gebühr behandelt jedoch bei im wesentlichen gleichem<br />

Sachverhalt zwei Antragsteller ungleich, weil er die Gebühren<br />

nur danach höher ausfallen läßt, weil der eine Antragsteller ein<br />

bestimmtes Vordruckfeld ankreuzt, ohne daß dieses Kreuz sein<br />

Verfähren praktisch fördern kann. Sowohl der Verfahrensablauf als<br />

auch der Arbeitsaufwand des Gerichts bleiben – wie dargelegt –<br />

gänzlich unbeeinflußt davon, ob ein solcher bedingter Streitantrag<br />

gestellt wird oder nicht. Nur bei den persönlich kostenbefreiten<br />

Antragstellern wirkt sich das Kreuz aus – bei diesen fällt aber ohnehin<br />

keine weitere Gebühr an. Als „wesentlich“ bei der Beurteilung<br />

der beiden unterschiedlichen Sachverhalte – Ankreuzen oder<br />

Freilassen des Feldes – können dabei wiederum nur die davon beeinflußten<br />

Folgen für das Verfahren herangezogen werden, die sich<br />

gerade nicht unterscheiden. Umgekehrt ist bei im wesentlichen<br />

ungleichem Sachverhalt der Antragsteller, der das Verfahren nach<br />

Widerspruch nicht mehr betreibt, dieselben Kosten zu tragen wie<br />

der Antragsteller, der durch Entrichtung der erforderten Gebühren<br />

für das Verfahren im allgemeinen die Abgabe der Sache an das<br />

Streitgericht veranlaßt, dadurch sein Verfahren fördert und zusätzlichen<br />

Aufwand beim Prozeßgericht auslöst, bevor jetzt erst ein zur<br />

Gebührenermäßigung nach Nr. 1202 KV-GKG führender Tatbestand<br />

eintritt. Diese unterschiedlichen Abläufe können nicht die Erhebung<br />

derselben Kosten rechtfertigen.<br />

Dagegen läßt sich als zulässiges Differenzierungsmotiv auch<br />

nicht anführen, daß der erste Antragsteller sich bereits für die<br />

Durchführung des typischerweise mit höherem Aufwand verbundenen<br />

streitigen Verfahrens entschieden habe, denn diese Entscheidung<br />

geht wegen der gleichfalls typischen Gestaltung des Verfahrensgangs<br />

zwangsläufig ins Leere.<br />

Der Verfassungsverstoß geht letztlich auf den durch § 65 Abs.<br />

1 S. 2 GKG verursachten Leerlauf von § 696 I 2 ZPO bzw. auf die<br />

in sich widersprüchliche Verknüpfung von Verfahrens- und Kostenrecht<br />

zurück. Diese Verknüpfung ist perplex, weil der bedingte<br />

Streitantrag für sich allein den Übergang ins Prozeßverfahren nicht<br />

ermöglicht. Das ließe sich hinnehmen, wenn er schlicht folgenlos<br />

bliebe, nicht aber, wenn – wie nach der dargestellten einfachgesetzlichen<br />

Rechtslage – seine einzige Wirkung in einer Bereicherung<br />

der Gerichtskostengläubigerin besteht.


234<br />

l<br />

Diesen Widerspruch hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung<br />

des § 61 GKG und der Gebührentatbestände der Nummern 1201<br />

und 1202 – anders als etwa bei der unterbliebenen Aufnahme des<br />

Versäumnisurteils in die Ermäßigungstatbestände – ersichtlich<br />

nicht als solchen erkannt. Beträfe er nur wenige Einzelfälle, könnte<br />

eine typisierende und pauschalierende Betrachtung über ihn<br />

hinweggehen. Nachdem er aber in der Praxis sogar massenhaft aufgetreten<br />

ist und weiterhin auftreten kann und der Gesetzgeber –<br />

entgegen der Erwartung von Meyer (aaO) – bisher untätig geblieben<br />

ist, kommt nur eine Heilung durch die in Artikel 100 GG vorgesehene<br />

konkrete Normenkontrolle in Betracht.<br />

5. Der Verstoß gegen das Gebot der sachgerechten Gebührenfestsetzung<br />

wird auch nicht dadurch erträglich, daß ein Antragsteller<br />

die zusätzlichen Kosten vermeiden kann, indem er um das „Servicefeld“<br />

einen Bogen macht. Der Erträglichkeit steht entgegen,<br />

daß der Gesetzgeber mit § 696 Abs. 1 S. 2 ZPO einem Mahnantragsteller<br />

scheinbar eine nützliche Antragsbefugnis einräumt,<br />

ihm deren Wirkungen aber durch § 65 Abs. 1 S. 2 GKG nicht nur<br />

wieder nimmt, sondern daran durch § 61 GKG i. V. m. Nrn. 1202,<br />

1202 KV ausschließlich Kostennachteile knüpft. Verschärft wird<br />

diese Situation durch den Vordruckzwang des § 703 c Abs. 2 ZPO<br />

und durch die Vorschriften über die Gestaltung und den Text der<br />

Vordrucke durch die einschlägigen Vordruckverordnungen. Deren<br />

Gestaltung bietet dem arglosen Antragsteller nämlich das Ankreuzen<br />

des „Servicefeldes“ geradezu an, und in den amtlichen „Ausfüllhinweisen“<br />

lassen sich Hinweise weder darauf finden welche<br />

Kostenfolgen der bedingte Streitantrag bereits mit Eingang des<br />

Widerspruchs hat, noch darauf, daß der Antrag ohne Kostenvorauszahlung<br />

folgenlos bleibt. Dadurch würde allerdings die Perplexität<br />

der Regelung, insbesondere die – vom Gesetzgeber sicher ungewollt<br />

– gestellte „Kostenfalle“ auch offenkundig.<br />

V. Verfassungswidrig ist nach alledem das Fehlen einer Ausnahme<br />

oder Einschränkung zu § 61 GKG oder eines weiteren Ermäßigungs-<br />

bzw. Wegfalltatbestandes in Nr. 1202 mit dem oben (IV.2.)<br />

erwogenen Inhalt. Bei einer solchen Einschränkung wären auch im<br />

Streitfall die mit der Erinnerung angefochtenen weiteren Kosten<br />

nur dann entstanden, wenn die Sache tatsächlich abgegeben worden<br />

wäre. Die Erinnerung wäre dann begründet. Somit kommt es<br />

auf die dem BVerfG vorgelegte Frage an.<br />

VI. Die Vorlage läßt sich auch nicht durch eine verfassungskonforme<br />

Auslegung der genannten Kostenvorschriften umgehen. Das<br />

Gericht hat sich entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichts<br />

in BVerfGE 88, 187, 194 f. mit dieser Möglichkeit bereits in<br />

dem Verfahren 77 B g 24485/96 auseinandergesetzt, zumal eine andere<br />

Auslegung des § 61 GKG – wie oben unter III. anhand des<br />

Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur dargestellt – keineswegs<br />

von vornherein als unvertretbar ausscheidet. Das Gericht<br />

hat diese Möglichkeit in jenem Verfahren noch bejaht, sieht jedoch<br />

aufgrund seiner jetzigen Überzeugung, wie es sie aufgrund der unter<br />

III.4. dargelegten Argumente gewonnen hat, keinen Ansatz<br />

mehr für eine solche Handhabung der Streitfrage.<br />

Mitgeteilt durch den Hamburgischen Anwaltverein<br />

ZPO §§ 91, 485 ff.; BRAGO §§ 37 Nr. 3, 48<br />

Kosten des selbständigen Beweisverfahrens können nicht aufgrund<br />

einer Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen<br />

Verfügung erstattet werden.<br />

OLG München, Beschl. v. 9.7.1998 – 11 W 1411/98<br />

Aus den Gründen: Die Vorinstanz hat zu Recht die Festsetzung<br />

der Beweisverfahrenskosten aufgrund der vorliegenden Kostenentscheidung<br />

des Verfügungsverfahrens abgelehnt.<br />

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Kosten<br />

des Beweisverfahrens aufgrund der Kostenentscheidung in der<br />

Hauptsache zu erstatten, wenn und soweit der Gegenstand und die<br />

Parteien der beiden Verfahren identisch sind (vgl. Senat, JurBüro<br />

1993, 543 = MDR 1993, 1131 = Rpfleger 1993, 462; JurBüro<br />

1996, 36 = MDR 1995, 1073 = OLG Report München 1996, 60).<br />

Während dieser Grundsatz weitgehend unbestritten ist, ist die<br />

Frage, was als Hauptsacheentscheidung anzusehen ist, nicht unstreitig.<br />

Überwiegend wird die Auffassung vertreten, daß ein den<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsprechung<br />

Arrest oder die einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil keine<br />

Hauptsacheentscheidung darstellt, auf deren Grundlage die Kosten<br />

des Beweisverfahrens festgesetzt werden könnten (vgl. KG, AnwBl<br />

1984, 212 = JurBüro 1984, 1243; SchlHOLG, JurBüro 1987, 1223;<br />

Hansens, BRAGO, 8. Aufl., Rdnr. 19 zu § 48). Demgegenüber<br />

wird vom OLG Koblenz (JurBüro 1995, 481) die Auffassung vertreten,<br />

daß die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auch<br />

auf der Grundlage einer Kostenentscheidung im Verfügungsverfahren<br />

erstattungsfähig sein können. Zur Begründung dieser Auffassung<br />

wird auf die Überlegungen von Eickens (Gerold/Schmidt-von<br />

Eicken, BRAGO, 13. Aufl., Rdnr. 9b zu § 37) in Zusammenhang<br />

mit § 37 Nr. 3 BRAGO abgestellt, welches Verfahren dem Rechtszug<br />

zugeordnet werden könnte, wenn wegen des Beweisverfahrens<br />

sowohl ein Verfügungsverfahren als auch ein Klageverfahren stattfindet;<br />

hier bleibt nach von Eicken „nichts anderes übrig“, als das<br />

Beweisverfahren demjenigen Verfahren zuzuordnen, in dem das<br />

Ergebnis der selbständigen Beweisaufnahme zuerst eingeführt worden<br />

ist. Im übrigen stellt das OLG Koblenz entscheidend auf § 493<br />

Abs. 1 ZPO ab, wonach das Beweisverfahren in derselben Weise<br />

in das Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung Eingang<br />

finden könne wie in das Klageverfahren. Überzeugend sind beide<br />

Argumente nicht. Entscheidend für die Kostenerstattung ist, daß<br />

nur im Klageverfahren eine abschließende sachliche Entscheidung<br />

über den Gegenstand des Beweisverfahrens ergeht. Diese Bedeutung<br />

kann die Entscheidung im vorläufigen Verfahren auch dann<br />

nicht haben, wenn dort das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens<br />

verwertet wird. In dieser entscheidenden Frage besteht<br />

übrigens zwischen der früheren und der neueren Rechtslage kein<br />

Unterschied, so daß (entgegen der Auffassung des OLG Koblenz)<br />

durchaus auf die früheren Entscheidungen des KG und des Schleswig<br />

Holsteinischen OLG zurückgegriffen werden kann.<br />

Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, daß das Verfügungsverfahren<br />

deshalb eingeleitet wurde, um die Durchführung<br />

des Beweisverfahrens zu ermöglichen. In diesem Fall scheitert die<br />

Erstattungsfähigkeit der Kosten des Beweisverfahrens auch daran,<br />

daß der Gegenstand beider Verfahren nicht identisch ist. Es geht<br />

nämlich im Verfügungsverfahren nicht etwa um die etwaigen Ansprüche<br />

der Verfügungskl, die aus der Beweissicherung hergeleitet<br />

werden könnten, sondern um den Anspruch der Verfügungskl auf<br />

die (ungestörte) Durchführung der Beweissicherung.<br />

Abschließend ist zum Beschwerdevorbringen auszuführen, daß<br />

das Rechtfertigungsverfahren nach §§ 942 Abs. 1, 943 ZPO ebenso<br />

wie das Widerspruchsverfahren nach §§ 924, 925 ZPO i. V. m.<br />

§ 936 ZPO) zum Verfahren der einstweiligen Verfügung zu rechnen<br />

ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., Rdnr. 9 zu § 942). Hier<br />

wird nur über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung,<br />

nicht aber über die Hauptsache entschieden.<br />

Mitgeteilt von dem 11. Zivilsenat des OLG München<br />

ZPO § 91, §§ 485 ff.<br />

Wird in einem gerichtlichen Vergleich Kostenaufhebung vereinbart,<br />

werden im Zweifelsfall auch die Gerichtskosten eines dem<br />

Rechtsstreit vorangegangenen, selbständigen Beweisverfahrens<br />

zwischen den Parteien aufgeteilt.<br />

OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.2.1998 – 6 W 450/98<br />

Aus den Gründen: Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde<br />

Erinnerung der Bekl gegen den Kostenfestsetzungsbeschl. v.<br />

8.7.1997 ist zulässig und begründet. Nach Auffassung des Senats<br />

sind beim Ausgleich der Kosten erster Instanz 643,20 DM (Hälfte<br />

der Gerichtskosten des selbständigen Beweisverfahrens) zugunsten<br />

der Bekl zu berücksichtigen.<br />

Dabei kommt es nicht auf die umstrittene Frage an, ob die Gerichtskosten<br />

eines selbständigen Beweisverfahrens im Hauptprozeß<br />

als Gerichtskosten oder als außergerichtliche Kosten anzusehen sind.<br />

Ausschlaggebend ist vielmehr, wie die im Hauptprozeß vergleichsweise<br />

vereinbarte Kostenaufhebung zu verstehen ist, wobei die Auslegungsregel<br />

gilt, daß im Zweifelsfall der Parteiwille dahin geht, daß<br />

die Gerichtskosten sowohl im Hauptprozeß als auch im selbständigen<br />

Beweisverfahren geteilt werden (vgl. Wieczorek/Schütze/Steiner,<br />

§ 91 ZPO, Rdnr. 39, und MünchKomm. ZPO-Belz, § 98 Rdnr. 33).


AnwBl 4/99 235<br />

Rechtsprechung l<br />

Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien die Kostenregelung im Vergleich<br />

in einem anderen Sinn verstanden haben, sind nicht vorhanden.<br />

Der Kl trägt nicht vor, daß er beim Vergleichsabschluß erklärte, er<br />

wolle lediglich die Gerichtskosten erster Instanz, nicht aber Gerichtskosten<br />

des selbständigen Beweisverfahrens hälftig tragen. Für eine<br />

solche Annahme bestand umso weniger Anlaß, als auf Seite 8-9 des<br />

Schriftsatzes der Klägervertreter vom 14. 1.1997 zum Ausdruck gebracht<br />

worden war, daß die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens<br />

als (wenn auch aus anderen Gründen nicht zu erstattende) Gerichtskosten<br />

des Hauptprozesses angesehen wurden...<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. Dietmar Seidel, Nürnberg<br />

ZPO § 494 a<br />

Allein die fehlende Klageerhebung innerhalb einer nach § 494a<br />

Abs. 1 ZPO gesetzten Frist genügt nicht, um dem Antragsteller<br />

eines selbständigen Beweisverfahrens ohne Berücksichtigung<br />

der weiteren Umstände die dem Antragsgegner entstandenen<br />

Kosten aufzuerlegen. (LS der Reaktion)<br />

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 13.2.1998 – 10 W 31/97<br />

Aus den Gründen: Die gem. § 494a Abs. 2 ZPO zulässige sofortige<br />

Beschwerde hat auch in sachlicher Hinsicht Erfolg.<br />

Der Senat teilt nicht die Auffassung des LG, daß allein die<br />

fehlende Klageerhebung innerhalb einer nach § 494 a Abs. 1 ZPO<br />

gesetzten Frist genügt, um dem Antragsteller eines selbständigen<br />

Beweissicherungsverfahrens ohne Berücksichtigung der weiteren<br />

Umstände die dem Antragsgegner entstandenen Kosten aufzuerlegen<br />

(§ 494 a Abs. 2 ZPO).<br />

Ist wie in dem vorliegenden Verfahren vielmehr davon auszugehen,<br />

daß der Antragsgegner die von dem Sachverständigen in<br />

dessen Beweissicherungsgutachten erstmals gefundenen Mängel<br />

anerkennt und sie beseitigt oder – wie hier – zu deren Beseitigung<br />

bereitfindet, dann hat der Antragsteller nicht nur kein Interesse,<br />

eine Klage zu erheben, sondern er muß, wenn er denn Klage erhebt,<br />

damit rechnen, daß diese Klage gerade wegen der uneingeschränkten<br />

Bereitschaft seines Gegners zur Mängelbeseitigung von<br />

vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat geht deshalb<br />

zusammen mit dem OLG Düsseldorf (Beschl. v. 28.10.1993 – 10<br />

W 135/93 OLGZ 1994, 464; dieser Entscheidung folgend OLG<br />

Frankfurt OLG-Rp Frankfurt 1995, 155; vgl. auch Baumbach-Hartmann,<br />

ZPO, 56/1998, § 494 a Rdnr. 9 a. E.; Zöller, ZPO, 20. Aufl.<br />

§ 494 a Rdnr. 5; a. A. OLG Düsseldorf Beschl. v. 9.9.1994 – 21 W<br />

36/94) davon aus, daß die Vorschrift des § 494 a ZPO deshalb begrifflich<br />

und unter Berücksichtigung der Interessenlage beider Parteien<br />

nur dann eingreifen kann, wenn die Hauptsacheforderung<br />

zwischen den Beteiligten noch streitig ist und der Beweisgegner<br />

sich ungerechtfertigterweise in Anspruch genommen glaubt. Auch<br />

die Argumentation des Antragsgegners, der darauf verweist, daß<br />

im Falle einer Klage er durch ein sofortiges Anerkenntnis i. S. d.<br />

§ 93 ZPO die von ihm hier begehrte Kostenfolge herbeiführen<br />

könne, zeigt, daß in Fällen der vorliegenden Art schon für einen<br />

Zwang zur Klageerhebung kein Raum sein kann.<br />

Nach alledem war auf die Beschwerde der angefochtene Beschluß<br />

abzuändern und der Antrag, der Antragstellerin die dem<br />

Antragsgegner entstandenen Kosten aufzuerlegen, zurückzuweisen.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ansgar Imgram, Bad Homburg<br />

ZPO § 91 Abs. 2, §§ 688 ff.<br />

1. Die Kosten einer Partei für einen im Mahnverfahren tätigen<br />

Rechtsanwalt sind grundsätzlich erstattungsfähig (entgegen OLG<br />

Nürnberg, Beschl.v. 30.7.1998 – 8 W 2309/97 in NJW1998, 388).<br />

2. Erstattungsfähig sind auch die höheren Kosten, die durch die<br />

Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts am Ort des Prozeßgerichts<br />

nach Widerspruchseinlegung entstanden sind, wenn ein<br />

vernünftig abwägender Antragsteller nicht damit rechnen<br />

mußte, daß der Antragsgegner gegen einen Mahnbescheid Widerspruch<br />

einlegen werde. (LS der Redaktion)<br />

OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.5.1998 – 5 W 1070/98<br />

Aus den Gründen: I. Die Kosten einer Partei für einen im Mahnverfahren<br />

tätigen Rechtsanwalt sind grundsätzlich erstattungsfähig<br />

(a.A. OLG Nürnberg, 8 W 2309/97 – MDR 1997, 1068).<br />

Dies ergibt sich bereits aus § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO. Auch wenn<br />

im Mahnverfahren kein eigener „Prozeß“ zu erblicken sein sollte,<br />

kann es doch nach Widerspruch in ein Prozeßverfahren übergehen<br />

oder ebenfalls zu einem rechtskräftigen Titel führen (vgl. Gerold-<br />

Schmidt-v. Eicken, BRAGO, 13. Aufl., Rdnr. 21 zu § 43 BRAGO).<br />

Es ist unbestrittenes Recht jedes Bürgers, sich bei einer Klage oder<br />

der Rechtsverteidigung hiergegen der Hilfe eines Rechtsanwalts zu<br />

bedienen, ohne die fehlende Erstattungsfähigkeit im Falle des Obsiegens<br />

befürchten zu müssen. Dieses Recht gilt unabhängig davon,<br />

ob er dieser Hilfe auch tatsächlich bedurfte oder seine Rechte<br />

auch selbst hätte wahrnehmen können. Für das dem eigentlichen<br />

Prozeßverfahren vorgeschaltete Mahnverfahren kann nichts anderes<br />

gelten. Auch hier muß eine Partei als berechtigt angesehen werden,<br />

zur Durchsetzung ihrer Rechte einen Rechtsanwalt zu beauftragen<br />

und diese Kosten später dem unterlegenen Gegner<br />

auferlegen zu können. Würde man die Berechtigung vom individuellen<br />

„Schwierigkeitsgrad“ einer Streitsache abhängig machen,<br />

würde dies zu einer unberechenbaren Kostenkasuistik führen.<br />

Auch sind für einen juristischen Laien die rechtlichen Probleme im<br />

Mahnverfahren, die auch dort auftreten können (vgl. hierzu Schneider,<br />

NJW 1998, 356), kaum ersichtlich. Darüber hinaus würde der<br />

Gläubiger eines Anspruchs in das kostenrechtlich „sichere“ Klageverfahren<br />

gedrängt und damit der gesetzgeberisch erwünschte Effekt<br />

eines kosten- und zeitsparenden Mahnverfahrens unterlaufen.<br />

Der Senat teilt demnach die Gründe nicht, die das LG zur Verneinung<br />

der Erstattungsfähigkeit der Mahnanwaltskosten geführt hat.<br />

II. Der Festsetzung der Mahnanwaltskosten steht im vorliegenden<br />

Fall auch nicht entgegen, daß nach Widerspruchseinlegung<br />

durch die Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts am Ort des<br />

Prozeßgerichts höhere Kosten entstanden sind.<br />

Maßgeblich hierfür ist, ob diese Beauftragung notwendig war<br />

(§ 91 Abs. 2 S. 3 ZPO). Das ist vorliegend der Fall, da der Mahnanwalt<br />

bei dem Prozeßgericht nicht zugelassen war. Allerdings ist<br />

es einer Partei unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung –<br />

vom Fall einer notwendigen Einschaltung eines Verkehrsanwalts<br />

abgesehen – durchaus zumutbar, auch einen auswärtigen, für ein<br />

mögliches Prozeßverfahren zugelassenen Rechtsanwalt bereits mit<br />

der Durchführung des Mahnverfahrens zu beauftragen (vgl. Riedel-Sußbauer-Keller,<br />

BRAGO, 7. Aufl., Rdnr. 15 ff. zu § 43 BRA-<br />

GO). Dies gilt aber grundsätzlich nur dann, wenn ein vernünftig<br />

abwägender Antragsteller damit rechnen muß, daß der Antragsgegner<br />

gegen einen Mahnbescheid Widerspruch einlegen werde (Gerold-Schmidt,<br />

aaO; Riedel-Sußbauer, aaO; Göttlich-Mümmler,<br />

BRAGO, 19. Aufl., Rdnr. 5.12 zu „Mahnverfahren“; Zöller-Herget,<br />

ZPO, 20. Aufl., Rdnr. 13 zu § 91 ZPO „Mahnverfahren“ m. w. N.).<br />

Das war aber bei der Kl nicht der Fall. Angesichts der Tatsache,<br />

daß der Bekl bis zur Zustellung des Mahnbescheides auf Kündigung<br />

und Mahnschreiben nicht reagiert hatte, konnte und durfte sie<br />

davon ausgehen, der Bekl habe gegen den geltend gemachten Anspruch<br />

keine sachlichen Einwände. Die Berechtigung dieser Vermutung<br />

findet auch ihre nachträgliche Bestätigung darin, daß der<br />

Bekl trotz Anwaltsbestellung im Prozeßverfahren eine Klageerwiderung<br />

nicht vorlegen, sondern – rechtskräftiges – Versäumnisurteil<br />

gegen sich ergehen ließ (vgl. OLG Bamberg, JurBüro, 1987 761).<br />

Mit einem Widerspruch aus bloßen Verzögerungsgründen mußte<br />

die Kl nicht rechnen (Zöller, aaO).<br />

III. Die Kl war demnach auch unter dem Gesichtspunkt der<br />

Kostenerstattung berechtigt, im Mahnverfahren einen im Bezirk ihres<br />

zuständigen Mahngerichts ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen.<br />

Seine Gebühren sind als Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung<br />

vom Bekl zu erstatten.<br />

Ob für ein Kreditinstitut etwas anderes gilt, das am Ort des<br />

möglichen Prozeßgerichts eine Zweigstelle unterhält und dem dort<br />

bereits Anwälte seines Vertrauens zur Verfügung stehen, kann offenbleiben,<br />

da dies bei er Kl hier nicht der Fall ist.<br />

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Andreas Roth, München


236<br />

l<br />

Prozeßrecht<br />

ZPO § 42 Abs. 2<br />

1. Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige,<br />

herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen des<br />

Richters in der mündlichen Verhandlung können die Besorgnis<br />

der Befangenheit begründen. Bei der Abgrenzung ist der Gesamtzusammenhang<br />

der konkreten Verhandlungssituation zu betrachten<br />

und insbesondere darauf abzustellen, ob die Äußerungen<br />

noch sachbezogen und aufgrund des Verhaltens der<br />

Beteiligten verständlich sind und ob mögliche Mißverständnisse<br />

vom Richter sogleich ausgeräumt werden.<br />

2. Die Würdigung des prozessualen Vorgehens einer Partei als<br />

„tricky“ rechtfertigt nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1998 – 11 W 13/98<br />

Aus den Gründen: Die zulässige sofortige Beschwerde des Verfügungskl<br />

hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat das Ablehnungsgesuch<br />

gegen den Richter am LG F. zu Recht zurückgewiesen.<br />

Die Würdigung des prozessualen Verhaltens des Verfügungskl<br />

und seines Verfahrensbevollmächtigten als „tricky“ war aus der<br />

Sicht einer verständig urteilenden Partei nicht geeignet, Mißtrauen<br />

gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen<br />

(§ 42 Abs. 2 ZPO). Zwar können grobe Fehlgriffe in der Wortwahl,<br />

Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende oder gar<br />

beleidigende Äußerungen des Richters in der mündlichen Verhandlung<br />

die Besorgnis seiner Befangenheit begründen (vgl. Feiber in<br />

Münchener Kommentar, § 42 ZPO Rdnr. 24; Zöller/Vollkommer,<br />

20. Aufl., § 42 ZPO Rdnr. 22 m. w. N.). Nicht jede umgangssprachliche,<br />

bildhafte Wendung ist jedoch als Herabsetzung zu werten<br />

(Feiber aaO). Vielmehr müssen Anmerkungen des Richters – wie<br />

auch die der weiteren Verfahrensbeteiligten – stets im Gesamtzusammenhang<br />

der konkreten Verhandlungssituation betrachtet werden.<br />

In einem offenen, in freier Rede und Gegenrede geführten<br />

Meinungsaustausch nach dem Leitbild der Zivilprozeßordnung<br />

(§§ 136 ff. ZPO) kann es durchaus zu Formulierungen kommen,<br />

die von einzelnen Beteiligten mißdeutet werden können. In einer<br />

solchen Situation kommt es darauf an, ob die Äußerungen noch<br />

sachbezogen und aufgrund des Verhaltens der Beteiligten verständlich<br />

oder ob sie Ausdruck bloßen Unmuts sind und ob mögliche<br />

Mißverständnisse sogleich ausgeräumt werden. Wenngleich der<br />

Richter in seiner Wortwahl Zurückhaltung üben sollte, dürfen dabei<br />

keine kleinlichen Maßstäbe angelegt werden (vgl. Stein/Jonas/<br />

Bork, 21. Aufl., § 42 ZPO Rdnr. 11), um das Rechtsgespräch nicht<br />

mit unkalkulierbaren Risiken zu belasten, die sich letztlich zum<br />

Nachteil der Parteien auswirken müßten.<br />

Nach diesen Grundsätzen ist die Charakterisierung des Verhaltens<br />

des Verfügungskl als „tricky“ noch hinzunehmen. Dem Verfügungskl<br />

ist zuzugeben, daß dieser Begriff nach verbreitetem Verständnis<br />

einen kritischen Unterton enthält. In Wörterbüchern<br />

finden sich zum Teil Übersetzungen wie „gerissen“ oder „durchtrieben“.<br />

Allerdings ist der Wortsinn nicht eindeutig und ausschließlich<br />

negativ besetzt. So hat der Begriff „tricky“ nach Kenntnis<br />

des Senats Eingang in die jugendliche Umgangssprache<br />

gefunden und bezeichnet dort ein zwar nicht ganz geradliniges, jedoch<br />

nicht notwendigerweise unseriöses, von einer gewissen<br />

Schläue gekennzeichnetes einfallsreiches Vorgehen. In diesem<br />

Sinne wollte der abgelehnte Richter seine Formulierung offenbar<br />

verstanden wissen, wie sich aus seiner Umschreibung mit dem<br />

Wort „trickreich“ in der mündlichen Verhandlung und insbesondere<br />

aus seinen etymologischen Ausführungen in der dienstlichen Äußerung<br />

ergibt. Soweit darin noch immer – möglicherweise durch entsprechende<br />

Mimik unterstützte – Kritik am prozessualen Vorgehen<br />

des Verfügungskl anklang, knüpfte sie ausweislich der weiteren Erläuterungen<br />

daran an, daß dieser es verstanden hatte, den Verfügungsbekl<br />

zu einer dem Verfügungsbegehren nahekommenden einseitigen<br />

Erklärung zu bewegen und das Verfahren sodann durch<br />

eine Erledigungserklärung in der Sache zu beenden, ohne dem Verfügungsbekl<br />

im Rahmen eines mehrstündig erörterten, von diesem<br />

bis zuletzt erwarteten Vergleichs nennenswert entgegenkommen zu<br />

müssen. Die beanstandete Formulierung war damit nicht auf eine<br />

persönliche Herabwürdigung des Verfügungskl oder seines Verfahrensbevollmächtigten<br />

gerichtet, sondern beinhaltete eine sachbezo-<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsprechung<br />

gene und nachvollziehbare Würdigung, die Teil der richterlichen<br />

Amtsausübung ist. Ob sie auch sachlich berechtigt war, kann im<br />

Ablehnungsverfahren dahinstehen, weil unzutreffende oder angreifbare<br />

Wertungen für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit<br />

begründen. Es mag zutreffen, daß der abgelehnte Richter<br />

diese Würdigung besser in andere Worte gekleidet hätte. Jedenfalls<br />

nach seiner sofortigen Klarstellung bestand für eine verständig abwägende<br />

Partei jedoch kein Anlaß mehr, über die Grenzen hinzunehmender<br />

Kritik hinaus Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu hegen.<br />

Die Ausführungen in der dienstlichen Äußerung zum weiteren<br />

Ablauf der mündlichen Verhandlung rechtfertigen ebenfalls nicht<br />

die Besorgnis, der abgelehnte Richter stehe dem Anliegen des Verfügungskl<br />

nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenüber.<br />

Die voneinander abweichenden tatsächlichen Darstellungen<br />

können auf einer unterschiedlichen subjektiven Wahrnehmung und<br />

Ausdeutung des anscheinend lebhaften und leidenschaftlichen Verhandlungsablaufs<br />

beruhen. Jedenfalls hat der Verfügungskl aber<br />

nicht glaubhaft gemacht, daß allein seine Schilderung den objektiven<br />

Tatsachen entspricht und die abweichende Darstellung des abgelehnten<br />

Richters auf einer unsachlichen Einstellung ihm gegenüber<br />

gründet.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG W. Müller, Düsseldorf<br />

ZPO § 78 Abs. 1; BRAO § 53 Abs. 3<br />

Ein rechtswirksames Handeln eines nicht postulationsfähigen<br />

Rechtsanwalts als amtlich bestellter Vertreter für einen postulationsfähigen<br />

Rechtsanwalt setzt voraus, daß dieses hinreichend<br />

deutlich (hier: in der Rechtsmittelschrift) erkennbar wird.<br />

BGH, Beschl. v. 22.10.1998 – VII ZB 15/98<br />

Aus den Gründen: II. Die gem. § 568 a i. V. m. § 700 Abs. 1<br />

ZPO zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet.<br />

Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß<br />

die Beschwerde gegen einen den Einspruch gegen einen Vollstrekkungsbescheid<br />

verwerfenden Beschluß des LG wirksam nur von einem<br />

bei diesem Gericht oder dem Beschwerdegericht zugelassenen<br />

Rechtsanwalt eingelegt werden kann. Mit der auf den Einspruch<br />

gegen den Vollstreckungsbescheid folgenden Abgabe des Rechtsstreits<br />

und mit dem Eingang der Akten bei dem Gericht, an das abgegeben<br />

wird, gilt der Rechtsstreit als dort anhängig (§ 700 Abs. 3<br />

S. 2, § 696 Abs. 1 S. 4 ZPO). Mit der Abgabe vom AG an das LG<br />

entfällt die Freistellung vom Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO).<br />

Dieser besteht für das weitere Verfahren, auch für das Beschwerdeverfahren<br />

(§ 569 Abs. 2 S. 2 ZPO; BGH, Beschl. v. 9.5.1979 –<br />

VIII ZB 11/79, JZ 1979, 535). Rechtsanwalt H., der weder beim<br />

LG Berlin noch beim KG zugelassen ist, konnte somit als Prozeßbevollmächtigter<br />

der Bekl nicht wirksam Beschwerde gegen den<br />

landgerichtlichen Beschluß einlegen.<br />

Das Vorbringen der Bekl in ihrer weiteren Beschwerde, nicht<br />

Rechtsanwalt H. habe als ihr Prozeßbevollmächtigter gehandelt,<br />

sondern die beim KG zugelassene Rechtsanwältin B., für welche<br />

Rechtsanwalt H. als amtlich bestellter Vertreter habe handeln dürfen,<br />

erschließt sich nicht aus dem für die Beurteilung der Zulässigkeit<br />

der Prozeßhandlung maßgeblichen Beschwerdeschriftsatz. Darin<br />

wird wie bereits beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid<br />

Rechtsanwalt H. aus P. als Prozeßbevollmächtigter der<br />

Bekl angeführt. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß<br />

Rechtsanwalt H. die Beschwerde nicht als Prozeßbevollmächtigter<br />

der Bekl, sondern als Vertreter einer anderen für die Bekl tätigen,<br />

postulationsfähigen Rechtsanwältin eingelegt hat. Der gem. § 53<br />

Abs. 3 BRAO bestellte Rechtsanwalt muß seine Stellung als allgemein<br />

bestellter Vertreter zwar nicht durch ausdrückliche Erklärung<br />

kundtun, daß er für einen postulationsfähigen Rechtsanwalt handelt.<br />

Es muß aber zumindest aus den die Prozeßhandlung begleitenden<br />

Umständen hinreichend deutlich erkennbar sein, daß ein<br />

Handeln für einen anderen postulationsfähigen Rechtsanwalt vorliegt<br />

(BGH, Urt. v. 9.12.1974 – III ZR 134/72, NJW 1975, 542,<br />

543; Urt. v. 14.12.1990 – V ZR 329/89, NJW 1991, 1175, 1176;<br />

Beschl. v. 9.2.1993 – XI ZB 2/93, NJW 1993, 1925). Solche fehlen<br />

hier. Unerheblich ist, ob von Rechtsanwalt H. angeordnet worden<br />

war, auf dem Beschwerdeschriftsatz einen Hinweis auf seine amtliche<br />

Bestellung anzubringen, und weshalb dieser unterblieb. Ein<br />

solcher Vorgang ist dem über die Zulässigkeit des Rechtsmittels<br />

entscheidenden Gericht verborgen geblieben. Er kann somit nicht


AnwBl 4/99 237<br />

Rechtsprechung l<br />

als ein Indiz für das Handeln als bestellter Vertreter der postulationsfähigen<br />

Rechtsanwältin B. herangezogen werden.<br />

ZPO § 182<br />

1. Die wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der<br />

Post nach § 182 ZPO setzt voraus, daß der Empfänger der zuzustellenden<br />

Sendung die Wohnung, in der der Zustellungsversuch<br />

unternommen wird, tatsächlich noch inne hat, er in der Wohnung<br />

nicht angetroffen wird und ein Versuch der Ersatzzustellung<br />

nach § 181 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zum Erfolg führt.<br />

2. Für den Begriff der „Wohnung“ kommt es darauf an, ob der<br />

Zustellungsempfänger sich dort regelmäßig aufhält, insbesondere<br />

dort schläft, nicht allein darauf, ob der Zustellungsempfänger<br />

dort polizeilich gemeldet ist.<br />

3. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich auf<br />

die Richtigkeit ihrer Durchführung, nicht jedoch darauf, ob der<br />

Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt.<br />

4. Auf den vom Zustellungsempfänger erweckten Anschein, daß<br />

er unter einer angegebenen Anschrift wohnt, kommt es für die<br />

Zustellung nur dann an, wenn dieser Anschein gegenüber dem<br />

die Zustellung veranlassenden Gericht erweckt wird.<br />

LG Berlin, Urteil v. 7.10.1997 – 64 S 278/97<br />

Aus den Gründen: Eine wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung<br />

bei der Post nach § 162 ZPO setzt voraus, daß der Empfänger<br />

der zuzustellenden Sendung die Wohnung, in der der Zustellungsversuch<br />

unternommen wird, tatsächlich inne hat, daß er in der<br />

Wohnung nicht angetroffen wird und daß schließlich ein Versuch<br />

der Ersatzzustellung nach § 181 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zum Erfolg<br />

führt.<br />

Bei der Adresse in Z unter der der Zustellungsversuch unternommen<br />

wurde, handelt es sich nicht um die Wohnung der Bekl,<br />

daher war eine Ersatzzustellung dort nicht möglich.<br />

Hierbei ist davon auszugehen, daß eine Zustellungsurkunde den<br />

Beweis für die Voraussetzung der Zustellung und die Richtigkeit<br />

ihrer Durchführung erbringt (BGH LM § 341 ZPO Nr. 2; VersR<br />

1977 S. 152), sich die Beweiskraft jedoch nicht darauf erstreckt,<br />

daß der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt<br />

(Bundesverfassungsgericht NJW-RR 1992 S. 1084; LG Berlin<br />

MDR 1987 S. 503).<br />

Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für den Begriff<br />

der Wohnung auf das tatsächliche Wohnen an, wobei insbesondere<br />

maßgeblich ist, ob der Zustellungsempfänger dort schläft. Unerheblich<br />

ist hingegen, ob der Zustellungsempfänger dort polizeilich gemeldet<br />

ist.<br />

Nach dem Ergebnis der in 1. Instanz durchgeführten Beweisaufnahme,<br />

ist davon auszugehen, daß es sich bei der Adresse in Z<br />

lediglich um ein Wochenendhaus der Bekl handelt, wo sie sich nur<br />

gelegentlich aufhält und wenn überhaupt, so gut wie nie übernachtet.<br />

Ein, wie hier, nur gelegentlich genutztes Wochenendhaus, wird<br />

indes – auch wenn ein Briefkasten mit Namensschild vorhanden<br />

ist – dann jedenfalls nicht als Wohnung angesehen, wenn der<br />

Adressat sich zur Zeit des Zustellungsversuches dort nicht aufhält<br />

(vgl. Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 181 Rdz. 5). Letzteres war hier<br />

unstreitig nicht der Fall.<br />

Es besteht im vorliegenden Fall auch keine Veranlassung, aufgrund<br />

der Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB hier<br />

dennoch eine wirksame Zustellung durch Niederlegung anzunehmen.<br />

Zwar ist in der Rechtsprechung teilweise angenommen worden,<br />

daß sich derjenige, der sich nach außen den Anschein gibt, an einem<br />

bestimmten Ort eine Wohnung zu haben, dies auch bei Zustellungen<br />

gegen sich gelten lassen muß (vgl. OLG Hamm NJW 1970,<br />

S. 958; OLG Düsseldorf FamRZ 1990 S. 75; auch schon LG Berlin<br />

JW 1935 S. 2218). Dies gelte zumindest dann, wenn der Zustellende<br />

die wirkliche Wohnung oder tatsächlichen Verhältnisse nicht<br />

kennt; letzteres ist hier unstreitig nicht der Fall.<br />

Die hier vorliegende vorprozessuale Korrespondenz der Bekl<br />

gegenüber dem Kl, in der sie die Adresse in Z angegeben hat,<br />

reicht indes nicht aus, um entgegen den Vorschriften der ZPO hier<br />

von einer Zustellung auszugehen. Hierzu wäre erforderlich gewesen,<br />

daß die Bekl auch gegenüber dem Gericht, welches Zustellun-<br />

gen von Amts wegen vorzunehmen hat, unter der Adresse in Z aufgetreten<br />

wäre.<br />

Mitgeteilt von Richter am LG Harald Kinne, Berlin<br />

ZPO §§ 233, 519b<br />

Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den Absender<br />

zumindest bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht von der<br />

Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren, daß alle zu sendenden<br />

Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen werden.<br />

Denn nur dann kann darauf vertraut werden, daß die Sendung<br />

vollständig erfolgt und beim Empfänger ankommt. Ein<br />

Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht ist schuldhaft i. S. d. § 233<br />

ZPO.<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.8.1997 – 2 UF 111/97<br />

Aus den Gründen: II. a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in<br />

den vorigen Stand war zurückzuweisen, da der Antragsgegner<br />

nicht schuldlos daran gehindert war, die Frist zur Begründung der<br />

Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Das dem Antragsgegner zuzurechnende<br />

Verschulden seines Anwaltes bei der Versäumung der<br />

Berufungsbegründungsfrist liegt darin, daß Rechtsanwalt versehentlich<br />

nur die erste Seite seines Berufungsbegründungsschriftsatzes<br />

vom 11.7.1997 dem Senat per Fax übersandt hat, wobei er hätte<br />

erkennen können und müssen, daß damit nur eine unvollständige<br />

Übersendung erfolgte, die weder den Aussteller mittels Unterzeichnung<br />

erkennen ließ noch die im einzelnen anzuführenden Gründe<br />

der Anfechtung (Berufungsgründe) enthielt (§ 519 Abs. 3 Nr. 2,<br />

Abs. 5 i. V. m. §§ 129, 130 Ziff. 6 ZPO).<br />

Da somit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist kein den gesetzlichen<br />

Erfordernissen entsprechender Schriftsatz bei Gericht<br />

eingegangen ist, könnte dem Antragsgegner wegen der Versäumung<br />

der Berufungsbegründungsfrist nur dann Wiedereinsetzung<br />

in den vorigen Stand bewilligt werden, wenn er unverschuldet<br />

durch besondere Umstände daran gehindert gewesen wäre, seine<br />

Berufungsbegründung rechtzeitig einzureichen. Dafür gibt es aber<br />

keine Anhaltspunkte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat<br />

der Absender eines innerhalb einer bestimmten Frist einzureichenden<br />

Schriftsatzes dafür zu sorgen, daß das Schriftstück nach den organisatorischen<br />

und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen<br />

Bundespost bei dem üblichen Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht<br />

erreicht (BGH, NJW 1988, 3020). Diese für die Briefpost<br />

entwickelten Grundsätze gelten für die Übermittlung durch Telefax<br />

entsprechend (BGH, NJW 1994, 2097, 2098). Nachdem Rechtsanwalt<br />

in seinem Wiedereinsetzungsgesuch ausdrücklich bestätigt<br />

hat, daß sein Sendegerät weder vor der Sendung am 11.7.1997 um<br />

14.04 Uhr noch nachher noch bis zum heutigen Tage irgendwelche<br />

Störungen gezeigt hat, solche aber ebensowenig bisher beim Empfangsgerät<br />

des Senats in der Geschäftsstelle in der Jahnstraße 3<br />

aufgetreten sind, muß der Übersendungsmangel (Übersendung nur<br />

einer Seite statt von insgesamt vier Seiten) an einer fehlerhaften<br />

Handhabung durch den Rechtsanwalt liegen. Der Rechtsanwalt<br />

hätte bei der Sendung seines mehrere Seiten umfassenden Schriftstückes<br />

darauf achten müssen, daß am Sendegerät alle Seiten ordnungsgemäß<br />

eingelesen werden. Mit Fehlern beim Einzug der zu<br />

sendenden Dokumente muß der Absender rechnen. Sie sind auch<br />

einfach zu erkennen. Es liegt auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung,<br />

daß mehrere aufeinanderfolgende Seiten gleichzeitig<br />

eingezogen werden, so daß nur eine Seite gelesen und damit gesendet<br />

wird. Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den<br />

Absender zumindest bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht von<br />

der Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren, daß alle zu<br />

sendenden Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen werden.<br />

Denn nur dann kann darauf vertraut werden, daß die Sendung<br />

vollständig erfolgt und beim Empfänger ankommt. Diese ihm<br />

obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Versendung des Berufungsbegründungsschriftsatzes<br />

hat Rechtsanwalt schuldhaft verletzt.<br />

Ausweislich seines Übertragungsprotokolls hätte er feststellen<br />

müssen, daß am 11.7.1997 um 14.06 Uhr nach einer Übertragungsdauer<br />

von 2 Min. 25 Sec. nur eine Schriftsatzseite der Gegenstelle<br />

(OLG) zugeleitet worden war. Sein Vortrag, sein Sendegerät zeige<br />

bei Übersendung nacheinander eingezogener Seiten unabhängig<br />

von der tatsächlichen Seitenzahl stets 1 an, vermag ihn nicht zu<br />

entlasten. Sollte dieser Vortrag richtig sein, hätte sein Sendegerät<br />

einen wesentlichen Mangel, der dem Absender zuzurechnen wäre.<br />

Bei mehrseitigen Sendungen ließe sich dann nämlich nie anhand


238<br />

l<br />

des Übertragungsprotokolls feststellen, ob der Schriftsatz auch<br />

vollständig übermittelt worden ist. Dann aber hätte der Absender<br />

durch andere geeignete Maßnahmen (Rückfrage bei Gericht; sonstige<br />

Überprüfung der eingelesenen Seiten) feststellen müssen, daß<br />

mittels seines Sendegerätes ordnungsgemäß alle vier Seiten seines<br />

Berufungsbegründungsschriftsatzes dem OLG zugeleitet worden<br />

sind. Derartige sonstige Bemühungen hat der Berufungsführer<br />

nicht dargetan; sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Im übrigen<br />

geht der Senat davon aus, daß das – nach Angabe von Rechtsanwalt<br />

stets einwandfrei arbeitende Sendegerät bei der Seitenzahl<br />

deswegen eine 1 angegeben hat, weil tatsächlich auch nur die erste<br />

Seite des Schriftsatzes vom 11.7.1997 übersandt worden ist. Da sowohl<br />

das Sende- wie auch das Empfangsgerät fehlerfrei arbeiten,<br />

kann dieser Mangel nur auf einen Übersendungsfehler von Rechtsanwalt<br />

zurückgehen. Entgegen seiner Behauptung ergibt sich aus<br />

dem Übertragungsprotokoll des Empfangsgerätes vom 11.7.1997<br />

(OLG-Gerät), daß es ordnungsgemäß arbeitet und insbesondere<br />

auch mehrseitige Schriftsätze – ohne Blockade – ausdruckt. So umfaßt<br />

die dem Schriftsatz des Antragsgegners vorausgehende Sendung<br />

um 13.15 Uhr insgesamt 9 Seiten, die dem Antragsgegner<br />

nachfolgende Seite von 15.36 Uhr 6 Seiten, die jeweils – wie auch<br />

die einseitige Sendung des Antragsgegners von 14.06 Uhr – mit<br />

OK als einwandfrei übermittelt bestätigt wurden.<br />

Die somit in den Risikobereich des Absenders fallende mangelhafte<br />

Prozeßhandlung hat der Gesuchsteller zu vertreten, so daß<br />

ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden<br />

konnte.<br />

b) Gem. § 519 b ZPO war die Berufung als unzulässig zu verwerfen,<br />

da sie weder in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt<br />

noch hinreichend begründet war. Denn die per Fax übermittelte<br />

Begründungsschrift hätte unterschrieben sein müssen. Fehlt die<br />

Unterschrift, so ist die Prozeßhandlung nicht wirksam vorgenommen<br />

(BGH, NJW 1987, 2588). Das Erfordernis der Unterschrift<br />

entfällt auch dann nicht, wenn der bestimmte Schriftsatz in zulässiger<br />

Weise durch Telefax übermittelt wird. In einem solchen Fall<br />

verzichtet die Rechtsprechung lediglich darauf, daß das bei Gericht<br />

eingehende Schriftstück eigenhändig unterschrieben sein muß. Erforderlich<br />

ist in einem solchen Falle aber, daß die Kopiervorlage<br />

unterschrieben ist und daß diese Unterschrift auf der Fernkopie<br />

wiedergegeben wird (BGH, NJW 1994, 2097; NJW 1990, 188).<br />

Da bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ein derartiger,<br />

fernschriftlich übermittelter Schriftsatz nicht eingegangen und vom<br />

Empfangsgerät bis dahin auch noch nicht ausgedruckt worden ist,<br />

liegt keine rechtzeitige Berufungsbegründung vor. Im übrigen liegt<br />

schon deswegen keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vor,<br />

weil sie nicht die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung<br />

(Berufungsgründe) erkennen läßt (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).<br />

Aufgrund dieser Mängel war die Berufung als unzulässig und auf<br />

Kosten des Antragsgegners zu verwerfen.<br />

Mitgeteilt von Vors. Richter am OLG Dr. Thalmann, Karlsruhe<br />

ZPO § 519 Abs. 2 Satz 3<br />

Die auf Antrag eines postulationsunfähigen Prozeßbevollmächtigten<br />

vom Vorsitzenden verfügte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist<br />

ist wirksam, ohne daß es darauf ankommt, ob<br />

der Prozeßbevollmächtigte bei sorgfältiger Prüfung erkennen<br />

konnte, daß sein Antrag unwirksam war (Bestätigung von BGH,<br />

Beschl.v. 22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998, 1155).<br />

BGH, Beschl. v. 8.10.1998 – VII ZB 21/98<br />

Aus den Gründen: II. Die zulässige sofortige Beschwerde gegen<br />

die Verwerfung der Berufung (§ 519 b Abs. 2 ZPO) hat Erfolg.<br />

1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH ist die Verfügung<br />

des Vorsitzenden, mit der er die Berufungsbegründungsfrist<br />

verlängert, auch dann wirksam, wenn der Verlängerungsantrag prozessual<br />

nicht wirksam gestellt worden ist (Urt. v. 14.7.1953 – V ZR 87/<br />

52 = LM ZPO § 554 Nr. 3; Urt. v. 27.3.1963 – VIII ZR 186/61 =<br />

LM ZPO § 554 Nr. 30; Beschl. v. 23.1.1985 – VIII ZB 18/84 =<br />

BGHZ 93, 300; Beschl. v. 22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998,<br />

1155). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß eine von einem verfassungsmäßig<br />

bestellten Gericht oder seinem Vorsitzenden im Rahmen<br />

seiner Zuständigkeit erlassene Entscheidung nicht deswegen als nichtig<br />

angesehen werden kann, weil prozeßrechtliche Voraussetzungen<br />

für den Antrag nicht gegeben sind. Mit dieser Verfügung wird grundsätzlich<br />

ein schutzwürdiges Vertrauen begründet.<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsprechung<br />

2. Der Senat sieht keinen Anlaß, davon abzugehen. Die unter<br />

Hinweis auf die Rechtsprechung zum verspäteten Antrag geäußerten<br />

Bedenken des BerG greifen nicht durch. Wenn der Antrag verspätet<br />

gestellt worden ist, ist die Entscheidung rechtskräftig. Die<br />

Rechtskraft kann durch die Verfügung des Vorsitzenden nicht wieder<br />

in Frage gestellt werden. Auf diesen Unterschied zu dem hier<br />

zu entscheidenden Fall, daß der Antrag rechtzeitig gestellt worden<br />

ist, jedoch prozessuale Mängel hat, hat der BGH bereits hingewiesen<br />

(Beschl. v. 17.12.1991 – VI ZB 26/91 = NJW 1992, 842).<br />

3. Zu Unrecht sieht das BerG im vorliegenden Fall durchgreifende<br />

Unterschiede zu dem Fall, der der Entscheidung vom<br />

22.10.1997 – VIII ZB 32/97 = NJW 1998, 1155 zugrunde lag.<br />

Hier wie dort hat ein postulationsunfähiger Anwalt die Verlängerung<br />

beantragt und der postulationsfähige Vertreter hat sich auf die<br />

Wirksamkeit der Verlängerung verlassen. Ob der Prozeßbevollmächtigte<br />

(in jenem und in diesem Fall) bei sorgfältiger Prüfung erkennen<br />

konnte, daß der Verlängerung kein wirksamer Antrag zugrunde<br />

lag, ist nicht von Bedeutung. Wie zu entscheiden wäre,<br />

wenn der Vorsitzende bewußt getäuscht werden sollte, kann dahinstehen.<br />

Denn davon geht das BerG nicht aus. Auch der Sachvortrag<br />

beider Parteien im Beschwerdeverfahren nötigt nicht zu einer dahingehenden<br />

Annahme.<br />

4. Die Berufung ist innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.<br />

Sie ist deshalb entgegen der Entscheidung des BerG zulässig.<br />

ZPO § 890 Abs. 1, § 929 Abs. 2, § 936<br />

Die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung setzt deren fristgerechte<br />

Zustellung im Parteibetrieb oder eine anderweitige<br />

Vollziehungsmaßnahme des Gläubigers – etwa Bestrafungsantrag<br />

– innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist voraus.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.6.1998 – 3 W 201/98<br />

Aus den Gründen: II. Die gem. § 793, § 568 Abs. 2 ZPO zulässige<br />

Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat den<br />

Beschluß des AG mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung<br />

von Wiederholungen Bezug genommen wird, abgeändert<br />

und den Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Ordnungsmittels<br />

zurückgewiesen. Das am 25.11.1994 verkündete Urteil des<br />

AG ist der Schuldnerin nämlich nicht innerhalb der einmonatigen<br />

Vollziehungsfrist (§§ 929 Abs. 2, 936 ZPO) im Parteibetrieb zugestellt<br />

und auch nicht durch Ergreifung anderweitiger Vollstrekkungsmaßnahmen<br />

vollzogen worden.<br />

Grundsätzlich ist für die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung<br />

deren Zustellung im Parteibetrieb erforderlich. Wie der BGH<br />

indes bereits in seinen Entscheidungen vom 13.4.1989 (NJW 1990,<br />

122 ff.) und 22.10.1992 (NJW 1993, 1076 ff.) ausgeführt hat, ist<br />

die wirksame Vollziehung einer durch Urteil ergangenen und von<br />

Amts wegen zugestellten Unterlassungsverfügung auch anders als<br />

durch Zustellung im Parteibetrieb denkbar. Dabei muß für den<br />

Schuldner jedoch unmißverständlich erkennbar sein, daß der Gläubiger<br />

von der erwirkten einstweiligen Verfügung Gebrauch machen<br />

will (OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 763, 764). Als solche Vollziehungsmaßnahmen<br />

sind etwa ein Bestrafungsantrag nach § 890<br />

Abs. 1 ZPO oder die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen<br />

angesehen worden, sofern diese innerhalb der einmonatigen<br />

Vollziehungsfrist ergriffen worden sind (vgl. BGH NJW<br />

1990, 122, 124; OLG Celle OLGZ 1992, 354, 356). Dies ergibt<br />

sich indes aus der Amtszustellung nicht (BGH NJW 1993, 1076,<br />

1077). Dieser fehlt wie bereits das LG ausgeführt hat der nach außen<br />

vom Gläubiger ernsthaft und eindeutig bekundete Wille, von<br />

dem Titel Gebrauch zu machen; durch die Amtszustellung soll<br />

dem Gläubiger gerade nicht das Vollstreckungsverfahren aus der<br />

Hand genommen werden, vielmehr dient die Amtszustellung lediglich<br />

der Kontrolle über Rechtsmittelfristen und den Zeitpunkt der<br />

Rechtskraft (BGH NJW 1993, 1076, 1077). Die Entscheidung des<br />

OLG Celle vom 29.5.1990 (NJW-RR 1990, 1088), welches die<br />

Amtsausstellung einer durch Urteil erstrittenen Unterlassungsverfügung<br />

ausreichen läßt, überzeugt daher nicht.<br />

Der Gläubiger kann sich auch nicht darauf berufen, daß die<br />

Schuldnerin gegen das Urteil des AG Berufung eingelegt hat. Damit<br />

hat sich die Schuldnerin lediglich gegen einen möglichen Gebrauch<br />

des Titels durch den Gläubiger zu wehren versucht; eine<br />

Vollziehungsmaßnahme des Gläubigers liegt darin nicht.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. Johannes Schütz, Hünxe


AnwBl 4/99 239<br />

7 NACHSCHLAG<br />

In dieser neuen, in lockerer Folge erscheinenden Spalte (vgl. zuletzt AnwBl 2/99, 131 f.) veröffentlichen wir die<br />

Leitsätze einiger Entscheidungen, die zur Veröffentlichung in den beiden Vorjahren vorgesehen waren, zu deren<br />

Abdruck es jedoch vornehmlich aus Platzgründen nicht gekommen ist. Es handelt sich auch hier um beachtliches<br />

und hilfreiches Material. Die Leitsätze sind systematisch nach den Gruppen der Rechtsprechungsspalten im AnwBl<br />

sortiert. Der Volltext der Druckfahne kann unter der angegebenen Nummer des Leitsatzes mit dem Hinweis „Rechtsprechung<br />

Nachschlag“ bei der Redaktion gegen Zahlung von 10,– DM je Entscheidung angefordert werden.<br />

Die Redaktionsanschrift lautet:<br />

Deutscher Anwaltverein<br />

Redaktion <strong>Anwaltsblatt</strong><br />

Adenauerallee 106<br />

53113 Bonn<br />

Fax 02 28 – 26 07 51<br />

Streitwert, Kosten, Erstattung<br />

Zivilrecht<br />

ZPO § 92 Abs. 2, § 269 Abs. 3<br />

Die Anwendung des § 92 Abs. 2 auf Fälle der teilweisen Klagerücknahme<br />

verbietet sich nach Gesetzessystematik und Gesetzeszweck.<br />

AG Kenzingen, Urt. v. 2.9.1997 – C 303/97<br />

R 463<br />

ZPO § 104<br />

Eine Rückfestsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren ist dann zulässig,<br />

wenn es sich um die Rückabwicklung eines durch den Prozeßverlauf überholten<br />

Kostenfestsetzungsbeschlusses handelt, die Rückzahlung nach<br />

Grund und Höhe eindeutig und die Zahlung zwischen den Parteien unstreitig<br />

ist. Von einer unstreitigen Zahlung kann grundsätzlich nur dann<br />

ausgegangen werden, wenn der Gegner sie ausdrücklich zugestanden hat.<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.4.1997 – 6 W 145/96<br />

R 366<br />

ZPO § 104, § 717 Abs. 2; StPO § 449<br />

Die Rückfestsetzung von notwendigen Auslagen der Nebenklage ist im<br />

Strafprozeß nicht möglich.<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 18.12.1997 – 4 Ws 104/97<br />

R 554<br />

ZPO §§ 104 Abs. 3, 147; RpflG § 11; GKG § 8; KV-GKG Nr. 1906<br />

Ergeben sich aus einer Kostengrundentscheidung in einem Urteil mehrere<br />

Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die mit einer Erinnerungsschrift und einer<br />

einheitlichen Begründung angefochten werden, so stellt es keine unrichtige<br />

Sachbehandlung dar, wenn das Beschwerdegericht von einer – kostengünstigeren<br />

– Verbindung der Beschwerdeverfahren absieht und deshalb bei einer<br />

Zurückweisung der Rechtsmittel mehrere Beschwerdegebühren anfallen.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.1997 – 10 W 131/97<br />

R 427<br />

ZPO § 118 Abs. 1 Satz 3; BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Abs. 1, § 122<br />

Abs. 1<br />

Wird ein Rechtsanwalt im Prozeßkostenprüfungsverfahren zum Abschluß<br />

eines Vergleichs beigeordnet, steht ihm für eine Erörterungsgebühr<br />

kein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zu.<br />

OLG Köln, Beschl. v. 18.2.1998 – 26 WF 162/97<br />

R 522<br />

ZPO §§ 485 ff.; § 269 Abs. 3 S. 3<br />

Der Kostenausspruch nach Klagerücknahme (§ 269 Abs. 3 S. 2 und 3<br />

ZPO) erfaßt nicht die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens.<br />

OLG München, Beschl. v. 10.12.1997 – 11 W 2427/97<br />

R 624<br />

ZPO § 696 Abs. 1; GKG Nr. 1100, 1202 KV<br />

Antrag auf streitiges Verfahren<br />

Die Einzahlung der vollen Verfahrensgebühr (Nr. 1201 KV GKG) nach<br />

einem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid reicht für sich allein<br />

nicht aus, von einem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens<br />

(§ 696 Abs. 1 ZPO) auszugehen. Es müssen weitere Umstände hinzukommen,<br />

die mit Sicherheit auf einen entsprechenden Erklärungswillen<br />

hindeuten.<br />

OLG München, Beschl. v. 16.5.1997 – 11 W 1392/97<br />

R 389<br />

ZPO §§ 788, 883<br />

Die Kosten für den Abbau einer herauszugebenden gekauften Anlage<br />

(hier ersteigerte Kranbrücke mit Hängekran 8 to) sind keine notwendigen<br />

Kosten der Zwangsvollstreckung.<br />

OLG München, Beschl. v. 6.6.1997 – 11 W 1677/97<br />

R 391<br />

Strafrecht<br />

l<br />

StPO § 422<br />

Die Nachholung der versehentlich unterbliebenen Entscheidung über<br />

die Tragung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers ist selbst<br />

dann unzulässig, wenn der Vorsitzende, nachdem das Versehen bemerkt<br />

worden war, während der Urteilsverkündung erklärt, das Versäumnis<br />

werde später durch gesonderten Beschluß nachgeholt.<br />

Thüringer OLG, Beschl. v. 2.10.1996 – 1 Ws 118/96<br />

R 348<br />

StPO § 464a Abs. 1 Satz 1; EMRK Art. 6 Abs. 3 lit. c<br />

Zu den Kosten des Verfahrens, die der Verurteilte zu tragen hat, gehören<br />

auch die durch die Anordnung einer Pflichtverteidigung entstandenen<br />

Auslagen der Staatskasse. Der Geltendmachung dieser Auslagen steht<br />

Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK nicht entgegen.<br />

OLG Koblenz, Beschl. v. 21.1.1998 – 2 WS 786/97<br />

R 570<br />

StPO §§ 464b, 464 d, § 467 Abs. 1<br />

1. Auch nach der Änderung der §§ 464d, 467 StPO aufgrund des<br />

KostRÄndG 1994 (BGBl I S. 1325) ist für die Kostenverteilung die sog.<br />

Differenztheorie – neben der Kostenverteilung nach Bruchteilen – in<br />

den Fällen (echter) Teilfreisprüche weiterhin anwendbar (gegen LG<br />

Frankfurt/Main NStZ-RR 1997, 191).<br />

2. Welche Methode das Gericht bzw. im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

der Rechtspfleger anwendet, steht in deren pflichtgemäßem Ermessen.<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.3.1998 – 3 Ws 299/97<br />

R 515<br />

BRAGO § 12 Abs. 1; StPO § 465 Abs. 1, § 467 Abs. 1<br />

Bei Teilfreispruch und entsprechender Auslagenentscheidung ist dem<br />

Beschuldigten der rechnerische Teil der Gesamtverteidigergebühr zu erstatten,<br />

der das fiktive Honorar übersteigt, das der Verurteilte an seinen<br />

Verteidiger zu zahlen hätte, wenn das Verfahren nur wegen des Verurteilungsdelikts<br />

durchgeführt worden wäre.<br />

LG Koblenz, Beschl. v. 31.10.1997 – 10 Qs 20/97<br />

R 423


<strong>240</strong><br />

l<br />

Arbeitsrecht<br />

ArbGG § 12 Abs. 5 a<br />

Die Bestimmung soll nach ihrem Sinn und Zweck nicht ausländische<br />

Kl oder Bekl vor einem deutschen Gericht besser stellen als deutsche<br />

Kl oder Bekl.<br />

Kosten für einen vom Gericht herangezogenen Dolmetscher werden deshalb<br />

bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – wie Verbürgung der<br />

Gegenseitigkeit – nur dann nicht erhoben, wenn die Heranziehung des<br />

Dolmetschers auch wegen der Sprachschwierigkeiten der Partei erfolgt.<br />

Wird der Dolmetscher nur deshalb herangezogen, weil Zeugen der<br />

deutschen Sprache nicht mächtig sind, muß die unterlegene ausländische<br />

Partei die Dolmetscherkosten zahlen.<br />

LAG Bremen, Beschl. v. 26.11.1997 – 4 Sa 158/96<br />

R 503<br />

ArbGG § 12 Abs. 7<br />

Der Wert des Streitgegenstandes bei einer Eingruppierungsstreitigkeit<br />

gem. § 12 Abs. 7 S. 2 Hs. 1 ArbGG berechnet sich, da das 13. Monatsgehalt<br />

zu berücksichtigen ist, nicht nach der 36-fachen Differenz, sondern<br />

nach der 39-fachen Differenz zwischen den Vergütungsgruppen.<br />

LAG Hamm, Beschl. v. 14.5.1996 – 4 Sa 412/96<br />

LAG Hamm, Urteil v. 17.4.1997 – 4 Sa 1652/96<br />

R 435<br />

ArbGG § 12 Abs. 7; ZPO § 91a Abs. 1, § 269 Abs. 3<br />

1. Ist ein Teilurteil ergangen und wird hernach die Hauptsache im verbliebenen<br />

Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, dann ist<br />

über die gesamt Kosten des Rechtsstreits – unabhängig davon, ob die<br />

Entscheidung nach mündlicher oder ohne mündliche Verhandlung getroffen<br />

wird – gem. § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO anerkanntermaßen stets<br />

durch Beschluß zu entscheiden. Da auch in § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO<br />

bestimmt ist, daß die Entscheidung über die Kosten bei Klagerücknahme<br />

durch „Beschluß“ ergeht, gebietet bereits ein Wortvergleich beider<br />

Vorschriften, die Kostenschlußentscheidung nach vorausgegangenem<br />

Teilurteil und nachfolgender (Teil-) Erledigung der restlichen Klage<br />

bzw. (Teil-) Rücknahme derselben nicht unterschiedlich vorzunehmen,<br />

sondern auch im letztgenannten Falle über die Kosten nach frei gestellter<br />

mündlicher Verhandlung stets durch Beschluß zu entscheiden.<br />

2. Streiten die Parteien im Berufungsverfahren nicht mehr über den Fortbestand<br />

des Arbeitsverhältnisses, sondern nur noch über seine Auflösung<br />

durch gerichtliche Entscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 i.V.m.§9Abs.1<br />

KSchG und die Höhe der vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu zahlenden<br />

Abfindungssumme (§ 10 Abs. 1 KSchG), dann ist für die Streitwertfestsetzung<br />

nicht § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG maßgeblich, die Wertberechnung<br />

hat in einem solchen Falle vielmehr gem. §§ 3 ff. ZPO zu<br />

erfolgen und sich an der Höhe der geltend gemachten Abfindung zu orientieren.<br />

LAG Hamm, Beschl. v. 5.12.1996 – 4 Ja 1785/96<br />

R 258<br />

ArbGG § 12a Abs. 1 S. 3<br />

Das Landesarbeitsgericht Bremen verbleibt trotz der Kritik in der Literatur<br />

bei seiner Auffassung, daß nach § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG nur die<br />

Kosten zu erstatten sind bei denen die Anrufung des unzuständigen Gerichts<br />

kausal für die entstandenen Kosten geworden ist. Dies ist in der<br />

Regel nicht der Fall, wenn der Kl zunächst das unzuständige AG statt<br />

des Arbeitsgerichts anruft und sich bei beiden Gerichten durch denselben<br />

Rechtsanwalt vertreten läßt.<br />

LAG Bremen, Beschl. v. 5.7.1996 – 2 Ta 30/96<br />

R 186<br />

ArbGG § 64 Abs. 2<br />

Im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung des Kl ist auch bei<br />

höherer Wertfestsetzung im erstinstanzlichen Urteil die Beschwer für<br />

den Berufung einlegenden Bekl nur in Höhe des Kosteninteresses gegeben.<br />

In Anlehnung an die Wertbemessung des Bundesarbeitsgerichts<br />

bei einer Stufenklage (vgl. BAG Beschl. v. 27.5.1994 Az: 5 AZB 3/94<br />

AP Nr. 17 zu § 64 ArbGG 1979) ist die Beschwer nämlich für den Bekl<br />

nach anderen Kriterien als für den Kl zu ermitteln. Dies gilt jedenfalls<br />

im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wegen der fehlenden<br />

Rechtskraftwirkung einer Entscheidung.<br />

LAG Bremen, Urt. v. 21.10.1997 – 1 Sa 101/97<br />

R 502<br />

Sonstiges (FGG, GKG-KV, KostO, WEG)<br />

FGG § 13a Abs. 2<br />

Eine Erstattungspflicht der Staatskasse für Rechtsanwaltskosten im<br />

Rahmen eines Betreuungsverfahrens hält die Kammer auch unter Berücksichtigung<br />

von § 13a Abs. 2 FGG nur für angebracht, wenn aus ob-<br />

AnwBl 4/99<br />

Rechtsprechung Nachschlag<br />

jektiver Sicht mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten zu<br />

rechnen ist oder anhand objektiver Kriterien vorhersehbar ist, daß das<br />

AG seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachkommt.<br />

LG Koblenz, Beschl. v. 3.12.1997 – 2 T 694/97<br />

R 533<br />

GKG-KV Nr. 1310<br />

Die Verfahrensgebühr der Nr. 1310 KVGKV entsteht bereits mit der<br />

Einreichung des Antrags, nicht erst mit dessen Zustellung.<br />

OLG München, Beschl. v. 25.9.1997 – 11 W 2523/97<br />

R 417<br />

GKG-KV Nr. 9003; GKG § 56 Abs. 2; StPO § 147<br />

Die Aktenversendungspauschale stellt keine erstattbaren Verfahrenskosten<br />

dar. (LS der Red.)<br />

AG Rüdesheim a. Rhein, Beschl. v. 13.8.1997 – 5 Cs 24 Js 7858.6/95<br />

R 429<br />

KostO §§ 60 Abs. 1, Abs. 4, 61; BGB §§ 736, 738<br />

Die Eigentumseintragung, die dadurch erforderlich wird, daß bei einer<br />

Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Tod eines Gesellschafters<br />

dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern<br />

anwächst, ist nicht als Erbfalleintragung nach § 60 Abs. 4 KostO gebührenbefreit.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1997 – 10 W 152/96<br />

R 332<br />

KostO § 94 Abs. 1, § 30 Abs. 2<br />

Der Regelstreitwert von 5000,00 DM gem. § 30 Abs. 2 KostO ist<br />

grundsätzlich auch für Umgangsregelungen maßgeblich und prinzipiell<br />

nicht geringer zu bewerten als bei Sorgerechtsregelungen. (LS der<br />

Red.)<br />

OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.10.1996 – 11 WF 143/96<br />

R 219<br />

WEG § 45, Abs. 1 § 46, § 48 Abs. 3<br />

1. Ein Beschluß, durch den eine Sache vom Wohnungseigentumsgericht<br />

an das Streitgericht verwiesen wird, ist nach den für die Anfechtung<br />

von Hauptsacheentscheidungen in Wohnungseigentumssachen geltenden<br />

Vorschriften anfechtbar.<br />

2. Für den Geschäftswert eines solchen Verweisungsbeschlusses und<br />

die Beschwer des Anfechtenden ist grundsätzlich der Wert der Hauptsache<br />

maßgebend.<br />

3. Für Ansprüche, die von einem Wohnungseigentümer gegen einen anderen<br />

Wohnungseigentümer aufgrund von dessen anwaltlicher Tätigkeit<br />

als Bevollmächtigter der Wohnungseigentümer in einem Verfahren vor<br />

dem Wohnungseigentumsgericht geltend gemacht werden, ist das Streitgericht<br />

zuständig.<br />

BayObLG, Beschl. v. 12.3.1998 – 2Z BR 150/97<br />

R 561<br />

impressum<br />

Herausgeber: Deutscher Anwaltverein e. V., Adenauerallee 106, 53113 Bonn,<br />

Tel. 02 28 / 26 07-0, Fax 02 28 / 26 07 46, e-Mail: dav@anwaltverein.de. Schriftleitung:<br />

Dr. Peter Hamacher (v. i. S. d. P.) und Udo Henke, Rechtsanwälte,<br />

Anschrift des Herausgebers. Verlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der<br />

Anwaltschaft GmbH, Lengsdorfer Hauptstraße 75, 53127 Bonn, Tel. 02 28 /<br />

9 19 11 -0, Fax 02 28 / 9 19 11 99; Konto: Sparkasse Bonn Kto.-Nr. 17 532 458,<br />

BLZ 380 500 00. Anzeigen: MD Medien Dienste GmbH, Rosemarie Schwarz<br />

und Ingrid Oestreich (v. i. S. d. P.), Baumweg 19, 60316 Frankfurt a. M.,<br />

Tel. 0 69 / 94 33 31 -0 Fax 0 69 / 499 03 86. Technische Herstellung: Hans Soldan<br />

GmbH, Bocholder Str. 259, 45356 Essen, Tel. 02 01 / 86 12 208, Fax 02 01 /<br />

86 12 241. Erscheinungsweise: Monatlich zur Monatsmitte. Bezugspreis: Jährlich<br />

198,– DM (inkl. MWSt.) zzgl. Versandkosten, Einzelpreis 18,– DM (inkl.<br />

MWSt.). Für Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins ist der Bezugspreis im<br />

Mitgliedsbeitrag enthalten. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim<br />

Verlag; Abbestellungen müssen einen Monat vor Ablauf des Kalenderjahres<br />

beim Verlag vorliegen. Zuschriften: Für die Schriftleitung bestimmte Zuschriften<br />

sind nur an die Adresse des Herausgebers zu richten. Honorare werden nur<br />

bei ausdrücklicher Vereinbarung gezahlt. Copyright: Alle Urheber-, Nutzungs-<br />

und Verlagsrechte sind vorbehalten. Das gilt auch für Bearbeitungen<br />

von gerichtlichen Entscheidungen und Leitsätzen. Der Rechtsschutz gilt auch<br />

gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung<br />

ausdrücklich der Einwilligung des Herausgebers. ISSN 0171-7227.<br />

w


XXIV<br />

4<br />

Qualität in der Kanzlei – Tips und Informationen<br />

Die Kanzlei<br />

als zielgerichtetes Unternehmen:<br />

Ein Erfahrungsbericht<br />

In zahlreichen Veröffentlichungen ist<br />

auf die Erforderlichkeit und den Nutzen<br />

einer klaren strategischen Ausrichtung<br />

von Kanzleien hingewiesen<br />

worden . Ein Erfordernis, das inzwischen<br />

auch von den meisten Kanzleien<br />

unabhängig von ihrer Größe oder<br />

Ausrichtung gesehen wird. In der<br />

Praxis läßt sich allerdings immer<br />

wieder feststellen, daß die Formulierung<br />

und vor allen Dingen die Umsetzung<br />

von Strategien und Zielen<br />

Schwierigkeiten bereitet. In dieser<br />

Ausgabe werden daher einmal die<br />

möglichen Ursachen für die auftretenden<br />

Schwierigkeiten der Kanzleien<br />

analysiert. Hinweise darauf, wie<br />

Kanzleistrategien und -ziele in konkrete<br />

Handlungsvariable übertragen<br />

und kanzleiintern kommuniziert werden,<br />

finden Sie im nächsten Heft.<br />

Woran es oft hapert:<br />

Strategien ohne Umsetzung<br />

„Wir wollen auf dem Gebiet der Beratung<br />

von XY in der Region XY<br />

marktführend sein ...“: So oder so<br />

ähnlich lauten häufig Kanzleistrategien,<br />

die ausschließlich die Wünsche<br />

der Sozietätspartner formulieren,<br />

aber die Brücke zu konkreten Handlungsanweisungen<br />

vermissen lassen,<br />

so daß die erfolgreiche Umsetzung<br />

der Strategie von vornherein zum<br />

Scheitern verurteilt ist. Aussagen<br />

wie „Mandantenbindung steigern“<br />

oder „Rendite steigern“ bleiben für<br />

Mitarbeiter, die einen nicht unerheblichen<br />

Beitrag zur Verwirklichung<br />

der gesteckten Ziele beitragen sollen,<br />

zu abstrakt. Welches soll ihr<br />

konkreter Beitrag zur Erreichung<br />

der Ziele sein? Ohne dieses Wissen<br />

gelingt es meistens nicht, die Handlungen<br />

der Mitarbeiter und die Ressourcen<br />

der Kanzlei auf die strategischen<br />

Ziele auszurichten. Bei<br />

genauerem Hinsehen lassen sich immer<br />

wieder folgende Hauptmängel<br />

feststellen, die den Strategieprozeß<br />

der Kanzleien prägen und belasten.<br />

Ursache Nr. 1:<br />

Informations- und Umsetzungsdefizite<br />

bzgl. der wichtigsten Kanzlei-<br />

Kennzahlen<br />

Zwar verfügen zwischenzeitlich die<br />

meisten Sozietäten dank der überwiegend<br />

verwendeten Anwaltssoftware<br />

über ein beachtliches Reservoir<br />

an „Potentialinformationen“<br />

über die eigene Kanzlei, ausreichend<br />

genutzt werden diese nur selten.<br />

Um die zukünftige Kanzleistrategie<br />

in realistische Bahnen zu<br />

lenken, lohnt es sich aber, Umsätze<br />

und Kosten der Kanzlei detailliert<br />

aufzuschlüsseln und im Auge zu behalten.<br />

Ebenso bedeutsam sind darüber<br />

hinaus auch zuverlässige Informationen<br />

über den Grad der<br />

Zufriedenheit von Mandanten und<br />

Mitarbeitern, die sich nicht in einer<br />

vagen Einschätzung durch die Kanzleiführung<br />

erschöpfen.<br />

Ursache Nr. 2:<br />

Kommunikationsdefizite<br />

Kommunikationsprobleme treten in<br />

den meisten Kanzleien in zweifacher<br />

Hinsicht auf: Zum einen innerhalb<br />

der Kanzleiführung selbst, denn es<br />

wird zwar viel und häufig, jedoch<br />

selten ergebnis- und umsetzungsorientiert<br />

diskutiert. Die Folge sind<br />

Reibungsverluste und mangels<br />

deckungsgleichem Grundverständnis<br />

der Kanzleistrategie unter den Partnern<br />

eine nur schleppende Implementierung<br />

und Umsetzung.<br />

Zum anderen zeigt sich immer wieder,<br />

daß eine klare und verständliche<br />

Kommunikation der Strategie mit<br />

den Mitarbeitern fehlt, gerade so als<br />

ob es sich hierbei um ein hochbrisantes,<br />

innerhalb der Kanzleiführung<br />

zu bewahrendes Geheimnis handelt.<br />

Dabei kann den Mitarbeitern in den<br />

einzelnen Dezernaten die Bedeutung<br />

ihrer eigenen Leistungen für die<br />

Umsetzung der Kanzleistrategie erst<br />

dann deutlich werden, wenn diese<br />

auf die einzelnen Dezernate und Abteilungen<br />

heruntergebrochen und<br />

klar kommuniziert wird.<br />

Ursache Nr. 3:<br />

Fehlende Methodensicherheit beim<br />

Projektmanagement<br />

Ein weiteres Problem ist, daß sich<br />

der Prozeß der Strategiefindung in<br />

der reinen Formulierung erschöpft<br />

und nicht in konkrete Projekte und<br />

einzelne Aktionen übersetzt wird.<br />

Fazit<br />

Unter Berücksichtigung der vorgenannten<br />

Erwägungen ist im Rahmen<br />

der Strategiefindung und -umsetzung<br />

auf folgende kritische Teilaspekte zu<br />

achten:<br />

r Zusammenstellen der erforderlichen<br />

Hintergrundinformationen, um<br />

ein zuverlässiges Bild über das<br />

Potential der Kanzlei zu erhalten.<br />

r Herbeiführung eines deckungsgleichen<br />

Grundverständnisses innerhalb<br />

der Kanzleiführung über die<br />

Strategie.<br />

r Schaffung effizienter Kommunikationsstrukturen.<br />

r Herunterbrechen der Strategie auf<br />

die Dezernate und Abteilungen bis<br />

hin zu Zielvereinbarungen mit den<br />

einzelnen Mitarbeitern.<br />

In der nächsten Ausgabe<br />

Die Umsetzung von Kanzleistrategien<br />

Wie ist die Rubrik zu erreichen?<br />

Mit Fragen, Anregungen oder Beiträgen<br />

wenden Sie sich bitte an:<br />

AdvoConsult<br />

RAin Gabriela Freitag<br />

Bocholder Straße 257 a<br />

45356 Essen<br />

Telefon: 0201 - 861 81 - 0<br />

Telefax: 0201 - 861 81 - 11<br />

E-Mail: Info@advoconsult.de


XXVI<br />

4<br />

Richtigstellung:<br />

In der Ausgabe 2/99 wurde über juristische<br />

Hilfsprogramme berichtet, die<br />

Richter Franz Dimbeck auf seine<br />

Homepage zum Download bereit hält.<br />

Dabei ist versehentlich eine falsche<br />

Linkadresse zugeordnet worden. Die<br />

richtige Adresse lautet:<br />

http://home.t-online.de/home/<br />

Franz.Dimbeck/ (HIT)<br />

9 Auch Anwaltssoftwarehersteller<br />

AnNoText aus Düren bietet juristische<br />

Hilfsprogramme zum kostenfreien<br />

Download an. Zur Zeit waren verfügbar:<br />

Berechnungen zu Bremsweg,<br />

Blutalkohol, Prozeßkosten, Zinsen und<br />

Kapitalzuwachs sowie zu MwSt und<br />

Euro, StB- und RA-Honoraren,<br />

Gerichtskosten, PKH und Pfändungsfreigrenzen.<br />

Die Software ist in Java<br />

programmiert und daher grundsätzlich<br />

in jeder gängigen Betriebsssystemumgebung<br />

lauffähig. Vorausgesetzt wird<br />

allerdings ein Java-fähiger Web-Browser<br />

(aktuelle Standardbrowser; die<br />

Software muß vom Browser aus gestartet<br />

werden). Einige Programme<br />

sind nur mit der aktuellsten Browser-<br />

Generation lauffähig. Weiterführende<br />

Angaben dazu finden sich auf der angegebenen<br />

Webseite.<br />

Die Einstiegsadresse führt zu weiteren<br />

juristischen Hilfen wie z.B.: Miet- und<br />

Reisemängeltabellen (des deutschen<br />

Anwaltverlags) und Musterverträgen.<br />

http://www.annotext.de/jursup/ bzw.<br />

http://www.annotext.de/jursup/applets/<br />

index.html (HIT)<br />

9 Der Hersteller der Anwaltssoftware<br />

RA-Micro, die RA-Micro Software<br />

AG, hat einen sogenannten Juristen-<br />

Browser erstellt. Installationsvoraussetzung<br />

sind Windows 95, 98 oder<br />

NT sowie der Microsoft Internet-<br />

Explorer 4. Der Browser wurde allerdings<br />

mit einer eigenen Nutzeroberfläche<br />

bzw. einem eigenen Erscheinungsbild<br />

versehen und ist übersichtlich<br />

gestaltet und einfach zu bedienen.<br />

Das Besondere am Juristen-Browser<br />

ist die enthaltene umfangreiche Datenbank<br />

juristischer Internet-Adressen<br />

(nach Angaben über 2000). Bei vorhandenem<br />

Intenet-Anschluß können<br />

die Adressen im Browser sofort aufge-<br />

Internet – Aktuell<br />

rufen werden. Die Übernahme der Anzeigeergebnisse<br />

in eine Textverarbeitung<br />

wie WinWord ist per Mausklick<br />

möglich. Das Programm ist Freeware<br />

und steht über die RA-Micro-Homepage<br />

zum Download bereit (etwa<br />

4 MB Daten). Für die Aktualisierung<br />

des Adressbestandes steht im Browser<br />

eine Update-funktion bereit – ein<br />

nochmaliger Download der gesamten<br />

Software ist also nicht erforderlich.<br />

http://www.ra-micro.de/ bzw.<br />

http://www.ra-micro.de/infos/jurbrow/<br />

ra-inter.htm (HIT)<br />

9 Im Internet nicht ganz leicht zu finden<br />

ist die Adresse des Schweizerischen<br />

Anwaltsverbandes (SAV).<br />

Die Webseite bietet unter anderem<br />

eine Anwaltssuchfunktion in der eigenen<br />

Datenbank und deckt damit nach<br />

Angaben etwa 95% aller freiberuflich<br />

tätigen Anwälte der Schweiz ab.<br />

Freunde besonderer Designtechniken<br />

werden an der diskret aufrollenden Indexliste<br />

am linken Seitenrand Gefallen<br />

finden. Verweise dort führen weiter zu<br />

einer brauchbaren Zusammenstellung<br />

einschlägiger juristischer Informationspools<br />

und Webadressen (von Suchmaschinen<br />

über Anwaltsverbände bis<br />

hin zu Einkaufsmöglichkeiten).<br />

http://www.swiss-lawyers.ch/ (HIT)<br />

9 Leichter aufzuspüren ist die Österreichische<br />

Rechtsanwaltskammer. Neben<br />

Auszügen aus dem jeweiligen<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong> stellt man auch hier ein<br />

online bedienbares Anwaltsverzeichnis<br />

zur Verfügung.<br />

Nützlich sind an den Anwalt gerichtete<br />

Informationsbroschüren, etwa zur<br />

Verbrechensopferberatung, zum Beratungskomplex<br />

Hausbau oder zum<br />

Privatkonkurs.<br />

http://www.oerak.or.at/ (HIT)<br />

9 In Ergänzung zu den im AnwBl 3/99<br />

genannten patentrechtlichen Adressen<br />

sei auf Transpatent verwiesen. Dort<br />

erhält man Überblick zu einschlägigen<br />

Gesetzen und Verordnungen im Bereich<br />

Gewerblicher Rechtschutz. Die<br />

Normen sind jeweils aufrufbar und<br />

wurden durch DPA-Amtsmitteilungen<br />

und Merkblätter ergänzt (z. B. Merk-<br />

blatt für Markenanmelder, für<br />

Gebrauchsmusteranwender). Die Webseite<br />

wird durch weiterführende Literaturhinweise<br />

und Recherchedienste<br />

abgerundet.<br />

Die Webseite deckt mit der Fülle der<br />

angebotenen Informationen und Dienste<br />

wohl die meisten Fragestellungen<br />

ab. Leitthema ist dabei der internationale<br />

Gewerbliche Rechtschutz. Mit<br />

der Suchfunktion, die in allen dort angebotenen<br />

Seiten sucht, lassen sich<br />

auch versteckte Hinweise auffinden.<br />

Abrufbare Dokumente sind kostenlos,<br />

Preise für besondere Dienstleistungen<br />

sind jeweils angegeben.<br />

Die eingangs erwähnten Informationen<br />

erhält man über den Unterpunkt<br />

„Materialien-BRD“ oder über direkten<br />

Aufruf der hier angegebenen zweiten<br />

Adresse:<br />

http://www.transpatent.com bzw.<br />

http://www.transpatent.com/<br />

gesetze/ (HIT)<br />

9 Eine empfehlenswerte Einstiegsadresse<br />

für internationale Fragestellungen<br />

enthält (nach wie vor) die auf<br />

Christopher Kuner zurückgehende Zusammenstellung<br />

„Kuner-Liste“ (bearbeitet<br />

von Stefan Gliesche). Die mit<br />

„Ihr Lotse zu Links aus Recht und<br />

Wirtschaft“ betitelte Seite präsentiert<br />

sich mit einer globusförmigen Grafik,<br />

von der die weiteren Links abzweigen.<br />

Im Innern der Grafik führt ein roter<br />

Fleck zu „Verschiedene Rechtsgebiete<br />

(länderübergreifend)“. Er ist aber<br />

eventuell auch als Beschreibung der<br />

Grafik gedacht.<br />

Jedenfalls erhält man hier einige sonst<br />

schwer auffindbare Spezial-Adressen<br />

(z.B. zum Weltraumrecht oder zum internationalen<br />

Konkurs- Handels- oder<br />

Steuerrecht).<br />

http://www.beck.de/rsw/kuner/ (HIT)<br />

Zusammengestellt von Rechtsanwalt<br />

Timm Hitzfeld, Augsburg<br />

(HIT) und Rechtsanwalt Udo<br />

Henke, DAV, Bonn (HEN).


4<br />

(Fortsetzung von Seite VIII)<br />

9 „Wirtschaftsmediation“. Ein amerikanischer Mediator<br />

berichtet aus der Praxis (in englischer Sprache)<br />

Mittwoch, 14. Juli 1999<br />

von 18.00 – ca. 20.00 Uhr s. t. in der Universität, HS 146<br />

Referent: Peter Grilli, Tampa, Florida<br />

Anschließend Diskussion mit dem Referenten und Rechtsanwälten<br />

Dr. Reiner Ponschab, Dr. Christian Duve und Dieter W.<br />

Lüer<br />

Zielgruppe: Studenten, Referendare, Junganwälte / Keine<br />

Anmeldung erforderlich, keine Gebühr<br />

3. Sonderveranstaltung<br />

9 „Fehlerquellen in der gerichtlichen Praxis“<br />

Samstag, 10. Juli 1999<br />

von 9.30 – 13.00 Uhr, im Institut<br />

Referentin: Frau Dr. Brigitte Borgmann<br />

Anmeldung erforderlich: Betrag bitte vor Termin überweisen!<br />

Gebühr: 30,– DM für Referendare/Studenten 15,– DM<br />

Weitere Informationen am Institut für Anwaltsrecht, Ainmillerstr.<br />

11, 80801München, Tel. 089/340294-76 Fax: 089/340294-78<br />

Internet: http://www.gol.de/muenchen/anwrecht.htm,<br />

email: lfA@jura.uni-muenchen.de<br />

Buchhinweis<br />

Das neue Steuerentlastungsgesetz: Erläuterungen und Gestaltungshinweise<br />

zum Gesetzentwurf der neuen Koalition, Hrsg. Oppenhoff &<br />

Rädler.–Bonn: Deutscher Anwaltverlag,1999, 237 S., brosch., 68,– DM<br />

Die Regierung ist mit ihrem geplanten Steuerentlastungsgesetz<br />

1999/2000/2002 einer harschen öffentlichen Kritik ausgesetzt, die<br />

bisher in nicht dagewesener Schärfe erfolgt. Bei aller Kritik fehlte<br />

es bisher an Literatur, die sich mit dem gesamten Gesetzgebungswerk<br />

und seinen Auswirkungen in der Praxis, soweit es in der Entwurffassung<br />

umgesetzt werden sollte, beschäftigt. Diese Lücke haben<br />

die Herausgeber Oppenhoff & Rädler geschlossen.<br />

In einer praxisnahen und überschaubaren Art und Weise wird über<br />

die wichtigsten vorgesehenen Änderungen durch Mitteilung des<br />

entsprechenden Gesetzestextes informiert, um dann auf die Auswirkungen,<br />

ggf. nach erfolgter Erläuterung des Gesetzentwurfs, sowie<br />

auf Gestaltungshinweise einzugehen. Da die wichtigsten Änderungen<br />

angesprochen werden, wie z. B. Änderung des Einkommensteuergesetzes<br />

mit der Behandlung von einunddreißig Einzeldarstellungen<br />

insbesondere auch aus dem Unternehmenssteuerrecht,<br />

der Änderung des Umwandlungssteuergesetzes, des Erbschaftsteuergesetzes<br />

etc. fehlen nur wenige Randbereiche, wie die geplanten<br />

Änderungen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, so<br />

daß man von einer nahezu vollständigen Kommentierung des Gesetzentwurfes<br />

sprechen kann. Dabei sind die Gestaltungshinweise<br />

verständlicherweise vorsichtig formuliert, vermögen aber dem Benutzer<br />

wertvolle Impulse zu geben.<br />

Den Abschluß einer jeden Darstellung bildet jeweils die Begründung<br />

der Koalition zum Gesetzentwurf, die auch in Zukunft für die<br />

Auslegung des Gesetzes in der Praxis von Bedeutung sein wird.<br />

Abgerundet wird die Darstellung durch den vollständigen Abdruck<br />

des Gesetzestextes im Anhang.<br />

Durch die überschaubare Gliederung der Darstellung ist ein schneller<br />

Zugriff gewährleistet, so daß die Publikation ein wertvoller und<br />

empfehlenswerter Ratgeber für die Gestaltungsberatung ist, stellt sie<br />

doch die einzige geschlossene Auseinandersetzung mit dem Steuerentlastungsgesetz<br />

für die Beratungspraxis dar. Als Fazit ist dieses<br />

Werk jedem steuerlichen Berater uneingeschränkt zu empfehlen.<br />

Rechtsanwalt Olaf G. von Briel, Düsseldorf<br />

XXXI

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!